------------------------Gute Nachricht Für Alle -- Das Evangelium Durchdringt Das Römische Reich GNAT 6 1 Vorwort GNAT 12 1 Kapitel 1 -- Gottes Absicht Mit Seiner Gemeinde GNAT 17 0 Kapitel 2 -- Die Ausbildung Der Zwölf Jünger GNAT 22 0 Kapitel 3 -- Der Grosse Auftrag GNAT 30 0 Kapitel 4 -- Pfingsten GNAT 38 1 Kapitel 5 -- Die Gabe Des Heiligen Geistes GNAT 45 0 Kapitel 6 -- An Der Pforte Des Tempels GNAT 54 0 Kapitel 7 -- Von Herzen Teilen GNAT 59 0 Kapitel 8 -- Vor dem Hohen Rat GNAT 66 0 Kapitel 9 -- Die Sieben Diakone GNAT 73 0 Kapitel 10 -- Der Erste Christliche Märtyrer GNAT 80 0 Kapitel 11 -- Das Evangelium In Samaria GNAT 86 0 Kapitel 12 -- Vom Verfolger Zum Jünger GNAT 94 0 Kapitel 13 -- Tage Der Vorbereitung GNAT 100 0 Kapitel 14 -- Ein Hauptmann Sucht Gott GNAT 108 0 Kapitel 15 -- Aus Dem Gefängnis Befreit GNAT 116 0 Kapitel 16 -- Das Evangelium in Antiochia GNAT 126 0 Kapitel 17 -- Boten Des Evangeliums GNAT 134 0 Kapitel 18 -- Heiden Hören Die Gute Nachricht GNAT 142 0 Kapitel 19 -- Juden Und Heidenchristen GNAT 152 0 Kapitel 20 -- Das Kreuz Wird Erhöht GNAT 159 0 Kapitel 21 -- Das Evangelium Erreicht Europa GNAT 166 0 Kapitel 22 -- In Thessalonich GNAT 173 0 Kapitel 23 -- In Beröa Und Athen GNAT 182 0 Kapitel 24 -- In Korinth GNAT 190 1 Kapitel 25 -- Die Briefe An Die Thessalonicher GNAT 200 0 Kapitel 26 -- Apollos In Korinth GNAT 209 0 Kapitel 27 -- Paulus In Ephesus GNAT 216 0 Kapitel 28 -- Anstrengende Und Belastende Tage GNAT 224 0 Kapitel 29 -- Eine Warnungsbotschaft GNAT 232 0 Kapitel 30 -- Zum Höheren Standard Berufen GNAT 242 0 Kapitel 31 -- Die Ermahnung Wird Angenommen GNAT 250 0 Kapitel 32 -- Eine Freigebige Gemeinde GNAT 258 0 Kapitel 33 -- Wirken Unter Schwierigkeiten GNAT 267 0 Kapitel 34 -- Hingebungsvoller Dienst GNAT 276 0 Kapitel 35 -- Erlösung Für Die Juden GNAT 284 0 Kapitel 36 -- Abfall In Galatien GNAT 290 0 Kapitel 37 -- Die Letzte Reise Nach Jerusalem GNAT 298 0 Kapitel 38 -- Paulus In Gefangenschaft GNAT 312 0 Kapitel 39 -- Das Verhör In Cäsarea GNAT 319 0 Kapitel 40 -- Paulus Beruft Sich Auf Den Kaiser GNAT 323 0 Kapitel 41 -- Agrippa Wird Fast Überzeugt GNAT 328 0 Kapitel 42 -- Seereise Und Schiffbruch GNAT 334 0 Kapitel 43 -- Paulus In Rom GNAT 346 0 Kapitel 44 -- Christen Im Palast Des Kaisers GNAT 352 0 Kapitel 45 -- Briefe Aus Rom GNAT 363 1 Kapitel 46 -- Wieder In Freiheit GNAT 366 0 Kapitel 47 -- Erneut Im Gefängnis GNAT 368 0 Kapitel 48 -- Paulus Vor Nero GNAT 373 1 Kapitel 49 -- Der Letzte Brief Von Paulus GNAT 381 1 Kapitel 50 -- Das Todesurteil GNAT 388 1 Kapitel 51 -- Ein Treuer Hirte GNAT 399 1 Kapitel 52 -- Standhaft Bis Ans Ende GNAT 406 0 Kapitel 53 -- Johannes, Der Geliebte Jünger GNAT 412 1 Kapitel 54 -- Ein Zuverlässiger Zeuge GNAT 420 1 Kapitel 55 -- Durch Gnade Verwandelt GNAT 428 1 Kapitel 56 -- Verbannt Auf Patmos GNAT 435 0 Kapitel 57 -- Das Buch Der Offenbarung GNAT 446 1 Kapitel 58 -- Die Triumphierende Gemeinde ------------------------Vorwort GNAT 6 1 Je weiter sich das Christentum im Laufe seiner Geschichte von seinen Ursprüngen entfernt hat, desto stärker wurde und wird bei vielen Christen der Wunsch nach Erneuerung nach dem Vorbild der Anfangszeit. Die christliche Gemeinde empfing damals aus der Erfüllung mit dem Heiligen Geist ihre missionarische Kraft. Dennoch blieb sie nicht von äußeren und inneren Krisen verschont. Was sie jedoch stets zusammen hielt, war der Glaube an die Person und das Wort von Jesus Christus. Die Heilsbotschaft von Golgatha galt und gilt nicht nur Israel, nicht nur Hellas und Rom, sondern allen Menschen auf der ganzen Welt! Niemals war die Gemeinde aktiver, lebendiger und glaubenstreuer als damals, als sie aus dem Schatten des Kreuzes in die Weite des Erdkreises hinaustrat und den auferstandenen Erlöser verkündete. GNAT 6 2 Ohne eine von Menschen aufgebaute Organisation, vorangetrieben von geisterfüllten Frauen und Männern, war eine unzählbare Schar der Zeugen von Jesus Christus am Werk. Jeder Christ war ein Missionar. Lag der erste Brennpunkt der Aktivität noch im jüdischen Jerusalem, so erreichte die Bewegung bald die hellenistische Welt mit dem Zentrum Antiochia in Syrien. Schließlich kam das Evangelium, die gute Nachricht von der Erlösung durch Jesus Christus, auch ins kaiserliche Rom, der Hauptstadt der damaligen Welt. Dieser Siegeszug der Hoffnung ist mit den Namen der Apostel Paulus, Petrus und Johannes untrennbar verbunden, aber auch mit vielen anderen, »die im Dienst für Jesus Christus, ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben« (Apostelgeschichte 15,26 GNB). GNAT 6 3 Am Anfang noch als eine jüdische Sekte betrachtet (Apostelgeschichte 16,19-21), trafen die ersten Christen bald auf den Widerstand des römischen Staates. So brach im Jahr 64 n. Chr. die Verfolgung des Kaisers Nero über die christliche Gemeinde der Hauptstadt herein, und zum Ende des Jahrhunderts waren besonders die kleinasiatischen Gemeinden Ziel der Repression. Im Zusammenhang mit der Verfolgung in Rom starben die Apostel Petrus und Paulus den Märtyrertod. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde Johannes auf die Insel Patmos verbannt. Trotz Unterdrückung aber wurden die Christen immer zahlreicher. Ein späterer Apologet fasste dieses Geheimnis in die Worte: »Das Blut der Christen ist ein Same.« (Tertullian) GNAT 7 1 Die Verfasserin dieses Buches zeichnet anhand der biblischen Berichte die geistige Atmosphäre der ersten Christen in lebendiger und anschaulicher Erzählform nach. Obwohl das vorliegende Werk aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts stammt, hat es nichts von seiner sprachlichen und inhaltlichen Kraft verloren. Es fand im Englischen weite Verbreitung und wurde in unzählige Sprachen übersetzt. Diese deutschsprachige Ausgabe wurde gründlich revidiert, ohne auf eine genaue Wiedergabe des englischen Originaltextes zu verzichten. GNAT 7 2 Nach den vielen Irrungen und Wirrungen des späteren Christentums fragen wir uns heute, wo wir eine solide Grundlage für die Gegenwart und eine tragfähige Hoffnung für die Zukunft finden. Kirchengemeinden und einzelne Gläubige tun gut daran, im Geist immer wieder zu den Anfängen zurückzugehen, als geisterfüllte Männer und Frauen auf friedfertige Weise mit der frohen Botschaft vom gekommenen und wiederkommenden Befreier die Welt nachhaltig und im Sinne von Jesus Christus verändert haben. Hans Heinz, Th.D. ------------------------Kapitel 1 -- Gottes Absicht Mit Seiner Gemeinde GNAT 12 1 Die Gemeinde ist das von Gott erwählte Werkzeug, um Menschen zum Heil zu führen. Sie wurde gegründet, um zu dienen, und ihre Aufgabe ist es, der Welt das Evangelium zu bringen. Von Anbeginn war es Gottes Plan, dass seine Gemeinde der Welt »die Heilsmacht Gottes in ihrer ganzen Fülle« (Kolosser 2,9 GNB) widerspiegelt. Die Mitglieder der Gemeinde, die Gott aus »der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht« (1. Petrus 2,9) berufen hat, sollen seinen Ruhm verkündigen. Die Gemeinde soll die unerschöpfliche Fülle der Gnade Christi verkörpern. Durch sie wird schließlich sogar »den Mächten und Gewalten im Himmel« (Epheser 3,10) vor Augen geführt, wie entscheidend und umfassend die Liebe Gottes ist. In Der Welt, Aber Gottes Eigentum GNAT 12 2 Viele wunderbare Verheißungen über die Gemeinde stehen in der Heiligen Schrift. »Mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker.« (Jesaja 56,7) »Ich will sie und alles, was um meinen Hügel her ist, segnen und auf sie regnen lassen zu rechter Zeit. Das sollen gnädige Regen sein ... Und ich will ihnen eine Pflanzung aufgehen lassen zum Ruhm, dass sie nicht mehr Hunger leiden sollen im Lande und die Schmähungen der Heiden nicht mehr ertragen müssen. Und sie sollen erfahren, dass ich, der Herr, ihr Gott, bei ihnen bin und dass die vom Hause Israel mein Volk sind, spricht Gott der Herr. Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein.« (Hesekiel 34,26.29-31) GNAT 12 3 »Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr wisst und mir glaubt und erkennt, dass ich's bin. Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein. Ich, ich bin der Herr, und außer mir ist kein Heiland. Ich hab's verkündigt und habe auch geholfen und hab's euch sagen lassen; und es war kein fremder Gott unter euch. Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr, und ich bin Gott.« (Jesaja 43,1012) »Ich, der Herr, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.« (Jesaja 42,6.7) GNAT 13 1 »So spricht der Herr: Ich habe dich erhört zur Zeit der Gnade und habe dir am Tage des Heils geholfen und habe dich behütet und zum Bund für das Volk bestellt, dass du das Land aufrichtest und das verwüstete Erbe zuteilst, zu sagen den Gefangenen: Geht heraus! und zu denen in der Finsternis: Kommt hervor! Am Wege werden sie weiden und auf allen kahlen Höhen ihre Weide haben. Sie werden weder hungern noch dürsten, sie wird weder Hitze noch Sonne stechen; denn ihr Erbarmer wird sie führen und sie an die Wasserquellen leiten. Ich will alle meine Berge zum ebenen Wege machen, und meine Pfade sollen gebahnt sein ... Jauchzet, ihr Himmel, freue dich, Erde! Lobet, ihr Berge, mit Jauchzen! Denn der Herr hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden. Zion aber sprach: Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen. Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir.« (Jesaja 49,8-11; 13-16) GNAT 13 2 Die Gemeinde ist Gottes feste Burg, sein Zufluchtsort, den er inmitten einer aufrührerischen Welt bereithält. Jeder Verrat an der Gemeinde ist ein Treuebruch an dem, der alle Menschen durch das Blut seines einzigartigen Sohnes erkauft hat. Von Anfang an bildeten treue Gläubige die irdische Gemeinde Gottes. Zu allen Zeiten hatte der Herr seine Wächter, die vor ihren Mitmenschen ein zuverlässiges Zeugnis ihres Glaubens ablegten. Diese Wächter verkündigten die Warnungsbotschaft. Mussten sie ihre Waffenrüstung ablegen, dann übernahmen andere den Dienst. Gott schloss mit diesen Zeugen einen Bund und vereinigte so die irdische Gemeinde mit der himmlischen. Er hat seine Engel ausgesandt, damit sie seiner Gemeinde dienen, und die Pforten der Hölle konnten sein Volk nicht überwältigen. GNAT 13 3 Gott hat seine Gemeinde durch Jahrhunderte der Verfolgung, der Auseinandersetzungen und der Dunkelheit erhalten. Kein Schatten ist auf sie gefallen, gegen den Gott nicht Vorsorge getroffen hätte. Keine feindliche Macht hat sich seinem Wirken entgegengestellt, von der er nicht im Voraus gewusst hätte. Alles ist so eingetroffen, wie er es vorhergesagt hatte. Er hat seine Gemeinde nie im Stich gelassen; vielmehr hat er in prophetischen Aussagen dargelegt, was geschehen würde; und was seine Propheten durch den Heiligen Geist voraussagten, ist eingetroffen. Seine Pläne werden sich alle erfüllen. Seine Herrschaft ist an seinen Willen, sein Gesetz gekoppelt; und keine böse Macht kann dieses Gesetz zunichte machen. Gott ist die Quelle und der Wächter der Wahrheit, und diese wird über jeden Widerstand siegen. GNAT 14 1 In langen Zeiten geistlicher Finsternis glich die Gemeinde Gottes einer Stadt, die auf einem Berge liegt. Jahrhundertelang, von Generation zu Generation, haben sich in ihr die reinen Lehren des Himmels entfalten können. Mag die Gemeinde auch geschwächt und fehlerhaft erscheinen, schenkt Gott dennoch gerade ihr in besonderer Weise seine höchste Wertschätzung. In ihr entfaltet er seine Gnade, und er erfreut sich daran, in ihr seine Macht zu offenbaren, um Herzen zu verändern. Zum Segen Für Die Welt GNAT 14 2 Jesus fragte: »Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen, und durch welches Gleichnis wollen wir es abbilden?« (Markus 4,30) Die Reiche der Welt konnte er nicht als Beispiel nehmen, und auch in der menschlichen Gesellschaft fand er nichts Vergleichbares. Die Herrschaft irdischer Reiche beruht auf der Überlegenheit ihrer physischen Machtmittel, aber aus dem Reich Christi ist jede weltliche Waffe, jedes Mittel des Zwangs verbannt. Dieses Reich soll die Menschheit aufrichten und veredeln. Gottes Gemeinde ist eine Stätte heiligen Lebens, ausgestattet mit vielen verschiedenen Gaben und ausgerüstet mit dem Heiligen Geist. Ihre Mitglieder sollen ihr Glück im Glück derer finden, denen sie helfen und zum Segen sind. GNAT 14 3 Es ist ein großartiges Werk, was der Herr durch seine Gemeinde zu vollbringen beabsichtigt, damit sein Name verherrlicht wird. Hesekiel stellte dies in seinem Gesicht vom Strom des Heils bildhaft dar: »Dies Wasser fließt hinaus in das östliche Gebiet und weiter hinab zum Jordantal und mündet ins Tote Meer. Und wenn es ins Meer fließt, soll dessen Wasser gesund werden, und alles, was darin lebt und webt, wohin der Strom kommt, das soll leben. ... Und an dem Strom werden an seinem Ufer auf beiden Seiten allerlei fruchtbare Bäume wachsen; und ihre Blätter werden nicht verwelken, und mit ihren Früchten hat es kein Ende. Sie werden alle Monate neue Früchte bringen; denn ihr Wasser fließt aus dem Heiligtum. Ihre Früchte werden zur Speise dienen und ihre Blätter zur Arznei.« (Hesekiel 47,8.9a.12) GNAT 14 4 Von Anfang an hat Gott durch sein Volk gewirkt, um der Welt Segen zu vermitteln. Für das alte Ägypten machte Gott Josef zu einer Lebensquelle. Durch Josefs Rechtschaffenheit wurde das Leben jenes ganzen Volkes bewahrt. Durch Daniel rettete Gott allen Weisen Babylons das Leben. Diese Befreiungstaten dienen auch als Anschauungsunterricht. Sie veranschaulichen die geistlichen Segnungen, die für die Welt durch die Verbindung mit dem Gott bereitstehen, den Josef und Daniel anbeteten. Jeder Mensch, in dessen Herz Christus wohnt, und jeder, der Jesu Liebe der Welt kundtun will, ist ein Mitarbeiter Gottes zum Segen der Menschheit. Indem er von seinem Erlöser Gnade empfängt, um sie anderen weiterzugeben, fließt aus seinem ganzen Wesen ein Strom geistlichen Lebens. GNAT 15 1 Gott erwählte Israel, um der Welt seinen Charakter zu offenbaren. Er wollte aus diesem Volk Brunnen des Heils in der Welt machen. Ihm waren die Botschaften des Himmels, die Offenbarung des Willens Gottes anvertraut. In den Anfängen Israels hatten die Völker der Welt wegen ihrer sittlichen Verrohung ihr Wissen um Gott verloren. Einst hatten sie ihn gekannt, aber sie haben »ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert« (Römer 1,21). Doch in seiner Barmherzigkeit ließ Gott sie am Leben. Er wollte ihnen Gelegenheit geben, durch sein auserwähltes Volk wieder mit ihm bekannt zu werden. Durch die Lehren aus dem Opferdienst sollte Christus vor allen Völkern erhöht werden, und alle, die zu ihm aufblicken würden, sollten leben. Christus war die Grundlage der jüdischen Ordnung. Das gesamte System von Symbolen und zeichenhaften Handlungen war eine komprimierte Prophetie auf das Evangelium, eine Darstellung, in der die Verheißungen auf Erlösung zusammengefasst waren. Gesetzlichkeit GNAT 15 2 Aber die Israeliten verloren ihre Vorrechte als Gottes Volk aus den Augen. Sie vergaßen Gott und erfüllten ihren heiligen Auftrag nicht. Die Segnungen, die sie empfingen, brachten der Welt keinen Segen. Ihre Vorzugsstellung nutzten sie zu ihrer Selbstverherrlichung. Sie kapselten sich von der Welt ab, um nicht in Versuchung zu geraten. Gott hatte ihnen geboten, sich nicht mit Götzendienern einzulassen. Damit wollte er sie davor bewahren, heidnische Praktiken zu übernehmen, doch sie nahmen seine Anweisung zum Anlass, um zwischen ihnen und allen anderen Völkern eine Trennwand aufzurichten. Sie verweigerten Gott den Dienst, den er von ihnen forderte, und beraubten ihre Mitmenschen der geistlichen Wegweisung und eines heiligen Vorbildes. GNAT 15 3 Priester und Oberste waren in eingefahrenen Gleisen starrer Rituale gefangen. Sie begnügten sich mit einer gesetzlichen Religiosität und waren nicht in der Lage, anderen die lebendigen Wahrheiten des Himmels zu vermitteln. Sie hielten ihre eigene Gerechtigkeit für völlig ausreichend und hatten kein Verlangen, neue Elemente in ihrer Religion zuzulassen. Gottes Wohlwollen an den Menschen fassten sie nicht als ein freiwilliges Geschenk der Güte Gottes auf, sondern verbanden es mit ihren eigenen Verdiensten aufgrund ihrer guten Werke. Der Glaube, der durch die Liebe tätig ist und den Charakter veredelt, fand keinen Platz in der Religion der Pharisäer, die vor allem aus Zeremonien und menschlichen Vorschriften bestand. GNAT 16 1 Gott sagte über Israel: »Ich ... hatte dich gepflanzt als einen edlen Weinstock, ein ganz echtes Gewächs. Wie bist du mir denn geworden zu einem schlechten, wilden Weinstock?« (Jeremia 2,21) »Israel ist ein üppig rankender Weinstock, der seine Frucht trägt. Aber je mehr Früchte er hatte, desto mehr Altäre machten sie; wo das Land am besten war, da richteten sie die schönsten Steinmale auf.« (Hosea 10,1) GNAT 16 2 »Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte? Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen. Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.« (Jesaja 5,3-7) »Das Schwache stärkt ihr nicht, und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück, und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt.« (Hesekiel 34,4) GNAT 16 3 Die jüdischen Führer hielten sich für zu weise, um Belehrungen zu benötigen, für zu gerecht, um Erlösung zu brauchen, für zu erhaben, um der Ehre zu bedürfen, die von Christus kommt. Deshalb wandte sich der Erlöser von ihnen ab, um die Vorrechte, die sie missbrauchten und das Werk, das sie so gering schätzten, anderen anzuvertrauen. Gottes Ehre sollte offenbart und sein Wort zur Geltung gebracht werden. Christi Reich sollte auf dieser Erde aufgerichtet und die Botschaft von der Erlösung überall in der Welt verkündigt werden. Zu diesem Werk, dem sich die jüdischen Führer versagt hatten, wurden nun die Jünger berufen. ------------------------Kapitel 2 -- Die Ausbildung Der Zwölf Jünger GNAT 17 0 Markus 3,13.14; Johannes 14,1-4; 15,26-27 und 17,6-26. GNAT 17 1 Christus bediente sich weder der Gelehrsamkeit und Beredsamkeit des Hohen Rates der Juden noch der Macht Roms, um sein Werk weiterzuführen. Er überging die selbstgerechten jüdischen Lehrer und erwählte bescheidene, ungelehrte Männer für die Verkündigung der Wahrheiten, die die Welt bewegen sollten. Diese Männer sollten nach seinem Plan zu Leitern seiner Gemeinde ausgebildet werden und ihrerseits andere heranziehen und mit der Evangeliumsbotschaft in die Welt hinaussenden. Um erfolgreich zu sein, sollten sie mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgerüstet werden. Nicht durch menschliche Kraft oder Weisheit sollte das Evangelium verkündigt werden, sondern durch die Macht Gottes. Täglich Mit Ihm Zusammen GNAT 17 2 Dreieinhalb Jahre lang wurden die Jünger von dem größten Lehrer unterwiesen, den die Welt je gesehen hat. Durch persönlichen Kontakt und freundschaftlichen Umgang mit ihnen bildete Jesus sie für seinen Dienst aus. Tag für Tag gingen und sprachen sie mit ihm, hörten seine tröstenden Worte an die Mühseligen und Beladenen und sahen, wie sich seine göttliche Kraft zugunsten der Kranken und Niedergeschlagenen kundtat. Manchmal lehrte er sie, wenn er mit ihnen am Bergeshang saß; manchmal sprach er mit ihnen über die Geheimnisse des Reiches Gottes, wenn sie am Ufer des Sees entlang oder sonst über Land gingen. Wo immer Herzen für die göttliche Botschaft bereit waren, offenbarte er ihnen die Wahrheiten über den Weg zum Heil. Er befahl seinen Jüngern nicht, dies oder jenes zu tun, sondern sagte: »Folget mir nach!« Er nahm sie mit auf seine Reisen durch das Land und die Städte, damit sie erlebten, wie er das Volk lehrte. Von Ort zu Ort reisten sie mit ihm, teilten sein einfaches Mahl und waren wie er zuweilen hungrig und oft müde. Sie waren bei ihm im Gedränge auf den Straßen, am Ufer des Sees und in der Einsamkeit der Wüste. Sie erlebten ihn in jeder Lebenslage. GNAT 18 1 Die Berufung der Zwölf war der erste Schritt zur Gründung der Gemeinde, die nach Christi Weggang sein Werk auf Erden weiterführen sollte. Von dieser Berufung wird berichtet: »Er ging auf einen Berg und rief zu sich, welche er wollte, und die gingen hin zu ihm. Und er setzte zwölf ein, die er auch Apostel nannte, dass sie bei ihm sein sollten und dass er sie aussendete zu predigen.« (Markus 3,13.14) Welch ergreifendes Bild! Christus als die himmlische Majestät, umgeben von den Zwölf, die er sich erwählt hat! Nun sondert er sie für ihre Aufgaben aus. Ausgerüstet mit seinem Wort und seinem Geist sollen diese schwachen Mitarbeiter allen Menschen das Angebot der Erlösung nahe bringen. GNAT 18 2 Voller Freude betrachteten Gott und die Engel dieses Bild. Der Vater wusste: Diese Männer würden die Rettungsbotschaft des Himmels in die Welt hinaustragen, ihre Worte würden seinen Sohn bezeugen und bis zum Ende der Zeiten durch alle Generationen widerhallen. GNAT 18 3 Die Jünger sollten als Zeugen Christi in die Welt hinausgehen, um das zu verkündigen, was sie von ihm gesehen und gehört hatten. Ihr Dienst war der wichtigste, zu dem Menschen je berufen wurden und den nur der Auftrag Christi selbst übertraf. Sie sollten am Errettungswerk Gottes für die Menschheit mitwirken. Wie die zwölf Patriarchen das alttestamentliche Israel verkörperten, so stehen die zwölf Apostel für die neutestamentliche Gemeinde. GNAT 18 4 Während seines irdischen Wirkens begann Christus die Trennwand zwischen Juden und Heiden niederzureißen und das Heil für alle Menschen zu verkündigen. Obwohl er Jude war, mischte er sich vorbehaltlos unter die Samaritaner und schlug die pharisäischen Verhaltensregeln diesem verachteten Volk gegenüber in den Wind. Er schlief unter ihrem Dach, aß an ihren Tischen und lehrte auf ihren Straßen. GNAT 18 5 Es war dem Erlöser ein Anliegen, seinen Jüngern klar zu machen, dass »die trennende Scheidewand« (Epheser 2,14 Men.) zwischen Israel und anderen Völkern niedergerissen wird, sodass auch »die Heiden Miterben sind ... und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus ... durch das Evangelium« (Epheser 3,6). Diese Wahrheit wurde teilweise offenbart, als Christus den Glauben des Hauptmanns von Kapernaum belohnte, und auch, als er den Leuten von Sychar das Evangelium predigte. Noch deutlicher zeigte sie sich bei seinem Besuch in Phönizien, als er die Tochter einer kanaanäischen Frau heilte. Solche Erfahrungen halfen den Jüngern zu erkennen, dass es unter jenen Menschen, denen viele die Erlösungswürdigkeit absprachen, manche gab, die sich nach der Wahrheit sehnten. GNAT 19 1 Auf diese Weise versuchte Christus die Jünger damit vertraut zu machen, dass es im Reich Gottes keine Staatsgrenzen, keine Gesellschaftsklassen und keine Oberschicht gibt. Sie sollten zu allen Völkern gehen und ihnen die Botschaft von der Liebe des Erlösers verkündigen. Doch erst viel später verstanden sie in vollem Umfang, was es heißt, dass Gott »aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht« hat, »damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen«, und dass er festgesetzt hat, »wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten«, obwohl er »nicht ferne von einem jeden unter uns« ist (Apostelgeschichte 17,26.27). Einheit In Vielfalt GNAT 19 2 In diesen ersten Jüngern zeigte sich eine bemerkenswerte Vielfalt. Sie sollten Lehrer der Welt werden und verkörperten die unterschiedlichsten Charaktere. Um das Werk erfolgreich voranbringen zu können, zu dem sie berufen worden waren, mussten diese Männer bei aller Verschiedenheit in ihren persönlichen Eigenschaften und Lebensgewohnheiten zu einer Einheit des Fühlens, Denkens und Handelns gelangen. Aus diesem Grunde versuchte Jesus, seine Jünger zu einer Einheit mit ihm selbst zu führen. Sein Gebet zu seinem Vater bringt die Last seiner Bemühungen um sie zum Ausdruck: »Ich bete darum, dass sie alle eins seien, so wie du in mir bist, Vater, und ich in dir. So wie wir sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast ... Ich lebe in ihnen, und du lebst in mir; so sollen auch sie vollkommen eins sein, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und dass du sie, die zu mir gehören, ebenso liebst wie mich.« (Johannes 17,21.23 GNB) Beständig betete er darum, dass seine Jünger durch die Wahrheit geheiligt würden, und zwar in voller Zuversicht und in dem Bewusstsein, dass Gott dies schon vor Grundlegung der Welt verordnet hatte. Er wusste: Das Evangelium vom Reich Gottes wird allen Völkern zum Zeugnis gepredigt werden, im Kampf mit dem Bösen wird die Wahrheit durch die Allmacht des Heiligen Geistes siegen, und sein blutgetränktes Banner wird eines Tages siegreich über seinen Nachfolgern wehen. GNAT 19 3 Jesus wusste, als sich sein Dienst auf Erden dem Ende näherte, dass er seine Jünger bald verlassen würde. Darum versuchte er, ihnen Mut zu machen und sie auf die Zukunft vorzubereiten, denn er musste ihnen die Fortführung der Arbeit ohne seine persönliche Leitung anvertrauen. Er täuschte sie nicht mit falschen Hoffnungen. Wie in einem offenen Buch sah er, was auf sie zukam. Er wusste, dass er sie wie Schafe unter Wölfen zurücklassen würde, sobald er sich von ihnen trennte. Man würde sie verfolgen, aus den Synagogen ausschließen und ins Gefängnis werfen. Einige würden den Tod erleiden, weil sie sich zu ihm als dem Messias bekannten. Darüber sagte er ihnen einiges voraus. Er war deutlich und bestimmt, wenn er über ihre Zukunft sprach, damit sie sich in der kommenden Prüfungszeit an seine Worte erinnerten und im Glauben an ihren Erlöser gestärkt würden. GNAT 20 1 Aber auch Worte der Hoffnung und Ermutigung richtete er an sie. »Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. Und wo ich hingehe, den Weg wisst ihr.« (Johannes 14,1-4) Mit anderen Worten: Um euretwillen bin ich in die Welt gekommen, für euch habe ich gearbeitet. Wenn ich fortgehe, werde ich dennoch mit allem Eifer für euch wirken. Ich kam in die Welt, um mich euch zu offenbaren, auf dass ihr glauben könnt. Ich gehe zu meinem und zu eurem Vater, um gemeinsam mit ihm für euch zu wirken. GNAT 20 2 »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater.« (Johannes 14,12) Damit meinte Christus nicht, dass die Jünger großartigere Anstrengungen machen würden als er; aber das Werk würde größere Ausmaße erreichen. Er bezog das nicht nur auf das Wirken von Wundern, sondern auf alles, was unter der Leitung des Heiligen Geistes geschehen sollte. »Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. Und auch ihr seid meine Zeugen, denn ihr seid von Anfang an bei mir gewesen.« (Johannes 15,26.27) In Der Kraft Des Heiligen Geistes GNAT 20 3 Eindrucksvoll gingen diese Worte in Erfüllung. Nachdem der Heilige Geist über sie gekommen war, wurden die Jünger von einer so innigen Liebe zu ihrem Herrn und zu all denen erfüllt, für die er gestorben war, dass ihre Worte und Gebete Herzen veränderten. Sie sprachen in der Kraft des Heiligen Geistes, und unter dem Einfluss dieser Macht wurden Tausende bekehrt. GNAT 20 4 Als Christi Vertreter sollten die Apostel in der Welt einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Die Tatsache, dass sie Männer einfacher Herkunft waren, sollte ihren Einfluss nicht verringern, sondern vergrößern; denn die Gedanken ihrer Zuhörer würden von ihnen weg hin auf den Heiland gelenkt werden, der, obwohl selbst unsichtbar, noch immer mit ihnen zusammenwirkte. Die segensreiche Lehrtätigkeit der Apostel, ihre Worte der Ermutigung und des Vertrauens würden allen ein Beweis dafür sein, dass sie nicht aus eigener Kraft, sondern in der Kraft Christi tätig waren. In aller Bescheidenheit würden sie erklären, dass Jesus, den die Juden gekreuzigt hatten, der Herr des Lebens ist, der Sohn des lebendigen Gottes, und es seine Werke waren, die sie in seinem Namen vollbrachten. GNAT 21 1 In seinem Abschiedsgespräch mit den Jüngern am Abend vor seiner Kreuzigung erwähnte der Erlöser mit keinem Wort seine erduldeten oder seine bevorstehenden Leiden. Er erwähnte die Erniedrigungen nicht, die noch vor ihm lagen. Vielmehr lenkte er ihre Gedanken auf das, was ihren Glauben stärken würde, und er richtete ihre freudige Erwartung auf die Freuden, welche die Überwinder erwartet. Jesus freute sich in dem Bewusstsein, dass er für seine Nachfolger mehr tun konnte und würde, als er versprochen hatte, und von ihm her Liebe und Mitgefühl zu ihnen strömen würden, die Menschen innerlich reinigen und im Charakter ihm ähnlich machen würden. Seine Wahrheit in Verbindung mit der Macht des Heiligen Geistes würde von Sieg zu Sieg schreiten. GNAT 21 2 »Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.« (Johannes 16,33) Christus wurde weder schwach noch mutlos. Einen ebenso ausdauernden Glauben sollten auch seine Jünger zeigen. Sie sollten so arbeiten, wie er gearbeitet hat, und sich auf seine Kraft verlassen. Und falls ihnen unüberwindbar scheinende Schwierigkeiten den Weg versperrten, sollten sie durch seine Gnade dennoch vorangehen, nicht verzweifeln und die Hoffnung bewahren. GNAT 21 3 Christus hatte das Werk vollendet, das ihm aufgetragen worden war. Er hatte diejenigen ausgewählt, die es unter den Menschen fortsetzen sollten. Nun sagte er: »Ich bin in ihnen verherrlicht. Ich bin nicht mehr in der Welt; sie aber sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins seien wie wir ... Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. . Ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.« (Johannes 17,10.11.20-23) ------------------------Kapitel 3 -- Der Grosse Auftrag GNAT 22 0 Lukas 24,36-53; Matthäus 28,16-20; Apostelgeschichte 1,1-12. GNAT 22 1 Nach Christi Tod hatte Mutlosigkeit die Jünger beinahe überwältigt. Ihr Lehrmeister war abgelehnt, verurteilt und gekreuzigt worden. Die Priester und Obersten hatten gespottet: »Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn glauben.« (Matthäus 27,42) Für die Jünger war die Sonne der Hoffnung untergegangen. Nacht senkte sich auf ihre Herzen. Oft wiederholten sie die Worte: »Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde.« (Lukas 24,21) Mit dem tiefen Gefühl der Verlassenheit erinnerten sie sich an seine Worte: »Denn wenn man das tut am grünen Holz, was wird am dürren werden?« (Lukas 23,31) GNAT 22 2 Mehrmals hatte Jesus versucht, seinen Jüngern die Zukunft zu eröffnen, aber sie waren zu gleichgültig gewesen, um über seine Worte nachzudenken. Deshalb war sein Tod für sie überraschend gekommen. Als sie später auf das Vergangene zurückblickten und die Folgen ihres Unglaubens erkannten, empfanden sie Kummer darüber. Nach Christi Kreuzigung glaubten sie nicht, dass er auferstehen werde. Obwohl er ihnen deutlich erklärt hatte, dass er am dritten Tage auferstehen würde, begriffen sie vor lauter Verwirrung nicht, was er gemeint hatte. Als er am Kreuz starb, stürzte sie dieses fehlende Verständnis in äußerste Hoffnungslosigkeit. Sie waren bitter enttäuscht. Ihr Glaube durchdrang den Schatten nicht, mit dem Satan ihren Blick verdunkelt hatte. Alles erschien ihnen unklar und rätselhaft. Wie viel Kummer wäre ihnen erspart geblieben, hätten sie den Worten des Heilands geglaubt! GNAT 22 3 Niedergedrückt von Verzagtheit, Schmerz und Verzweiflung kamen die Jünger im oberen Raum eines Gebäudes zusammen. Aus Furcht, das Schicksal ihres geliebten Lehrers könnte auch sie treffen, schlossen und verriegelten sie die Türen. Aber genau dort erschien ihnen der Erlöser nach seiner Auferstehung. Weitere Vorbereitung GNAT 23 1 Vierzig Tage lang verbrachte Christus noch auf der Erde, um die Jünger auf ihr künftiges Werk vorzubereiten und ihnen das zu erklären, was sie bislang nicht hatten begreifen können. Er sprach über die Prophezeiungen, die sein Kommen, seine Ablehnung durch die Juden und seinen Tod betrafen, und zeigte, dass sich diese Voraussagen bis in alle Einzelheiten erfüllt hatten. Die Erfüllung der Prophetie, so sagte er ihnen, sollten sie als Bestätigung jener Kraft erkennen, die ihr künftiges Wirken begleiten werde. »Und er half ihnen, die Heiligen Schriften richtig zu verstehen. ›Hier steht es geschrieben^ erklärte er ihnen: ›Der versprochene Retter muss leiden und sterben und am dritten Tag vom Tod auferstehen. Und den Menschen aller Völker muss verkündet werden, dass ihnen um seinetwillen Umkehr zu Gott und Vergebung der Schuld angeboten wird. In Jerusalem muss der Anfang gemacht werden. Ihr seid Zeugen geworden von allem, was geschehen ist, und sollt es überall bezeugen!‹« (Lukas 24,45-48 GNB) GNAT 23 2 In diesen Tagen, die Christus mit seinen Jüngern verbrachte, machten sie eine neue Erfahrung. Als sie hörten, wie ihr geliebter Meister die Schrift im Licht des Geschehenen erklärte, festigte sich ihr Glaube an ihn. Nun konnten sie sagen: »Ich weiß, an wen ich glaube.« (2. Timotheus 1,12) Ihnen wurde bewusst, welcher Art und wie umfassend ihre Aufgabe war; sie erkannten, dass sie nun die ihnen anvertrauten Wahrheiten der Welt verkündigen sollten. Die besonderen Ereignisse im Leben von Jesus, sein Tod und seine Auferstehung, die Prophezeiungen, die auf diese Ereignisse hinwiesen, die Geheimnisse des Erlösungsplanes, die Sünden vergebende Macht Jesu all dieses konnten sie bezeugen und sollten es nun der Welt bekannt machen. An ihnen lag es nun, die gute Nachricht vom Frieden, von der Errettung durch Reue und von der Macht des Erlösers zu verkünden. Der Grosse Auftrag GNAT 23 3 Vor seiner Himmelfahrt erteilte Jesus seinen Jüngern ihren Auftrag. Er hat der Welt den Schatz des ewigen Lebens vermacht, und seine Jünger sollten seine Testamentsvollstrecker sein. Er sagte ihnen: Ihr seid Zeugen dafür, dass ich mein Leben für die Welt geopfert habe. Ihr habt miterlebt, wie ich mich um Israel bemüht habe. Auch wenn mein Volk nicht zu mir kommen wollte, um das Leben zu empfangen, obwohl Priester und Oberste mit mir nach ihrer Willkür umgesprungen sind, obwohl sie mich zurückgewiesen haben, soll ihnen eine weitere Gelegenheit geboten werden, den Sohn Gottes anzunehmen. Ihr habt gesehen, dass ich alle, die zu mir kommen und ihre Sünden bekennen, gern annehme. Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Euch, meinen Jüngern, vertraue ich diese Botschaft der Gnade an. Gebt sie weiter, an Juden und auch an Heiden - zuerst an die Israeliten, dann an alle Nationen, Sprachen und Völker. Alle Gläubigen sollen in einer einzigen Gemeinde vereint werden. GNAT 24 1 Der Auftrag zur Evangeliumsverkündigung ist die große Missionsurkunde des Reiches Christi. Die Jünger sollten sich ernsthaft um Menschen bemühen und allen die gnädige Einladung verkünden. Sie sollten nicht warten, bis die Leute zu ihnen kamen, sondern die Botschaft zu ihnen bringen. GNAT 24 2 Die Jünger sollten das Werk im Namen Christi weiterführen. Mit jedem Wort und jeder Tat hatten sie die Aufmerksamkeit auf den Namen des Einen hin zu lenken, der diese lebensspendende Macht besitzt und Sünder retten kann. Ihr Glaube sollte den im Mittelpunkt haben, der die Quelle der Gnade und der Kraft ist. In seinem Namen sollten sie ihre Bitten an den Vater richten, und sie würden erhört werden. Sie sollten im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen. Der Name Christi sollte ihr Losungswort, ihr Ehrenzeichen sein, das Band ihrer Einigkeit, ihre Handlungsvollmacht und die Quelle ihres Erfolgs. Nichts würde in Gottes Reich anerkannt werden, was nicht seinen Namen und seine Aufschrift trägt. GNAT 24 3 Als Christus seine Jünger aussandte und ihnen gebot, in seinem Namen alle Gläubigen in der Gemeinde zusammenzuführen, erklärte er ihnen auch, wie wichtig es sei, schlicht zu bleiben. Je weniger Wert sie auf Äußerlichkeiten und bloßen Schein legten, desto größer werde ihr Einfluss zum Guten sein. Sie sollten genauso einfach sprechen wie Christus und ihren Hörern einprägen, was er sie gelehrt hatte. GNAT 24 4 Christus versprach seinen Jüngern nicht, dass ihr Werk leicht sein werde. Er wies sie auf das ungeheure Aufgebot des Bösen hin, das sich ihnen entgegenstellen würde. Sie müssten kämpfen »mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel« (Epheser 6,12). Aber er werde sie nicht allein kämpfen lassen. Er sicherte ihnen seinen Beistand zu. Wenn sie im Glauben vorangingen, würden sie sich unter dem Schutz des Allmächtigen bewegen. Er gebot ihnen, tapfer und standhaft zu sein, denn ein Stärkerer als die Engel - der Anführer der himmlischen Heerscharen - werde mit ihnen sein. Er traf genaue Vorsorge zur Durchführung ihres Auftrags und übernahm selbst die Verantwortung für den Erfolg. Solange sie seinem Wort gehorchten und in Verbindung mit ihm wirkten, konnten sie nicht scheitern. Er befahl ihnen: Geht zu allen Völkern, geht in die entlegensten Gebiete der bewohnten Welt! Seid gewiss, dass ich auch dort bei euch sein werde. Wirkt im Glauben und Vertrauen, denn ich werde euch nie und nimmer im Stich lassen. Allezeit werde ich bei euch sein, euch helfen bei der Erfüllung eurer Aufgaben, euch leiten, trösten, heiligen, unterstützen und befähigen, die Worte zu reden, welche die Aufmerksamkeit der Menschen auf das Reich Gottes lenken. GNAT 25 1 Christi Opfer für die Menschheit war vollkommen und vollständig. Die Voraussetzung für die Versöhnung war erfüllt. Das Werk war vollendet, für das er in diese Welt gekommen war. Er hatte Satan die Herrschaft entrissen und selbst übernommen. So war er zum Erben aller Dinge geworden. Jetzt befand er sich auf dem Weg zum Thron Gottes, um von den himmlischen Scharen geehrt zu werden. Ausgestattet mit unumschränkter Vollmacht erteilte er nun seinen Jüngern den Auftrag: »Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.« (Matthäus 28,19.20) GNAT 25 2 Ehe Jesus seine Jünger verließ, verdeutlichte er ihnen noch einmal das Wesen seines Reichs. Er erinnerte sie an all das, was er ihnen schon früher darüber gesagt hatte: Es war nicht seine Absicht, in dieser Welt ein irdisches Königreich aufzurichten und als irdischer König auf Davids Thron zu regieren. Auf die Frage der Jünger: »Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?« antwortete er: »Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat.« (Apostelgeschichte 1,6.7.) Sie brauchten nicht mehr über die Zukunft zu wissen, als er ihnen offenbart hatte. Ihre Aufgabe bestand darin, das Evangelium zu verkündigen. Selbstständig, Doch Nie Allein GNAT 25 3 Bald würde Christus nicht mehr sichtbar unter den Jüngern leben. Sie sollten aber mit einer neuen Kraft ausgestattet werden. Sie würden den Heiligen Geist in Fülle erhalten und zu ihrem Werk bestätigt. Der Erlöser sagte: »Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.« (Lukas 24,49) GNAT 25 4 »Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen ... Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.« (Apostelgeschichte 1,5.8) GNAT 26 1 Der Erlöser wusste, dass kein Argument, so logisch es auch sein mochte, Herzen verändern oder den Panzer weltlicher Gesinnung und der Selbstsucht durchbrechen kann. Seine Jünger mussten ihre Befähigung vom Himmel empfangen. Er wusste: Das Evangelium würde nur wirkungsvoll sein, wenn es aus brennenden Herzen und mit beredten Worten verkündigt wird, die aus einer lebendigen Beziehung zu dem kommen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Die Aufgabe, die den Jüngern anvertraut wurde, würde sie sehr herausfordern, da die Flut des Bösen gewaltig gegen sie anbranden würde. Den Jüngern stand ein wachsamer, entschlossener Führer der Mächte der Finsternis gegenüber. Die Nachfolger Christi könnten nur mit der Hilfe, die Gott ihnen durch den Heiligen Geist geben würde, im Kampf für das Rechte bestehen. GNAT 26 2 Christus gebot seinen Jüngern, ihre Arbeit in Jerusalem zu beginnen. Diese Stadt war der Schauplatz seines wunderbaren Opfers für die Menschheit. Dort hatte Jesus als Mensch unter Menschen gewirkt, und nur wenige hatten erkannt, wie nahe der Himmel zur Erde gekommen war. Dort war er verurteilt und gekreuzigt worden. In Jerusalem gab es viele, die insgeheim an Jesus von Nazareth als den Messias glaubten, und viele andere, die von den Priestern und Obersten irregeleitet worden waren. Ihnen musste das Evangelium verkündigt werden. Sie sollten zur Umkehr gerufen werden. Die herrliche Wahrheit, dass Sündenvergebung allein durch Christus erlangt werden kann, sollte ihnen deutlich dargelegt werden. Gerade weil Jerusalem noch von den aufregenden Ereignissen der vergangenen letzten Wochen aufgewühlt war, würde die Predigt der Jünger einen tiefen Eindruck hinterlassen. GNAT 26 3 Während seines Lehramtes hatte Jesus seinen Jüngern immer wieder eingeprägt, dass sie mit ihm in dem Bemühen eins sein müssten, die Welt aus den Fesseln der Sünde zu befreien. Als er die Zwölf und später die Siebzig aussandte, um das Reich Gottes zu verkünden, lehrte er sie, anderen weiterzugeben, was sie selbst von ihm gelernt hatten. Bei all dem, was er tat, bildete er sie für die Arbeit von Mensch zu Mensch aus. Diese würde mit dem Anwachsen der Jüngerschar zunehmen. Schließlich sollte diese Arbeit die entferntesten Gebiete der Erde erreichen. Als letzte Unterweisung vertraute er seinen Nachfolgern die frohe Botschaft des Heils an, die für die Welt bereitlag. GNAT 26 4 Er Kommt Wieder GNAT 26 5 Als die Zeit gekommen war, dass Christus zu seinem Vater zurückkehren sollte, führte er die Jünger hinaus nach Bethanien. Dort hielt er an, und sie scharten sich um ihn. Während er segnend seine Hände ausbreitete, als wolle er sie seiner bewahrenden Fürsorge versichern, stieg er langsam aus ihrer Mitte auf. »Und es geschah, da er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.« (Lukas 24,51) GNAT 27 1 Die Jünger blickten empor, um ihren scheidenden Herrn bis zum letzten Augenblick zu sehen, als er in die jubelnde Schar der himmlischen Engel aufgenommen wurde. Als diese ihn zu den himmlischen Höfen geleiteten, sangen sie im Triumph: »Ihr Königreiche auf Erden, singet Gott, lobsinget dem Herrn! Er fährt einher durch die Himmel, die von Anbeginn sind. Siehe, er lässt seine Stimme erschallen, eine gewaltige Stimme. Gebt Gott die Macht! Seine Herrlichkeit ist über Israel und seine Macht in den Wolken.« (Psalm 68,33-35) GNAT 27 2 Noch immer schauten die Jünger nachdenklich zum Himmel, »da standen auf einmal zwei Männer in weißen Kleidern bei ihnen, die sagten: Ihr Leute aus Galiläa, was steht ihr da und schaut hinauf zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird auf dieselbe Weise wiederkommen, wie ihr ihn in den Himmel habt auffahren sehen« (Apostelgeschichte 1,10.11 ZÜ). GNAT 27 3 Die Verheißung der Wiederkunft Christi sollte den Jüngern stets in frischer Erinnerung bleiben. Dieser Jesus, den sie zum Himmel hatten auffahren sehen, würde wiederkommen, um alle zu sich zu nehmen, die auf Erden zu seinem Dienst bereit waren. Dieselbe Stimme, die gesagt hatte: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende« (Matthäus 28,20), würde sie auch bei sich im Himmelreich willkommen heißen. GNAT 27 4 So wie der Hohepriester im sinnbildlichen Dienst seine hohepriesterlichen Kleider ablegte und im weißen, leinenen Kleid eines gewöhnlichen Priesters seinen Dienst verrichtete, so legte Christus seine königliche Kleidung ab, nahm Menschengestalt an und brachte sein Opfer dar. Er war Priester und Opfer zugleich. Und wie der Hohepriester nach seinem Dienst im Allerheiligsten im hohepriesterlichen Kleid zur wartenden Gemeinde heraustrat, so wird auch Christus wiederkommen in Kleidern von reinstem Weiß, »wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann« (Markus 9,3). Er wird in seiner eigenen Herrlichkeit und in der Herrlichkeit seines Vaters erscheinen, und das ganze Engelheer wird ihn auf seinem Weg begleiten. GNAT 27 5 So wird Christi Verheißung an seine Jünger erfüllt werden: »Wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin.« (Johannes 14,3) Alle, die ihn geliebt und auf ihn gewartet haben, wird er mit Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit belohnen. Die gerechten Toten werden zuerst aus ihren Gräbern auferstehen. »Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit.« (1. Thessalonicher 4,17) Sie werden die Stimme Jesu hören, die anmutiger klingt als jede Musik, die sterblichen Menschen je zu Ohren gekommen ist, und diese Stimme wird sagen: Euer Kampf ist beendet. »Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!« (Matthäus 25,34) Das war Anlass genug für die Jünger, sich auf die Wiederkunft ihres Herrn zu freuen! ------------------------Kapitel 4 -- Pfingsten GNAT 30 0 Apostelgeschichte 2. GNAT 30 1 Als die Jünger vom Ölberg nach Jerusalem zurückkehrten, suchte man in ihren Gesichtern nach Spuren von Kummer, Verwirrung und Niedergeschlagenheit, aber man fand nur Freude und Triumphgefühl. Die Jünger klagten nicht über enttäuschte Hoffnungen. Sie hatten den auferstandenen Erlöser gesehen, und seine Verheißungsworte bei seinem Abschied klangen ihnen immerfort in den Ohren. GNAT 30 2 Sie gehorchten seiner Anordnung und warteten in Jerusalem auf das, was der Vater verheißen hatte: die Ausgießung des Heiligen Geistes. Aber die Jünger blieben nicht untätig. Dem biblischen Bericht zufolge waren sie »allezeit im Tempel und priesen Gott« (Lukas 24,53). Sie versammelten sich auch, um dem Vater im Namen von Jesus ihre Bitten vorzulegen. Sie wussten, dass sie einen Vertreter im Himmel, einen Fürsprecher am Thron Gottes hatten. In Ehrfurcht beugten sie sich im Gebet und wiederholten die Zusicherung: »Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben. Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei.« (Johannes 16,23.24) Immer höher streckten sie ihre Hand im Glauben empor mit dem starken Argument: »Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.« (Römer 8,34) Einsicht GNAT 30 3 Während die Jünger auf die Erfüllung der Verheißung warteten, demütigten sie sich in aufrichtiger Reue und bekannten ihren Unglauben. Sie erinnerten sich an die Worte, die Jesus vor seinem Tod zu ihnen gesprochen hatte, und verstanden nun deren Bedeutung viel besser. Wahrheiten, die sie vergessen hatten, kamen ihnen wieder in den Sinn, und diese wiederholten sie nun voreinander. Sie fragten sich, wie es möglich gewesen war, dass sie ihren Erlöser so missverstanden hatten. Wie in einem Film lief Bild um Bild seines wunderbaren Lebens an ihnen vorüber. Als sie über sein reines, heiliges Leben nachdachten, schien ihnen keine Mühe zu schwer, kein Opfer zu groß, um durch ihr Leben die Liebenswürdigkeit des Charakters Christi zu bezeugen. Oh, könnten sie doch die vergangenen drei Jahre noch einmal durchleben - wie anders würden sie handeln! Könnten sie doch Jesus noch einmal sehen, wie sehr würden sie sich bemühen, ihm ihre innige Liebe zu zeigen! Wie aufrichtig bereuten sie, ihn je durch ein Wort oder eine Tat des Unglaubens betrübt zu haben. Doch sie trösteten sich mit dem Gedanken, dass ihnen vergeben war. Und sie waren entschlossen, ihren Unglauben - soweit wie möglich - durch ein mutiges Bekenntnis vor der Welt wieder gut zu machen. GNAT 31 1 Ernsthaft beteten die Jünger um die Befähigung, Menschen aufsuchen und in ihrem täglichen Umgang Worte sprechen zu können, die Sünder zu Christus führen. Alle Meinungsverschiedenheiten und alles Streben nach Vorrangstellung gaben sie auf und schlossen sich zu einer wahrhaft christlichen Gemeinschaft zusammen. Sie kamen Gott immer näher, und dadurch wurde ihnen deutlich, welch ein Vorrecht sie genossen hatten, mit Christus einen so engen Umgang zu haben. Trauer überkam sie, als sie darüber nachdachten, wie oft sie ihn betrübt hatten, weil sie so schwer von Begriff gewesen waren und weil sie seine Lehren nicht verstanden hatten, die er ihnen zu ihrem Besten erteilen wollte. GNAT 31 2 Diese Tage der Vorbereitung waren Tage gründlicher Selbstprüfung. Die Jünger spürten ihre geistliche Not und baten den Herrn um die heilige Salbung, um für die Aufgabe der Seelenrettung tauglich zu werden. Sie erbaten den Segen nicht nur für sich selbst, denn sie verspürten die Last, Menschen zu retten. Sie erkannten, dass das Evangelium in die Welt getragen werden musste; deshalb sehnten sie sich nach der Macht, die Christus verheißen hatte. Die Fülle Des Geistes GNAT 31 3 Zu der Zeit der Patriarchen war der Einfluss des Heiligen Geistes oftmals in bemerkenswerter Weise offenbart worden, doch nie in seiner ganzen Fülle. Dem Wort des Erlösers gehorsam baten die Jünger nun demütig um diese Gabe, und im Himmel fügte Christus seine Fürbitte hinzu. Er bat um die Gabe des Geistes, um sie auf sein Volk auszugießen. »Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.« (Apostelgeschichte 2,1.2) GNAT 31 4 Der Geist kam in einer solchen Fülle auf die wartenden und betenden Jünger, dass er jedes Herz erreichte. Der Ewige offenbarte sich seiner Gemeinde mit Macht. Es war, als ob diese Kraft jahrhundertelang zurückgehalten worden wäre und sich der Himmel nun freute, weil er die Reichtümer des Geistes auf seine Gemeinde ausgießen durfte. Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes vermischten sich Worte der Reue und des Sündenbekenntnisses mit Lobeshymnen für die Vergebung der Sünden. Worte der Dankbarkeit und der Weissagung waren zu hören. Der Himmel neigte sich herab, um die Weisheit der beispiellosen und unbegreiflichen Liebe wahrzunehmen und zu verehren. Von Staunen erfüllt riefen die Apostel: »Darin besteht die Liebe.« (1. Johannes 4,10) Sie ergriffen die Gabe, die ihnen verliehen wurde. Und was war die Folge? Das Schwert des Geistes, mit Macht neu geschliffen und in das Licht des Himmels getaucht, brach sich eine Bahn durch den Unglauben. Tausende wurden an einem Tag bekehrt. GNAT 32 1 »Es ist gut für euch, dass ich weggehe«, hatte Christus zu den Jüngern gesagt. »Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden ... Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.« (Johannes 16,7.13) GNAT 32 2 Christi Himmelfahrt war das Zeichen dafür, dass seine Nachfolger den verheißenen Segen empfangen sollten. Darauf sollten sie warten, ehe sie ihr Werk aufnahmen. Als Christus in den Himmel zurückgekehrt war, bestieg er den himmlischen Thron, während Engel ihn anbeteten. Sobald diese feierliche Handlung beendet war, kam der Heilige Geist in Fülle auf die Jünger herab, und Christus erhielt die Herrlichkeit zurück, die er seit ewiger Zeit beim Vater gehabt hatte. Durch die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten verkündigte der Himmel, dass die Einsetzung des Erlösers vollzogen war. Nach seiner Verheißung hatte er den Heiligen Geist zu seinen Nachfolgern gesandt als Zeichen, dass er als Priester und König alle Vollmacht im Himmel und auf Erden erhalten hatte und nun der Gesalbte über sein Volk war. GNAT 32 3 Das Sprachenwunder GNAT 32 4 »Es erschienen ihnen Zungen, zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.« (Apostelgeschichte 2,3.4) In der Gestalt feuriger Zungen ruhte der Heilige Geist auf den Versammelten. Dies war ein Symbol für die Gabe, die den Jüngern verliehen wurde. Diese Gabe befähigte sie, fließend Sprachen zu sprechen, mit denen sie bisher nicht vertraut waren. Das Feuer symbolisierte den glühenden Eifer, den die Apostel an den Tag legen würden, und die Macht, die ihr Werk begleitete. GNAT 33 1 »Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.« (Apostelgeschichte 2,5) Während der Zerstreuung hatten sich die Juden fast über die ganze damals bekannte Welt ausgebreitet und in ihrer Verbannung verschiedene Sprachen gelernt. Viele dieser Juden hielten sich gerade jetzt in Jerusalem auf, um an den religiösen Festen teilzunehmen. Unter den Anwesenden waren alle bekannten Sprachen vertreten. Diese Sprachenvielfalt wäre für die Verkündigung des Evangeliums ein großes Hindernis gewesen. Auf wunderbare Weise glich Gott daher den Mangel der Apostel aus. Der Heilige Geist vollbrachte für sie, was sie Zeit ihres Lebens nie erreicht hätten. Nun beherrschten sie die Sprachen derer fehlerfrei, für die sie arbeiteten, und die Wahrheiten des Evangeliums konnten überall verkündigt werden. Diese wunderbare Gabe war ein einzigartiger Beleg für die Welt, dass der Auftrag der Jünger das Siegel des Himmels trug. Von dieser Zeit an war die Sprache der Apostel rein, einfach und genau, ob sie sich nun in ihrer Muttersprache oder in einer Fremdsprache ausdrückten. GNAT 33 2 »Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?« (Apostelgeschichte 2,6-8) GNAT 33 3 Diese wunderbare Bekundung versetzte die Priester und Obersten in Wut, doch aus Angst, sich der Gewalttätigkeit des Volks auszusetzen, trauten sie sich nicht, ihrer Bosheit freien Lauf zu lassen. Sie hatten den Nazarener hingerichtet, und nun standen seine Diener da, ungelehrte Männer aus Galiläa, und erzählten in allen damals geläufigen Sprachen die Geschichte seines Lebens und Wirkens. Die Priester waren entschlossen, die geheimnisvolle Fähigkeit der Jünger aus einem natürlichen Geschehen heraus zu erklären, und sie behaupteten, die Jünger hätten zu viel von dem neuen Wein, der für das Fest bestimmt war, genossen und seien betrunken. Einige Leichtgläubige im Volk glaubten diese Unterstellung, aber die Intelligenteren wussten, dass sie falsch war. Diejenigen, die die verschiedenen Sprachen verstanden, bezeugten die Genauigkeit, mit der die Jünger sich in ihnen ausdrückten. Die Rede Des Petrus GNAT 33 4 Auf die Anschuldigungen der Priester erwiderte Petrus, diese Bekundung sei eine direkte Erfüllung der Prophezeiung Joels, der vorausgesagt habe, dass eine solche Macht über die Menschen kommen werde, um sie zu einer besonderen Aufgabe zu befähigen. »Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.« (Apostelgeschichte 2,14-18; vgl. Joel 3,1-5) GNAT 34 1 Klar und kraftvoll legte Petrus von dem Tod und der Auferstehung Christi Zeugnis ab: »Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus von Nazareth, von Gott unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst - diesen Mann ... habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Den hat Gott auferweckt und hat aufgelöst die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, dass er vom Tode festgehalten werden konnte.« (Apostelgeschichte 2,22-24) GNAT 34 2 Um seinen Standpunkt zu bekräftigen, verwies Petrus nicht auf die Lehren Christi, denn er wusste, dass das Vorurteil seiner Zuhörer so groß war, sodass seine Worte zu diesem Thema wirkungslos bleiben würden. Stattdessen sprach er von David, den die Juden als einen der Stammväter ihres Volks schätzten. »Denn David spricht von ihm: Ich habe den Herrn allezeit vor Augen, denn er steht mir zur Rechten, damit ich nicht wanke. Darum ist mein Herz fröhlich, und meine Zunge frohlockt; auch mein Leib wird ruhen in Hoffnung. Denn du wirst mich nicht dem Tod überlassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe. ... Ihr Männer, liebe Brüder, lasst mich freimütig zu euch reden von dem Erzvater David. Er ist gestorben und begraben, und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag. Da er nun ein Prophet war ... hat er's vorausgesehen und von der Auferstehung des Christus gesagt: Er ist nicht dem Tod überlassen, und sein Leib hat die Verwesung nicht gesehen. Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen.« (Apostelgeschichte 2,25-27.29-32; vgl. Psalm 16,8-11) GNAT 34 3 Welch eine interessante Szene: Aus allen Richtungen kommen die Menschen, um von den Jüngern die Wahrheit über Jesus zu erfahren. Sie dringen herein und füllen den Tempel. Die Bosheit der anwesenden Priester und Obersten ist noch immer auf ihren finsteren Gesichtern zu erkennen. Ihre Herzen sind weiterhin erfüllt vom Hass auf Christus, und ihre Hände sind noch nicht reingewaschen von dem Blut, das sie durch die Kreuzigung des Erlösers der Welt vergossen haben. Sie hatten geglaubt, kleinmütige Apostel vorzufinden, die durch gewalttätige Unterdrückung und Mord eingeschüchtert waren. Diese zeigten jedoch keine Anzeichen von Furcht, denn sie waren vom Heiligen Geist erfüllt und verkündigten mit Vollmacht die Göttlichkeit des Jesus von Nazareth. Unerschrocken erklärten sie, dass der vor kurzem so erniedrigte, verspottete, von grausamen Händen gegeißelte und gekreuzigte Jesus der Fürst des Lebens sei, den Gott nun zu seiner Rechten erhoben habe. Die Erste Ernte GNAT 35 1 Einige Zuhörer der Apostel hatten aktiv an der Verurteilung und Hinrichtung Christi mitgewirkt. Ihre Stimmen hatten zusammen mit dem lärmenden Pöbel die Kreuzigung von Jesus gefordert. Als Jesus und Barabbas im Gerichtssaal vor ihnen standen und Pilatus fragte: »Welchen wollt ihr? Wen soll ich euch losgeben?« (Matthäus 27,17), da schrien sie: »Nicht diesen, sondern Barabbas!« (Johannes 18,40) Daraufhin lieferte Pilatus ihnen Christus aus mit den Worten: »Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn, denn ich finde keine Schuld an ihm.« (Johannes 19,6) »Ich bin schuldlos am Blut dieses Gerechten.« Sie aber riefen: »Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!« (Matthäus 27,24.25 Elb.) GNAT 35 2 Nun erfuhren sie von den Jüngern, dass sie Gottes Sohn gekreuzigt hatten. Die Priester und Obersten zitterten. Schuldgefühl und Angst ergriffen das Volk. »Als sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz und sie sprachen zu Petrus und zu den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun?« (Apostelgeschichte 2,37) Unter den Zuhörern waren fromme und aufrichtig gläubige Juden, die sich von den machtvollen Worten des Redners überzeugen ließen, dass Jesus wirklich der Messias war. GNAT 35 3 »Petrus sagte zu ihnen: Kehrt um, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet die Gabe des heiligen Geistes empfangen. Denn euch gilt die Verheißung und euren Kindern und allen in der Ferne, allen, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird.« (Apostelgeschichte 2,38.39 ZÜ) GNAT 35 4 Petrus machte denen, die ihr Unrecht erkannt hatten, klar, dass sie Christus verworfen hatten, weil sie von den Priestern und Obersten getäuscht worden waren. Sollten sie weiterhin Rat bei diesen Männern suchen und abwarten, bis diese Christus anerkannten, bevor sie sich selbst zu ihm bekannten, würden sie ihn nie annehmen. Obwohl jene einflussreichen Männer fromm in Erscheinung traten, gierten sie doch nach irdischem Reichtum und weltlicher Ehre. Sie waren nicht bereit, zu Christus zu kommen, um eine neue Einsicht zu gewinnen. GNAT 36 1 Die Jünger dagegen verstanden als Folge dieser himmlischen Erleuchtung die Schriftstellen, die Christus ihnen erklärt hatte, in ihrer vollkommenen Wahrheit. Der Schleier, der sie daran gehindert hatte, das Ende dessen zu sehen, was abgeschafft worden war, war jetzt entfernt, und sie verstanden nun vollkommen klar den Zweck der Sendung Christi und das Wesen seines Reichs. Sie konnten den Erlöser jetzt in Vollmacht bekennen, und als sie ihren Zuhörern den Erlösungsplan erklärten, wurden viele überzeugt. Überlieferungen und abergläubische Vorstellungen, die ihnen die Priester eingeimpft hatten, wurden aus ihrem Denken hinweggefegt, und sie nahmen die Lehren des Erlösers an. »Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen.« (Apostelgeschichte 2,41) GNAT 36 2 Die Obersten der Juden hatten erwartet, dass Christi Wirken mit seinem Tod enden würde. Stattdessen wurden sie Zeugen der wunderbaren Ereignisse am Pfingstfest. Sie hörten die Jünger mit bisher ungekannter Kraft und Entschlossenheit Christus verkündigen und sahen, wie deren Worte durch Zeichen und Wunder bestätigt wurden. In Jerusalem, der Hochburg des jüdischen Glaubens, bekannten Tausende offen ihren Glauben an Jesus von Nazareth als den Messias. GNAT 36 3 Die Jünger waren über die große Zahl der neu gewonnenen Nachfolger erstaunt und hocherfreut. Sie betrachteten diese wunderbare Ernte nicht als Ergebnis ihrer eigenen Bemühungen, sondern erkannten, dass sie die Arbeit anderer fortsetzten. Christus hatte den Samen seines Wortes seit Adams Fall stets erwählten Dienern anvertraut, die ihn in Menschenherzen einpflanzen sollten. Auch er selbst hatte die Saat der Wahrheit während seiner Wirkungszeit auf der Erde ausgestreut und am Ende mit seinem Blut begossen. Die Bekehrungen zu Pfingsten waren die Frucht dieser Saat, die Ernte seiner Arbeit. So offenbarte sich die Macht der Lehre Christi. Gemeinsam Voran GNAT 36 4 So klar und überzeugend die Argumente der Apostel auch waren, hätten sie allein die Vorurteile nicht beseitigen können, die sich hinderlich in den Weg gestellt hatten. Durch die göttliche Macht des Heiligen Geistes jedoch wurde das Herz der Menschen von der Richtigkeit dieser Argumente überzeugt. Die Worte der Apostel waren wie Pfeile des Allmächtigen und überführten die Menschen, dass sie durch die Ablehnung und Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit schwere Schuld auf sich geladen hatten. GNAT 37 1 Während ihrer Ausbildung durch Christus war in den Jüngern die Erkenntnis gereift, dass sie den Heiligen Geist benötigten. Die Belehrung durch den Geist brachte ihnen die endgültige Befähigung, und so machten sie sich an ihr Lebenswerk. Sie waren keine unwissenden und ungebildeten Einzelkämpfer mehr, die sich uneins waren und einander widersprachen. Fortan setzten sie ihre Hoffnung nicht mehr auf weltliche Größe, sondern waren »einmütig«, »ein Herz und eine Seele« (Apostelgeschichte 2,46; 4,32). Ihr ganzes Sinnen und Trachten war auf Christus gerichtet; sein Reich voranzubringen war ihr Ziel. In Gesinnung und Charakter waren sie ihrem Meister ähnlich geworden, und die Menschen »erkannten, dass sie mit Jesus gewesen waren« (Apostelgeschichte 4,13 Elb.). GNAT 37 2 Pfingsten brachte ihnen die himmlische Erleuchtung. Die Wahrheiten, die sie nicht erfassen konnten, solange Christus bei ihnen war, wurden ihnen nun enthüllt. Die Lehren der Heiligen Schrift nahmen sie jetzt mit einem Glauben und einer Zuversicht an, die sie zuvor nie gekannt hatten. Für sie war es nicht mehr nur eine Sache des Glaubens, dass Christus der Sohn Gottes war. Sie wussten, dass er - obwohl in menschlicher Gestalt - tatsächlich der Messias war, und sie teilten der Welt ihre Erfahrung mit einer Zuversicht mit, die aus der Überzeugung entsprang, dass Gott mit ihnen war. GNAT 37 3 Mit Gewissheit konnten sie nun den Namen von Jesus aussprechen. War er nicht ihr Freund und älterer Bruder? Sie standen in enger Verbindung mit Christus, und mit ihm befanden sie sich in himmlischer Umgebung. In welch feurige Worte kleideten sie ihre Gedanken, wenn sie ihn bezeugten! Ihre Herzen wurden so reichlich mit einer tiefen, weitreichenden Nächstenliebe erfüllt, dass sie dem inneren Drang nicht widerstehen konnten, als Zeugen der Macht Jesu bis ans Ende der Welt zu gehen. Von ganzem Herzen sehnten sie sich danach, das von ihm begonnene Werk fortzuführen. Sie erkannten, welch eine große Verpflichtung sie vor dem Himmel hatten und wie verantwortungsvoll ihre Aufgabe war. Gestärkt durch die Gabe des Heiligen Geistes machten sie sich voller Eifer ans Werk, den Triumph des Kreuzes auszubreiten. Der Geist belebte sie und sprach durch sie. Der Friede Christi strahlte aus ihren Gesichtern. Sie hatten ihr Leben seinem Dienst geweiht, und ihr ganzes Wesen bekundete, welche Entscheidung sie getroffen hatten. ------------------------Kapitel 5 -- Die Gabe Des Heiligen Geistes GNAT 38 1 Als Christus seinen Jüngern den Heiligen Geist verhieß, näherte sich sein Dienst auf der Erde dem Ende. Er stand im Schatten des Kreuzes und war sich der großen Schuld voll bewusst, die auf ihm als Sündenträger lasten würde. Bevor er sich als das Sühnopfer hingab, setzte er seine Jünger über eine höchst wichtige und vollkommene Gabe in Kenntnis, die er seinen Nachfolgern verleihen würde - die Gabe, die ihnen die unerschöpflichen Quellen seiner Gnade erschließen würde. Er sagte: »Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.