Gute Nachricht für alle

Kapitel 6

An der Pforte des Tempels

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Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 3; Apostelgeschichte 4,1-31.

Die Jünger Christi waren sich ihrer Schwachheit wohl bewusst. In Demut und im Gebet verbanden sie ihre Schwäche mit seiner Stärke, ihre Unwissenheit mit seiner Weisheit, ihre Un­würdigkeit mit seiner Gerechtigkeit, ihre Armut mit seinem unerschöpflichen Reichtum. So gestärkt und ausgerüstet, zögerten sie nicht, im Dienst des Meisters voranzugehen.

Geheilt...

Nicht lange nach der Ausgießung des Heiligen Geistes und unmittelbar nach einer Zeit ernsten Gebets gingen Petrus und Johannes hinauf in den Tempel um anzubeten. Da sahen sie an der Schönen Pforte einen Gelähmten sitzen. Er war vierzig Jahre alt, und seit seiner Geburt war sein Leben von Schmerzen und Gebrechlichkeit gekennzeichnet. Dieser unglückliche Mann hatte schon lange gewünscht, Jesus zu sehen und von ihm geheilt zu werden. Aber er war praktisch hilflos und wohnte weit vom Wirkungsbereich des großen Arztes entfernt. Schließlich hatten ihn einige Freunde auf sein Bitten hin an die Pforte des Tempels getragen. Dort musste er erfahren, dass der, auf den er seine Hoffnungen gesetzt hatte, auf grausame Weise hingerichtet worden war.

Seine Enttäuschung erweckte das Mitgefühl derer, die wussten, wie lange er sehnlich gehofft hatte, von Jesus geheilt zu werden. Täglich trugen sie ihn zum Tempel, damit er von Vorübergehenden aus Mitleid eine Kleinigkeit zur Linderung seiner Not erhielte. Als Petrus und Johannes vorbeikamen, bat er auch sie um ein Almosen. Die Jünger sahen ihn teilnahmsvoll an, und ­Petrus forderte ihn auf: "Sieh uns an! Der Gelähmte tat es und erwartete, dass sie ihm etwas geben würden. Aber Petrus sagte: Gold und Silber habe ich nicht." (Apostelgeschichte 3,4-6 GNB)

Als Petrus so seine Armut erwähnte, senkte der Gelähmte seinen Blick. Ein Hoffnungsschimmer aber glitt über sein Gesicht, als der Apostel fortfuhr: "Doch was ich habe, will ich dir geben. Im Namen von Jesus Christus aus Nazareth: Steh auf und geh umher! Und er fasste den Gelähmten bei der rechten Hand und half ihm auf. Im gleichen Augenblick erstarkten seine Füße und Knöchel; mit einem Sprung war er auf den Beinen und ging umher. Er folgte Petrus und Johannes in den Vorhof des Tempels, lief umher, sprang vor Freude und dankte Gott mit lauter Stimme. Das ganze Volk dort sah, wie er umherging und Gott dankte. Sie erkannten in ihm den Bettler, der sonst immer am Schönen Tor gesessen hatte. Und sie staunten und waren ganz außer sich über das, was mit ihm geschehen war." (Apostelgeschichte 3,6-10 GNB) Die Leute waren erstaunt, dass die Jünger ähnliche Wunder vollbringen konnten wie Jesus. Doch da stand dieser Mann, vierzig Jahre lang ein hilfloser Krüppel, jetzt aber jubelnd über den uneingeschränkten Gebrauch seiner Glieder, ohne Schmerzen und glücklich im Glauben an Jesus.

... durch die Kraft Jesu

Als die Jünger sahen, wie erstaunt die Leute waren, fragte Petrus: "Was wundert ihr euch darüber, oder was seht ihr auf uns, als hätten wir durch eigene Kraft oder Frömmigkeit bewirkt, dass dieser gehen kann?" (Apostelgeschichte 3,12). Er versicherte ihnen, dass die Heilung im Namen und durch die Verdienste Jesu von Nazareth erfolgt sei, den Gott von den Toten auferweckt hatte. Die Apostel erklärten dazu: "Das Vertrauen auf diesen Jesus hat dem Mann, der hier steht und den ihr alle kennt, Kraft gegeben. Der Name von Jesus hat in ihm Glauben geweckt und ihm die volle Gesundheit geschenkt, die ihr an ihm seht." (Apostelgeschichte 3,16 GNB)

