Gute Nachricht für alle

Kapitel 42

Seereise und Schiffbruch

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Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 27; Apostelgeschichte 28,1-10.

Endlich war Paulus auf dem Weg nach Rom. "Da es aber beschlossen war", schreibt Lukas, "dass wir nach Italien fahren sollten, übergaben sie Paulus und einige andere Gefangene einem Hauptmann mit Namen Julius von einer kaiserlichen Abteilung. Wir bestiegen aber ein Schiff aus Adramyttion, das die Küstenstädte der Provinz Asien anlaufen sollte, und fuhren ab; mit uns war auch Aristarch, ein Mazedonier aus Thessalonich." (Apostelgeschichte 27,1.2).

Den Rat der Mehrheit befolgt ...

Im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung war das Reisen zur See mit besonderen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden. Die Seeleute richteten den Kurs ihrer Schiffe meist nach dem Stand der Sonne und der Sterne. Wenn diese nicht zu sehen waren oder wenn Sturm drohte, wagten sich die Schiffseigner nicht auf die offene See hinaus. Während einiger Monate war eine sichere Schifffahrt fast unmöglich.

Der Apostel Paulus musste nun während der langen und beschwerlichen Seereise nach Italien die harten Erfahrungen machen, die das bittere Los eines in Ketten gelegten Gefangenen mit sich brachte. Ein Umstand allerdings erleichterte ihm die Härte seiner Lage bedeutend: Er durfte Lukas und Aristarch als Begleiter mitnehmen. In seinem Brief an die Kolosser erwähnte er später Letzteren als seinen Mitgefangenen (vgl. Kolosser 4,10). Aristarch teilte freiwillig die Gefangenschaft des Paulus, um ihm in seiner Notlage zur Seite zu stehen.

Die Seereise begann erfolgversprechend. Schon am folgenden Tag ging man im Hafen von Sidon vor Anker. Der Hauptmann Julius "verhielt sich freundlich gegen Paulus", und als er erfuhr, dass in Sidon Christen wohnten, erlaubte er ihm, "zu seinen Freunden zu gehen und sich pflegen zu lassen." (Apostelgeschichte 27,3). Der Apostel, dessen Gesundheit angegriffen war, wusste diese Erlaubnis sehr zu schätzen.

Nachdem das Schiff Sidon verlassen hatte, geriet es in widrige Winde, und da man vom direkten Kurs abgetrieben wurde, kam man nur langsam voran. In Myra, in der Provinz Lyzien, fand der Hauptmann ein großes Schiff aus Alexandria, das zur Küste Italiens unterwegs war, und auf dieses verlegte er sogleich seine Gefangenen. Doch immer noch gab es Gegenwind, und das Schiff kam nur mühsam voran.

Lukas schreibt: "Wir kamen aber viele Tage nur langsam vorwärts und gelangten mit Mühe bis auf die Höhe von Knidos, denn der Wind hinderte uns; und wir fuhren im Schutz von Kreta hin, bis auf die Höhe von Salmone, und gelangten kaum daran vorbei und kamen an einen Ort, der Guthafen heißt." (Apostelgeschichte 27,7.8).

Hier in Guthafen waren sie gezwungen, einige Zeit zu bleiben, um auf günstigere Winde zu warten. Da der Winter aber schnell herannahte und "die Schifffahrt bereits gefährlich wurde" (Apostelgeschichte 27,9), gaben die Schiffsverantwortlichen ihre Hoffnung auf, ihren Bestimmungsort noch zu erreichen, bevor in jenem Jahr die Schiffssaison zu Ende ging. Als einzige Frage blieb noch zu entscheiden, ob man in Guthafen bleiben oder versuchen sollte, einen günstigeren Ort zum Überwintern zu erreichen.