« (Johannes 14,16.17) Der Erlöser wies auf die Zeit hin, wenn der Heilige Geist kommen und als sein Repräsentant ein großes Werk ausrichten würde. Dem Bösen, das sich seit Jahrhunderten vermehrt hatte, sollte durch die Kraft des Heiligen Geistes widerstanden werden. Vollmacht Aus Der Höhe GNAT 38 2 Was war das Ergebnis der Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingstfest? Die frohe Botschaft vom auferstandenen Erlöser wurde in die entlegensten Winkel der bewohnten Welt getragen. Als die Apostel die Nachricht von der erlösenden Gnade allerorts verbreiteten, öffnete sich manches Herz der Macht dieser Botschaft. Die Gemeinde erlebte, wie Bekehrte ihr von überallher in Scharen zuströmten. Abtrünnige bekehrten sich erneut. Bei der Suche nach der einen kostbaren Perle (siehe Matthäus 13,46) vereinigten sich Sünder mit Gläubigen. Einige der erbittertsten Gegner des Evangeliums wurden dessen Vorkämpfer. So erfüllte sich die Weissagung: »Es wird ... geschehen, dass der Schwache unter ihnen sein wird wie David und das Haus David ... wie der Engel des Herrn.« (Sacharja 12,8) Jeder Christ sah in seinem Glaubensbruder eine Offenbarung göttlicher Liebe und Güte. Ein einziges Ziel stand im Vordergrund, ein einziges Vorbild, dem man nacheiferte, verdrängte alle anderen: Es war das Bestreben der Gläubigen, den Charakter Christi zu offenbaren und eifrig für die Ausbreitung seines Reiches zu wirken. GNAT 39 1 »Mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen.« (Apostelgeschichte 4,33) Durch ihre Arbeit wurden der Gemeinde auserwählte Männer hinzugefügt, die das Wort der Wahrheit annahmen und fortan ihr Leben der Aufgabe weihten, anderen jene Hoffnung zu vermitteln, die ihr Herz mit Frieden und Freude erfüllte. Sie konnten durch Drohungen weder behindert noch eingeschüchtert werden. Der Herr sprach durch sie, und wenn sie von Ort zu Ort zogen, wurde den Armen das Evangelium gepredigt, und es geschahen Wunder der göttlichen Gnade. So mächtig kann Gott wirken, wenn Menschen sich unter die Herrschaft seines Geistes stellen! GNAT 39 2 Die Verheißung des Heiligen Geistes ist nicht auf ein bestimmtes Zeitalter oder ein bestimmtes Volk beschränkt. Christus erklärte, dass seine Nachfolger bis zum Ende der Zeit unter dem göttlichen Einfluss seines Geistes bleiben würden. Von jenem Pfingstfest an bis in die Gegenwart ist der Beistand zu all denen gesandt worden, die sich ganz dem Herrn und seinem Dienst hingaben. Zu allen, die Christus als ihren persönlichen Erlöser angenommen haben, ist der Heilige Geist als Ratgeber, als der, der heiligt, als Führer und Zeuge gekommen. Je enger Gläubige mit Gott wandelten, desto klarer und mächtiger haben sie die Liebe ihres Erlösers und seine rettende Gnade bezeugt. Männer und Frauen, die während langer Jahrhunderte der Verfolgung und Belastung sich in hohem Maße der Gegenwart des Heiligen Geistes in ihrem Leben erfreuen konnten, standen wie Zeichen und Wunder in der Welt. Sie haben vor Engeln und Menschen die umwandelnde Kraft der erlösenden Liebe offenbart. GNAT 39 3 Diejenigen, die zu Pfingsten Kraft aus der Höhe empfingen, blieben dadurch nicht von weiteren Anfechtungen und Prüfungen verschont. Als sie für Wahrheit und Gerechtigkeit eintraten, wurden sie wiederholt vom Feind aller Wahrheit angegriffen, der versuchte, sie ihrer christlichen Erfahrung zu berauben. Das zwang sie, mit all ihren gottgegebenen Kräften danach zu streben, als Männer und Frauen das »Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi« (Epheser 4,13 Elb.) zu erreichen. Täglich beteten sie erneut um die Fülle der Gnade, damit sie der Vollkommenheit immer näher kommen konnten. Unter dem Wirken des Heiligen Geistes und durch gelebten Glauben an Gott lernten sogar die Schwächsten, die ihnen verliehenen Kräfte zu vermehren und geheiligt, rein und veredelt zu werden. Da sie sich in Demut dem prägenden Einfluss des Heiligen Geistes hingaben, erhielten sie Segnungen in Fülle und wurden zum Bild Gottes geformt. Überall Und Zu Allen Zeiten GNAT 40 1 Die verstrichene Zeit hat an der Abschiedsverheißung Christi nichts geändert, den Heiligen Geist als seinen Repräsentanten zu senden. Es liegt nicht an irgendwelchen Einschränkungen von Seiten Gottes, wenn die Reichtümer seiner Gnade nicht erdwärts zu den Menschen fließen. Wenn die Erfüllung der Verheißung nicht so wahrgenommen wird, wie es sein könnte, dann liegt es daran, dass die Verheißung nicht so geschätzt wird, wie es sein sollte. Wären alle willig, würden alle vom Geist erfüllt werden. Wo man sich zu wenig Gedanken darüber macht, wie dringend wir den Heiligen Geist benötigen, zeigen sich geistliche Dürre, geistliche Finsternis, geistlicher Niedergang und Tod. Wann immer wir unbedeutenden Anliegen zu viel Aufmerksamkeit schenken, wird es uns an der göttlichen Macht fehlen. Sie steht in unbegrenzter Fülle für das Wachstum und Wohlergehen der Gemeinde zur Verfügung und wird andere Segnungen nach sich ziehen. GNAT 40 2 Wenn die Gabe des Geistes das Mittel ist, wodurch wir Kraft empfangen sollen, warum hungern und dürsten wir nicht nach ihr? Warum reden wir nicht von ihr, beten wir nicht um sie und predigen nicht über sie? Der Herr ist viel bereitwilliger, denen, die ihm dienen, den Heiligen Geist zu schenken, als es Eltern sind, ihren Kindern gute Gaben zu geben (siehe Lukas 11,13). Jeder Diener des Evangeliums sollte um die tägliche Taufe mit dem Geist Gottes bitten. Mitarbeiter Christi sollten gruppenweise zusammenkommen und um besondere Hilfe und himmlische Weisheit flehen, damit sie wissen, wie sie klug planen und richtig handeln können. Vor allem sollten sie Gott bitten, seine erwählten Boten in den Missionsgebieten mit einem reichen Maße seines Geistes zu taufen. Die Gegenwart des Heiligen Geistes wird der Wahrheitsverkündigung der Mitarbeiter Gottes eine Macht verleihen, wie sie keine Ehre und Herrlichkeit der Welt zu geben vermag. GNAT 40 3 Wo der geweihte Mitarbeiter Gottes auch sein mag, der Heilige Geist ist bei ihm. Die an die Jünger gerichteten Worte gelten auch uns. Ihr Tröster ist auch der unsere. Der Heilige Geist verleiht die Stärke, die kämpfende und ringende Menschen in jeder Notlage aufrecht erhält - inmitten des Hasses der Welt und trotz des Bewusstseins eigenen Versagens und eigener Fehler. Wenn uns Sorgen und Leid plagen, wenn die Zukunft düster und verworren erscheint und wir uns hilflos und einsam fühlen, dann bringt der Heilige Geist als Antwort auf unser Gebet des Glaubens Trost in unser Herz. GNAT 40 4 Wenn ein Mensch unter außergewöhnlichen Umständen in religiöse Ekstase fällt, ist das kein zwingender Beweis dafür, dass er ein Christ ist. Heiligkeit ist nicht Verzückung, sondern völlige Übergabe des Willens an Gott. Heiligkeit bedeutet, von jedem Wort zu leben, das aus dem Mund Gottes kommt; es bedeutet, den Willen unseres himmlischen Vaters zu tun, Gott in Prüfungen und der Finsternis ebenso zu vertrauen wie im Licht. Heiligkeit bedeutet, im Glauben zu wandeln, nicht im Schauen, sich mit bedingungslosem Vertrauen auf Gott zu verlassen und in seiner Liebe zu ruhen. GNAT 41 1 Es ist für uns nicht wichtig, genau erklären zu können, was der Heilige Geist ist. Christus sagt, dass er der »Beistand« ist, »der Geist der Wahrheit, der von dem Vater ausgeht« (Johannes 15,26 Elb.). Er erklärt ferner deutlich, dass der Heilige Geist bei seinem Werk, Menschen in alle Wahrheit zu leiten, »nicht aus sich selbst reden« wird. (Johannes 16,13 Elb.) GNAT 41 2 Die Natur des Heiligen Geistes ist ein Geheimnis. Menschen können es nicht erklären, weil Gott es ihnen nicht offenbart hat. Menschen mit wirklichkeitsfremden Ansichten mögen Bibelstellen zusammentragen und darauf eine menschliche Theorie aufbauen, aber die Gemeinde wird durch die Annahme solcher Ansichten nicht gestärkt. Solch göttliche Geheimnisse überfordern das menschliche Verständnis, deshalb ist Schweigen hier Gold. Das Werk Des Geistes GNAT 41 3 Die Aufgabe des Heiligen Geistes ist in den Worten Christi deutlich beschrieben: »Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht.« (Johannes 16,8) Der Heilige Geist überführt uns von Sünde. Wenn ein Sünder auf den belebenden Einfluss des Heiligen Geistes anspricht, wird er zur Reue geführt und wird sich bewusst, wie wichtig es ist, den Forderungen Gottes zu gehorchen. GNAT 41 4 Dem reumütigen Sünder, der nach Gerechtigkeit hungert und dürstet, offenbart der Heilige Geist das Lamm Gottes, »das der Welt Sünde trägt« (Johannes 1,29). »Von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen.« (Johannes 16,14) »Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.« (Johannes 14,26) GNAT 41 5 Der Geist ist ein erneuerndes Mittel, um das Heil, das der Erlöser durch seinen Tod für uns erworben hat, wirksam zu machen. Der Geist sucht die Aufmerksamkeit der Menschen ständig auf das große Opfer am Kreuz von Golgatha hin zu lenken. Er führt der Welt die Liebe Gottes vor Augen und erschließt dem überführten Gläubigen die kostbaren Schätze der Heiligen Schrift. GNAT 41 6 Hat der Heilige Geist einen Menschen erst einmal von seiner Sünde überzeugt und ihm den Maßstab der Gerechtigkeit verdeutlicht, lenkt er dessen Zuneigung von den Dingen der Erde weg und füllt ihn mit einem Verlangen nach Heiligkeit. »Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten« (Johannes 16,13), erklärte der Erlöser. Wenn Menschen willig sind, sich formen zu lassen, wird ihr ganzes Wesen geheiligt. Der Geist wird die Dinge Gottes dem Gläubigen aufprägen. Durch seine Macht wird der Weg zum ewigen Leben so deutlich, dass niemand in die Irre zu gehen braucht. GNAT 42 1 Von Anfang an wirkte Gott durch seinen Heiligen Geist an der Rettung der gefallenen Menschheit. Dazu benutzte er Menschen, die gewillt waren, bei der Verwirklichung seines Plans mit ihm zusammen zu arbeiten. Das zeigte sich bereits im Leben der Patriarchen. Auch der Gemeinde in der Wüste zur Zeit Moses gab Gott seinen »guten Geist, um sie zu unterweisen« (Nehemia 9,20). In den Tagen der Apostel wirkte er durch die Kraft des Heiligen Geistes machtvoll für seine Gemeinde. Dieselbe Kraft, welche die Patriarchen stärkte, die Kaleb und Josua Glauben und Mut verlieh und die der Urgemeinde zum Erfolg verhalf, hat Gottes treuen Nachfolgern auch in allen späteren Zeitaltern beigestanden. Durch die Macht des Heiligen Geistes war es den waldensischen Christen während des dunklen Mittelalters möglich, der Reformation den Weg zu bereiten. Dieselbe Macht krönte die Bemühungen der edlen Männer und Frauen mit Erfolg, die in der Neuzeit Pionierarbeit bei der Verbreitung des Evangeliums und der Übersetzung der Bibel in die Sprachen und Dialekte aller Nationen und Völker leisteten. GNAT 42 2 Gott benutzt seine Gemeinde auch heute noch, um seine Absichten der Welt kundzutun. Boten des Kreuzes gehen von Stadt zu Stadt, von Land zu Land und bereiten den Weg für die Wiederkunft Christi. Sie erheben das Gesetz Gottes zum Maßstab. Der Geist des Allmächtigen wirkt an den Herzen der Menschen, und wer auf seinen Ruf antwortet, wird ein Zeuge für Gott und dessen Wahrheit. Geheiligte Männer und Frauen bemühen sich vielerorts, die Erkenntnis anderen mitzuteilen, die ihnen den Weg zur Erlösung durch Christus gewiesen hat. Und während sie ihr Licht weiter leuchten lassen wie jene, die zu Pfingsten mit dem Heiligen Geist getauft wurden, empfangen sie immer mehr von der Macht des Heiligen Geistes. So soll die Erde durch die Herrlichkeit Gottes erleuchtet werden. GNAT 42 3 Anderseits gibt es einige, die untätig auf besondere Zeiten warten, in denen sie geistlich erweckt und ihre Fähigkeiten erweitert würden, anderen den Weg zur Erkenntnis zu weisen. Sie täten gut daran, bestehende Gelegenheiten besser wahrzunehmen. Sie vernachlässigen gegenwärtige Pflichten und Vorrechte und lassen ihr Licht verlöschen, während sie auf eine Zeit warten, in der sie einen besonderen Segen erhoffen, der sie ohne irgendeine eigene Anstrengung umwandelt und zum Dienst befähigt. Vorbereitung Auf Den Spätregen GNAT 43 1 Es stimmt, dass in der Endzeit, wenn Gottes Werk auf Erden seinem Abschluss entgegengeht, die ernsten Bemühungen treuer Gläubiger unter der Führung des Heiligen Geistes von besonderen Zeichen göttlicher Gunst begleitet sein werden. Unter dem Sinnbild des Früh und Spätregens, der im Vorderen Orient zur Saatbeziehungsweise Erntezeit fällt, sagten die Propheten des Alten Testaments die Verleihung geistlicher Gnade im außergewöhnlichen Maß für die Gemeinde Gottes voraus. Die Ausgießung des Heiligen Geistes in den Tagen der Apostel markierte den Beginn des Frühregens, und das Ergebnis war herrlich. Bis zum Ende der Zeit soll der Heilige Geist der wahren Gemeinde erhalten bleiben. GNAT 43 2 Aber vor dem Abschluss der Ernte der Welt ist noch eine besondere Gabe geistlicher Gnade verheißen, um Gottes Gemeinde auf das Kommen des Menschensohns vorzubereiten. Diese Ausgießung des Heiligen Geistes wird mit dem Spätregen verglichen, und um die Verleihung dieser zusätzlichen Kraft sollen die Christen ihre Bitten an »den Herrn der Ernte« (Matthäus 9,38) »zur Zeit des Spätregens« richten. Als Antwort »wird der Herr, der die Wolken macht, euch auch Regen genug geben für jedes Gewächs auf dem Felde« (Sacharja 10,1). »Ihr Kinder Zions, freuet euch und seid fröhlich im Herrn, eurem Gott, der euch gnädigen Regen gibt und euch herabsendet Frühregen und Spätregen wie zuvor.« (Joel 2,23) GNAT 43 3 Wenn aber die Glieder der Gemeinde Gottes heute keine lebendige Verbindung mit der Quelle allen geistlichen Wachstums haben, werden sie auch zur Zeit der Ernte nicht bereit sein. Halten sie jetzt ihre Lampen nicht in Ordnung und am Brennen, wird ihnen auch keine zusätzliche Gnade zuteil, wenn sie diese besonders nötig haben. GNAT 43 4 Nur diejenigen, die ständig neu Gnade empfangen, werden so viel Kraft besitzen, wie sie täglich benötigen und wie der Einsatz ihrer Fähigkeiten erfordert. Anstatt auf eine zukünftige Zeit zu schauen, in der sie durch eine besondere Gabe geistlicher Kraft eine außerordentliche Ausrüstung für die Verbreitung der rettenden Botschaft von Christus erhalten, übergeben sie sich Gott täglich, damit er sie zu Gefäßen macht, die er gebrauchen kann. Täglich nützen sie die Gelegenheiten zum Dienst, die sich in ihrem Umfeld bieten. Täglich zeugen sie für ihren Erlöser, wo sie auch sind - sei es im bescheidenen Wirkungskreis daheim oder bei nützlicher Arbeit in der Öffentlichkeit. GNAT 43 5 Dem Gott geweihten Mitarbeiter Christi ist es ein wunderbarer Trost zu wissen, dass auch Christus während seines Erdenlebens seinen Vater täglich neu um die benötigte Gnade bat. Durch diese Verbindung mit Gott war es ihm möglich, andere zu stärken und zu segnen. Seht, wie der Heiland sich im Gebet vor seinem Vater beugt! Obwohl er Gottes Sohn ist, stärkt er seinen Glauben im Gebet. Aus der Gemeinschaft mit dem Himmel schöpft er die Kraft, dem Bösen zu widerstehen und den Bedürfnissen seiner Mitmenschen zu dienen. Als unser älterer Bruder kennt er die Bedürfnisse all derer, die ihm dennoch dienen möchten, obwohl sie durch Schwachheit belastet sind und in einer Welt von Sünde und Versuchung leben. Er weiß, dass die Boten, die er als fähig anerkennt und aussenden möchte, eigentlich schwache, irrende Menschen sind. Aber allen, die sich ganz in seinen Dienst stellen, verspricht er göttliche Hilfe. Sein eigenes Beispiel ist die Garantie, dass ernstes und ausdauerndes Bitten zu Gott im Glauben dazu verhilft, dass der Heilige Geist dem Menschen im Kampf gegen die Sünde beisteht - einem Glauben, der zu völliger Abhängigkeit von Gott und zur vorbehaltlosen Hingabe an sein Werk führt. GNAT 44 1 Jeder Mitarbeiter, der dem Beispiel Christi folgt, wird bereit sein, die Vollmacht zu empfangen und zu nützen, die Gott seiner Gemeinde verheißen hat, um die Ernte der Welt zur Reife zu bringen. Morgen für Morgen, wenn die Boten des Evangeliums vor dem Herrn knien und ihre Gelübde völliger Hingabe an ihn erneuern, wird er ihnen die Gegenwart seines Geistes mit seiner belebenden und heiligenden Macht gewähren. Wenn sie sich an ihre täglichen Pflichten begeben, haben sie die Gewissheit, dass die unsichtbare Anwesenheit des Heiligen Geistes sie befähigt, »Mitarbeiter Gottes« (1. Korinther 3,9) zu sein. ------------------------Kapitel 6 -- An Der Pforte Des Tempels GNAT 45 0 Apostelgeschichte 3,1-26 und 4,1-33. GNAT 45 1 Die Jünger von Christus waren sich ihres Unvermögens wohl bewusst. In Demut und im Gebet verbanden sie ihre Schwäche mit seiner Stärke, ihre Unwissenheit mit seiner Weisheit, ihre Unwürdigkeit mit seiner Gerechtigkeit, ihre Armut mit seinem unerschöpflichen Reichtum. So gestärkt und ausgerüstet, zögerten sie nicht, im Dienst des Meisters voranzugehen. GNAT 45 2 Nicht lange nach der Ausgießung des Heiligen Geistes und unmittelbar nach einer Zeit ernsten Gebets gingen Petrus und Johannes hinauf in den Tempel, um dort anzubeten. Da sahen sie an der sogenannten "Schönen Pforte" einen Gelähmten sitzen. Er war 40 Jahre alt, und seit seiner Geburt war sein Leben von Schmerzen und Gebrechlichkeit gekennzeichnet. Dieser unglückliche Mann hatte schon lange gewünscht, Jesus zu sehen und von ihm geheilt zu werden. Aber er war praktisch hilflos und wohnte weit vom Wirkungsbereich des großen Arztes entfernt. Schließlich hatten ihn einige Freunde auf sein Bitten hin an die Pforte des Tempels getragen. Dort musste er erfahren, dass der, auf den er seine Hoffnungen gesetzt hatte, auf grausame Weise hingerichtet worden war. GNAT 45 3 Seine Enttäuschung erweckte das Mitgefühl derer, die wussten, wie lange er sehnlich gehofft hatte, von Jesus geheilt zu werden. Täglich trugen sie ihn zum Tempel, damit er von Vorübergehenden aus Mitleid vielleicht eine Kleinigkeit zur Linderung seiner Not erhalten würde. Als Petrus und Johannes vorbeikamen, bat er auch sie um ein Almosen. Die beiden Jünger sahen ihn teilnahmsvoll an, und Petrus forderte ihn auf: »Sieh uns an! Der Gelähmte tat es und erwartete, dass sie ihm etwas geben würden. Aber Petrus sagte: ›Gold und Silber habe ich nicht.‹« (Apostelgeschichte 3,4-6 GNB) GNAT 45 4 Als Petrus seine Armut erwähnte, senkte der Gelähmte seinen Blick. Ein Hoffnungsschimmer aber glitt über sein Gesicht, als der Apostel fortfuhr: »›Doch was ich habe, will ich dir geben. Im Namen von Jesus Christus aus Nazareth: Steh auf und geh umher!‹ Und er fasste den Gelähmten bei der rechten Hand und half ihm auf. Im gleichen Augenblick erstarkten seine Füße und Knöchel; mit einem Sprung war er auf den Beinen und ging umher. Er folgte Petrus und Johannes in den Vorhof des Tempels, lief umher, sprang vor Freude und dankte Gott mit lauter Stimme. Das ganze Volk dort sah, wie er umherging und Gott dankte. Sie erkannten in ihm den Bettler, der sonst immer am Schönen Tor gesessen hatte. Und sie staunten und waren ganz außer sich über das, was mit ihm geschehen war.« (Apostelgeschichte 3,6-10 GNB) Die Leute waren erstaunt, dass die Apostel ähnliche Wunder vollbringen konnten wie Jesus. Doch da stand dieser Mann, 40 Jahre lang ein hilfloser Krüppel, jetzt aber jubelnd über den uneingeschränkten Gebrauch seiner Glieder, ohne Schmerzen und glücklich im Glauben an Jesus. Geheilt Durch Die Macht Christi GNAT 46 1 Als die Jünger sahen, wie erstaunt die Leute waren, fragte Petrus: »Was wundert ihr euch darüber, oder was seht ihr auf uns, als hätten wir durch eigene Kraft oder Frömmigkeit bewirkt, dass dieser gehen kann?« (Apostelgeschichte 3,12) Er versicherte ihnen, dass die Heilung im Namen und durch die Verdienste des Jesus von Nazareth erfolgt sei, den Gott von den Toten auferweckt habe. Der Apostel erklärte: »Das Vertrauen auf diesen Jesus hat dem Mann, der hier steht und den ihr alle kennt, Kraft gegeben. Der Name von Jesus hat in ihm Glauben geweckt und ihm die volle Gesundheit geschenkt, die ihr an ihm seht.« (Apostelgeschichte 3,16 GNB) GNAT 46 2 Ganz offen sprachen die Apostel von der schweren Sünde, welche die Juden begangen hatten, indem sie den Herrn über alles Leben verworfen und getötet hatten. Aber sie waren darauf bedacht, ihre Zuhörer nicht zur Verzweiflung zu treiben. Petrus sagte deshalb: »Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und darum gebeten, dass man euch den Mörder schenke; aber den Fürsten des Lebens habt ihr getötet. Den hat Gott auferweckt von den Toten; dessen sind wir Zeugen ... Nun, liebe Brüder, ich weiß, dass ihr's aus Unwissenheit getan habt wie auch eure Oberen. Gott aber hat erfüllt, was er durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündigt hat: dass sein Christus leiden sollte.« (Apostelgeschichte 3,14.15.17.18) Er erklärte ihnen, der Heilige Geist rufe sie zur Reue und zur Umkehr, und betonte, dass es nur durch die Gnade dessen, den sie gekreuzigt hatten, Hoffnung auf Erlösung gebe. Nur durch den Glauben an ihn könnten ihre Sünden vergeben werden. GNAT 46 3 »Kehrt also um und richtet euch aus auf die Vergebung eurer Sünden, damit vom Angesicht des Herrn her Zeiten der Erquickung kommen ... Ihr seid die Söhne der Propheten und des Bundes, den Gott mit euren Vätern geschlossen hat, als er zu Abraham sprach: Und durch deinen Samen werden gesegnet werden alle Geschlechter der Erde. Für euch zuerst hat Gott seinen Knecht erweckt und ihn gesandt, euch zu segnen, wenn sich ein jeder von euch abwendet von seinen bösen Taten.« (Apostelgeschichte 3,19.20.25.26; vgl. 1. Mose 22,18) GNAT 47 1 Auf diese Weise verkündigten die Jünger die Auferstehung Christi. Viele Zuhörer hatten auf dieses Zeugnis gewartet, und als sie es nun hörten, glaubten sie. Es erinnerte sie an die Worte Christi, und sie reihten sich bei denen ein, die das Evangelium annahmen. Der vom Erlöser gesäte Same ging auf und brachte Frucht. Hartnackiger Widerstand GNAT 47 2 Als die Jünger »noch zum Volk sprachen, traten die Priester, der Hauptmann der Tempelwache und die Sadduzäer zu ihnen. Diese waren aufgebracht, weil sie das Volk lehrten und im Namen Jesu die Auferstehung von den Toten verkündigten« (Apostelgeschichte 4,1.2). GNAT 47 3 Nach Christi Auferstehung hatten die Priester überall die Lüge verbreitet, der Leichnam von Jesus sei von dessen Jüngern gestohlen worden, während die römischen Wachsoldaten schliefen (siehe Matthäus 28,11-15). Es erstaunt deshalb nicht, dass sie verärgert waren, als sie hörten, dass Petrus und Johannes die Auferstehung dessen predigten, den sie hatten töten lassen. Besonders erregt darüber waren die Sadduzäer. Sie spürten, dass ihre Lieblingslehre in Gefahr geriet und ihr Ansehen auf dem Spiel stand. GNAT 47 4 Die Zahl derer, die sich zum neuen Glauben bekehrten, nahm schnell zu. Pharisäer und Sadduzäer waren sich einig, dass man den neuen Lehrern Einhalt gebieten müsste, sonst geriete ihr eigener Einfluss noch stärker in Gefahr als zu Lebzeiten von Jesus. Deshalb verhaftete der Tempelhauptmann Petrus und Johannes mit Hilfe einer Anzahl Sadduzäer und warf sie ins Gefängnis, da es an diesem Tag für ein Verhör zu spät war. GNAT 47 5 Die Feinde der Jünger konnten sich nicht länger der Überzeugung verschließen, dass Christus von den Toten auferstanden war. Die Beweise waren zu eindeutig, als dass man daran hätte zweifeln können. Dennoch verharrten sie in ihrer verstockten Haltung und zeigten keine Reue über ihre schreckliche Tat, die sie durch die Tötung von Jesus begangen hatten. GNAT 47 6 Die jüdischen Obersten hatten Beweise in Hülle und Fülle bekommen, dass die Apostel unter göttlicher Inspiration redeten und handelten. Trotzdem widersetzten sie sich der Botschaft der Wahrheit. Christus war nicht in der Art und Weise erschienen, wie sie es vom Messias erwartet hatten. Obwohl sie zeitweise überzeugt waren, dass Jesus der Sohn Gottes war, hatten sie ihre Überzeugung unterdrückt und ihn kreuzigen lassen. In seiner Güte gab Gott ihnen noch mehr Beweise, und jetzt wurde ihnen eine weitere Gelegenheit geboten, sich ihm zuzuwenden. Durch die Jünger ließ er ihnen mitteilen, dass sie den Herrn über alles Leben getötet hatten, doch inmitten dieser schrecklichen Anklage erging an sie immer noch ein Aufruf zur Reue. Aber die jüdischen Lehrer fühlten sich in ihrer Selbstgerechtigkeit sicher und weigerten sich zuzugeben, dass die Männer, die ihnen die Kreuzigung Christi zur Last legten, unter der Leitung des Heiligen Geistes redeten. GNAT 48 1 Da sich die Priester auf einen Konfrontationskurs gegenüber Christus festgelegt hatten, reizte sie jeder Widerstand umso mehr, die einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten. In ihrer Halsstarrigkeit wurden sie immer entschlossener. Sie hätten durchaus Einsicht zeigen können, doch sie wollten es nicht. So wurden sie vom Zugang zum Heil abgeschnitten - nicht bloß deshalb, weil sie schuldig waren und den Tod verdient hatten, und nicht bloß, weil sie den Sohn Gottes getötet hatten, sondern weil sie Gott hartnäckig Widerstand boten. Beharrlich widersetzten sie sich der besseren Erkenntnis und verschlossen sich dem Mahnen des Heiligen Geistes. Die Macht, welche die Kinder des Ungehorsams beherrscht, beeinflusste sie so, dass sie die Männer misshandelten, durch die Gott am Wirken war. Die Boshaftigkeit ihrer Rebellion steigerte sich in dem Maß, in dem sie gegen Gott und die Botschaft opponierten, die er seinen Dienern zu verkündigen aufgetragen hatte. In ihrer Weigerung zu bereuen erneuerten die jüdischen Führer täglich ihren Widerstand und bereiteten so die Ernte dessen vor, was sie gesät hatten. GNAT 48 2 Gottes Zorn richtet sich nicht deshalb gegen unbußfertige Sünder, weil sie gesündigt haben, sondern weil sie - zur Umkehr gerufen - dennoch bewusst in ihrem Widerstand beharren und die Sünden der Vergangenheit trotz der ihnen geschenkten Erkenntnis wiederholen. Hätten sich die jüdischen Obersten der überführenden Macht des Heiligen Geistes unterworfen, wäre ihnen vergeben worden; aber sie waren entschlossen, nicht nachzugeben. Genauso manövriert sich der Sünder durch fortwährenden Widerstand dahin, wo ihn der Heilige Geist nicht mehr beeinflussen kann. Mut Und Überzeugungskraft GNAT 48 3 Am Tag nach der Heilung des Gelähmten kamen die Hohenpriester Hannas und Kaiphas mit den anderen Würdenträgern des Tempels zum Verhör zusammen, und die Angeklagten wurden vorgeführt. In demselben Raum und vor einigen dieser Männer hatte Petrus seinen Herrn schändlich verleugnet. Daran erinnerte er sich, als er zu seinem eigenen Verhör erschien. Ihm bot sich nun eine Gelegenheit, seine Feigheit wieder gutzumachen. GNAT 49 1 Diejenigen Anwesenden, die sich daran erinnerten, welche Rolle Petrus bei dem Verhör seines Meisters gespielt hatte, bildeten sich ein, ihn jetzt durch Androhung von Gefangenschaft und Tod einschüchtern zu können. Der Petrus, der Christus in dessen Stunde größter Not verleugnet hatte, war ungestüm und selbstherrlich. Er unterschied sich weit von dem Petrus, der zum Verhör vor den Hohen Rat geführt wurde. Seit seinem Fall hatte er sich bekehrt. Er war nun nicht mehr stolz und prahlerisch, sondern bescheiden und selbstkritisch. Vom Heiligen Geist erfüllt war er mit Hilfe dieser Kraft entschlossen, den Makel seines Abfalls zu tilgen und den Namen dessen zu ehren, den er einst verleugnet hatte. GNAT 49 2 Bisher hatten es die Priester vermieden, die Kreuzigung oder die Auferstehung Jesu zu erwähnen. Um ihr Ziel zu erreichen, mussten sie die Angeklagten nun aber fragen, wie die Heilung des Gelähmten zustande gekommen war: »Aus welcher Kraft oder in welchem Namen habt ihr das getan?« (Apostelgeschichte 4,7) GNAT 49 3 Mit heiligem Freimut und in der Macht des Heiligen Geistes erklärte Petrus furchtlos: »Nun, ihr und das ganze Volk Israel sollt es wissen: Es geschah im Namen von Jesus Christus aus Nazareth, eben dem, den ihr gekreuzigt habt und den Gott vom Tod auferweckt hat! Durch die Kraft seines Namens steht der Mann hier gesund vor euch. Auf diesen Jesus bezieht sich das Wort in den Heiligen Schriften: ›Der Stein, den die Bauleute weggeworfen haben, weil sie ihn für unbrauchbar hielten, ist zum Eckstein gewordene Jesus Christus und sonst niemand kann die Rettung bringen. Auf der ganzen Welt hat Gott keinen anderen Namen bekannt gemacht, durch den wir gerettet werden könnten.« (Apostelgeschichte 4,10-12) GNAT 49 4 Diese mutige Verteidigungsrede schockierte die jüdischen Leiter. Sie hatten angenommen, die Jünger würden von Furcht und Verlegenheit überwältigt, wenn sie vor den Hohen Rat gebracht würden. Stattdessen redeten diese Zeugen, wie Christus geredet hatte: mit einer Überzeugungskraft, die ihre Gegner zum Schweigen brachte. In der Stimme von Petrus lag keine Spur von Angst, als er über Christus sagte: »Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein geworden ist.« (Apostelgeschichte 4,11) GNAT 49 5 Petrus bediente sich hier einer Redewendung, die den Priestern vertraut war. Schon die Propheten hatten von dem Stein gesprochen, der verworfen wurde, und Christus hatte einmal von sich selbst gesagt: »Habt ihr nie gelesen in der Schrift: ›Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen?‹ Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen aber er fällt, den wird er zermalmen.« (Matthäus 21,42-44; vgl. Psalm 118,22.23) GNAT 50 1 Als die Priester die furchtlosen Worte der Apostel hörten, »verwunderten sie sich, und sie erkannten, dass sie mit Jesus gewesen waren« (Apostelgeschichte 4,13 Elb.). Versuche, Die Junger zum Schweigen Zu Bringen GNAT 50 2 Über die Jünger berichtet die Bibel nach dem wunderbaren Ereignis der Verklärung von Jesus: »Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.« (Matthäus 17,8 Elb.) »Jesus allein« - in diesen Worten liegt das Geheimnis des Lebens und der Kraft begründet, das die Geschichte der Urgemeinde kennzeichnet. Als die Jünger Christi Worte zum ersten Mal hörten, spürten sie, dass sie ihn brauchten. Sie suchten ihn, fanden ihn und folgten ihm nach. Immer waren sie bei ihm: im Tempel, bei Tisch, am Berghang, auf dem Feld. Wie Schüler bei ihrem Lehrer waren sie bei ihm und empfingen täglich von ihm Lektionen ewiger Wahrheit. GNAT 50 3 Auch nach Christi Himmelfahrt nahmen die Jünger noch die große Liebe und das Licht der göttlichen Gegenwart wahr. Es war eine persönliche Gegenwart. Der Erlöser, der ständig um sie gewesen war, der mit ihnen gesprochen und gebetet hatte, der ihnen Hoffnung und Trost zugesprochen hatte, war mit der Botschaft des Friedens auf den Lippen in den Himmel aufgefahren. Als der Wagen von Engeln ihn aufnahm, hatten sie seine Worte berührt: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.« (Matthäus 28,20) Er war in Menschengestalt zum Himmel aufgefahren. Die Jünger wussten, dass er auch vor Gottes Thron ihr Freund und Erlöser blieb, sich seine Zuneigung zu ihnen nicht änderte und er immer mit der leidenden Menschheit verbunden bleiben würde. Sie wussten, er würde die Verdienste - durch seinen Tod am Kreuz erworben - vor Gott bringen, und seine Narben an Händen und Füßen würden an den Preis erinnern, den er für seine Erlösten bezahlt hatte. Dieser Gedanke bestärkte sie, Vorwürfe um seinetwillen zu erdulden. Ihre Verbindung zu ihm war jetzt stärker als zu der Zeit, da er persönlich bei ihnen gewesen war. Das Licht, die Liebe und die Kraft Christi wohnten in den Jüngern und bewirkten ihre Ausstrahlung, sodass die Menschen, die sie sahen, sich darüber wunderten. GNAT 51 1 Den Worten, die Petrus zur Verteidigung Christi sprach, drückte dieser sein Siegel auf. Neben dem Jünger stand als glaubwürdiger Zeuge der Mann, der auf so wunderbare Weise geheilt worden war. Der Anblick dieses Menschen, der wenige Stunden zuvor noch ein hilfloser Krüppel gewesen und dessen Gesundheit nun völlig wiederhergestellt war, verlieh den Worten des Petrus noch größere Glaubwürdigkeit. Die Priester und Obersten schwiegen. Sie konnten die Aussage von Petrus nicht widerlegen, waren aber dennoch fest entschlossen, der Verkündigung der Jünger Einhalt zu gebieten. GNAT 51 2 Das krönende Wunder Christi - die Auferweckung des Lazarus - hatte die Priester im Entschluss bekräftigt, Jesus und seine herrlichen Werke aus der Welt zu schaffen, da sie ihren eigenen Einfluss auf das Volk rasch zum Schwinden brachten. Zwar hatten sie ihn kreuzigen lassen, aber hier wurde ihnen nun bewiesen, dass sie weder das Wunderwirken in seinem Namen noch die Verkündigung der von ihm gelehrten Wahrheit aufhalten konnten. Die Heilung des Gelähmten und die Predigt der Apostel hatten bereits ganz Jerusalem in Aufregung versetzt. GNAT 51 3 Um ihre Ratlosigkeit zu verbergen und sich untereinander zu beraten, ließen die Priester und Obersten die Apostel fortschaffen. Alle sahen ein, dass es zwecklos wäre, die Heilung dieses Mannes zu leugnen. Wie gern hätten sie dieses Wunder als Betrug abgetan! Nur bestand dazu keine Möglichkeit, denn es war am helllichten Tag vor einer großen Menschenmenge geschehen, und inzwischen hatten Tausende Kenntnis davon erhalten. Sie meinten, man müsse das Wirken der Apostel unbedingt stoppen, denn sonst werde Jesus viele Nachfolger gewinnen. Sie selbst würden die Gunst des Volks verlieren, denn man würde ihnen die Schuld an der Ermordung des Sohnes Gottes geben. GNAT 51 4 Am liebsten hätten sie die Jünger vernichtet, aber die Priester wagten nicht, mehr zu tun, als ihnen die schwerste Bestrafung anzudrohen, sofern sie weiterhin im Namen von Jesus reden oder handeln würden. Sie riefen sie erneut vor den Hohen Rat, und »sie geboten ihnen, keinesfalls zu reden oder zu lehren in dem Namen Jesu« (Apostelgeschichte 4,18). Petrus und Johannes antworteten jedoch: »Urteilt selbst, ob es vor Gott recht ist, dass wir euch mehr gehorchen als Gott. Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben.« (Apostelgeschichte 4,19.20) GNAT 51 5 Gern hätten die Priester diese Männer wegen ihrer unerschütterlichen Treue zu ihrer heiligen Berufung bestraft, aber sie fürchteten das Volk, »denn alle lobten Gott für das, was geschehen war« (Apostelgeschichte 4,21). Deshalb wurden die Apostel nach wiederholten Strafandrohungen und Einschüchterungsversuchen auf freien Fuß gesetzt. Doch Sie Verkündigten Weiter Jesus GNAT 52 1 Während Petrus und Johannes im Gefängnis saßen, hatten die anderen Jünger unaufhörlich für ihre Brüder gebetet, denn sie kannten die Boshaftigkeit der Juden und fürchteten, die Grausamkeiten, die Christus zugefügt worden waren, könnten sich wiederholen. Nach ihrer Freilassung suchten die Apostel die anderen Jünger auf, um ihnen vom Ausgang des Verhörs zu berichten. Die Freude der Gläubigen war groß. »Als sie das hörten, erhoben sie ihre Stimme einmütig zu Gott und sprachen: Herr, du hast Himmel und Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht, du hast durch den Heiligen Geist, durch den Mund unseres Vaters David, deines Knechtes, gesagt: Warum toben die Heiden, und die Völker nehmen sich vor, was umsonst ist? Die Könige der Erde treten zusammen, und die Fürsten versammeln sich wider den Herrn und seinen Christus. Wahrhaftig, sie haben sich versammelt in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels, zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt hatten, dass es geschehen solle. Und nun, Herr, sieh an ihr Drohen und gib deinen Knechten, mit allem Freimut zu reden dein Wort; strecke deine Hand aus, dass Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus.« (Apostelgeschichte 4,24-30, vgl. Psalm 2,1-2) GNAT 52 2 Zur Ausübung ihres Dienstes baten die Apostel um noch mehr Stärke, denn sie erwarteten den gleichen entschiedenen Widerstand, auf den auch Christus hier auf Erden gestoßen war. Noch während ihre einmütigen Gebete im Glauben zum Himmel stiegen, erfolgte die Antwort. Der Ort, an dem sie sich versammelt hatten, erbebte. Erneut kam der Heilige Geist über sie, und mutigen Herzens gingen sie wieder daran, das Wort Gottes in Jerusalem zu verkündigen. »Mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus.« (Apostelgeschichte 4,33) Und Gott segnete ihren Einsatz in wunderbarer Weise. Der Grundsatz Gilt Bis IN Unsere Zeit GNAT 52 3 Als den Jüngern verboten wurde, im Namen von Jesus zu lehren, vertraten sie in ihrer furchtlosen Antwort »Urteilt selbst, ob es vor Gott recht ist, dass wir euch mehr gehorchen als Gott« (Apostelgeschichte 4,19) den gleichen Grundsatz, für den die Anhänger des Evangeliums später in den Tagen der Reformation kämpften: Den deutschen Fürsten, die sich 1529 auf dem Reichstag zu Speyer versammelten, wurde ein Erlass des Kaisers vorgelegt, der die religiöse Freiheit einschränkte und jede weitere Verbreitung der Lehren der Reformation untersagte. Es schien so, als ob die Hoffnung der Welt vor der Vernichtung stünde. Würden die Fürsten den Erlass annehmen? Sollten die Menschen, die noch in der Finsternis lebten, vom Licht des Evangeliums ausgeschlossen bleiben? Entscheidendes für die Welt stand auf dem Spiel. Die Bekenner des reformatorischen Glaubens kamen zusammen und beschlossen einmütig: »Lasst uns diesen Erlass verwerfen. In Fragen des Gewissens hat die Mehrheit nichts zu bestimmen.« (Jean-Henri Merle d'Aubigne, History of the Reformation, Band 13, Kapitel 5) GNAT 53 1 An diesem Grundsatz müssen wir auch heute noch festhalten. Das Banner der Wahrheit und der religiösen Freiheit, das den Begründern der ersten Christengemeinde und den Zeugen Gottes in späteren Jahrhunderten so kostbar war, ist in dieser letzten Auseinandersetzung unseren Händen anvertraut worden. Die Verantwortung für diese große Gabe ruht auf denen, die Gott mit der Erkenntnis seines Wortes gesegnet hat. Dieses Wort müssen wir als höchste Autorität anerkennen. Wir sollen menschliche Regierungsgewalt als von Gott eingesetzte Ordnung achten und ihr gegenüber als heilige Pflicht Gehorsam lehren innerhalb der Grenzen ihrer rechtmäßigen Zuständigkeit. Widersprechen diese Gehorsamsansprüche aber den Ansprüchen Gottes, müssen wir Gott mehr gehorchen als den Menschen. Gottes Wort steht für einen Christen über jeder menschlichen Gesetzgebung. Ein »So spricht der Herr« kann nicht durch ein »So spricht die Kirche« oder ein »So spricht der Staat« ersetzt werden. Der Herrschaftsanspruch Christi ist höher zu werten als die Hoheitszeichen irdischer Machthaber. GNAT 53 2 Von uns wird nicht verlangt, der Obrigkeit zu trotzen. Wir sollten unsere gesprochenen und geschriebenen Worte sorgfältig abwägen, um nicht den Anschein zu erwecken, als stünden wir Gesetz und Ordnung feindlich gegenüber. Wir sollten uns weder durch Worte noch durch Taten unnötig Steine in den Weg legen. Wir müssen in Christi Namen voranschreiten und für die Wahrheiten eintreten, die uns anvertraut sind. Sollten Menschen uns dies verbieten, dann dürfen wir mit den Aposteln sagen: »Urteilt selbst, ob es vor Gott recht ist, dass wir euch mehr gehorchen als Gott. Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben.« (Apostelgeschichte 4,19.20) ------------------------Kapitel 7 -- Von Herzen Teilen GNAT 54 0 Apostelgeschichte 4,32 bis 5,11. GNAT 54 1 Als die Jünger die Wahrheit des Evangeliums in Jerusalem verkündigten, bestätigte Gott ihre Aussagen, und viele wurden gläubig. Der blinde Eifer der Juden hatte zur Folge, dass viele dieser ersten Christen umgehend von ihren Familien und Freunden geächtet wurden. Nun musste man Nahrung und Unterkunft für sie finden. In der Bibel heißt es: »Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte« (Apostelgeschichte 4,34), und dann wird erzählt, wie dies ermöglicht wurde. Vermögende Gläubige opferten bereitwillig Geld und Besitz, um der Not abzuhelfen. Sie verkauften ihre Häuser oder Grundstücke und legten den Erlös »den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte« (Apostelgeschichte 4,35). GNAT 54 2 Diese Freigebigkeit der Gläubigen war eine Folge der Ausgießung des Heiligen Geistes. »Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele« (Apostelgeschichte 4,32) Ein gemeinsames Anliegen war ihre Triebfeder: den Erfolg des Auftrags, der ihnen anvertraut worden war. Habsucht hatte in ihrem Leben keinen Raum. Ihre Liebe zu den Glaubensgeschwistern und zu der Sache, für die sie nun eintraten, war größer als ihre Liebe zu Geld und Besitz. Ihre Werke bezeugten, dass sie den Wert ihrer Mitmenschen höher schätzten als irdischen Wohlstand. GNAT 54 3 So wird es immer sein, wenn Gottes Geist vom Leben Besitz ergreift. Diejenigen, deren Herz von der Liebe Christi erfüllt ist, werden dem Beispiel dessen folgen, der um unsertwillen arm wurde, damit wir »durch seine Armut reich« werden (2. Korinther 8,9). Alle Gaben, die sie aus Gottes Hand empfangen haben - Geld, Zeit, Einfluss - werteten sie nur als Mittel zur Förderung des Evangeliums. So war es in der Urgemeinde. Wenn in der Gemeinde von heute sichtbar wird, dass durch die Macht des Heiligen Geistes das Interesse der Glieder von den Dingen dieser Welt weggelenkt wird und sie willig werden, Opfer zur Verbreitung des Evangeliums zu bringen, wird die Verkündigung der Wahrheit einen mächtigen Einfluss auf die Zuhörer ausüben. Habsucht GNAT 55 1 In schroffem Gegensatz zur Wohltätigkeit der Gläubigen stand das Verhalten von Hananias und Saphira, deren Erfahrung durch den inspirierten Verfasser aufgezeichnet wurde. Sie bleibt ein dunkler Fleck in der Geschichte der Urgemeinde. Zusammen mit anderen hatten diese vorgeblichen Nachfolger das Evangelium aus dem Mund der Apostel vernehmen dürfen. Sie hatten gemeinsam mit anderen Gläubigen erlebt, wie nach dem Gebet der Apostel »die Stätte, wo sie versammelt waren«, erbebte und sie »alle vom Heiligen Geist erfüllt« wurden (Apostelgeschichte 4,31). Das hatte alle Versammelten zutiefst beeindruckt, und unter dem direkten Einfluss von Gottes Geist hatten Hananias und Saphira gelobt, den Erlös vom Verkauf eines bestimmten Grundstücks dem Herrn zu geben. GNAT 55 2 Später gaben sie Regungen der Habsucht nach und betrübten dadurch den Heiligen Geist. Sie begannen, ihr Versprechen zu bedauern und verloren bald den wohltuenden Einfluss des Segens, der ihre Herzen mit dem Wunsch erfüllt hatte, etwas Großzügiges für die Sache Christi zu tun. Sie meinten, zu voreilig gewesen zu sein und ihren Entschluss noch einmal überlegen zu müssen. Also besprachen sie die Angelegenheit miteinander und entschlossen sich, ihr Gelübde nicht zu erfüllen. Sie sahen aber, wie die Spender, die sich von ihrem Besitz trennten, um dem Mangel ihrer ärmeren Glaubensgeschwister abzuhelfen, unter den Gläubigen hoch angesehen waren. Sie schämten sich jedoch, sie wissen zu lassen, dass sie in ihrer Selbstsucht nicht bereit waren, das herzugeben, was sie feierlich Gott geweiht hatten. So beschlossen sie bewusst, ihren Besitz zu verkaufen und so zu tun, als ob der gesamte Erlös in den gemeinsamen Fonds flösse. In Wirklichkeit aber behielten sie einen großen Teil des Geldes für sich zurück. Auf diese Weise würden sie ihren Lebensunterhalt auf Kosten des gemeinsamen Geldvorrats sichern und gleichzeitig die Hochachtung ihrer Geschwister gewinnen. GNAT 55 3 Aber Gott hasst Heuchelei und Falschheit. In ihrem Handeln Gott gegenüber erwiesen sich Hananias und Saphira als Betrüger. Sie belogen den Heiligen Geist, und ihre Sünde wurde durch ein schnelles und schreckliches Urteil geahndet. Als Hananias mit seiner Gabe vor Petrus erschien, fragte dieser: »Hananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen und etwas vom Geld für den Acker zurückbehalten hast? Hättest du den Acker nicht behalten können, als du ihn hattest? Und konntest du nicht auch, als er verkauft war, noch tun, was du wolltest? Warum hast du dir dies in deinem Herzen vorgenommen? Du hast nicht Menschen, sondern Gott belogen. Als Hananias diese Worte hörte, fiel er zu Boden und gab den Geist auf. Und es kam eine große Furcht über alle, die dies hörten.« (Apostelgeschichte 5,3-5) GNAT 56 1 »Hättest du den Acker nicht behalten können, als du ihn hattest?«, fragte Petrus. Hananias war von niemandem beeinflusst oder ungebührlich bedrängt worden, sein Eigentum dem Gemeinwohl zu opfern. Er hatte aus freiem Entschluss gehandelt. Aber durch seinen Versuch, die Jünger zu täuschen, hatte er den Allmächtigen belogen. GNAT 56 2 »Es begab sich nach einer Weile, etwa nach drei Stunden, da kam seine Frau herein und wusste nicht, was geschehen war. Aber Petrus sprach zu ihr: Sag mir, habt ihr den Acker für diesen Preis verkauft? Sie sprach: Ja, für diesen Preis. Petrus aber sprach zu ihr: Warum seid ihr euch denn einig geworden, den Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begraben haben, sind vor der Tür und werden auch dich hinaustragen. Und sogleich fiel sie zu Boden, ihm vor die Füße, und gab den Geist auf. Da kamen die jungen Männer und fanden sie tot, trugen sie hinaus und begruben sie neben ihrem Mann. Und es kam eine große Furcht über die ganze Gemeinde und über alle, die das hörten.« (Apostelgeschichte 5,7-11) Ein Ernstes Warnsignal GNAT 56 3 In seiner unendlichen Weisheit sah Gott, dass diese Aufsehen erregende Bekundung seines Zornes notwendig war, um die junge Gemeinde vor sittlichem Verfall zu bewahren. Ihre Gliederzahl nahm schnell zu. Die Gemeinde wäre in Gefahr gekommen, wenn bei dem schnellen Zuwachs an Bekehrten auch Männer und Frauen dazu gekommen wären, die zwar beteuerten, Gott zu dienen, sich in Wirklichkeit aber an irdischen Besitz klammerten. Dieses Urteil bestätigte, dass Menschen Gott nicht täuschen können, sondern dass er die verborgenen Sünden des Herzens aufdeckt und sich nicht spotten lässt. Es sollte der Gemeinde zur Warnung dienen, sie dahin zu bringen, Vorspiegelung und Heuchelei zu meiden und sich zu hüten, Gott zu berauben. GNAT 56 4 Nicht nur der Urgemeinde, sondern allen künftigen Generationen wurde dieses Beispiel als Warnsignal gegeben, um zu zeigen, wie sehr Gott Habsucht, Betrug und Heuchelei hasst. Hananias und Saphira hatten zuerst mit der Habsucht geliebäugelt. Das Verlangen, etwas von dem für sich zu behalten, was sie dem Herrn versprochen hatten, führte sie schließlich zu Betrug und Heuchelei. GNAT 56 5 Gott hat die Verkündigung des Evangeliums von dem Einsatz und den Gaben seines Volkes abhängig gemacht. Freiwillige Gaben und der Zehnte bilden die Einkünfte im Werk des Herrn. Von den Mitteln, die Gott uns anvertraut, beansprucht er einen bestimmten Teil - den Zehnten. Er stellt es allen frei, ob sie mehr geben wollen oder nicht. Wenn aber der Heilige Geist einen Menschen dazu bewegt, einen bestimmten Betrag zu spenden und dieser ein entsprechendes Gelübde ablegt, hat er keinen Anspruch mehr auf den geweihten Teil. Solche Zusagen gegenüber Menschen werden als bindend angesehen. Sollte dies nicht erst recht bei Zusagen gegenüber Gott gelten? Sind Gelübde, die vor dem Richter des Gewissens abgegeben werden, weniger bindend als geschriebene Verträge zwischen Menschen? GNAT 57 1 Wenn göttliches Licht mit ungewöhnlicher Klarheit und Macht in ein Herz scheint, weicht die gewohnheitsmäßige Selbstsucht und es entsteht eine Bereitschaft, etwas für die Sache Gottes zu geben. Niemand aber sollte annehmen, dass er sein Versprechen ohne Satans Protest einlösen kann. Dem gefällt es gar nicht, wenn er sieht, dass das Reich des Erlösers auf der Erde gebaut wird. Deshalb redet er uns ein, unser versprochenes Opfer sei zu groß und wir hätten keine Möglichkeit mehr, Eigentum zu erwerben oder die Bedürfnisse unserer Familie abzudecken. GNAT 57 2 Gott ist es, der Menschen mit Besitz segnet. So erhalten die Menschen Gelegenheit, zur Förderung der Sache Gottes ihren Beitrag zu leisten. Er sendet Sonnenschein und Regen und bringt die Pflanzen zum Blühen. Er schenkt Gesundheit und die Fähigkeit, Geldmittel zu erwerben. Alle Segnungen kommen aus seiner gütigen Hand. Als Gegenleistung möchte er, dass Männer und Frauen ihre Dankbarkeit dadurch erweisen, dass sie ihm einen Teil als Zehnten und Gaben zurückerstatten: als Dankopfer, als freiwilliges Opfer, als Schuldopfer. Würden die Mittel nach diesem göttlichen Plan in Form von Zehnten und freiwilligen Gaben in die Schatzkammer des Herrn fließen, hätte sein Werk Mittel in Fülle, um die Sache Gottes voranzutreiben. GNAT 57 3 Doch Selbstsucht verhärtet das Herz der Menschen, und wie bei Hananias und Saphira sind sie versucht, einen Teil von dem zurückzubehalten, was Gott gehört, und gleichzeitig vorzugeben, Gottes Forderungen zu erfüllen. Viele sind ungemein großzügig, wenn es um Geldausgaben für das eigene Vergnügen geht. Männer und Frauen richten sich nach ihrem Vergnügen und stillen alle ihre Wünsche, während sie für Gott nur widerwillig eine knauserige Gabe übrig haben. Sie vergessen, dass Gott eines Tages über die Verwendung seiner Güter genaue Rechenschaft verlangt und die knauserige Spende für seine Schatzkammer genauso wenig annimmt wie die Gabe von Hananias und Saphira. In Wahrhaftigkeit Leben GNAT 57 4 Durch die strenge Bestrafung jener Meineidigen will Gott auch, dass wir lernen, wie tief seine Abscheu und seine Verachtung für jederlei Heuchelei und Täuschung sind. Indem sie vortäuschten, alles gegeben zu haben, belogen Hananias und Saphira den Heiligen Geist und verloren so nicht nur das jetzige, sondern auch das zukünftige Leben. Derselbe Gott, der sie bestrafte, verurteilt auch heute alle Falschheit. »Lügenmäuler sind dem Herrn ein Gräuel.« (Sprüche 12,22) Von der heiligen Stadt sagt er: »Nichts Unreines wird hineinkommen und keiner, der Gräuel tut und Lüge.« (Offenbarung 21,27) Wir dürfen die Wahrheit nicht auf die leichte Schulter nehmen oder nachlässig mit ihr umgehen. Lasst sie Teil unseres Lebens werden. Mit der Wahrheit je nach Belieben umzugehen und gemäß den eigenen selbstsüchtigen Plänen zu heucheln führt letztlich zum Schiffbruch im Glauben. »Legt die Wahrheit als Gürtel um.« (Epheser 6,14) Wer Unwahrheiten ausspricht, verkauft seine Seele zu einem Schleuderpreis. Seine Lügen mögen scheinbar in Notfällen dienlich sein; vielleicht verspricht er sich durch sie geschäftliche Vorteile, die er auf ehrliche Weise nicht glaubt erreichen zu können. Zuletzt kommt er aber an den Punkt, an dem er niemandem mehr trauen kann. Da er selbst lügt, hat er auch kein Vertrauen in das Wort anderer. GNAT 58 1 Im Fall von Hananias und Saphira wurde die Sünde des Betrugs an Gott schnell bestraft. Dieselbe Sünde hat sich in der späteren Geschichte der Gemeinde noch oft wiederholt und wird auch in unserer Zeit von vielen begangen. Doch wenn sie auch nicht von sichtbaren Zeichen des Missfallens Gottes begleitet ist, ist sie in seinen Augen heute nicht weniger verabscheuungswürdig als zur Zeit der Apostel. Wir sind gewarnt; Gott hat seine Abscheu vor dieser Sünde klar bekundet. Wer sich der Heuchelei und der Habsucht hingibt, kann sicher sein, dass er seine eigene Seele ruiniert. ------------------------Kapitel 8 -- Vor dem Hohen Rat GNAT 59 0 Apostelgeschichte 5,12-42. GNAT 59 1 Ausgerechnet das Kreuz, dieses Werkzeug der Schande und Folter, brachte der Welt Hoffnung und Heil. Die Jünger waren nur einfache Leute ohne Reichtum und mit nichts anderem als dem Wort Gottes ausgerüstet. Dennoch gingen sie in der Vollmacht Christi hinaus, verkündeten die wunderbare Geschichte von der Krippe und vom Kreuz und überwanden jeden Widerstand. Ohne irdische Ehre und Anerkennung waren sie dennoch Helden des Glaubens. Von ihren Lippen kamen Worte göttlicher Beredsamkeit, die die Welt aufrüttelten. Pharisäer Und Sadduzaer In Der Enge GNAT 59 2 Mit Freimut verkündeten die Jünger in Jerusalem weiterhin Worte des Lebens - dort, wo die schlimmsten Vorurteile bestanden und die verworrensten Meinungen über den herrschten, der als Verbrecher gekreuzigt worden war. Das Werk Christi, seine Sendung, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt - all dies wurde den Juden verdeutlicht. Staunend hörten die Priester und Obersten das klare, mutige Zeugnis der Apostel. Die Macht des auferstandenen Erlösers war tatsächlich über die Jünger gekommen. Ihre Tätigkeit wurde von Zeichen und Wundern begleitet, sodass die Zahl der Gläubigen täglich zunahm. Menschen brachten ihre Kranken »auf Betten und Bahren« auf die Straßen, wo die Jünger erwartet wurden, »damit, wenn Petrus käme, wenigstens sein Schatten auf einige von ihnen fiele« (Apostelgeschichte 5,15). Man brachte auch »solche, die von unreinen Geistern geplagt waren« (Apostelgeschichte 5,16). Die Menge scharte sich um sie, und die Geheilten priesen laut Gott und verherrlichten den Namen des Erlösers. GNAT 59 3 Die Priester und Obersten stellten fest, dass Christus beim Volk in höherem Ansehen stand als sie selbst. Als die Sadduzäer, die nicht an eine Auferstehung glaubten, die Apostel verkündigen hörten, dass Jesus von den Toten auferstanden war, gerieten sie außer sich vor Wut. Sie erkannten: Wenn den Aposteln erlaubt würde, einen auferstandenen Erlöser zu verkünden und in seinem Namen Wunder zu tun, würden alle ihre Lehre, dass es keine Auferstehung gibt, verwerfen. Folglich würde die Partei der Sadduzäer bald nicht mehr bestehen können. Auch die Pharisäer waren aufgebracht, als sie bemerkten, dass die Lehren der Jünger dahin führen würden, die jüdischen Zeremonien zu untergraben und den Opferdienst nutzlos werden zu lassen. GNAT 60 1 Bisher waren sämtliche Bemühungen fehlgeschlagen, die Verkündigung dieser neuen Lehre zu unterbinden. Nun beschlossen aber sowohl Sadduzäer als auch Pharisäer, die Tätigkeit der Jünger zu unterbinden, da dadurch ihre Schuld am Tod von Jesus offenkundig wurde. Voller Empörung legten die Priester gewaltsam Hand an Petrus und Johannes und warfen sie ins Gefängnis. GNAT 60 2 Die Führer des Volkes hatten es offenkundig versäumt, Gottes Plan mit seinem auserwählten Volk auszuführen. Diejenigen, die der Herr zu Hütern der Wahrheit gemacht hatte, hatten sich ihrer Verantwortung gegenüber als treulos erwiesen. Deshalb vertraute Gott seinen Auftrag nun anderen an. In ihrer Blindheit ließen diese Leiter ihrem angeblich gerechten Zorn gegen jene freien Lauf, die einige von ihnen besonders geliebte Lehren beiseite schoben. Sie wollten nicht einmal die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass sie selbst vielleicht das Wort Gottes nicht richtig verstanden oder die heiligen Schriften falsch ausgelegt oder verkehrt angewandt hatten. Sie handelten wie Menschen, die den Verstand verloren haben. Sie fragten: Welches Recht haben diese Lehrer, von denen einige nur einfache Fischer sind, Ideen zu verbreiten, die im Gegensatz zu dem stehen, was wir das Volk gelehrt haben? Entschlossen, die Verbreitung dieser Gedanken zu unterbinden, warfen sie deren Verkünder ins Gefängnis. GNAT 60 3 Durch diese Behandlung ließen sich die Jünger jedoch weder einschüchtern noch entmutigen. Der Heilige Geist rief ihnen Christi Worte ins Gedächtnis: »Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten. Aber das alles werden sie euch tun um meines Namens willen; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat.« (Johannes 15,20.21) »Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit ... Aber dies habe ich zu euch geredet, damit, wenn ihre Stunde kommen wird, ihr daran denkt, dass ich's euch gesagt habe.« (Johannes 16,2.4) GNAT 60 4 Der Gott des Himmels, der mächtige Herrscher des Universums selbst, nahm sich der Jünger in ihrer Gefangenschaft an, denn hier kämpften Menschen gegen seinen Plan. In der Nacht öffnete der Engel des Herrn die Gefängnistüren und sagte zu den Jüngern: »Geht hin und tretet im Tempel auf und redet zum Volk alle Worte des Lebens.« (Apostelgeschichte 5,20) Dieser Befehl stand in völligem Gegensatz zu den Anweisungen der jüdischen Oberen. Aber erwiderten etwa die Apostel: Das können wir nicht tun, erst müssen wir bei unseren Behördenvertretern die Erlaubnis einholen? Nein! Gott hatte gesagt: »Geht hin!«, und sie gehorchten. Sie gingen »frühmorgens in den Tempel und lehrten.« (Apostelgeschichte 5,20.21) GNAT 61 1 Als Petrus und Johannes unter den Gläubigen erschienen und erzählten, wie der Engel sie durch die Gruppe der Wachsoldaten geführt und aufgefordert hatte, die unterbrochene Arbeit wieder aufzunehmen, erfüllte dies ihre Geschwister mit Erstaunen und Freude. Bedroht, Gefangen, Befreit GNAT 61 2 Unterdessen riefen der Hohepriester und die, »die mit ihm waren ... den Hohen Rat und alle Ältesten in Israel« zusammen. (Apostelgeschichte 5,21) Die Priester und Obersten hatten beschlossen, die Jünger des Aufruhrs zu bezichtigen, sie des Mordes an Hananias und Saphira sowie einer Verschwörung zur Untergrabung der Autorität der Priesterschaft zu beschuldigen. Damit hofften sie, den Pöbel so sehr in Erregung zu versetzen, dass er angestachelt würde, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und mit den Jüngern so zu verfahren wie mit Jesus. Sie waren sich aber bewusst, dass auch unter denen, die die Lehren Christi nicht annahmen, viele der Willkürherrschaft der jüdischen Obrigkeit überdrüssig waren und eine Veränderung herbeisehnten. Die Priester befürchteten: Falls diese Unzufriedenen die Wahrheiten, die die Apostel verkündeten, annehmen und Jesus als den Messias anerkennen würden, könnte sich der Zorn der gesamten Bevölkerung gegen sie als religiöse Leiter wenden und sie für den Mord an Jesus verantwortlich machen. Um dies zu verhindern, beschlossen sie, hart durchzugreifen. GNAT 61 3 Sie gaben Anweisung, die Gefangenen vorzuführen. Wie groß war jedoch ihre Bestürzung, als sie erfuhren, man habe zwar die Gefängnistüren fest verschlossen und bewacht vorgefunden, von den Gefangenen aber gebe es keine Spur! Bald traf die erstaunliche Kunde ein: »Siehe, die Männer, die ihr ins Gefängnis geworfen habt, stehen im Tempel und lehren das Volk. Da ging der Hauptmann mit den Knechten hin und holte sie, doch nicht mit Gewalt; denn sie fürchteten sich vor dem Volk, dass sie gesteinigt würden.« (Apostelgeschichte 5,25.26) GNAT 61 4 Obwohl die Apostel durch ein Wunder aus dem Gefängnis befreit wurden, blieben sie nicht vor Verhör und Strafe bewahrt. Als Christus noch bei ihnen war, hatte er ihnen gesagt: »Ihr aber seht euch vor! Denn sie werden euch den Gerichten überantworten.« (Markus 13,9) Gott hatte einen Engel zu ihrer Befreiung gesandt und ihnen dadurch ein Zeichen seiner Liebe und die Zusicherung seiner Gegenwart geschenkt. Nun mussten sie für den, dessen Evangelium sie predigten, auch Leid ertragen. Furchtlose Zeugen GNAT 62 1 In der Geschichte der Propheten und Apostel gibt es viele herausragende Beispiele der Treue Gott gegenüber. Die Zeugen Christi waren eher bereit, Gefangenschaft, Folter und selbst den Tod zu erleiden, als Gottes Gebote zu übertreten. Was hier über Petrus und Johannes berichtet wird, gehört zum Heldenmütigsten im christlichen Zeitalter. Als sie zum zweiten Mal vor den Männern standen, die es anscheinend auf ihre Vernichtung abgesehen hatten, konnte man in ihren Worten und ihrem Auftreten weder Angst noch Zaudern erkennen. Und als der Hohepriester sagte: »Haben wir euch nicht streng geboten, in diesem Namen nicht zu lehren? Und seht, ihr habt Jerusalem erfüllt mit eurer Lehre und wollt das Blut dieses Menschen über uns bringen«, da antwortete Petrus: »Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.« (Apostelgeschichte 5,28.29) Ein Engel des Himmels hatte sie aus dem Gefängnis befreit und ihnen geboten, im Tempel zu lehren. Sie befolgten seine Anordnungen und gehorchten somit dem göttlichen Befehl. Darin mussten sie fortfahren - koste es, was es wolle. GNAT 62 2 Dann kam der Heilige Geist auf die Apostel herab, und die Angeklagten wurden zu Anklägern und beschuldigten die Ratsversammlung des Mordes an Christus. Petrus erklärte: »Der Gott unsrer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr an das Holz gehängt und getötet habt. Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht zum Fürsten und Heiland, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben. Und wir sind Zeugen dieses Geschehens und mit uns der Heilige Geist, den Gott denen gegeben hat, die ihm gehorchen.« (Apostelgeschichte 5,30-32) GNAT 62 3 Diese Worte machten die Juden so rasend, dass sie beschlossen, das Recht selbst in die Hand zu nehmen und die Gefangenen ohne weiteres Verhör und ohne Ermächtigung von Seiten der römischen Obrigkeit hinzurichten. Obwohl sie bereits am Tod Christi schuldig waren, waren sie nun darauf erpicht, ihre Hände auch mit dem Blut seiner Jünger zu beflecken. GNAT 62 4 Aber in der Ratsversammlung saß ein Mann, der in den Worten der Jünger die Stimme Gottes erkannte. Es war Gamaliel, ein Pharisäer von gutem Ruf und ein Gelehrter von hohem Rang. Sein wacher Verstand sah voraus, dass ein gewaltsames Vorgehen der Priester schreckliche Folgen nach sich ziehen würde. Bevor er das Wort ergriff, forderte er die Anwesenden auf, die Angeklagten zu entfernen. Er wusste sehr wohl, mit was für Leuten er es zu tun hatte, und dass die Mörder Christi keineswegs zögern würden, ihren Plan umzusetzen. GNAT 63 1 Wohlüberlegt und ruhig sprach er: »Israeliten, überlegt euch genau, was ihr mit diesen Leuten tun wollt. Vor einiger Zeit nämlich ist Theudas aufgetreten, der von sich behauptete, etwas Besonderes zu sein; ihm hat sich eine Schar von etwa vierhundert Männern angeschlossen. Er wurde getötet, und alle seine Anhänger wurden versprengt, und seine Bewegung löste sich in nichts auf. Nach ihm, zur Zeit der Steuereinschätzung, ist Judas der Galiläer aufgetreten, machte Leute abtrünnig und scharte sie um sich. Auch er ging zugrunde, und alle seine Anhänger zerstreuten sich in alle Winde. Deshalb rate ich euch jetzt: Lasst ab von diesen Leuten und lasst sie gehen! Denn wenn das, was hier geplant und ins Werk gesetzt wird, von Menschen stammen sollte, dann wird es sich zerschlagen. Wenn es aber von Gott kommt, dann werdet ihr sie nicht aufhalten können; ihr aber könntet als solche dastehen, die sogar gegen Gott kämpfen.« (Apostelgeschichte 5,35-39 ZÜ) GNAT 63 2 Die Priester erkannten, dass diese Ansichten vernünftig waren, und sahen sich genötigt, Gamaliel zuzustimmen. Doch ihr Vorurteil und ihren Hass konnten sie kaum unterdrücken. Nachdem sie die Jünger hatten geißeln lassen, schärften sie ihnen ein, keinesfalls mehr im Namen von Jesus zu predigen, andernfalls drohe ihnen der Tod. Daraufhin entließen sie sie nur sehr widerwillig. Die Apostel »gingen aber fröhlich von dem Hohen Rat fort, weil sie würdig gewesen waren, um Seines Namens willen Schmach zu leiden, und sie hörten nicht auf, alle Tage im Tempel und hier und dort in den Häusern zu lehren und zu predigen das Evangelium von Jesus Christus« (Apostelgeschichte 5,41.42). Ablehnung Und Hass GNAT 63 3 Kurz vor seiner Kreuzigung hatte Christus seinen Jüngern ein Vermächtnis des Friedens hinterlassen: »Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.