Ganz offen sprachen die Apostel von der schweren Sünde, welche die Juden begangen hatten, indem sie den Herrn über alles Leben verworfen und getötet hatten. Aber sie waren darauf bedacht, ihre Zuhörer nicht zur Verzweiflung zu treiben. Petrus sagte deshalb: "Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und darum gebeten, dass man euch den Mörder schenke; aber den Fürsten des Lebens habt ihr getötet. Den hat Gott auferweckt von den Toten; dessen sind wir Zeugen ... Nun, liebe Brüder, ich weiß, dass ihr's aus Unwissenheit getan habt wie auch eure Oberen. Gott aber hat erfüllt, was er durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündigt hat: dass sein Christus leiden sollte." (Apostelgeschichte 3,14.15.17.18). Er erklärte ihnen, dass der Heilige Geist sie zur Reue und zur Umkehr rufe und er betonte, dass es nur durch die Gnade dessen, den sie gekreuzigt hatten, Hoffnung auf Erlösung gebe. Nur durch den Glauben an ihn könnten ihre Sünden vergeben werden.

"Kehrt also um und richtet euch aus auf die Vergebung eurer Sünden, damit vom Angesicht des Herrn her Zeiten der Erquickung kommen ... Ihr seid die Söhne der Propheten und des Bundes, den Gott mit euren Vätern geschlossen hat, als er zu Abraham sprach: Und durch deinen Samen werden gesegnet werden alle Geschlechter der Erde. (1.Mose 22,18). Für euch zuerst hat Gott seinen Knecht erweckt und ihn gesandt, euch zu segnen, wenn sich ein jeder von euch abwendet von seinen bösen Taten." (Apostelgeschichte 3,19.20.25.26 ZÜ)

Auf diese Weise predigten die Jünger die Auferstehung Christi. Viele Zuhörer hatten auf dieses Zeugnis gewartet, und als sie es nun hörten, glaubten sie. Es erinnerte sie an die Worte Christi, und sie reihten sich bei denen ein, die das Evangelium annahmen. Der vom Erlöser ge­säte Same ging auf und brachte Frucht.

Hartnäckiger Widerstand

Als die Jünger "noch zum Volk sprachen, traten die Priester, der Hauptmann der Tempelwache und die Sadduzäer zu ihnen. Diese waren aufgebracht, weil sie das Volk lehrten und im Namen Jesu die Auferstehung von den Toten verkündigten." (Apostelgeschichte 4,1.2 ZÜ)

Nach Christi Auferstehung hatten die Priester überall die Lüge verbreitet, Jesu Leichnam sei von den Jüngern gestohlen worden, während die römischen Wachsoldaten schliefen. Es erstaunte deshalb nicht, dass sie verärgert waren, als sie hörten, dass Petrus und Johannes die Auferstehung dessen predigten, den sie getötet hatten. Besonders erregt darüber waren die Sadduzäer. Sie spürten, dass ihre Lieblingslehre in Gefahr geriet und ihr Ansehen auf dem Spiel stand.

Die Zahl derer, die sich zum neuen Glauben bekehrten, nahm schnell zu. Pharisäer und Sadduzäer waren sich einig, dass man den neuen Lehrern Einhalt gebieten müsste; sonst geriete ihr eigener Einfluss noch stärker in Gefahr als zu Lebzeiten Jesu. Deshalb verhaftete der Tempelhauptmann Petrus und Johannes mit Hilfe einer Anzahl Sadduzäer und warf sie direkt ins Gefängnis, da es an diesem Tag für ein Verhör zu spät war.

Die Feinde der Jünger konnten sich nicht mehr der Tatsache verschließen, dass Christus von den Toten auferstanden war. Die Beweise waren zu eindeutig, als dass man daran hätte zweifeln können. Dennoch verharrten sie in ihrer verstockten Haltung und zeigten keine Reue über ihre schreckliche Tat, die sie durch die Hinrichtung Jesu begangen hatten.