Diese Frage wurde ernstlich diskutiert und schließlich vom Hauptmann dem Paulus vorgelegt, der die Achtung sowohl der Schiffsleute als auch der Soldaten gewonnen hatte. Ohne zu zögern, riet der Apostel, dass man bleiben sollte, wo man war. "Ich sehe", sagte er, "dass diese Fahrt nur mit Leid und großem Schaden vor sich gehen wird, nicht allein für die Ladung und das Schiff, sondern auch für unser Leben." (Apostelgeschichte 27,10). Aber der Steuermann und der Schiffsherr sowie die meisten Reisenden und Besatzungsmitglieder waren nicht gewillt, diesen Rat anzunehmen. "Da der Hafen", in dem sie ankerten, "zum Überwintern ungeeignet war, bestanden die meisten von ihnen auf dem Plan, weiterzufahren und zu versuchen, ob sie zum Überwintern bis nach Phönix kommen könnten, einem Hafen auf Kreta, der gegen Südwest und Nordwest offen ist." (Apostelgeschichte 27,12).

Der Hauptmann schloss sich dem Urteil der Mehrheit an. "Als aber der Südwind wehte", verließen sie Guthafen in der Hoffnung, bald den gewünschten Hafen zu erreichen. "Nicht lange danach aber brach ... ein Sturmwind los, den man Nordost nennt. Und da das Schiff ergriffen wurde und nicht mehr gegen den Wind gerichtet werden konnte, gaben wir auf und ließen uns treiben." (Apostelgeschichte 27,13-15).

Vom Sturm getrieben, näherte sich das Schiff der kleinen Insel Kauda. Unter ihrem Schutz bereiteten sich die Schiffsleute auf das Schlimmste vor. Das Rettungsboot, ihre einzige Zuflucht für den Fall, dass das Schiff untergehen sollte, hing noch im Schlepptau, konnte aber jeden Augenblick zertrümmert werden. Man musste es als Erstes auf Deck hieven. Dann wurden alle möglichen Vorkehrungen getroffen, die das Schiff stabiler und widerstandsfähiger gegen den Sturm machen sollten. Der geringe Schutz, den ihnen die kleine Insel bot, währte nicht lange, und bald waren sie wieder dem vollen Ungestüm des Sturmes ausgesetzt.

Der Sturm wütete die ganze Nacht hindurch. Trotz aller Vorkehrungen wurde das Schiff leck geschlagen, sodass "am nächsten Tag Ladung ins Meer" (Apostelgeschichte 27,18) geworfen werden musste. Wieder brach die Nacht herein, aber der Sturm ließ nicht nach. Mit gebrochenem Mast und zerfetzten Segeln wurde das Schiff durch den heftig wütenden Sturm hin und her geworfen. Jeden Augenblick schien es, als müssten die ächzenden Planken auseinander brechen, während das Schiff unter der Wucht des Sturmes schlingerte und erbebte. Das Leck wurde zusehends größer. Unentwegt arbeiteten Reisende und Besatzung an den Pumpen. Keiner an Bord konnte sich auch nur einen Augenblick ausruhen. "Am dritten Tag", so schreibt Lukas, "warfen sie mit eigenen Händen das Schiffsgerät hinaus. Da aber viele Tage weder Sonne noch Sterne schienen und ein gewaltiges Ungewitter uns bedrängte, war all unsre Hoffnung auf Rettung dahin." (Apostelgeschichte 27,19.20).

... und Schiffbruch erlitten

Vierzehn Tage lang trieben sie auf dem Meer unter einem Himmel, an dem sich weder Sonne noch Sterne zeigten. Obwohl der Apostel selbst körperlich litt, hatte er für die dunkelste Stunde Worte der Hoffnung und eine hilfreiche Hand in jeder Notlage. Im Glauben fasste er den Arm des Allmächtigen, und sein Herz fand einen Anker in Gott. Er hatte keine Angst um sich selbst; er wusste, Gott würde ihn erhalten, um in Rom für die Wahrheit Christi ein Zeugnis abgeben zu können. Doch er empfand Mitleid mit den armen Menschen um ihn herum, die sündig, heruntergekommen und auf den Tod unvorbereitet waren. Als er Gott flehentlich bat, ihr Leben zu schonen, wurde ihm offenbart, dass sein Gebet Erhörung gefunden hatte.