« (Johannes 14,27) Dieser Friede entsteht nicht durch Anpassung an die Welt. Christus hat niemals Frieden durch Kompromisse mit dem Bösen erkauft. Der Friede, den Christus seinen Jüngern hinterlassen hat, ist kein äußerer, sondern ein innerer Friede, und diesen sollten die Zeugen Jesu auf Dauer auch bei allem Streit, bei allen Auseinandersetzungen behalten. GNAT 63 4 Jesus sagte von sich: »Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.« (Matthäus 10,34) Obwohl er der »Fürst des Friedens« war (Jesaja 9,5), verursachte er dennoch Spaltung. Er, der gekommen ist, die frohe Botschaft zu verkündigen und in den Menschenherzen Hoffnung und Freude zu erwecken, hat eine Kontroverse ausgelöst, deren Feuer tief brennt und heftige Leidenschaften weckt. Er hat seine Nachfolger darauf hingewiesen mit den Worten: »In der Welt habt ihr Angst.« (Johannes 16,33) »Sie werden Hand an euch legen und euch verfolgen und werden euch überantworten den Synagogen und Gefängnissen und euch vor Könige und Statthalter führen um meines Namens willen ... Ihr werdet aber verraten werden von Eltern, Brüdern, Verwandten und Freunden; und man wird einige von euch töten.« (Lukas 21,12.16) GNAT 64 1 Diese Prophezeiung hat sich deutlich erkennbar erfüllt. Man hat die Nachfolger Jesu mit jeder Art von Verleumdungen, Anschuldigungen und Grausamkeit heimgesucht, die zu ersinnen Satan Menschen anstacheln konnte. Und dies wird sich in markanter Weise wiederholen, denn das selbstsüchtige Herz ist dem Gesetz Gottes stets feindlich gesinnt und nicht gewillt, sich dessen Forderungen zu fügen. Die Welt lebt heute keineswegs mehr im Einklang mit Christi Grundsätzen als in den Tagen der Apostel. Derselbe Hass, der einst das Geschrei »Kreuzige, kreuzige ihn!« (Lukas 23,21) hervorbrachte, derselbe Hass, der die Verfolgung der Jünger auslöste, wirkt heute noch in den Menschen, die Gott ablehnen. Derselbe Geist brachte in den dunklen Tagen des Mittelalters Männern und Frauen Gefangenschaft, Verbannung und Tod. Er ersann die ausgeklügelten furchtbaren Folterungen der Inquisition, er plante und vollbrachte das Blutbad der Bartholomäusnacht, und er entfachte die Feuer von Smithfield1. Dieser Geist wirkt noch heute mit seiner bösartigen Energie in unbekehrten Herzen. Die Geschichte der Wahrheit ist seit eh und je eine Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Recht und Unrecht. Die Evangeliumsverkündigung in dieser Welt ist stets trotz Widerstand, Gefahr, Verlust und Leiden vorangetrieben worden. GNAT 64 2 Woher nahmen jene Menschen die Kraft, die in der Vergangenheit um Christi willen Verfolgung erlitten? Aus der Verbindung zu Gott, der Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist und der Beziehung zu Christus. Anschuldigungen und Verfolgung haben viele von ihren irdischen Freunden getrennt, aber nie von der Liebe Christi. Nie wird der sturmerprobte Gläubige durch seinen Erlöser inniger geliebt, als wenn er für die Wahrheit Demütigung erleidet. »Ich werde ihn lieben«, sagte Christus, »und mich ihm offenbaren.« (Johannes 14,21) Steht er um der Wahrheit willen vor weltlichen Gerichten, steht ihm Christus zur Seite. Wird er hinter Gefängnismauern gefangen gehalten, offenbart Christus sich ihm und tröstet sein Herz mit göttlicher Liebe. Erleidet er um seinetwillen den Tod, sagt der Erlöser zu ihm: Sie können nur euren Körper töten; eure Seele ist für sie unerreichbar. (Matthäus 10,28) »Seid getrost, ich habe die Welt überwunden.« (Johannes 16,33) »Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.« (Jesaja 41,10) »Die auf den HERRN hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben wie der Berg Zion. Wie um Jerusalem Berge sind, so ist der HERR um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit.« (Psalm 125,1.2) »Er wird sie aus Bedrückung und Frevel erlösen, und ihr Blut ist wert geachtet vor ihm.« (Psalm 72,14) »Der Herr Zebaoth wird sie schützen ... Und der Herr, ihr Gott, wird ihnen zu der Zeit helfen, der Herde seines Volks; denn wie edle Steine werden sie in seinem Lande glänzen.« (Sacharja 9,15.16) ------------------------Kapitel 9 -- Die Sieben Diakone GNAT 66 0 Apostelgeschichte 6,1-7. GNAT 66 1 »In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung.« (Apostelgeschichte 6,1) GNAT 66 2 Die Urgemeinde setzte sich aus Menschen verschiedener Gesellschaftsklassen und Nationalitäten zusammen. Bei der Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten waren »in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel« (Apostelgeschichte 2,5). Unter den Anhängern jüdischen Glaubens, die sich in Jerusalem versammelten, gab es auch einige, die man allgemein »Griechen« nannte. Zwischen ihnen und den palästinensischen Juden bestand schon seit langem Misstrauen, ja sogar Feindschaft. GNAT 66 3 Die Herzen derer, die sich durch die Predigt der Apostel bekehrt hatten, waren von christlicher Liebe berührt und miteinander verbunden worden. Ungeachtet früherer Vorurteile lebten sie nun alle in Eintracht miteinander. Satan wusste, dass er machtlos sein würde, die Ausbreitung der Evangeliumswahrheit zu verhindern, solange diese Einigkeit Bestand hätte. Deshalb versuchte er, aus den früheren Denkweisen Nutzen zu ziehen in der Hoffnung, dadurch Uneinigkeit in die Gemeinde tragen zu können. Sinnvolle Aufgabenverteilung GNAT 66 4 Als nun die Gemeinde wuchs, gelang es Satan, unter einigen Mitgliedern Misstrauen zu entfachen. Sie waren schon früher eifersüchtig auf ihre Brüder im Glauben gewesen und hatten bei ihren geistlichen Leitern ständig nach Fehlern gesucht. So »erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen«. Grund dieser Beschwerde war eine angebliche Vernachlässigung der griechischen Witwen bei der täglichen Verteilung von Hilfsgütern. Eine solch ungleiche Behandlung wäre dem Geist des Evangeliums vollkommen zuwider gewesen, und dennoch war es Satan gelungen, einen Verdacht aufkeimen zu lassen. Folglich musste unverzüglich alles unternommen werden, um jeden Anlass zur Unzufriedenheit zu beseitigen und zu verhindern, dass der Feind durch seine Bemühungen, die Gemeinde zu spalten, triumphieren könnte. GNAT 67 1 In ihrer Erfahrung hatten die Jünger Jesu nun einen kritischen Punkt erreicht. Unter der weisen Führung dieser Apostel, die in der Macht des Heiligen Geistes einmütig handelten, entwickelte sich das ihnen anvertraute Werk zusehends. Die Gemeinde wurde immer größer, und diese Zunahme an Gliedern legte den Verantwortlichen immer schwerere Lasten auf. Kein Einzelner, auch nicht eine kleine Gruppe, war in der Lage, diese Verantwortung allein zu tragen, ohne das zukünftige Wohlergehen der Gemeinde zu gefährden. Verantwortungen, die in den frühen Tagen der Gemeinde von einigen Wenigen so gewissenhaft wahrgenommen werden konnten, mussten nun auf mehrere Schultern verteilt werden. Die Aposteln mussten nun einen wichtigen Schritt gehen, um die Gemeindeorganisation den neuen Gegebenheiten anzupassen, indem sie einige der bisher selbst getragenen Bürden auf andere legten. GNAT 67 2 Die Apostel beriefen eine Versammlung der Gläubigen ein und wurden vom Heiligen Geist dazu geführt, einen Plan für den besseren Einsatz aller Arbeitskräfte in der Gemeinde zu entwerfen. Sie erklärten, dass die Zeit gekommen sei, die geistlichen Leiter, die die Aufsicht über die Gemeinde hatten, von den eher praktischen Aufgaben wie etwa der Verteilung von Spenden unter die Armen zu entlasten, damit sie sich ganz der Evangeliumsverkündigung widmen konnten. »Darum, liebe Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer aus, die einen guten Ruf haben und vom Geist Gottes und von Weisheit erfüllt sind. Ihnen wollen wir diese Aufgabe übertragen. Wir selbst werden uns auch weiterhin mit ganzer Kraft dem Gebet und der Verkündigung der Botschaft Gottes widmen.« (Apostelgeschichte 6, 3.4 GNB) Dieser Rat wurde befolgt. Sieben Männer wurden unter Gebet und Handauflegung feierlich ausgewählt und als Diakone eingesetzt. GNAT 67 3 Die Berufung dieser sieben Männer zur Aufsicht über spezielle Arbeitsbereiche des Werkes erwies sich als großer Segen für die Gemeinde. Diese Leiter achteten sorgfältig auf die persönlichen Bedürfnisse der einzelnen Glieder und die finanziellen Belange der Gemeinde. Durch ihre umsichtige Fürsorge und ihr Beispiel an praktischer Frömmigkeit waren sie den Aposteln eine wichtige Hilfe, um die vielfältigen Bedürfnisse der Gemeinde zu einem gemeinsamen Ganzen zu vereinen. GNAT 67 4 Dass diese Maßnahmen Gottes Willen entsprachen, zeigte sich an den segensreichen Folgen unmittelbar danach. »Das Wort Gottes breitete sich aus, und in Jerusalem wuchs die Zahl der Jünger stetig; auch ein großer Teil der Priester wurde dem Glauben gehorsam.« (Apostelgeschichte 6,7 ZÜ) Dieser Zuwachs an Gläubigen hatte zwei Ursachen: erstens der größere Freiraum, den sich die Apostel verschafft hatten, und zweitens der Eifer und die Macht im Wirken der sieben Diakone. Dass diese Brüder speziell zur Fürsorge für die Armen eingesegnet worden waren, schloss nicht aus, dass sie auch Evangelisten sein konnten. Im Gegenteil: Sie waren sehr befähigt, andere in der Wahrheit zu unterrichten und engagierten sich in dieser Arbeit mit großem Ernst und Erfolg. GNAT 68 1 Der Urgemeinde war eine Aufgabe anvertraut worden, die sich stets erweiterte. Überall, wo aufrichtige Menschen gewillt waren, sich dem Dienst Christi zu weihen, sollten sie Zentren des Lichts und des Segens bilden. Das Evangelium sollte auf der ganzen Welt verkündigt werden. Die Botschafter des Kreuzes konnten nur dann hoffen, diesen wichtigen Auftrag zu erfüllen, wenn sie in christlicher Einmütigkeit miteinander verbunden blieben und so der Welt offenbarten, dass sie mit Christus in Gott eins waren. Hatte ihr göttlicher Führer nicht gebetet: »Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins seien wie wir«? (Johannes 17,11) Und hatte er nicht von seinen Jüngern gesagt: »Die Welt hat sie gehasst; denn sie sind nicht von der Welt« (Johannes 17,14)? Hatte er nicht zum Vater gefleht, dass »sie alle eins seien ... damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast« (Johannes 17,21)? Ihr geistliches Leben und ihre geistliche Kraft setzte eine innige Verbindung mit dem Einen voraus, der sie mit der Verkündigung des Evangeliums beauftragt hatte. Einheit In Vielfalt GNAT 68 2 Nur solange sie mit Christus vereint blieben, konnten die Jünger auf die begleitende Macht des Heiligen Geistes und auf die Mitwirkung himmlischer Engel hoffen. Mit Hilfe dieser göttlichen Mächte würden sie als geschlossene Front vor der Welt auftreten und den Kampf siegreich bestehen, den sie unaufhörlich gegen Satan und dessen Handlanger führen mussten. Sollten sie weiterhin vereint wirken, würden ihnen himmlische Botschafter den Weg bahnen, Herzen würden bewegt werden, die Wahrheit anzunehmen, und viele würden für Christus gewonnen werden. Eine einige Gemeinde würde voranschreiten, »schön wie der Mond, klar wie die Sonne, gewaltig wie ein Heer« (Hohelied 6,10). Ihr Erfolg könnte durch nichts aufgehalten werden. Die Gemeinde würde von Sieg zu Sieg eilen und ihren Auftrag erfolgreich erfüllen, das Evangelium auf der ganzen Welt zu verkünden. GNAT 68 3 Der Gemeindeaufbau in Jerusalem sollte überall dort als Vorbild für die Organisation von Gemeinden dienen, wo Botschafter der Wahrheit Menschen für das Evangelium gewinnen würden. Jene, die mit der allgemeinen Aufsicht über die Gemeinde betraut worden sind, dürften sich nicht zu Herren über Gottes Nachfolger machen. Sie sollten vielmehr als weise Hirten »die Herde Gottes« hüten und sich als »Vorbilder der Herde« bewähren (1. Petrus 5,2.3). Die Diakone sollten Männer sein, »die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind« (Apostelgeschichte 6,3). Diese Männer sollten vereint für das Recht eintreten und es fest und entschlossen bewahren. So würden sie positiv für die Einheit der ganzen Herde wirken. GNAT 69 1 Als sich in der späteren Geschichte der Frühchristenheit in verschiedenen Teilen der Welt viele Gruppen von Gläubigen zu Gemeinden zusammengeschlossen hatten, wurde die Gemeindeorganisation weiter verbessert, um Ordnung und einmütiges Handeln zu gewährleisten. Jedes Glied wurde ermahnt, seine Aufgabe gut zu erfüllen und die ihm anvertrauten geistlichen Gaben weise zu gebrauchen. Der Heilige Geist verlieh einigen in der Gemeinde spezielle Gaben: »erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, dann Wundertäter, dann Gaben, gesund zu machen, zu helfen, zu leiten und mancherlei Zungenrede« (1. Korinther 12,28). Die Empfänger von so verschiedenen Gaben sollten in harmonischer Einheit zusammenwirken. GNAT 69 2 »Die uns zugeteilten Gaben sind verschieden, der Geist jedoch ist derselbe. Die Dienste sind verschieden, der Herr aber ist derselbe. Das Wirken der Kräfte ist verschieden, Gott jedoch ist derselbe, der alles in allen wirkt. Jedem wird die Offenbarung des Geistes so zuteil, dass es allen zugute kommt. Dem einen nämlich wird durch den Geist die Weisheitsrede gegeben, dem anderen aber die Erkenntnisrede gemäß demselben Geist; einem wird in demselben Geist Glaube gegeben, einem anderen in dem einen Geist die Gabe der Heilung, einem anderen das Wirken von Wunderkräften, wieder einem anderen prophetische Rede und noch einem anderen die Unterscheidung der Geister; dem einen werden verschiedene Arten der Zungenrede gegeben, einem anderen aber die Übersetzung der Zungenrede. Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist, der jedem auf besondere Weise zuteilt, wie er es will. Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl es viele sind, einen Leib bilden, so auch Christus.« (1. Korinther 12,4-12 ZÜ) Von Mose Und David Lernen GNAT 69 3 Eine große Verantwortung ruht auf denen, die zur Leitung der Gemeinde Gottes auf der Erde berufen sind. Als Mose zur Zeit der Theokratie die Lasten für sein Volk allein zu tragen versuchte, wurde er von ihrem Gewicht fast erdrückt. Daraufhin riet ihm sein Schwiegervater Jitro, die Verantwortlichkeiten klug zu verteilen. »Vertritt du das Volk vor Gott und bringe ihre Anliegen vor Gott und tu ihnen die Satzungen und Weisungen kund, dass du sie lehrest den Weg, auf dem sie wandeln, und die Werke, die sie tun sollen.« (2. Mose 18,19.20) Ferner empfahl Jitro, Männer einzusetzen »als Oberste über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn.« Das sollten redliche Leute sein, »die Gott fürchten, wahrhaftig sind und dem ungerechten Gewinn feind«. Sie sollten »das Volk allezeit richten« (2. Mose 18,21.22) und so Mose der ermüdenden Verpflichtung entheben, zahllose Geringfügigkeiten zu verhandeln, die auch von geweihten Helfern vernünftig geregelt werden könnten. GNAT 70 1 Die Zeit und Kraft jener, die nach Gottes Vorsehung in verantwortungsvolle Führungspositionen in der Gemeinde eingesetzt worden sind, sollten für wichtigere Dinge verwendet werden, die besondere Weisheit und Herzensgüte abverlangen. Es entspricht nicht Gottes Ordnung, dass solche Männer zur Schlichtung von geringfügigen Angelegenheiten, die auch andere gut regeln können, herangezogen werden. Jitro hatte Mose vorgeschlagen: »Nur wenn es eine größere Sache ist, sollen sie diese vor dich bringen, alle geringeren Sachen aber sollen sie selber richten. So mach dir's leichter und lass sie mit dir tragen. Wirst du das tun, so kannst du ausrichten, was dir Gott gebietet, und dies ganze Volk kann mit Frieden an seinen Ort kommen.« (2. Mose 18,22.23) GNAT 70 2 Entsprechend diesem Rat erwählte Mose »redliche Leute aus ganz Israel und machte sie zu Häuptern über das Volk, zu Obersten über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn, dass sie das Volk allezeit richteten, die schwereren Sachen vor Mose brächten und die kleineren Sachen selber richteten« (2. Mose 18,25.26). GNAT 70 3 Als Mose später 70 Älteste auswählte, die sich mit ihm die Verantwortung der Leitung teilen sollten, suchte er sorgfältig Männer zu Helfern aus, die Würde, gesundes Urteil und Erfahrung besaßen. In seinen Anweisungen an diese Ältesten anlässlich ihrer Berufung stellte er einige Eigenschaften heraus, die einen Menschen befähigen, ein weiser Leiter der Gemeinde zu sein: »Hört eure Brüder an, und richtet gerecht im Streit, den einer mit einem Bruder oder mit einem Fremden hat. Ihr sollt richten ohne Ansehen der Person, den Kleinen sollt ihr anhören wie den Großen, und ihr sollt euch vor niemandem fürchten, denn es ist Gottes Gericht.« (5. Mose 1,16.17 ZÜ) GNAT 70 4 Denjenigen, die die Bürde des Werkes Gottes zur Zeit Davids trugen, erteilte der König gegen Ende seiner Regierung einen wichtigen Auftrag. Damals versammelte er »nach Jerusalem alle Oberen Israels, nämlich die Fürsten der Stämme, die Obersten über die Ordnungen, die dem König dienten, die Obersten über tausend und über hundert, die Vorsteher über die Güter und Herden des Königs und seiner Söhne, sowie die Kämmerer, die Helden und alle angesehenen Männer« (1. Chronik 28,1). Der greise König forderte sie auf: »Nun denn - vor den Augen ganz Israels, der Gemeinde des Herrn, und vor den Ohren unseres Gottes: Haltet und sucht alle Gebote des Herrn, eures Gottes!« (1. Chronik 28,8) GNAT 71 1 An Salomo, der dazu ausersehen war, eine verantwortliche Führungsposition einzunehmen, richtete David einen besonderen Appell: »Und du, mein Sohn Salomo, erkenne den Gott deines Vaters und diene ihm mit ganzem Herzen und mit williger Seele. Denn der Herr erforscht alle Herzen und versteht alles Dichten und Trachten der Gedanken. Wirst du ihn suchen, so wirst du ihn finden; wirst du ihn aber verlassen, so wird er dich verwerfen ewiglich! So sieh nun zu, denn der Herr hat dich erwählt ... Sei getrost!« (1. Chronik 28,9.10) Beständige Grundsätze GNAT 71 2 Dieselben Grundsätze von Frömmigkeit und Gerechtigkeit, an die sich die Obersten im Volk Gottes zur Zeit Moses und Davids halten mussten, galten auch für die Leiter der neu organisierten Gemeinde Gottes in neutestamentlicher Zeit. In ihrem Bemühen, Ordnung in diese Gemeinden zu bringen und geeignete Männer als Verantwortungsträger einzusetzen, hielten sich die Apostel an die hohe Führungsethik, wie sie im Alten Testament umrissen ist. Sie traten dafür ein, dass ein Verantwortungsträger in leitender Stellung »untadelig . als ein Haushalter Gottes« sein soll, »nicht eigensinnig, nicht jähzornig, kein Säufer, nicht streitsüchtig, nicht schändlichen Gewinn« suchend, »sondern gastfrei, gütig, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam«; dass er sich auch »an das Wort der Lehre« halte, »das gewiss ist, damit er die Kraft habe, zu ermahnen mit der heilsamen Lehre und zurechtzuweisen, die widersprechen« (Titus 1,7-9). GNAT 71 3 Die Ordnung, an der die frühchristliche Gemeinde festhielt, machte es ihr möglich, in der »Waffenrüstung Gottes« (Epheser 6,11) ungehindert voranzuschreiten. Die Gruppen der Gläubigen waren zwar über weite Gebiete verstreut, blieben aber dennoch Glieder an einem Leib und handelten in gegenseitiger Eintracht und Harmonie. Kam es in einer örtlichen Gemeinde - wie tatsächlich später in Antiochia und anderswo - zu Meinungsverschiedenheiten, und konnten sich die Gläubigen nicht einig werden, ließ man es nicht zu, dass dies zu Spaltungen in der Gemeinde führte. Die strittigen Fragen wurden an eine für alle Gläubigen zuständige Ratsversammlung verwiesen. Diese setzte sich aus Abgeordneten der verschiedenen Ortsgemeinden zusammen, und ihre verantwortliche Leitung lag in den Händen der Apostel und Gemeindeältesten. So widerstanden die Gläubigen durch geschlossenes Handeln allen Bestrebungen Satans, einzelne Gemeinden anzugreifen, und die Pläne des Feindes zu ihrer Spaltung oder Vernichtung wurden vereitelt. GNAT 72 1 »Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.« (1. Korinther 14,33) In der Handhabung von Gemeindeangelegenheiten verlangt Gott heute nicht weniger als in alter Zeit, dass auf Ordnung und Gerechtigkeit geachtet wird. Er wünscht, dass sein Werk gründlich und unverfälscht vorangebracht wird, damit er ihm das Siegel seiner Zustimmung aufdrücken kann. Ein Christ soll mit dem anderen, eine Gemeinde mit der anderen verbunden sein. Das menschliche Werkzeug soll mit dem Göttlichen zusammenarbeiten, jeder Beteiligte sich dem Heiligen Geist unterordnen und alle vereint der Welt die frohe Botschaft von der Gnade Gottes weitergeben. ------------------------Kapitel 10 -- Der Erste Christliche Märtyrer GNAT 73 0 Apostelgeschichte 6,8-15; 7,1-60 und 8,1-3. GNAT 73 1 Stephanus, der hervorragendste der sieben Diakone, war ein Mann tiefer Frömmigkeit und starken Glaubens. Obwohl er von Geburt Jude war, sprach er Griechisch und war mit den Gewohnheiten und Sitten der Griechen vertraut. Deshalb konnte er das Evangelium auch in den Synagogen der griechischen Juden predigen. Er setzte sich aktiv für die Sache Christi ein und bekannte mutig seinen Glauben. Gelehrte Rabbiner und Gesetzeslehrer diskutierten öffentlich mit ihm, weil sie glaubten, ihn leicht besiegen zu können. Aber »sie vermochten nicht zu widerstehen der Weisheit und dem Geist, in dem er redete« (Apostelgeschichte 6,10). Nicht nur, dass er in der Macht des Heiligen Geistes redete, er hatte offensichtlich auch die Prophezeiungen durchforscht und war in allen Fragen des Gesetzes Gottes bewandert. Geschickt verteidigte er die Wahrheiten, die er vertrat, und seine Gegner konnten in der Auseinandersetzung gegen ihn keine Erfolge verbuchen. An ihm erfüllte sich die Verheißung: »So nehmt nun zu Herzen, dass ihr euch nicht vorher sorgt, wie ihr euch verantworten sollt. Denn ich will euch Mund und Weisheit geben, der alle eure Gegner nicht widerstehen noch widersprechen können.« (Lukas 21,14.15) Ein Illegales Gericht GNAT 73 2 Als den Priestern klar wurde, welche Kraft von den Predigten des Stephanus ausging, wurden sie von bitterem Hass erfüllt. Anstatt sich den vorgebrachten Beweisen zu beugen, beschlossen sie, diese Stimme zum Schweigen zu bringen und Stephanus zu töten. Bei verschiedenen Gelegenheiten hatten sie die römischen Behörden bestochen, die Juden gewähren zu lassen, wenn diese das Gesetz in ihre eigenen Hände nahmen und Angeklagte nach ihren eigenen Gepflogenheiten verurteilten, verhörten und hinrichteten. Die Feinde des Stephanus waren überzeugt, dass für sie keine Gefahr bestand, wenn sie erneut diesen Weg einschlugen. Sie beschlossen, es darauf ankommen zu lassen, nahmen Stephanus gefangen und zerrten ihn zum Verhör vor den Hohen Rat. GNAT 74 1 Gelehrte Juden aus den umliegenden Ländern wurden herbeigerufen, um die Argumente des Gefangenen zu widerlegen. Auch Saulus von Tarsus war zugegen und hatte einen bestimmenden Einfluss in diesem Verhör gegen Stephanus. Er führte die Beredsamkeit und Logik eines Rabbiners ins Treffen, um die Anwesenden zu überzeugen, dass Stephanus irreführende und gefährliche Lehren verbreite. Paulus erkannte in Stephanus einen Mann, der ein tiefes Verständnis für die Absicht Gottes besaß, das Evangelium zu anderen Völkern zu tragen. GNAT 74 2 Priester und Oberste konnten nichts gegen die klare und besonnene Weisheit des Stephanus ausrichten. Deshalb beschlossen sie, an ihm ein warnendes Exempel zu statuieren. Während sie so ihren Hass und ihre Rachsucht befriedigten, würden sie damit andere durch Einschüchterung davon abhalten, seinen Glauben anzunehmen. Man heuerte »Zeugen« zu der Falschaussage an, Stephanus habe Lästerungen gegen den Tempel und das Gesetz ausgesprochen. »Wir haben ihn sagen hören: Dieser Jesus von Nazareth wird diese Stätte zerstören und die Ordnungen ändern, die uns Mose gegeben hat.« (Apostelgeschichte 6,14) GNAT 74 3 Als Stephanus Auge in Auge vor seinen Richtern stand, um sich wegen angeblicher Gotteslästerung zu verantworten, leuchtete ein heiliger Glanz in seinem Gesicht. »Und alle, die im Rat saßen, blickten auf ihn und sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht.« (Apostelgeschichte 6,15) Viele zitterten, als sie dieses Leuchten erblickten, und verhüllten ihr Gesicht, aber die Obersten wankten nicht in ihrem Unglauben und Vorurteil. GNAT 74 4 Als Stephanus befragt wurde, ob die gegen ihn vorgebrachten Anklagen der Wahrheit entsprächen, begann er seine Verteidigung mit klarer, durchdringender Stimme, die im ganzen Gerichtssaal zu vernehmen war. Mit Worten, welche die ganze Versammlung in Bann hielten, gab er einen Überblick über die Geschichte des auserwählten Volkes Gottes. Er bewies eine gründliche Kenntnis des jüdischen Gottesdienstes und dessen geistlicher Bedeutung, wie sie nun durch Christus offenbart worden war. Er wiederholte, was Mose vom Messias geweissagt hatte: »Einen Propheten wie mich wird dir der HERR, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen.« (5. Mose 18,15) Er bekannte sich deutlich zu Gott und zum jüdischen Glauben, wies aber zugleich darauf hin, dass das Gesetz, in dem die Juden ihr Heil suchten, Israel nicht vor dem Götzendienst hatte bewahren können. Er stellte einen Zusammenhang zwischen Jesus Christus und der ganzen jüdischen Geschichte her, wies auf den Tempelbau Salomos hin und zitierte Jesaja: »Der Allerhöchste wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, wie der Prophet spricht: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße; was wollt ihr mir denn für ein Haus bauen, spricht der Herr, oder was ist die Stätte meiner Ruhe? Hat nicht meine Hand das alles gemacht?« (Apostelgeschichte 7,48-50; vgl. Jesaja 66,1-2) Mörderischer Hass GNAT 75 1 Als Stephanus dies ausgesprochen hatte, brach unter den Anwesenden ein Tumult aus. Nachdem er Jesus mit den Prophezeiungen in Verbindung gebracht hatte und in dieser Weise über den Tempel sprach, zerriss der Hohepriester sein Gewand und gab damit vor, zutiefst entsetzt zu sein. Für Stephanus war dies ein Zeichen, dass seine Stimme bald für immer zum Schweigen gebracht würde. Er sah den Widerstand, den seine Worte hervorgerufen hatten, und erkannte, dass sie sein letztes Zeugnis waren. Obwohl er erst in der Mitte seiner Predigt war, beendete er sie unvermittelt. GNAT 75 2 Er löste sich von seiner geschichtlichen Darstellung und rief, an seine wütenden Richter gewandt, aus: »Ihr Halsstarrigen, mit verstockten Herzen und tauben Ohren, ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist, wie eure Väter, so auch ihr. Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben getötet, die zuvor verkündigten das Kommen des Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid. Ihr habt das Gesetz empfangen durch Weisung von Engeln und habt's nicht gehalten.« (Apostelgeschichte 7,51-53) GNAT 75 3 Darüber gerieten die Priester und Obersten außer sich vor Zorn. Sie glichen eher Raubtieren als menschlichen Wesen, als sie zähneknirschend über Stephanus herfielen. In den hasserfüllten Gesichtern rings um ihn las der Angeklagte, welches Schicksal ihm bevorstand, aber er wankte nicht. Alle Todesfurcht war von ihm gewichen. Die erzürnten Priester und der erregte Pöbel konnten ihn nicht schrecken. Die Szene im Gerichtssaal entschwand seinen Blicken; vor ihm öffneten sich die Tore des Himmels. Er blickte hindurch und sah die Herrlichkeit Gottes und Christus, als hätte er sich gerade von seinem Thron erhoben, bereit, seinem Diener beizustehen. Triumphierend rief Stephanus aus: »Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.« (Apostelgeschichte 7,56) GNAT 76 1 Als er die Herrlichkeit beschrieb, die sich seinen Augen auftat, war dies mehr, als seine Verfolger ertragen konnten. Sie hielten sich die Ohren zu, um ihn nicht anhören zu müssen, und laut schreiend stürzten sie sich auf ihn, »stießen ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Und die Zeugen legten ihre Kleider ab zu den Füßen eines jungen Mannes, der hieß Saulus, und sie steinigten Stephanus; der rief den Herrn an und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Er fiel auf die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Und als er das gesagt hatte, verschied er« (Apostelgeschichte 7,58-60). GNAT 76 2 Man hatte über Stephanus kein rechtskräftiges Urteil gefällt, vielmehr wurden die römischen Behörden durch große Geldsummen bestochen, diesen Fall nicht weiter zu untersuchen. Ein Tod Mit Folgen GNAT 76 3 Der Märtyrertod des Stephanus beeindruckte alle Augenzeugen tief. Die Erinnerung an das göttliche Siegel auf seinem Angesicht und seine Worte, die die Hörer bis ins Innerste trafen, prägten sich dem Gedächtnis der Anwesenden ein und bezeugten die Wahrheit von dem, was er verkündigt hatte. Sein Tod war für die Gemeinde eine schwere Prüfung, aber doch resultierte daraus die Bekehrung des Saulus, der den Glauben und die Standhaftigkeit dieses Märtyrers nie mehr aus seinem Gedächtnis auslöschen konnte, ebenso wenig wie den Glanz, der auf seinem Angesicht geruht hatte. GNAT 76 4 Während des Verhörs und des Todes von Stephanus schien Saulus von einem wahnsinnigen Eifer erfüllt zu sein. Später aber plagte ihn seine geheime Überzeugung, Stephanus sei gerade zu der Zeit von Gott geehrt worden, als die Menschen ihn entehrten. Saulus hörte nicht auf, die Gemeinde Gottes zu verfolgen, versuchte die Gläubigen aufzuspüren, nahm sie in ihren Häusern fest und lieferte sie den Priestern und Obersten zu Gefängnis und Tod aus (vgl. Apostelgeschichte 8,3). Der Eifer, mit dem er die Verfolgung betrieb, versetzte die Christen in Jerusalem in Schrecken. Die römischen Behörden unternahmen keine besonderen Anstrengungen, dem grausamen Wirken Einhalt zu gebieten. Insgeheim unterstützten sie die Juden sogar, um sie zu beschwichtigen und ihre Gunst zu gewinnen. GNAT 76 5 Nach dem Tod des Stephanus wurde Saulus zum Zeichen der Anerkennung seiner dabei erworbenen Verdienste zum Mitglied des Hohen Rates gewählt. Eine Zeit lang war er ein mächtiges Werkzeug Satans in dessen Aufruhr gegen den Sohn Gottes. Doch bald sollte dieser unerbittliche Verfolger dazu benutzt werden, die Gemeinde aufzubauen, die er zu zerstören versuchte. Ein Mächtigerer als Satan hatte Saulus dazu auserkoren, den Platz des Märtyrers Stephanus einzunehmen, Christus zu predigen, für den Namen des Herrn zu leiden und nah und fern die Botschaft von der Erlösung durch dessen Blut zu verkündigen. ------------------------Kapitel 11 -- Das Evangelium In Samaria GNAT 80 0 Apostelgeschichte 8. GNAT 80 1 Nach dem Tod von Stephanus erhob sich gegen die Gläubigen in Jerusalem eine erbarmungslose Verfolgung. »Da zerstreuten sich alle in die Länder Judäa und Samarien, außer den Aposteln ... Saulus aber suchte die Gemeinde zu zerstören, ging von Haus zu Haus, schleppte Männer und Frauen fort und warf sie ins Gefängnis.« (Apostelgeschichte 8,1.3) Von seinem Eifer in diesem grausamen Werk sagte er später: »Zwar meinte auch ich selbst, ich müsste viel gegen den Namen Jesu von Nazareth tun. Das habe ich in Jerusalem auch getan; dort brachte ich viele Heilige ins Gefängnis ... Und in allen Synagogen zwang ich sie oft durch Strafen zur Lästerung, und ich wütete maßlos gegen sie, verfolgte sie auch bis in die fremden Städte.« Dass Stephanus nicht der Einzige war, der dabei den Tod erlitt, geht aus den eigenen Worten von Saulus hervor: »Und wenn sie getötet werden sollten, gab ich meine Stimme dazu.« (Apostelgeschichte 26,9-11) Die Verfolgung Führte Zur Verbreitung GNAT 80 2 In dieser gefahrvollen Zeit trat Nikodemus hervor und bekannte furchtlos seinen Glauben an den gekreuzigten Erlöser. Nikodemus, ein Mitglied des Hohen Rates, war gemeinsam mit anderen von den Lehren Jesu tief beeindruckt worden. Er war Zeuge seiner wunderbaren Werke gewesen und nun fest davon überzeugt, dass dieser der Gesandte Gottes war. Zu stolz, seine Zuneigung zu dem galiläischen Lehrer öffentlich einzugestehen, hatte er eine heimliche Unterredung mit ihm gesucht. In diesem Gespräch erläuterte ihm Jesus den Erlösungsplan und seinen Auftrag in der Welt (vgl. Johannes 3,1-21). Aber immer noch zögerte Nikodemus. Er verbarg die Wahrheit in seinem Herzen, sodass sich in den folgenden drei Jahren kaum erkennbare Auswirkungen zeigten. Obwohl Nikodemus sich nie öffentlich zu Christus bekannte, hatte er doch die Mordpläne der Priester im Hohen Rat mehrfach durchkreuzt. Als Jesus schließlich ans Kreuz geschlagen wurde, erinnerte sich Nikodemus an dessen Worte in jener nächtlichen Unterredung auf dem Ölberg: »Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.« (Johannes 3,14) Und er erkannte in Jesus den Erlöser der Welt. GNAT 81 1 Gemeinsam mit Josef von Arimathäa hatte Nikodemus die Kosten für das Begräbnis von Jesus getragen. Als sich die Jünger noch gescheut hatten, öffentlich als Jesu Nachfolger hervorzutreten, waren ihnen Nikodemus und Josef mutig zu Hilfe gekommen (vgl. Johannes 19,38-42). Der Einsatz dieser reichen, geachteten Männer wurde in jenen dunklen Stunden dringend gebraucht. Sie konnten für ihren toten Meister das tun, wozu die armen Jünger außerstande waren. Ihr Wohlstand und ihr Ansehen hatten sie in hohem Maße vor den Anfeindungen der Priester und Obersten bewahrt. GNAT 81 2 Als nun die Juden die junge Gemeinde zu vernichten versuchten, tat sich Nikodemus als ihr Verteidiger hervor. Er hielt sich nun nicht mehr vorsichtig und fragend zurück; jetzt bestärkte er den Glauben der Jünger. Mit seinem Vermögen trug er zur Unterstützung der Gemeinde in Jerusalem bei und förderte das Evangeliumswerk. Nun verachteten und verfolgten ihn diejenigen, die ihn früher verehrt hatten. Er wurde arm an weltlichen Gütern, aber er wankte nicht in der Verteidigung seines Glaubens. GNAT 81 3 Die Verfolgung, die über die Gemeinde von Jerusalem hereinbrach, führte zu einem Auftrieb in der Evangeliumsverkündigung. Die Predigt des Wortes in der Stadt war erfolgreich gewesen. Aber es bestand die Gefahr, dass sich die Jünger dort zu lange aufhielten und den Auftrag des Erlösers vernachlässigten, die Botschaft in die ganze Welt zu tragen. Man hatte vergessen, dass dem Bösen am besten durch kämpferischen Dienst begegnet wird, und begann zu glauben, keine Aufgabe sei so wichtig wie die Verteidigung der Jerusalemer Gemeinde vor den Angriffen des Feindes. Anstatt Neubekehrte zu lehren, wie das Evangelium zu Menschen gebracht werden kann, die es noch nicht gehört hatten, liefen alle Gefahr, einen Weg einzuschlagen, auf dem man sich mit dem Erreichten zufriedengab. Um seine Boten in fremde Länder zu zerstreuen, wo sie für andere wirken konnten, ließ Gott die Verfolgung zu. »Die nun zerstreut worden waren, zogen umher und predigten das Wort.« (Apostelgeschichte 8,4) Einfache Menschen Übernehmen Verantwortung GNAT 81 4 Unter denen, die von Jesus den Auftrag erhalten hatten »Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker« (Matthäus 28,19), waren viele aus einfacher Herkunft - Männer und Frauen, die ihren Herrn lieben gelernt hatten und entschlossen waren, dem Beispiel seines selbstlosen Dienens zu folgen. Diesen einfachen Menschen wurde ein ebenso kostbares Gut anvertraut wie den Jüngern, die während seines irdischen Dienstes mit dem Herrn zusammen gewesen waren. Sie sollten die frohe Botschaft der Erlösung durch Christus in die Welt hinaustragen. GNAT 82 1 Als sie durch die Verfolgung verstreut wurden, machten sie sich mit missionarischem Eifer ans Werk. Sie erkannten, welche Verantwortung ihnen aufgetragen worden war, und wussten, dass sie das Brot des Lebens für eine hungernde Welt in ihren Händen hielten. Die Liebe Christi trieb sie vorwärts, dieses Brot allen auszuteilen, die es nötig hatten. Und der Herr wirkte durch sie. Wo immer sie hingingen, wurden Kranke geheilt, und den Armen wurde das Evangelium verkündigt. GNAT 82 2 Philippus, einer der sieben Diakone, gehörte zu denen, die aus Jerusalem vertrieben wurden. Er »kam hinab in die Hauptstadt Samariens und predigte ihnen von Christus. Und das Volk neigte einmütig dem zu, was Philippus sagte, als sie ihm zuhörten und die Zeichen sahen, die er tat. Denn die unreinen Geister fuhren aus ... aus vielen Besessenen, auch viele Gelähmte und Verkrüppelte wurden gesund gemacht; und es entstand große Freude in dieser Stadt« (Apostelgeschichte 8,5-8). GNAT 82 3 Christi Botschaft an die Samaritanerin, mit der er sich am Jakobsbrunnen unterhalten hatte, hatte Früchte getragen. Nachdem die Frau damals die Worte von Jesus gehört hatte, war sie in die Stadt gelaufen und hatte den Leuten berichtet: »Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus sei!« (Johannes 4,29) Diese gingen mit ihr, hörten Jesus zu und glaubten an ihn. Gern wollten sie mehr erfahren und baten ihn deshalb zu bleiben. Zwei Tage verbrachte er bei ihnen, »und noch viel mehr glaubten um seines Wortes willen« (Johannes 4,41). GNAT 82 4 Als nun Jesu Jünger aus Jerusalem vertrieben wurden, fanden einige von ihnen in der Stadt Samaria eine sichere Zuflucht. Die Samaritaner hießen diese Boten des Evangeliums willkommen, und die Bekehrten aus den Juden konnten viele wertvolle Nachfolger Jesu unter denen gewinnen, die einst ihre bittersten Feinde gewesen waren. Ein Äthiopier Wird Christ GNAT 82 5 Philippus hatte mit seinem Werk in Samarien großen Erfolg, was ihn ermutigte, in Jerusalem um Hilfe zu bitten. Nun erfassten auch die Apostel erst richtig die Bedeutung der Worte Christi: »Ihr werdet ... meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.« (Apostelgeschichte 1,8) GNAT 83 1 Während Philippus noch in Samarien war, forderte ihn ein himmlischer Bote auf: »Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt ... Und er stand auf und ging hin.« (Apostelgeschichte 8,26.27) Er zweifelte weder an dem Ruf, noch zögerte er, ihn zu befolgen, denn er hatte gelernt, sich dem Willen Gottes zu fügen. GNAT 83 2 »Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja.« (Apostelgeschichte 8,27.28) Dieser Äthiopier bekleidete eine hohe Stellung und übte einen weitreichenden Einfluss aus. Gott wusste, dass dieser Mann nach einer Bekehrung anderen das empfangene Licht weitergeben und einen starken Einfluss zugunsten des Evangeliums ausüben würde. Engel Gottes geleiteten den Fragenden, und er wurde zum Erlöser hingezogen. Durch das Wirken des Heiligen Geistes brachte ihn der Herr mit einem Mann in Verbindung, der ihn zur Erkenntnis Christi führen konnte. GNAT 83 3 Philippus wurde angewiesen, zu dem Äthiopier zu gehen, um ihm die Prophezeiung zu erklären, die dieser gerade las. »Geh hin«, sprach der Geist, »und halte dich zu diesem Wagen! Da lief Philippus hin und ... fragte: Verstehst du auch, was du liest? Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.« (Apostelgeschichte 8,29-31) Der Schriftabschnitt, den er las, war die Weissagung Jesajas, die sich auf Christus bezog: »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.« (Apostelgeschichte 8,32.33; vgl. Jesaja 53,7-8) GNAT 83 4 »Von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem?«, fragte der Kämmerer. Daraufhin erläuterte ihm Philippus die großartige Wahrheit von der Erlösung. Er begann mit diesem Schriftwort und verkündigte ihm »das Evangelium von Jesus«. (Apostelgeschichte 8,34.35) GNAT 83 5 Das Herz des Mannes schlug vor Erregung, als ihm die Heilige Schrift erklärt wurde; und als Philippus seine Auslegung beendet hatte, war der Äthiopier bereit, die empfangene Erkenntnis anzunehmen. Er benutzte seine hohe Stellung in der Welt nicht als Ausrede für eine Ablehnung des Evangeliums. »Als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse? Philippus aber sprach: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so kann es geschehen. Er aber antwortete und sprach: Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. GNAT 84 1 Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich. Philippus aber fand sich in Aschdod wieder und zog umher und predigte in allen Städten das Evangelium, bis er nach Cäsarea kam.« (Apostelgeschichte 8,36-40) GNAT 84 2 Dieser Äthiopier steht für eine große Gruppe von Menschen, die eine Unterweisung durch Missionare wie Philippus benötigen. Es sind Menschen, die Gottes Stimme hören und bereit sind, dahin zu gehen, wohin er sie sendet. Viele lesen die Bibel, ohne ihre wahre Bedeutung zu verstehen. Überall auf der Welt schauen Männer und Frauen sehnsuchtsvoll zum Himmel auf. Gebete, Tränen und Fragen steigen empor von Menschen, die sich nach Erkenntnis, Gnade und dem Heiligen Geist sehnen. Viele stehen an der Schwelle des Reiches Gottes und warten nur darauf, hineingebracht zu werden. GNAT 84 3 Ein Engel hatte Philippus zu dem Mann geführt, der nach Erkenntnis suchte und bereit war, das Evangelium anzunehmen. So leiten auch heute noch Engel die Schritte von Mitarbeitern Gottes, die dem Heiligen Geist erlauben, durch sie zu sprechen und ihren Charakter zu läutern und zu veredeln. Der Engel, der zu Philippus gesandt worden war, hätte den Dienst an dem Äthiopier selbst verrichten können, aber so arbeitet Gott nicht. Nach seinem Plan sollen Menschen für ihre Mitmenschen wirken. Ein Auftrag Für Alle Gläubigen GNAT 84 4 An dem Vermächtnis, das den ersten Jüngern gegeben wurde, haben die Gläubigen aller Zeiten Anteil. Jedem, der das Evangelium empfangen hat, ist diese heilige Wahrheit zur Weitergabe an die Welt anvertraut. Gott ergebene Gläubige waren immer tatkräftige Missionare, die ihre Mittel der Verherrlichung des Namens Gottes weihten und ihre Talente weise in seinen Dienst stellten. GNAT 84 5 Das selbstlose Wirken von Christen in der Vergangenheit sollte Anschauungsunterricht und zugleich Ansporn für uns sein. Die Glieder der Gemeinde Gottes sollen sich eifrig um gute Werke bemühen. Sie sollen sich von weltlichem Ehrgeiz frei machen und in die Fußstapfen dessen treten, der umherging und Gutes tat. Voller Mitgefühl und Erbarmen sollen sie denen dienen, die Hilfe benötigen, und Sündern die Liebe des Erlösers nahebringen. Solches Wirken erfordert mühevolle Arbeit, bringt aber reichen Lohn. Wer sich diesem Dienst aufrichtig weiht, wird erleben, wie Menschen für den Erlöser gewonnen werden, denn die Macht, die die Ausführung des göttlichen Auftrags begleitet, ist unwiderstehlich. GNAT 85 1 Die Verantwortung für die Durchführung dieses Auftrags liegt nicht allein bei den ordinierten Geistlichen. Jeder, der Christus angenommen hat, ist aufgerufen, für die Rettung seiner Mitmenschen zu arbeiten. »Der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm!« (Offenbarung 22,17) Die Aufforderung, diese Einladung weiterzugeben, ergeht an die ganze Gemeinde. Wer diese Einladung vernommen hat, soll sie von Berg und Tal widerhallen lassen und rufen: »Komm!« GNAT 85 2 Es ist ein verhängnisvoller Irrtum anzunehmen, die Aufgabe, Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen, sei allein Sache der Geistlichen. Jeder demütige, gottgeweihte Gläubige, dem der Herr des Weinbergs ein Bewusstsein der Verantwortung für andere auferlegt hat, sollte von den Menschen, denen Gott größere Verantwortlichkeiten gegeben hat, in seinem Dienst ermutigt werden. Die Leiter der Gemeinde Gottes müssen erkennen, dass der Auftrag des Erlösers allen gilt, die an seinen Namen glauben. Gott wird viele in seinen Weinberg senden, die nicht durch Handauflegung zum Predigtdienst berufen worden sind. GNAT 85 3 Hunderte, ja Tausende, die die Heilsbotschaft vernommen haben, stehen immer noch »müßig auf dem Markt«, während sie in manchem Tätigkeitsfeld aktiven Dienst verrichten könnten. Zu ihnen sagt Christus: »Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? ... Geht ihr auch hin in den Weinberg.« (Matthäus 20,6.7) Warum gibt es immer noch so viele, die diesem Ruf nicht Folge leisten? Entschuldigen sie sich etwa damit, dass sie nicht zur Predigerschaft gehören? Sie sollten begreifen, dass neben der Verkündigung am Rednerpult eine große Aufgabe zu tun ist, und zwar von Tausenden hingebungsvoller Laienglieder! GNAT 85 4 Lange schon wartet Gott darauf, dass der Geist des Dienens die ganze Gemeinde erfasst und jeder seiner Fähigkeit entsprechend für ihn arbeitet. Wenn die Glieder der Gemeinde Gottes den ihnen gegebenen Auftrag zur Evangeliumsverkündigung durch ihren aktiven Einsatz erfüllen - in unbearbeiteten Gebieten in der Heimat wie auch im Ausland -, wird bald die ganze Welt informiert und gewarnt sein. Dann wird Jesus Christus mit Macht und großer Herrlichkeit auf diese Erde zurückkehren. »Es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.« (Matthäus 24,14) ------------------------Kapitel 12 -- Vom Verfolger Zum Jünger GNAT 86 0 Apostelgeschichte 9,1-19 und26,9-16. GNAT 86 1 Eine herausragende Persönlichkeit aus dem Kreis der jüdischen Leiter, die über den Erfolg der Evangeliumsverkündigung bestürzt waren, war Saulus von Tarsus. Von Geburt war er römischer Bürger, doch nach seiner Abstammung ein Jude. In Jerusalem war er von den bedeutendsten Rabbinern ausgebildet worden. Er war »aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem Gesetz ein Pharisäer, nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeinde, nach der Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, untadelig gewesen« (Philipper 3,5.6). Die Rabbiner hielten ihn für einen vielversprechenden jungen Mann und setzten hohe Erwartungen in ihn, weil er ein befähigter und eifriger Verfechter des alten Glaubens war. Seine Beförderung in den Rang eines Mitglieds des Hohen Rats versetzte ihn in eine Machtposition. Irregeleiteter Eifer GNAT 86 2 Saulus war am Verhör und an der Verurteilung des Stephanus maßgeblich beteiligt gewesen. Die auffallenden Beweise für Gottes Gegenwart beim Tod des Märtyrers hatten in ihm jedoch Zweifel daran geweckt, ob es gerechtfertigt gewesen sei, gegen die Anhänger von Jesus Partei zu ergreifen. Saulus war innerlich zutiefst aufgewühlt. In seiner Ratlosigkeit wandte er sich an jene, auf deren Weisheit und Urteilsvermögen er sich verließ. Die Argumente der Priester und Obersten überzeugten ihn schließlich, dass Stephanus ein Gotteslästerer und Christus, den der Märtyrer verkündigt hatte, ein Betrüger gewesen sei. Für ihn stand fest, dass Männer, die heilige Ämter bekleiden, Recht haben müssten. GNAT 86 3 Zu diesem Schluss kam Saulus nicht ohne ernste Prüfung. Seine Erziehung, seine Vorurteile, die Achtung vor seinen früheren Lehrern und sein Streben nach Popularität bestärkten ihn letztendlich darin, gegen die Stimme seines Gewissens und die Gnade Gottes zu rebellieren. Als es für ihn feststand, dass die Priester und Schriftgelehrten Recht haben müssten, wurde aus Saulus ein erbitterter Gegner der Lehren, die von den Jüngern Jesu verbreitet wurden. Er veranlasste, dass heilige Männer und Frauen vor Gericht geschleppt wurden, wo einige nur wegen ihres Glaubens an Jesus zu Gefängnisstrafen und andere sogar zum Tod verurteilt wurden. Dies brachte Trauer und Leid über die neu gegründete Gemeinde und bewog viele, sich durch Flucht in Sicherheit zu bringen. GNAT 87 1 Diejenigen, die durch diese Verfolgung aus Jerusalem vertrieben worden waren, »zogen umher und predigten das Wort« (Apostelgeschichte 8,4). Zu den Städten, in die sie flohen, gehörte auch Damaskus, wo sich viele zu dem neuen Glauben bekehrten. GNAT 87 2 Die Priester und Obersten hatten gehofft, durch erhöhte Wachsamkeit und strenge Verfolgung die Irrlehre unterdrücken zu können. Nun meinten sie, die entschiedenen Maßnahmen, die sie in Jerusalem gegen die neue Lehre angewandt hatten, auch andernorts einsetzen zu müssen. Für diese Sonderaufgabe, die sie in Damaskus durchzuführen gedachten, bot Saulus seine Dienste an. Er »schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe«. (Apostelgeschichte 9,1.2) Ausgestattet »mit Vollmacht und im Auftrag der Hohenpriester« (Apostelgeschichte 26,12) und von fehlgeleitetem Eifer angetrieben, machte sich Saulus von Tarsus in der Kraft und Energie seines besten Mannesalters auf jene denkwürdige Reise, die seinem Leben eine völlig neue Richtung geben sollte. GNAT 87 3 Als sich die müden Wanderer am letzten Tag ihrer Reise um die Mittagszeit der Stadt Damaskus näherten, erblickten sie vor sich fruchtbares, flaches Land, schöne Gärten und ertragreiche Obstplantagen, die von kühlen Bächen der umliegenden Berge bewässert wurden. Nach einer langen Wegstrecke durch eintönige und öde Gebiete war der Anblick dieser Landschaft sehr erfrischend. Als Saulus mit seinen Begleitern auf die fruchtbare Ebene mit der schönen Stadt schaute, »umleuchtete ihn plötzlich ein Licht« (Apostelgeschichte 9,3). Es war, wie er später erklärte, »ein Licht vom Himmel, heller als der Glanz der Sonne, das mich und die mit mir reisten umleuchtete« (Apostelgeschichte 26,13), so strahlend, dass es sterbliche Augen nicht ertragen konnten. Geblendet und verwirrt fiel Saulus kraftlos zur Erde. GNAT 87 4 Noch während das Licht sie umstrahlte, hörte Saulus »eine Stimme auf Hebräisch ... sagen: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es wird dir schwer fallen, gegen den Stachel auszuschlagen. Ich antwortete: Wer bist du, Herr? Der Herr sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf, stell dich auf deine Füße!« (Apostelgeschichte 26,14-16 EÜ) GNAT 88 1 Angsterfüllt und von der Helligkeit des Lichtes fast erblindet hörten die Begleiter von Saulus zwar eine Stimme, sahen jedoch niemanden. Saulus aber verstand, was gesprochen wurde, und derjenige, der redete, offenbarte sich ihm als der Sohn Gottes. In dem herrlichen Wesen, das vor ihm stand, erkannte er den Gekreuzigten. Das Bild des Angesichts von Jesus prägte sich ein für alle Mal in das Herz des zutiefst betroffenen Juden ein, als er dort auf der Erde lag. Die Worte des Erlösers trafen Saulus mit erschreckender Macht. Eine Flut von Licht, das die Unwissenheit und den Irrtum seines bisherigen Lebens aufdeckte, strömte in die verdunkelten Kammern seines Verstandes. Er erkannte nun sein Bedürfnis, sich vom Heiligen Geist erleuchten zu lassen. Die Grosse Wende GNAT 88 2 Saulus erkannte, dass er mit der Verfolgung der Christen in Wirklichkeit Satans Werk getan hatte und sich seine Überzeugung von Recht und eigener Pflicht weitgehend auf sein blindes Vertrauen in die Priester und Obersten gegründet hatte. Als sie behaupteten, die Geschichte von der Auferstehung sei eine schlaue Erfindung der Jünger, hatte er ihnen geglaubt. Nachdem sich Jesus ihm nun aber offenbart hatte, war er überzeugt, dass die Jünger die Wahrheit gesagt hatten. GNAT 88 3 In jener Stunde himmlischer Erleuchtung arbeitete sein Verstand bemerkenswert schnell. Die prophetischen Berichte der Heiligen Schrift öffneten sich seinem Verständnis. Er erkannte, dass die Propheten die Ablehnung von Jesus durch die Juden, seine Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt vorausgesagt hatten und ihn als den verheißenen Messias auswiesen. Mit Macht wurde Saulus an die letzten Worte des Stephanus erinnert, und ihm wurde bewusst, dass der Märtyrer wirklich die »Herrlichkeit Gottes« geschaut hatte, als er sagte: »Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.« (Apostelgeschichte 7,55.56) Die Priester hatten diese Worte als Gotteslästerung bezeichnet, aber Saulus wusste jetzt, dass sie der Wahrheit entsprachen. GNAT 88 4 Welch eine Offenbarung war das für den Verfolger! Saulus war sich nun sicher: Der verheißene Messias war als Jesus von Nazareth auf die Erde gekommen und von denen gekreuzigt worden, zu deren Rettung er erschienen war. Er war sich auch gewiss, dass der Erlöser als Sieger dem Grab entstiegen und zum Himmel aufgefahren war. In diesem Augenblick göttlicher Offenbarung erinnerte sich Saulus mit Schaudern, wie er zur Steinigung des Stephanus, der einen gekreuzigten und auferstandenen Erlöser bezeugt hatte, seine eigene Zustimmung gegeben hatte. Danach fanden auch viele andere ehrenwerte Nachfolger von Jesus durch seine Mitwirkung an der grausamen Verfolgung den Tod. GNAT 89 1 Durch die klare, unanfechtbare Beweisführung des Stephanus hatte der Erlöser zu Saulus gesprochen. Der jüdische Gelehrte erinnerte sich, wie die Herrlichkeit Christi damals auf dem Angesicht des Märtyrers geleuchtet hatte, als wäre es »eines Engels Angesicht« (Apostelgeschichte 6,15). Er hatte Stephanus' Nachsicht mit seinen Feinden und seine Vergebungsbereitschaft ihnen gegenüber erlebt. Saulus hatte die Tapferkeit und die zuversichtliche Ergebung vieler erlebt, denen er Folter und Qualen zugefügt hatte. Ihm standen einige vor Augen, die ihr Leben um ihres Glaubens willen freudig hingegeben hatten. GNAT 89 2 All dies hatte einen nachhaltigen Eindruck auf Saulus gemacht und ihm zeitweise die fast überwältigende Überzeugung aufgedrängt, dass Jesus der verheißene Messias war. Nächtelang hatte er sich nach Stephanus' Tod gegen diese Erkenntnis aufgelehnt und sich eingeredet, Jesus sei nicht der Messias und bei dessen Nachfolgern handle es sich nur um irregeführte Fanatiker. GNAT 89 3 Nun aber hatte Christus selbst zu Saulus gesprochen: »Saul, Saul, was verfolgst du mich?« Und die Frage »Herr, wer bist du?« wurde von der gleichen Stimme beantwortet: »Ich bin Jesus, den du verfolgst.« (Apostelgeschichte 9,4.5) Damit identifizierte sich Christus mit seiner Gemeinde. Durch die Verfolgung der Anhänger von Jesus hatte Saulus direkt den Herrn des Himmels angegriffen. Seine falschen Anschuldigungen und Aussagen gegen sie waren in Wirklichkeit gegen den Erlöser der Welt gerichtet gewesen. GNAT 89 4 Es gab für Saulus keinen Zweifel mehr, dass Jesus von Nazareth selbst zu ihm gesprochen hatte und dass er der langersehnte Messias, der Trost und Erlöser Israels war. Zitternd und erschrocken fragte er: »Herr, was soll ich tun?« Der Herr antwortete: »Steh auf und geh nach Damaskus. Dort wird man dir alles sagen, was dir zu tun aufgetragen ist.« (Apostelgeschichte 22,10) GNAT 89 5 Als die Herrlichkeit verschwunden und Saulus vom Boden aufgestanden war, stellte er fest, dass er nicht mehr sehen konnte. Die Helligkeit der Herrlichkeit Christi war für seine sterblichen Augen zu gewaltig gewesen. Nun war dieser Glanz gewichen, und um ihn wurde es schwarze Nacht. Saulus hielt seine Blindheit für eine Strafe Gottes, weil er die Nachfolger Jesu grausam verfolgt hatte. Er tappte in schrecklicher Finsternis umher. Von Furcht und Verwunderung erfasst, nahmen ihn seine Gefährten »bei der Hand und führten ihn nach Damaskus« (Apostelgeschichte 9,8). Tage Des Gebets Und Der Erleuchtung GNAT 90 1 Noch am Morgen dieses ereignisreichen Tages hatte sich Saulus voller Selbstzufriedenheit Damaskus genähert, denn er genoss das Vertrauen des Hohenpriesters. Man hatte ihm verantwortungsvolle Aufgaben anvertraut. Er sollte die Belange der jüdischen Religion dadurch fördern, dass er die Ausbreitung des neuen Glaubens in Damaskus möglichst verhinderte. Saulus war entschlossen, diesen Auftrag mit Erfolg abzuschließen, und hatte den bevorstehenden Ereignissen mit ungeduldiger Erwartung entgegengeblickt. GNAT 90 2 Doch sein Einzug in die Stadt kam ganz anders als erwartet. Saulus war hilflos und blind, von Gewissensbissen geplagt und in Ungewissheit, welch weiterer Urteilsspruch noch über ihn verhängt werden könnte. Er suchte das Haus des Jüngers Judas auf. Dort hatte er in Abgeschiedenheit genügend Zeit und Gelegenheit für Besinnung und Gebet. GNAT 90 3 Saulus »war drei Tage nicht sehend und aß und trank nicht« (Apostelgeschichte 9,9). Diese Tage der Seelenqual kamen ihm wie Jahre vor. Schmerzlich bekümmert erinnerte er sich immer wieder an die Rolle, die er beim Märtyrertod des Stephanus gespielt hatte. Mit Entsetzen dachte er an seine Schuld, wie er sich durch die Niedertracht und das Vorurteil der Priester und Obersten hatte beherrschen lassen, selbst als dessen Gesicht schon durch den Himmelsglanz erleuchtet war. Traurig und zerknirscht warf er sich vor, wie oft er Augen und Ohren gegen die eindeutigsten Beweise verschlossen und wie unbarmherzig er darauf gedrängt hatte, diejenigen zu verfolgen, die an Jesus von Nazareth glaubten. GNAT 90 4 Saulus verbrachte diese Tage gründlicher Selbstprüfung und Demütigung seines Herzens einsam und abgeschieden. Die Christen waren im Hinblick auf den Zweck seiner Reise nach Damaskus gewarnt worden. Sie befürchteten, dass er ihnen etwas vortäuschte, um sie leichter betrügen zu können. Deshalb blieben sie zu ihm auf Distanz und nahmen keinen Anteil an seinem Kummer. Saulus hatte kein Verlangen, sich an die unbekehrten Juden zu wenden, mit denen er die Gläubigen eigentlich verfolgen wollte, denn er wusste, dass sie seinen Bericht nicht einmal anhören würden. So schien er von jeder menschlichen Anteilnahme abgeschnitten zu sein. Seine einzige Hoffnung lag in einem barmherzigen Gott, und an ihn wandte er sich mit zerschlagenem Herzen. GNAT 90 5 Während der langen Stunden, die Saulus abgeschieden mit Gott allein verbrachte, rief er sich viele Abschnitte der heiligen Schriften ins Gedächtnis, die auf das erste Kommen des Messias hinwiesen. Mit einem Gedächtnis, das durch die neu gewonnenen Einsichten geschärft war, ging er die Prophezeiungen sorgfältig durch. Als er über ihre Bedeutung nachdachte, war er verwundert über seine eigene frühere geistliche Blindheit und über die Blindheit der Juden im Allgemeinen, die zur Abweisung von Jesus als des verheißenen Messias geführt hatte. Nun aber erschien seinem erleuchteten Blick alles klar. Saulus erkannte, dass sein früheres Vorurteil und sein Unglaube ihm das geistliche Wahrnehmungsvermögen getrübt und ihn daran gehindert hatten, Jesus von Nazareth als den prophetisch angekündigten Messias zu erkennen. GNAT 91 1 Als sich Saulus völlig der überführenden Macht des Heiligen Geistes unterwarf, sah er die Irrtümer seines Lebens ein und erkannte, wie weit die Forderungen des Gesetzes Gottes reichen. Der stolze Pharisäer, der überzeugt gewesen war, durch seine guten Werke gerechtfertigt zu sein, beugte sich nun in der Demut und Einfachheit eines kleinen Kindes vor Gott, bekannte seine Unwürdigkeit und berief sich auf die Verdienste des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers. Saulus sehnte sich danach, mit dem Vater und dem Sohn in eine völlige Harmonie und Gemeinschaft einzutreten. Mit dem herzlichen Wunsch nach Vergebung und Annahme sandte er flehentliche Bitten zum Thron der Gnade. GNAT 91 2 Die Gebete des reumütigen Pharisäers waren nicht vergeblich. Seine innersten Gedanken und Gefühle wurden durch die Gnade Gottes verwandelt und seine edleren Fähigkeiten mit den ewigen Absichten Gottes in Übereinstimmung gebracht. Christus und seine Gerechtigkeit galten ihm hinfort mehr als die ganze Welt. GNAT 91 3 Die Bekehrung des Saulus ist ein beeindruckender Beweis für die wunderwirkende Macht des Heiligen Geistes, Menschen zur Erkenntnis ihrer eigenen Sünden zu führen. Saulus hatte tatsächlich geglaubt, Jesus von Nazareth habe das Gesetz Gottes missachtet und seine Jünger dessen Nutzlosigkeit gelehrt. Nach seiner Bekehrung erkannte er aber in Jesus denjenigen, der mit dem ausdrücklichen Ziel in die Welt gekommen war, das Gesetz seines Vaters zu bestätigen. Saulus war überzeugt, dass Jesus als Sohn Gottes selbst der Urheber des jüdischen Opferwesens war. Er erkannte, dass bei der Kreuzigung die vorausschattenden Symbole des Opferdienstes Wirklichkeit geworden waren und sich in Jesus die alttestamentlichen Weissagungen über den Erlöser Israels erfüllt hatten. GNAT 91 4 Der Bericht über die Bekehrung des Saulus vermittelt uns wichtige Grundsätze, die wir im Gedächtnis behalten sollten. Saulus wurde in die unmittelbare Gegenwart von Christus gebracht. Der hatte ihn für eine überaus wichtige Aufgabe vorgesehen. Er sollte ein »auserwähltes Werkzeug« werden (Apostelgeschichte 9,15). Trotzdem offenbarte ihm der Herr nicht unmittelbar, welche Aufgabe ihm übertragen worden war. Er stellte sich ihm in den Weg und überzeugte ihn von seinen Sünden. Als aber Saulus fragte: »Herr, was soll ich tun?« (Apostelgeschichte 22,10), brachte der Erlöser den suchenden Juden mit seiner Gemeinde in Verbindung. Dort sollte er erfahren, was Gott von ihm erwartete. Das wunderbare Licht, das die Finsternis in Saulus erhellte, war das Werk des Herrn. Es blieb aber noch eine Aufgabe, die die Jünger für Saulus vollbringen mussten. Christus hatte Offenbarung und Sündenerkenntnis bewirkt; nun war der Reumütige bereit, etwas von denen zu lernen, die Gott auserwählt hatte, seine Wahrheit zu lehren. Hananias Geht Zu Saulus GNAT 92 1 Während Saulus im Hause des Judas zurückgezogen betete und demütig zu Gott flehte, erschien der Herr einem »Jünger in Damaskus mit Namen Hananias« in einer Vision und eröffnete ihm, dass Saulus von Tarsus bete und Hilfe benötige. »Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und die Hand auf ihn legte, damit er wieder sehend werde.« (Apostelgeschichte 9,10-12) GNAT 92 2 Hananias konnte den Worten des Engels kaum glauben, denn die Berichte über die erbarmungslosen Verfolgungen der Christen in Jerusalem durch Saulus hatten sich weit ausgebreitet. Darum wagte er den Einwand: »Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangen zu nehmen, die deinen Namen anrufen.« Aber Gottes Befehl stand fest: »Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel.« (Apostelgeschichte 9,13-15) GNAT 92 3 Hananias gehorchte der Anweisung des Engels und suchte den Mann auf, der noch vor kurzem Drohungen gegen alle ausgestoßen hatte, die an Jesus glaubten. Er legte seine Hände auf den Kopf des reuigen Blinden und sagte: »Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf und ließ sich taufen.« (Apostelgeschichte 9,17.18) Die Bedeutung Der Gemeinde GNAT 92 4 So hieß Jesus die Vollmacht seiner organisierten Gemeinde ausdrücklich gut und brachte Saulus in Verbindung mit seinen berufenen Werkzeugen. Christus hatte nun eine Gemeinde als seine Repräsentantin auf Erden, und ihr kam die Aufgabe zu, den reumütigen Sünder auf den Weg des Lebens zu leiten. GNAT 93 1 Viele meinen, für ihre geistliche Erkenntnis und ihre Erfahrungen seien sie nur gegenüber Christus verantwortlich, unabhängig von dessen anerkannten Nachfolgern auf Erden. Jesus ist der Freund der Sünder, und sein Herz wird von ihrem Leid berührt. Er hat alle Macht im Himmel und auf Erden. Er beschränkt sich aber auf die Mittel und Wege, die er für die Erleuchtung und Rettung von Menschen bestimmt hat. Sünder verweist er an die Gemeinde, die er zu einer Vermittlerin des Lichts für die Welt gemacht hat. GNAT 93 2 Als Saulus mitten in seinem blinden Eifer und Vorurteil eine Offenbarung Christi erhielt, den er verfolgte, wurde er unmittelbar an die Gemeinde, das Licht der Welt, verwiesen. In diesem Falle repräsentierte Hananias Christus und ebenso die Diener Christi auf Erden, die beauftragt sind, an seiner Stelle zu handeln. Anstelle von Christus berührte Hananias die Augen von Saulus, damit der seine Sehkraft zurückerhielt. Anstelle von Christus legte er ihm die Hände auf, und als er im Namen Christi für ihn betete, empfing Saulus den Heiligen Geist. All dies geschah im Namen und in der Vollmacht Christi. Christus ist die Quelle, und die Gemeinde ist sein Kanal, durch den er mit der Welt kommuniziert. ------------------------Kapitel 13 -- Tage Der Vorbereitung GNAT 94 0 Apostelgeschichte 9,19-31 und 22,12-21. GNAT 94 1 Nach seiner Taufe nahm Paulus wieder »Speise zu sich« und blieb »einige Tage bei den Jüngern in Damaskus. Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei« (Apostelgeschichte 9,19.20). Freimütig erklärte er, dass Jesus von Nazareth der langersehnte Messias sei, der »gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage.« Danach wurde er von den zwölf Jüngern und von anderen gesehen. Und Paulus fügte hinzu: »Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.« (1. Korinther 15,3.4.8) Seine Beweisführungen aufgrund der Prophezeiungen waren so schlüssig und seine Bemühungen so offenkundig von Gottes Macht begleitet, dass die Juden fassungslos und nicht imstande waren, ihm zu antworten. GNAT 94 2 Die Nachricht von der Bekehrung des Paulus war für die Juden eine große Überraschung. Der Mann, der »mit Vollmacht und im Auftrag der Hohenpriester« nach Damaskus gereist war (Apostelgeschichte 26,12), um die Gläubigen festzunehmen und zu verfolgen, verkündigte nun das Evangelium von einem gekreuzigten und auferstandenen Erlöser und ermutigte diejenigen, die schon Anhänger von Jesus waren. Ständig brachte er neue Menschen zu dem Glauben, den er einst so vehement bekämpft hatte. GNAT 94 3 Paulus hatte als eifriger Verteidiger der jüdischen Religion und als unermüdlicher Verfolger der Anhänger von Jesus gegolten. Sein Mut, seine Ausdauer, seine Unabhängigkeit, seine Gaben und seine Ausbildung hätten es ihm erlaubt, fast jede denkbare Funktion auszuüben. Er war äußerst scharfsinnig, und sein vernichtender Sarkasmus konnte einen Gegner in eine wenig beneidenswerte Lage versetzen. Und nun mussten die Juden zusehen, wie dieser vielversprechende junge Mann zu denen gehörte, die er zuvor verfolgt hatte, und wie er furchtlos im Namen von Jesus predigte. GNAT 95 1 Ein auf dem Schlachtfeld gefallener General ist für seine Armee verloren, aber sein Tod verleiht dem Feind keine zusätzliche Stärke. Wenn sich jedoch eine führende Persönlichkeit den Reihen des Gegners anschließt, gehen seinen früheren Mitstreitern nicht nur seine Dienste verloren, sondern es bedeutet auch eine wesentliche Stärkung des Gegners. Der Herr hätte Saulus von Tarsus auf dessen Weg nach Damaskus mit Leichtigkeit töten können, und die Verfolgung hätte viel an Stärke verloren. In seiner Vorsehung verschonte Gott aber nicht nur das Leben von Saulus, sondern er brachte ihn zur Umkehr und führte dadurch einen Vorkämpfer des Feindes auf die Seite Christi. Paulus, der wortgewandte Redner und strenge Kritiker, der stets unerschrocken und mutig seine Ziele verfolgte, besaß genau jene Fähigkeiten, welche die frühe Gemeinde benötigte. GNAT 95 2 Als Paulus in Damaskus predigte, waren alle, die davon hörten, fassungslos und sagten: »Ist das nicht der, der alle, die diesen Namen anrufen, in Jerusalem ausrotten wollte? Und ist er nicht zu diesem Zweck hierher gekommen, um sie auch hier gefangen zu nehmen und vor die Hohenpriester zu führen?« (Apostelgeschichte 9,21 ZÜ) Paulus erklärte, sein Glaubenswechsel sei nicht impulsiv oder durch irgendwelche Schwärmereien zustande gekommen, sondern die Folge überwältigender Beweise gewesen. In seiner Darstellung des Evangeliums bemühte er sich, die Prophezeiungen, die auf das erste Kommen Christi hinwiesen, deutlich herauszustellen. Er wies überzeugend nach, dass sich diese Weissagungen buchstäblich in Jesus von Nazareth erfüllt hatten. Die Grundlage seines Glaubens war das feste prophetische Wort. GNAT 95 3 Anschließend rief Paulus seine erstaunten Hörer dazu auf, »umzukehren, sich Gott zuzuwenden und durch ihre Lebensführung zu zeigen, dass es ihnen mit der Umkehr ernst« sei (Apostelgeschichte 26,20). So gewann er »immer mehr an Kraft und trieb die Juden in die Enge, die in Damaskus wohnten, und bewies, dass Jesus der Christus ist« (Apostelgeschichte 9,22). Aber viele wollten seinen Worten nicht glauben und weigerten sich, seine Botschaft anzunehmen. Ihr Erstaunen über seine Bekehrung schlug bald in bitteren Hass um, der dem nicht nachstand, den sie schon Jesus entgegengebracht hatten. Ihr Widerstand wurde so heftig, dass es Paulus nicht möglich war, seine Arbeit in Damaskus fortzusetzen. Ein Engel forderte ihn auf, die Stadt vorübergehend zu verlassen. Daraufhin zog er »nach Arabien« (Galater 1,17) , wo er eine sichere Zuflucht fand. In Der Wüste GNAT 95 4 Hier, in der Abgeschiedenheit der Wüste, fand Paulus reichlich Gelegenheit zu ungestörtem Forschen und Nachdenken. Er dachte in aller Ruhe über seine Erfahrungen nach und bereute aufrichtig. Er suchte Gott von ganzem Herzen und ruhte erst, als er sicher wusste, dass seine Reue angenommen und seine Sünden vergeben waren. Paulus sehnte sich nach der Gewissheit, dass Jesus ihm in seinem künftigen Dienst zur Seite stehen werde. Von allen Vorurteilen und Überlieferungen, die bisher sein Leben geprägt hatten, machte er sich frei. Er empfing Weisungen von der Quelle der Wahrheit. Jesus pflegte Gemeinschaft mit ihm, festigte seinen Glauben und schenkte ihm in reichem Maß Weisheit und Gnade. GNAT 96 1 Wenn sich der Verstand eines Menschen mit dem göttlichen verbindet - das Endliche mit dem Unendlichen - übt das eine Wirkung auf Leib, Seele und Geist aus, die sich nicht abschätzen lässt. In einer solchen Verbundenheit findet der Mensch die höchste Bildung. Das ist Gottes Weg zur Entwicklung. »Mache dich doch mit Ihm vertraut!« (vgl. Hiob 22,21) lautet seine Botschaft an die Menschheit. GNAT 96 2 Der feierliche Auftrag, den Paulus während seines Gesprächs mit Hananias erhalten hatte, lastete mehr und mehr auf seinem Herzen. Als Paulus nach den Worten »Saul, lieber Bruder, sei sehend!« zum ersten Mal in das Angesicht von Hananias geschaut hatte, sprach dieser fromme Mann - vom Heiligen Geist geleitet - zu ihm: »Der Gott unserer Väter hat dich erwählt, dass du seinen Willen erkennen sollst und den Gerechten sehen und die Stimme aus seinem Munde hören; denn du wirst für ihn vor allen Menschen Zeuge sein von dem, was du gesehen und gehört hast. Und nun, was zögerst du? Steh auf und rufe seinen Namen an und lass dich taufen und deine Sünden abwaschen!« (Apostelgeschichte 22,13-16) GNAT 96 3 Diese Worte standen im Einklang mit den Worten von Jesus, als er Saulus auf dessen Weg nach Damaskus aufgehalten und erklärt hatte: »Dazu bin ich dir erschienen, um dich zu erwählen zum Diener und zum Zeugen für das, was du von mir gesehen hast und was ich dir noch zeigen will. Und ich will dich erretten von deinem Volk und von den Heiden, zu denen ich dich sende, um ihnen die Augen aufzutun, dass sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott. So werden sie Vergebung der Sünden empfangen und das Erbteil samt denen, die geheiligt sind durch den Glauben an mich.« (Apostelgeschichte 26,16-18) GNAT 96 4 Je mehr Paulus über das Gehörte nachdachte, desto klarer wurde ihm die Bedeutung seiner Berufung »ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes« zu sein (1. Korinther 1,1). Seinen Auftrag hatte er »nicht von Menschen« erhalten und auch nicht »durch menschliche Vermittlung, sondern von Jesus Christus und von Gott, dem Vater« (Galater 1,1 GNB). Die Größe der Aufgabe, die vor ihm lag, veranlasste ihn, intensiv in der Heiligen Schrift zu forschen, um das Evangelium predigen zu können »nicht mit klugen Worten, damit nicht das Kreuz Christi zunichte werde« (1. Korinther 1,17), »sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft« (1. Korinther 2,4.5). GNAT 97 1 Als Paulus die Schrift durchforschte, erkannte er, dass seit jeher »in den Augen der Welt nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme« berufen worden waren. Im Gegenteil: Das Törichte dieser Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zu beschämen, und das Schwache dieser Welt hat Gott erwählt, um das Starke zu beschämen, und das Geringe dieser Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts gilt, um zunichte zu machen, was etwas gilt, damit kein Mensch sich rühme vor Gott« (1. Korinther 1,2629 ZÜ). Und indem er so die Weisheit der Welt im Licht des Kreuzes betrachtete, beschloss er, nichts anderes wissen zu wollen »als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten« (1. Korinther 2,2). GNAT 97 2 Während seines gesamten Dienstes verlor Paulus die Quelle seiner Weisheit und Stärke niemals aus den Augen. Auch noch nach vielen Jahren erklärte er: »Christus ist mein Leben.« (Philipper 1,21) Und weiter: »Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden ... damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden.« (Philipper 3,8-10) Auf Der Flucht GNAT 97 3 Von Arabien kehrte Paulus wieder zurück nach Damaskus (vgl. Galater 1.17) »und predigte im Namen des Herrn frei und offen« (Apostelgeschichte 9,28). Die Juden waren nicht in der Lage, seine vernünftigen Argumente zu widerlegen, »und beschlossen, ihn zu töten« (Apostelgeschichte 9,23). Die Stadttore wurden Tag und Nacht sorgfältig bewacht, um ihm jede Fluchtmöglichkeit zu nehmen. In dieser Notlage suchten die Jünger ernstlich die Nähe Gottes, und schließlich nahmen sie Paulus »bei Nacht und ließen ihn in einem Korb die Mauer hinab« (Apostelgeschichte 9,25). GNAT 97 4 Nach seiner Flucht aus Damaskus zog Paulus nach Jerusalem. Seit seiner Bekehrung waren etwa drei Jahre vergangen. Wie er später erklärte, bestand der Hauptzweck dieses Besuchs darin, »Petrus kennen zu lernen« (Galater 1.18) . Als er in der Stadt ankam, in der er einst als Christenverfolger bekannt gewesen war, »versuchte er, sich zu den Jüngern zu halten; doch sie fürchteten sich alle vor ihm und glaubten nicht, dass er ein Jünger wäre« (Apostelgeschichte 9,26). Sie konnten nur schwer glauben, dass ein so fanatischer Pharisäer, der so viel getan hatte, um die Gemeinde zu zerstören, ein aufrichtiger Jünger Jesu werden könnte. »Barnabas aber nahm ihn zu sich und führte ihn zu den Aposteln und erzählte ihnen, wie Saulus auf dem Wege den Herrn gesehen und dass der mit ihm geredet und wie er in Damaskus im Namen Jesu frei und offen gepredigt hätte.« (Apostelgeschichte 9,27) GNAT 98 1 Als die Jünger dies hörten, nahmen sie ihn als einen der Ihren auf. Bald hatten sie genügend Beweise, dass seine Erfahrungen echt waren. Der zukünftige Heidenapostel weilte nun in der Stadt, in der viele seiner früheren Kollegen lebten. Er wünschte dringend, den jüdischen Obersten die Prophezeiungen zu erklären, die auf den Messias hinwiesen und die sich mit dem Kommen des Erlösers erfüllt hatten. Paulus war davon überzeugt, dass die Lehrer Israels, mit denen er früher so gut befreundet gewesen war, genauso aufrichtig und ehrlich waren wie er. Aber er schätzte die Gesinnung seiner jüdischen Brüder völlig falsch ein und seine Hoffnung auf ihre baldige Bekehrung wurde bitter enttäuscht. Zwar predigte er »im Namen des Herrn frei und offen ... und stritt auch mit den griechischen Juden«. Die Leiter der jüdischen Gemeinde aber weigerten sich nicht nur zu glauben, sie »stellten ihm [sogar] nach, um ihn zu töten« (Apostelgeschichte 9,28.29). Das machte ihn traurig. Wie gern hätte er sein Leben hingegeben, wenn er dadurch wenigstens einige von ihnen zur Erkenntnis der Wahrheit hätte führen können! Beschämt dachte er an seine maßgebliche Beteiligung am Märtyrertod des Stephanus und wollte nun unbedingt den Makel auslöschen, der auf dem zu Unrecht Angeklagten ruhte. Die Wahrheit, für die Stephanus sein Leben gelassen hatte, musste gerechtfertigt werden. GNAT 98 2 Niedergedrückt vor Gram über diejenigen, die nicht glauben wollten, betete Paulus im Tempel - wie er später erzählte -, als er plötzlich in einen Traumzustand versetzt wurde. Es erschien ihm ein himmlischer Bote, der sagte: »Eile und mach dich schnell auf aus Jerusalem; denn dein Zeugnis von mir werden sie nicht annehmen.« (Apostelgeschichte 22,18) GNAT 98 3 Paulus wollte eigentlich in Jerusalem bleiben, wo er sich seinen Gegnern hätte stellen können. Zu fliehen erschien ihm als Akt der Feigheit, wenn er durch sein Bleiben vielleicht einige der starrköpfigen Juden von der Wahrheit des Evangeliums überzeugen könnte, auch wenn es ihn das Leben kosten sollte. Deshalb antwortete er: »Herr, sie wissen doch, dass ich die, die an dich glaubten, gefangen nahm und in den Synagogen geißeln ließ. Und als das Blut des Stephanus, deines Zeugen, vergossen wurde, stand ich auch dabei und hatte Gefallen daran und bewachte denen die Kleider, die ihn töteten.« (Apostelgeschichte 22,19.20) Es war aber nicht Gottes Wille, dass sein Diener unnötigerweise sein Leben in Gefahr brachte. Deshalb erwiderte der himmlische Bote: »Geh hin; denn ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.« (Apostelgeschichte 22,21) GNAT 99 1 Als seine Glaubensbrüder von dieser Vision erfuhren, suchten sie eifrig nach einer Gelegenheit, um Paulus eine heimliche Flucht aus Jerusalem zu ermöglichen, denn sie befürchteten einen Mordanschlag auf ihn. Sie »geleiteten ... ihn nach Cäsarea und schickten ihn weiter nach Tarsus« (Apostelgeschichte 9,30). Durch die Abreise von Paulus ließ der heftige Widerstand der Juden nach. Die Gemeinde erlebte eine Zeit der Ruhe, in der die Zahl der Gläubigen erneut stark zunahm. ------------------------Kapitel 14 -- Ein Hauptmann Sucht Gott GNAT 100 0 Apostelgeschichte 9,32 bis 11,18. GNAT 100 1 Während seines Verkündigungsdienstes besuchte der Apostel Petrus auch die Gläubigen in Lydda. Dort heilte er Äneas, den die Gicht seit acht Jahren ans Bett gefesselt hatte. Petrus sprach zu ihm: »Äneas, Jesus Christus macht dich gesund; steh auf und mach dir selber das Bett. Und sogleich stand er auf. Da sahen ihn alle, die in Lydda und in Scharon wohnten, und bekehrten sich zu dem Herrn.« (Apostelgeschichte 9,34.35) Die Auferweckung Von Tabita GNAT 100 2 In Joppe - nahe bei Lydda gelegen - wohnte eine Frau namens Tabita, die wegen ihrer guten Taten sehr beliebt war. Sie war eine würdige Nachfolgerin von Jesus; ihr Leben war von Nächstenliebe geprägt. Sie wusste, wer dringend bequeme Kleidung und wer Trost benötigte. Bereitwillig betreute sie die Armen und Betrübten. Dabei waren ihre geschickten Hände reger als ihre Zunge. GNAT 100 3 »Es begab sich aber zu der Zeit, dass sie krank wurde und starb.« Die Gemeinde in Joppe war sich ihres Verlustes bewusst, und als sie hörte, dass Petrus in Lydda war, sandte sie »zwei Männer zu ihm und baten ihn: Säume nicht, zu uns zu kommen! Petrus aber stand auf und ging mit ihnen. Und als er hingekommen war, führten sie ihn hinauf in das Obergemach, und es traten alle Witwen zu ihm, weinten und zeigten ihm die Röcke und Kleider, die Tabita gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war« (Apostelgeschichte 9,3739). Angesichts dieser Hilfsbereitschaft war es nicht verwunderlich, dass sie um sie trauerten und bittere Tränen auf den leblosen Körper fielen. GNAT 100 4 Der Apostel bekam Mitleid, als er ihren Kummer sah. Er veranlasste die weinenden Freunde, den Raum zu verlassen, kniete nieder und betete innig zu Gott, er möge Tabita Leben und Gesundheit zurückschenken. Dann wandte er sich zu der Toten und sagte: »Tabita, steh auf! Und sie schlug ihre Augen auf; und als sie Petrus sah, setzte sie sich auf.« (Apostelgeschichte 9,40) Tabita hatte viel für die Gemeinde getan, und Gott erachtete es für gut, sie von den Toten aufzuerwecken. Ihr Geschick und ihre Energie sollten weiterhin zum Segen für andere bereit stehen. Durch die Offenbarung dieser göttlichen Macht sollte auch die Sache Christi weiter gestärkt werden. Eine Botschaft Vom Himmel GNAT 101 1 Noch während Petrus sich in Joppe aufhielt, wurde er von Gott berufen, das Evangelium Kornelius in Cäsarea zu bringen. Kornelius war ein wohlhabender römischer Hauptmann von vornehmer Herkunft in einer ehrenvollen Vertrauensstellung. Nach Geburt, Erziehung und Werdegang war er Heide, aber durch seinen Kontakt mit den Juden hatte er eine Gotteserkenntnis erworben und betete nun Gott aufrichtigen Herzens an. Die Echtheit seines Glaubens bezeugte er durch sein Mitgefühl für die Armen. Seine Wohltätigkeit war weit und breit bekannt, und durch seinen rechtschaffenen Lebenswandel erwarb er sich großes Ansehen bei Juden und Heiden. Wer mit ihm Verbindung bekam, spürte seinen segensreichen Einfluss. Der inspirierte Bericht sagt über ihn: »Der war fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Haus und gab dem Volk viele Almosen und betete immer zu Gott.« (Apostelgeschichte 10,2) GNAT 101 2 Da Kornelius an Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde glaubte, verehrte er ihn auch. Er anerkannte dessen Autorität und suchte dessen Rat in allen Lebensfragen. Sowohl in seinem Familienleben als auch in der Ausübung seiner Amtspflichten war er dem wahren Gott treu. Sein Haus war auch ein Ort der Anbetung, denn Kornelius wagte es nicht, ohne die Hilfe Gottes seine Pläne auszuführen oder seine Verantwortungen zu tragen. GNAT 101 3 Obwohl er den Prophezeiungen glaubte und auf das Kommen des Messias wartete, wusste Kornelius noch nichts von dem Evangelium, das sich im Leben und Sterben Christi offenbart hatte. Er war kein Mitglied der jüdischen Gemeinde und hätte bei den Rabbinern als unreiner Heide gegolten. Doch derselbe heilige Wächter, der von Abraham sagte: »Ich habe ihn auserkoren« (1. Mose 18,19 ZÜ), hatte auch Kornelius erwählt und sandte ihm eine Botschaft direkt vom Himmel. GNAT 101 4 Während der Hauptmann betete, erschien ihm der Engel des Herrn. Als Kornelius hörte, dass er mit seinem Namen angesprochen wurde, fürchtete er sich. Er wusste aber, dass der Bote von Gott gekommen war, deshalb fragte er: »Herr, was ist?« Der Engel antwortete: »Deine Gebete und deine Almosen sind vor Gott gekommen, und er hat ihrer gedacht. Und nun sende Männer nach Joppe und lass holen Simon mit dem Beinamen Petrus. Der ist zu Gast bei einem Gerber Simon, dessen Haus am Meer liegt.« (Apostelgeschichte 10,4-6) GNAT 102 1 Die Deutlichkeit dieser Anweisungen, die sogar Einzelheiten enthielten wie den Beruf des Mannes, bei dem sich Petrus gerade aufhielt, zeigt, wie genau der Himmel den Lebensweg und den Wirkungsbereich von Menschen jeden Standes kennt. Gott ist mit der Tätigkeit und der Erfahrung eines einfachen Arbeiters ebenso vertraut wie mit denen eines Königs auf seinem Thron. GNAT 102 2 »Sende Männer nach Joppe und lass holen Simon mit dem Beinamen Petrus.« Damit bekundete Gott, wie hoch er den Evangeliumsdienst und seine organisierte Gemeinde einschätzt. Nicht der Engel bekam den Auftrag, Kornelius die Geschichte vom Kreuz zu erzählen. Ein Mann mit menschlichen Schwächen, der genauso Versuchungen ausgesetzt war wie Kornelius, sollte ihm den gekreuzigten und auferstandenen Erlöser bezeugen. GNAT 102 3 Gott wählt zu seinen Repräsentanten unter den Menschen nicht Engel, die nie gefallen sind, sondern menschliche Wesen mit ähnlichen sündigen Neigungen wie jene Personen, die sie zu retten suchen. Christus wurde Mensch, um Menschen erreichen zu können. Die Welt benötigte zu ihrer Errettung einen göttlich-menschlichen Erlöser. Genauso haben Männer und Frauen den heiligen Auftrag erhalten, »den unausforschlichen Reichtum Christi« zu verkündigen. (Epheser 3,8) GNAT 102 4 In seiner Weisheit bringt der Herr Suchende mit Menschen in Verbindung, welche die Wahrheit kennen. Wer Licht empfangen hat, soll es nach dem himmlischen Ratschluss denen weitergeben, die in der Finsternis sind. Menschen, die sich von Christus, der großen Quelle der Weisheit, befähigen lassen, werden zu Werkzeugen und Mittlern, durch die das Evangelium seine umwandelnde Kraft auf Herzen und Sinne ausübt. GNAT 102 5 Kornelius gehorchte gerne der himmlischen Erscheinung. »Als der Engel ... hinweggegangen war, rief Kornelius zwei seiner Knechte und einen frommen Soldaten von denen, die ihm dienten, und erzählte ihnen alles und sandte sie nach Joppe.« (Apostelgeschichte 10,7.8) Von Gott Für Rein Erklärt GNAT 102 6 Nach der Unterredung mit dem Hauptmann begab sich der Engel zu Petrus nach Joppe. Zu dieser Zeit betete der Apostel auf dem Dach des Hauses, in dem er logierte. »Da bekam er Hunger und wollte essen. Während das Essen zubereitet wurde, hatte er eine Vision.« (Apostelgeschichte 10,10 GNB) Es hungerte Petrus nicht nur nach leiblicher Speise. Als er vom Dach des Hauses auf die Stadt Joppe und ihre Umgebung blickte, überkam ihn ein Verlangen nach Erlösung seiner Landsleute. Er wünschte sehnlichst, sie auf die Prophezeiungen der Schrift aufmerksam zu machen, die auf das Leiden und Sterben Christi hinwiesen. GNAT 103 1 In einer Vision sah Petrus »den Himmel geöffnet und es kam daraus etwas auf die Erde herab, das sah aus wie ein großes Tuch, das an vier Ecken gehalten wird. Darin befanden sich alle Arten von vierfüßigen Tieren, Kriechtieren und Vögeln. Eine Stimme rief: ›Auf, Petrus, schlachte und iss!‹ Aber Petrus antwortete: ›Auf keinen Fall, Herr! Noch nie habe ich etwas Verbotenes oder Unreines gegessen.‹ Doch die Stimme forderte ihn ein zweites Mal auf und sagte: ›Was Gott für rein erklärt hat, das erkläre du nicht für unrein!‹ Und noch ein drittes Mal erging an Petrus dieselbe Aufforderung. Gleich danach wurde das Tuch samt Inhalt wieder in den Himmel hinaufgehoben.« (Apostelgeschichte 10, 11-16 GNB) GNAT 103 2 Diese Vision enthielt einen Tadel und zugleich eine Belehrung. Sie offenbarte Petrus die Absicht Gottes, durch den Tod von Christus Heiden wie Juden zu Miterben der Segnungen der Erlösung zu machen. Bisher hatte keiner der Jünger den Heiden das Evangelium verkündigt. In ihrer Vorstellung bestand immer noch die Trennwand, die doch durch den Tod Christi niedergerissen worden war. Die Jünger hatten ihren Wirkungsbereich auf die Juden beschränkt, denn sie betrachteten die Heiden als Menschen, die von den Segnungen des Evangeliums ausgeschlossen sind. Nun versuchte der Herr Petrus das weltweite Ausmaß des göttlichen Plans zu zeigen. GNAT 103 3 Unter den Nichtjuden gab es viele, die den Predigten des Petrus und der anderen Apostel schon früher interessiert zugehört hatten, und viele der griechischen Juden hatten den Glauben an Christus angenommen. Die Bekehrung des Kornelius aber sollte unter den Heiden die erste von besonderer Bedeutung werden. Petrus Im Haus Eines Heiden GNAT 103 4 Die Zeit war gekommen, dass die Gemeinde Christi in eine völlig neue Phase ihres Wirkens eintreten sollte. Viele bekehrte Juden hatten die Tür zur Rettung für die Heiden verschlossen. Diese wurde nun weit geöffnet. Die Heiden, die das Evangelium annahmen, sollten gleichwertig neben den Jüngern aus den Juden stehen, ohne dass sie sich dem Ritual der Beschneidung unterziehen mussten. GNAT 103 5 Wie sorgfältig ging der Herr bei Petrus doch vor, um die Voreingenommenheit gegenüber den Heiden zu überwinden, die sich in ihm infolge seiner jüdischen Erziehung festgesetzt hatte! Durch die Vision von dem Tuch und seinem Inhalt wollte der Herr den Apostel von diesem Vorurteil befreien und ihm eindringlich zeigen, dass es im Himmel kein Ansehen der Person gibt. Juden und Heiden sind in Gottes Augen gleich kostbar. Durch Christus können auch die Heiden zu Teilhabern an den Segnungen und Vorrechten des Evangeliums werden. GNAT 104 1 Während Petrus über die Bedeutung der Vision nachdachte, kamen die Männer des Kornelius in Joppe an und blieben vor der Tür des Hauses stehen, wo Petrus beherbergt war. Da sprach der Geist zu ihm: »Siehe, drei Männer suchen dich; so steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt.« (Apostelgeschichte 10,19.20) GNAT 104 2 Für Petrus war dies ein schwieriger Auftrag, und er zögerte bei jedem Schritt, die ihm auferlegte Pflicht auszuführen; aber er wagte es nicht, den Gehorsam zu verweigern. Er stieg »hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin's, den ihr sucht; warum seid ihr hier?« Sie erklärten ihren ungewöhnlichen Auftrag mit den Worten: »Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast.« (Apostelgeschichte 10,21.22) GNAT 104 3 Petrus gehorchte der Anweisung, die er gerade von Gott empfangen hatte, und versprach, mit ihnen zu gehen. Am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg nach Cäsarea, und sechs seiner Glaubensbrüder begleiteten ihn. Diese sollten all das bezeugen, was er während seines Besuchs bei den Heiden tun oder sagen würde, denn Petrus wusste, dass er für eine so offenkundige Übertretung der jüdischen Ordnungen zur Rechenschaft gezogen würde. GNAT 104 4 Als Petrus das Haus des Heiden betrat, begrüßte ihn Kornelius nicht wie einen gewöhnlichen Besucher, sondern wie einen, der vom Himmel geehrt und von Gott zu ihm gesandt wurde. Im Orient ist es Sitte, sich vor einem Fürsten oder einem anderen hohen Würdenträger zu verbeugen; auch Kinder verbeugen sich vor ihren Eltern. Kornelius war aber vor dem, der von Gott zu ihm gesandt worden war, um ihn zu belehren, so von Ehrfurcht ergriffen, dass er vor dem Apostel niederfiel und ihn anbetete. Darüber war Petrus entsetzt. Er richtete den Hauptmann auf »und sprach: Steh auf, ich bin auch nur ein Mensch« (Apostelgeschichte 10,26). GNAT 104 5 Während die Boten des Kornelius unterwegs waren, hatte der Hauptmann »seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen« (Apostelgeschichte 10,24), damit auch sie genauso wie er das hören konnten, was Petrus zu sagen hatte. Als der eintraf, erwartete ihn eine große Anzahl Besucher, die gespannt seine Worte vernehmen wollten. GNAT 105 1 Zuerst sprach Petrus zu den Versammelten über die jüdische Tradition, nach der es als gesetzeswidrig angesehen wurde, wenn Juden mit Heiden gesellschaftlichen Umgang pflegten, weil sie sich dadurch zeremoniell verunreinigten. »Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll. Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen.« (Apostelgeschichte 10,28.29) GNAT 105 2 Danach berichtete Kornelius von seinem Erlebnis, wiederholte die Worte des Engels und sagte zum Schluss: »Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist.« (Apostelgeschichte 10,33) »Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.« (Apostelgeschichte 10,34.35) Das Evangelium Gilt Auch Für Prominente GNAT 105 3 Dann verkündete der Apostel dieser aufmerksamen Zuhörerschaft Christus. Er sprach über das Leben und die Wunder von Jesus, über den Verrat an ihm, seine Kreuzigung, seine Auferstehung und Himmelfahrt und seinen Dienst im Himmel als Vertreter und Fürsprecher der Menschen. Als Petrus die Versammelten auf Christus als einzige Hoffnung für den Sünder hinwies, verstand auch er selbst die Bedeutung seiner Vision noch umfassender. Die Begeisterung für die Wahrheit, die er darlegte, ließ sein eigenes Herz brennen. GNAT 105 4 Plötzlich wurde die Predigt durch den Heiligen Geist unterbrochen, der auf die Versammelten herabkam. »Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten. Und die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, entsetzten sich, weil auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde; denn sie hörten, dass sie in Zungen redeten und Gott hoch priesen. Da antwortete Petrus: Kann auch jemand denen das Wasser zur Taufe verwehren, die den Heiligen Geist empfangen haben ebenso wie wir? Und er befahl, sie zu taufen in dem Namen Jesu Christi.« (Apostelgeschichte 10,44-48) GNAT 105 5 So wurde das Evangelium denen gebracht, die einst »Gäste und Fremdlinge« waren, und machte sie zu »Mitbürgern der Heiligen und Gottes Hausgenossen« (Epheser 2,19). Die Bekehrung des Kornelius und seiner Familie war lediglich die Erstlingsfrucht einer Ernte, die noch eingebracht werden sollte. Von diesem Haus aus nahm in jener heidnischen Stadt ein weitreichendes, gnädiges Werk seinen Anfang. GNAT 106 1 Gott hält auch heute Ausschau nach Menschen unter den Hohen und unter den Niedrigen. Es gibt viele Menschen wie Kornelius, die der Herr mit seinem Werk auf dieser Welt in Verbindung bringen möchte. Sie fühlen sich zu Gottes Volk hingezogen. Doch ihre Beziehungen, die sie an die Welt binden, halten sie zurück. Sie benötigen Zivilcourage, um für Christus Stellung zu beziehen. Um solche Menschen, die durch ihre Verantwortlichkeiten und Beziehungen in großer Gefahr stehen, sollte besonders gerungen werden. GNAT 106 2 Gott ruft nach ernsthaften, demütigen Mitarbeitern, die das Evangelium der Oberschicht bringen. Im Zusammenhang mit echten Bekehrungen werden Wunder geschehen - Wunder, die man bis jetzt kaum wahrnimmt. Selbst die bedeutendsten Männer dieser Welt stehen nicht außerhalb der Macht eines Wunder wirkenden Gottes. Wenn seine Mitarbeiter jede Gelegenheit wahrnehmen und ihre Pflicht gewissenhaft und treu erfüllen, wird Gott gebildete und einflussreiche Menschen in verantwortlicher Stellung bekehren. Durch die Macht des Heiligen Geistes werden viele die göttlichen Grundsätze annehmen. Haben sie sich einmal zur Wahrheit bekehrt, werden sie zu Mitarbeitern Gottes, die das Licht weitergeben. Sie werden für andere Menschen aus dieser vernachlässigten Gesellschaftsschicht eine besondere Verpflichtung verspüren. Zeit und Geld wird dem Werk des Herrn geweiht werden, und die Gemeinde wird neue, zusätzliche Kraft und Wirksamkeit erhalten. GNAT 106 3 Weil Kornelius all den Weisungen, die er empfangen hatte, gehorsam gewesen war, gestaltete Gott die Ereignisse so, dass ihm noch größere Wahrheiten geschenkt wurden. Ein himmlischer Bote war zu dem römischen Offizier und zu Petrus gesandt worden, damit Kornelius mit jemand in Verbindung kam, der ihn zu noch größerem Licht führen konnte. GNAT 106 4 Viele Menschen auf unserer Welt sind dem Reich Gottes näher als wir denken. In dieser dunklen Welt der Sünde gehören dem Herrn viele kostbare Juwelen, zu denen er seine Boten senden wird. Überall gibt es Menschen, die sich auf die Seite Jesu Christi stellen werden. Viele werden die Weisheit Gottes höher schätzen als jeden irdischen Vorteil und treue Lichtträger werden. Die Liebe Christi wird sie drängen, andere zu bewegen, ebenfalls zu ihm zu kommen. Umdenken Ist Erforderlich GNAT 106 5 Als die Brüder in Judäa hörten, dass Petrus in das Haus eines Heiden gegangen war und den dort Versammelten eine Predigt gehalten hatte, waren sie überrascht und beleidigt. Sie befürchteten, dass solch eine Handlungsweise, die ihnen vermessen erschien, seiner eigenen Lehre entgegenwirken würde. Als sie ihm das nächste Mal begegneten, tadelten sie ihn hart und sagten: »Du bist zu Männern gegangen, die nicht Juden sind, und hast mit ihnen gegessen!« (Apostelgeschichte 11,3) GNAT 107 1 Petrus legte ihnen die ganze Angelegenheit offen dar. Er berichtete, was er im Zusammenhang mit der Vision erfahren hatte. Er machte geltend, dass er auf diese Weise ermahnt worden war, nicht länger an der kultischen Unterscheidung zwischen Beschnittenen und Unbeschnittenen festzuhalten und Heiden als unrein zu betrachten. Er erzählte ihnen auch, wie ihm befohlen worden war, zu den Heiden zu gehen, wie die Boten zu ihm kamen und wie er nach Cäsarea reiste, um mit Kornelius zusammenzutreffen. Er berichtete das Wesentliche aus seinem Gespräch mit dem Hauptmann, in dem ihm dieser von der Vision erzählte, die ihn dazu geführt hatte, Petrus holen zu lassen. GNAT 107 2 »Als ich aber anfing zu reden«, sagte Petrus in seinem Bericht, »fiel der Heilige Geist auf sie ebenso wie am Anfang auf uns. Da dachte ich an das Wort des Herrn, als er sagte: Johannes hat mit Wasser getauft; ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden. Wenn nun Gott ihnen die gleiche Gabe gegeben hat wie auch uns, die wir zum Glauben gekommen sind an den Herrn Jesus Christus: wer war ich, dass ich Gott wehren konnte?« (Apostelgeschichte 11,15-17) GNAT 107 3 Als die Brüder dies hörten, schwiegen sie. Sie waren nun überzeugt, dass Petrus in seiner Handlungsweise direkt dem Plan Gottes entsprochen hatte und ihre Voreingenommenheit und ihr Anspruch auf Exklusivität dem Geist des Evangeliums schlichtweg widersprachen. Dann priesen sie Gott mit den Worten: »So hat Gott auch den Heiden die Umkehr gegeben, die zum Leben führt!« (Apostelgeschichte 11,18) GNAT 107 4 Auf diese Weise wurde ohne Streitigkeiten mit Vorurteilen gebrochen und die durch eine jahrhundertealte Tradition etablierte Exklusivität aufgegeben. Damit war der Weg nun frei für die Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden. ------------------------Kapitel 15 -- Aus Dem Gefängnis Befreit GNAT 108 0 Apostelgeschichte 12,1-24. GNAT 108 1 »Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln.« (Apostelgeschichte 12,1) Judäa wurde zu jener Zeit von Herodes Agrippa I., einem Vasallen des römischen Kaisers Claudius, regiert. Dieser Herodes war gleichzeitig »Tetrarch« von Galiläa. Er bekannte sich als Proselyt zum jüdischen Glauben und war offenbar eifrig darauf bedacht, die jüdischen zeremoniellen Gesetzesvorschriften zu erfüllen. In der Hoffnung, sich selbst Amt und Würden zu sichern, bemühte er sich, die Gunst der Juden zu erlangen. Deshalb kam er ihren Wünschen nach und verfolgte die Gemeinde Christi. Er ließ Häuser und sonstiges Eigentum der Gläubigen plündern und die führenden Gemeindeglieder gefangen setzen. Er warf Jakobus, den Bruder des Johannes, ins Gefängnis und ließ ihn durch das Schwert eines Scharfrichters töten (vgl. Apostelgeschichte 12,2). In gleicher Weise hatte ein anderer Herodes zuvor Johannes den Täufer enthauptet. Als Agrippa sah, dass die Juden daran Gefallen hatten, warf er auch Petrus ins Gefängnis. Petrus Eingekerkert GNAT 108 2 Ausgerechnet während der Zeit des Passafestes wurden diese Grausamkeiten verübt. Während die Juden ihre Befreiung aus Ägypten feierten und dem Anschein nach großen Eifer für das Gesetz Gottes an den Tag legten, übertraten sie gleichzeitig das Prinzip dieses Gesetzes durch Verfolgung und Mord an den Christusgläubigen. GNAT 108 3 Der Tod des Jakobus löste unter den Gläubigen großen Kummer und Bestürzung aus. Als auch Petrus gefangen genommen wurde, fastete und betete die ganze Gemeinde. GNAT 109 4 Die Hinrichtung des Jakobus durch Herodes fand bei den Juden Beifall, wenn auch einige beanstandeten, dass sie nicht öffentlich stattfand. Sie behaupteten, dass eine öffentliche Exekution die Christusgläubigen und ihre Sympathisanten gründlicher eingeschüchtert hätte. Deshalb behielt Herodes Petrus in Haft in der Absicht, den Juden durch die öffentliche Zurschaustellung seines Todes noch mehr gefällig zu sein. Andererseits wurde argumentiert, dass es zu gefährlich wäre, den ehrwürdigen Apostel vor all den Menschen, die damals in Jerusalem versammelt waren, hinrichten zu lassen. Man fürchtete, das Mitleid der Menge zu erwecken, wenn sie sehen würde, wie man ihn zur Hinrichtung führt. GNAT 109 1 Die Priester und Ältesten befürchteten auch, dass Petrus einen jener mitreißenden Aufrufe machen könnte, die häufig bei dem Volk das Interesse geweckt hatten, das Leben und den Charakter von Jesus genauer kennen zu lernen. Solchen Aufrufen konnten sie trotz all ihrer Argumente nichts entgegensetzen. Petrus hatte sich so sehr für die Sache Christi eingesetzt, dass viele dazu bewegt worden waren, sich auf die Seite des Evangeliums zu stellen. Die Obersten befürchteten auch, wenn Petrus Gelegenheit erhalten sollte, seinen Glauben vor den vielen Menschen zu verteidigen, die zur Anbetung in die Stadt gekommen waren, würde man vielleicht sogar den König auffordern, ihn freizulassen. GNAT 109 2 Unter verschiedenen Vorwänden wurde die Hinrichtung des Petrus bis nach dem Passafest verschoben. Diese Zeit nutzten viele Gemeindeglieder zu gründlicher Herzensprüfung und ernstem Gebet. Sie beteten ohne Unterlass für Petrus, denn sie spürten, dass er für die Sache des Herrn unentbehrlich war. Ohne Gottes besondere Hilfe - so erkannten sie - waren sie an einem Punkt angelangt, an dem die Gemeinde zugrunde gehen würde. GNAT 109 3 Inzwischen suchten Anbeter aus allen Nationen den Tempel auf, der zur Verehrung Gottes errichtet worden war. Im Glanz von Gold und Edelsteinen verkörperte er Schönheit und Erhabenheit. Aber der wahre Gott war in diesem herrlichen Gebäude nicht mehr zu finden. Israel als Volk hatte sich von seinem Gott getrennt. Als Christus gegen Ende seines Lebens zum letzten Mal die Ausstattung des Tempels betrachtete, sagte er: »Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden.« (Matthäus 23,38) Bisher hatte er den Tempel das Haus seines Vaters genannt. Als der Sohn Gottes jedoch dieses Bauwerk verließ, zog sich die Gegenwart Gottes für immer aus dem Tempel zurück, der zu seiner Ehre gebaut worden war. GNAT 109 4 Schließlich wurde der Tag für die Hinrichtung des Petrus festgesetzt, aber noch immer stiegen die Gebete der Gläubigen zum Himmel empor. Während sie mit aller Kraft und allem Mitgefühl in innigem Flehen Hilfe erbaten, wachten Gottes Engel über dem gefangenen Apostel. GNAT 109 5 Weil die Apostel schon früher einmal aus dem Gefängnis entwichen waren, hatte Herodes diesmal doppelte Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Um jede Möglichkeit einer Befreiung zu verhindern, ließ er Petrus von 16 Soldaten bewachen, die ihn in verschiedenen Schichten Tag und Nacht beaufsichtigten. Er lag an zwei Ketten gefesselt zwischen zwei Soldaten in seiner Zelle, und jede Kette war an einem Handgelenk eines der Soldaten befestigt. Er konnte sich unmöglich bewegen, ohne dass sie etwas bemerkten. Da die Gefängnistüren fest verschlossen waren und eine starke Wache davor stand, gab es keine Gelegenheit zur Flucht oder Befreiung durch menschliche Mittel. Aber des Menschen Verlegenheit ist Gottes Gelegenheit. GNAT 110 1 Das Verließ, in dem man Petrus gefangen hielt, war in den Fels gehauen, der Zugang dazu fest verriegelt und verschlossen. Die Wachsoldaten waren für die Verwahrung des Gefangenen persönlich verantwortlich. Doch die Riegel und Stangen und die römische Wache, die jede menschliche Fluchthilfe wirksam verhinderte, sollte den Triumph Gottes bei der Befreiung des Petrus nur vergrößern. Herodes war im Begriff, seine Hand gegen den Allmächtigen zu erheben, und er sollte eine totale Niederlage erleben. Gott aber war dabei, seine Macht einzusetzen, um das wertvolle Leben zu retten, das die Juden zu vernichten suchten. Wunderbare Befreiung GNAT 110 2 Es ist die letzte Nacht vor der beabsichtigten Hinrichtung. Ein mächtiger Engel wird vom Himmel gesandt, um Petrus zu retten. Die schweren Tore, die den Mitarbeiter Gottes eingeschlossen hielten, öffnen sich ohne Zutun von Menschenhand. Der Engel des Höchsten geht hindurch, und die Tore schließen sich lautlos hinter ihm. Er betritt das Verließ. Vor ihm liegt Petrus in friedlichem Schlaf und vollkommenem Gottvertrauen. GNAT 110 3 Das Licht, das den Engel umgibt, erhellt die Zelle, weckt Petrus aber nicht auf. Erst als er fühlt, wie ihn der Engel in die Seite stößt, und er eine Stimme sagen hört: »Steh schnell auf!« (Apostelgeschichte 12,7), wird er so weit wach, dass er das himmlische Licht in seiner Zelle wahrnimmt und einen Engel in großer Herrlichkeit vor ihm stehen sieht. Mechanisch gehorcht er der Aufforderung, und als er beim Aufstehen die Hände hebt, wird ihm halbwegs bewusst, dass die Ketten von seinen Handgelenken abgefallen sind. GNAT 110 4 Nun gebietet ihm die Stimme des himmlischen Boten: »Gürte dich und zieh deine Schuhe an!«, und wieder gehorcht Petrus mechanisch, hält seinen Blick verwundert auf seinen Besucher gerichtet und glaubt sich in einem Traum oder in einer Vision. Dann befiehlt ihm der Engel: »Wirf deinen Mantel um und folge mir!« (Apostelgeschichte 12,8) Er bewegt sich zur Tür. Der sonst gesprächige Petrus folgt ihm stumm vor Erstaunen. Sie steigen über die Wachen und kommen zu der fest verriegelten Tür, die sich von selbst öffnet und unmittelbar danach wieder schließt, während die Wachen drinnen und draußen bewegungslos auf ihren Posten verharren. GNAT 111 1 Sie erreichen die zweite Tür. Auch diese ist von innen und außen bewacht. Wie die erste öffnet sie sich ohne ein Quietschen in den Türangeln und ohne Lärm von den eisernen Riegeln. Sie gehen hindurch, und auch diese schließt sich lautlos hinter ihnen. Zuletzt passieren sie das dritte Tor ebenso, und schließlich befinden sie sich auf offener Straße. Es wird kein Wort gesprochen, und kein Schritt ist zu hören. Von strahlendem Lichtglanz umgeben bewegt sich der Engel vorwärts. Petrus folgt seinem Befreier fassungslos und meint immer noch zu träumen. So gehen sie durch eine Straße. Plötzlich verschwindet der Engel; sein Auftrag ist erfüllt. GNAT 111 2 Das himmlische Licht verblasste und erlosch. Um Petrus herum war nur noch tiefe Dunkelheit; doch als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, schien sie sich allmählich wieder aufzuhellen, und er fand sich allein auf einer stillen Straße, während kühle Nachtluft um seine Stirn strich. Nun wurde ihm bewusst: Er war frei und befand sich in einem ihm vertrauten Teil der Stadt. Er erkannte den Ort: Hier war er oft gewesen, und hier, so hatte er geglaubt, würde er am nächsten Tag ein letztes Mal vorbeikommen. GNAT 111 3 Er versuchte, sich noch einmal an die Ereignisse der letzten Augenblicke zu erinnern. Er war zwischen den beiden Soldaten eingeschlafen, nachdem er Sandalen und Mantel abgelegt hatte. Als er sich nun betrachtete, fand er sich vollständig angezogen und gegürtet. Seine Handgelenke, die vom Tragen der grausamen eisernen Fesseln angeschwollen waren, trugen keine Handschellen mehr. Ihm wurde klar: Seine Freiheit war weder eine Täuschung noch ein Traum oder eine Vision, sondern beglückende Wirklichkeit. Am folgenden Tag hätte er hinausgeführt werden sollen, um zu sterben, doch was war geschehen? Ein Engel hatte ihn aus dem Kerker befreit und vor dem Tod gerettet. »Und als Petrus zu sich gekommen war, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat und von allem, was das jüdische Volk erwartete.« (Apostelgeschichte 12,11) GNAT 111 4 Der Apostel machte sich eilends auf den Weg zu dem Haus, in dem einige seiner Glaubensgeschwister versammelt waren und gerade ernsthaft für ihn beteten. »Petrus klopfte an das Hoftor, und die Dienerin Rhode kam, um zu hören, wer draußen sei. Als sie Petrus an der Stimme erkannte, vergaß sie vor Freude, das Tor zu öffnen; sie rannte ins Haus und meldete, Petrus stehe draußen. ›Du bist nicht ganz bei Verstandb, sagten die im Haus. Und als Rhode darauf bestand, meinten sie: ›Das ist sein Schutzengel!‹ Petrus aber klopfte und klopfte, bis sie schließlich aufmachten. Als sie ihn sahen, gerieten sie außer sich. Er bat mit einer Handbewegung um Ruhe und erklärte ihnen,wie ihn Gott aus dem Gefängnis befreit hatte ... Dann verließ er Jerusalem.« (Apostelgeschichte 12,13-17 GNB) Freude und Lob erfüllten die Gläubigen, denn Gott hatte ihre Gebete erhört und Petrus aus der Hand des Herodes errettet. Überraschung Und Zorn GNAT 112 1 Am Morgen kam eine große Volksmenge zusammen, um die Hinrichtung des Petrus zu sehen. Herodes sandte Offiziere zum Gefängnis, um den Gefangenen zu holen. Er sollte unter einem mächtigen Aufgebot von Waffen und Wachen hergebracht werden, nicht nur um zu verhindern, dass er entkam, sondern um alle Anhänger einzuschüchtern und um die Macht des Königs zu demonstrieren. GNAT 112 2 Als die Torwächter entdeckten, dass Petrus entkommen war, packte sie der Schrecken. Ausdrücklich war ihnen eingeschärft worden, dass sie für den Gefangenen mit ihrem Leben hafteten, und deshalb waren sie besonders wachsam gewesen. Die Offiziere kamen zum Gefängnistor und fanden die Soldaten auf ihren Posten. Türschlösser und Riegel waren unversehrt und die Ketten noch an den Handgelenken der beiden Soldaten befestigt - aber der Gefangene war verschwunden! GNAT 112 3 Als Herodes von Petrus' Flucht erfuhr, geriet er außer sich vor Zorn. Er beschuldigte die Wachen der Untreue und befahl, sie zu töten. Herodes wusste, dass keine menschliche Macht Petrus befreit hatte, aber er wollte sich nicht eingestehen, dass eine göttliche Macht seine Pläne durchkreuzt hatte. Trotzig lehnte er sich gegen Gott auf. GNAT 112 4 Nicht lange nach Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis reiste Herodes nach Cäsarea. Um Bewunderung zu erregen und den Beifall des Volkes zu gewinnen, gab er dort ein großes Fest. Von überall kamen Vergnügungssüchtige herbei; es wurde ausgiebig gefeiert und Wein getrunken. Herodes trat mit großem Gepränge und Zeremoniell vor das Volk und hielt eine glänzende Rede. Er war eine prachtvolle Erscheinung in seinem gold und silberbestickten Gewand, das die Sonnenstrahlen in seinem funkelnden Faltenwurf einfing und die Augen der Betrachter blendete. Die Majestät seiner Gestalt und die Kraft seiner wohlgesetzten Worte übten einen gewaltigen Einfluss auf die Versammelten aus. Ihre Sinne waren nach dem Gelage und dem Weingenuss bereits benebelt. Sie ließen sich von den Ehrenzeichen, die Herodes trug, blenden und durch sein Auftreten und seine Redekunst betören. Rasend vor Begeisterung überschütteten sie ihn mit Schmeicheleien und brachten zum Ausdruck, kein Sterblicher könne ein solches Erscheinungsbild haben oder über eine so erstaunliche Redegewandtheit verfügen. Darüber hinaus erklärten sie, dass sie ihn schon immer als Herrscher geachtet hätten, ihn fortan aber als einen Gott anbeten wollten. GNAT 113 1 Manche von denen, die jetzt lauthals einen niederträchtigen Sünder verherrlichten, hatten nur wenige Jahre zuvor bezüglich Jesus begeistert geschrien: »Hinweg mit diesem!« und »Kreuzige, kreuzige ihn!« (Lukas 23,18.21) Die Juden hatten Christus abgewiesen, dessen raues Gewand oft von der Reise beschmutzt war, der aber ein Herz voll göttlicher Liebe in sich trug. Sie konnten unter dem bescheidenen Äußeren nicht den Herrn des Lebens und der Herrlichkeit erkennen, obwohl sich die Macht Christi vor ihnen in Werken offenbarte, die kein gewöhnlicher Mensch vollbringen kann. Den hochmütigen König hingegen, dessen gold und silberbesticktes Gewand ein verdorbenes und grausames Herz überdeckte, waren sie bereit, als Gott anzubeten. Die Vergeltung Gottes GNAT 113 2 Herodes wusste sehr wohl, dass er weder das Lob noch die ihm dargebrachte Huldigung verdiente. Trotzdem nahm er die Vergötterung durch das Volk an, als ob sie ihm zustünde. Innerlich jubelte er, und sein Gesicht glühte vor eitlem Stolz, als der Ruf immer lauter wurde: »Das ist Gottes Stimme und nicht die eines Menschen!« (Apostelgeschichte 12,22) GNAT 113 3 Aber plötzlich kam eine schreckliche Veränderung über ihn. Sein Gesicht wurde kreidebleich und verzerrte sich in Todesangst. Große Schweißtropfen traten aus seinen Poren. Starr vor Schmerz und Schrecken hielt er einen Augenblick inne. Dann wandte er sein totenbleiches Gesicht seinen entsetzten Freunden zu und schrie verzweifelt und mit hohl klingender Stimme: Den ihr zum Gott erhoben habt, holt der Tod! GNAT 113 4 Er litt qualvollste Todesangst, als er von diesem Ort der Festlichkeit und des Prunkes weggetragen wurde. Eben noch hatte er das Lob und die Verehrung dieser riesigen Menge stolz entgegengenommen. Doch nun musste er erkennen, dass er sich in der Hand eines Herrschers befand, der mächtiger war als er. Gewissensbisse überkamen ihn. Er erinnerte sich, wie er die Anhänger Christi unerbittlich verfolgt hatte, an seinen grausamen Befehl zur Ermordung des unschuldigen Jakobus und an seine Absicht, den Apostel Petrus töten zu lassen. Er erinnerte sich, wie er gekränkt und enttäuscht wütend eine unsinnige Rache an den Gefängniswächtern geübt hatte. Nun spürte er, wie Gott mit ihm, dem erbarmungslosen Verfolger, abrechnete. Er fand keine Linderung seiner körperlichen Schmerzen und seelischen Qualen - er erwartete auch keine. GNAT 113 5 Herodes kannte das Gesetz Gottes, in dem es heißt: »Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.« (2. Mose 20,3) Er wusste, dass das Maß seiner Bosheit voll geworden war, als er sich als Gott verehren ließ. So lud er den gerechten Zorn des ewigen Gottes auf sich. GNAT 114 1 Derselbe Engel, der vom Himmel gekommen war, um Petrus zu befreien, wurde für Herodes zum Boten des Zorns und Gerichts. Der Engel stieß Petrus in die Seite, um ihn vom Schlaf aufzuwecken. Dem gottlosen König versetzte er jedoch einen Stoß, der dessen Stolz demütigte und durch den die Strafe des Allmächtigen vollstreckt wurde. Herodes starb durch Gottes Strafgericht unter großen seelischen und körperlichen Qualen. GNAT 114 2 Diese Offenbarung göttlicher Gerechtigkeit übte eine machtvolle Wirkung auf das Volk aus. Die Nachricht, dass Christi Apostel auf wunderbare Weise aus dem Gefängnis und vor dem Tod errettet worden war, während dessen Verfolger der Fluch Gottes getroffen hatte, wurde in alle Lande getragen und für viele ein Ansporn zum Glauben an Christus. Engel Im Dienst Für Menschen GNAT 114 3 Die Erfahrung des Philippus, der durch einen Engel des Himmels an einen Ort gesandt wurde, wo er einen Wahrheitssuchenden fand; die Erfahrung des Kornelius, den ein Engel mit einer Botschaft Gottes aufsuchte; die Erfahrung des Petrus, der im Kerker saß und zum Tod verurteilt war, aber durch einen Engel in Sicherheit gebracht wurde - all dies zeigt, wie eng der Himmel mit der Erde verbunden ist. GNAT 114 4 Dem, der für Gott arbeitet, sollten die Berichte vom Eingreifen der Engel Stärke und Mut verleihen. So gewiss wie in den Tagen der Apostel ziehen auch heute himmlische Boten überall durch die Lande, um Bekümmerte zu trösten, Unbußfertige zu bewahren und Menschen für Christus zu gewinnen. Wir können sie zwar nicht mit unseren Augen wahrnehmen, dennoch sind sie bei uns, um uns zu führen, zu unterweisen und zu bewahren. GNAT 114 5 Der Himmel kommt der Erde durch eine geheimnisvolle Leiter nahe, die fest auf der Erde steht, während die oberste Sprosse bis zum Thron des Allmächtigen reicht. Engel steigen ständig auf dieser Leiter strahlenden Lichts auf und nieder. Sie tragen die Gebete der Notleidenden und Bekümmerten zum Vater empor und bringen den Menschen Segen und Hoffnung, Mut und Hilfe. Diese Engel des Lichts schaffen um den Menschen eine himmlische Atmosphäre und heben uns dem Unsichtbaren und Ewigen entgegen. Wir können ihre Gestalt mit unseren natürlichen Augen nicht sehen. Himmlische Dinge lassen sich nur mit geistlichen Augen erkennen. Nur ein geistliches Ohr kann die Harmonie himmlischer Stimmen hören. GNAT 115 1 »Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.« (Psalm 34,8) Gott beauftragt seine Engel, seine Auserwählten vor Unheil zu bewahren, »vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt« (Psalm 91,6). Wie ein Mann mit seinem Freund redet, so haben Engel immer wieder mit Menschen gesprochen und sie in Sicherheit gebracht. Immer wieder haben aufmunternde Worte von Engeln mutlose Gläubige neu erweckt und deren Gedanken über das Irdische hinausgehoben. Dabei haben sie ihnen im Glauben die weißen Kleider, die Kronen und die Palmzweige des Sieges gezeigt, die die Überwinder erhalten werden, wenn sie um den großen weißen Thron versammelt sind. GNAT 115 2 Es ist Aufgabe der Engel, den Geprüften, Leidenden und Versuchten beizustehen. Unermüdlich setzen sie sich für diejenigen ein, für die Christus gestorben ist. Wenn Sünder dazu gebracht werden, sich dem Erlöser zu übergeben, bringen Engel die Nachricht zum Himmel, und unter den himmlischen Heerscharen bricht große Freude aus. »Bei Gott im Himmel [ist] mehr Freude über einen Sünder, der ein neues Leben anfängt, als über neunundneunzig andere, die das nicht nötig haben.« (Lukas 15,7) Immer, wenn wir uns mit Erfolg bemüht haben, die Finsternis zu vertreiben und die Erkenntnis über Christus zu verbreiten, erstatten Engel dem Himmel Bericht. Wenn eine solche Tat vor den Vater gebracht wird, geht eine Welle der Freude durch die himmlischen Heerscharen. GNAT 115 3 Die Fürsten und Gewaltigen des Himmels beobachten den Kampf, den Gottes Diener unter anscheinend entmutigenden Bedingungen austragen. Wenn sich Christen um das Banner ihres Erlösers scharen und den guten Kampf des Glaubens kämpfen, werden sie stets neue Siege erringen und neue Ehren gewinnen. Alle Engel des Himmels stehen dem demütigen, gläubigen Gottesvolk zu Diensten. Wenn das Heer der Diener Gottes hier auf Erden seine Lieder zu seinem Lob singt, dann stimmt der himmlische Chor mit ein, um Gott und seinen Sohn zu preisen. GNAT 115 4 Wir müssen besser als bisher begreifen, was die Mission der Engel ist. Es täte uns gut, wenn wir uns daran erinnern würden, dass jedem wahren Gotteskind die Hilfe himmlischer Wesen zur Verfügung steht. Unsichtbare, aber mächtige Heere des Lichts und der Kraft stehen den Sanftmütigen und Demütigen bei, die an die Verheißungen Gottes glauben und sie für sich in Anspruch nehmen. Cherubim und Serafim, »starke Helden« (Psalm 103,20), stehen zur Rechten Gottes, »allesamt dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen« (Hebräer 1,14). ------------------------Kapitel 16 -- Das Evangelium in Antiochia GNAT 116 0 Apostelgeschichte 11,19-26 und 13,1-3. GNAT 116 1 Nachdem die Jünger durch Verfolgung aus Jerusalem vertrieben worden waren, verbreitete sich das Evangelium schnell in Gebiete jenseits der Grenzen Palästinas. Viele kleine Gruppen von Gläubigen bildeten sich in wichtigen Städten. Einige der Jünger »gingen bis nach Phönizien und Zypern und Antiochia und verkündigten das Wort« (Apostelgeschichte 11,19). Ihr Wirken war gewöhnlich auf die hebräischen und griechischen Juden beschränkt, von denen es zu jener Zeit in fast allen Städten der Welt große Kolonien gab. Verkündigung In Einer Grossstadt GNAT 116 2 Zu den Städten, in denen das Evangelium freudig aufgenommen wurde, gehörte die damalige syrische Metropole Antiochia. Der ausgedehnte Handel, der von dieser Großstadt ausging, brachte Menschen aus verschiedenen Nationen dorthin. Außerdem war Antiochia wegen seines gesunden Klimas, seiner schönen Umgebung, seines Reichtums, seiner Kultur und Eleganz als Ort für Freunde der Behaglichkeit und des Vergnügens bekannt. In den Tagen der Apostel war es eine Stadt des Luxus und der Ausschweifung geworden. GNAT 116 3 Die frohe Botschaft wurde in Antiochia durch einige Jünger aus Zypern und Kyrene öffentlich gelehrt, die dort »das Evangelium vom Herrn Jesus« predigten. »Die Hand des Herrn war mit ihnen«, sodass ihr ehrliches Bemühen reichlich Frucht brachte. »Eine große Zahl wurde gläubig und bekehrte sich zum Herrn.« (Apostelgeschichte 11,20.21) GNAT 116 4 »Die Kunde davon kam auch der Gemeinde in Jerusalem zu Ohren, und sie schickten Barnabas nach Antiochia.« (Apostelgeschichte 11,22 ZÜ) Bei seiner Ankunft in diesem neuen Arbeitsfeld sah Barnabas das Werk, das durch die Gnade Gottes bereits vollbracht worden war. Da »wurde er froh und ermahnte sie alle, mit festem Herzen an dem Herrn zu bleiben« (Apostelgeschichte 11,23). GNAT 117 1 Barnabas' Arbeit in Antiochia wurde reich gesegnet, und die Anzahl der dortigen Gläubigen nahm zu. Als sich das Werk entwickelte, erkannte Barnabas, dass er Hilfe brauchte, um die Möglichkeiten, die sich ihm durch Gott eröffneten, effektiver nutzen zu können. Er reiste deshalb nach Tarsus und suchte Paulus. Dieser hatte nach seinem Weggang aus Jerusalem seit einiger Zeit im Gebiet von »Syrien und Zilizien« gearbeitet und dort den Glauben gepredigt, »den er früher zu zerstören suchte« (Galater 1,21.23). Barnabas fand Paulus und konnte ihn dazu gewinnen, als sein Mitarbeiter im Verkündigungsdienst mit ihm nach Antiochia zurückzukehren. GNAT 117 2 In dieser bevölkerungsreichen Stadt bot sich Paulus ein vorzügliches Arbeitsfeld. Seine Gelehrsamkeit, seine Weisheit und sein Eifer übten einen mächtigen Einfluss auf Einwohner und Besucher dieses Kulturzentrums aus. Er erwies sich als genau der Helfer, den Barnabas benötigte. Ein Jahr lang arbeiteten die beiden Männer zusammen und brachten durch ihren treuen Dienst vielen Menschen die heilbringende Erkenntnis über Jesu von Nazareth, den Erlöser der Welt. GNAT 117 3 »In Antiochia wurden die Jünger zuerst Christen genannt.« (Apostelgeschichte 11,26b) Man gab ihnen diesen Namen, weil Christus das Hauptthema ihrer Predigten, ihrer Lehre und Gespräche war. Ständig berichteten sie von den Ereignissen, die sich in den Tagen seines Dienstes auf Erden zugetragen hatten, als die Jünger von Jesus durch seine persönliche Gegenwart gesegnet waren. Unermüdlich betonten sie seine Lehren und seine Heilungswunder. Tief bewegt und unter Tränen erzählten sie von seiner Seelenangst im Garten Gethsemane, von dem Verrat an ihm und seiner Kreuzigung, von der Geduld und Demut, mit denen er Hohn und Folterung ertrug, die ihm seine Feinde zufügten, und von der göttlichen Barmherzigkeit, mit der er für seine Verfolger gebetet hatte. Auch seine Auferstehung, seine Himmelfahrt und sein Dienst im Himmel als Fürsprecher für die gefallenen Menschen waren Themen, über die sie freudig sprachen. Zu Recht wurden sie deshalb von den Heiden »Christen« genannt; denn sie predigten Christus und richteten ihre Gebete durch ihn an Gott. GNAT 117 4 Eigentlich war es Gott, der ihnen den Namen »Christen« gegeben hat. Es ist ein königlicher Name für alle, die sich mit Christus verbinden. Über diesen Namen schrieb Jakobus später: »Sind es nicht die Reichen, die Gewalt gegen euch üben und euch vor Gericht ziehen? Verlästern sie nicht den guten Namen, der über euch genannt ist?« (Jakobus 2,6.7) Und Petrus erklärte: »Leidet [der Jünger Jesu] aber als ein Christ, so schäme er sich nicht, sondern ehre Gott mit diesem Namen.« (1. Petrus 4,16) »Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet um des Namens Christi willen, denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruht auf euch.« (1. Petrus 4,14) GNAT 118 1 Die Gläubigen in Antiochia erkannten, dass Gott in ihrem Leben »das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen« bewirken wollte (Philipper 2,13). Da sie mitten unter Leuten lebten, die sich nur wenig um das zu kümmern schienen, was Ewigkeitswert hat, versuchten sie die Aufmerksamkeit der Aufrichtigen zu gewinnen und vor ihnen ein klares Zeugnis für den abzulegen, den sie liebten und dem sie dienten. In ihrem hingebungsvollen Wirken lernten sie, sich darauf zu verlassen, dass die Kraft des Heiligen Geistes das Wort des Lebens wirksam werden lässt. Und so gaben sie täglich in den verschiedensten Gesellschaftsschichten ein Zeugnis für ihren Glauben an Christus. Ein Herz Für Stadtmenschen GNAT 118 2 Das Beispiel der Nachfolger Christi in Antiochia sollte allen Gläubigen, die heutzutage in den großen Städten der Welt leben, ein Ansporn sein. Ausgewählte, gottgeweihte und fähige Mitarbeiter sollten nach Gottes Willen in wichtige Ballungszentren entsandt werden, um dort öffentliche Evangelisationen zu leiten. Aber es ist ebenso Gottes Plan, dass Gemeindeglieder, die in diesen Städten wohnen, dort ihre von Gott geschenkten Gaben einsetzen, um Nachfolger für Jesus zu gewinnen. Reiche Segnungen erwarten jeden, der seiner Aufforderung uneingeschränkt folgt. Sie werden dann erleben, dass viele Menschen, die auf andere Weise nicht erreicht worden wären, auf verständnisvollen, persönlichen Einsatz positiv reagieren. GNAT 118 3 Gottes Werk auf der Erde braucht heute Menschen, die die biblische Wahrheit ausleben. Die ordinierten Geistlichen allein sind der Aufgabe nicht gewachsen, alle Menschen in den großen Städten zu warnen. Gott ruft nicht nur Prediger auf, sondern auch Ärzte, Krankenschwestern, Buchevangelisten, Bibellehrer und andere geweihte und fähige Laien mit verschiedenen Begabungen, die das Wort Gottes und die Macht seiner Gnade kennen, die Nöte und Bedürfnisse der bisher noch nicht erreichten Städte zu berücksichtigen. Die Zeit vergeht rasch, und es gibt viel zu tun. Alle Kräfte müssen eingesetzt werden, um gegenwärtige Möglichkeiten weise zu nutzen. Der Heidenmissionar GNAT 118 4 Seine Zusammenarbeit mit Barnabas in Antiochia bestärkte Paulus in seiner Überzeugung, dass Gott ihn zu einer besonderen Aufgabe unter den Heiden berufen hatte. Schon zur Zeit seiner Bekehrung hatte der Herr ihm seine Absicht mitgeteilt, ihn zu einem Verkündiger unter den Heiden zu machen, »um ihnen die Augen aufzutun, dass sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott. So werden sie Vergebung der Sünden empfangen und das Erbteil samt denen, die geheiligt sind durch den Glauben an mich« (Apostelgeschichte 26,18). Der Engel, der Hananias erschien, hatte über Paulus ausgesagt: »Dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel.« (Apostelgeschichte 9,15) Und später hörte der Apostel selbst während des Gebets im Tempel zu Jerusalem die Worte eines Engels: »Geh hin; denn ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.« (Apostelgeschichte 22,21) GNAT 119 1 Der Herr hatte Paulus auf diese Weise beauftragt, sich in das weite Missionsfeld der heidnischen Welt zu begeben. Um ihn auf diese umfangreiche und schwierige Arbeit vorzubereiten, war ihm Gott ganz nahe gekommen und hatte ihm in einer Vision die Größe und Herrlichkeit des Himmels gezeigt. Er hatte ihm aufgetragen, »das Geheimnis« zu offenbaren, »das seit ewigen Zeiten verschwiegen war« (Römer 16,25), »das Geheimnis seines Willens« (Epheser 1,9), das »in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht« worden war, »wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist; nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium, dessen Diener,« so schrieb Paulus, »ich geworden bin ... Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, ist die Gnade gegeben worden, den Heiden zu verkündigen den unausforschlichen Reichtum Christi und für alle ans Licht zu bringen, wie Gott seinen geheimen Ratschluss ausführt, der von Ewigkeit her verborgen war in ihm, der alles geschaffen hat; damit jetzt kundwerde die mannigfaltige Weisheit Gottes den Mächten und Gewalten im Himmel durch die Gemeinde. Diesen ewigen Vorsatz hat Gott ausgeführt in Christus Jesus, unserm Herrn« (Epheser 3,5-11). Öffentliche Beauftragung GNAT 119 2 Gott hatte die Arbeit von Paulus und Barnabas während des ganzen Jahres, das sie bei den Gläubigen in Antiochia verbrachten, reich gesegnet. Aber keiner von beiden war bisher offiziell zum Missionsdienst ordiniert worden. In ihrer christlichen Erfahrung waren sie nun an einem Punkt angelangt, an dem Gott ihnen einen schwierigen Missionsauftrag anvertrauen wollte. Bei dessen Umsetzung würden sie jede Hilfe benötigen, die die Gemeinde ihnen zukommen lassen konnte. GNAT 120 1 »Es waren aber in Antiochia in der Gemeinde Propheten und Lehrer, nämlich Barnabas und Simeon, genannt Niger, und Luzius von Kyrene und Manaen ... und Saulus. Als sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe.« (Apostelgeschichte 13,1.2) Vor ihrer Aussendung als Missionare in die heidnische Welt wurden diese Apostel durch Fasten, Beten und Handauflegung feierlich Gott geweiht. So ermächtigte sie die Gemeinde, nicht nur die Wahrheit zu lehren, sondern auch zu taufen und Gemeinden zu gründen, da sie nun mit aller kirchlichen Vollmacht ausgestattet waren. GNAT 120 2 Für die christliche Gemeinde begann damals ein bedeutsames Zeitalter. Von nun an sollte die Evangeliumsbotschaft kraftvoll unter den Heiden verkündet werden und die Gemeinde durch ein großes Wachstum gestärkt werden. Die Apostel, die in diesem Werk eine führende Rolle spielen sollten, würden Misstrauen, Vorurteilen und Neid ausgesetzt sein. Ihre Lehre, Gott habe »die trennende Scheidewand ... weggeräumt« (Epheser 2,14 Me.), die Juden und Heiden so lange voneinander getrennt hatte, würde sie sicherlich dem Vorwurf der Ketzerei aussetzen. Auch ihre Autorität als Diener des Evangeliums würde von vielen unduldsamen jüdischen Gläubigen in Zweifel gezogen werden. Gott sah die Schwierigkeiten voraus, denen sich seine Diener würden stellen müssen. Damit ihr Wirken nicht in Frage gestellt werden konnte, offenbarte er der Gemeinde seine Anweisung, die Apostel mit dem Verkündigungsdienst öffentlich zu beauftragen. Ihre Einsegnung war eine öffentliche Bestätigung, dass Gott sie dazu bestimmt hatte, den Heiden die gute Nachricht des Evangeliums zu bringen. GNAT 120 3 Sowohl Paulus als auch Barnabas hatten ihren Auftrag bereits von Gott direkt erhalten, und die Zeremonie der Handauflegung verlieh ihnen keine neue Gnade oder Befähigung. Es war eine allgemein anerkannte Form der Einsetzung in ein zugewiesenes Amt und eine Anerkennung der Vollmacht dazu. Dadurch wurde das Werk Gottes mit dem Siegel der Gemeinde versehen. GNAT 120 4 Für einen Juden war eine solche Handlung von tiefer Bedeutung. Wenn ein jüdischer Vater seine Kinder segnete, legte er ihnen ehrfurchtsvoll die Hände auf den Kopf. Wenn ein Tier zum Opfer bestimmt wurde, legte der bevollmächtigte Priester die Hand auf den Kopf des Tieres. Und als die Diener der Christengemeinde in Antiochia ihre Hände auf Paulus und Barnabas legten, baten sie Gott durch diese Handlung um seinen Segen für die auserwählten Apostel in ihrer hingebungsvollen Arbeit, zu der sie bestimmt worden waren. GNAT 121 1 In späterer Zeit wurde der Einsegnungsritus durch Handauflegung weithin missbraucht. Der Handlung wurde eine ungerechtfertigte Bedeutung beigemessen, als ob plötzlich eine Kraft auf die Eingesegneten käme, die sie unmittelbar zu jeglichem geistlichen Amt befähige. In dem Bericht über die Erwählung dieser beiden Apostel findet man jedoch keinen Hinweis darauf, dass durch den bloßen Akt der Handauflegung irgendeine außergewöhnliche Kraft oder Fähigkeit vermittelt wurde. Es findet sich lediglich der schlichte Bericht über ihre Einsegnung und deren Auswirkung auf ihre künftige Arbeit. GNAT 121 2 Die Umstände im Zusammenhang mit der Erwählung von Paulus und Barnabas durch den Heiligen Geist zu einer bestimmten Art des Dienstes zeigt deutlich, dass der Herr in seiner organisierten Gemeinde durch beauftragte Diener wirkt. Als Paulus Jahre zuvor durch den Erlöser selbst zum ersten Mal eine Offenbarung über die Absicht Gottes mit ihm erhielt, wurde er kurz darauf mit Mitgliedern der neu gegründeten Gemeinde in Damaskus in Verbindung gebracht. Die Gemeinde in dieser Stadt wurde ihrerseits nicht lange über die persönlichen Erfahrungen des bekehrten Pharisäers im Dunkeln gelassen. Jetzt sollte der göttliche Auftrag von damals noch umfassender ausgeführt werden, und der Heilige Geist bezeugte erneut, dass Paulus ein auserwähltes Gefäß war, um das Evangelium zu den Heiden zu tragen, und gab der Gemeinde den Auftrag, Paulus und dessen Mitarbeiter einzusegnen. Als die Leiter der Gemeinde von Antiochia »dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe« (Apostelgeschichte 13,2). Zusammenarbeit GNAT 121 3 Gott hat seine Gemeinde auf Erden zu einer Vermittlerin des Lichts gemacht, durch die er seine Absichten und seinen Willen kundtut. Keinem seiner Diener gibt Gott eine Erfahrung, die mit der Erfahrung der Gemeinde selbst nichts zu tun hätte oder ihr gar widerspräche. Auch offenbart er nicht einem einzelnen Menschen ein Wissen über seinen Willen für die ganze Gemeinde, während die Gemeinde, der Leib Christi, im Dunkeln gelassen wird. Nach seinem Plan bringt er seine Diener in engste Verbindung mit seiner Gemeinde, damit diese weniger Vertrauen in sich selbst und größeres Vertrauen in andere Menschen setzen, die er ebenfalls zur Förderung seines Werks berufen hat. GNAT 121 4 In der Gemeinde gibt es seit jeher Leute, die ständig zu persönlicher Unabhängigkeit neigen. Es scheint, als seien sie unfähig zu begreifen, dass geistliche Unabhängigkeit den Menschen leicht in die Gefahr bringt, zu viel Vertrauen in sich selbst und in das eigene Urteilsvermögen zu setzen, statt den Rat ihrer Brüder zu respektieren und insbesondere das Urteilsvermögen derer zu achten, die Ämter bekleiden, die Gott für die Leitung seines Volkes bestimmt hat. Gott hat seine Gemeinde mit besonderer Autorität und Macht ausgerüstet, die gering zu schätzen oder zu verachten niemand ein Recht hat, denn wer dies tut, verachtet die Stimme Gottes. GNAT 122 1 Wer dazu neigt, sein eigenes Urteil als über allem stehend zu betrachten, befindet sich in ernster Gefahr. Satan versucht damit auf raffinierte Weise, solche Menschen von den Vermittlern des Lichts zu trennen, durch die Gott gewirkt hat, um sein Werk auf Erden aufzubauen und auszubreiten. Wer Gottes Verantwortungsträger, die sein Volk bei der Ausbreitung der Wahrheit führen sollen, gering schätzt oder verachtet, lehnt die Mittel ab, die Gott zur Hilfe, Ermutigung und Stärkung seines Volkes bestimmt hat. Jeder Arbeiter im Werk des Herrn, der diese Leute übergeht und glaubt, sein Licht könne durch keinen anderen Vermittler, sondern nur von Gott selbst auf ihn kommen, begibt sich selbst in eine Position, wo er sehr leicht durch den Feind verführt und zu Fall gebracht werden kann. In seiner Weisheit hat Gott angeordnet, dass durch enge Beziehungen, die unter den Gläubigen gepflegt werden sollen, Christ mit Christ und Gemeinde mit Gemeinde verbunden bleibt. Auf diese Weise wird das menschliche Werkzeug befähigt, mit dem Himmel zusammenzuarbeiten. Jeder Handelnde wird sich dem Heiligen Geist unterordnen, und alle Gläubigen werden bestrebt sein, der Welt vereint und durch geordneten, gut geleiteten Einsatz die frohe Botschaft von der Gnade Gottes zu vermitteln. GNAT 122 2 Paulus betrachtete seine formelle Einsegnung als Auftakt einer neuen und wichtigen Phase in seinem Lebenswerk. Im Rückblick bildete dieses Ereignis den Beginn seines Aposteldienstes für die christliche Gemeinde. GNAT 122 3 Während das Licht des Evangeliums in Antiochia hell leuchtete, erfüllten auch die Apostel, die in Jerusalem verblieben waren, eine wichtige Aufgabe. Zu den Festzeiten kamen jedes Jahr viele Juden aus allen Ländern nach Jerusalem, um im Tempel anzubeten. Manche dieser Pilger waren fromme Menschen, die mit allem Ernst die Prophezeiungen erforschten. Sehnsüchtig warteten sie auf das Kommen des verheißenen Messias, der Hoffnung Israels. Während Jerusalem voll von Besuchern aus anderen Ländern war, verkündigten die Apostel Christus mutig und unerschrocken, obwohl sie wussten, dass sie dadurch ständig ihr Leben in Gefahr brachten. Der Geist Gottes stattete sie mit Vollmacht aus, und viele Menschen bekehrten sich zum Glauben. Zurück in ihren Heimatländern in verschiedenen Teilen der Welt verbreiteten diese Bekehrten dann die Samenkörner der Wahrheit unter allen Völkern und in allen Gesellschaftsschichten. GNAT 123 1 Unter den Aposteln, die diese Arbeit verrichteten, traten besonders Petrus, Jakobus und Johannes hervor. Sie wussten sich von Gott dazu berufen, Christus daheim unter ihren Landsleuten zu verkündigen. Treu und behutsam erfüllten sie ihre Aufgabe. Sie bezeugten, was sie gesehen und gehört hatten, und beriefen sich auf »das prophetische Wort« (2. Petrus 1,19). So arbeiteten sie auf das Ziel hin, »das ganze Haus Israel« davon zu überzeugen, »dass Gott diesen Jesus«, den die Juden gekreuzigt hatten, »zum Herrn und Christus gemacht hat« (Apostelgeschichte 2,36). ------------------------Kapitel 17 -- Boten Des Evangeliums GNAT 126 0 Apostelgeschichte 13,4-52. GNAT 126 1 In Antiochia waren Paulus und Barnabas von den Brüdern eingesegnet worden. »Nachdem sie nun ausgesandt waren vom Heiligen Geist, kamen sie nach Seleuzia und von da zu Schiff nach Zypern.« (Apostelgeschichte 13,4) Damit begannen die Apostel ihre erste Missionsreise. GNAT 126 2 Zypern war eines der Gebiete, wohin die Gläubigen aus Jerusalem, die nach dem Tod des Stephanus verfolgt wurden, geflohen waren. Von dort waren einige Männer nach Antiochia gekommen und »predigten das Evangelium vom Herrn Jesus« (Apostelgeschichte 11,20). Barnabas war selbst »aus Zypern gebürtig« (Apostelgeschichte 4,36). Er und Paulus statteten dieser Insel nun einen Besuch ab. Sie wurden von Johannes Markus, einem Verwandten des Barnabas, begleitet. GNAT 126 3 Die Mutter des Markus hatte sich zum christlichen Glauben bekehrt. Ihr Haus in Jerusalem wurde ein Zufluchtsort für die Jünger. Dort waren sie stets willkommen und konnten Ruhe finden. Während einem dieser Besuche im Haus seiner Mutter bot Markus Paulus und Barnabas an, sie auf ihrer Missionsreise zu begleiten. Er fühlte Gottes Gnade in seinem Herzen und sehnte sich danach, sein Leben völlig dem Dienst der Evangeliumsverkündigung zu widmen. Widerstand Im Glauben Begegnen GNAT 126 4 »Und als sie in die Stadt Salamis kamen, verkündigten sie das Wort Gottes in den Synagogen der Juden ... Als sie die ganze Insel bis nach Paphos durchzogen hatten, trafen sie einen Zauberer und falschen Propheten, einen Juden, der hieß Barjesus; der war bei dem Statthalter Sergius Paulus, einem verständigen Mann. Dieser rief Barnabas und Saulus zu sich und begehrte, das Wort Gottes zu hören. Da widerstand ihnen der Zauberer Elymas -- denn so wird sein Name übersetzt und versuchte, den Statthalter vom Glauben abzuhalten.« (Apostelgeschichte 13,5-8) GNAT 127 1 Satan lässt nicht zu, dass der Aufbau des Reiches Gottes auf Erden ohne Kampf erfolgt. Die Mächte des Bösen führen unaufhörlich Krieg gegen Gläubige, die ausersehen sind, das Evangelium zu verkündigen. Diese Mächte der Finsternis werden besonders aktiv, wenn die Wahrheit vor Leuten von hohem Ansehen und anerkannter Rechtschaffenheit verkündigt wird. So war es, als Sergius Paulus, der Statthalter von Zypern, der Evangeliumsbotschaft zuhörte. Er hatte die Apostel zu sich bestellt, um sich in der Botschaft unterweisen zu lassen, die sie bezeugen sollten. Nun versuchten die Mächte des Bösen, die durch den Zauberer Elymas wirkten, ihn mit ihren unheilvollen Einflüsterungen vom Glauben abzubringen und so die Absicht Gottes zu vereiteln. GNAT 127 2 Auf diese Weise bemüht sich Satan, der gefallene Gegner Gottes, ständig, einflussreiche Männer in seinen Reihen zu halten, die im Falle ihrer Bekehrung der Sache Gottes nachhaltige Dienste leisten könnten. Aber der treue Diener des Evangeliums braucht keine Niederlage durch Satan zu fürchten, denn er genießt das Vorrecht, mit Vollmacht aus der Höhe ausgerüstet zu werden, um allem satanischen Einfluss zu widerstehen. GNAT 127 3 Obwohl Paulus durch Satan hart bedrängt wurde, hatte er den Mut, den Mann zurechtzuweisen, durch den der Feind wirkte. »Saulus aber, der auch Paulus heißt, voll Heiligen Geistes, sah ihn an und sprach: Du Sohn des Teufels, voll aller List und aller Bosheit, du Feind aller Gerechtigkeit, hörst du nicht auf, krumm zu machen die geraden Wege des Herrn? Und nun siehe, die Hand des Herrn kommt über dich, und du sollst blind sein und die Sonne eine Zeitlang nicht sehen! Auf der Stelle fiel Dunkelheit und Finsternis auf ihn, und er ging umher und suchte jemanden, der ihn an der Hand führte. Als der Statthalter sah, was geschehen war, wurde er gläubig und verwunderte sich über die Lehre des Herrn.« (Apostelgeschichte 13,9-12) GNAT 127 4 Der Zauberer hatte seine Augen für die Beweise der Evangeliumswahrheit verschlossen. Nun verschloss ihm der Herr in gerechtem Zorn die natürlichen Augen und nahm ihm so das Tageslicht. Diese Blindheit war nicht von Dauer, sondern nur auf Zeit. Sie diente als Ermahnung für ihn, zu bereuen und Gott um Vergebung zu bitten, den er schwer beleidigt hatte. Die Verwirrung, in die er dadurch gestürzt wurde, machte seine heimtückischen Künste gegen die Lehre Christi wirkungslos. Weil er sich blind durch die Umgebung tasten musste, erkannten alle, dass die Wunder der Apostel, die Elymas als Zaubertrick abgetan hatte, durch die Macht Gottes entstanden. Der Statthalter wurde von der Wahrheit der Lehre der Apostel überzeugt und nahm das Evangelium an. GNAT 128 1 Elymas war zwar kein gebildeter, aber ein für Satans Pläne besonders geeigneter Mann. Wer Gottes Wahrheit verkündigt, begegnet dem listigen Feind in vielfältiger Gestalt. Manchmal zeigt er sich in der Gestalt von Gelehrten, öfter aber bedient Satan sich ungebildeter Menschen, die er zu erfolgreichen Werkzeugen der Verführung von Menschen ausgebildet hat. Ein Diener Christi hat die Pflicht, in der Furcht Gottes und unter seiner Macht treu auf seinem Posten zu stehen. So kann er das Heer Satans in Verlegenheit bringen und im Namen des Herrn den Sieg erringen. Johannes Markus Gibt Auf GNAT 128 2 Paulus und seine Begleiter setzten ihre Reise fort und kamen nach Perge in Pamphylien. Auf ihrem beschwerlichen Weg wartete Mühsal und Entbehrung auf sie; überall lauerten Gefahren. In den Dörfern und Städten, durch die sie kamen, und auf einsamen Straßen waren sie von sichtbaren und unsichtbaren Bedrohungen umringt. Aber Paulus und Barnabas hatten gelernt, auf Gottes rettende Macht zu vertrauen. Ihr Herz war von hingebungsvoller Liebe zu verlorenen Sündern erfüllt. Als treue Hirten suchten sie die verlorenen Schafe und dachten dabei nicht an ihre eigene Annehmlichkeit und Bequemlichkeit. Sie stellten sich selbst zurück und gaben auch nicht auf, wenn sie müde waren, Hunger oder Kälte verspürten. Ihr Blick war nur auf das eine Ziel gerichtet: die Erlösung derer, die sich von der Herde verirrt hatten. GNAT 128 3 Hier geschah es, dass Markus sich von Angst und Entmutigung überwältigen ließ und seine Absicht, sich von ganzem Herzen dem Auftrag des Herrn zu widmen, eine Zeitlang ins Wanken geriet. Er war Schwierigkeiten nicht gewohnt und verzagte angesichts der Gefahren und Entbehrungen auf dem Weg. Unter günstigeren Umständen hatte er erfolgreich gearbeitet; nun aber, inmitten der Widerstände und Gefahren, die die Pioniere der Verkündigung so oft bedrängen, gelang es ihm nicht, sich in diesen Härten als guter Kämpfer des Kreuzes zu bewähren. Er musste erst noch lernen, Gefahren, Verfolgung und Beschwernisse tapferen Herzens zu ertragen. Als die Apostel weiter vorangingen und noch größere Schwierigkeiten zu befürchten waren, ließ sich Markus einschüchtern und verlor gänzlich den Mut. Er weigerte sich weiterzugehen und kehrte nach Jerusalem zurück. GNAT 128 4 Diese »Fahnenflucht« veranlasste Paulus, den jungen Markus eine Zeitlang nachteilig, ja streng zu beurteilen. Barnabas dagegen neigte dazu, das Verhalten aufgrund dessen Unerfahrenheit zu entschuldigen. Er war um Markus besorgt und wollte nicht, dass dieser den Missionsdienst aufgab, denn er sah in ihm Fähigkeiten, die ihn geeignet machen würden, ein nützlicher Diener Christi zu werden. Seine Sorge um Markus wurde in späteren Jahren reichlich belohnt, denn der junge Mann übergab sich rückhaltlos dem Herrn und verkündigte das Evangelium in schwierigen Wirkungsfeldern. Unter dem Segen Gottes und unter der weisen Anleitung von Barnabas entwickelte er sich zu einem wertvollen Mitarbeiter. GNAT 129 1 Paulus versöhnte sich später mit Markus und nahm ihn als Mitarbeiter auf. Er empfahl ihn auch den Kolossern als »Mitarbeiter am Reich Gottes«, der ihm »ein Trost geworden« war (Kolosser 4,10.11). Und noch einmal, kurz vor seinem eigenen Tode, sagte er, Markus sei ihm »nützlich zum Dienst« geworden (2. Timotheus 4,11). Die Erste Seelenernte GNAT 129 2 Nachdem Markus sie verlassen hatte, besuchten Paulus und Barnabas die Stadt Antiochia in Pisidien. Dort gingen sie »am Sabbat in die Synagoge und setzten sich. Nach der Lesung des Gesetzes und der Propheten aber schickten die Vorsteher der Synagoge zu ihnen und ließen ihnen sagen: Liebe Brüder, wollt ihr etwas reden und das Volk ermahnen, so sagt es« (Apostelgeschichte 13,14.15). Auf diese Einladung hin »stand Paulus auf und winkte mit der Hand und sprach: Ihr Männer von Israel und ihr Gottesfürchtigen, hört zu!« (Apostelgeschichte 13,16) Dann folgte eine hervorragende Rede. Paulus gab einen geschichtlichen Überblick darüber, wie Gott mit den Israeliten seit ihrer Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft umgegangen war und wie er ihnen den Retter aus dem »Samen Davids« verheißen hatte (2. Samuel 7,12). Freimütig erklärte er: »Aus dessen Geschlecht hat Gott, wie er verheißen hat, Jesus kommen lassen als Erlöser für das Volk Israel, nachdem Johannes, bevor Jesus auftrat, dem ganzen Volk Israel die Taufe der Buße gepredigt hatte. Als aber Johannes seinen Lauf vollendete, sprach er: Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet; aber siehe, er kommt nach mir, dessen Schuhriemen zu lösen ich nicht wert bin.« (Apostelgeschichte 13,23-25) So verkündigte er mit Vollmacht Jesus als Erlöser der Menschen, den Messias der Weissagungen. GNAT 129 3 Nach dieser Erklärung sagte Paulus: »Ihr Männer, liebe Brüder, ihr Söhne aus dem Geschlecht Abrahams und ihr Gottesfürchtigen, uns ist das Wort dieses Heils gesandt. Denn die Einwohner von Jerusalem und ihre Oberen haben, weil sie Jesus nicht erkannten, die Worte der Propheten, die an jedem Sabbat vorgelesen werden, mit ihrem Urteilsspruch erfüllt.« (Apostelgeschichte 13,26.27) GNAT 130 1 Paulus zögerte nicht, offen die Wahrheit bezüglich der Verwerfung des Erlösers durch die jüdischen Obersten auszusprechen. »Und obwohl sie nichts an ihm fanden, das den Tod verdient hätte«, so erklärte der Apostel, »baten sie doch Pilatus, ihn zu töten. Und als sie alles vollendet hatten, was von ihm geschrieben steht, nahmen sie ihn von dem Holz und legten ihn in ein Grab. Aber Gott hat ihn auferweckt von den Toten; und er ist an vielen Tagen denen erschienen, die mit ihm von Galiläa hinauf nach Jerusalem gegangen waren; die sind jetzt seine Zeugen vor dem Volk.« (Apostelgeschichte 13,28-31) GNAT 130 2 Der Apostel fuhr fort: »Und wir verkündigen euch die Verheißung, die an die Väter ergangen ist, dass Gott sie uns, ihren Kindern, erfüllt hat, indem er Jesus auferweckte; wie denn im zweiten Psalm geschrieben steht: ›Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.‹ [Psalm 2,7] Dass er ihn aber von den Toten auferweckt hat und ihn nicht der Verwesung überlassen wollte, hat er so gesagt: ›Ich will euch die Gnade, die David verheißen ist, treu bewahren‹ [Jesaja 55,3]. Darum sagt er auch an einer andern Stelle: ›Du wirst nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe.‹ [Psalm 16,10] Denn nachdem David zu seiner Zeit dem Willen Gottes gedient hatte, ist er entschlafen und zu seinen Vätern versammelt worden und hat die Verwesung gesehen. Der aber, den Gott auferweckt hat, der hat die Verwesung nicht gesehen.« (Apostelgeschichte 13,32-37) GNAT 130 3 Nachdem er so eindeutig von der Erfüllung bekannter Prophezeiungen über den Messias gesprochen hatte, predigte Paulus seinen Zuhörern Umkehr und die Vergebung der Sünden durch die Verdienste Jesu, ihres Erlösers. »So sei euch nun kundgetan, liebe Brüder, dass euch durch ihn Vergebung der Sünden verkündigt wird; und in all dem, worin ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerecht werden konntet, ist der gerecht gemacht, der an ihn glaubt.« (Apostelgeschichte 13,38.39) GNAT 130 4 Der Geist Gottes begleitete diese Worte, und Herzen wurden berührt. Paulus berief sich auf alttestamentliche Prophezeiungen und auf deren Erfüllung durch das Wirken von Jesus von Nazareth, was manchen Zuhörer überzeugte, der sich nach der Ankunft des verheißenen Messias sehnte. Die Zusicherung des Redners, dass die frohe Botschaft der Erlösung sowohl Juden als auch Heiden galt, löste bei denen Hoffnung und Freude aus, die wegen ihrer Abstammung nicht zu den Kindern Abrahams gezählt wurden. GNAT 130 5 »Als sie aber aus der Synagoge hinausgingen, baten die Leute, dass sie am nächsten Sabbat noch einmal von diesen Dingen redeten. Und als die Gemeinde auseinander ging, folgten viele Juden und gottesfürchtige Judengenossen dem Paulus und Barnabas.« Sie hatten die frohe Botschaft angenommen, die ihnen an jenem Tag verkündigt worden war. Die Apostel »sprachen mit ihnen und ermahnten sie, dass sie bleiben sollten in der Gnade Gottes« (Apostelgeschichte 13,42.43). Die Juden Werden Neidisch GNAT 131 1 Die Worte des Paulus hatten in Antiochia in Pisidien großes Interesse geweckt, und »am folgenden Sabbat ... kam fast die ganze Stadt zusammen, das Wort Gottes zu hören. Als aber die Juden die Menge sahen, wurden sie neidisch und widersprachen dem, was Paulus sagte, und lästerten. Paulus und Barnabas aber sprachen frei und offen: Euch musste das Wort Gottes zuerst gesagt werden; da ihr es aber von euch stoßt und haltet euch selbst nicht für würdig des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden. Denn so hat uns der Herr geboten: › Ich habe dich zum Licht der Heiden gemacht, damit du das Heil seist bis an die Enden der Erde.‹ Als das die Heiden hörten, wurden sie froh und priesen das Wort des Herrn, und alle wurden gläubig, die zum ewigen Leben bestimmt waren« (Apostelgeschichte 13,44-48; vgl. Jesaja 49,6). Sie waren überaus erfreut, dass Christus sie als Kinder Gottes anerkannte, und mit dankbaren Herzen hörten sie der Predigt zu. Wer gläubig geworden war, bemühte sich eifrig, die Evangeliumsbotschaft anderen mitzuteilen, und »das Wort des Herrn breitete sich aus in der ganzen Gegend« (Apostelgeschichte 13,49). GNAT 131 2 Schon Jahrhunderte zuvor hatte die göttliche Inspiration diese Sammlung der Völker niederschreiben lassen, aber jene Prophezeiungen waren nur zum Teil verstanden worden. Hosea hatte angekündigt: »Einst werden die Söhne Israels so zahlreich sein wie der Sand am Meer, der nicht zu messen und nicht zu zählen ist. Und statt dass man zu ihnen sagt: Ihr seid ›nicht mein Volk‹, wird man zu ihnen sagen: ›Die Söhne des lebendigen Gottes [seid ihr] .‹« (Hosea 2,1 EÜ) Und weiter: »Ich säe sie aus in meinem Land. Ich habe Erbarmen mit Lo-Ruhama [kein Erbarmen] und zu Lo-Ammi [nicht mein Volk] sage ich: Du bist mein Volk!, und er wird sagen: [Du bist] mein Gott!« (Hosea 2,25 EÜ) GNAT 131 3 Während seiner Lehrtätigkeit auf Erden sagte der Erlöser selbst die Ausbreitung des Evangeliums unter den Völkern voraus. Im Gleichnis von den Weingärtnern erklärte er den unbußfertigen Juden: »Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt.« (Matthäus 21,43) Und nach seiner Auferstehung beauftragte er seine Jünger, »in alle Welt« zu gehen und »alle Nationen zu Jüngern« zu machen (Matthäus 28,19). Sie sollten niemand in Unwissenheit lassen und »das Evangelium aller Kreatur« verkündigen (Markus 16,15). Zu Den Fremden Und Ausgeschlossenen GNAT 132 1 Obwohl sich Paulus und Barnabas im pisidischen Antiochia den Nichtjuden zuwandten, ließen beide nicht davon ab, sich anderswo um die Juden zu bemühen; und wo immer sich eine günstige Gelegenheit bot, versuchten sie, Gehör zu finden. Später in Thessalonich, Korinth, Ephesus und in anderen wichtigen Zentren verkündeten Paulus und seine Mitarbeiter das Evangelium sowohl Juden als auch Heiden. Aber von nun an setzten sie ihre Kraft hauptsächlich für die Verkündigung der Erlösungsbotschaft Gottes in heidnischen Gebieten ein, unter Völkern, die nur wenig oder gar keine Kenntnis des wahren Gottes und seines Sohnes hatten. GNAT 132 2 Das Herz des Paulus und seiner Gefährten war voller Mitgefühl für Menschen, die noch »ohne Christus« waren, »ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung«, die daher »keine Hoffnung« hatten und »ohne Gott in der Welt« waren (Epheser 2,12). Durch den unermüdlichen Dienst der Apostel unter den Nichtjuden lernten die »Gäste und Fremdlinge«, die »einst Ferne« waren, dass sie nun »Nahe geworden« waren »durch das Blut Christi« und dass sie durch den Glauben an sein versöhnendes Opfer »Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen« werden konnten (Epheser 2,13.19). GNAT 132 3 Paulus ging im Glauben voran und bemühte sich unaufhörlich unter denen, die von den Lehrern Israels vernachlässigt worden waren, um die Verkündigung der Erlösungsbotschaft. Beständig pries er Jesus Christus als »König aller Könige und Herr aller Herren« (1. Timotheus 6,15) und ermahnte die Gläubigen, »in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben« zu bleiben (Kolosser 2,7). GNAT 132 4 Allen Gläubigen ist Christus ein sicheres Fundament. Auf diesen lebendigen Stein können Juden und Heiden gleichermaßen bauen. Er ist groß genug für alle und stark genug, um die Last und Bürde der ganzen Welt zu tragen. Diese Tatsache hat Paulus selbst klar erkannt. In den letzten Tagen seines Missionsdienstes schrieb der Apostel an eine Gruppe von Heidenchristen, die in ihrer Liebe zur Evangeliumswahrheit standhaft geblieben waren: »So seid ihr nun ... erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist« (Epheser 2,19.20). GNAT 132 5 Als sich die Evangeliumsbotschaft in Pisidien ausbreitete, »hetzten« die ungläubigen Juden von Antiochia in ihrer blinden Voreingenommenheit »die gottesfürchtigen vornehmen Frauen und die angesehensten Männer der Stadt auf und stifteten eine Verfolgung an gegen Paulus und Barnabas und vertrieben sie aus ihrem Gebiet« (Apostelgeschichte 13,50). GNAT 133 1 Durch diese Behandlung ließen sich die Apostel nicht entmutigen. Sie erinnerten sich an die Worte ihres Meisters: »Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.« (Matthäus 5,11.12) GNAT 133 2 Die Evangeliumsbotschaft machte Fortschritte, und die Apostel hatten allen Grund, ermutigt zu sein. Ihre Arbeit unter den Pisidiern in Antiochia war reichlich gesegnet worden, und die Gläubigen, die sie zurückließen und die die Arbeit eine Zeitlang allein weiterführen mussten, »wurden mit Freude und Heiligem Geist erfüllt« (Apostelgeschichte 13,52 Elb.). ------------------------Kapitel 18 -- Heiden Hören Die Gute Nachricht GNAT 134 0 Apostelgeschichte 14,1-26. GNAT 134 1 Von Antiochia in Pisidien aus begaben sich Paulus und Barnabas nach Ikonion. Wie in Antiochia begannen sie auch in dieser Stadt mit ihrem Dienst in der Synagoge ihres eigenen Volkes. Ihr Erfolg war so bemerkenswert, dass »eine große Menge Juden und Griechen gläubig wurde« (Apostelgeschichte 14,1). Doch auch in Ikonion begegnete ihnen Gleiches wie in anderen Städten, wo die Apostel wirkten: »Die Juden aber, die ungläubig blieben, stifteten Unruhe und hetzten die Seelen der Heiden auf gegen die Brüder.« (Apostelgeschichte 14,2) GNAT 134 2 Die beiden Apostel ließen sich dadurch jedoch nicht von ihrer Aufgabe abbringen, zumal viele ja das Evangelium von Christus annahmen. Trotz Widerstand, Neid und Vorurteilen setzten sie ihren Dienst fort, »lehrten frei und offen im Vertrauen auf den Herrn, der das Wort seiner Gnade bezeugte und ließ Zeichen und Wunder geschehen durch ihre Hände« (Apostelgeschichte 14,3). Diese Beweise göttlicher Anerkennung übten einen gewaltigen Einfluss auf Menschen aus, die offen waren für die Überführung von Schuld, und die Zahl der zum Evangelium Bekehrten wuchs. Falsche Anschuldigungen Und Flucht GNAT 134 3 Die wachsende Popularität der Botschaft, die von den Aposteln verkündigt wurde, erfüllte die ungläubigen Juden mit Hass und Neid. Sie beschlossen deshalb, der Tätigkeit von Paulus und Barnabas schnellstens ein Ende zu bereiten. Durch falsche und übertriebene Berichte schürten sie bei den Behörden die Angst, die ganze Stadt stehe in Gefahr, zu einem Aufstand angestachelt zu werden. Sie erklärten, eine große Zahl von Menschen schlösse sich den Aposteln an, und unterstellten ihnen geheime und gefährliche Absichten. GNAT 135 1 Als Folge dieser Anklagen wurden die Jünger wiederholt der Obrigkeit vorgeführt. Ihre Verteidigung war aber so klar und vernünftig und ihre Erklärungen zu ihren Lehren so ruhig und ausführlich, dass sie die Gunst der Behörden bald auf ihrer Seite hatten. Obwohl die Richter durch die falschen Aussagen voreingenommen waren, wagten sie keine Verurteilung auszusprechen. Sie mussten zugeben, dass die Lehren von Paulus und Barnabas die Bürger der Stadt zu Rechtschaffenheit und Gesetzestreue anhielten. Sittlichkeit und Ordnung in der Stadt würden gefestigt, wenn die Wahrheiten, die diese Apostel verkündigten, Anklang fänden. GNAT 135 2 Der Widerstand, dem die Jünger begegneten, verhalf der Botschaft von der Wahrheit zu einem großen Bekanntheitsgrad. Die Juden mussten erkennen, dass ihre Hetze gegen die neuen Lehrer dem neuen Glauben nur noch mehr Anhänger zuführte. »Die Menge in der Stadt aber spaltete sich; die einen hielten's mit den Juden, die andern mit den Aposteln.« (Apostelgeschichte 14,4) GNAT 135 3 Weil nun die Dinge einen neuen Verlauf nahmen, gerieten die Leiter der Juden so sehr in Wut, dass sie beschlossen, ihr Ziel mit Gewalt zu erreichen. Sie provozierten die schlimmsten Leidenschaften eines unwissenden und lärmenden Pöbels und entfachten einen Aufruhr, dessen Ursache sie den Jüngern und deren Lehren in die Schuhe schoben. Durch diese falschen Anschuldigungen hofften sie, die Unterstützung der Behörden bei der Verwirklichung ihrer Absichten zu gewinnen. Sie entschieden, den Aposteln keine Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, sondern beabsichtigten, Paulus und Barnabas durch den Pöbel steinigen zu lassen und dadurch deren Dienst ein Ende zu bereiten. GNAT 135 4 Freunde, die nicht einmal gläubig waren, warnten die Apostel vor den arglistigen Absichten der Juden und drängten sie, sich nicht unnötigerweise der Wut des Mobs auszusetzen, sondern sich in Sicherheit zu bringen. Paulus und Barnabas verließen daraufhin Ikonion heimlich. Die Gläubigen mussten das Werk dort eine Zeitlang allein weiterführen. Es sollte aber kein endgültiger Abschied sein. Sie beabsichtigten zurückzukehren, sobald sich die Aufregung gelegt haben würde, um dann die begonnene Arbeit zu Ende zu führen. GNAT 135 5 Zu allen Zeiten und in jedem Land mussten Gottes Botschafter erbitterten Widerstand von Gegnern erleben, die den Rettungsplan Gottes bewusst ablehnten. Weil sie die Tatsachen verdrehten und Lügen verbreiteten, feierten die Feinde des Evangeliums oft vermeintliche Triumphe und verschlossen den Beauftragten Gottes Türen, durch die Menschen erreicht werden sollten. Aber diese Türen kann man nicht ewig verschlossen halten. Wenn die Botschafter nach einiger Zeit zurückkehrten und ihre Tätigkeit wieder aufnahmen, hatte der Herr oft machtvoll für sie gearbeitet, sodass sie nun Stätten zur Verehrung seines Namens errichten konnten. Ein Wunder Gottes Unter Heiden GNAT 136 1 Die Apostel, die wegen der Verfolgung aus Ikonion vertrieben worden waren, zogen nach Lystra und Derbe in Lykaonien. Diese Städte hatten eine überwiegend heidnische, abergläubische Bevölkerung. Es gab jedoch darunter einige Menschen, die bereit waren, die Evangeliumsbotschaft zu hören und anzunehmen. In diesen Städten und deren Umgebung wollten die Apostel arbeiten, wobei sie gleichzeitig hofften, jüdischer Voreingenommenheit und Verfolgung zu entgehen. GNAT 136 2 In Lystra gab es keine jüdische Synagoge, obwohl einige Juden in der Stadt lebten. Viele Einwohner dort verehrten ihre Götter in einem Tempel, der dem Zeus geweiht war. Als Paulus und Barnabas in der Stadt ankamen, die Menschen um sich scharten und ihnen die einfachen Wahrheiten des Evangeliums darlegten, versuchten viele, diese Lehren mit ihrer eigenen abergläubischen Zeusanbetung in Verbindung zu bringen. GNAT 136 3 Die Apostel bemühten sich, diesen Götzendienern eine Erkenntnis des Schöpfergottes und seines Sohnes, des Erlösers der Menschheit, zu vermitteln. Zuerst lenkten sie ihre Aufmerksamkeit auf Gottes wunderbare Werke: die Sonne, den Mond, die Sterne, die staunenswerte Ordnung der immer wiederkehrenden Jahreszeiten, die mächtigen schneebedeckten Berge, die hohen Bäume und viele andere Wunder der Natur. Sie alle offenbaren eine Genialität, die jedes menschliche Verständnis übersteigt. Indem sie auf die Werke des Allmächtigen hinwiesen, richteten sie die Gedanken dieser Heiden auf den großen Herrscher des Universums. GNAT 136 4 Nachdem sie den Bewohnern von Lystra die grundlegenden Wahrheiten über den Schöpfer erklärt hatten, sprachen die Apostel vom Sohn Gottes, der vom Himmel auf unsere Erde kam, weil er die Menschen liebt. Sie berichteten über sein Leben und seine Aufgabe, über seine Verwerfung durch diejenigen, zu deren Errettung er gekommen war, über seine Verurteilung und seine Kreuzigung, seine Auferstehung und Himmelfahrt sowie über seinen Dienst im Himmel als Fürsprecher für die Menschheit. So verkündigten Paulus und Barnabas im Geist und in der Kraft Gottes das Evangelium in Lystra. GNAT 136 5 Eines Tages, als Paulus von den Wundertaten Christi an Kranken und Leidenden berichtete, sah er unter seinen Zuhörern einen Gelähmten, der seine Augen fest auf ihn richtete, seine Worte annahm und glaubte. Paulus empfand Mitleid mit diesem Geplagten »und merkte, dass er glaubte, ihm könne geholfen werden« (Apostelgeschichte 14,9). Vor den versammelten Götzendienern befahl Paulus dem Gelähmten, sich aufrecht auf die Füße zu stellen. Bisher hatte der Kranke nur sitzen können. Nun gehorchte er augenblicklich dem Wort des Paulus, und zum ersten Mal in seinem Leben stand er auf seinen Füßen. Mit diesem Glaubenseinsatz erhielt er Kraft, und der bislang Gelähmte »sprang auf und ging umher« (Apostelgeschichte 14,10). Die AposteL Werden Vergöttert GNAT 137 1 »Als aber das Volk sah, was Paulus getan hatte, erhoben sie ihre Stimme und riefen auf Lykaonisch: Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu uns herabgekommen.« (Apostelgeschichte 14,11) Diese Aussage stimmte mit einer ihrer Überlieferungen aus alter Zeit überein, nach der die Götter gelegentlich die Erde besuchten. Wegen seines achtunggebietenden Aussehens, seiner würdevollen Körperhaltung und seines gütigen Gesichtsausdrucks wurde Barnabas vom Volk Zeus, der Göttervater, genannt. Von Paulus meinten sie, er sei Hermes, »weil er das Wort führte« (Apostelgeschichte 14,12), ernst, lebhaft und beredt warnte und ermahnte. GNAT 137 2 Das Volk von Lystra wollte unbedingt seine Dankbarkeit ausdrücken, und man überredete deshalb den Zeuspriester, er möge den Aposteln Ehre erweisen. »Der Priester des Zeus aus dem Tempel vor ihrer Stadt brachte Stiere und Kränze vor das Tor und wollte opfern samt dem Volk.« (Apostelgeschichte 14,13) Paulus und Barnabas, die sich zurückgezogen hatten, um Ruhe zu suchen, merkten von diesen Vorbereitungen nichts. Bald jedoch wurde ihre Aufmerksamkeit von Musik und den Rufen einer begeisterten Menschenmenge erregt, die zu ihrer Unterkunft gekommen war. GNAT 137 3 Als sich die Apostel über die Ursache dieses Besuchs und die damit zusammenhängende Erregung klar wurden, »zerrissen sie ihre Kleider und sprangen unter das Volk«, damit sie von ihrem Vorhaben abließen. Mit lauter, durchdringender Stimme, die den Lärm der Menge übertönte, zog Paulus ihre Aufmerksamkeit auf sich. Als sich der Tumult plötzlich legte, rief er: »Ihr Männer, was macht ihr da? Wir sind auch sterbliche Menschen wie ihr und predigen euch das Evangelium, dass ihr euch bekehren sollt von diesen falschen Göttern zu dem lebendigen Gott, der Himmel und Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht hat. Zwar hat er in den vergangenen Zeiten alle Heiden ihre eigenen Wege gehen lassen; und doch hat er sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat viel Gutes getan und euch vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, hat euch ernährt und eure Herzen mit Freude erfüllt.« (Apostelgeschichte 14,15-17) GNAT 138 1 Obwohl die Apostel ausdrücklich darauf hinwiesen, dass sie keine göttlichen Wesen seien, und Paulus sich bemühte, die Gedanken des Volkes auf den wahren Gott als das einzige anbetungswürdige Wesen zu lenken, war es fast unmöglich, diese Heiden von der Absicht abzuhalten, Opfer darzubringen. Ihre Überzeugung, diese Männer seien tatsächlich Götter, und ihre Begeisterung waren so groß, dass es ihnen äußerst schwer fiel, sich ihren Irrtum einzugestehen. Der biblische Bericht lautet: »Obwohl sie das sagten, konnten sie kaum das Volk davon abbringen, ihnen zu opfern.« (Apostelgeschichte 14,18) GNAT 138 2 Die Leute von Lystra argumentierten, dass sie die wunderwirkende Macht der Apostel mit eigenen Augen gesehen hätten. Sie hatten gesehen, wie ein Gelähmter, der noch nie gehen konnte, sich nun völliger Gesundheit und Kraft erfreute. Paulus musste große Überzeugungsarbeit leisten und das Volk sorgfältig über die Art seines Auftrags und den des Barnabas aufklären, nämlich, dass sie nur als Vertreter des himmlischen Gottes und seines Sohnes, des großen Heilers, gekommen waren. Erst danach ließen sich die Einwohner von Lystra von ihrem Vorhaben abbringen, den Aposteln zu opfern. Verfolgt Und Gesteinigt GNAT 138 3 Durch die Bosheit gewisser Juden aus Antiochia und Ikonion wurde dem Dienst des Paulus und des Barnabas plötzlich Einhalt geboten. Diese Juden hatten von den Erfolgen der Apostel in Lykaonien gehört und verfolgten sie nun. In Lystra gelang es ihnen schnell, die Bevölkerung mit ihrer eigenen gehässigen Gesinnung zu beeinflussen. Indem sie Tatsachen entstellten und Verleumdungen in Umlauf setzten, überzeugten sie dieselben Leuten, die Paulus und Barnabas vor kurzem noch als göttliche Wesen betrachtet hatten, dass diese in Wahrheit schlimmer als Mörder seien und den Tod verdienten. GNAT 138 4 Die Enttäuschung darüber, dass ihnen das besondere Vorrecht verwehrt worden war, den Aposteln ein Opfer darzubringen, hatte die Leute von Lystra auf eine Kehrtwendung gegenüber Paulus und Barnabas vorbereitet. Sie engagierten sich dabei ähnlich intensiv wie vormals, als sie die Apostel als Götter bejubelt hatten. Durch die Juden aufgehetzt planten sie Gewalttätigkeiten gegen die Apostel. Die Juden beschworen das Volk, Paulus keine Gelegenheit zum Reden zu geben; andernfalls - so behaupteten sie - würde er das Volk verzaubern. GNAT 138 5 Bald darauf wurde der mörderische Plan der Gegner des Evangeliums in die Tat umgesetzt. Die Einwohner von Lystra gaben dem Einfluss des Bösen nach und wurden von satanischer Wut erfasst. Sie ergriffen Paulus und steinigten ihn erbarmungslos. Der Apostel glaubte, sein Ende sei gekommen. Lebhaft erinnerte er sich an den Märtyrertod des Stephanus und die grausame Rolle, die er selbst dabei gespielt hatte. Mit Blutergüssen bedeckt und halb ohnmächtig vor Schmerzen fiel er zu Boden, und die aufgewiegelten Massen »schleiften ihn zur Stadt hinaus und meinten, er wäre gestorben« (Apostelgeschichte 14,19). GNAT 139 1 Die Schar der Gläubigen in Lystra, die durch die Verkündigung von Paulus und Barnabas zum Glauben an Jesus bekehrt worden war, blieb auch in dieser dunklen und schweren Stunde standhaft und treu. Der vernunftlose Widerstand und die grausame Verfolgung durch ihre Feinde bestärkten den Glauben dieser frommen Geschwister nur noch mehr. Trotz Spott und Gefahr versammelten sie sich tief bekümmert um den Totgeglaubten. GNAT 139 2 Welch eine Überraschung war es, als der Apostel mitten in ihrem Wehklagen plötzlich seinen Kopf hob und mit einem Lobpreis Gottes auf den Lippen aufstand! Diese unerwartete Wiederherstellung der Gesundheit von Paulus war für die Gläubigen ein Wunder der göttlichen Macht und erschien ihnen als himmlische Bestätigung ihrer Bekehrung. Unaussprechliche Freude erfüllte sie, und mit neuem Glaubensmut priesen sie Gott. GNAT 139 3 Unter denen, die sich in Lystra bekehrt hatten und die Leiden des Paulus mit ansehen mussten, war ein junger Mann namens Timotheus. Er sollte später ein bedeutender Mitarbeiter im Werk Christi werden und die Nöte und Freuden der Pionierarbeit in schwierigen Gebieten mit dem Apostel teilen. Als Paulus aus der Stadt geschleift wurde, befand sich dieser Jünger unter der Menge, die sich um den scheinbar leblosen Körper scharte. Er sah, wie Paulus sich erhob, verletzt und blutüberströmt, aber mit Lobesworten auf den Lippen, weil er um Christi willen hatte leiden dürfen. Grundungen Von Gemeinden GNAT 139 4 Am Tag nach der Steinigung des Paulus machten sich die Apostel auf den Weg nach Derbe. Dort wurde ihr Dienst gesegnet. Viele Menschen bekehrten sich zu Christus und nahmen ihn als ihren Erlöser an. »Sie predigten dieser Stadt das Evangelium und machten viele zu Jüngern.« (Apostelgeschichte 14,21) Paulus und Barnabas brachten es nicht über sich, in einer anderen Stadt die Arbeit aufzunehmen, ohne zuvor den Glauben jener neu Bekehrten gestärkt zu haben. Sie mussten sie ja an jenen Orten, in denen sie kürzlich gearbeitet hatten, eine Zeit lang allein lassen. Unerschrocken »kehrten sie zurück nach Lystra, Ikonion und Antiochia, stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu bleiben« (Apostelgeschichte 14,21.22). Viele hatten die frohe Botschaft des Evangeliums angenommen und sich dadurch den Schmähungen und der Feindschaft ihrer Mitbürger ausgesetzt. Diese Gläubigen wollten die Apostel stärken, damit die Früchte ihrer Arbeit bestehen blieben. GNAT 140 1 Um die Neubekehrten in ihrem geistlichen Wachstum zu fördern, waren die Apostel sorgfältig darauf bedacht, sie mit einer Ordnung zu schützen, die dem Evangelium angemessen war. Überall, wo es in Lykaonien und Pisidien Gläubige gab, wurden Gemeinden organisiert. In jeder Gemeinde wurden Verantwortliche bestimmt und eine angemessene und zweckdienliche Ordnung eingeführt, damit alle Angelegenheiten, die das geistliche Wohl der Gläubigen betrafen, geregelt würden. GNAT 140 2 Dies entsprach den Richtlinien des Evangeliums, nach denen alle Christusgläubigen in einer Körperschaft zusammengefasst werden sollten. Dieses Ziel verfolgte Paulus gewissenhaft während seines ganzen Dienstes. Alle Menschen, die an irgendeinem Ort aufgrund seiner Bemühungen Christus als Erlöser annahmen, wurden zu gegebener Zeit zu einer Gemeinde zusammengefasst. Das geschah auch dort, wo es nur wenige Gläubige gab. Auf diese Weise wurden die Christen gelehrt, einander zu helfen und stets die Verheißung Christi in Erinnerung zu behalten: »Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.« (Matthäus 18,20) GNAT 140 3 Und Paulus vergaß die Gemeinden nicht, die er auf diese Weise gegründet hatte. Sie lagen ihm zeit seines Lebens in zunehmenden Maße am Herzen. Mochte eine Gruppe auch noch so klein sein, war sie doch Gegenstand seiner beständigen Fürsorge. Er nahm sich liebevoll der kleinen Gemeinden an im Bewusstsein, dass diese seine besondere Unterstützung brauchten. Er war darauf bedacht, ihre Mitglieder gründlich in der Erkenntnis zu festigen, dass Christus der Erlöser ist, und auch lernten, sich ernsthaft und uneigennützig um die Menschen ihrer Umgebung zu kümmern. GNAT 140 4 Bei all ihrer missionarischen Arbeit waren Paulus und Barnabas stets bestrebt, dem Beispiel Christi in seiner Opferbereitschaft zu folgen und treu und ernstlich für die Errettung der Menschen zu wirken. Sie waren wachsam, eifrig und unermüdlich. Sie richteten sich nicht nach persönlichen Neigungen oder eigenen Bequemlichkeiten, sondern streuten unter ernstem Gebet und mit ausdauernder Tatkraft die Saat der Wahrheit aus. Und während sie Gottes Rettungsplan für die Menschen verbreiteten, waren die Apostel stets bestrebt, dass alle, die sich auf die Seite des Evangeliums stellten, praktische Anweisungen von unschätzbaren Wert erhielten. Diese Ernsthaftigkeit und Gottesfurcht der Apostel hinterließ bei den neuen Jüngern einen bleibenden Eindruck bezüglich der Wichtigkeit der Evangeliumsbotschaft. GNAT 141 1 Wenn verheißungsvolle und fähige Personen wie Timotheus zum Glauben kamen, bemühten sich Paulus und Barnabas ernstlich, ihnen die Dringlichkeit der Arbeit im Weinberg Gottes vor Augen zu führen. Mussten die Apostel dann an einen anderen Ort weiterziehen, versagte der Glaube dieser Männer nicht, sondern nahm sogar zu. Sie waren gewissenhaft in den Lehren des Herrn unterwiesen worden und hatten gelernt, sich selbstlos, ernst und beharrlich für die Erlösung ihrer Mitmenschen einzusetzen. Diese gründliche Unterweisung von Neubekehrten war ein wichtiger Faktor für den bemerkenswerten Erfolg, der Paulus und Barnabas begleitete, als sie das Evangelium in heidnischen Ländern predigten. GNAT 141 2 Die erste Missionsreise näherte sich schnell ihrem Ende. Die Apostel überließen die Sorge um die neugegründeten Gemeinden dem Herrn, »zogen durch Pisidien und kamen nach Pamphylien und sagten das Wort in Perge und zogen hinab nach Attalia. Und von da fuhren sie mit dem Schiff nach Antiochia.« (Apostelgeschichte 14,24-26) ------------------------Kapitel 19 -- Juden Und Heidenchristen GNAT 142 0 Apostelgeschichte 14,26 bis 15,35. GNAT 142 1 Nachdem Paulus und Barnabas wieder Antiochia in Syrien erreicht hatten, von wo sie zu ihrer Missionsreise ausgesandt worden waren, nahmen sie die erste Gelegenheit wahr, die Gläubigen zusammenzurufen, um ihnen zu berichten, »wie viel Gott durch sie getan und wie er den Heiden die Tür des Glaubens aufgetan hätte« (Apostelgeschichte 14,27). Antiochia hatte eine große und wachsende Gemeinde. Sie war ein Zentrum missionarischer Aktivitäten und eine der bedeutendsten Gemeinschaften gläubiger Christen. Ihre Glieder waren sowohl jüdischer als auch heidnischer Herkunft und gehörten den verschiedensten Bevölkerungsschichten an. Streit Um Die Beschneidung GNAT 142 2 Während sich die Apostel zusammen mit den Ältesten und Gemeindegliedern in Antiochia ernsthaft darum bemühten, viele Menschen für Christus zu gewinnen, warfen einige Gläubige aus Judäa, die früher der »Partei der Pharisäer« angehört hatten, eine Frage auf, die bald zu ausgedehnten Streitigkeiten in der Gemeinde führte und Bestürzung unter den Heidenchristen hervorrief. Mit großer Bestimmtheit beteuerten diese judaisierenden Lehrer, man müsse sich beschneiden lassen und das gesamte Zeremonialgesetz halten, um gerettet zu werden (Apostelgeschichte 15,5). GNAT 142 3 Paulus und Barnabas wiesen diese falsche Lehre umgehend zurück und lehnten es ab, die Angelegenheit vor die Nichtjuden zu bringen. Andererseits stimmten viele der christusgläubigen Juden dem Standpunkt der kürzlich aus Judäa gekommenen Brüder zu. GNAT 142 4 Die jüdischen Bekehrten waren im Allgemeinen nicht geneigt, so schnell mitzuziehen, wie Gottes Vorsehung den Weg bereitete. Weil die Apostel bei ihrer Arbeit unter den Nichtjuden so viel Erfolg hatten, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Bekehrten aus diesen Völkern die jüdischen Bekehrten an Zahl bei Weitem übertreffen würden. Die Juden befürchteten, dass ihre Identität als Volk, die sie bis dahin von allen anderen Völkern unterschieden hatte, bei jenen, die die Evangeliumsbotschaft annahmen, schließlich untergehen würde. Um dies zu vermeiden, müssten die Heiden als Vorbedingung für die Aufnahme in die Gemeinde auf die Einschränkungen und Zeremonien des jüdischen Gesetzes verpflichtet werden. GNAT 143 1 Die Juden hatten sich stets ihrer göttlich verordneten Opferdienste gerühmt. Viele unter denen, die zum Glauben an Christus bekehrt worden waren, beriefen sich darauf, dass Gott einst klar definierte Formen für die israelitische Art der Anbetung bestimmt hatte. Deshalb sei es doch unwahrscheinlich, dass er jemals eine Änderung in irgendeinem Detail dieser Dienste zulassen würde. Sie beharrten darauf, dass die jüdischen Gesetze und Zeremonien in die Riten der christlichen Religion aufzunehmen seien. Sie brauchten einige Zeit, um zu erkennen, dass all die Tieropfer nur Hinweise auf das Opfer des Gottessohnes gewesen waren. In dessen Kreuzestod wurde das vorausweisende Sinnbild die erfüllte Wirklichkeit - in biblischer Sprache: der »Typus« wurde durch den »Antitypus« erfüllt und danach waren die Riten und Zeremonien des mosaischen Zeitalters nicht mehr bindend. GNAT 143 2 Vor seiner Bekehrung hatte sich Paulus »nach der Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert«, für »untadelig« gehalten (Philipper 3,6). Seit seiner Bekehrung jedoch hatte er eine klare Erkenntnis über das Wirken Christi als des Erlösers der ganzen Menschheit - der Heiden wie der Juden - gewonnen, und er hatte den Unterschied zwischen lebendigem Glauben und totem Formalismus begriffen. Im Licht des Evangeliums hatten die den Israeliten anvertrauten alten Riten und Zeremonien eine neue und tiefere Bedeutung erlangt. Was sie vorausweisend bildlich dargestellt hatten, war Wirklichkeit geworden, und die Gläubigen, die unter dem Neuen Bund des Evangeliums lebten, waren von der Einhaltung dieser Zeremonien befreit. Gottes unabänderliches Gesetz der Zehn Gebote jedoch behielt für Paulus weiterhin sowohl nach dem Geist als auch nach dem Buchstaben seine Gültigkeit. GNAT 143 3 Die eingehende Prüfung der Frage der Beschneidung löste in der Gemeinde Antiochia viele Debatten und Streitgespräche aus. Um zu vermeiden, dass es bei anhaltenden Diskussionen am Ende zu einer Spaltung der Gemeinde kam, entschieden die Gemeindeglieder schließlich, Paulus, Barnabas und einige andere Verantwortungsträger der Gemeinde nach Jerusalem zu senden, um die Angelegenheit den Aposteln und Ältesten zu unterbreiten. Sie sollten dort mit Vertretern der verschiedenen Gemeinden und mit anderen Brüdern sprechen, die zu den bevorstehenden Festtagen nach Jerusalem gekommen waren. In der Zwischenzeit sollte jeder Streit ruhen, bis in einer Gesamtversammlung eine endgültige Entscheidung getroffen war. Diese sollte dann von den verschiedenen Gemeinden überall im Land angenommen werden. GNAT 144 1 Auf ihrem Weg nach Jerusalem besuchten die Apostel die Gläubigen in den Städten, durch die sie reisten, und ermutigten sie durch ihre Erfahrungen im Werk Gottes und ihre Berichte von der Bekehrung der Heiden. GNAT 144 2 In Jerusalem kamen die Abgesandten aus Antiochia mit den Brüdern aus anderen Gemeinden zu einem Konzil zusammen. Sie berichteten ihnen von den Erfolgen, die ihren Dienst unter den Heiden begleiteten. Dann schilderten sie anschaulich die Verwirrung, die dadurch entstanden war, dass einige bekehrte Pharisäer nach Antiochia gekommen waren und gelehrt hatten, dass die Bekehrten aus dem Heidentum beschnitten werden sollten und das Gesetz des Mose einhalten müssten, um gerettet zu werden. Weitere Streitfragen GNAT 144 3 Diese Frage wurde in der Versammlung eingehend erörtert. Eng mit der Frage der Beschneidung waren einige andere Themen verbunden, die ebenfalls nach sorgfältigem Studium verlangten. Eines davon war, welche Haltung man zum Genuss von Götzenopferfleisch einnehmen sollte. Viele Heidenchristen lebten unter unwissenden und abergläubischen Menschen, die den Götzen häufig Opfer darbrachten. Die Priester dieser heidnischen Kulte führten einen ausgedehnten Handel mit den Opfergaben, die man ihnen brachte. Die Judenchristen befürchteten nun, dass die bekehrten Heiden das Christentum in Verruf bringen könnten, denn sie würden durch den Kauf von Fleisch, das den Götzen geopfert worden war, in gewisser Hinsicht götzendienerische Bräuche billigen. GNAT 144 4 Außerdem waren die Heiden gewöhnt, das Fleisch von erstickten Tieren zu essen, während die Juden von Gott die Anweisung erhalten hatten, beim Schlachten für Nahrungszwecke besonders darauf zu achten, das Blut der geschlachteten Tiere sofort ausfließen zu lassen; sonst würde das Fleisch nicht als gesund angesehen werden. Gott hatte den Juden diese Anordnungen zur Erhaltung ihrer Gesundheit gegeben. Sie sahen es daher als Sünde an, Blut als Nahrungsmittel zu verwenden. Blut war für sie das Leben, und Blutvergießen war eine Folge der Sünde. GNAT 144 5 Die Heiden dagegen fingen das Blut der Opfertiere auf und verwendeten es, um damit Speisen zuzubereiten. Die Juden konnten nicht glauben, dass sie diese Bräuche ändern sollten, da sie diese doch auf Gottes besondere AnWeisung hin angenommen hatten. So wie die Dinge standen, wäre es für Juden daher schockierend und empörend gewesen, mit Nichtjuden zusammen am gleichen Tisch zu essen. GNAT 145 1 Die Heiden, besonders die Griechen, führten oft ein ausschweifendes Leben. Da bestand natürlich die Gefahr, dass manche, die in ihrem Innersten noch unbekehrt waren, ein Glaubensbekenntnis ablegten, ohne ihre verwerflichen Praktiken aufzugeben. Judenchristen konnten die Unmoral nicht tolerieren, die bei den Heiden nicht einmal als strafbar galt. Die Judenchristen hielten es deshalb für höchst angebracht, von den bekehrten Nichtjuden die Beschneidung und die Einhaltung des Zeremonialgesetzes als Beweis ihrer Aufrichtigkeit und Frömmigkeit zu fordern. Sie glaubten, so zu verhindern, dass sich Menschen ohne echte innere Bekehrung der Gemeinde anschlössen und durch Unmoral und Ausschweifung der Sache Christi schadeten. GNAT 145 2 Die verschiedenen Punkte, die mit der strittigen Hauptfrage eng verknüpft waren, schienen der beratenden Versammlung unüberwindbare Schwierigkeiten zu bereiten. Der Heilige Geist hatte die Frage allerdings schon geregelt, von der das Gedeihen, wenn nicht sogar das Bestehen der christlichen Gemeinde anscheinend abhing. Petrus Berichtet Seine Erfahrungen GNAT 145 3 »Als man sich aber lange gestritten hatte, stand Petrus auf und sprach zu ihnen: Ihr Männer, liebe Brüder, ihr wisst, dass Gott vor langer Zeit unter euch bestimmt hat, dass durch meinen Mund die Heiden das Wort des Evangeliums hörten und glaubten.« (Apostelgeschichte 15,7) Er argumentierte, dass der Heilige Geist die strittige Angelegenheit schon gelöst habe, als er mit gleicher Macht auf die unbeschnittenen Heiden und die beschnittenen Juden herabkam. Er erwähnte nochmals seine Vision, in der Gott vor ihm ein Tuch mit allerlei vierfüßigen Tieren ausgebreitet und ihn dann aufgefordert hatte, sie zu schlachten und zu essen. Als er sich weigerte und bekräftigte, er habe noch nie etwas Gemeines oder Unreines gegessen, sei die Antwort gewesen: »Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.« (Apostelgeschichte 10,15) GNAT 145 4 Petrus berichtete von der unmissverständlichen Bedeutung dieser Worte, die ihm beinahe unmittelbar danach in der Aufforderung gegeben worden war, zu dem römischen Hauptmann zu gehen und ihn im Glauben an Christus zu unterweisen. Diese Botschaft habe gezeigt, dass vor Gott kein Ansehen der Person gelte, sondern dass er alle Menschen annehme und anerkenne, die Ehrfurcht vor ihm haben. Petrus erzählte auch von seiner eigenen Überraschung im Hause des Kornelius: Noch während er selbst den dort Versammelten die Worte der Wahrheit verkündete, wurde er Zeuge davon, wie der Heilige Geist seine Zuhörer ergriff - die Nichtjuden genauso wie zuvor die Juden. Das gleiche Licht und dieselbe Herrlichkeit, welche beschnittene Juden erleuchtet hatte, erstrahlten nun auch über dem Angesicht der unbeschnittenen Heiden. Dies sei Gottes Warnung an Petrus gewesen, er solle keinen Menschen geringer achten als einen anderen, denn das Blut Christi könne von aller Unreinheit rein machen. GNAT 146 1 Schon früher einmal hatte sich Petrus mit seinen Glaubensbrüdern über die Bekehrung des Kornelius und seiner Freunde sowie über seinen Umgang mit ihnen ausgesprochen. Als er bei jener Gelegenheit erzählt hatte, wie damals der Heilige Geist über die Heiden kam, sagte er: »Wenn nun Gott ihnen die gleiche Gabe gegeben hat wie auch uns, die wir zum Glauben gekommen sind an den Herrn Jesus Christus: wer war ich, dass ich Gott wehren konnte?« (Apostelgeschichte 11,17) Mit gleichem Eifer und Nachdruck sagte er jetzt: »Gott, der die Herzen kennt, hat es bezeugt und ihnen den Heiligen Geist gegeben wie auch uns, und er hat keinen Unterschied gemacht zwischen uns und ihnen, nachdem er ihre Herzen gereinigt hatte durch den Glauben. Warum versucht ihr denn nun Gott dadurch, dass ihr ein Joch auf den Nacken der Jünger legt, das weder unsre Väter noch wir haben tragen können?« (Apostelgeschichte 15,8-10) Dieses Joch war nicht das Gesetz der Zehn Gebote, wie einige Gegner der verbindlichen Forderungen des Gesetzes behaupten. Petrus bezog sich hier auf das Zeremonialgesetz, das durch die Kreuzigung Jesu null und nichtig geworden ist. Gemeinsame Entscheidung GNAT 146 2 Die Ansprache des Petrus hatte zur Folge, dass die Versammelten dahin gebracht wurden, nun mit Geduld Paulus und Barnabas zuzuhören, die von ihren Erfahrungen bei der Arbeit für die Nichtjuden erzählten. »Da schwieg die ganze Menge still und hörte Paulus und Barnabas zu, die erzählten, wie große Zeichen und Wunder Gott durch sie getan hatte unter den Heiden.« (Apostelgeschichte 15,12) GNAT 146 3 Auch Jakobus trug mit Entschiedenheit sein Zeugnis vor und erklärte, dass es Gottes Absicht sei, den Heiden die gleichen Rechte und Segnungen zu schenken, wie sie den Juden gewährt worden waren. GNAT 146 4 Dem Heiligen Geist »gefiel es« (Apostelgeschichte 15,28), den Bekehrten aus den Heiden das Zeremonialgesetz nicht aufzuerlegen, und die Gesinnung der Apostel stimmte mit dem Geist Gottes überein. Jakobus führte den Vorsitz der Beratung, und seine endgültige Entscheidung lautete: »Darum meine ich, dass man denen von den Heiden, die sich zu Gott bekehren, nicht Unruhe mache.« (Apostelgeschichte 15,19) GNAT 147 1 Mit diesen Worten wurde die Diskussion beendet. Dieses Beispiel widerlegt das römisch-katholische Dogma, Petrus sei das Haupt der Kirche gewesen. Diejenigen, die behauptet haben, als Päpste seine Nachfolger zu sein, besitzen für ihre Ansprüche keine biblische Grundlage. Nichts im Leben des Petrus bestätigt die Behauptung, er sei als Stellvertreter Christi über seine Brüder gestellt worden. Wenn diejenigen, die man als Nachfolger Petri bezeichnet, seinem Beispiel gefolgt wären, hätten sie sich stets damit begnügt, ihren Brüdern gleich zu sein (vgl. 1. Petrus 5,1). GNAT 147 2 In diesem Falle war es Jakobus, den man dazu ausersehen hatte, die Entscheidung, zu der die Ratsversammlung gekommen war, zu verkündigen. Es war sein Entscheid, dass das Zeremonialgesetz und insbesondere der Ritus der Beschneidung den Nichtjuden weder dringend nahegelegt noch empfohlen werden sollte. Jakobus bemühte sich, seinen Glaubensbrüdern verständlich zu machen, dass die Nichtjuden bereits durch die Hinwendung zu Gott eine große Veränderung in ihrem Leben vollzogen hätten. Deshalb müsse man mit großer Behutsamkeit vorgehen, um sie nicht mit verwirrenden und zweifelhaften Fragen von geringerer Bedeutung zu beunruhigen, damit sie in ihrer Christusnachfolge nicht entmutigt würden. GNAT 147 3 Die Bekehrten aus den Heiden sollten jedoch diejenigen Bräuche aufgeben, die sich mit den Grundsätzen des Christentums nicht vereinbaren ließen. Die Apostel und Ältesten kamen deshalb überein, die Heiden brieflich anzuweisen, sich zu enthalten »vom Götzenopfer und vom Blut und vom Erstickten und von Unzucht« (Apostelgeschichte 15,29). Sie sollten aufgefordert werden, diese Gebote zu halten und ein heiliges Leben zu führen. Außerdem sollte ihnen versichert werden, dass die Männer, welche die Beschneidung für verbindlich erklärt hatten, nicht von den Aposteln zu dieser Erklärung ermächtigt gewesen seien. GNAT 147 4 Paulus und Barnabas wurden ihnen als Männer empfohlen, die ihr Leben für den Herrn aufs Spiel gesetzt hatten. Judas und Silas wurden mit diesen Aposteln zu den »Brüdern aus den Heiden« gesandt, um ihnen die Entscheidung der Ratsversammlung mündlich mitzuteilen (Apostelgeschichte 15,23). »Denn es gefällt dem Heiligen Geist und uns, euch weiter keine Last aufzuerlegen als nur diese notwendigen Dinge: dass ihr euch enthaltet vom Götzenopfer und vom Blut und vom Erstickten und von Unzucht. Wenn ihr euch davor bewahrt, tut ihr recht.« (Apostelgeschichte 15,28.29) Die vier Diener Gottes wurden mit einem Sendschreiben nach Antiochia gesandt, dessen Inhalt alle Streitigkeiten beenden sollte, denn es war die Stimme der höchsten Autorität auf der Erde. Entscheidung Durch Ein Repräsentatives Gremium GNAT 148 1 Die Versammlung, die über diese Angelegenheit entschied, setzte sich aus Aposteln und Lehrern zusammen, die bei der Gründung der jüdischen und nichtjüdischen Christengemeinden führend gewesen waren. Dazu kamen gewählte Vertreter aus verschiedenen Gegenden. Älteste aus Jerusalem und Abgesandte aus Antiochia waren zugegen - Vertreter der einflussreichsten Gemeinden. Die Versammlung handelte in Übereinstimmung mit den Prinzipien eines erleuchteten Urteilsvermögens und mit der Würde einer nach Gottes Willen gegründeten Gemeinde. Als Ergebnis ihrer Beratungen erkannten sie alle, dass Gott selbst die zur Debatte stehende Frage damit beantwortet hatte, dass er den Nichtjuden den Heiligen Geist verliehen hatte. Und sie erkannten, dass es ihre Aufgabe war, der Leitung des Geistes zu folgen. GNAT 148 2 Nicht die Christenheit als Ganzes wurde aufgefordert, über diese Frage abzustimmen, sondern die »Apostel und Ältesten«, Männer von Einfluss und Urteilskraft. Sie formulierten und gaben den Beschluss heraus, der daraufhin von allen christlichen Gemeinden angenommen wurde. Allerdings freuten sich nicht alle über diese Entscheidung. Eine Gruppe ehrgeiziger und selbstgefälliger Brüder war anderer Meinung. Diese Männer nahmen sich das Recht heraus, in eigener Verantwortung im Werk tätig zu sein. Sie murrten und nörgelten und legten neue Pläne vor, um das Werk der Männer niederzureißen, die Gott zur Verkündigung der Evangeliumsbotschaft berufen hatte. Von Anfang an gab es in der Gemeinde solche Hindernisse, und bis zum Ende der Zeit wird es so bleiben. GNAT 148 3 Jerusalem war die Hauptstadt der Juden, und gerade dort waren Ausschließlichkeitsdenken und religiöse Engstirnigkeit am meisten verbreitet. Die Judenchristen, die dort in Sichtweite des Tempels wohnten, beschäftigten sich gedanklich natürlich oft mit den besonderen Vorrechten der Juden als Nation. Als sie bemerkten, wie sich die christliche Gemeinde von den Zeremonien und Überlieferungen des Judentums entfernte, und als sie spürten, dass die besondere Heiligkeit, mit der die jüdischen Bräuche gepflegt worden waren, im Licht des neuen Glaubens bald aus dem Blickfeld verschwinden würde, wurden viele über Paulus ungehalten, der ihrer Ansicht nach diese Veränderung vor allem veranlasst hatte. Nicht einmal alle Jünger waren geneigt, die Entscheidung des Konzils bereitwillig anzunehmen. Manche eiferten für das Zeremonialgesetz und betrachteten Paulus mit Missfallen, weil sie fanden, dass er in seiner Prinzipientreue gegenüber den Forderungen des jüdischen Gesetzes nachlässig geworden sei. GNAT 149 1 Die klaren und weitreichenden Entscheidungen des allgemeinen Konzils brachte Vertrauen in die Reihen der Gläubigen aus dem Heidentum, und das Werk Gottes gedieh. Die Gemeinde in Antiochia hatte den Vorteil, dass Judas und Silas anwesend waren, die Sonderbotschafter, die mit den Aposteln von der Konferenz in Jerusalem nach Antiochia zurückgekehrt waren. Sie, »die selbst Propheten waren, ermahnten die Brüder mit vielen Reden und stärkten sie« (Apostelgeschichte 15,32). Einige Zeit hielten sich diese frommen Männer noch in Antiochia auf. »Paulus und Barnabas aber blieben in Antiochia, lehrten und predigten mit vielen andern das Wort des Herrn.