Die jüdischen Obersten hatten Beweise in Hülle und Fülle bekommen, dass die Apostel unter göttlicher Inspiration redeten und handelten. Trotzdem widersetzten sie sich der Botschaft der Wahrheit. Christus war nicht so erschienen, wie sie es erwartet hatten. Obwohl sie zeitweise überzeugt waren, dass er der Sohn Gottes war, hatten sie ihre Überzeugung unterdrückt und ihn gekreuzigt. In seiner Güte gab Gott ihnen noch mehr Beweise, und jetzt wurde ihnen eine weitere Gelegenheit geboten, sich ihm zuzuwenden. Durch die Jünger ließ er ihnen mitteilen, dass sie den Herrn über alles Leben getötet hatten, doch mitten in dieser schrecklichen Anklage erging an sie immer noch ein Aufruf zur Umkehr. Aber die jüdischen Lehrer fühlten sich in ihrer Selbstgerechtigkeit sehr sicher und weigerten sich zuzugeben, dass die Männer, die ihnen die Kreuzigung Christi zur Last legten, unter der Leitung des Heiligen Geistes redeten.

Da sich die Priester auf einen Konfrontationskurs gegenüber Christus festgelegt hatten, reizte sie jeder Widerstand umso mehr, die einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten. In ihrer Halsstarrigkeit wurden sie immer entschlossener. Sie hätten durchaus Einsicht zeigen können, doch sie wollten es nicht. So wurden sie vom Zugang zum Heil abgeschnitten: nicht deshalb allein, weil sie schuldig waren und den Tod verdient hatten, nicht allein, weil sie den Sohn Gottes getötet hatten, sondern weil sie Gott hartnäckig die Stirn boten. Beharrlich widersetzten sie sich der Erkenntnis und verschlossen sich dem Mahnen des Heiligen Geistes. Die Macht, welche die Kinder des Ungehorsams beherrscht, beeinflusste sie so, dass sie die Männer misshandelten, durch die Gott am Wirken war. Die Boshaftigkeit ihrer Rebellion steigerte sich in dem Maße, in dem sie gegen Gott und die Botschaft, die zu verkündigen er seinen Dienern aufgetragen hatte, opponierten. In ihrer Unbußfertigkeit erneuerten die jüdischen Führer täglich ihren Widerstand und bereiteten so die Ernte dessen vor, was sie gesät hatten.

Mut und Überzeugungskraft

Gottes Zorn richtet sich nicht einfach deshalb gegen unbußfertige Sünder, weil sie gesündigt haben, sondern weil sie, zwar zur Umkehr gerufen, dennoch bewusst in ihrem Widerstand beharren und die Sünden der Vergangenheit trotz der ihnen geschenkten Erkenntnis wiederholen. Hätten sich die jüdischen Obersten der überzeugenden Macht des Heiligen Geistes unterworfen, wäre ihnen vergeben worden; aber sie waren entschlossen, nicht nachzugeben. Genauso manövriert sich der Sünder durch fortwährenden Widerstand dahin, wo ihn der Heilige Geist nicht mehr beeinflussen kann.

Am Tag nach der Heilung des Gelähmten kamen Hannas und Kaiphas mit den anderen Würdenträgern des Tempels zum Verhör zusammen, und die Angeklagten wurden vorgeführt. In demselben Raum und vor einigen dieser Männer hatte Petrus seinen Herrn schändlich verleugnet. Daran erinnerte er sich, als er zu seinem eigenen Verhör erschien. Ihm bot sich nun eine Gelegenheit, seine Feigheit wieder gutzumachen.

Diejenigen Anwesenden, die sich daran erinnerten, welche Rolle Petrus bei dem Verhör seines Meisters gespielt hatte, bildeten sich ein, ihn jetzt durch Androhung von Gefangenschaft und Tod einschüchtern zu können. Der Petrus, der Christus in dessen Stunde größter Not verleugnet hatte, war ungestüm und selbstherrlich. Er unterschied sich weit von dem Petrus, der zum Verhör vor den Hohen Rat geführt wurde. Seit seinem Fall hatte er sich bekehrt. Er war nun nicht mehr stolz und prahlerisch, sondern bescheiden und selbstkritisch. Vom Heiligen Geist erfüllt war er mit Hilfe dieser Kraft entschlossen, den Makel seines Treuebruchs zu tilgen und den Namen dessen zu ehren, den er einst verleugnet hatte.