Als der Sturm für eine kurze Zeit nachließ, nutzte Paulus die Gelegenheit, um an Deck zu kommen und seine Stimme zu erheben: "Liebe Männer, man hätte auf mich hören sollen und nicht von Kreta aufbrechen, dann wäre uns Leid und Schaden erspart geblieben. Doch nun ermahne ich euch: Seid unverzagt; denn keiner von euch wird umkommen, nur das Schiff. Denn diese Nacht trat zu mir der Engel des Gottes, dem ich gehöre und dem ich diene, und sprach: Fürchte dich nicht, Paulus, du musst vor den Kaiser gestellt werden; und siehe, Gott hat dir geschenkt alle, die mit dir fahren. Darum, liebe Männer, seid unverzagt; denn ich glaube Gott, es wird so geschehen, wie mir gesagt ist. Wir werden aber auf eine Insel auflaufen." (Apostelgeschichte 27,21-26).

Bei diesen Worten kam neue Hoffnung auf. Die Passagiere und die Besatzung erwachten aus ihrer Mutlosigkeit. Noch immer gab es viel zu tun, und sie mussten alle verfügbaren Kräfte einsetzen, um den Untergang abzuwenden.

Es geschah nachts nach zwei langen Wochen, in denen sie ständig auf den dunklen, hoch aufragenden Wogen hin und her geworfen worden waren, da hörten die Seeleute tosende Brandung. Daher, schreibt Lukas, "wähnten die Schiffsleute um Mitternacht, sie kämen an ein Land. Und sie warfen das Senkblei aus und fanden es zwanzig Faden tief; und ein wenig weiter loteten sie abermals und fanden es fünfzehn Faden tief. Da fürchteten sie, wir würden auf Klippen geraten, und warfen hinten vom Schiff vier Anker aus und wünschten, dass es Tag würde." (Apostelgeschichte 27,27-29).

Bei Tagesanbruch wurden die Umrisse der sturmumtosten Küste verschwommen sichtbar, doch war kein bekannter Orientierungspunkt zu sehen.

Die Aussichten erschienen so düster, dass die heidnischen Seeleute allen Mut verloren und "vom Schiff zu fliehen suchten". Unter dem Vorwand, "sie wollten auch vorne die Anker herunterlassen," hatten sie schon das Rettungsboot ins Wasser herabgelassen. Paulus aber durchschaute ihre niederträchtige Absicht und sprach zu dem Hauptmann und den Soldaten: "Wenn diese nicht auf dem Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden. Da hieben die Soldaten die Taue ab und ließen das Beiboot ins Meer fallen." (Apostelgeschichte 27,30-32).

Doch die gefährlichste Stunde stand ihnen noch bevor. Wiederum richtete Paulus ermutigende Worte an alle und bat Seeleute wie Reisende, etwas Speise zu sich zu nehmen. "Es ist heute der vierzehnte Tag, dass ihr wartet und ohne Nahrung geblieben seid und nichts zu euch genommen habt. Darum ermahne ich euch, etwas zu essen; denn das dient zu eurer Rettung; es wird keinem von euch ein Haar vom Haupt fallen.

Und als er das gesagt hatte, nahm er Brot, dankte Gott vor ihnen allen und brach's und fing an zu essen." (Apostelgeschichte 27,33-35). Die erschöpfte und entmutigte Schar von 275 Männern, die ohne Paulus verzweifelt wäre, folgte seinem Beispiel und nahm auch Nahrung zu sich. "Nachdem sie satt geworden waren, erleichterten sie das Schiff und warfen das Getreide in das Meer." (Apostelgeschichte 27,38).

Inzwischen war es ganz hell geworden, aber immer noch konnten sie nichts erkennen, was ihnen zur Orientierung hätte dienen können. "Eine Bucht aber wurden sie gewahr, die hatte ein flaches Ufer. Dahin wollten sie das Schiff treiben lassen, wenn es möglich wäre. Und sie hieben die Anker ab und ließen sie im Meer, banden die Steuerruder los und richteten das Segel nach dem Wind und hielten auf das Ufer zu. Und als sie auf eine Sandbank gerieten, ließen sie das Schiff auflaufen, und das Vorderschiff bohrte sich ein und saß fest, aber das Hinterschiff zerbrach unter der Gewalt der Wellen." (Apostelgeschichte 27,39-41).