« (Apostelgeschichte 15,35) Petrus Wankt In Antiochia GNAT 149 2 Als Petrus zu einem späteren Zeitpunkt Antiochia besuchte, ging er sehr besonnen mit den bekehrten Nichtjuden um und gewann damit das Zutrauen vieler. Eine Zeitlang handelte er in Übereinstimmung mit der Erkenntnis, die Gott ihm geschenkt hatte. Er überwand sogar sein natürliches Vorurteil und setzte sich mit bekehrten Heiden an einen Tisch. Als aber gewisse jüdische Eiferer für das Zeremonialgesetz aus Jerusalem kamen, änderte Petrus in unkluger Weise sein Verhalten gegenüber den Bekehrten aus dem Heidentum. »Daraufhin verhielten sich die anderen Juden genauso heuchlerisch, und sogar Barnabas ließ sich von ihnen beeinflussen.« (Galater 2,13 NLB) Dieser offensichtliche Mangel an Standfestigkeit bei denen, die man als Leiter geehrt und geliebt hatte, hinterließ bei den Heidenchristen einen äußerst schmerzlichen Eindruck. Der Gemeinde drohte eine Spaltung. Als Paulus die zerrüttende Wirkung des Unrechts sah, das der Gemeinde durch das Doppelspiel des Petrus angetan wurde, tadelte er ihn frei heraus, weil er damit seine wahre Gesinnung verberge. In Gegenwart der Gemeinde fragte er ihn: »Wenn du als gebürtiger Jude die jüdischen Gesetze hinter dir gelassen hast und wie ein Nichtjude lebst, warum verlangst du dann von diesen Nichtjuden, die jüdischen Gesetze zu befolgen, die du aufgegeben hast?« (Galater 2,14 NLB) GNAT 149 3 Petrus sah seinen Irrtum ein und setzte umgehend alles daran, den angerichteten Schaden wieder gut zu machen. Gott, der das Ende schon von Anfang an kennt, hatte es zugelassen, dass Petrus eine solche Charakterschwäche zeigte. Der erfahrene Apostel sollte erkennen, dass es in ihm nichts gab, dessen er sich rühmen könnte. Sogar die besten Menschen können irren, wenn sie sich selbst überlassen sind. Gott sah auch voraus, dass sich in späterer Zeit manche verleiten lassen würden, für Petrus und seine angeblichen Nachfolger Rechte zu beanspruchen, die allein Gott zustehen. Dieser Bericht von der Schwäche des Apostels sollte ein bleibender Nachweis seiner Fehlbarkeit sein und belegen, dass er keineswegs über den anderen Aposteln stand. GNAT 150 1 Diese Geschichte über das Abweichen von richtigen Grundsätzen ist eine ernste Warnung für Menschen in Vertrauensstellungen im Werk Gottes. Ihre moralische Integrität muss außer Zweifel stehen, sie müssen prinzipientreu sein. Je größer die Verantwortungen sind, die einem Menschen übertragen werden, und je mehr Kompetenzen er hat, Weisungen zu erteilen und Macht auszuüben, desto größeren Schaden wird er anrichten, wenn er nicht sorgfältig dem Weg des Herrn folgt und im Einklang mit den Entscheidungen handelt, die ein allgemeines Gremium von Gläubigen in gemeinsamer Beratung getroffen hat. GNAT 150 2 Petrus hatte mehrmals versagt; er war gefallen und wieder angenommen worden; hatte viele Jahre gedient, war wohlvertraut mit Christus und wusste, wie gradlinig der Erlöser Rechtschaffenheit praktizierte. Trotz aller Unterweisung, die Petrus erhalten hatte, trotz aller Gaben und Kenntnisse, die ihm geschenkt worden waren, und trotz allen Einflusses, den er durch seine Verkündigung und sein Lehramt erwerben durfte - ist es da nicht seltsam, dass er sich verstellte und von den Prinzipien des Evangeliums abwich, sei es aus Menschenfurcht oder um Wertschätzung zu erlangen? Ist es nicht verwunderlich, dass er in seinem Festhalten an dem, was recht ist, wankte? Möge Gott jedem Menschen ein Bewusstsein seiner Hilflosigkeit schenken! Wie unfähig sind wir doch, unser Lebensschiff geradewegs und sicher in den Hafen zu steuern. Eigenständigkeit Und Gemeinsinn GNAT 150 3 In seinem Missionsdienst stand Paulus oft gezwungenermaßen allein. Er war durch Gott besonders geschult worden und wagte es nicht, Kompromisse in seiner Grundsatztreue einzugehen. Oft war die Last schwer, dennoch trat Paulus entschlossen für das Recht ein. Er war sich darüber im Klaren, dass die Gemeinde niemals menschlicher Macht anvertraut werden durfte. Traditionen und menschliche Auffassungen dürfen nie den Platz göttlicher Offenbarung einnehmen. Der Fortschritt der Evangeliumsbotschaft darf niemals durch Vorurteile und Neigungen von Menschen behindert werden - welche Stellung sie auch immer in der Gemeinde bekleiden mögen. GNAT 151 1 Paulus hatte sich selbst und all seine Kräfte dem Dienst des Herrn geweiht. Er hatte die Wahrheiten des Evangeliums direkt vom Himmel erhalten. Während seines ganzen Missionsdienstes unterhielt er eine lebendige Verbindung mit dem Himmel. Gott selbst hatte ihn angewiesen, den Heidenchristen nicht unnötige Lasten aufzuerlegen. Als die judaisierenden Gläubigen die Frage der Beschneidung in der Gemeinde von Antiochia aufwarfen, kannte Paulus den Willen des Geistes Gottes, was diese Lehren betraf, und er nahm einen festen und unnachgiebigen Standpunkt ein. Dies verschaffte den Gemeinden Freiheit von jüdischen Riten und Zeremonien. GNAT 151 2 Obwohl Paulus persönlich von Gott unterwiesen worden war, hatte er keine überzogenen Auffassungen von individueller Verantwortlichkeit. Ihn verlangte stets nach Gottes direkter Führung, aber er anerkannte auch bereitwillig die Autorität, die der Gemeinschaft der Gläubigen als Gesamtheit übertragen worden war. Paulus wusste, dass er Rat brauchte. Wenn es um wichtige Angelegenheiten ging, legte er sie der Gemeinde bereitwillig vor und bat Gott zusammen mit seinen Brüdern um Weisheit für die richtigen Entscheidungen. Selbst »die Geister der Propheten sind« nach seinen Worten »den Propheten untertan. Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens« (1. Korinther 14,32.33). Wie Petrus lehrte er, dass alle in der Gemeinde einander untertan sein sollen (vgl. 1. Petrus 5,5). ------------------------Kapitel 20 -- Das Kreuz Wird Erhöht GNAT 152 0 Apostelgeschichte 15,35-41 und 16,1-6. GNAT 152 1 Nachdem Paulus einige Zeit in Antiochia gearbeitet hatte, schlug er seinem Mitarbeiter vor, eine weitere Missionsreise anzutreten. »Lass uns wieder aufbrechen und nach unsern Brüdern sehen in allen Städten, in denen wir das Wort des Herrn verkündigt haben, wie es um sie steht.« (Apostelgeschichte 15,36) GNAT 152 2 Paulus als auch Barnabas dachten mit liebevoller Fürsorge an jene Menschen, die durch ihre Verkündigung erst kurze Zeit vorher die Evangeliumsbotschaft angenommen hatten, und sie wünschten sich, sie wiederzusehen. Diese Fürsorglichkeit vergaß Paulus nie. Selbst wenn er sich in ganz anderen Missionsgebieten aufhielt - weit entfernt von den Orten seines früheren Wirkens - lag es ihm weiterhin am Herzen, diese Neubekehrten eindringlich zur Treue zu ermahnen, um »die Heiligung [zu] vollenden in der Furcht Gottes« (2. Korinther 7,1). Beständig versuchte er ihnen zu helfen, zu mündigen, glaubensstarken Christen heranzuwachsen, die sich mit Eifer und Begeisterung rückhaltlos Gott und der Förderung seines Reiches weihen. Trennung Von Barnabas GNAT 152 3 Barnabas erklärte sich bereit, wieder mit Paulus zu reisen, wollte aber Markus mitnehmen, der beschlossen hatte, sich erneut dem Dienst für den Herrn zu widmen. Dagegen erhob Paulus Einspruch. Er »hielt es nicht für richtig, jemanden mitzunehmen«, der sie auf der ersten Missionsreise in einer Zeit der Not verlassen hatte (Apostelgeschichte 15,38). Er war nicht geneigt, die Schwäche des Markus zu entschuldigen, der das Werk Gottes im Stich gelassen und die Sicherheit und Bequemlichkeiten seines Zuhauses vorgezogen hatte. Ein Mann mit so geringem Durchhaltevermögen, betonte Paulus, sei ungeeignet für einen Dienst, der Geduld, Selbstverleugnung, Tapferkeit, Hingabe, Glauben, Opferfreudigkeit und - wenn es darauf ankommt - selbst das Leben fordert. Die Meinungen waren derart kontrovers, dass sie darüber »scharf aneinander« gerieten und sich trennten. Barnabas nahm entsprechend seiner Überzeugung Markus mit sich »und fuhr nach Zypern. Paulus aber wählte Silas und zog fort, von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen« (Apostelgeschichte 15,39.40). GNAT 153 1 Paulus und Silas reisten »durch Syrien und Zilizien«, wo sie die Gemeinden stärkten (Apostelgeschichte 15,41). Schließlich erreichten sie Derbe und Lystra in der Provinz Lykaonien. Gerade dort in Lystra war Paulus gesteinigt worden. Trotzdem finden wir ihn wieder an diesem gefährlichen Ort. Er wollte unbedingt erfahren, wie diejenigen, die durch seinen Dienst das Evangelium angenommen hatten, die Bewährungsprobe aushielten. Er wurde nicht enttäuscht, denn die Gläubigen in Lystra waren trotz des heftigen Widerstandes fest geblieben. Timotheus Wird Evangelist GNAT 153 2 Hier traf Paulus erneut mit Timotheus zusammen, der am Ende seines ersten Besuchs in Lystra Zeuge seiner Steinigung gewesen war. Das Ereignis damals hatte einen tiefen Eindruck bei dem jungen Mann hinterlassen, sodass er schließlich davon überzeugt war, es sei seine Pflicht, sich völlig dem Verkündigungsdienst zu widmen. Er fühlte sich mit Paulus herzlich verbunden und sehnte sich danach, am Dienst des Apostels als Helfer Anteil zu haben, wenn sich eine Gelegenheit dazu bot. GNAT 153 3 Silas, der Gefährte des Paulus, war ein bewährter Mitarbeiter, der mit der Gabe der Prophetie ausgerüstet war. Aber die Arbeit, die getan werden musste, war so umfangreich, dass es dringend notwendig wurde, noch weitere Kräfte für den Missionsdienst heranzubilden. In Timotheus erkannte Paulus jemanden, der die Heiligkeit dieses Dienstes zu würdigen wusste, der vor der Aussicht auf Leiden und Verfolgung nicht zurückschreckte und bereit war, sich auch etwas sagen zu lassen. Doch wollte es Paulus nicht verantworten, den unerfahrenen jungen Mann für den Evangeliumsdienst auszubilden, ohne sich letzte Gewissheit über dessen Charakter und Vorleben verschafft zu haben. GNAT 153 4 Timotheus besaß einen griechischen Vater und eine jüdische Mutter. Er kannte die heiligen Schriften von klein auf. In seinem Elternhaus erlebte er eine reine und praktische Frömmigkeit. Der Glaube seiner Mutter und seiner Großmutter an die heiligen Aussagen erinnerte ihn ständig daran, dass auf dem Befolgen des Willens Gottes ein Segen liegt. Das Wort Gottes war die Richtschnur, nach der die beiden gläubigen Frauen den Jungen erzogen hatten. Die geistliche Kraft, die er durch ihre Erziehung gewonnen hatte, hielt ihn in seiner Sprache rein und schützte ihn vor den schlimmen Einflüssen seiner Umgebung. So hatten ihn seine Erzieherinnen bereits zuhause zusammen mit Gott darauf vorbereitet, eines Tages Verantwortung zu tragen. GNAT 154 1 Paulus sah, dass Timotheus gläubig, standhaft und aufrichtig war, und erwählte ihn zu seinem Mitarbeiter und Reisegefährten. Die beiden Frauen, die Timotheus in seiner Kindheit unterrichtet hatten, erlebten nun voller Befriedigung die enge Gemeinschaft zwischen ihrem Kind und dem großen Apostel. Timotheus war noch jung, als Gott ihn zum Lehrer erwählte, aber durch seine Erziehung von frühester Kindheit an war er in seinen Grundsätzen schon so gefestigt, dass er sich für den Apostel als Helfer eignete. Und obwohl er noch jung war, trug er seine Verantwortung mit christlicher Sanftmut. GNAT 154 2 Als weise Vorsichtsmaßnahme empfahl Paulus Timotheus, sich beschneiden zu lassen - nicht, weil Gott dies forderte, sondern um eventuellen Einwänden von Juden gegen eine Mitarbeit des Timotheus von vornherein zu begegnen. Bei seiner Tätigkeit würde Paulus von Stadt zu Stadt und in verschiedene Länder reisen. Oft würde er Gelegenheit haben, in jüdischen Synagogen oder an anderen Versammlungsstätten Christus zu verkündigen. Falls dabei bekannt würde, dass einer seiner Mitarbeiter unbeschnitten war, hätte das Vorurteil und die Engstirnigkeit der Juden sein Wirken ernsthaft beeinträchtigen können. Überall stieß der Apostel auf entschiedenen Widerstand und harte Verfolgung. Er wollte aber nicht nur den Heiden, sondern auch seinen jüdischen Brüdern das Evangelium weitergeben. Er versuchte deshalb, jeden Vorwand zum Widerspruch zu beseitigen, solange sich dies mit den Glaubensgrundsätzen vereinbaren ließ. Während er dem jüdischen Vorurteil insoweit Rechnung trug, glaubte und lehrte er jedoch, dass Beschnittensein und Unbeschnittensein nichts, das Evangelium Christi hingegen alles bedeutet (vgl. 1. Korinther 7,19). GNAT 154 3 Paulus liebte Timotheus, seinen »rechten Sohn im Glauben« (1. Timotheus 1,2). Oft befragte der große Apostel seinen jüngeren Schüler über die biblische Geschichte . Und wenn sie von Ort zu Ort zogen, unterwies er ihn gründlich, wie man erfolgreich arbeitet. Paulus wie auch Silas bemühten sich in ihrem gesamten Umgang mit Timotheus, seine bereits gewonnene Überzeugung von der Heiligkeit und Ernsthaftigkeit des Wirkens eines Evangeliumspredigers zu vertiefen. GNAT 154 4 Timotheus suchte seinerseits bei Paulus ständig Rat und Anweisungen für seine eigene Arbeit. Er ließ sich nicht von plötzlichen Impulsen leiten, sondern handelte ruhig und überlegt. Vor jeder Entscheidung fragte er sich: Ist das der Weg des Herrn ? Er ließ sich durch den Heiligen Geist zu einem Tempel formen, in dem Gott wohnen konnte. Stärkung Der Neubekehrten GNAT 155 1 Wenn die Lehren der Bibel in das tägliche Leben einbezogen werden, gewinnen sie eine tiefe und bleibende Wirkung auf den Charakter. Timotheus begriff dies und setzte es in die Tat um. Er besaß keine besonders herausragenden Gaben, doch seine Arbeit war wertvoll, weil er die ihm von Gott verliehenen Fähigkeiten in den Dienst für seinen Meister einsetzte. Weil er seinem Glauben Taten folgen ließ, gewann er an Erfahrung, die ihn von anderen Gläubigen unterschied und ihm Einfluss verlieh. GNAT 155 2 Wer Menschen den Weg zur Erlösung weisen will, muss zu einer tieferen, umfassenderen und klareren Erkenntnis Gottes gelangen, als durch gewöhnliches Bemühen erreicht werden kann. Alle seine Kräfte müssen in die Arbeit für den Meister eingesetzt werden. Er folgt einer hohen und heiligen Berufung, und wenn er als Lohn Menschen für Christus gewinnt, muss er sich an Gott festklammern. So wird er täglich Gnade und Kraft aus der Quelle allen Segens empfangen. »Denn erschienen ist die Gnade Gottes, allen Menschen zum Heil. Sie erzieht uns dazu, der Gottlosigkeit und den Begierden der Welt abzuschwören und besonnen, gerecht und fromm zu leben in dieser Weltzeit. Wir warten aber auf das, was unsere wunderbare Hoffnung ist: auf das Erscheinen der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Retters Jesus Christus, der sich selbst für uns hingegeben hat, um uns zu erlösen von aller Ungerechtigkeit und sich als sein Eigentum ein reines Volk zu erschaffen, das nach guten Werken strebt.« (Titus 2,11-14 ZÜ) GNAT 155 3 Ehe Paulus und seine Gefährten in neue Gebiete vordrangen, besuchten sie die neu gegründeten Gemeinden in Pisidien und den umliegenden Gegenden. »Als sie aber durch die Städte zogen, übergaben sie ihnen die Beschlüsse, die von den Aposteln und Ältesten in Jerusalem gefasst worden waren, damit sie sich daran hielten. Da wurden die Gemeinden im Glauben gefestigt und nahmen täglich zu an Zahl.« (Apostelgeschichte 16,4.5) GNAT 155 4 Der Apostel Paulus fühlte sich in hohem Maß für alle verantwortlich, die durch seine Arbeit zum Glauben gekommen waren. Er wünschte vor allem, dass sie treu blieben, »mir zum Ruhm an dem Tage Christi, sodass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch vergeblich gearbeitet habe« (Philipper 2,16). Er bangte um das Ergebnis seines Dienstes. Sogar sein eigenes Heil könnte in Gefahr sein, meinte er, wenn er seine Pflicht nicht erfüllen sollte und die Gemeinde nicht mit ihm am Werk der Seelenrettung zusammenarbeitete. Er wusste, dass das Predigen allein nicht genügte, um den Gläubigen beizubringen, dass sie am Wort des Lebens festhalten sollten; sie mussten Stück für Stück angeleitet werden, damit sie die ihnen von Christus anvertraute Aufgabe ausführen konnten. GNAT 156 1 Es ist ein allgemeines Prinzip, dass die von Gott gegebenen Kräfte verkümmern und schwinden, wenn man es ablehnt, sie zu benutzen. Die Wahrheit, die nicht ausgelebt und andern mitgeteilt wird, verliert ihre lebensspendende Kraft und ihre heilende Macht. Deshalb war es die große Sorge des Apostels, dass es ihm misslingen könnte, sie »als Menschen vor Gott hin[zu]stellen, die im Glauben an Christus vollkommen sind« (Kolosser 1,28b NLB). Seine Hoffnung auf den Himmel trübte sich bei dem Gedanken, dass infolge irgendeines Versagens seinerseits die Gemeinde eine menschliche statt eine göttliche Prägung erhielte. Sein Wissen, seine Redegewandtheit, seine Wundertaten, sein Blick in Sphären der Ewigkeit, als er bis in den dritten Himmel entrückt wurde (vgl. 2. Korinther 12,2) - all dies wäre vergeblich, wenn Menschen, für die er arbeitete, wegen unzureichender Sorgfalt in seinem Missionsdienst die Gnade Gottes versäumten. Deshalb bat er sowohl mündlich als auch brieflich jene, die Christus angenommen hatten, ganz eindringlich, weiter dem guten Weg zu folgen: »Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel, damit ihr ohne Tadel und lauter seid, Gottes Kinder, ohne Makel mitten unter einem verdorbenen und verkehrten Geschlecht ... als Lichter in der Welt, dadurch dass ihr festhaltet am Wort des Lebens.« (Philipper 2,14-16) GNAT 156 2 Jeder wahre Diener Gottes fühlt eine schwere Verantwortung für das geistliche Wachstum der Gläubigen, die seiner Fürsorge anvertraut sind. Er hat den sehnlichen Wunsch, dass sie zu Mitarbeitern Gottes werden. Er erkennt, dass das Wohlergehen der Gemeinde in hohem Maße von der gewissenhaften Ausführung seines gottgegebenen Werkes abhängt. Ernsthaft und unermüdlich versucht er bei den Gläubigen den Wunsch zu wecken, Menschen für Christus zu gewinnen. Er weiß: Jeder Gläubige, der der Gemeinde zugefügt wird, ist ein zusätzliches Werkzeug für die Erfüllung des Erlösungsplans. Kraftvolle Verkündigung GNAT 156 3 Nachdem Paulus und Silas die Gemeinden in Pisidien und den angrenzenden Gebieten besucht hatten, zogen sie mit Timotheus »durch Phrygien und die Landschaft Galatien« (Apostelgeschichte 16,6) Auch dort verkündeten sie mit großer Kraft die frohe Botschaft von der Erlösung. Die Galater waren dem Götzendienst verfallen. Als aber die Apostel zu ihnen predigten, freuten sie sich über die Botschaft, die ihnen die Freiheit von der Sklaverei der Sünde versprach. Paulus und seine Gefährten verkündigten die Lehre von der Gerechtigkeit durch den Glauben an das sühnende Opfer Christi. Sie stellten Christus als den Einen dar, der den hilflosen Zustand einer gefallenen Menschheit sah und kam, um Männer und Frauen dadurch freizukaufen, dass er ein Leben im Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes führte und die Strafe für ihren Ungehorsam bezahlte. Im Licht seines Kreuzestodes begannen viele, die vom wahren Gott noch nie gehört hatten, die Größe der Liebe des Vaters zu begreifen. GNAT 157 1 So wurden die Galater unterrichtet in den Grundwahrheiten von »Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der sich selbst für unsre Sünden dahingegeben hat, dass er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters« (Galater 1,3.4). »Durch die Predigt vom Glauben« empfingen sie den Geist Gottes und wurden »durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus« (Galater 3,2.26). GNAT 157 2 Paulus lebte unter den Galatern so, dass er später sagen konnte: »Werdet doch wie ich ... ich bitte euch.« (Galater 4,12) Seine Lippen waren mit einer »glühenden Kohle ... vom Altar« berührt worden (vgl. Jesaja 6,6.7); das befähigte ihn, körperliche Schwächen zu überwinden und Jesus als die einzige Hoffnung des Sünders zu verkündigen. Wer ihn hörte, erkannte, dass er mit Jesus gewesen war. Ausgestattet mit Vollmacht von oben vermochte er, geistliche Dinge mit Geistlichem zu vergleichen und seine Zuhörer Satans Einfluss zu entreißen. Ihr Herz brach, wenn er schilderte, wie Gott seine Liebe im Opfer seines einzigartigen Sohnes offenbart hatte. Viele fühlten sich gedrungen zu fragen: »Was muss ich tun, um erlöst zu werden?« GNAT 157 3 Dieses Vorgehen bei der Verkündigung des Evangeliums charakterisierte den Dienst des Apostels während seiner gesamten Wirkungszeit unter den Heiden. Stets rief er ihnen die Versöhnungstat Christi am Kreuz in Erinnerung. In den späteren Jahren seiner Tätigkeit erklärte er: »Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.« (2. Korinther 4,5.6) Auf Das Kreuz Sehen GNAT 157 4 Die gottgeweihten Boten, die in den frühen Tagen der Christenheit einer untergehenden Welt die frohe Botschaft der Erlösung brachten, ließen nicht zu, dass ihre Darstellung Christi, des Gekreuzigten, durch irgendeinen Gedanken von Selbsterhöhung beeinträchtigt würde. Sie wollten für sich selbst weder Autorität noch Vorrang, sondern unterstellten sich ganz dem Gekreuzigten und priesen den großartigen Erlösungsplan und das Leben Christi, des Anfängers und Vollenders dieses Plans. Christus, »gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit« (Hebräer 13,8), das war der Grundton ihrer Lehre. GNAT 158 1 Würden die heutigen Verkündiger des Wortes das Kreuz Christi höher erheben, wäre ihr Dienst weit erfolgreicher. Wenn Sünder dazu gebracht werden können, das Kreuz einmal mit vollem Ernst zu betrachten, wenn sie einen konzentrierten Blick auf den gekreuzigten Erlöser werfen, wird ihnen die Tiefe von Gottes Erbarmen und die Sündhaftigkeit der Sünde bewusst werden. GNAT 158 2 Christi Tod beweist Gottes große Liebe zu uns Menschen und bürgt für unsere Errettung. Dem Christen das Kreuz zu nehmen hieße, die Sonne am Himmel auszulöschen. Das Opfer am Kreuz bringt uns nahe zu Gott und versöhnt uns mit ihm. Mit dem erbarmenden Mitgefühl väterlicher Liebe sieht der Höchste auf die Leiden seines Sohnes, die dieser erduldet hat, um die Menschheit vom ewigen Tod zu erretten, und in ihm, »dem Geliebten« (Epheser 1,6), nimmt der Vater uns an. GNAT 158 3 Ohne das Kreuz könnte kein Mensch Gemeinschaft mit dem Vater haben. Darauf gründet sich unsere ganze Hoffnung. Von dorther leuchtet uns das Licht der Liebe unseres Erlösers. Und wenn der Sünder am Fuß des Kreuzes steht und zu dem hinaufschaut, der für seine Rettung starb, kann er seine ganze Freude hinausrufen, denn seine Sünden sind ihm vergeben. Wenn er im Glauben vor dem Kreuz kniet, hat er den höchsten Ort erreicht, zu dem ein Mensch gelangen kann. GNAT 158 4 Durch das Geschehen am Kreuz erfahren wir, dass der himmlische Vater uns mit einer Liebe liebt, die niemals aufhört. Kein Wunder, dass Paulus ausrief: »Es sei aber fern von mir, mich zu rühmen als allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.« (Galater 6,14) Auch wir haben das Vorrecht, uns des Kreuzes zu rühmen und uns ganz dem hinzugeben, der sein Leben für uns opferte. Wenn dann das Licht von Golgatha auf uns leuchtet, dürfen auch wir hinausgehen, um dieses Licht all denen zu offenbaren, die noch in der Finsternis sind. ------------------------Kapitel 21 -- Das Evangelium Erreicht Europa GNAT 159 0 Apostelgeschichte 16,7-40. GNAT 159 1 Die Zeit war gekommen, um das Evangelium über die Grenzen Kleinasiens hinaus zu verkündigen. Für Paulus und seine Gefährten tat sich ein Weg nach Europa auf. In Troas an der Mittelmeerküste hatte Paulus »eine Erscheinung bei Nacht. Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!« (Apostelgeschichte 16,9) GNAT 159 2 Dieser Ruf war ein Befehl und gestattete keinen Aufschub. »Kaum hatte er die Vision gehabt«, so berichtete Lukas, der Paulus, Silas und Timotheus auf der Reise nach Europa begleitete, »setzten wir alles daran, nach Mazedonien hinüberzugelangen, in der Überzeugung, dass Gott uns gerufen hatte, den Menschen dort das Evangelium zu verkündigen. Wir legten von Troas ab und gelangten auf dem kürzesten Weg nach Samothrake; am folgenden Tag erreichten wir Neapolis, und von dort kamen wir nach Philippi, einer Stadt im ersten Bezirk von Mazedonien, einer römischen Kolonie. In dieser Stadt hielten wir uns einige Tage auf« (Apostelgeschichte 16,10-12 ZÜ). GNAT 159 3 »Am Sabbat«, fuhr Lukas fort, »gingen wir vor das Stadttor hinaus an einen Fluss; wir nahmen an, dass man sich dort zum Gebet treffe. Wir setzten uns nieder und sprachen mit den Frauen, die sich eingefunden hatten. Auch eine Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu; ihr tat der Herr das Herz auf, und sie ließ sich auf die Worte des Paulus ein.« (Apostelgeschichte 16,13.14 ZÜ) Lydia nahm die frohe Botschaft freudig an, bekehrte sich mit ihren Angehörigen, und alle wurden getauft. Dann bat sie die Apostel, in ihr Haus zu kommen und dort zu wohnen. Bekehrung Einer Wahrsagerin GNAT 159 4 Als die Boten des Kreuzes daran gingen, die Leute zu unterweisen, folgte ihnen eine Frau, die von einem Wahrsagegeist besessen war, und schrie: »Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen. Das tat sie viele Tage lang.« (Apostelgeschichte 16,17.18) GNAT 160 1 Diese Frau war ein besonderes Werkzeug Satans und hatte ihren Herren durch die Wahrsagerei bereits viel Gewinn eingebracht. Ihr Einfluss hatte dazu beigetragen, den Götzendienst zu fördern. Satan wusste, dass nun sein Reich angegriffen wurde. Deshalb nahm er Zuflucht zu diesem Mittel, um dem Werk Gottes Widerstand entgegen zu bringen. Er hoffte, seine Spitzfindigkeiten mit den Wahrheiten zu vermengen, die von den Verkündigern der Evangeliumsbotschaft gelehrt wurden. Die empfehlenden Worte dieser Frau schadeten der Sache der Wahrheit, denn sie lenkten die Gedanken der Zuhörer von den Lehren der Apostel ab und brachten das Evangelium in Verruf. Viele bekamen dadurch nämlich den Eindruck, dass die Männer, die im Geist und in der Kraft Gottes redeten, von der gleichen Kraft angetrieben würden wie diese Sendbotin Satans. GNAT 160 2 Eine Zeitlang duldeten die Apostel diesen Widerstand. Dann aber befahl Paulus unter Eingebung des Heiligen Geistes dem bösen Geist, die Frau zu verlassen. Ihr augenblickliches Verstummen bezeugte, dass die Apostel Gottes Diener waren und der Dämon sie als solche anerkannt und ihrem Befehl gehorcht hatte. GNAT 160 3 Die Frau war von dem bösen Geist befreit und wieder bei vollem Verstand. Da entschloss sie sich, Christus nachzufolgen. Nun bangten ihre Herren um ihr Geschäft. Sie sahen alle Hoffnung auf Gewinn durch ihre Zukunftsdeutungen und Wahrsagereien dahinschwinden. Ihre Einnahmequelle würde bald völlig versiegen, wenn man den Aposteln erlaubte, ihr Evangeliumswerk weiterzuführen. GNAT 160 4 Viele andere in der Stadt waren daran interessiert, durch satanische Täuschungen Geld zu verdienen. Da sie aber den Einfluss einer Macht fürchteten, die ihrem Treiben so wirksam das Handwerk legen könnte, erhoben sie ein lautes Geschrei gegen die Diener Gottes. Schließlich klagten sie die Apostel vor der Obrigkeit mit folgenden Worten an: »Diese Menschen bringen unsre Stadt in Aufruhr; sie sind Juden und verkünden Ordnungen, die wir weder annehmen noch einhalten dürfen, weil wir Römer sind.« (Apostelgeschichte 16,20.21) GNAT 160 5 Eine aufgehetzte, hysterisch rasende Menge erhob sich gegen die Jünger. Eine Aufruhrstimmung breitete sich aus und wurde von den Stadtobersten noch unterstützt. Diese ließen den Aposteln die Kleider vom Leib reißen und befahlen, sie auszupeitschen. »Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.« (Apostelgeschichte 16,23.24) Infolge der schmerzhaften Stellung, in die man die Apostel gebracht hatte, litten sie schlimme Qualen; doch sie klagten nicht. Im Gegenteil: In der völligen Finsternis und Trostlosigkeit des Kerkers ermutigten sie einander durch Gebete, sangen Loblieder und priesen Gott, weil sie für würdig befunden wurden, seinetwegen gedemütigt zu werden. Ihr Gemüt wurde durch eine tiefe, aufrichtige Liebe zur Sache ihres Erlösers aufgemuntert. Paulus dachte darüber nach, wie er aktiv daran beteiligt gewesen war, die Jünger Christi zu verfolgen. Nun freute er sich, dass ihm Augen und Sinne geöffnet worden waren, um die Macht der herrlichen Wahrheiten zu erkennen und zu erleben, die er einst verachtet hatte. GNAT 161 1 Staunend hörten die andern Gefangenen das Beten und Singen aus dem inneren Teil des Gefängnisses. Sie waren gewöhnt, dass von dorther Schreien, Wehklagen, Flüche und Verwünschungen die nächtliche Stille durchbrachen. Doch noch nie zuvor hatten sie aus jener düsteren Zelle Gebete und Lobgesänge vernommen. Wächter und Gefangene fragten sich verwundert, wer diese Leute seien, die trotz Kälte, Hunger und Qualen frohen Mutes sein konnten. GNAT 161 2 In der Zwischenzeit kehrten die Stadtobersten in ihre Häuser zurück. Sie beglückwünschten sich selbst dazu, durch unverzügliches und entschlossenes Handeln einen Aufruhr im Keim erstickt zu haben. Unterwegs erfuhren sie aber weitere Einzelheiten über den Charakter und das Werk jener Männer, die sie zur Auspeitschung und zur Gefängnishaft verurteilt hatten. Sie sahen die Frau, die vom satanischen Einfluss frei geworden war, und wunderten sich über die Veränderung in ihrem Gesichtsausdruck und ihrem Verhalten. Früher hatte sie der Stadt manchen Ärger bereitet, nun verhielt sie sich ruhig und friedlich. Als sie sich bewusst wurden, dass sie die ganze Härte des römischen Strafgesetzes gegen zwei aller Wahrscheinlichkeit nach unschuldige Männer verhängt hatten, ärgerten sie sich über sich selbst. Sie beschlossen daher, am folgenden Morgen den Befehl zu erteilen, die Apostel heimlich freizulassen und aus der Stadt zu eskortieren, um die Gefahr von Übergriffen durch den Pöbel zu vermeiden. GNAT 161 3 Befreiung Durch Engel GNAT 161 4 Doch wenn auch Menschen grausam und rachsüchtig waren oder ihre schwerwiegende Verantwortung sträflich vernachlässigten - Gott hatte nicht vergessen, seinen Dienern gnädig zu sein. Der ganze Himmel nahm Anteil am Ergehen der Männer, die um Christi willen litten. Engel wurden zum Gefängnis gesandt, und unter ihren Tritten bebte die Erde. Die schwer verriegelten Gefängnistüren sprangen auf, die Ketten und Fesseln lösten sich von den Händen und Füßen der Gefangenen, und ein helles Licht durchflutete das Verlies. GNAT 162 1 Der Gefängnisaufseher hatte mit Verwunderung die Gebete und Lobgesänge der gefangenen Apostel gehört. Bei ihrer Einlieferung hatte er ihre geschwollenen und blutenden Wunden gesehen. Er selbst hatte veranlasst, dass ihre Füße in den Stock gelegt wurden, und von ihrer Seite Unmut und Verwünschungen erwartet. Stattdessen hörte er Freudengesänge und Loblieder. Mit diesen Klängen im Ohr war er eingeschlafen. Nun wurde er durch das Erdbeben und das Wanken der Gefängnismauern jäh geweckt. GNAT 162 2 Aufgeschreckt fuhr er hoch. Mit Entsetzen sah er, dass alle Gefängnistüren offen standen, und er befürchtete, die Gefangenen könnten geflüchtet sein. Er erinnerte sich, mit welch ausdrücklichem Auftrag Paulus und Silas ihm am Abend zuvor zur Verwahrung übergeben worden waren, und war sich sicher, dass er seine vermeintliche Untreue mit dem Leben bezahlen müsste. In seiner Verzweiflung hielt er es für besser, durch seine eigene Hand zu sterben, als eine schmachvolle Hinrichtung zu erdulden. Er zog sein Schwert und wollte sich töten, als er die Stimme des Paulus mit dem aufmunternden Zuruf hörte: »Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!« (Apostelgeschichte 16,28) Alle Männer waren an ihrem Platz, von der Macht Gottes zurückgehalten, die durch einen ihrer Mitgefangenen wirkte. GNAT 162 3 Die Strenge, mit der die Apostel durch den Gefängnisaufseher behandelt worden waren, hatte in ihnen keinen Groll aufkommen lassen. Paulus und Silas waren vom Geist Christi, nicht vom Geist der Rachsucht beseelt. Sie waren erfüllt von der Liebe des Erlösers; in ihrem Herzen gab es keinen Raum für Hass gegen ihre Peiniger. GNAT 162 4 Der Gefängnisaufseher ließ sein Schwert fallen, rief nach einer Lampe und eilte ins Innere des Gefängnisses. Er wollte sehen, was das für Männer waren, die erlittene Grausamkeit mit Freundlichkeit vergalten. Als er zu den Aposteln kam, warf er sich ihnen zu Füßen und bat um Vergebung. Dann führte er sie in den offenen Hof und fragte: »Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?« (Apostelgeschichte 16,30) GNAT 162 5 Der Gefängnisaufseher hatte gezittert, als er im Erdbeben den Zorn Gottes erkannte. In der Meinung, die Gefangenen seien entwichen, war er bereit gewesen, durch sein eigenes Schwert zu sterben. Dies alles aber schien nun bedeutungslos im Vergleich zu der neuen, seltsamen Furcht, die ihn jetzt beunruhigte. Er sehnte sich nach derselben Ruhe und Freudigkeit, wie sie die Apostel trotz Leiden und Misshandlungen ausstrahlten. In ihren Gesichtern sah er das Licht des Himmels. Er wusste, dass Gott auf wunderbare Weise eingegriffen hatte, um ihr Leben zu retten. Mit eigentümlichem Nachdruck kamen ihm die Worte der besessenen Frau in den Sinn: »Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen.« (Apostelgeschichte 16,17) GNAT 163 1 In tiefer Demut bat er die Apostel, ihm den Weg des Lebens zu zeigen. »Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!«, antworteten sie. »Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren.« (Apostelgeschichte 16,31.32) Daraufhin wusch der Aufseher die Wunden der Apostel und diente ihnen. »Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen.« (Apostelgeschichte 16,33) Ein heiligender Einfluss verbreitete sich unter den Gefängnisinsassen; ihr Verstand öffnete sich den Wahrheiten, die von den Aposteln verkündet wurden. Sie waren überzeugt, dass der Gott, dem diese Männer dienten, sie auf wunderbare Weise von ihren Fesseln befreit hatte. Öffentlich Verhaftet Und Heimlich Entlassen? GNAT 163 2 Das Erdbeben hatte die Bürger von Philippi in großen Schrecken versetzt. Als die Gefängnisbeamten am Morgen den Stadtoberen berichteten, was sich in der Nacht zugetragen hatte, waren diese bestürzt. Sie sandten ihre Diener mit dem Auftrag zum Gefängnis, man solle die Apostel freilassen. Paulus aber erklärte: »Sie haben uns ohne Recht und Urteil öffentlich geschlagen, die wir doch römische Bürger sind, und in das Gefängnis geworfen, und sollten uns nun heimlich fortschicken? Nein! Sie sollen selbst kommen und uns hinausführen!« (Apostelgeschichte 16,37) GNAT 163 3 Die Apostel waren römische Bürger, und einen Römer auszupeitschen war gesetzeswidrig außer wegen abscheulichster Verbrechen. Ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren durfte kein Römer seiner Freiheit beraubt werden. Da Paulus und Silas öffentlich verhaftet worden waren, weigerten sie sich nun, ohne gebührende Erklärung durch die Stadtoberen heimlich entlassen zu werden. GNAT 163 4 Als den Stadtobersten diese Antwort überbracht wurde, packte sie die Angst, die Apostel könnten sie beim Kaiser verklagen. Deshalb eilten sie sofort zum Gefängnis, entschuldigten sich bei Paulus und Silas für die ihnen zugefügte Ungerechtigkeit und Grausamkeit, geleiteten sie persönlich aus dem Gefängnis und baten sie, die Stadt zu verlassen. Die Stadtobersten fürchteten sowohl den Einfluss der Apostel auf das Volk als auch die Macht, die für diese unschuldigen Männer eingetreten war. GNAT 164 1 Christus hatte seine Jünger gelehrt, sich nicht aufzudrängen, wo man sie nicht wünschte (vgl. Matthäus 10,14). Daran hielten sich die Apostel. »Da gingen sie aus dem Gefängnis und gingen zu der Lydia. Und als sie die Brüder gesehen und sie getröstet hatten, zogen sie fort.« (Apostelgeschichte 16,40) GNAT 164 2 Die Apostel hielten ihr Wirken in Philippi nicht für vergeblich. Sie waren zwar auf viel Widerstand und Verfolgung gestoßen, aber der Herr hatte um ihretwillen eingegriffen. Dies und die Bekehrung des Gefängnisaufsehers und seines ganzen Hauses entschädigte sie reichlich für die Schmach und die Leiden, die sie erduldet hatten. Die Nachricht von ihrer ungerechtfertigten Einkerkerung und der wunderbaren Befreiung verbreitete sich in der ganzen Region. So wurden viele, die man sonst nicht erreicht hätte, auf das Werk der Apostel aufmerksam. Auseinandersetzungen Mit Den Mächten Der Finsternis GNAT 164 3 Paulus konnte als Ergebnis seines Wirkens in Philippi eine Gemeinde gründen, deren Gliederzahl ständig wuchs. Sein Eifer und seine Hingabe, seine Bereitschaft, um Christi willen zu leiden, übten einen starken und nachhaltigen Einfluss auf die Neubekehrten aus. Sie schätzten die kostbaren Wahrheiten hoch ein, für die die Apostel viel geopfert hatten, und weihten sich mit ganzer Hingabe der Sache ihres Erlösers. GNAT 164 4 Dass diese Gemeinde der Verfolgung auch weiterhin nicht entging, entnehmen wir dem Brief, den Paulus später an die Gemeinde in Philippi schrieb. Dort lesen wir: »Ihr habt die Gnade empfangen, euch für Christus einzusetzen: nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden, indem ihr denselben Kampf führt, den ihr an mir gesehen habt und von dem ihr jetzt hört.« (Philipper 1,29.30 ZÜ) Trotzdem war ihre Standhaftigkeit im Glauben so groß, dass er sagen konnte: »Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch denke, wenn immer ich für euch alle bitte und voll Freude für euch eintrete im Gebet: Ich danke dafür, dass ihr am Evangelium teilhabt, vom ersten Tag an bis heute.« (Philipper 1,3-5 ZÜ) GNAT 164 5 Schrecklich ist der Kampf, der zwischen den Mächten des Guten und des Bösen in wichtigen Zentren ausgetragen wird, in die die Verkünder des Evangeliums zum Dienst gesandt werden. »Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen«, erklärt Paulus, »sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.« (Epheser 6,12) Zwischen der Gemeinde Gottes und denen, die unter der Herrschaft böser Engel stehen, wird es bis zum Ende dieser Welt Auseinandersetzungen geben. GNAT 165 1 Die ersten Christen standen den Mächten der Finsternis oft Auge in Auge gegenüber. Der Feind versuchte, sie durch Spitzfindigkeiten und Verfolgungen vom wahren Glauben abzuwenden. Jetzt, da das Ende aller irdischen Dinge rasch näher kommt, wendet Satan alle erdenkliche Mühe an, um die Menschen in seinen Schlingen zu fangen. Er ersinnt viele Pläne, um ihren Geist ständig zu beschäftigen und sie von den Wahrheiten abzulenken, die für das ewige Heil entscheidend sind. In jeder Stadt sind seine Werkzeuge eifrig damit beschäftigt, die Menschen, die dem Gesetz Gottes feindlich gegenüberstehen, in Parteien zu organisieren. Satan, der Erzbetrüger, ist an der Arbeit, um Verwirrung und Aufruhr zu stiften. Dabei entfacht er in den Menschen einen Eifer, dem sie wider besseres Wissen Folge leisten. GNAT 165 2 Obwohl die Bosheit ein nie zuvor gekanntes Ausmaß erreicht, rufen viele Verkündiger des Evangeliums: »Es ist Friede, es hat keine Gefahr!« (1. Thessalonicher 5,3) Aber Gottes treue Boten sollen unbeirrt mit ihrer Arbeit vorangehen. Ausgerüstet mit der vollständigen Waffenrüstung des Himmels sollen sie furchtlos und siegreich vorrücken. Sie dürfen den Kampf nicht aufgeben, bis jeder Mensch innerhalb ihrer Reichweite die Botschaft der Wahrheit für diese Zeit empfangen hat. ------------------------Kapitel 22 -- In Thessalonich GNAT 166 0 Apostelgeschichte 17,1-10. GNAT 166 1 Als sie Philippi verlassen hatten, begaben sich Paulus und Silas nach Thessalonich. Dort erhielten sie die Möglichkeit, in der jüdischen Synagoge vor großen Versammlungen zu sprechen. An ihrem Äußeren war zu erkennen, welch schlechte Behandlung ihnen kürzlich widerfahren war. Dies rief nach einer Erklärung darüber, was vorgefallen war. Sie taten dies, ohne sich selbst zu rühmen, aber sie priesen den Einen, der sie befreit hatte. Prophezeiungen Auf Den Messias GNAT 166 2 In seinen Predigten an die Thessalonicher berief sich Paulus auf die Prophezeiungen über den Messias im Alten Testament. Während seines Missionsdienstes auf Erden hatte Christus seinen Jüngern das Verständnis für diese Prophezeiungen erschlossen. »Von Mose und von allen Propheten anfangend erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf.« (Lukas 24,27 Elb.) GNAT 166 3 Petrus hatte zu Pfingsten Beweise aus dem Alten Testament angeführt, als er Christus verkündigte. Das gleiche Vorgehen finden wir bei Stephanus. Und auch Paulus wies in seinem Dienst immer wieder auf die Stellen der heiligen Schriften hin, welche die Geburt, das Leiden, den Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi voraussagten. Er zog die inspirierten Aussagen von Mose und den Propheten als Beweise heran, dass Jesus von Nazareth der angekündigte Messias war. Desgleichen zeigte er, dass Christus seit den Tagen Adams durch die Patriarchen und Propheten gesprochen hatte. GNAT 166 4 Die Prophezeiungen über den Verheißenen waren genau und klar. Adam erhielt die Zusicherung eines kommenden Erlösers. An Satan wurde der Urteilsspruch gerichtet: »Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.« (1. Mose 3,15) Dies war für unsere Stammeltern zugleich eine Verheißung der Erlösung, die Christus erwirken würde. GNAT 167 1 Dann erhielt Abraham die Zusage, dass aus seiner Nachkommenschaft der Erlöser der Welt hervorgehen werde. »Durch deine Nachkommen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden.« (1. Mose 22,18) Paulus erklärte dazu aus seiner Schriftkenntnis: »Er sagt übrigens nicht: ›und deinen Nachkommen^ als ob viele gemeint wären, sondern er sagt ausdrücklich: ›deinem Nachkommen‹, und er meint damit Christus.« (Galater 3,16) GNAT 167 2 Vor Abschluss seiner Tätigkeit als Führer und Lehrer Israels weissagte Mose deutlich von dem Messias, der kommen würde. »Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen.« (5. Mose 18,15) Und Mose versicherte den Israeliten, dass es Gott selbst war, der ihm auf dem Berg Horeb offenbart habe: »Ich will ihnen einen Propheten, wie du bist, erwecken aus ihren Brüdern und meine Worte in seinen Mund geben; der soll zu ihnen reden alles, was ich ihm gebieten werde.« (5. Mose 18,18) GNAT 167 3 Der Messias sollte aus königlichem Geschlecht stammen, denn in der Prophezeiung, die Jakob aussprach, sagte der Herr: »Es wird das Zepter von Juda nicht weichen noch der Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis dass der Held komme, und ihm werden die Völker anhangen.« (1. Mose 49,10) GNAT 167 4 Jesaja prophezeite: »Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.« (Jesaja 11,1) »Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben. Siehe, ich habe ihn den Völkern zum Zeugen bestellt, zum Fürsten für sie und zum Gebieter. Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst, und Heiden, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des Herrn willen, deines Gottes, und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.« (Jesaja 55,3-5) Auch Jeremia gab Zeugnis von dem kommenden Erlöser und sprach von ihm als einem Fürsten aus dem Haus Davids: »Es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: Der Herr unsere Gerechtigkeit.« (Jeremia 23,5.6) Und an anderer Stelle: »So spricht der Herr: Es soll David niemals fehlen an einem, der auf dem Thron des Hauses Israel sitzt. Und den levitischen Priestern soll's niemals fehlen an einem, der täglich vor meinem Angesicht Brandopfer darbringt und Speisopfer in Rauch aufgehen lässt und Opfer schlachtet.« (Jeremia 33,17.18) GNAT 167 5 Selbst der Geburtsort des Messias war vorausgesagt worden: »Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir sol mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.« (Micha 5,1) GNAT 168 1 Die Aufgabe des Messias auf der Erde war klar umrissen worden: »Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des Herrn.« (Jesaja 11,2.3) Der Gesalbte wurde gesandt, »den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn und einen Tag der Vergeltung unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden, zu schaffen den Trauernden zu Zion, dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauerkleid, Lobgesang statt eines betrübten Geistes gegeben werden, dass sie genannt werden Bäume der Gerechtigkeit, Pflanzung des Herrn, ihm zum Preise« (Jesaja 61,1-3). GNAT 168 2 »Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.« (Jesaja 42,1-4) Der Messias Musste Leiden GNAT 168 3 Mit überzeugender Kraft bewies Paulus aus den Schriften des Alten Testaments, »dass Christus leiden musste und von den Toten auferstehen« (Apostelgeschichte 17,3). Hatte nicht Micha vorhergesagt, dass sie »den Richter Israels mit der Rute auf die Backe schlagen« würden (Micha 4,14)? Und hatte nicht der Verheißene selbst über sich durch Jesaja prophezeien lassen: »Denen, die schlugen, habe ich meinen Rücken dargeboten, und meine Wangen denen, die mich an den Haaren rissen, gegen Schmähungen und Speichel habe ich mein Angesicht nicht verdeckt.« (Jesaja 50,6 ZÜ) Durch den Psalmdichter David hatte Christus vorausgesagt, wie ihn die Menschen behandeln würden: »Ich aber bin ... ein Spott der Leute und verachtet vom Volke. Alle, die mich sehen, verspotten mich, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf: Er klage es dem Herrn, der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.« (Psalm 22,7-9) »Ich kann alle meine Knochen zählen; sie aber schauen zu und sehen auf mich herab. Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand.« (Psalm 22,18.19) »Ich bin fremd geworden meinen Brüdern und unbekannt den Kindern meiner Mutter; denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen ... Die Schmach bricht mir mein Herz und macht mich krank. Ich warte, ob jemand Mitleid habe, aber da ist niemand, und auf Tröster, aber ich finde keine.« (Psalm 69,9.10.21) GNAT 169 1 Wie unmissverständlich klar weissagte Jesaja doch von Christi Leiden und Sterben: »Wer glaubt dem, was uns verkündet wurde«, fragte der Prophet, »und wem ist der Arm des Herrn offenbart? Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. GNAT 169 2 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war.« (Jesaja 53,1-8) GNAT 169 3 Selbst die Art und Weise seines Todes war bildhaft vorweggenommen worden. Wie die bronzene Schlange in der Wüste erhöht worden war, so sollte der kommende Erlöser erhöht werden, »damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben« (Johannes 3,16). GNAT 169 4 »Wenn man zu ihm sagen wird: Was sind das für Wunden an deiner Brust?, wird er sagen: So wurde ich geschlagen im Hause derer, die mich lieben.« (Sacharja 13,6) GNAT 169 5 »Man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist. So wollte ihn der Herr zerschlagen mit Krankheit.« (Jesaja 53,9.10) GNAT 169 6 Doch er, der durch die Hände böser Menschen den Tod erleiden sollte, würde als Sieger über Sünde und Grab wieder auferstehen. Unter dem Einfluss des Geistes Gottes hatte der Psalmsänger Israels die Herrlichkeit des Auferstehungsmorgens in freudiger Gewissheit bezeugt: »Auch mein Körper ruht sicher. Denn du wirst deinen Heiligen nicht im Grab verwesen lassen und wirst nicht dulden, dass dein Gottesfürchtiger im Grab verwest.« (Psalm 16,9.10 NLB) GNAT 170 1 Paulus zeigte, wie eng Gott den Opferdienst mit den Prophezeiungen verknüpft hatte, die auf den hinwiesen, der »wie ein Lamm ... zur Schlachtbank geführt« werden sollte (Jesaja 53,7). Der Messias sollte sein »Leben zum Schuldopfer« geben (Jesaja 53,10). Jesaja, der das Versöhnungswerk des Heilands Jahrhunderte im Voraus sehen durfte, hatte von ihm als dem Lamm Gottes bezeugt, »dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten« (Jesaja 53,12). Christus, Das ziel Des Jüdischen Gottesdienstes GNAT 170 2 Der vorhergesagte Erlöser sollte nicht als zeitlicher König kommen, der das jüdische Volk von irdischen Unterdrückern befreien würde, sondern als ein Mensch unter Menschen. Er sollte ein Leben in Armut und Bescheidenheit führen und zuletzt verachtet, abgelehnt und geschlagen werden. Der in den Schriften des Alten Testaments geweissagte Erlöser sollte sich als Opfer für die gefallene Menschheit hingeben und somit sämtliche Forderungen des gebrochenen Gesetzes Gottes erfüllen. In ihm sollte der schattenhaft vorausweisende Opferdienst seine Erfüllung finden (der »Typus« durch den »Antitypus« erfüllt werden). Christi Tod am Kreuz würde dem ganzen jüdischen Gottesdienst die eigentliche Bedeutung verleihen. GNAT 170 3 Paulus berichtete den Juden in Thessalonich, wie rücksichtslos und unnachgiebig er sich einst für das Zeremonialgesetz eingesetzt hatte und von seiner wunderbaren Erfahrung vor den Toren von Damaskus. Vor seiner Bekehrung hatte er sein Vertrauen auf eine ererbte Religiosität gesetzt - eine falsche Hoffnung. Sein Glaube war nicht in Christus verankert gewesen; stattdessen hatte er sich auf äußere Formen und kultische Handlungen verlassen. Sein Eifer für das Gesetz Gottes war vom Glauben an Christus losgelöst gewesen und deshalb nutzlos. Während er sich rühmte, die Forderungen des Gesetzes tadellos zu erfüllen, hatte er den abgelehnt, der dem Gesetz seinen Wert gab. GNAT 170 4 Mit seiner Bekehrung aber war alles anders geworden. Jesus von Nazareth, den er in Gestalt seiner Anhänger verfolgt hatte, war ihm als der verheißene Messias erschienen. Der Verfolger erkannte in ihm den Sohn Gottes, der die Prophezeiungen erfüllt hatte. Er war auf die Erde herabgekommen und hatte in seinem Leben jeder Angabe der heiligen Schriften entsprochen. GNAT 171 1 Als Paulus in der Synagoge von Thessalonich mutig das Evangelium verkündigte, wurde die wahre Bedeutung der mit dem Heiligtumsdienst verbundenen Riten und Zeremonien deutlich. Der Apostel lenkte die Gedanken seiner Zuhörer über den irdischen Tempeldienst und den Dienst Christi im himmlischen Heiligtum hinaus bis in die Zeit nach der Vollendung dessen Mittlerdienstes, wenn der Messias mit Macht und großer Herrlichkeit wiederkommen und sein Reich auf Erden errichten wird. Paulus glaubte an die Wiederkunft Christi. So klar und überzeugend stellte er die Wahrheiten dieses Ereignisses dar, dass dies auf viele seiner Zuhörer einen tiefen Eindruck machte, der nie mehr verblasste. GNAT 171 2 An drei aufeinander folgenden Sabbaten predigte Paulus zu den Thessalonichern und versuchte, sie von den Aussagen der Heiligen Schrift über das Leben, den Tod, die Auferstehung, den Erlösungsplan und die zukünftige Herrlichkeit Christi, »des geschlachteten Lammes von Grundlegung der Welt an« (Offenbarung 13,8), zu überzeugen. Er pries Christus als den Retter der Menschen. Das rechte Verständnis für diesen Dienst ist der Schlüssel, der die Schriften des Alten Testaments öffnet und den Zugang zu ihren reichen Schätzen ermöglicht. Widerstand Ohne Ende GNAT 171 3 Da das Evangelium auf diese Weise in Thessalonich mit großer Kraft verkündigt wurde, zog es die Aufmerksamkeit vieler Menschen auf sich. »Von den Juden ließen sich nur wenige überzeugen; aber von den Griechen, die sich zur jüdischen Gemeinde hielten, schloss sich eine große Anzahl Paulus und Silas an, darunter auch viele einflussreiche Frauen.« (Apostelgeschichte 17,4 GNB) GNAT 171 4 Wie schon in den zuvor besuchten Städten stießen die Apostel auch hier auf erbitterten Widerstand. »Die einflussreichen Juden wurden neidisch.« (Apostelgeschichte 17,5 NLB). Die Juden waren damals bei der römischen Obrigkeit nicht gut angesehen, weil sie nicht lange zuvor in Rom einen Aufstand angezettelt hatten. Man sah mit Argwohn auf sie und hatte ihre Freiheit teilweise eingeschränkt. Nun erblickten sie eine Gelegenheit, die Umstände zu nutzen, um die Gunst der Römer zurückzugewinnen und zugleich die Apostel und die zum Christentum Bekehrten in ein schlechtes Licht zu rücken. GNAT 172 1 Zu diesem Zweck holten sie »einige üble Männer aus dem Pöbel«, mit deren Hilfe es ihnen gelang, »einen Aufruhr in der Stadt« anzuzetteln. Sie umlagerten das Haus Jasons und hofften, die Apostel dort greifen zu können. »Sie fanden sie aber nicht.« Wütend vor Enttäuschung, »schleiften sie Jason und einige Brüder vor die Oberen der Stadt und schrien: Diese, die den ganzen Weltkreis erregen, sind jetzt auch hierher gekommen; die beherbergt Jason. Und diese alle handeln gegen des Kaisers Gebote und sagen, ein anderer sei König, nämlich Jesus« (Apostelgeschichte 17,5-7). GNAT 172 2 Da Paulus und Silas nicht zu finden waren, nahmen die Stadtoberen zunächst die angeklagten Gläubigen fest, um die Ruhe wiederherzustellen. »Erst nachdem ihnen von Jason und den andern Bürgschaft geleistet war, ließen sie sie frei. Die Brüder aber schickten noch in derselben Nacht Paulus und Silas nach Beröa.« (Apostelgeschichte 17,9.10) GNAT 172 3 Wer heute Wahrheiten lehrt, die unbeliebt sind, sollte sich nicht entmutigen lassen, wenn er hin und wieder sogar von denen, die angeblich Christen sind, genauso unfreundlich aufgenommen wird wie damals Paulus und dessen Mitarbeiter von den Leuten, unter denen sie arbeiteten. Die Boten des Erlösers müssen sich mit Wachsamkeit und Gebet rüsten, glaubensvoll und mutig vorangehen und allezeit im Namen von Jesus wirken. Dabei sollen sie Christus verherrlichen als den Fürsprecher der Menschen im himmlischen Heiligtum, in dem alle Opfer des Alten Bundes ihr Zentrum hatten, und durch dessen versöhnendes Opfer die Übertreter von Gottes Gesetz Frieden und Vergebung finden können. ------------------------Kapitel 23 -- In Beröa Und Athen GNAT 173 0 Apostelgeschichte 17,10-34. GNAT 173 1 In Beröa stieß Paulus auf Juden, die bereit waren, die Wahrheiten zu prüfen, die er lehrte. In seinem Bericht schrieb Lukas über sie: »Diese aber waren freundlicher als die in Thessalonich; sie nahmen das Wort bereitwillig auf und forschten täglich in der Schrift, ob sich's so verhielte. So glaubten nun viele von ihnen, darunter nicht wenige von den vornehmen griechischen Frauen und Männern.« (Apostelgeschichte 17,11.12) Offenheit Und Widerstand GNAT 173 2 Die Leute in Beröa waren nicht durch Vorurteile eingeengt, sondern bereit, die von den Aposteln verkündeten Lehren auf deren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Nicht aus bloßer Neugierde forschten sie in der Bibel, sondern um sich zu vergewissern, was genau über den verheißenen Messias geschrieben stand. Täglich durchsuchten sie die inspirierten Berichte, und während sie eine Bibelstelle mit anderen verglichen, standen ihnen himmlische Engel zur Seite, die ihnen das Verständnis erleichterten und ihr Herz beeindruckten. GNAT 173 3 Wo immer die Wahrheiten des Evangeliums verkündigt werden, wird jeder, der aufrichtig das Rechte tun will, dazu geführt, die Heilige Schrift sorgfältig zu durchforschen. In der Abschlussphase der Geschichte dieser Erde werden Lehren verkündigt werden, die die Menschen zu Entscheidungen auffordern. Würden alle dem Beispiel der Beröaner folgen und die Bibel täglich durchforschen, und würden sie die ihnen vermittelten Botschaften mit Gottes Wort vergleichen, dann würde heute schon dort, wo nur vergleichsweise wenige treu den Geboten des Gesetzes Gottes folgen, viele zu finden sein. Doch sobald unpopuläre biblische Wahrheiten dargelegt werden, lehnen es viele ab, diese Prüfung vorzunehmen. Zwar können sie die klaren Lehren der Heiligen Schrift nicht in Zweifel ziehen, doch weigern sie sich strikt, die vorgelegten Beweispunkte zu prüfen. Einige meinen, selbst wenn diese Lehren tatsächlich wahr seien, spiele es kaum eine Rolle, ob sie die neue Erkenntnis annähmen oder nicht, und sie halten an angenehmen Fabeln fest, die Satan benützt, um Menschen irrezuführen. So wird ihr Denken durch Irrtum verdunkelt, und sie selbst werden vom Himmel getrennt. GNAT 174 1 Alle Menschen werden nach dem Maße der geschenkten Erkenntnis gerichtet werden. Der Herr sendet seine Boten mit einer Erlösungsbotschaft aus, und er wird die Hörer dafür verantwortlich machen, wie sie mit den Worten seiner Diener umgehen. Wer ernsthaft nach Wahrheit sucht, wird die ihm vorgelegten Lehren sorgfältig anhand von Gottes Wort nachprüfen. GNAT 174 2 Die ungläubigen Juden von Thessalonich waren voller Eifersucht und Hass gegen die Apostel. Sie gaben sich nicht damit zufrieden, sie aus ihrer Stadt vertrieben zu haben, sondern folgten ihnen nach Beröa. Dort hetzten sie den leicht erregbaren Pöbel gegen sie auf. Die Brüder befürchteten Gewalttätigkeiten gegen Paulus, wenn er in Beröa bleiben würde. Deshalb sandten sie ihn in Begleitung einiger Neubekehrter nach Athen. GNAT 174 3 So wurden die Lehrer des Evangeliums von einer Stadt zur anderen verfolgt. Die Feinde Christi konnten die Ausbreitung des Evangeliums zwar nicht verhindern, aber es gelang ihnen, den Aposteln die Arbeit sehr zu erschweren. Und doch drängte Paulus angesichts von Widerstand und Anfeindungen unentwegt weiter voran, entschlossen, die Absicht Gottes auszuführen, wie sie ihm in der Vision in Jerusalem offenbart worden war: »Ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.« (Apostelgeschichte 22,21) GNAT 174 4 Die überstürzte Abreise des Paulus aus Beröa durchkreuzte seine Absicht, die Gläubigen in Thessalonich erneut zu besuchen (vgl. 1. Thessalonicher 2,18). GNAT 174 5 Nach seiner Ankunft in Athen sandte er die Brüder aus Beröa mit der Bitte an Silas und Timotheus zurück, sie möchten unverzüglich nachkommen. Timotheus war vor der Abreise des Apostels nach Beröa gekommen und mit Silas dort geblieben, um die so gut begonnene Arbeit weiterzuführen und die Neubekehrten in den Grundsätzen des Glaubens zu unterweisen. In Der Metropole Der Weisheit GNAT 174 6 Die Stadt Athen war die Metropole des Heidentums. Hier begegnete Paulus nicht einer unwissenden, leichtgläubigen Bevölkerung wie in Lystra, sondern traf auf Menschen, die für ihre Bildung und Kultur bekannt waren. Überall erblickte man Standbilder und Statuen der Gottheiten bzw. der zu Göttern erhobenen Helden aus Geschichte und Dichtkunst. Prachtbauten und Gemälde stellten den Ruhm des eigenen Volkes dar und zeigten die allgemein übliche Verehrung heidnischer Götter. Das Volk ließ sich von der Schönheit und Pracht der Kunstwerke faszinieren. Auf allen Seiten ragten gewaltige Heiligtümer und Tempel empor, für die unermessliche Summen aufgewandt worden waren. Siegreiche Schlachten und große Taten berühmter Männer waren in Skulpturen, auf Altären und Gedenktafeln verewigt. Das alles machte Athen zu einer riesigen Kunstgalerie. GNAT 175 1 Als Paulus all das Schöne und Großartige um ihn herum erblickte und feststellte, dass die Stadt völlig dem Götzendienst ergeben war, ergriff ihn ein heiliger Eifer für Gott, den er überall entehrt sah. Er empfand zugleich Mitleid mit den Athenern, die trotz ihrer intellektuellen Bildung den wahren Gott nicht kannten. GNAT 175 2 Der Apostel ließ sich durch das, was er in diesem Zentrum der Gelehrsamkeit zu sehen bekam, nicht täuschen. Weil seine geistliche Natur von himmlischen Dingen angezogen war, machte die Freude daran und die Herrlichkeit der unvergänglichen Schätze in seinen Augen den Pomp und den Glanz seiner Umgebung wertlos. Als er die Pracht Athens sah, erkannte er ihre verführerische Macht über Liebhaber der Kunst und Wissenschaft und empfand zutiefst, wie wichtig die vor ihm stehende Arbeit war. GNAT 175 3 In dieser großen Stadt, in der man Gott nicht anbetete, fühlte sich Paulus sehr einsam, und er sehnte sich nach der Anteilnahme und dem Beistand seiner Mitarbeiter. Er vermisste menschliche Freundschaft. Schier unüberwindliche Schwierigkeiten türmten sich vor ihm auf und ließen ihm den Versuch, die Menschen mit der frohen Botschaft zu erreichen, fast hoffnungslos erscheinen. GNAT 175 4 Während er auf Silas und Timotheus wartete, war Paulus nicht untätig. »Er redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt zu denen, die sich einfanden.« (Apostelgeschichte 17,17) Seine hauptsächliche und vordringlichste Aufgabe in Athen war jedoch, die Rettungsbotschaft Menschen zu bringen, die keine vernünftige Vorstellung von Gott und dessen Absichten mit dem gefallenen Menschengeschlecht hatten. Bald sollte der Apostel dem Heidentum in seiner raffiniertesten und verführerischsten Form begegnen. GNAT 175 5 Schon bald erfuhren die großen Männer Athens, dass sich in ihrer Stadt ein eigentümlicher Lehrer aufhielt, der dem Volk neue und seltsame Lehren verkündigte. Einige dieser Männer suchten Paulus auf und begannen mit ihm ein Gespräch. Bald sammelte sich eine Schar von Zuhörern um sie. Einige wollten den Apostel lächerlich machen als jemand, der ihnen intellektuell und gesellschaftlich weit unterlegen sei. Spöttisch sagten sie untereinander: »Was will dieser Schwätzer sagen?« Andere meinten: »Es sieht so aus, als wolle er fremde Götter verkündigen. Er hatte ihnen nämlich das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung verkündigt.« (Apostelgeschichte 17,18) GNAT 176 1 Unter denen, die Paulus auf dem Marktplatz begegneten, befanden sich auch einige Philosophen der Epikureer und Stoiker. Diese und all die anderen, die mit ihm in Kontakt kamen, sahen bald ein, dass er einen noch größeren Wissensschatz besaß als sie selbst. Seine Verstandeskraft nötigte den Gelehrten Respekt ab, während seine ernsthafte und logische Beweisführung und die Macht seiner Redekunst die ganze Versammlung in Bann hielt. Bald merkten die Zuhörer, dass es sich hier nicht um einen Anfänger handelte, sondern um jemand, der in der Lage war, seine Lehren vor allen Gesellschaftsschichten mit überzeugenden Argumenten zu untermauern. Unerschrocken begegnete der Apostel seinen Widersachern auf ihrem eigenen Terrain: Er konterte Logik mit Logik, Philosophie mit Philosophie und Beredsamkeit mit Beredsamkeit. GNAT 176 2 Seine heidnischen Gegner machten ihn auf das Schicksal des Sokrates aufmerksam, der zum Tode verurteilt worden war, weil er fremde Götter verkündigt hatte. Sie rieten Paulus, sein Leben nicht in gleicher Weise zu gefährden. Doch die Reden des Apostels fesselten die Aufmerksamkeit des Volkes, und seine ungekünstelte Weisheit verschaffte ihm Achtung und Bewunderung. Er ließ sich weder durch das Wissen noch durch die Ironie der Philosophen zum Schweigen bringen. Als sie sich überzeugt hatten, dass er entschlossen war, seinen Auftrag unter ihnen auszuführen und seine Geschichte unter allen Umständen zu erzählen, beschlossen sie, ihm eine faire Gelegenheit dazu zu geben. Eine Predigt FÜR Die Elite GNAT 176 3 Zu diesem Zweck geleiteten sie ihn auf den Areopag, einen der ehrwürdigsten Plätze von ganz Athen. Die mit diesem Ort verbundenen Erinnerungen und Assoziationen lösten bei vielen Athenern eine abergläubische Ehrfurcht aus, die bei manchen bis hin zur Angst reichte. Männer, die als oberste Richter für alle wichtigen Fragen der Moral und des Zivilrechts verantwortlich waren, prüften hier häufig und mit Sorgfalt auch Fragen der Religion. GNAT 176 4 Hier war man abseits vom Lärm und vom geschäftigen Treiben der belebten Straßen und fern von den verworrenen Diskussionen der Menge. So konnte der Apostel ungestört gehört werden. Um ihn herum versammelten sich Dichter, Künstler und Philosophen, die Gelehrten und Weisen der Stadt, die sich mit folgenden Worten an ihn wandten: »Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst? Denn du bringst etwas Neues vor unsere Ohren; nun wollen wir gerne wissen, was das ist.