Bisher hatten es die Priester vermieden, die Kreuzigung oder die Auferstehung Jesu zu erwähnen. Um ihr Ziel zu erreichen, mussten sie die Angeklagten nun aber fragen, wie die Heilung des Gelähmten zustande gekommen war: "Aus welcher Kraft oder in welchem Namen habt ihr das getan?" (Apostelgeschichte 4,7).

Mit heiligem Mut und in der Kraft des Heiligen Geistes erklärte Petrus furchtlos: "Nun, ihr und das ganze Volk Israel sollt es wissen: Es geschah im Namen von Jesus Christus aus Nazareth, eben dem, den ihr gekreuzigt habt und den Gott vom Tod auferweckt hat! Durch die Kraft seines Namens steht der Mann hier gesund vor euch. Auf diesen Jesus bezieht sich das Wort in den Heiligen Schriften: Der Stein, den die Bauleute weggeworfen haben, weil sie ihn für unbrauchbar hielten, ist zum Eckstein geworden. Jesus Christus und sonst niemand kann die Rettung bringen. Auf der ganzen Welt hat Gott keinen anderen Namen bekannt gemacht, durch den wir gerettet werden könnten." (Apostelgeschichte 4,10-12 GNB)

Diese mutige Verteidigungsrede schockierte die jüdischen Führer. Sie hatten angenommen, die Jünger würden von Furcht und Verlegenheit überwältigt, wenn sie vor den Hohen Rat gebracht würden. Stattdessen redeten diese Zeugen, wie Christus geredet hatte, mit einer Überzeugungskraft, die ihre Gegner zum Schweigen brachte. In der Stimme von Petrus lag keine Spur von Furcht, als er über Christus sagte: "Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein geworden ist." (Apostelgeschichte 4,11).

Petrus bediente sich hier einer Redewendung, die den Priestern vertraut war. Schon die Propheten hatten von dem Stein gesprochen, der verworfen wurde, und Christus hatte einmal von sich selbst gesagt: "Habt ihr nie gelesen in der Schrift (Psalm 118,22.23): Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen? Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen aber er fällt, den wird er zermalmen." (Matthäus 21,42-44).

Als die Priester die furchtlosen Worte der Apostel hörten, "verwunderten sie sich, und sie erkannten, dass sie mit Jesus gewesen waren." (Apostelgeschichte 4,13 Elb.)

Versuche, die Jünger zum Schweigen zu bringen ...

Über die Jünger berichtet die Schrift nach dem wunderbaren Ereignis der Verklärung Jesu: "Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein." (Matthäus 17,8 Elb.) "Jesus allein" -- in diesen Worten liegt das Geheimnis des Lebens und der Kraft begründet, das die Geschichte der Urgemeinde kennzeichnet. Als die Jünger Christi Worte zum ersten Mal hörten, spürten sie, dass sie ihn brauchten. Sie suchten ihn, fanden ihn und folgten ihm nach. Immer waren sie bei ihm: im Tempel, bei Tisch, am Bergeshang und auf dem Feld. Wie Schüler bei ihrem Lehrer waren sie bei ihm und empfingen täglich von ihm Lehren ewiger Wahrheit.

Auch nach Jesu Himmelfahrt nahmen die Jünger noch die große Liebe und das Licht der göttlichen Gegenwart wahr. Es war eine persönliche Gegenwart. Der Erlöser, der ständig um sie gewesen war, der mit ihnen gesprochen und gebetet hatte, der ihnen Hoffnung und Trost zugesprochen hatte, war mit der Botschaft des Friedens auf den Lippen in den Himmel aufgefahren. Als der Engelwagen ihn aufnahm, hatten sie seine Worte berührt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." (Matthäus 28,20). Er war in Menschengestalt zum Himmel aufgefahren. Die Jünger wussten, dass er auch vor Gottes Thron ihr Freund und Erlöser blieb, dass sich seine Zuneigung zu ihnen nicht änderte und er immer mit der leidenden Menschheit verbunden bleiben würde. Sie wussten, er würde die Verdienste -- durch seinen Tod am Kreuz erworben -- vor Gott bringen, und seine Narben an Händen und Füßen würden an den Preis erinnern, den er für seine Erlösten bezahlt hatte. Dieser Gedanke bestärkte sie, Schande und Tadel um seinetwillen zu erdulden. Ihre Verbindung zu ihm war jetzt stärker als zu der Zeit, da er persönlich bei ihnen gewesen war. Das Licht, die Liebe und die Kraft Christi wohnten in den Jüngern und bewirkten ihre Ausstrahlung, sodass sich die Menschen darüber wunderten.