Bewahrung und Wunder

Paulus und den anderen Gefangenen drohte nun ein Schicksal, das schrecklicher war als Schiffbruch. Die Soldaten sahen, dass es ihnen unmöglich sein würde, ihre Gefangenen in Gewahrsam zu behalten, während ein jeder versuchte, das Land zu erreichen. Jeder würde genug mit seiner eigenen Rettung zu tun haben. Sollte aber ein Gefangener fehlen, würde das Leben derer, die für ihn verantwortlich waren, verwirkt sein. Deshalb wollten die Soldaten alle Gefangenen töten. Das römische Recht erlaubte solch eine grausame Vorgehensweise. Der Plan wäre auch sofort ausgeführt worden, wenn es da nicht den gegeben hätte, dem alle in gleicher Weise zu großem Dank verpflichtet waren. Der Hauptmann Julius wusste, dass Paulus an der Rettung aller an Bord maßgeblich beteiligt gewesen war. Außerdem war er überzeugt, dass der Herr mit Paulus war, und deshalb fürchtete er sich, ihm Schaden zuzufügen. Er "wehrte ihrem Vorhaben und ließ die, die schwimmen konnten, als Erste ins Meer springen und sich ans Land retten, die andern aber einige auf Brettern, einige auf dem, was noch vom Schiff da war. Und so geschah es, dass sie alle gerettet ans Land kamen." (Apostelgeschichte 27,43.44). Als die Namen aufgerufen wurden, fehlte auch nicht einer.

Die Schiffbrüchigen wurden von der vermeintlich unzivilisierten Bevölkerung von Melite freundlich empfangen. Sie "zündeten ein Feuer an", schrieb Lukas, "und nahmen uns alle auf wegen des Regens, der über uns gekommen war, und wegen der Kälte." (Apostelgeschichte 28,2). Paulus gehörte zu denen, die tatkräftig für das Wohlergehen der andern sorgten. Als er "einen Haufen Reisig zusammenraffte und aufs Feuer legte, fuhr wegen der Hitze eine Schlange heraus und biss sich an seiner Hand fest." (Apostelgeschichte 28,3). Die Umstehenden waren entsetzt; und als sie an den Ketten erkannten, dass Paulus ein Gefangener war, sprachen sie zueinander: "Dieser Mensch muss ein Mörder sein, den die Göttin der Rache nicht leben lässt, obgleich er dem Meer entkommen ist." (Apostelgeschichte 28,4). Paulus jedoch schleuderte das Tier ins Feuer, "und es widerfuhr ihm nichts Übles." (Apostelgeschichte 28,5). Die Leute wussten, wie giftig dieses Tier war, und rechneten damit, dass er im nächsten Augenblick unter schrecklichen Krämpfen zusammenbrechen würde. "Als sie nun lange gewartet hatten und sahen, dass ihm nichts Schlimmes widerfuhr, änderten sie ihre Meinung und sprachen: Er ist ein Gott." (Apostelgeschichte 28,6).

Während der drei Monate, die die Insassen des Schiffes auf Melite blieben, nützten Paulus und seine Mitarbeiter viele Gelegenheiten, das Evangelium zu verkündigen. Und der Herr wirkte auf außergewöhnliche Weise durch sie. Paulus zuliebe wurden alle Schiffbrüchigen sehr freundlich behandelt; alle ihre Bedürfnisse wurden gestillt, und als sie später Melite verließen, wurden sie mit allem großzügig versorgt, was für ihre Seereise nötig war. Die Ereignisse während ihres Aufenthaltes fasst Lukas in folgenden Worten kurz zusammen:

"In dieser Gegend hatte der angesehenste Mann der Insel, mit Namen Publius, Landgüter; der nahm uns auf und beherbergte uns drei Tage lang freundlich. Es geschah aber, dass der Vater des Publius am Fieber und an der Ruhr darnieder lag. Zu dem ging Paulus hinein und betete und legte die Hände auf ihn und machte ihn gesund. Als das geschehen war, kamen auch die andern Kranken der Insel herbei und ließen sich gesund machen. Und sie erwiesen uns große Ehre; und als wir abfuhren, gaben sie uns mit, was wir nötig hatten." (Apostelgeschichte 28,7-10).