« (Apostelgeschichte 17,19.20) GNAT 176 5 In dieser Stunde ernster Verantwortung war der Apostel ruhig und gefasst. Eine wichtige Botschaft lag ihm am Herzen, und die Worte, die über seine Lippen kamen, überzeugten seine Zuhörer davon, dass er kein müßiger Schwätzer war. »Ihr Männer von Athen«, sagte er, »ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.« (Apostelgeschichte 17,22.23) Trotz ihrer Intelligenz und ihres Allgemeinwissens kannten sie den Schöpfer des Universums nicht. Aber es gab einige unter ihnen, die sich nach mehr Erkenntnis sehnten und nach dem Unendlichen suchten. GNAT 177 1 Erfüllt von seinem Hauptanliegen wies Paulus auf die Tempel hin, die voller Götzenbilder waren, und deckte die Irrtümer der Religion der Athener auf. Die Verständigen unter seinen Zuhörern waren erstaunt, als sie seiner Beweisführung folgten. Der Apostel zeigte sich vertraut mit ihren Kunstwerken, ihrer Literatur und ihrer Religion. Er deutete auf ihre Statuen und Götzenbilder hin und erklärte, dass Gott nicht mit Formen verglichen werden könne, die sich Menschen ersonnen hätten. Diese selbstgefertigten Bilder könnten die Herrlichkeit des Ewigen auch nicht im Entferntesten wiedergeben. Er erinnerte sie daran, dass diese Bilder kein Leben hatten, sondern von menschlicher Kraft abhängig sind und sich nur bewegen konnten, wenn sie von Menschenhand geführt würden. Deshalb seien die Anbeter diesen Gegenständen der Anbetung in jeder Beziehung überlegen. GNAT 177 2 Paulus sprengte die Grenzen ihrer falschen Religion, indem er seinen götzendienerischen Zuhörern zu einer wahren Sicht Gottes verhalf, den sie als den »unbekannten Gott« bezeichnet hatten. Dieses Wesen, das er ihnen nun verkündigte, sei nicht von Menschen abhängig und brauche nichts, was durch menschliche Hand seiner Macht und Herrlichkeit hinzugefügt werden müsste. GNAT 177 3 Das Volk war vor Bewunderung hingerissen, wie aufrichtig und logisch Paulus die Eigenschaften des wahren Gottes darstellte: dessen Schöpfermacht und seine alles verändernde Vorsehung. Mit überlegter und leidenschaftlicher Beredsamkeit erklärte der Apostel: »Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt.« (Apostelgeschichte 17,24.25) Der Himmel sei nicht groß genug, um Gott zu fassen - wie viel weniger vermochten dies Tempel, die von Menschenhand gemacht sind! GNAT 177 4 In jenem Zeitalter eines gesellschaftlichen Klassendenkens, als die Menschenrechte vielen unbekannt waren, verkündete Paulus die großartige Wahrheit der Bruderschaft aller Menschen und erklärte, Gott habe »aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen« (Apostelgeschichte 17,26). In Gottes Augen seien alle gleich, und jedes menschliche Wesen schulde dem Schöpfer die oberste Treue. Dann zeigte der Apostel, wie sich - einem roten Faden gleich - Gottes Gnade und Barmherzigkeit durch all sein Handeln mit den Menschen zieht. »Er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.« (Apostelgeschichte 17,26.27) GNAT 178 1 Indem er auf die vornehmen Vertreter des Menschengeschlechts um sich herum hinwies, schilderte er mit Worten eines ihrer Dichter den unendlichen Gott als einen Vater, dessen Kinder sie seien. »In ihm nämlich leben, weben und sind wir«, erklärte er, »wie auch einige eurer Dichter gesagt haben: Ja, wir sind auch von seinem Geschlecht. Da wir also von Gottes Geschlecht sind, dürfen wir nicht denken, das Göttliche sei vergleichbar mit etwas aus Gold oder Silber oder Stein, einem Gebilde menschlicher Kunst und Erfindungsgabe. Doch über die Zeiten der Unwissenheit sieht Gott nun hinweg und ruft jetzt alle Menschen überall auf Erden zur Umkehr.« (Apostelgeschichte 17,28-30 ZÜ) GNAT 178 2 In den finsteren Zeiten, die dem Erscheinen Christi vorausgegangen waren, ließ der göttliche Herrscher die Heiden im Götzendienst gewähren. Nun aber hatte er durch seinen Sohn der Menschheit das Licht der Wahrheit gesandt, und erwartete von allen Reue, die zur Erlösung führt - nicht nur von den Armen und Demütigen, sondern auch von den stolzen Philosophen und den Fürsten dieser Erde. »Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, indem er ihn vor allen Menschen beglaubigte durch die Auferstehung von den Toten.« (Apostelgeschichte 17,31 ZÜ) Als Paulus von der Auferstehung der Toten sprach, »begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiter hören« (Apostelgeschichte 17,32) Magerer Erfolg GNAT 178 3 So endete die Arbeit des Apostels in Athen, dem Zentrum heidnischer Gelehrsamkeit, denn die Athener hielten beharrlich an ihrem Götzendienst fest und wandten sich vom Licht des wahren Glaubens ab. Wenn ein Volk mit seinen eigenen Errungenschaften zufrieden ist, braucht man von ihm nicht viel mehr erwarten. Obwohl die Athener sich ihres Wissens und ihrer Kultiviertheit rühmten, sanken sie immer tiefer in den moralischen Verfall und begnügten sich mit den vagen Mysterien des Götzendienstes. GNAT 179 1 Einige Zuhörer des Apostels waren zwar innerlich von den dargebotenen Wahrheiten überzeugt, wollten sich aber nicht so weit demütigen, Gott anzuerkennen und den Erlösungsplan anzunehmen. Keine Wortgewandtheit, keine Argumentationsstärke kann den Sünder bekehren. Allein Gottes Macht kann die Erkenntnis der Wahrheit schenken. Wer sich beharrlich von ihr abwendet, kann nicht erreicht werden. Die Griechen suchten nach Weisheit, doch die Botschaft vom Gekreuzigten war ihnen eine Torheit, weil sie ihre eigene Weisheit höher achteten als die Weisheit, die von oben kommt. GNAT 179 2 Vielleicht lag der Grund für den vergleichsweise geringen Erfolg der Evangeliumsbotschaft bei den Athenern in ihrem Stolz auf ihre Verstandeskraft und menschliche Weisheit. Weltkluge Menschen, die als arme, verlorene Sünder zu Christus kommen, erhalten die Erkenntnis, die zu ihrer Erlösung führt. Wer aber als hervorragende Persönlichkeit kommt und seine eigene Weisheit hervorhebt, wird das Licht und die Erkenntnis nicht empfangen, die allein der Herr verleihen kann. GNAT 179 3 So begegnete Paulus dem Heidentum seiner Zeit. Doch völlig vergeblich war sein Dienst in Athen nicht. Dionysius, einer der angesehensten Bürger, und einige andere nahmen das Evangelium an und schlossen sich den Christen von Herzen an. Diplomatie Ist Gefragt GNAT 179 4 Göttliche Inspiration hat uns diesen Einblick in das Leben der Athener vermittelt, die trotz ihres Wissens, ihrer Kultiviertheit und ihrer Kunst doch der Ausschweifung verfallen waren. Wir können sehen, wie Gott durch seinen Boten den Götzendienst und die Sünden eines stolzen und selbstgefälligen Volkes rügte. Was der inspirierte Verfasser aufgezeichnet hat - die Worte des Apostels, der Bericht über sein Verhalten und seine Umgebung -, sollte allen noch kommenden Generationen weitergegeben werden und sein unerschütterliches Vertrauen, seinen Mut im Alleinsein und im Widerstand und seinen Sieg, den er im Zentrum des Heidentums für den Christusglauben erringen konnte, bezeugen. Die Höheren Schichten Erreichen GNAT 179 5 Die Worte des Paulus stellen einen Schatz der Erkenntnis für die Gemeinde dar. In seiner Lage wäre es leicht gewesen, etwas zu sagen, was seine stolzen Zuhörer irritiert und ihn selbst in Schwierigkeiten gebracht hätte. Wäre seine Rede ein direkter Angriff auf die Götter und die großen Männer der Stadt gewesen, hätte für ihn die Gefahr bestanden, dasselbe Schicksal zu erleiden wie Sokrates. Aber mit einem Feingefühl, das aus einer göttlichen Liebe erwachsen war, lenkte er die Gedanken der Zuhörer behutsam von den heidnischen Gottheiten ab, indem er ihnen den wahren Gott offenbarte, den sie nicht kannten. GNAT 180 1 Auch heute müssen die großen Männer dieser Welt mit der biblischen Wahrheit konfrontiert werden, damit sie wählen können, wem sie ihre Treue leisten wollen: dem Gesetz Gottes oder dem Fürsten des Bösen. Gott legt ihnen die ewige Wahrheit vor, die sie weise zur Seligkeit machen wird, aber er zwingt sie ihnen nicht auf. Wenn sie sich von ihr abwenden, sind sie sich selbst überlassen und ernten die Frucht ihres eigenen Tuns. GNAT 180 2 »Denn das Wort vom Kreuz ist Torheit für die, die verloren gehen, für die aber, die gerettet werden, für uns, ist es Gottes Kraft. Es steht nämlich geschrieben: Zunichte machen werde ich die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen werde ich verwerfen.« (1. Korinther 2,18.19 ZÜ; vgl. Jesaja 29,14) »Das Törichte dieser Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zu beschämen, und das Schwache dieser Welt hat Gott erwählt, um das Starke zu beschämen, und das Geringe dieser Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts gilt, um zunichte zu machen, was etwas gilt, damit kein Mensch sich rühme vor Gott.« (1. Korinther 1,27.28 ZÜ) Viele der größten Gelehrten und Staatsmänner, die hervorragendsten Männer dieser Welt, werden sich in dieser letzten Zeit von der Wahrheit abwenden, denn durch ihre eigene Weisheit erkennt die Welt Gott nicht. Trotzdem müssen die Diener Gottes jede Gelegenheit nutzen, um diesen Menschen die Wahrheit zu vermitteln. Einige werden zugeben, dass sie über die Dinge Gottes nichts wissen und ihren Platz als ergebene Schüler von Jesus, dem unübertrefflichen Lehrer, einnehmen. GNAT 180 3 Bei dem Bemühen, höhere Gesellschaftsschichten zu erreichen, braucht jeder, der für Gott arbeitet, starken Glauben. Umstände mögen beängstigend erscheinen, aber in der dunkelsten Stunde scheint Licht von oben. Die Kraft derer, die Gott lieben und dienen, wird von Tag zu Tag erneuert werden. Weisheit von Gott wird ihnen zur Verfügung gestellt, sodass sie bei der Ausführung seiner Absichten nicht in die Irre gehen. Mögen diese Mitarbeiter Gottes an ihrem Vertrauen von Anfang bis Ende festhalten und sich stets daran erinnern, dass das Licht der Wahrheit Gottes auch in die Finsternis scheinen soll, die die Welt umhüllt. Im Dienst Gottes soll es keine Mutlosigkeit geben. Der Glaube des gottgeweihten Mitarbeiters soll jede Prüfung bestehen können, die ihm auferlegt wird. Gott kann und will seinen Dienern die Kraft schenken, die sie nötig haben, und die Weisheit, die sie in verschiedenen Umständen benötigen. Er wird die höchsten Erwartungen derer, die ihr Vertrauen in ihn setzen, weit übertreffen. ------------------------Kapitel 24 -- In Korinth GNAT 182 0 Apostelgeschichte 18,1-18. GNAT 182 1 Korinth war im ersten Jahrhundert des christlichen Zeitalters eine der führenden Städte nicht nur Griechenlands, sondern der ganzen Welt. In den Straßen drängten sich Griechen, Juden, Römer und Reisende aus allen Ländern, die eifrig ihren Geschäften oder Vergnügungen nachgingen. Dieses bedeutende Handelszentrum, das von allen Teilen des Römischen Reichs her leicht erreicht werden konnte, war ein wichtiger Ort, in dem ein Mahnmal für Gott und seine Wahrheit errichtet werden sollte. GNAT 182 2 Zu den Juden, die sich in Korinth niedergelassen hatten, gehörten auch Aquila und Priszilla, die sich später als gewissenhafte Arbeiter für Christus auszeichneten. Als Paulus die Wesensart der beiden kennen lernte, blieb er bei ihnen. GNAT 182 3 Bereits zu Beginn seiner Arbeit in diesem Verkehrsknotenpunkt sah Paulus von allen Seiten schwerwiegende Hindernisse für den Fortgang seiner Arbeit auf sich zukommen. Die Stadt war fast vollständig dem Götzendienst verfallen, und mit dem Kult ihrer Lieblingsgöttin Aphrodite (= Venus) waren viele die Moral zersetzende Riten und Zeremonien verbunden. Sogar unter den Heiden waren die Korinther wegen ihrer großen Unmoral bekannt. Ihr Denken und ihr Interesse schienen kaum über die Vergnügen und Lustbarkeiten des Augenblicks hinauszureichen. Das Kreuz Christi Im Zentrum GNAT 182 4 Bei der Verkündigung des Evangeliums in Korinth ging der Apostel anders vor als in Athen. Dort hatte er versucht, seinen Stil dem Bildungsstand seiner Zuhörerschaft anzupassen: Er war Logik mit Logik, Wissenschaft mit Wissenschaft und Philosophie mit Philosophie entgegengetreten. Als er über die so verbrachte Zeit nachdachte und sich bewusst machte, dass seine Lehrtätigkeit in Athen nur wenig Frucht hervorgebracht hatte, beschloss er, in Korinth bei seinen Bemühungen um die Aufmerksamkeit der Sorglosen und Gleichgültigen einer anderen Strategie zu folgen. Er nahm sich vor, ausgefeilte Argumentationen und Diskussionen zu vermeiden und unter den Korinthern »nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.« Er wollte »nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft« zu ihnen predigen (1. Korinther 2,2.4). GNAT 183 1 Paulus wollte den Griechen in Korinth Jesus als den Christus vorstellen. Dieser Jesus war als Jude aus einfachen Verhältnissen in einer Stadt aufgewachsen, deren Verdorbenheit sprichwörtlich war. Von seinem eigenen Volk war er verworfen und schließlich als Verbrecher ans Kreuz geschlagen worden. Die Griechen waren überzeugt, dass die Menschheit auf eine höhere ethische Stufe gelangen müsse. Diese konnte nach ihrem Verständnis aber nur durch das Studium der Philosophie und Wissenschaft erreicht werden, dem einzigen Weg zu wahrer Erhabenheit und Ehre. Würde Paulus die Korinther davon überzeugen können, dass der Glaube an die Macht dieses unbekannten Juden jede Fähigkeit des Menschen erhöhen und veredeln könnte? Heute ist das Kreuz von Golgatha für viele Menschen mit einem Heiligenschein umgeben. Das Kreuzigungsgeschehen weckt in ihnen ehrfurchtsvolle Gedanken. Zur Zeit des Paulus hingegen erweckte das Kreuz nur Abscheu und Schrecken. Dass jemand, der am Kreuz zu Tode gekommen war, als Retter der Menschheit geachtet und wertgeschätzt werden sollte, musste unwillkürlich nur Spott und Widerspruch hervorrufen. GNAT 183 2 Paulus wusste durchaus, wie einerseits die Juden und andererseits die Griechen von Korinth seine Botschaft beurteilen würden. Er räumte später ein: »Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.« (1. Korinther 1,23) Viele seiner jüdischen Zuhörer würden über die Botschaft, die er zu verkündigen begann, wütend werden. Die Griechen würden seine Worte als sinnlos und töricht ansehen. Ihn selbst würde man als schwachsinnig einstufen, wenn er versuchen sollte aufzuzeigen, wie das Kreuz auch nur irgendetwas mit der Erhöhung oder Erlösung der Menschheit zu tun haben könnte. GNAT 183 3 Für Paulus hingegen war das Kreuz von allerhöchster Bedeutung. Seit ihm bei der Verfolgung der Anhänger des gekreuzigten Nazareners Einhalt geboten worden war, hatte er nie aufgehört, sich des Kreuzes zu rühmen. Damals war ihm die unendliche Liebe Gottes offenbart worden, wie sie sich im Tod Christi erwiesen hatte. Dies hatte eine wunderbare Umwandlung in seinem Leben bewirkt; all seine Pläne und Absichten wurden mit den himmlischen Plänen in Übereinstimmung gebracht. Von jener Stunde an war er ein neuer Mensch in Christus. Aus eigener Erfahrung wusste er: Wenn ein Sünder einmal die Liebe des Vaters erkennt, wie sie sich im Opfer seines Sohnes zeigt, und wenn er sich dem göttlichen Einfluss hingibt, dann findet eine Wesensveränderung statt, und von da an ist für ihn Christus alles und in allem. GNAT 184 1 Bei seiner Bekehrung hatte Paulus das sehnsüchtige Verlangen, seinen Mitmenschen zu der Erkenntnis zu verhelfen, dass Jesus von Nazareth der Sohn des lebendigen Gottes ist und die Macht besitzt, zu verändern und zu retten. Von da an wollte er sein Leben ganz dem Bemühen weihen, die Liebe und Macht des Gekreuzigten darzustellen. Sein herzliches Mitgefühl schloss alle Bevölkerungsschichten ein. »Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen, der Weisen und der Nichtweisen«, erklärte er (Römer 1,14). Die Liebe zu dem Herrn der Herrlichkeit, den er früher in Gestalt der ersten Christen so erbarmungslos verfolgt hatte, war das treibende Prinzip, die Motivation für sein Verhalten. Wenn jemals seine Hingabe an diesen Dienst nachließ, genügte ein Blick auf das Kreuz und auf die dort sichtbar gewordene Liebe, um die »Lenden seines Gemüts« erneut zu »umgürten« (1. Petrus 1,13) und auf dem Pfad der Selbstverleugnung weiter voranzugehen. Christus, Der Verheissene Messias GNAT 184 2 Stellen wir uns den Apostel bei seinen Predigten in der Synagoge in Korinth vor, wie er anhand der Schriften Moses und der Propheten argumentiert und seine Zuhörer auf das Kommen des verheißenen Messias hinweist! Hören wir zu, wie er das Wirken des Erlösers, des großen Hohenpriesters der Menschheit, erklärt, und wie er den Einen zeigt, der durch das Opfer seines eigenen Lebens ein für alle Mal die Sühne für die Sünden leistete und anschließend seinen Dienst im himmlischen Heiligtum aufnahm! Paulus führte seine Zuhörer zur Einsicht, dass der Messias, den sie sehnlichst erwartet hatten, bereits gekommen war. Dessen Tod war die Erfüllung aller dargebrachten Opfer und dessen Dienst im himmlischen Heiligtum war das große Ereignis, das einen Schatten in die Vergangenheit zurückwarf und den Dienst des jüdischen Priesterdienstes mit Sinn erfüllte. GNAT 184 3 Paulus »bezeugte den Juden, dass Jesus der Christus ist« (Apostelgeschichte 18,5). Anhand der Schriftstellen des Alten Testaments wies er nach, dass gemäß den Prophezeiungen und der allgemeinen Erwartung der Juden der Messias zur Nachkommenschaft Abrahams und Davids gehörte. Dann zeichnete er die Abstammungslinie von Jesus nach, vom Patriarchen Abraham bis zum königlichen Psalmdichter David. Er las die Zeugnisse der Propheten über das Wesen und Wirken des verheißenen Messias und über dessen Aufnahme und Behandlung auf der Erde vor. Dann zeigte er, dass sich all diese Voraussagen im Leben, im Dienst und im Tod des Jesus von Nazareth erfüllt hatten. GNAT 185 1 Paulus zeigte, dass Christus gekommen war, um zuallererst dem Volk das Heil anzubieten, das auf das Kommen des Messias als Krönung und zum Ruhm seines nationalen Bestehens wartete. Doch eben diese Nation hatte denjenigen verworfen, der ihr Leben gegeben hätte. Sie hatte sich einen anderen Führer erwählt, dessen Herrschaft im Tod enden würde. Paulus bemühte sich, seinen Zuhörern deutlich zu machen, dass allein Reue die jüdische Nation vor dem drohenden Untergang retten könne. Er zeigte ihnen, dass sie gerade diejenigen Schriftstellen nicht begriffen hatten, auf deren Verständnis sie sich so viel einbildeten. Er tadelte ihre weltliche Gesinnung, ihr Streben nach gesellschaftlichem Rang und nach Titeln, ihren Geltungsdrang und ihre maßlose Selbstsucht. GNAT 185 2 In der Kraft des Geistes bezeugte Paulus seine eigene wundersame Bekehrung und sein Vertrauen in die Aussagen des Alten Testaments, die sich in Jesus von Nazareth so vollständig erfüllt hatten. Er sprach mit feierlichem Ernst, und seine Zuhörer mussten erkennen, dass er den gekreuzigten und auferstandenen Erlöser von ganzem Herzen liebte. Sie sahen, dass sein Denken ganz auf Christus ausgerichtet und sein Leben fest mit seinem Herrn verbunden war. Seine Worte waren so beeindruckend, dass nur diejenigen unberührt blieben, die von bitterem Hass gegen die christliche Religion erfüllt waren. GNAT 185 3 Aber die Juden von Korinth verschlossen die Augen vor der äußerst klaren Beweisführung des Apostels und wollten nicht auf seine Mahnungen hören. Derselbe Geist, der sie veranlasst hatte, Christus abzulehnen, erfüllte sie nun mit Zorn und Wut gegen seinen Diener. Hätte ihn Gott nicht besonders bewahrt, damit er das Evangelium weiterhin zu Heiden tragen konnte, hätten die Juden seinem Leben ein Ende gesetzt. GNAT 185 4 »Da sie aber nichts davon wissen wollten und lästerten, schüttelte er seine Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut komme über euer Haupt! Ich bin ohne Schuld; von jetzt an werde ich zu den Heiden gehen. Und er verließ jenen Ort und ging in das Haus eines gewissen Titius Justus, eines Gottesfürchtigen; dessen Haus grenzte an die Synagoge.« (Apostelgeschichte 18,6.7 ZÜ) Verkündigung Unter Den Heiden GNAT 185 5 Inzwischen waren »Silas und Timotheus aus Mazedonien« gekommen, um Paulus zu helfen (Apostelgeschichte 18,5). Gemeinsam arbeiteten sie nun für die Heiden. Paulus und seine Gefährten predigten Christus, den Retter der gefallenen Menschheit, sowohl Heiden als auch Juden. Die Boten des Gekreuzigten vermieden komplizierte und langatmige Beweisführungen und konzentrierten sich auf die Eigenschaften des Schöpfers der Welt, des erhabenen Herrschers des Universums. Ihre Herzen waren ergriffen von der Liebe zu Gott und zu seinem Sohn. In dieser Liebe forderten sie die Heiden auf, das unermessliche Opfer zu betrachten, das stellvertretend für alle Menschen gebracht worden war. Sie wussten: Wenn diejenigen, die lange Zeit in der Dunkelheit des Heidentums umhergeirrt waren, endlich das Licht, das vom Kreuz von Golgatha ausging, sehen könnten, würden sie unweigerlich zum Erlöser hingezogen, wie Jesus erklärt hatte: »Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.« (Johannes 12,32) GNAT 186 1 Die Verkünder des Evangeliums in Korinth waren sich der schrecklichen Gefahren bewusst, die den Menschen drohten, für die sie arbeiteten. Die Wahrheit in Christus wurde ihnen mit viel Verantwortungsbewusstsein verkündet. Ihre Botschaft war klar, einfach und bestimmt; »diesen ein Geruch des Todes zum Tode, jenen aber ein Geruch des Lebens zum Leben« (2. Korinther 2,16). Das Evangelium wurde nicht nur durch ihre Worte, sondern auch durch ihre Taten im täglichen Leben offenbart. Engel unterstützten sie, und Gottes Gnade und Macht wurden durch die Bekehrung vieler sichtbar. »Krispus aber, der Vorsteher der Synagoge, kam zum Glauben an den Herrn mit seinem ganzen Hause, und auch viele Korinther, die zuhörten, wurden gläubig und ließen sich taufen.« (Apostelgeschichte 18,8) GNAT 186 2 Der Hass, mit dem die Juden die Apostel stets betrachtet hatten, wurde nun stärker. Statt sie zu überzeugen, verärgerte die Bekehrung und Taufe des Krispus diese hartnäckigen Gegner. Sie hatten keine Argumente, mit denen sie die Predigten des Paulus hätten widerlegen können, und deshalb gingen sie zu Täuschungen und bösartigen Angriffen über. Sie verunglimpften das Evangelium und den Namen von Jesus. Blind vor Wut waren ihnen keine Worte zu scharfzüngig und kein Mittel zu gemein, um nicht davon Gebrauch zu machen. Sie konnten nicht leugnen, dass Christus Wunder vollbracht hatte, behaupteten aber, er habe diese durch die Macht Satans gewirkt. Dreist erklärten sie, dass die wunderbaren Werke, die Paulus getan hatte, durch dieselben Werkzeuge zustande gekommen seien. GNAT 186 3 Obwohl Paulus in Korinth einen gewissen Erfolg verzeichnen konnte, wurde er durch die Bosheit, die er in dieser verdorbenen Stadt zu sehen und zu hören bekam, fast entmutigt. Die Lasterhaftigkeit der Heiden und die Verachtung und die Beleidigungen, die ihm die Juden zufügten, ließen ihn beinahe resignieren. Er zweifelte, ob es einen Versuch wert sei, mit den Menschen, die er dort vorfand, eine Gemeinde aufzubauen. Göttliche Ermutigung GNAT 187 1 Paulus beabsichtigte, die Stadt zu verlassen, um ein aussichtsreicheres Gebiet aufzusuchen. Als er sich ernsthaft bemühte, seine Aufgabe zu verstehen, erschien ihm der Herr in einer Vision und sagte: »Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden; denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt.« (Apostelgeschichte 18,9.10) Paulus erkannte darin einen Befehl, in Korinth zu bleiben, und die Zusicherung, dass der Herr die ausgestreute Saat aufgehen lassen würde. Bestärkt und ermutigt setzte er seine Arbeit mit Eifer und Ausdauer fort. GNAT 187 2 Die Bemühungen des Apostels beschränkten sich nicht auf die öffentliche Verkündigung, denn es gab viele Menschen, die er auf diese Weise nicht hätte erreichen können. Er setzte viel Zeit für die Arbeit von Haus zu Haus ein. So nutzte er das vertraute Beziehungsnetz der Familien. Er besuchte Kranke und Trauernde, tröstete Betrübte und richtete Bedrückte auf. Und in allem, was er sagte und tat, verherrlichte er den Namen von Jesus. So wirkte er »in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern« (1. Korinther 2,3). Er bangte bei dem Gedanken, seine Verkündigung könnte mehr den Stempel des Menschlichen als des Göttlichen tragen. GNAT 187 3 »Wovon wir aber reden«, erklärte Paulus später, »das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern es ist gekommen, wie geschrieben steht: ›Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.‹ Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit. Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, als allein der Geist des Menschen, der in ihm ist? So weiß auch niemand, was in Gott ist, als allein der Geist Gottes. Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.« (1. Korinther 2,6-13; vgl. Jesaja 64,3) Die Wahrheit Setzt Sich Durch GNAT 188 1 Paulus erkannte, dass er sich seinen Erfolg nicht selbst zuschreiben konnte. Ausschlaggebend war die Gegenwart des Heiligen Geistes, der ihn erfüllte und sein ganzes Denken Christus unterordnete. Der Apostel sprach von sich selbst, als er sagte: »Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.« (2. Korinther 4,10) In allem, was Paulus lehrte, war Christus die zentrale Gestalt. »Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir«, erklärte er anderswo (Galater 2,20). Das Ich war verborgen; Christus wurde offenbart und verherrlicht. GNAT 188 2 Paulus war ein gewandter Redner. Vor seiner Bekehrung hatte er oft versucht, seine Zuhörer durch Kostproben seiner Redekunst zu beeindrucken. Nun aber wurde all dies für ihn zur Nebensache. Statt sich in poetischen Formulierungen und reich ausgeschmückten Darstellungen zu ergehen, die vielleicht angenehme Gefühle wecken und die Phantasie anregen, im Alltag aber nicht weiterhelfen, bemühte sich Paulus um eine einfache Sprache, um den Zuhörern die Lehren zu übermitteln, die von lebenswichtiger Bedeutung sind. Phantasievolle Darstellungen der Wahrheit mögen schwärmerische Gefühle hervorrufen, sind aber nicht in der Lage, die Gläubigen in der Auseinandersetzung mit alltäglichen Problemen zu stärken und zu ermutigen. Um mit den unmittelbaren Bedürfnissen und den gegenwärtigen Anfechtungen fertig zu werden, bedarf es vernünftiger, praktischer Unterweisung in den Grundsätzen des Christseins. GNAT 188 3 Die Bemühungen des Apostels in Korinth blieben nicht ohne Frucht. Viele wandten sich vom Götzendienst ab, um dem lebendigen Gott zu dienen, und eine große Gemeinde konnte neu dem Banner Christi unterstellt werden. Einige der zügellosesten Heiden wurden errettet und zu Zeugen der Barmherzigkeit Gottes und der Wirksamkeit des Blutes Christi, das von aller Sünde reinigt. GNAT 188 4 Der zunehmende Erfolg, den Paulus in der Verkündigung Christi hatte, trieb die ungläubigen Juden zu entschiedenerem Widerstand an. Sie erhoben sich und »empörten sich ... einmütig gegen Paulus und führten ihn vor den Richterstuhl« des Gallio (Apostelgeschichte 18,12), der damals römischer Prokonsul von Achaja war. Sie erwarteten, dass sich die Behörden wie bei früheren Anlässen auf ihre Seite stellen würden, und mit lautem, wütendem Geschrei brachten sie ihre Anklagen gegen den Apostel vor. Sie behaupteten: »Dieser Mensch überredet die Leute, Gott zu dienen dem Gesetz zuwider.« (Apostelgeschichte 18,13) GNAT 189 1 Die jüdische Religion stand unter dem Schutz der römischen Machthaber. Die Ankläger des Paulus dachten daher, wenn sie ihn beschuldigen konnten, die Gesetze ihrer Religion zu übertreten, würde man ihn wahrscheinlich zum Verhör und zur Verurteilung an sie übergeben. Sie hofften, auf diese Weise seinen Tod veranlassen zu können. Aber Gallio war ein Mann des Rechts; er weigerte sich, auf die heimtückischen Machenschaften der eifersüchtigen Juden einzugehen. Er war von ihrem Fanatismus und ihrer Selbstgerechtigkeit angewidert und nahm von ihrer Anklage keine Notiz. Als Paulus zu seiner Verteidigung selbst etwas sagen wollte, erklärte ihm Gallio, dies sei nicht nötig. Dann wandte er sich den wütenden Anklägern zu und sagte: »Ginge es hier um ein Verbrechen oder um eine böswillige Tat, ihr Juden, so würde ich eure Klage ordnungsgemäß zulassen. Geht es aber um Streitigkeiten über Lehre und Namen und das bei euch geltende Gesetz, dann seht selber zu! Darüber will ich nicht Richter sein. Und er wies sie vom Richterstuhl weg.« (Apostelgeschichte 18,14-16 ZÜ) GNAT 189 2 Juden und Griechen hatten gespannt auf die Entscheidung Gallios gewartet. Dass er ihre Angelegenheit als unerheblich für das allgemeine Interesse bezeichnete und deshalb zurückwies, war für die verblüfften und wütenden Juden das Signal für den Rückzug. Die entschlossene Handlungsweise des Prokonsuls öffnete der lärmenden Menge die Augen, die bis dahin die Juden unterstützt hatte. Paulus erlebte hier zum ersten Mal seit seiner Tätigkeit in Europa, dass sich die Volksmenge auf seine Seite schlug. Vor den Augen des Prokonsuls und ohne dessen Eingreifen bedrängte die Menge die führenden Ankläger des Apostels. »Da ergriffen sie alle Sosthenes, den Vorsteher der Synagoge, und schlugen ihn vor dem Richterstuhl, und Gallio kümmerte sich nicht darum.« (Apostelgeschichte 18,17) So errang das Christentum einen bemerkenswerten Sieg. GNAT 189 3 »Paulus aber blieb noch eine Zeitlang dort.« (Apostelgeschichte 18,18) Wäre der Apostel damals gezwungen worden, Korinth zu verlassen, hätte das die zum Glauben an Christus Bekehrten in eine gefährliche Lage gebracht. Die Juden hätten alles daran gesetzt, um ihren Vorteil auszunützen - bis hin zur Ausrottung des Christentums in diesem Gebiet. ------------------------Kapitel 25 -- Die Briefe An Die Thessalonicher Erster und zweiter Brief an die Thessalonicher GNAT 190 1 Die Ankunft von Silas und Timotheus aus Mazedonien hatte Paulus während seines Aufenthalts in Korinth sehr ermutigt. Sie hatten ihm »Gutes berichtet« vom Glauben und von der Liebe (1. Thessalonicher 3,6) derer, die die Wahrheit während des ersten Besuchs der Evangelisten in Thessalonich angenommen hatten. Paulus empfand herzliches Mitgefühl für diese Gläubigen, die inmitten von Anfechtungen und Widerwärtigkeiten Gott treu geblieben waren. Er sehnte sich danach, sie persönlich zu besuchen. Da dies aber damals nicht möglich war, schrieb er ihnen. Eine Aktive Gemeinde GNAT 190 2 In dem Brief an die Gemeinde in Thessalonich drückt der Apostel seine Dankbarkeit Gott gegenüber aus für die freudige Nachricht von ihrem Wachstum im Glauben. »Dadurch sind wir, liebe Brüder«, so schrieb er, »euretwegen getröstet worden in aller unsrer Not und Bedrängnis durch euren Glauben; denn nun sind wir wieder lebendig, wenn ihr fest steht in dem Herrn. Denn wie können wir euretwegen Gott genug danken für all die Freude, die wir an euch haben vor unserm Gott? Wir bitten Tag und Nacht inständig, dass wir euch von Angesicht sehen, um zu ergänzen, was an eurem Glauben noch fehlt.« (1. Thessalonicher 3,7-10) GNAT 190 3 »Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in unserm Gebet und denken ohne Unterlass vor Gott, unserem Vater, an euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus.« (1. Thessalonicher 1,2.3) GNAT 190 4 Viele der Gläubigen in Thessalonich hatten sich »bekehrt ... zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott« (1. Thessalonicher 1,9). Sie hatten »das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis«, und ihre Herzen waren erfüllt »mit Freuden im Heiligen Geist« (1. Thessalonicher 1,6). Der Apostel erklärte, dass sie durch ihre Treue in der Nachfolge des Herrn »ein Vorbild ... für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja« geworden waren. Dieses Lob war berechtigt. »Denn von euch aus«, so schrieb er, »ist das Wort des Herrn erschollen nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekannt geworden.« (1. Thessalonicher 1,7.8) GNAT 191 1 Die Christen in Thessalonich waren echte Missionare. Sie brannten darauf, ihrem Erlöser zu dienen, der sie von der Angst vor »dem zukünftigen Zorn errettet« hatte (1. Thessalonicher 1,10). Durch die Gnade Christi hatte im Leben eines jeden eine wunderbare Veränderung stattgefunden, und das Wort des Herrn, wie es durch sie verkündigt wurde, war von himmlischer Macht begleitet. Durch die von ihnen verkündeten Wahrheiten wurden weitere Menschen bekehrt und zu den Gläubigen hinzugefügt. GNAT 191 2 In seinem ersten Brief bezog sich Paulus darauf, wie er unter den Thessalonichern gearbeitet hatte. Er erklärte: »Unsere Ermahnung kam nicht aus betrügerischem oder unlauterem Sinn, noch geschah sie mit List, sondern weil Gott uns für wert geachtet hat, uns das Evangelium anzuvertrauen, darum reden wir, nicht, als wollten wir den Menschen gefallen, sondern Gott, der unsere Herzen prüft. Denn wir sind nie mit Schmeichelworten umgegangen, wie ihr wisst, noch mit versteckter Habsucht - Gott ist Zeuge -; wir haben auch nicht Ehre gesucht bei den Leuten, weder bei euch noch bei andern - obwohl wir unser Gewicht als Christi Apostel hätten einsetzen können -, sondern wir sind unter euch mütterlich gewesen: Wie eine Mutter ihre Kinder pflegt, so hatten wir Herzenslust an euch und waren bereit, euch nicht allein am Evangelium Gottes teilzugeben, sondern auch an unserm Leben; denn wir hatten euch lieb gewonnen.« (1. Thessalonicher 2,3-8) GNAT 191 3 »Ihr und Gott seid Zeugen«, fuhr der Apostel fort, »wie heilig und gerecht und untadelig wir bei euch, den Gläubigen, gewesen sind. Denn ihr wisst, dass wir, wie ein Vater seine Kinder, einen jeden von euch ermahnt und getröstet und beschworen haben, euer Leben würdig des Gottes zu führen, der euch berufen hat zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit. Und darum danken wir auch Gott ohne Unterlass dafür, dass ihr das Wort der göttlichen Predigt, das ihr von uns empfangen habt, nicht als Menschenwort aufgenommen habt, sondern als das, was es in Wahrheit ist, als Gottes Wort, das in euch wirkt, die ihr glaubt. ... Denn wer ist unsre Hoffnung oder Freude oder unser Ruhmeskranz - seid nicht auch ihr es vor unserm Herrn Jesus, wenn er kommt? Ihr seid ja unsre Ehre und Freude.« (1. Thessalonicher 2,10-13.19.20) Hoffnung Für die Verstorbenen GNAT 192 1 In seinem ersten Brief an die Gläubigen in Thessalonich bemühte sich Paulus, sie über den wahren Zustand der Toten zu unterrichten. Von den Verstorbenen sprach er als von Schlafenden, die in einem bewusstlosen Zustand sind: »Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die andern, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen. ... Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit.« (1. Thessalonicher 4,13.14.16.17) GNAT 192 2 Die Thessalonicher hatten den Gedanken begeistert aufgenommen, dass Christus wiederkommen würde, um die lebenden Gläubigen zu verwandeln und zu sich zu nehmen. Sie hatten sich um das körperliche Wohl ihrer Freunde gekümmert. Diese sollten ja nicht sterben und die Segnungen verlieren, die sie beim Kommen des Herrn erwarteten. Nun aber war einer nach dem anderen ihrer Lieben gestorben. Wenn die Thessalonicher in ihrer Trauer ein letztes Mal ins Angesicht ihrer Verstorbenen blickten, wagten sie kaum noch zu hoffen, sie in einem zukünftigen Leben wiederzusehen. GNAT 192 3 Als der Brief des Paulus geöffnet und verlesen wurde, lösten die Worte über den wahren Zustand der Toten große Freude und Trost in der Gemeinde aus. Paulus wies darauf hin, dass die bei Christi Kommen Lebenden ihrem Herrn nicht früher begegnen werden als diejenigen, die im Glauben an Jesus entschlafen sind. »Die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes« würden die Schlafenden erreichen, und die Toten, die im Vertrauen auf Christus gestorben sind, würden zuerst auferstehen, bevor den Lebenden Unsterblichkeit geschenkt würde. »Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.« (1. Thessalonicher 4,16-18) GNAT 192 4 Wir können uns die Hoffnung und Freude, die diese Zusicherung bei den Gliedern der jungen Gemeinde in Thessalonich auslöste, kaum richtig vorstellen. Sie glaubten Paulus und hielten den Brief in Ehren und seinem Absender, ihrem Glaubensvater, fühlten sie sich in dankbarer Zuneigung verbunden. Er hatte ihnen dies alles bereits vorher gesagt, doch damals hatten sie noch Mühe, Lehren zu erfassen, die ihnen neu und seltsam erschienen. Daher wundert es uns nicht, dass sie die Tragweite gewisser Lehrpunkte noch nicht ausreichend erfasst hatten. Aber sie trugen einen Hunger nach Wahrheit in sich, und der Brief von Paulus gab ihnen neue Hoffnung und Stärke und dazu einen festeren Glauben an Christus und eine tiefere Zuneigung zu dem, der durch seinen Tod »das Leben und die Unsterblichkeit ans Licht gebracht« hatte (2. Timotheus 1,10). GNAT 193 1 Nun wurden sie froh über die Gewissheit, dass ihre gläubigen Freunde aus dem Grab auferweckt werden, um für ewig im Reich Gottes zu leben. Die Dunkelheit, welche die Ruhestätte der Verstorbenen bisher umgeben hatte, war gewichen. Ein neuer Glanz krönte den christlichen Glauben, und sie sahen eine neue Herrlichkeit im Leben, im Tod und in der Auferstehung Christi. GNAT 193 2 »So wird Gott auch die Verstorbenen durch Jesus mit ihm einherführen« (1. Thessalonicher 4,14), schrieb Paulus. Viele deuten diese Stelle so, als ob Christus die Entschlafenen mit sich vom Himmel herabführen würde. Paulus meinte jedoch: So wie Christus von den Toten auferweckt wurde, so wird Gott die schlafenden Gläubigen aus ihren Gräbern herausrufen und sie zu sich in den Himmel nehmen. Welch ein großartiger Trost! Welch eine herrliche Hoffnung, nicht nur für die Gemeinde in Thessalonich, sondern für alle Christen, wo immer sie auch leben! GNAT 193 3 Während seines Dienstes in Thessalonich hatte Paulus das Thema der Zeichen der Zeit umfassend erörtert. Er hatte aufgezeigt, welche Ereignisse dem Erscheinen des Menschensohns in den Wolken des Himmels vorausgehen werden. Deshalb hielt er es jetzt nicht für nötig, sich ausführlich und schriftlich dazu zu äußern. Er wies jedoch deutlich auf das hin, was er früher gelehrt hatte: »Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen.« (1. Thessalonicher 5,1-3) Mahnung Zur wachsamkeit GNAT 193 4 Heute gibt es auf der Welt viele Menschen, die die Augen vor den Hinweisen verschließen, die Christus gegeben hat, um sie vor seinem Kommen zu warnen. Sie versuchen, alle Befürchtungen beiseite zu schieben, während sich gleichzeitig die Zeichen des Endes rasch erfüllen und die Welt der Zeit entgegeneilt, wenn der Menschensohn in den Wolken des Himmels offenbart werden wird. Paulus lehrt, dass es eine Sünde sei, gegenüber den Zeichen, die der Wiederkunft Christi vorausgehen sollen, gleichgültig zu sein. diejenigen, die sich so desinteressiert verhalten, »Kinder der Nacht und der Finsternis«. Die Umsichtigen und Wachsamen dagegen ermutigt er mit den Worten: »Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.« (1. Thessalonicher 5,4-6) GNAT 194 1 Besonders wichtig sind diesbezüglich die Hinweise des Apostels für die Gemeinde in unserer Zeit. Auf alle, die so nahe vor dem großen Abschluss aller Dinge leben, sollten die Worte des Paulus besonders nachhaltig wirken: »Wir aber, die wir dem Tag gehören, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf Rettung. Denn Gott hat uns nicht dazu bestimmt, dass wir dem Zorn verfallen, sondern dass wir die Rettung erlangen durch unseren Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, damit wir alle miteinander, ob wir nun wachen oder schlafen, zusammen mit ihm leben werden.« (1. Thessalonicher 5,8-10 ZÜ) GNAT 194 2 Der wachsame Christ ist ein aktiver Christ, der eifrig danach strebt, alles in seiner Macht Stehende für die Verbreitung des Evangeliums zu tun. Je mehr die Liebe zu seinem Erlöser wächst, desto größer wird auch die Liebe zu seinen Mitmenschen. Zwar hat er wie sein Meister schwere Prüfungen zu bestehen, aber er lässt sich durch Anfechtungen weder verbittern noch entmutigen noch seinen inneren Frieden rauben. Er weiß, dass ihn alle Prüfungen, die er recht durchsteht, reinigen und läutern und enger mit Christus verbinden. Wer an Christi Leiden teilhat, wird auch an seinem Trost und zuletzt an seiner Herrlichkeit Anteil haben. GNAT 194 3 »Wir bitten euch aber, liebe Brüder«, fuhr Paulus in seinem Brief an die Thessalonicher fort, »erkennt an, die an euch arbeiten und euch vorstehen in dem Herrn und euch ermahnen; habt sie umso lieber um ihres Werkes willen. Haltet Frieden untereinander.« (1. Thessalonicher 5,12.13) GNAT 194 4 Die Gläubigen zu Thessalonich wurden stark von Leuten belästigt, die mit fanatischen Ideen und Lehren zu ihnen kamen. Paulus hatte erfahren, »dass einige ... unordentlich leben und nichts arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben« (2. Thessalonicher 3,11). Die Gemeinde war ordnungsgemäß organisiert worden. Gemeindebeamte hatten den Auftrag, als Prediger und Diakone zu dienen. Aber es gab auch eigensinnige, impulsive Glieder, die sich den Verantwortungsträgern in der Gemeinde nicht unterordneten. Sie beanspruchten nicht nur das Recht, zu allem ihre eigene Meinung zu äußern, sondern auch, ihre Ansichten der Gemeinde öffentlich aufzudrängen. Deshalb lenkte Paulus die Aufmerksamkeit der Thessalonicher auf die Achtung und Ehrerbietung, die denen gebührt, die gewählt worden waren, um in der Gemeinde Verantwortung zu tragen. Wachstum In Liebe Und Erkenntnis GNAT 195 1 Darauf bedacht, dass die Gläubigen zu Thessalonich ein Leben in wahrer Gottesfurcht führten, forderte sie der Apostel auf, in ihrem täglichen Leben praktische Frömmigkeit zu beweisen: »Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus - da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr ja auch tut -, dass ihr darin immer vollkommener werdet. Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus. Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht ... Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung.« (1. Thessalonicher 4,1-3.7) GNAT 195 2 Der Apostel fühlte sich in hohem Maße für das geistliche Wohlergehen all derer verantwortlich, die durch seine Tätigkeit bekehrt worden waren. Sie sollten zunehmen an Erkenntnis des einzig wahren Gottes und seines Gesandten, Jesus Christus. In seinem Dienst kam Paulus oft mit kleinen Gruppen von Männern und Frauen zusammen, die Jesus liebten. Er wandte sich mit ihnen im Gebet an Gott, er selbst möge sie doch lehren, wie sie eine lebendige Verbindung mit ihm aufrechterhalten könnten. Häufig beriet er sich mit ihnen über die besten Methoden, andern die frohe Botschaft des Evangeliums weiterzugeben. War Paulus von den Neubekehrten getrennt, flehte er oft zu Gott, er möge sie vor dem Bösen bewahren und ihnen helfen, ernste, aktive Missionare zu sein. GNAT 195 3 Einer der stärksten Beweise einer echten Bekehrung ist die Liebe zu Gott und den Mitmenschen. Wer Jesus als seinen Erlöser annimmt, empfindet eine tiefe und aufrichtige Liebe zu denen, die seinen kostbaren Glauben teilen. So war es auch mit den Gläubigen in Thessalonich. »Von der brüderlichen Liebe aber«, schrieb der Apostel, »ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst seid von Gott gelehrt, euch untereinander zu lieben. Und das tut ihr auch an allen Brüdern, die in ganz Mazedonien sind. Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder, dass ihr darin noch vollkommener werdet, und setzt eure Ehre darein, dass ihr ein stilles Leben führt und das Eure schafft und mit euren eigenen Händen arbeitet, wie wir euch geboten haben, damit ihr ehrbar lebt vor denen, die draußen sind, und auf niemanden angewiesen seid.« (1. Thessalonicher 4,9-12) GNAT 195 4 »Euch aber lasse der Herr wachsen und immer reicher werden in der Liebe untereinander und zu jedermann, wie auch wir sie zu euch haben, damit eure Herzen gestärkt werden und untadelig seien in Heiligkeit vor Gott, unserm Vater, wenn unser Herr Jesus kommt mit allen seinen Heiligen.« (1. Thessalonicher 3,12.13) GNAT 196 1 »Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann. Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann. Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.« (1. Thessalonicher 5,14-18) GNAT 196 2 Der Apostel warnte die Thessalonicher davor, die Gabe der Prophetie zu verachten: »Den Geist dämpft nicht. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles, und das Gute behaltet.« (1. Thessalonicher 5,19-21) Mit diesen Worten mahnte er, Falsches sehr sorgfältig von Wahrem zu unterscheiden. Er bat sie eindringlich: »Meidet das Böse in jeder Gestalt.« Dann schloss er seinen Brief mit dem Gebet: »Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft.« Und er fügte hinzu: »Er wird's auch tun.« (1. Thessalonicher 5,22-24) Vor der Wiederkunft Kommt Der Abfall GNAT 196 3 Was Paulus den Thessalonichern in seinem ersten Brief über die Wiederkunft Christi schrieb, stimmte völlig mit dem überein, was er vorher gelehrt hatte. Doch wurden seine Worte von einigen Gläubigen in Thessalonich missverstanden. Sie meinten, er habe die Hoffnung ausgedrückt, er würde noch persönlich die Wiederkunft des Erlösers erleben. Diese Ansicht führte dazu, ihre Begeisterung und Erregung zu steigern. Jene, die schon vorher ihre Verantwortlichkeiten und Pflichten vernachlässigt hatten, wurden noch hartnäckiger in der Betonung ihrer irrigen Auffassungen. GNAT 196 4 In seinem zweiten Brief versuchte Paulus, ihr falsches Verständnis seiner Lehre zu korrigieren und ihnen seinen wahren Standpunkt vorzulegen. Er betonte nochmals sein Vertrauen in die Rechtschaffenheit der Thessalonicher. Auch gab er seiner Dankbarkeit Ausdruck für ihren starken Glauben, ihre große Liebe zueinander und zur Sache ihres Meisters. Er schrieb ihnen, dass er sie anderen Gemeinden als Vorbild für einen geduldigen und standhaften Glauben hinstelle, der der Verfolgung und Bedrückung tapfer widersteht. Dann lenkte er ihre Aufmerksamkeit vorwärts auf die Zeit der Wiederkunft Christi, wenn das Volk Gottes von all seinen Sorgen und Schwierigkeiten zur Ruhe kommen wird. GNAT 197 1 Er schrieb: »Darum rühmen wir uns euer unter den Gemeinden Gottes wegen eurer Geduld und eures Glaubens in allen Verfolgungen und Bedrängnissen, die ihr erduldet ... Denn es ist gerecht bei Gott ... euch aber, die ihr Bedrängnis leidet, Ruhe zu geben mit uns, wenn der Herr Jesus sich offenbaren wird vom Himmel her mit den Engeln seiner Macht in Feuerflammen, Vergeltung zu üben an denen, die Gott nicht kennen und die nicht gehorsam sind dem Evangelium unseres Herrn Jesus. Die werden Strafe erleiden, das ewige Verderben, vom Angesicht des Herrn her und von seiner herrlichen Macht.« (2. Thessalonicher 1,4.6-9) »Deshalb beten wir auch allezeit für euch, dass unser Gott euch würdig mache der Berufung und vollende alles Wohlgefallen am Guten und das Werk des Glaubens in Kraft, damit in euch verherrlicht werde der Name unseres Herrn Jesus und ihr in ihm, nach der Gnade unseres Gottes und des Herrn Jesus Christus.« (2. Thessalonicher 1,11.12) GNAT 197 2 Doch vor dem Kommen Christi sollten in der religiösen Welt noch bedeutsame, durch die Prophetie vorausgesagte Entwicklungen stattfinden. Der Apostel schrieb: »So bitten wir euch ... dass ihr euch in eurem Sinn nicht so schnell wankend machen noch erschrecken lasst - weder durch eine Weissagung noch durch ein Wort oder einen Brief, die von uns sein sollen -, als sei der Tag des Herrn schon da. Lasst euch von niemandem verführen, in keinerlei Weise; denn zuvor muss der Abfall kommen und der Mensch der Bosheit offenbart werden, der Sohn des Verderbens. Er ist der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, sodass er sich in den Tempel Gottes setzt und vorgibt, er sei Gott.« (2. Thessalonicher 2,1-4) GNAT 197 3 Diese Worte des Paulus sollten nicht falsch ausgelegt werden. Es sollte nicht gelehrt werden, er habe die Thessalonicher durch eine besondere Offenbarung auf die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi hingewiesen. Eine solche Ansicht wird zu Verwirrung im Glauben führen, denn Enttäuschung führt oft zu Unglauben. Der Apostel mahnte deshalb die Glaubensgeschwister zur Vorsicht. Sie sollten nicht glauben, dass eine solche Botschaft von ihm komme. Mit Nachdruck wies er dann darauf hin, dass die päpstliche Macht, die vom Propheten Daniel so deutlich umrissen wurde (vgl. Dan 7,1925), erst noch aufkommen und gegen das Volk Gottes Krieg führen sollte. Bevor diese Macht nicht ihr todbringendes und gotteslästerliches Werk verrichtet hat, würde die Gemeinde vergeblich auf das Kommen des Herrn warten. »Erinnert ihr euch nicht daran«, fragte Paulus, »dass ich euch dies sagte, als ich noch bei euch war?« (2. Thessalonicher 2,5). GNAT 198 1 Schreckliche Anfechtungen sollten über Gottes wahre Gemeinde hereinbrechen. Zu der Zeit, da der Apostel dies niederschrieb, hatte das »Geheimnis der Gesetzlosigkeit« bereits zu wirken begonnen. Die zukünftigen Entwicklungen sollten »in der Macht des Satans auftreten mit großer Kraft und lügenhaften Zeichen und Wundern und mit jeglicher Verführung zur Ungerechtigkeit bei denen, die verloren werden« (2. Thessalonicher 2,7.9.10). GNAT 198 2 Besonders ernst klingt die Erklärung des Apostels über jene, die sich weigern würden, »die Liebe zur Wahrheit« anzunehmen (2. Thessalonicher 2,10). Von allen, die die Botschaften der Wahrheit vorsätzlich verwerfen, sagt er: »Darum sendet ihnen Gott die Macht der Verführung, sodass sie der Lüge glauben, damit gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glaubten, sondern Lust hatten an der Ungerechtigkeit.« (2. Thessalonicher 2,11.12) Die Menschen können Gottes Warnungen nicht ohne Folgen zurückweisen, die er ihnen in seiner Gnade sendet. Solchen Menschen, die sich beharrlich von diesen Warnungen abwenden, entzieht er seinen Geist und überlässt sie ihren geliebten Trugbildern. GNAT 198 3 So skizzierte Paulus das unheilvolle Werk jener bösen Macht, die während vieler Jahrhunderte der Finsternis und Verfolgung vor der Wiederkunft Christi tätig sein sollte. Die Gläubigen in Thessalonich hatten auf baldige Befreiung gehofft; nun wurden sie ermahnt, das vor ihnen liegende Werk mutig und in der Ehrfurcht vor Gott anzupacken. Der Apostel forderte sie auf, ihre Pflichten nicht zu vernachlässigen oder untätig zu warten. Nach ihrer begeisterten Vorfreude auf baldige Befreiung würde ihnen die tägliche Routine und der Widerstand, den sie zu erwarten hatten, doppelt schwierig erscheinen. Er ermutigte sie deshalb zu Standhaftigkeit im Glauben. Festhalten An Der Wahrheit GNAT 198 4 »So steht nun fest, liebe Brüder, und haltet euch an die Lehre, in der ihr durch uns unterwiesen worden seid, es sei durch Wort oder Brief von uns. Er aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott, unser Vater, der uns geliebt und uns einen ewigen Trost gegeben hat und eine gute Hoffnung durch Gnade, der tröste eure Herzen und stärke euch in allem guten Werk und Wort.« (2. Thessalonicher 2,15-17) »Der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen. Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten. Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.« (2. Thessalonicher 3,3-5) GNAT 198 5 Gott war es, der den Gläubigen ihre Aufgabe zugewiesen hatte. Durch treues Festhalten an der Wahrheit sollten sie anderen Menschen die Erkenntnis weitergeben, die sie selbst empfangen hatten. Der Apostel ermahnte sie, nicht müde zu werden, gute Werke zu tun, und wies sie auf sein eigenes Beispiel des Fleißes in irdischen Dingen hin, während er mit unermüdlichem Eifer für die Sache Christi arbeitete. Er tadelte jene, die sich in Trägheit und ziellosem Treiben ergingen, und ordnete an, »dass sie still ihrer Arbeit nachgehen und ihr eigenes Brot essen« sollten (2. Thessalonicher 3,12). Der Gemeinde machte er zur Pflicht, jeden aus ihrer Gemeinschaft auszuschließen, der beharrlich die von Gottes Dienern gegebenen Weisungen missachtete. »Doch haltet ihn nicht für einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder.« (2. Thessalonicher 3,15) GNAT 199 1 Paulus schloss auch diesen Brief mit einem Gebet, dass inmitten aller Mühen und Prüfungen des Lebens doch der Friede Gottes und die Gnade des Herrn Jesus Christus den Gläubigen Trost und Stütze sein mögen. ------------------------Kapitel 26 -- Apollos In Korinth GNAT 200 0 Apostelgeschichte 18,18-28; 1. Korinther 1,10-15; 3,1-23 und 4,1-15. GNAT 200 1 Nachdem Paulus Korinth verlassen hatte, lag sein nächstes Arbeitsfeld in Ephesus. Er war auf dem Weg nach Jerusalem, um dort an einem Fest teilzunehmen. Sein Aufenthalt in Ephesus war deshalb notwendigerweise kurz. In der Synagoge argumentierte er mit den Juden und machte einen solch positiven Eindruck auf sie, dass sie ihn baten, sein Wirken bei ihnen fortzusetzen. Sein Plan, Jerusalem zu besuchen, hielt ihn aber davon ab, noch länger bei den Ephesern zu bleiben. Er versprach ihnen zurückzukommen, »wenn Gott es will« (Apostelgeschichte 18,21). Aquila und Priszilla hatten ihn nach Ephesus begleitet, und er ließ sie dort, um das von ihm angefangene Werk fortzuführen. Noch Ungefestigt Im Glauben GNAT 200 2 Um diese Zeit kam »nach Ephesus ein Jude mit Namen Apollos, aus Alexandria gebürtig, ein beredter Mann und gelehrt in der Schrift« (Apostelgeschichte 18,24). Er hatte die Predigten von Johannes dem Täufer gehört und die Taufe der Buße empfangen. Er war ein lebendiger Zeuge dafür, dass das Wirken dieses Propheten nicht vergeblich gewesen war. Lukas berichtete von Apollos: »Dieser war unterwiesen im Weg des Herrn und redete brennend im Geist und lehrte richtig von Jesus, wusste aber nur von der Taufe des Johannes.« (Apostelgeschichte 18,25) GNAT 200 3 Während seines Aufenthalts in Ephesus begann Apollos »frei und offen zu predigen in der Synagoge.« Unter seinen Zuhörern waren auch Aquila und Priszilla. Als sie bemerkten, dass er noch nicht das volle Licht des Evangeliums empfangen hatte, »nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer aus« (Apostelgeschichte 18,26). Durch ihre Unterweisung erlangte er ein klareres Verständnis der Schrift und wurde einer der tüchtigsten Verteidiger des christlichen Glaubens. GNAT 200 4 »Als er aber nach Achaja reisen wollte, schrieben die Brüder an die Jünger dort und empfahlen ihnen, ihn aufzunehmen.« (Apostelgeschichte 18,27) Er sollte in völliger Übereinstimmung mit der Gemeinde Christi als Lehrer tätig sein. So kam Apollos nach Korinth, wo er die Juden durch öffentliche Verkündigung und auch in der Arbeit von Haus zu Haus überzeugte. Er »widerlegte die Juden kräftig und erwies öffentlich durch die Schrift, dass Jesus der Christus ist« (Apostelgeschichte 18,28). Paulus hatte den Samen der Wahrheit ausgestreut, Apollos begoss ihn jetzt. Der Erfolg, den Apollos mit seiner Verkündigung des Evangeliums hatte, führte dazu, dass einige Gläubige sein Wirken höher einschätzten und priesen als das von Paulus. Dieses Vergleichen von unterschiedlichen Menschen brachte einen Geist der Parteilichkeit in die Gemeinde, der den Fortschritt der Heilsbotschaft beträchtlich zu behindern drohte. GNAT 201 1 Während seines anderthalbjährigen Aufenthaltes in Korinth hatte Paulus das Evangelium ganz bewusst in aller Einfachheit dargestellt. »Nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit« war er zu den Korinthern gekommen, sondern »in Furcht und mit großem Zittern« und »in Erweisung des Geistes und der Kraft« hatte er ihnen »das Geheimnis Gottes« verkündigt, damit ihr »Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft« (1. Korinther 2,1.3-5). GNAT 201 2 Paulus hatte notwendigerweise seine Lehrweise dem Zustand der Gemeinde angepasst. »Ich, liebe Brüder«, erklärte er später, »konnte nicht zu euch reden wie zu geistlichen Menschen, sondern wie zu fleischlichen, wie zu unmündigen Kindern in Christus. Milch habe ich euch zu trinken gegeben und nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Auch jetzt könnt ihr's noch nicht.« (1. Korinther 3,1.2) Viele der Christen in Korinth hatten die Lehren, die er ihnen nahe zu bringen versuchte, nur nach und nach erfasst. Ihr Vorankommen in geistlicher Erkenntnis hatte in keinem angemessenen Verhältnis zu ihren Vorrechten und Gelegenheiten gestanden. In ihrer christlichen Erfahrung hätten sie längst weit fortgeschritten und imstande sein sollen, die tieferen Wahrheiten des Wortes Gottes zu erfassen und auszuleben. Sie waren aber immer noch in dem Stadium wie einstmals die Jünger, als Christus ihnen erklärte: »Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.« (Johannes 16,12) Eifersucht, Argwohn und Anschuldigungen hatten die Herzen vieler Gläubigen in Korinth vor dem vollen Wirken des Heiligen Geistes verschlossen, der »alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit« erforscht (1. Korinther 2,10). Wie gründlich sie auch in weltlichen Dingen Bescheid wussten, so waren sie in der Erkenntnis Christi doch nur Babys. GNAT 201 3 Paulus hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Bekehrten in Korinth die Ansätze, das Abc des christlichen Glaubens, zu vermitteln. Er hatte sie so unterweisen müssen, als wüssten sie überhaupt nichts von den Wirkungen der göttlichen Macht auf das Herz. Zu jener Zeit waren sie noch nicht in der Lage, das Geheimnis der Erlösung zu erfassen, denn »der natürliche Mensch ... vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden« (1. Korinther 2,14). Paulus hatte sich bemüht, den Samen zu säen, den nun andere begießen mussten. Seine Nachfolger mussten die Arbeit dort fortsetzen, wo er aufgehört hatte, und der Gemeinde geistliches Licht und geistliche Erkenntnis zur rechten Zeit vermitteln, soweit sie es ertragen konnte. GNAT 202 1 Als der Apostel seine Arbeit in Korinth aufnahm, wurde ihm klar, dass er die großen Wahrheiten, die er lehren wollte, äußerst behutsam einführen musste. Er wusste, dass es unter seinen Zuhörern stolze Verfechter menschlicher Theorien und auch Anhänger falscher Religionen gab. Sie tappten blind im Dunkeln und hofften, im Buch der Natur Theorien zu finden, die der Wirklichkeit des geistlichen und unsterblichen Lebens, wie es die Bibel lehrt, widersprechen würden. Er wusste auch, dass seine Kritiker bestrebt sein würden, die christozentrische Auslegung des offenbarten Wortes Gottes anzufechten, und Zweifler für die frohe Botschaft Christi nur Spott und Hohn übrig haben würden. Christus Verändert Das Herz GNAT 202 2 Als Paulus sich bemühte, Menschen zum Fuß des Kreuzes zu führen, wagte er es nicht, diejenigen, die ausschweifend lebten, direkt zu tadeln oder zu zeigen, wie verabscheuungswürdig ihre Sünden in den Augen eines heiligen Gottes waren. Er wies sie vielmehr auf das wahre Ziel des Lebens hin und versuchte, ihnen die Weisungen des göttlichen Lehrmeisters einzuprägen, die sie - falls sie sie annähmen - aus der weltlichen Gesinnung und der Sünde herausführen und zu Reinheit und Rechtschaffenheit emporheben würden. Besonderen Nachdruck legte er auf praktische Frömmigkeit und Heiligkeit, zu der alle gelangen müssen, die einen Platz im Reich Gottes anstreben. Er wünschte sich so sehr zu erleben, wie das Licht des Evangeliums Christi die Finsternis ihres Geistes durchdrang, damit sie erkennen würden, wie abstoßend ihr unsittliches Verhalten in den Augen Gottes war. Das immer wiederkehrende Thema seiner Lehrtätigkeit bei ihnen war deshalb der gekreuzigte Christus. Er versuchte ihnen zu zeigen, womit sie sich am Ernsthaftesten befassen müssten und was ihre größte Freude sein sollte: die herrliche Wahrheit der Erlösung durch Reue vor Gott und Glauben an den Herrn Jesus Christus. GNAT 202 3 Der Philosoph wendet sich vom Licht der Erlösung ab, weil es seine stolzen Theorien bloßstellt. Der Weltmensch lehnt das Licht ab, weil es ihn von seinen irdischen Idolen trennt. Paulus erkannte, dass die Menschen erst den Charakter Christi kennen lernen müssen, bevor sie ihn lieben und die Bedeutung seiner Opfertat am Kreuz im Glauben erfassen können. Hier muss der Lernprozess beginnen, der zur Beschäftigung und zum Lobgesang der Erlösten in der Ewigkeit werden wird. Nur im Licht des Kreuzes kann der wahre Wert eines Menschen ermessen werden. GNAT 203 1 Gottes Gnade läutert und verändert die angeborenen Neigungen des Menschen. Für einen fleischlich Gesinnten ist der Himmel nicht begehrenswert; sein natürliches, ungeheiligtes Herz würde sich nicht zu jenem reinen und heiligen Ort hingezogen fühlen. Selbst wenn es möglich wäre, dass ein solcher Mensch Zugang zum Himmel bekäme, fände er dort keine Wesensverwandtschaft. Die Neigungen, die das natürliche Herz beherrschen, müssen durch die Gnade Christi überwunden werden, bevor der sündige Mensch geeignet ist, in den Himmel aufgenommen zu werden, und sich der Gesellschaft der reinen, heiligen Engel erfreuen kann. Wenn der Mensch nicht mehr von der Sünde beherrscht wird, sondern zu einem neuen Leben in Christus erweckt ist, erfüllt göttliche Liebe sein Herz. Sein Verständnis wird geheiligt, er trinkt aus einer unerschöpflichen Quelle der Freude und der Erkenntnis. Das Licht der Ewigkeit scheint auf seinen Pfad, denn allezeit umgibt ihn Christus, der das Licht des Lebens ist. GNAT 203 2 Paulus hatte danach gestrebt, seinen korinthischen Geschwistern die Tatsache fest einzuprägen, dass er und seine Mitarbeiter auch nur Menschen sind, die Gott beauftragt hat, die Wahrheit zu lehren. Alle sind sie im gleichen Werk tätig, und der Erfolg ihrer Arbeit ist gleichermaßen von Gott abhängig. Die Auseinandersetzung in der Gemeinde über die relativen Verdienste einzelner Mitarbeiter in der Evangeliumsverkündigung entspricht nicht dem Willen Gottes, sondern entsteht aus dem Festhalten an den Charakterzügen des natürlichen Herzens. »Denn wenn der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere aber: Ich zu Apollos, ist das nicht nach Menschenweise geredet? Wer ist nun Apollos? Wer ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid, und das, wie es der Herr einem jeden gegeben hat: Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben. So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.« (1. Korinther 3,4-7) Gemeinsam Wirken Unter Gottes Segen GNAT 203 3 Paulus hatte als Erster das Evangelium in Korinth verkündigt und die dortige Gemeinde gegründet. Das war der Auftrag, den der Herr ihm gegeben hatte. Später sandte Gott andere Mitarbeiter dorthin, um ihre Aufgabe an diesem Platz zu erfüllen. Der ausgestreute Same musste begossen werden, und das sollte die Tätigkeit des Apollos sein. Er nahm die Arbeit des Paulus auf, gab weitere Anweisungen und verhalf der Saat zur Entfaltung. Er gewann Zugang zum Herzen der Menschen, aber das Gedeihen gab Gott. Nicht menschliche, sondern göttliche Macht bewirkt die Veränderung des Charakters. Weder die Menschen, die pflanzen, noch diejenigen, die begießen, bewirken das Wachstum der Saat. Sie arbeiten unter Gott, der sie zu seinen Werkzeugen und Mitarbeitern in seinem Werk bestimmt hat. Er ist der Meister, dem allein die Ehre und der Ruhm für den Erfolg zustehen. GNAT 204 1 Die Diener Gottes besitzen nicht alle die gleichen Gaben, aber sie arbeiten alle für ihn. Jeder soll vom großen Lehrer lernen und dann weiterreichen, was er gelernt hat. Jedem seiner Boten hat Gott ein besonderes Werk aufgetragen. Es gibt eine Vielzahl von Gaben, aber alle Mitarbeiter sollen harmonisch zusammenwirken, kontrolliert von der heiligenden Macht des Geistes Gottes. Wenn sie das Evangelium der Erlösung verkündigen, werden viele Menschen durch die Macht Gottes von ihrer Erlösungsbedürftigkeit überzeugt und bekehrt. Das menschliche Werkzeug ist mit Christus in Gott verborgen, und Christus erscheint als derjenige, der »auserkoren« ist »unter vielen Tausenden«, und an dem alles »lieblich« erscheint (Hoheslied 5,10b.16b). GNAT 204 2 »Der aber pflanzt und der begießt, sind einer wie der andere. Jeder aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.