Den Worten, die Petrus zur Verteidigung Christi sprach, drückte dieser sein Siegel auf. Neben dem Jünger stand als glaubwürdiger Zeuge der Mann, der auf so wunderbare Weise geheilt worden war. Der Anblick dieses Menschen, der wenige Stunden zuvor noch ein hilfloser Krüppel gewesen und dessen Gesundheit nun völlig wiederhergestellt war, verlieh den Worten des Petrus noch größere Glaubwürdigkeit. Priester und Oberste schwiegen. Sie konnten die Aussage von Petrus nicht widerlegen, waren aber dennoch fest entschlossen, der Verkündigung durch die Jünger Einhalt zu gebieten.

Das krönende Wunder Christi -- die Auferweckung des Lazarus -- hatte die Priester im Entschluss bekräftigt, Jesus und seine herrlichen Werke aus der Welt zu schaffen, da sie ihren eigenen Einfluss auf das Volk rasch zum Schwinden brachten. Zwar hatten sie ihn gekreuzigt, aber hier wurde ihnen nun bewiesen, dass sie weder das Wunderwirken in seinem Namen noch die Verkündigung der von ihm gelehrten Wahrheit aufhalten konnten. Die Heilung des Gelähmten und die Predigt der Apostel hatten bereits ganz Jerusalem in Aufregung versetzt.

Um ihre Ratlosigkeit zu verbergen und sich untereinander zu beraten, ließen Priester und Oberste die Apostel fortschaffen. Alle sahen ein, dass es zwecklos wäre, die Heilung dieses Mannes zu leugnen. Wie gerne hätten sie dieses Wunder als Betrug abgetan! Nur bestand dazu keine Möglichkeit, denn es war am helllichten Tag vor einer großen Menschenmenge geschehen, und inzwischen hatten Tausende Kenntnis davon. Sie meinten, man müsse das Wirken der Apostel unbedingt stoppen, denn sonst werde dieser Jesus viele Nachfolger gewinnen. Sie selbst würden die Gunst des Volks verlieren, denn man würde ihnen die Schuld an der Ermordung des Sohnes Gottes geben.

Am liebsten hätten sie die Jünger vernichtet, aber so weit zu gehen, wagten die Priester nicht. Deshalb drohten sie ihnen die schwerste Bestrafung an, sofern sie weiterhin im Namen Jesu reden oder handeln würden. Sie riefen sie erneut vor den Hohen Rat, und "sie geboten ihnen, keinesfalls zu reden oder zu lehren in dem Namen Jesu." (Apostelgeschichte 4,18). Petrus und Johannes antworteten jedoch: "Urteilt selbst, ob es vor Gott recht ist, dass wir euch mehr gehorchen als Gott. Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben." (Apostelgeschichte 4,19.20).

Gern hätten die Priester diese Männer wegen ihrer unerschütterlichen Treue zu ihrer heiligen Berufung bestraft, aber sie fürchteten das Volk, "denn alle lobten Gott für das, was geschehen war." (Apostelgeschichte 4,21). Deshalb wurden die Apostel nach wiederholten Strafandrohungen und Einschüchterungsversuchen auf freien Fuß gesetzt.

... doch sie redeten weiter ...

Während Petrus und Johannes im Gefängnis saßen, hatten die anderen Jünger unaufhörlich für ihre Brüder gebetet, denn sie kannten die Boshaftigkeit der Juden und fürchteten, die Grausamkeiten, die Christus zugefügt worden waren, könnten sich wiederholen. Nach ihrer Freilassung suchten die Apostel die anderen Jünger auf, um ihnen vom Ausgang des Verhörs zu berichten. Die Freude der Gläubigen war groß. "Als sie das hörten, erhoben sie ihre Stimme einmütig zu Gott und sprachen: Herr, du hast Himmel und Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht, du hast durch den Heiligen Geist, durch den Mund unseres Vaters David, deines Knechtes, gesagt (Psalm 2,1-2): Warum toben die Heiden, und die Völker nehmen sich vor, was umsonst ist? Die Könige der Erde treten zusammen, und die Fürsten versammeln sich wider den Herrn und seinen Christus. Wahrhaftig, sie haben sich versammelt in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels, zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt hatten, dass es geschehen solle. Und nun, Herr, sieh an ihr Drohen und gib deinen Knechten, mit allem Freimut zu reden dein Wort; strecke deine Hand aus, dass Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus." (Apostelgeschichte 4,24-30).

Zur Ausübung ihres Dienstes baten die Jünger um mehr Kraft, denn sie erwarteten den gleichen entschiedenen Widerstand, auf den auch Christus hier auf Erden gestoßen war. Noch während ihre einmütigen Gebete im Glauben zum Himmel stiegen, erfolgte die Antwort. Der Ort, an dem sie sich versammelt hatten, erbebte. Erneut kam der Heilige Geist über sie, und mutigen Herzens gingen sie wieder daran, das Wort Gottes in Jerusalem zu verkündigen. "Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus." (Apostelgeschichte 4,33). Und Gott segnete ihren Einsatz in wunderbarer Weise.

... bis in unsere Tage

Als den Jüngern verboten wurde, im Namen Jesu zu lehren, vertraten sie in ihrer furchtlosen Antwort den gleichen Grundsatz, für den die Anhänger des Evangeliums in den Tagen der Reformation kämpften: "Urteilt selbst, ob es vor Gott recht ist, dass wir euch mehr gehorchen als Gott." (Apostelgeschichte 4,19). Den deutschen Fürsten, die sich 1529 auf dem Reichstag zu Speyer versammelten, wurde ein Erlass des Kaisers vorgelegt, der die religiöse Freiheit einschränkte und jede weitere Verbreitung der Lehren der Reformation untersagte. Es schien so, als ob die Hoffnung der Welt vor der Vernichtung stünde. Würden die Fürsten den Erlass annehmen? Sollten die Menschen, die noch in der Finsternis lebten, vom Licht des Evangeliums ausgeschlossen bleiben? Entscheidendes für die Welt stand auf dem Spiel. Die Bekenner des reformatorischen Glaubens kamen zusammen und beschlossen einmütig: "Lasst uns diesen Erlass verwerfen. In Fragen des Gewissens hat die Mehrheit nichts zu bestimmen." (Jean-Henri Merle d'Aubigné, History of the Reformation, Band 13, Kapitel 5)

An diesem Grundsatz müssen wir auch heute noch festhalten. Die Wahrheiten des Evangeliums und die Möglichkeit, den eigenen Glauben frei und ohne Zwang wählen zu können, die den Begründern der Urgemeinde und den Zeugen Gottes der späteren Jahrhunderte so kostbar waren, sind in dieser letzten Auseinandersetzung uns anvertraut worden. Die Verantwortung für diese große Gabe ruht auf denen, die Gott mit der Kenntnis seines Wortes gesegnet hat. Dieses Wort müssen wir als höchste Autorität anerkennen. Wir sollen menschliche Regierungsgewalt als von Gott eingesetzte Ordnung achten und ihr gegenüber als heilige Pflicht Gehorsam lehren innerhalb der Grenzen ihrer rechtmäßigen Zuständigkeit. Widersprechen diese Gehorsamsansprüche aber den Ansprüchen Gottes, müssen wir Gott mehr gehorchen als den Menschen. Gottes Wort steht für einen Christen über jeder menschlichen Gesetzgebung. Ein "So spricht der Herr" kann nicht durch ein "So spricht die Kirche" oder ein "So spricht der Staat" ersetzt werden. Der Herrschaftsanspruch Christi ist höher zu werten als die Hoheitszeichen irdischer Machthaber.

Niemand verlangt von uns, die Obrigkeit herauszufordern. Wir sollten unsere gesprochenen und geschriebenen Worte sorgfältig abwägen, um nicht den Anschein zu erwecken, als stünden wir Gesetz und Ordnung feindlich gegenüber. Wir sollten uns weder durch Worte noch durch Taten unnötig Steine in den Weg legen. Wir müssen in Christi Namen voranschreiten und für die Wahrheiten eintreten, die uns anvertraut sind. Sollten Menschen uns dies verbieten, dann dürfen wir mit den Aposteln sagen: "Urteilt selbst, ob es vor Gott recht ist, dass wir euch mehr gehorchen als Gott. Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben." (Apostelgeschichte 4,19.20).