« (1. Korinther 3,8.9) In diesem Schriftwort vergleicht der Apostel die Gemeinde mit einem Ackerfeld, auf dem sich die Landarbeiter um die Weinstöcke in der Pflanzung des Herrn kümmern, und auch mit einem Bau, der zu einem heiligen Tempel für den Herrn heranwachsen soll. Gott ist der Meister, und er hat jedem seine Arbeit zugewiesen. Alle sollen unter seiner Oberaufsicht tätig sein und ihn dabei für und durch seine Werkleute wirken lassen. Er verleiht ihnen Takt und Geschicklichkeit; und wenn sie seine Weisungen beachten, krönt er ihre Bemühungen mit Erfolg. GNAT 204 3 Gottes Diener sollen zusammenarbeiten, in freundlicher und höflicher Art aufeinander abgestimmt. Dabei gilt: »Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.« (Römer 12,10) Da soll es keine unfreundliche Kritik geben, keine Herabwürdigung der Arbeit des anderen, keine Parteiungen. Jeder, dem Gott eine Botschaft anvertraut hat, hat seine individuelle Aufgabe. Jeder hat seine eigene Persönlichkeit, die er in keinem anderen Menschen aufgehen lassen soll. Und doch soll jeder einträchtig mit seinen Geschwistern Zusammenarbeiten. In ihrem Dienst sollen Gottes Arbeiter im Wesentlichen eins sein. Keiner darf sich selbst zum Maßstab machen und über seine Mitarbeiter respektlos reden oder sie als minderwertig behandeln. Jeder EinZelne soll unter der Leitung Gottes die Arbeit verrichten, die ihm zugewiesen worden ist - geachtet, geliebt und ermutigt von den anderen Mitarbeitern. Gemeinsam sollen sie das Werk voran und zum Abschluss bringen. GNAT 205 1 Diese Grundsätze legte Paulus ausführlich in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth dar. Der Apostel bezog sich auf die »Diener Christi« als »Haushalter über Gottes Geheimnisse.« Von ihrer Arbeit schrieb er: »Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. Mir aber ist's ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist's aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen. Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.« (1. Korinther 4,1-5) Es steht keinem Menschen zu, über die verschiedenen Mitarbeiter Gottes zu urteilen. Der Herr allein ist Richter über das Werk des Menschen, und er wird jedem seinen gerechten Lohn geben. GNAT 205 2 Der Apostel bezog sich anschließend direkt auf die Vergleiche, die zwischen seiner Arbeit und der von Apollos gemacht worden waren: »Dies aber, liebe Brüder, habe ich im Blick auf mich selbst und Apollos gesagt um euretwillen, damit ihr an uns lernt, was das heißt: Nicht über das hinaus, was geschrieben steht!, damit sich keiner für den einen gegen den andern aufblase. Denn wer gibt dir einen Vorrang? Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich dann, als hättest du es nicht empfangen?« (1. Korinther 4,6.7) GNAT 205 3 Deutlich führte Paulus der Gemeinde die Gefahren und Mühen vor Augen, die er und seine Mitarbeiter in ihrem Dienst für Christus geduldig ertragen hatten. »Bis auf diese Stunde«, so erklärte er, »leiden wir Hunger und Durst und Blöße und werden geschlagen und haben keine feste Bleibe und mühen uns ab mit unsrer Hände Arbeit. Man schmäht uns, so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir's, man verlästert uns, so reden wir freundlich. Wir sind geworden wie der Abschaum der Menschheit, jedermanns Kehricht, bis heute. Nicht um euch zu beschämen, schreibe ich dies; sondern ich ermahne euch als meine lieben Kinder. Denn wenn ihr auch zehntausend Erzieher hättet in Christus, so habt ihr doch nicht viele Väter; denn ich habe euch gezeugt in Christus Jesus durchs Evangelium.« (1. Korinther 4,11-15) Christus Als Mittelpunkt GNAT 206 1 Christus, der die Evangeliumsarbeiter als seine Botschafter aussendet, wird entehrt, wenn sich unter den Zuhörern eine solch starke Bindung zu irgendeinem »Lieblingsprediger« zeigt, dass eine Abneigung entsteht, die Arbeit eines anderen Predigers zu akzeptieren. Der Herr sendet seinem Volk Hilfe. Zwar nicht immer so, wie es dies wünscht, aber stets so, wie es sie benötigt. Menschen sind kurzsichtig; sie können nicht erkennen, was ihnen zum Besten dient. Nur selten besitzt ein einzelner Prediger sämtliche Qualifikationen, um eine Gemeinde in allen Bereichen des christlichen Lebens auszubilden. Deshalb sendet Gott ihr oft weitere Prediger mit Fähigkeiten, die den Vorgängern fehlten. GNAT 206 2 Die Gemeinde sollte diese Boten Christi dankbar aufnehmen, gerade so wie sie den Meister selbst aufnehmen würde. Sie sollte danach trachten, aus den Lehren, die jeder einzelne Prediger aus dem Wort Gottes vermittelt, den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Die Wahrheiten, die Gottes Gesandte den Gläubigen zukommen lassen, sollten von diesen in Demut und Bescheidenheit angenommen und geschätzt werden, ohne dass ein Prediger zum Idol wird. GNAT 206 3 Durch die Gnade Christi werden Gottes Diener zu Boten des Lichts und des Segens. Wenn sie unter ernstem und anhaltendem Gebet mit dem Heiligen Geist ausgestattet werden und die Last verspüren, Verlorene zu retten, wenn ihre Herzen vom Eifer erfüllt sind, den Sieg des Kreuzes zu mehren, dann werden sie die Früchte ihrer Arbeit sehen. Entschieden werden sie es ablehnen, menschliche Weisheit zur Schau zu stellen oder das eigene Ich zu verherrlichen. Sie werden ein Werk vollbringen, das den Angriffen Satans widerstehen kann. Viele Menschen werden sich dann von der Finsternis zum Licht wenden, und viele Gemeinden werden gegründet werden. Menschen werden sich bekehren - nicht hin zum menschlichen Werkzeug, sondern zu Christus. Das eigene Ich wird im Hintergrund gehalten; Jesus allein, der Mann von Golgatha, wird hervortreten. GNAT 206 4 Wer heute für Christus arbeitet, kann ebenso herausragende Exzellenz offenbaren wie die Verkündiger des Evangeliums in apostolischer Zeit. Gott ist heute genauso bereit, seinen Dienern Vollmacht zu geben, wie er dies bei Paulus und Apollos, bei Silas und Timotheus, bei Petrus, Jakobus und Johannes tat. Keine Einzelkampfer GNAT 206 5 In den Tagen der Apostel gab es einige fehlgeleitete Menschen, die zwar bekannten, an Christus zu glauben, aber seinen Botschaftern keinen Respekt entgegenbrachten. Sie erklärten, dass sie keinem menschlichen Lehrer folgten und ihre Einsichten direkt von Christus empfangen hätten, ohne die Hilfe der Verkündiger des Evangeliums. Sie besaßen einen unabhängigen Geist und waren nicht gewillt, sich der Stimme der Gemeinde unterzuordnen. Solche Menschen standen in ernster Gefahr, getäuscht zu werden. GNAT 207 1 Gott hat Menschen mit verschiedenen Gaben als seine berufenen Helfer in die Gemeinde gestellt, damit durch die kombinierte Weisheit vieler dem Ziel des Heiligen Geistes entsprochen werden kann. Menschen, die nur gemäß ihren eigenen starken Charakterzügen handeln und sich weigern, mit anderen zusammenzuarbeiten, die schon eine lange Erfahrung im Werk Gottes besitzen, lassen sich durch ihr Selbstvertrauen blenden und sind unfähig, zwischen Irrtum und Wahrheit zu unterscheiden. Es ist nicht ratsam, solche Leute zu Leitern der Gemeinde zu wählen, denn diese würden ihrer eigenen Urteilskraft und ihren eigenen Plänen folgen, ungeachtet dessen, wie ihre Geschwister darüber urteilen. Für den Feind ist es leicht, durch solche zu wirken, die zwar selbst bei jedem Schritt Beratung nötig hätten, dabei jedoch meinen, andere Menschen aus eigener Stärke leiten zu können, ohne von Christus Demut gelernt zu haben. GNAT 207 2 Gefühle allein sind keine sicheren Führer zur Pflicht. Der Feind lässt Menschen oft glauben, von Gott geführt zu sein, während sie in Wirklichkeit nur menschlichen Impulsen folgen. Wenn wir aber Sorgfalt walten lassen und uns mit unseren Geschwistern beraten, werden wir ein Verständnis des Willens Gottes erlangen, denn die Verheißung lautet: »Er leitet die Sanftmütigen im Recht und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg.« (Psalm 25,9 Elb.) GNAT 207 3 In der frühchristlichen Gemeinde gab es Leute, die weder Paulus noch Apollos anerkennen wollten. Sie vertraten die Ansicht, Petrus sei ihr Führer, denn Petrus sei am engsten mit Christus verbunden gewesen, als der Meister auf der Erde wirkte, wohingegen Paulus ein Verfolger der Christen gewesen war. Ihre Anschauungen und Meinungen waren durch Vorurteile eingeengt. Da war nichts von Edelmut, Großzügigkeit und Güte zu erkennen, die zeigen, dass Christus im Herzen wohnt. GNAT 207 4 Es bestand die Gefahr, dass dieser Geist der Parteilichkeit der christlichen Gemeinde großes Unglück bereiten würde. Deshalb beauftragte der Herr den Apostel Paulus, ernste Worte der Ermahnung und gewichtigen Widerspruch einzulegen. Der Apostel fragte diejenigen, die sagten: »Ich gehöre zu Paulus ... ich zu Apollos ... ich zu Petrus ... ich zu Christus: Wie? Ist Christus nun zertrennt? Ist denn Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf des Paulus Namen getauft?« (1. Korinther 1,12.13) »Darum soll sich niemand etwas auf einen Menschen einbilden und mit dem von ihm bevorzugten Lehrer prahlen. Euch gehört doch alles, ob es nun Paulus ist oder Apollos oder Petrus; euch gehört die ganze Welt, das Leben und der Tod, die Gegenwart und die Zukunft. Alles gehört euch, ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott.« (1. Korinther 3,21-23 GNB) GNAT 208 1 Zwischen Paulus und Apollos herrschte volle Übereinstimmung. Apollos war von der Uneinigkeit in der Korinthergemeinde enttäuscht und sehr bekümmert. Weder nutzte er die ihm entgegengebrachte Gunst zum eigenen Vorteil, noch förderte er sie, sondern er verließ eilig den Ort der Auseinandersetzung. Als Paulus ihn danach aufforderte, Korinth wieder zu besuchen, lehnte er das ab. Erst viel später, als die Gemeinde einen besseren geistlichen Stand erreicht hatte, wirkte er erneut in dieser Stadt. ------------------------Kapitel 27 -- Paulus In Ephesus GNAT 209 0 Apostelgeschichte 19,1-20. GNAT 209 1 Während Apollos in Korinth predigte, erfüllte Paulus sein Versprechen und kehrte nach Ephesus zurück. Zuvor hatte er Jerusalem einen kurzen Besuch abgestattet und einige Zeit in Antiochia verbracht, wo er seine Arbeit begonnen hatte. Von dort aus reiste er durch Kleinasien, »durchzog nacheinander das galatische Land und Phrygien«. Er besuchte die Gemeinden, die er selbst gegründet hatte, und »stärkte alle Jünger« im Glauben (Apostelgeschichte 18,23). GNAT 209 2 Zur damaligen Zeit war der westliche Teil Kleinasiens als römische Provinz Asia bekannt; deren Hauptstadt Ephesus war ein bedeutendes Handelszentrum. Im dortigen Hafen lagen zahllose Schiffe, in den Straßen wimmelte es von Menschen aus aller Herren Länder. Wie Korinth stellte Ephesus ein viel versprechendes Feld für die missionarische Arbeit dar. GNAT 209 3 Die Juden, die weit verstreut in allen zivilisierten Ländern lebten, erwarteten allgemein das Kommen des Messias. Als Johannes der Täufer predigte, waren viele, die die jährlichen Feste in Jerusalem besuchten, an die Ufer des Jordan gekommen, um ihn zu hören. Dort hatten sie vernommen, wie er Jesus als den verheißenen Messias verkündigte, und diese Nachricht in alle Welt getragen. So hatte die Vorsehung den Weg für das Wirken der Apostel vorbereitet. GNAT 209 4 Bei seiner Ankunft in Ephesus fand Paulus zwölf Männer, die wie Apollos Jünger Johannes des Täufers gewesen waren und ebenso wie er auch einige Erkenntnisse über die Sendung Christi gewonnen hatten. Sie verfügten zwar nicht über die Begabung des Apollos, suchten aber mit gleicher Aufrichtigkeit und Treue die empfangenen Erkenntnisse weiterzugeben. Den Heiligen Geist Empfangen GNAT 209 5 Diese Männer wussten nichts von der Sendung des Heiligen Geistes. Als Paulus sie fragte, ob sie den Geist empfangen hätten, antworteten sie: »Wir haben noch nie gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt. Und er fragte sie: Worauf seid ihr denn getauft?«, und sie erwiderten: »Auf die Taufe des Johannes.« (Apostelgeschichte 19,2.3) GNAT 210 1 Da legte ihnen der Apostel die großartigen Wahrheiten dar, auf die sich die Hoffnung des Christen gründet. Er erzählte ihnen vom Leben Christi auf dieser Erde und von dessen grausamen und schmachvollen Tod. Er berichtete, wie der Herr des Lebens die Schranken des Grabes durchbrochen hatte und als Sieger über den Tod auferstanden war. Dabei wiederholte er den Auftrag, den der Erlöser seinen Jüngern erteilt hatte: »Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.« (Matthäus 28,18.19) Er erzählte ihnen auch von dem Versprechen Christi, den Beistand zu senden, durch den mächtige Zeichen und Wunder geschehen würden, und er schilderte, wie großartig sich dieses Versprechen am folgenden Pfingstfest erfüllt hatte. GNAT 210 2 Mit großem Interesse, aber auch mit dankbarer Verwunderung und Freude lauschten die Männer den Worten des Apostels. Im Glauben erfassten sie die einzigartige Wahrheit von dem Sühnopfer Christi und nahmen ihn als ihren Erlöser an. Daraufhin »ließen sie sich taufen auf den Namen des Herrn Jesus. Und als Paulus die Hände auf sie legte«, empfingen auch sie die Taufe mit dem Heiligen Geist (Apostelgeschichte 19,5.6). Dadurch wurden sie befähigt, die Sprachen anderer Völker zu sprechen und zu weissagen. So wurden sie ausgerüstet, als Missionare in Ephesus und Umgebung zu wirken und darüber hinaus in ganz Kleinasien das Evangelium zu verkündigen. Wachsen In Der Erkenntnis GNAT 210 3 Weil sie sich einen demütigen und lernwilligen Geist bewahrten, machten diese Männer die Erfahrung, die sie befähigte, als Arbeiter ins Erntefeld zu gehen. Ihr Beispiel stellt für Christen eine wertvolle Lehre dar. Viele Menschen machen in ihrem geistlichen Leben nur geringe Fortschritte, weil sie zu selbstzufrieden sind, um die Stellung eines Lernenden einzunehmen. Sie begnügen sich mit einem oberflächlichen Wissen über das Wort Gottes. Sie wollen weder ihren Glauben noch ihre Gewohnheiten ändern und bemühen sich daher nicht um eine tiefere Erkenntnis. GNAT 210 4 Wenn die Nachfolger Christi wirklich ernsthaft nach Weisheit suchten, würden sie vielfältige Erkenntnis finden, und Gott würde sie in Tiefen seiner Wahrheit leiten, die ihnen bislang unbekannt waren. Wer seinen Willen Gott völlig übergibt, den wird Gottes Hand führen. Er mag bescheiden und anscheinend unbegabt sein; doch wenn er mit liebendem und vertrauendem Herzen dem Willen Gottes in jeder Beziehung gehorcht, werden seine Kräfte geläutert, geadelt, verstärkt und seine Fähigkeiten vermehrt. Wenn er die Belehrung durch die göttliche Weisheit zu schätzen weiß, wird ihm ein heiliger Auftrag anvertraut; er wird befähigt, sein Leben zur Ehre Gottes und zum Segen für die Welt zu führen. »Wenn dein Wort offenbar wird, so erfreut es und macht klug die Unverständigen.« (Psalm 119,130 GNAT 211 1 Heutzutage wissen viele genauso wenig über das Wirken des Heiligen Geistes am Herzen des Menschen wie damals diese Gläubigen in Ephesus; und doch wird keine Wahrheit im Wort Gottes deutlicher gelehrt. Propheten und Apostel haben Nachdruck auf dieses Thema gelegt. Christus selbst lenkte unsere Aufmerksamkeit auf das Wachstum in der Pflanzenwelt. Er veranschaulichte damit, wie der Heilige Geist wirkt, um das geistliche Leben zu fördern. Der Saft des Weinstocks, der aus der Wurzel aufsteigt, verteilt sich in die Reben, fördert das Wachstum und bringt Blüten und Frucht hervor. Auf gleiche Weise dringt die lebensspendende Kraft des Heiligen Geistes, die vom Erlöser ausgeht, in die Seele, erneuert die Motive und Gefühle, bringt selbst die Gedanken zum Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes und befähigt den Empfänger, als Frucht gute Taten hervorzubringen. GNAT 211 2 Der Urheber dieses geistlichen Lebens ist unsichtbar. Es übersteigt die Kapazität des menschlichen Verstandes, die genaue Methode zu erklären, wie jenes Leben verliehen und aufrechterhalten wird. Doch das Wirken des Geistes steht stets in Übereinstimmung mit dem geschriebenen Wort. Wie in der natürlichen Welt geht es auch in der geistlichen Welt. Das natürliche Leben wird in jedem Augenblick durch die Macht Gottes erhalten. Dies geschieht jedoch nicht durch ein direktes Wunder, sondern durch den Gebrauch der Segnungen, die in unserer Reichweite liegen. Ebenso wird das geistliche Leben durch den Gebrauch jener Mittel aufrechterhalten, die die Vorsehung zur Verfügung gestellt hat. Wenn der Nachfolger Christi »zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi« (Epheser 4,13) heranwachsen will, muss er vom Brot des Lebens essen und vom Wasser des Heils trinken. Er muss wachen, beten und arbeiten und dabei in allen Dingen die Weisungen Gottes in dessen Wort beachten. GNAT 211 3 Wir können aus den Erfahrungen dieser bekehrten Juden noch eine weitere Lehre ziehen. Als sie sich von Johannes taufen ließen, verstanden sie noch nicht umfassend, was es bedeutete, dass Jesus die Last der Sünde trägt. Sie hielten noch an erheblichen Irrtümern fest. Doch mit klarerem Verständnis nahmen sie Christus als ihren Erlöser freudig an. Mit diesem Schritt voran ergab sich eine Veränderung ihrer Verpflichtungen. In dem Maße, wie sie einen reineren Glauben annahmen, änderte sich auch ihr Leben. Als KennZeichen dieser Veränderung und als Bekenntnis ihres Glaubens an Christus ließen sie sich nochmals taufen, jetzt auf den Namen von Jesus. Verkündigung Zuerst Unter Den Juden GNAT 212 1 Wie er es gewohnt war, hatte Paulus seine Arbeit in Ephesus mit der Verkündigung in der jüdischen Synagoge begonnen. Er setzte sie dort »drei Monate lang« fort und »lehrte und überzeugte sie [die Menschen] von dem Reich Gottes« (Apostelgeschichte 19,8). Zuerst nahm man ihn freundlich auf; aber wie an anderen Orten stieß er auch hier bald auf heftigen Widerstand. »Einige aber verstockten sich und wollten nicht glauben, ja sie sprachen öffentlich viele Schmähworte über den neuen Weg aus.« (Apostelgeschichte 19,9) Da sie das Evangelium weiterhin ablehnten, hörte der Apostel auf, in der Synagoge zu predigen. GNAT 212 2 Gottes Geist hatte mit und durch Paulus in seiner Arbeit für seine Landsleute gewirkt. Es waren genügend Beweise erbracht worden, um alle die zu überzeugen, die aufrichtig wünschten, die Wahrheit kennen zu lernen. Viele aber ließen sich von Vorurteilen und Unglauben beherrschen und lehnten es ab, sich den schlüssigsten Beweisen zu beugen. Da Paulus befürchtete, der Glaube der Neubekehrten würde durch fortgesetzten Umgang mit diesen Widersachern der Wahrheit gefährdet, trennte er sich von ihnen und sammelte die Jünger in einer gesonderten Gruppe; er setzte seine öffentliche Lehrtätigkeit »täglich in der Schule des Tyrannus«, eines angesehenen Lehrers, fort (Apostelgeschichte 19,9). GNAT 212 3 Paulus sah vor sich »eine Tür aufgetan zu reichem Wirken«, obwohl es dort auch »viele Widersacher« gab (1. Korinther 16,9). Ephesus war nicht nur die prächtigste, sondern auch die verdorbenste Stadt der Provinz Asia. Aberglaube und sinnliche Lüste hielten die Bevölkerungsmassen in ihrem Bann. Im Schatten ihrer Tempel fanden Verbrecher jeder Art Zuflucht, und es kam dort zu den entwürdigendsten Ausschweifungen. GNAT 212 4 Ephesus hatte großen Zulauf als Mittelpunkt des Kultes der Diana (auch Artemis genannt). Der Ruhm des prächtigen Tempels der »Diana der Epheser« (Apostelgeschichte 19,28) war über die ganze Provinz Asia und weithin in der Welt verbreitet. Die unvergleichliche Pracht dieses Bauwerks machte es zum Stolz nicht nur der Stadt, sondern des ganzes Volkes. Die Statue der Artemis im Tempel soll der Tradition nach vom Himmel gefallen sein. Symbolische Schriftzeichen, denen man große Macht zuschrieb, waren auf ihr eingraviert. Die Epheser hatten ganze Bücher über die Bedeutung und die Anwendung dieser Symbole geschrieben. Unter den Leuten, die diese aufwändigen Bücher eingehend studierten, waren viele Magier. Diese übten einen mächtigen Einfluss auf das Gemüt der abergläubischen Verehrer dieses Bildnisses im Tempel aus. Wunder Gottes In Ephesus GNAT 213 1 Bei seiner Arbeit in Ephesus wurden dem Apostel Paulus besondere Zeichen göttlicher Gunst gegeben. Gottes Macht begleitete seine Bemühungen, und viele Menschen wurden von körperlichen Krankheiten geheilt. »Gott wirkte nicht geringe Taten durch die Hände des Paulus. So hielten sie auch die Schweißtücher und andere Tücher, die er auf seiner Haut getragen hatte, über die Kranken, und die Krankheiten wichen von ihnen, und die bösen Geister fuhren aus.« (Apostelgeschichte 19,11.12) Diese Bekundungen übernatürlicher Macht waren viel stärker als alles andere, was Ephesus je gesehen hatte, und sie waren weder durch die Geschicklichkeit eines Taschenspielers noch durch die Täuschungen eines Magiers nachzuahmen. Da diese Wunder im Namen des Jesus von Nazareth geschahen, hatte das Volk Gelegenheit zu sehen, dass der Gott des Himmels mächtiger war als die Magier, die die Göttin Diana anbeteten. So erhob Gott seinen Boten sogar vor den Götzendienern selbst unendlich höher als die mächtigsten und beliebtesten Magier. Vergebliche Dämonenaustreibung GNAT 213 2 Aber Gott, dem auch alle bösen Geister unterworfen sind und der seinen Dienern Macht über sie gegeben hatte, schickte sich an, noch größere Schmach und Niederlagen über die zu bringen, die ihn verachteten und seinen heiligen Namen entwürdigten. Das mosaische Gesetz hatte Zauberei bei Todesstrafe verboten, trotzdem war sie zuweilen von abgefallenen Juden heimlich betrieben worden. Als Paulus sich in Ephesus aufhielt, befanden sich in der Stadt auch »einige von den Juden, die als Beschwörer umherzogen.« Sie sahen die Wunder, die er vollbrachte, und »unterstanden sich ... den Namen des Herrn Jesus zu nennen über denen, die böse Geister hatten« (Apostelgeschichte 19,13). Es waren die »sieben Söhne eines jüdischen Hohenpriesters Skevas«, die Derartiges wagten. Als sie einen von einem bösen Geist besessenen Mann fanden, redeten sie ihn an: »Ich beschwöre euch bei dem Jesus, den Paulus predigt. ... Aber der böse Geist antwortete und sprach zu ihnen: Jesus kenne ich wohl, und von Paulus weiß ich wohl; aber wer seid ihr? Und der Mensch, in dem der böse Geist war, stürzte sich auf sie und überwältigte sie alle und richtete sie so zu, dass sie nackt und verwundet aus dem Haus flohen.« (Apostelgeschichte 19,13-16) GNAT 214 1 Somit war unmissverständlich bewiesen, dass der Name Christi heilig ist und sich jeder in Gefahr begibt, der sich ohne Glauben an die göttliche Sendung des Erlösers auf ihn beruft. »Furcht befiel sie alle, und der Name des Herrn Jesus wurde hoch gelobt.« (Apostelgeschichte 19,17) Vollständige Trennung Von Der Zauberei GNAT 214 2 Tatsachen, die bis dahin verborgen gewesen waren, wurden nun ans Licht gebracht. Einige Gläubige hatten nicht völlig mit dem Aberglauben gebrochen, als sie das Christentum annahmen. Bis zu einem gewissen Grad übten sie immer noch magische Praktiken aus. Nachdem sie nun ihren Irrtum erkannt hatten, kamen »viele nun, die zum Glauben gefunden hatten ... um ein Bekenntnis abzulegen und von ihren Praktiken zu erzählen«. Die gute Wirkung erreichte sogar einige der Zauberer. »Etliche, die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre Bücher herbei und verbrannten sie vor aller Augen; man schätzte ihren Wert und kam auf eine Summe von 50 000 Silberstücken. So breitete sich durch die Kraft des Herrn das Wort aus und erwies sich als stark.« (Apostelgeschichte 19,18-20 ZÜ) GNAT 214 3 Durch das Verbrennen ihrer Zauberbücher zeigten die Bekehrten in Ephesus, dass sie nun etwas verabscheuten, an dem sie einst großen Gefallen gefunden hatten. Durch die Beschäftigung mit der Magie hatten sie vor allem Gott gekränkt und ihre Seele in Gefahr gebracht. Dass sie nun gerade gegen Magie ihre entrüstete Ablehnung bekundeten, bezeugte ihre echte Bekehrung. GNAT 214 4 Jene Dokumente über die Wahrsagerei enthielten Regeln und Beschreibungen, wie man mit bösen Geistern kommuniziert. Es waren Anleitungen zur Satansanbetung, eine Art Gebrauchsanweisung, wie man ihn um Hilfe anrufen und von ihm Auskunft erhalten konnte. Hätten die Bekehrten diese Bücher behalten, wären diese weiterhin eine Versuchung für sie geblieben; wenn sie sie verkauft hätten, hätten sie andere in Versuchung gebracht. Sie hatten Satan ihre Gefolgschaft verweigert und scheuten vor keinem Opfer zurück, seine Macht zu zerstören. So triumphierte die Wahrheit über menschliche Vorurteile und Geldliebe. GNAT 214 5 Durch die Bekundung der Macht Christi wurde in dieser Hochburg des Aberglaubens ein mächtiger Sieg für den christlichen Glauben errungen. Das Geschehen hatte einen weit größeren Einfluss, als selbst Paulus ahnen konnte. Die Nachrichten darüber fanden von Ephesus aus weite Verbreitung, und die Sache Christi erhielt starken Auftrieb. Lange nachdem der Apostel Paulus gestorben war, lebten diese Ereignisse noch in der Erinnerung der Einwohner fort und trugen dazu bei, Menschen für das Evangelium zu gewinnen. Keine Gemeinschaft Mit Okkultem GNAT 215 1 Oft wird einfach angenommen, heidnischer Aberglaube sei in der modernen Gesellschaft verschwunden. Doch Gottes Wort und unbestreitbare aktuelle Zeugnisse weisen darauf hin, dass Hexerei in unserer Zeit ebenso praktiziert wird wie zur Zeit der antiken Magier. Das antike System der Magie lebt heutzutage unter der Bezeichnung »moderner Spiritismus« oder »Channeling« fort. Satan findet Zugang zu Tausenden von Menschen, indem er sich hinter der Maske von verstorbenen Freunden verbirgt. Die Heilige Schrift erklärt: »Die Toten aber wissen nichts.« (Prediger 9,5) Ihr Denken, Lieben und Hassen sind dahin, und die Toten können keinen Umgang mit den Lebenden unterhalten. Doch Satan wendet - getreu seiner alten List - diese Täuschungen an, um die Herrschaft über den Verstand der Menschen zu erlangen. GNAT 215 2 Viele Kranke, Hinterbliebene und Neugierige haben durch den Spiritismus Kontakt mit bösen Geistern aufgenommen. Wer sich darauf einlässt, begibt sich auf gefährlichen Boden. Das Wort der Wahrheit erklärt uns, wie Gott solche Menschen sieht. In alter Zeit hat er ein sehr hartes Urteil über einen König gefällt, der Rat bei einem heidnischen Orakel gesucht hatte. »Gibt es denn in Israel keinen Gott, dass ihr geht, um den Baal-Sebub, den Gott von Ekron, zu befragen? Und darum - so spricht der HERR: Vom Lager, auf das du dich gelegt hast, wirst du nicht mehr aufstehen! Du musst sterben!« (2. Könige 1,3.4 ZÜ) GNAT 215 3 Die Magier heidnischer Zeiten haben ihr Gegenstück in den spiritistischen Medien, den Hellsehern und den Wahrsagern von heute. Die geheimnisvollen Stimmen, die einst in Endor und Ephesus vernommen wurden, verführen auch heute noch die Menschen durch ihre lügenhaften Worte. Könnte der Schleier vor unseren Augen gelüftet werden, würden wir sehen, wie böse Engel ihre ganze Kunst aufbieten, um zu täuschen und zugrunde zu richten. Wo immer ein Einfluss ausgeübt wird, der Menschen dahin führt, Gott zu vergessen, ist Satan mit seiner betörenden Macht am Werk. Wenn Menschen seinem Einfluss nachgeben, wird ihr Geist verwirrt und ihre Seele beschmutzt, bevor sie sich dessen bewusst werden. Die Mahnung des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesus sollte Gottes Volk heute besonders beachten: »Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf.« (Epheser 5,11) ------------------------Kapitel 28 -- Anstrengende Und Belastende Tage GNAT 216 0 Apostelgeschichte 19,21-41; 20,1 und 2. Korinther 4,8-11; 11,23-28. GNAT 216 1 Mehr als drei Jahre lang war Ephesus das Zentrum der Arbeit von Paulus. Dort entstand eine blühende Gemeinde, und von dort aus verbreitete sich das Evangelium unter Juden und Heiden über die ganze Provinz Asia. GNAT 216 2 Seit geraumer Zeit hatte der Apostel eine weitere Missionsreise im Sinn. Da »nahm sich Paulus im Geist vor, durch Mazedonien und Achaja zu ziehen und nach Jerusalem zu reisen, und sprach: Wenn ich dort gewesen bin, muss ich auch Rom sehen« (Apostelgeschichte 19,21). In Übereinstimmung mit diesem Plan sandte er »zwei, die ihm dienten, Timotheus und Erastus, nach Mazedonien« (Apostelgeschichte 19,22). Weil er aber den Eindruck hatte, er werde noch in Ephesus gebraucht, entschloss er sich, bis nach Pfingsten zu bleiben. Da trat jedoch ein Ereignis ein, das seine Abreise beschleunigte. Aufruhr In Ephesus GNAT 216 3 Einmal im Jahr fanden in Ephesus zu Ehren der Göttin Diana (Artemis) besondere Feiern statt, die viele Leute aus allen Teilen der Provinz anzogen. Während dieser Zeit veranstaltete man Feierlichkeiten unter größtem Pomp und Glanz. GNAT 216 4 Diese Festtage waren für alle, die neu zum Glauben gekommen waren, eine Bewährungsprobe. Die Gemeinde der Gläubigen, die sich in der Schule des Tyrannus versammelte, wurde von der feiernden Menge wie ein Misston im festlichen Chor betrachtet. Ungehindert wurde sie mit Spott, Vorwürfen und Beleidigungen überhäuft. Paulus hatte durch seine Arbeit dem Götzendienst einen empfindlichen Schlag versetzt, sodass der Besuch dieser nationalen Festtage und die Begeisterung der Anwesenden merklich zurückging. Die Auswirkungen seiner Lehrtätigkeit reichten auch weit über die tatsächlich zum Glauben Bekehrten hinaus. Viele von denen, die sich nicht öffentlich zu den neuen Lehren bekannten, hatten immerhin so viel Erkenntnis empfangen, dass sie jedes Vertrauen in ihre heidnischen Götter verloren. GNAT 217 1 Es gab noch einen zweiten Grund der Unzufriedenheit. Durch die Herstellung und den Verkauf von Altären und Plastiken, die dem Tempel und dem Standbild der Diana nachgebildet waren, hatte sich in Ephesus ein ausgedehntes und einträgliches Geschäft entwickelt. Das beteiligte Gewerbe stellte einen Rückgang seiner Erträge fest. Diesen unwillkommenen Wandel schrieb man einmütig dem Wirken von Paulus zu. GNAT 217 2 Demetrius, der silberne Nachbildungen des Dianatempels anfertigte, rief die Arbeiter seiner Zunft zusammen und sagte zu ihnen: »Liebe Männer, ihr wisst, dass wir großen Gewinn von diesem Gewerbe haben; und ihr seht und hört, dass nicht allein in Ephesus, sondern auch fast in der ganzen Provinz Asien dieser Paulus viel Volk abspenstig macht, überredet und spricht: Was mit Händen gemacht ist, das sind keine Götter. Aber es droht nicht nur unser Gewerbe in Verruf zu geraten, sondern auch der Tempel der großen Göttin Diana wird für nichts geachtet werden, und zudem wird ihre göttliche Majestät untergehen, der doch die ganze Provinz Asien und der Weltkreis Verehrung erweist.« Diese Worte versetzten die Zuhörer in wütende Erregung. »Als sie das hörten, wurden sie von Zorn erfüllt und schrien: Groß ist die Diana der Epheser!« (Apostelgeschichte 19,25-28) GNAT 217 3 Die Worte dieser Ansprache machten schnell die Runde. »Die ganze Stadt wurde voll Getümmel.« (Apostelgeschichte 19,29a) Man leitete eine Suche nach Paulus ein, fand den Apostel jedoch nicht. Seine Glaubensbrüder hatten von der Gefahr Wind bekommen und ihn schleunigst von diesem Ort weg in Sicherheit gebracht. Engel Gottes waren beauftragt worden, den Apostel zu beschützen; die Zeit für seinen Märtyrertod war noch nicht gekommen. Als der Pöbel die Zielscheibe seines Zorns nicht zu fassen bekam, ergriff man »Gajus und Aristarch aus Mazedonien, die Gefährten des Paulus«, und stürmte mit ihnen »einmütig zum Theater« (Apostelgeschichte 19,29b). GNAT 217 4 Der Ort, an dem Paulus verborgen war, lag nicht weit entfernt. Bald hörte er von der Gefahr, in der sich seine geliebten Brüder befanden. Er dachte nicht an seine eigene Sicherheit und wollte sich sofort zum Theater begeben, um zu den Aufrührern zu sprechen, doch »ließen's ihm die Jünger nicht zu« (Apostelgeschichte 19,30). Gajus und Aristarch waren ja nicht die Beute, die die Menschen suchten; für sie befürchtete man keine ernste Gefahr. Sollten jedoch die Leute das blasse und sorgenbeladene Gesicht des Apostels sehen, würde das beim Pöbel sofort die schlimmsten Wutausbrüche auslösen, und nach menschlichem Ermessen bestünde dann nicht die geringste Chance, sein Leben zu retten. GNAT 218 1 Paulus beabsichtigte noch immer, vor der Menge die Wahrheit zu verteidigen. Schließlich wurde er aber durch eine Warnungsbotschaft aus dem Theater davon abgehalten. »Einige der Oberen der Provinz Asien, die ihm freundlich gesinnt waren, sandten zu ihm und ermahnten ihn, sich nicht zum Theater zu begeben.« (Apostelgeschichte 19,31) GNAT 218 2 Der Tumult im Theater schwoll immer weiter an. »Dort schrien die einen dies, die andern das, und die Versammlung war in Verwirrung, und die meisten wussten nicht, warum sie zusammengekommen waren.« (Apostelgeschichte 19,32) Die Tatsache, dass Paulus und einige seiner Begleiter hebräischer Herkunft waren, weckte bei den Juden das Verlangen, deutlich darauf hinzuweisen, dass sie weder mit ihm noch mit seinem Wirken sympathisierten. Deshalb schickten sie einen aus ihrer Mitte vor, der ihr Anliegen vor das Volk bringen sollte. Der gewählte Sprecher war Alexander, ein Handwerker, ein Kupferschmied, über den Paulus später sagte, er habe ihm »viel Böses angetan« (2. Timotheus 4,14) Alexander war ein Mann mit beachtlichen Fähigkeiten. Er konzentrierte all seine Energie darauf, den Volkszorn allein gegen Paulus und seine Gefährten zu lenken. Doch als die Menge erfuhr, dass Alexander ein Jude war, stieß man ihn beiseite, und dann »schrie alles wie aus einem Munde fast zwei Stunden lang: Groß ist die Diana der Epheser!« (Apostelgeschichte 19,34) Eine Erstaunliche Wende GNAT 218 3 Schließlich hielten sie aus reiner Erschöpfung inne, und einige Augenblicke war es still. Da zog der Stadtschreiber die Aufmerksamkeit der Menge auf sich und verschaffte sich kraft seines Amtes Gehör. Er begab sich auf ihre eigene Argumentationsebene und wies darauf hin, dass es keinen triftigen Grund für diese Aufregung gebe. Er appellierte an ihre Vernunft: »Ihr Männer von Ephesus, wo ist ein Mensch, der nicht weiß, dass die Stadt Ephesus eine Hüterin der großen Diana ist und ihres Bildes, das vom Himmel gefallen ist? Weil das nun unwidersprechlich ist, sollt ihr euch ruhig verhalten und nichts Unbedachtes tun. Ihr habt diese Menschen hergeführt, die weder Tempelräuber noch Lästerer unserer Göttin sind. Haben aber Demetrius und die mit ihm vom Handwerk sind, einen Anspruch an jemanden, so gibt es Gerichte und Statthalter; da lasst sie sich untereinander verklagen. Wollt ihr aber darüber hinaus noch etwas, so kann man es in einer ordentlichen Versammlung entscheiden. Denn wir stehen in Gefahr, wegen der heutigen Empörung verklagt zu werden, ohne dass ein Grund vorhanden ist, mit dem wir diesen Aufruhr entschuldigen könnten. Und als er das gesagt hatte, ließ er die Versammlung gehen.« (Apostelgeschichte 19,35-40) GNAT 219 1 Demetrius hatte in seiner Ansprache behauptet, dass ihr Handwerk in Gefahr sei. In diesen Worten lag der wahre Grund für diesen Tumult in Ephesus und für viele Verfolgungen der Apostel bei ihrer Arbeit. Demetrius und seine Handwerksgenossen erkannten, dass durch die Verkündigung und die Verbreitung des Evangeliums ihr Geschäft mit der Herstellung von Götzenbildern in Gefahr geriet. Die Einkünfte der heidnischen Priester und Kunsthandwerker standen auf dem Spiel, und deshalb erregten sie einen solch erbitterten Widerstand gegen Paulus. GNAT 219 2 Die Entscheidung des Stadtschreibers und anderer Würdenträger der Stadt hatte Paulus vor dem Volk von jeder ungesetzlichen Handlung freigesprochen. Dies war ein weiterer Sieg des christlichen Glaubens über Irrtum und Aberglauben. Gott hatte einen hohen Amtsträger dazu benutzt, um seinen Apostel zu rechtfertigen und den aufrührerischen Pöbel in Schach zu halten. Paulus war Gott von Herzen dankbar, dass der sein Leben verschont hatte und die christliche Lehre durch den Aufruhr in Ephesus nicht in Verruf gekommen war. GNAT 219 3 »Als nun das Getümmel aufgehört hatte, rief Paulus die Jünger zu sich und tröstete sie, nahm Abschied und brach auf, um nach Mazedonien zu reisen.« (Apostelgeschichte 20,1) Zwei treue Brüder aus Ephesus, Tychikus und Trophimus, begleiteten ihn auf dieser Reise. Ein Geduldiger Kämpfer GNAT 219 4 Die Tätigkeit des Apostels Paulus in Ephesus war abgeschlossen. Sein Dienst war eine Zeit ständiger Arbeit, vieler Prüfungen und tiefen Kummers gewesen. Er hatte die Gläubigen öffentlich und privat gelehrt, hatte sie oft unter Tränen unterrichtet und gewarnt. Ständig war er auf den Widerstand der Juden gestoßen, die keine Gelegenheit ausließen, um das Volk gegen ihn aufzuwiegeln. GNAT 219 5 Und während er auf diese Weise gegen Widerstände kämpfte, mit unermüdlichem Eifer die Evangeliumsbotschaft vorantrieb und die Interessen einer im Glauben noch jungen Gemeinde wahrte, verspürte er eine große Verantwortung für alle Gemeinden. GNAT 219 6 Großen Kummer bereitete ihm die Nachricht vom Abfall einiger Glieder in den Gemeinden, die er gegründet hatte. Er fürchtete, dass sich seine Bemühungen um sie als vergeblich erweisen könnten. Paulus verbrachte manche Nacht im Gebet und in ernstem Nachdenken, als er erfuhr, mit welchen Methoden seinem Werk entgegengearbeitet wurde. Sobald sich ihm eine Gelegenheit bot und wenn es ihr Zustand erforderte, schrieb er Briefe an die Gemeinden, wobei er sie - entsprechend der jeweiligen Situation - tadelte, ihnen Ratschläge erteilte, sie ermahnte oder ermutigte. In diesen Briefen ging er nicht ausführlich auf seine eigenen Anfechtungen ein, obwohl da und dort einige Einblicke in sein Wirken und Leiden für das Werk Christi durchschimmerten. Schläge und Gefängnis, Kälte, Hunger und Durst, Gefahren zu Land und auf hoher See, in der Stadt und in der Wüste, durch seine eigenen Landsleute, durch Heiden sowie durch falsche Brüder: all dies erduldete er um des Evangeliums willen (vgl. 2. Korinther 11,23-28). Bald wurde gegen ihn gelästert, bald wurde er gescholten und zum »Abschaum der Menschheit« erniedrigt. (1. Korinther 4,13) Er wurde bedrängt, verfolgt und unterdrückt; er war »jede Stunde in Gefahr« und wurde »immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen« (2. Korinther 4,8-11; 1. Korinther 15,30). GNAT 220 1 Mitten im ständigen Sturm des Widerstands, umtost vom Geschrei der Feinde und von Freunden verlassen, verlor der unerschrockene Apostel beinahe den Mut. Aber dann schaute er zurück nach Golgatha und ging mit neuem Eifer wieder voran, um das Wissen um den Gekreuzigten zu verbreiten. Er beschritt weiter den blutgetränkten Pfad, den Christus vor ihm gegangen war, und wollte nicht von diesem Kampf entbunden werden, ehe er seine Rüstung zu Füßen seines Erlösers niederlegen sollte. ------------------------Kapitel 29 -- Eine Warnungsbotschaft GNAT 224 0 Erklärungen zu 1. Korinther 1, 5 und 6. GNAT 224 1 Den ersten Brief an die Gemeinde in Korinth verfasste der Apostel Paulus während des letzten Abschnitts seines Aufenthalts in Ephesus. Für keine andere Gemeinde hatte er tieferes Interesse gezeigt oder unermüdlicher gewirkt als für die Gläubigen in Korinth. Anderthalb Jahre lang hatte er unter ihnen gearbeitet und sie auf den gekreuzigten und auferstandenen Erlöser als den einzigen Weg zum Heil hingewiesen. Er hatte sie dringend ermahnt, vorbehaltlos auf die umwandelnde Macht der Gnade Jesu zu vertrauen. Bevor er die, die sich zum Christentum bekannten, in die Gemeinde aufnahm, hatte er sorgfältig darauf geachtet, ihnen spezielle Unterweisungen zu geben, was die Vorrechte und Pflichten des christlichen Gläubigen waren, und er hatte sich ernsthaft bemüht, ihnen zu helfen, ihrem Taufgelübde treu zu sein. GNAT 224 2 Paulus hatte ein ausgeprägtes Gespür für den Konflikt, den jeder Mensch mit den Mächten des Bösen führen muss, die sich ständig bemühen, ihn zu täuschen und in ihren Schlingen zu fangen. Er hatte unermüdlich daran gearbeitet, Neubekehrte im Glauben zu stärken und zu festigen. Ernstlich hatte er sie gebeten, sich völlig Gott zu übergeben; denn er wusste: Wenn ein Mensch diese Übergabe nicht vollzieht, dann wird die Sünde nicht aufgegeben, die Begierden und Leidenschaften kämpfen immer noch um die Herrschaft, und Versuchungen verwirren das Gewissen. GNAT 224 3 Die Übergabe muss vollständig sein. Jedem schwachen, zweifelnden, kämpfenden Menschen, der sich dem Herrn vollständig übergibt, werden sofort Hilfsmittel bereitgestellt, die ihn zum Überwinden befähigen. Der Himmel ist diesem Menschen nahe, und ihm ist die Unterstützung und die Hilfe barmherziger Engel zu jeder Zeit der Anfechtung und Not gewiss. Abfall Und Zwietracht GNAT 225 1 Die Glieder der Gemeinde Korinth waren von Götzendienst und Sinnlichkeit der verlockendsten Art umgeben. Solange der Apostel sich bei ihnen aufhielt, hatten diese verführerischen Einflüsse nur wenig Macht über sie. Sein standhafter Glaube, seine inbrünstigen Gebete, seine ernsten Ermahnungen und vor allem sein frommer Lebenswandel hatten den Gläubigen geholfen, ihre Selbstsucht um Christi willen zu überwinden statt sündhaften Vergnügungen nachzugehen. GNAT 225 2 Nach der Abreise des Apostels traten jedoch ungünstige Bedingungen ein. Unkraut, das vom Feind gesät worden war, erschien mitten unter dem Weizen, und nach kurzer Zeit schon begann es, seine üble Frucht hervorzubringen. Für die Gemeinde in Korinth war dies eine Zeit harter Prüfungen. Der Apostel war nicht mehr bei ihnen, der ihren Eifer hätte beleben und sie in ihrem Bestreben hätte unterstützen können, in Harmonie mit Gott zu leben. Bald wurden viele nachlässig und gleichgültig und ließen sich von ihren natürlichen Gefühlen und Neigungen beherrschen. Derjenige, der sie so oft zu hohen Idealen der Reinheit und Rechtschaffenheit motiviert hatte, war nicht mehr bei ihnen; und nicht wenige, die zur Zeit ihrer Bekehrung ihre schlechten Gewohnheiten aufgegeben hatten, kehrten zu den entwürdigenden Sünden des Heidentums zurück. GNAT 225 3 Paulus hatte kurz an die Gemeinde geschrieben und sie ermahnt, dass sie mit Gliedern »nichts ... zu schaffen haben« sollte, die in einem lasterhaften Leben verharrten (1. Korinther 5,9). Aber viele Gläubige verdrehten die Bedeutung seiner Aussagen, deutelten an seinen Worten herum und rechtfertigten sich, wenn sie seine Anweisungen missachteten. GNAT 225 4 Paulus erhielt einen Brief, in dem man ihn in verschiedenen Angelegenheiten um Rat bat. Über die schweren Sünden, die unter ihnen existierten, schwieg man sich aber aus. Der Heilige Geist gab Paulus jedoch deutlich zu verstehen, dass der wirkliche Zustand der Gemeinde verschleiert worden war und dieser Brief einen Versuch darstellte, ihm Aussagen zu entlocken, die die Schreiber so auslegen könnten, dass sie ihren eigenen Absichten entgegenkamen. GNAT 225 5 Etwa um diese Zeit kamen Mitglieder aus dem Haus Chloes, einer angesehenen christlichen Familie der Gemeinde Korinth, nach Ephesus. Paulus befragte sie über die Verhältnisse in ihrer Gemeinde und erfuhr dadurch, dass diese gespalten sei (vgl. 1. Korinther 1,11-12). Die Zwietracht, die es bereits zur Zeit des Besuches von Apollos gegeben hatte, war noch viel größer geworden. Falsche Lehrer veranlassten die Glieder, die Mahnungen des Paulus zu verachten. Die Lehren und Riten des Evangeliums waren entstellt worden. Stolz, Götzendienst und Sinnlichkeit nahmen zu unter den Gliedern, die einst in ihrem christlichen Leben eifrig gewesen waren. GNAT 226 1 Als ihm dies geschildert wurde, sah Paulus seine schlimmsten Befürchtungen noch weit übertroffen. Doch ließ er deshalb nicht den Gedanken aufkommen, seine Arbeit sei gescheitert. Aus »Angst des Herzens unter vielen Tränen« (2. Korinther 2,4) suchte er Rat bei Gott. Gern hätte er Korinth umgehend besucht, wenn dies der Sache am besten gedient hätte; er wusste jedoch, dass die Gläubigen in ihrem gegenwärtigen Zustand von seinem Auftreten keinen Nutzen ziehen würden. Deshalb sandte er Titus, der ihm selbst den Weg für einen späteren Besuch vorbereiten sollte. Dann schrieb der Apostel im festen Vertrauen auf Gott an die Gemeinde in Korinth einen seiner reichhaltigsten, lehrreichsten und machtvollsten Briefe. Seine Empfindungen über das Verhalten einiger korinthischer Gläubiger, deren Lebenswandel seltsame Verdorbenheit offenbarte, hielt er dabei zurück. Die Vorgehensweise Von Paulus GNAT 226 2 Mit eindrucksvoller Klarheit ging er daran, die verschiedenen Fragen zu beantworten, die ihm von der Gemeinde gestellt worden waren. Er formulierte auch allgemeine Grundsätze, deren Beachtung die Gemeindeglieder auf eine höhere geistliche Ebene heben würden. Sie befanden sich in Gefahr; und der Gedanke machte ihm zu schaffen, es könnte ihm misslingen, ihre Herzen in diesem entscheidenden Augenblick zu erreichen. Gewissenhaft warnte er sie vor den ihnen drohenden Gefahren und tadelte sie wegen ihrer Sünden. Erneut wies er sie auf Christus hin und versuchte, den Eifer ihrer ersten Hingabe neu zu entfachen. GNAT 226 3 Die große Liebe des Apostels zu den Gläubigen in Korinth kam in seinem herzlichen Grußwort an die Gemeinde zum Ausdruck. Er bezog sich auf ihre Erfahrungen bei ihrer Umkehr weg vom Götzendienst hin zur Anbetung des wahren Gottes und zum Dienst für ihn. Er erinnerte sie an die Gaben des Heiligen Geistes, die sie empfangen hatten, und wies sie darauf hin, dass es ihr Vorrecht sei, im christlichen Leben beständig voranzuschreiten, bis hin zur Reinheit und Heiligkeit Christi. Er schrieb, sie seien »durch ihn in allen Stücken reich gemacht ... in aller Lehre und in aller Erkenntnis. Denn die Predigt von Christus ist in euch kräftig geworden, so dass ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gabe und wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus. Der wird euch auch fest erhalten bis ans Ende, dass ihr untadelig seid am Tag unseres Herrn Jesus Christus« (1. Korinther 1,5-8). GNAT 227 1 Paulus sprach die Uneinigkeit in der Gemeinde Korinth offen an und ermahnte die Glieder, von ihrem Streit abzulassen. »Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle mit einer Stimme redet, und lasst keine Spaltungen unter euch sein, sondern haltet aneinander fest in einem Sinn und in einer Meinung.« (1. Korinther 1,10) Der Apostel fühlte sich frei zu erwähnen, wie und durch wen er von den Spaltungen in der Gemeinde erfahren hatte. »Es ist mir bekannt geworden über euch, liebe Brüder, durch die Leute der Chloe, dass Streit unter euch ist.« (1. Korinther 1,11) GNAT 227 2 Paulus war ein inspirierter Apostel. Die Wahrheiten, die er andere lehrte, hatte er »durch Offenbarung« empfangen (Epheser 3,3); doch der Herr offenbarte ihm nicht jederzeit auf direktem Wege den Zustand der Gemeinden. Im vorliegenden Fall hatten jene die Angelegenheit vor den Apostel gebracht, denen das Wohl der Gemeinde Korinth am Herzen lag und die gesehen hatten, wie sich Missstände eingeschlichen hatten. Aufgrund früherer göttlicher Offenbarungen war Paulus in der Lage, diese Entwicklungen richtig zu beurteilen. Obwohl ihm der Herr für diesen besonderen Zeitpunkt keine neue Offenbarung gab, nahmen all diejenigen, die wirklich nach Erkenntnis suchten, seine Botschaft als Ausdruck des Willens Christi an. GNAT 227 3 Der Herr hatte ihm die Schwierigkeiten und Gefahren gezeigt, die in den Gemeinden aufkommen würden, und als sich diese Missstände entwickelten, erkannte der Apostel ihre Bedeutung. Gott hatte ihn zur Verteidigung der Gemeinde berufen. Er sollte auf die Gläubigen Acht haben als einer, der vor Gott Rechenschaft ablegen muss. War es daher nicht konsequent und richtig, dass er von den Berichten über die Unordnung und Spaltung unter ihnen Kenntnis nahm? Ganz gewiss! Und der Tadel, den er der Gemeinde in Korinth in diesem Brief erteilen musste, war genauso gewiss vom Geist Gottes eingegeben worden wie jeder seiner anderen Briefe. GNAT 227 4 Die falschen Lehrer, die die Früchte seiner Arbeit zu zerstören suchten, erwähnte der Apostel nicht. Wegen der Finsternis und der Spaltung in der Gemeinde vermied er es wohlweislich, die Glieder durch solche Hinweise zu verärgern, um nicht einige ganz von der Wahrheit abzubringen. Er versuchte vielmehr, die Aufmerksamkeit auf sein damaliges Wirken unter ihnen zu lenken. »Ich ... habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf.« (1. Korinther 3,10) Damit erhob er sich aber nicht über andere, denn er versicherte: »Wir sind Gottes Mitarbeiter.« (1. Korinther 3,9) GNAT 227 5 Er berief sich nicht auf seine eigene Weisheit, sondern anerkannte dankbar, dass es allein die göttliche Macht war, die ihn die Wahrheit in einer gottgefälligen Weise verkünden ließ. Durch die Verbindung mit Christus, dem größten aller Lehrer, erhielt Paulus die Fähigkeit, Lehren der göttlichen Weisheit weiterzugeben, die den Bedürfnissen aller Gesellschaftsschichten entsprachen und die zu allen Zeiten, an allen Orten und unter allen Bedingungen angewendet werden können. Eklatente Übelstände GNAT 228 1 Zu den schwerwiegenden Übeln, die sich unter den Gläubigen in Korinth entwickelt hatten, gehörte der Rückfall in viele der entwürdigenden Bräuche des Heidentums. Ein ehemals Bekehrter war so sehr rückfällig geworden, dass sein lasterhafter Lebenswandel eine Verletzung sogar der niedrigen moralischen Normen der heidnischen Welt darstellte (vgl. 1. Korinther 5,1). Der Apostel ermahnte darum die Gemeinde: »Verstoßt ihr den Bösen aus eurer Mitte!« (1. Korinther 5,13) »Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? Darum schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr ein neuer Teig seid, wie ihr ja ungesäuert seid.« (1. Korinther 5,6.7) GNAT 228 2 Ein weiteres schlimmes Übel in der Gemeinde war, dass Brüder sich gegenseitig verklagten. Für die Beilegung von Schwierigkeiten unter Gläubigen waren umfangreiche Vorkehrungen getroffen worden. Christus selbst hatte klare Anweisungen gegeben, wie solche Angelegenheiten geschlichtet werden sollten: »Sündigt aber dein Bruder an dir«, hatte er geboten, »so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde. Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und Zöllner. Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.« (Matthäus 18,15-18) GNAT 228 3 Den Gläubigen in Korinth, die diesen klaren Rat aus den Augen verloren hatten, schrieb Paulus in sehr deutlichen Worten der Ermahnung und des Tadels: »Wie kann jemand von euch wagen, wenn er einen Streit hat mit einem andern, sein Recht zu suchen vor den Ungerechten und nicht vor den Heiligen? Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Wenn nun die Welt von euch gerichtet werden soll, seid ihr dann nicht gut genug, geringe Sachen zu richten? Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden? Wie viel mehr über Dinge des täglichen Lebens. Ihr aber, wenn ihr über diese Dinge rechtet, nehmt solche, die in der Gemeinde nichts gelten, und setzt sie zu Richtern. Euch zur Schande muss ich das sagen. Ist denn gar kein Weiser unter euch, auch nicht einer, der zwischen Bruder und Bruder richten könnte? Vielmehr rechtet ein Bruder mit dem andern, und das vor Ungläubigen! Es ist schon schlimm genug, dass ihr miteinander rechtet. Warum lasst ihr euch nicht lieber Unrecht tun? ... Vielmehr tut ihr Unrecht und übervorteilt, und das unter Brüdern! Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden?« (1. Korinther 6,1-9) GNAT 229 1 Satan versucht ständig, Misstrauen, Entfremdung und Gehässigkeit unter Gottes Volk zu säen. In uns soll immer wieder das Gefühl geweckt werden, unsere Rechte seien verletzt, selbst wenn kein wirklicher Anlass für solche Empfindungen besteht. Menschen, deren Egoismus stärker ist als ihre Liebe zu Christus und zu seiner Sache, werden ihre eigenen Interessen an die erste Stelle setzen und fast zu jedem Mittel greifen, um sie zu wahren und zu verteidigen. Sogar viele, die nach außen hin als gewissenhafte Christen erscheinen, werden durch Stolz und Eigendünkel daran gehindert, persönlich zu denen zu gehen, von denen sie meinen, sie seien im Unrecht, um mit ihnen im Geiste Christi zu sprechen und gemeinsam füreinander zu beten. Wenn sie sich durch ihre Geschwister beleidigt fühlen, werden einige sogar vor Gericht gehen, statt der Regel des Erlösers zu folgen. GNAT 229 2 Christen sollten sich nicht an zivile Gerichte wenden, um Streitigkeiten zu schlichten, die unter Gemeindegliedern aufkommen können. Solche Meinungsverschiedenheiten sollten sie der Weisung Christi gemäß entweder selbst untereinander austragen oder von der Gemeinde schlichten lassen. Selbst wenn Unrecht geschehen sein mag, wird der Nachfolger des sanftmütigen und demütigen Jesus sich »lieber übervorteilen« lassen (1. Korinther 6,7), als die Sünden seiner Glaubensbrüder vor aller Welt aufzudecken. GNAT 229 3 Rechtsstreitigkeiten zwischen Glaubensgeschwistern sind eine Schande für die Sache der Wahrheit. Christen, die einander vor Gericht zerren, setzen die Gemeinde dem Spott ihrer Feinde aus und geben den Mächten der Finsternis Anlass zu triumphieren. Sie verwunden Christus von neuem und bringen öffentlich Schande über ihn. Indem sie die Autorität der Gemeinde ignorieren, zeigen sie eine Missachtung Gottes, der doch der Gemeinde ihre Autorität gegeben hat. Abkehr Vom Christlichen Leben Hat Folgen GNAT 229 4 In diesem Brief bemühte sich Paulus, den Korinthern Christi Macht zu zeigen, die sie vor dem Bösen bewahren kann. Er wusste: Wenn sie die festgelegten Bedingungen befolgen wollten, dann würden sie »stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke« (Epheser 6,10) sein. Als Hilfe in ihrem Bemühen, aus der Knechtschaft der Sünde freizukommen und »die Heiligkeit [zu] vollenden in der Furcht Gottes« (2. Korinther 7,1 Elb.), führte Paulus ihnen nachdrücklich die Ansprüche dessen vor Augen, dem sie bei ihrer Bekehrung ihr Leben geweiht hatten. »Ihr aber seid Christi« und gehört »nicht euch selbst«, schrieb er ihnen. »Ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.« (1. Korinther 3,23; 6,19.20) GNAT 230 1 Der Apostel umriss deutlich, welche Folgen es nach sich zieht, wenn man sich von einem reinen und heiligen Lebenswandel abwendet und die schändlichen Praktiken des Heidentums übernimmt. »Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher ... Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben.« (1. Korinther 6,9.10) Er bat sie inständig, die niedrigen Leidenschaften und Lüste zu beherrschen. »Wisst ihr nicht«, fragte er sie, »dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt?« (1. Korinther 6,19) GNAT 230 2 Paulus besaß hohe intellektuelle Begabungen. Darüber hinaus offenbarte sein Leben die Auswirkungen einer ungewöhnlichen Weisheit, die ihm schnelle Einsicht und herzliches Mitgefühl für andere gab. Dies brachte ihn in enge Verbindung mit ihnen, wodurch es ihm gelang, ihre bessere geistliche Natur zu wecken und sie zu veranlassen, nach einem höherstehenden Leben zu streben. Aufrichtige Liebe zu den Gläubigen in Korinth erfüllte sein Herz. Er sehnte sich danach mitzuerleben, wie sie eine innere Frömmigkeit entwickelten, die sie gegen Versuchungen stärken würde. Er wusste, dass »die Synagoge des Satans« (Offenbarung 2,9) ihnen bei jedem Schritt ihres Christseins entgegenwirken würde, und sie täglich kämpfen müssten. Sie müssten sich gegen die getarnten Angriffe des Feindes in Acht nehmen und die frühere Gewohnheiten und natürlichen Neigungen zurückdrängen und dabei stets nüchtern zum Gebet bleiben. Paulus wusste: Nur durch viel Gebet und beständige Wachsamkeit konnte ein höheres Niveau im christlichen Leben erreicht werden. Genau dies versuchte er ihnen einzuprägen. Er wusste, dass ihnen in dem gekreuzigten Christus genug Kraft zu ihrer Bekehrung zur Verfügung stünde und diese sie befähigen würde, allen Versuchungen zum Bösen zu widerstehen. Mit dem Glauben an Gott als Waffenrüstung und mit seinem Wort als ihre Waffe im Kampf stünde ihnen eine innere Macht zur Verfügung, die sie in die Lage versetzen würde, alle Angriffe des Feindes abzuwehren. GNAT 230 3 Die Gläubigen in Korinth benötigten eine tiefere Erfahrung in göttlichen Dingen. Sie hatten noch nicht das volle Verständnis dafür, was es bedeutet, »die Herrlichkeit des Herrn« zu schauen und verklärt zu werden »in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern« (2. Korinther 3,18), eine Veränderung des Charakters zu erleben. Sie hatten bisher gerade nur den ersten Schimmer der Morgendämmerung von jener Herrlichkeit gesehen. Paulus wünschte, dass sie »mit der ganzen Gottesfülle« erfüllt würden (Epheser 3,19) und sich weiterhin bemühen, den zu erkennen, der »wie die schöne Morgenröte« hervorbricht (Hosea 6,3), und von ihm zu lernen, bis sie zum vollen Mittagslicht des völligen Glaubens an das Evangelium gelangten. ------------------------Kapitel 30 -- Zum Höheren Standard Berufen GNAT 232 0 Erklärungen zu 1. Korinther 9,24 bis 10,33,12,12 bis 13,13 und 15,1-58. GNAT 232 1 Paulus wollte den Christen in Korinth deutlich einprägen, wie wichtig feste Selbstbeherrschung, strikte Mäßigkeit und unermüdlicher Eifer im Dienst für Christus sind. Deshalb verglich er in seinem Brief den Glaubenskampf eines Christen eindrücklich mit den berühmten Wettläufen, die in bestimmten Zeitabständen nahe Korinth stattfanden. Von allen Spielen, die unter den Griechen und Römern eingeführt worden waren, galt der Wettlauf als der älteste und am höchsten geschätzte. Könige, Fürsten und Staatsmänner wohnten diesen Läufen bei. Junge Männer von Rang und Namen beteiligten sich daran und scheuten weder Mühe noch Selbstdisziplin, um den Siegespreis zu erlangen. GNAT 232 2 Für die Wettkämpfe galten strenge Regeln, bei denen es keine Ausnahme gab. Wer sich für einen Wettkampf um den Siegespreis registrieren lassen wollte, musste sich zunächst einem harten Vorbereitungstraining unterziehen. Schädliche Lustbefriedigung oder jede andere Genusssucht, die die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen konnte, waren strikt verboten. Nur ein Athlet mit starken und geschmeidigen Muskeln, der auch nervlich belastbar war, konnte in diesen Wettläufen, in denen es auf Kraft und Schnelligkeit ankam, Hoffnung auf Erfolg haben. Jede Bewegung musste beherrscht sein, jeder Schritt schnell und sicher sein; die körperlichen Kräfte mussten das höchste Maß erreichen. GNAT 232 3 Wenn die Wettkämpfer vor der wartenden Menge erschienen, wurden ihre Namen laut verlesen und die Regeln des Wettlaufs genau bekannt gegeben. Dann starteten alle Läufer gleichzeitig. Die angespannte Aufmerksamkeit der Zuschauer spornte den Siegeswillen eines jeden Athleten an. Die Kampfrichter saßen nahe beim Ziel, sodass sie den Wettlauf vom Anfang bis zum Ende beobachten und den Preis dem wahren Sieger geben konnten. Wenn ein Läufer das Ziel aufgrund eines Regelverstoßes als Erster erreichte, wurde er disqualifiziert. GNAT 233 1 In diesen Wettkämpfen ging man große Risiken ein. Manche Teilnehmer erholten sich nie wieder von den übermäßigen körperlichen Belastungen. Nicht selten brachen Männer, aus Mund und Nase blutend, während des Laufs zusammen, und manchmal fiel sogar ein Wettläufer tot um, während er im Begriff war, den Siegespreis in Empfang zu nehmen. Aber selbst die Gefahr einer lebenslangen gesundheitlichen Schädigung oder gar des Todes wurde nicht als zu großes Risiko angesehen, um der Ehre willen, die dem erfolgreichen Wettkämpfer zuteil wurde. GNAT 233 2 Erreichte der Sieger das Ziel, empfing ihn der tosende Beifall der großen Zuschauermenge, dessen Echo von den umliegenden Hügeln und Bergen widerhallte. Vor den Augen der Zuschauer überreichte ihm der Kampfrichter die Zeichen des Sieges - einen Lorbeerkranz und einen Palmzweig, den er in der rechten Hand tragen musste. Im ganzen Lande wurde sein Ruhm besungen; sogar seine Eltern erhielten ihren Anteil der Ehre; und selbst die Stadt, in der er wohnte, wurde dafür hoch geschätzt, dass sie einen so großen Athleten hervorgebracht hatte. Ein Unvergänglicher Siegeskranz GNAT 233 3 Paulus nahm auf diese Wettkämpfe als Bild für den Glaubenskampf des Christen Bezug. Er betonte die Notwendigkeit einer Vorbereitung für den Erfolg im Rennen - die Disziplin schon in der Vorbereitungsphase, die einfache Kost und die Notwendigkeit der Enthaltsamkeit. »Jeder aber, der kämpft«, erklärte Paulus, »enthält sich aller Dinge« (1. Korinther 9,25). Die Läufer verzichteten auf jeden Genuss, der die körperlichen Kräfte schwächen würde. Durch ernsthaftes und anhaltendes Training stärkten sie ihre Muskeln und machten sie widerstandsfähig, sodass sie ihrem Körper am Wettkampftag das Äußerste abverlangen konnten. Wie viel mehr sollten Christen, deren ewiges Leben auf dem Spiel steht, ihre Begierden und Leidenschaften der Vernunft und dem Willen Gottes unterordnen! Niemals darf es sich ein Christ erlauben, dass seine Aufmerksamkeit durch Vergnügungen, Luxus oder Bequemlichkeit abgelenkt wird. All seine Gewohnheiten und Leidenschaften müssen strikter Disziplin unterstellt werden. Der Verstand, der durch die Lehren des Wortes Gottes erleuchtet ist und durch den Heiligen Geist geleitet wird, muss die Zügel in den Händen halten . GNAT 233 4 Wenn dies geschehen ist, bedarf der Christ noch größter Anstrengungen, um den Sieg zu erlangen. Bei den Korinthischen Spielen setzten die Wettkämpfer auf der Zielgeraden nochmals ihre ganze Energie ein, um die volle Geschwindigkeit beibehalten zu können. So wird es auch bei einem Christen sein. Am Ende, wenn er dem Ziel immer näher kommt, wird er mit noch mehr Eifer und Entschlossenheit als am Anfang seines Laufes nach vorne drängen. GNAT 234 1 Paulus stellt den Unterschied heraus zwischen dem verwelkenden Lorbeerkranz, den der Sieger im Wettlauf erhält, und der Krone unsterblicher Herrlichkeit, die dem überreicht wird, der den Lauf des Christen siegreich beendet. Jene setzen sich ein, so sagt er, »damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen« (1. Korinther 9,25). Die griechischen Wettläufer scheuten weder Mühe noch Disziplin, um einen vergänglichen Preis zu erwerben. Wir aber streben nach einem unendlich wertvolleren Preis, nach dem Siegeskranz des ewigen Lebens. Um wie viel sorgfältiger sollte unser Streben sein, um wie viel williger unser Opfer und unsere Selbstverleugnung! GNAT 234 2 Im Hebräerbrief wird die redliche Zielstrebigkeit betont, die den Wettlauf des Christen um das ewige Leben kennzeichnen sollte: »Lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.« (Hebräer 12,1.2) Neid, Bosheit und Argwohn, Verleumdung und Habsucht sind Belastungen, die ein Christ ablegen muss, wenn er den Wettlauf um ewiges Leben siegreich bestehen will. Jede Handlungsweise und Gewohnheit, die zur Sünde verleitet und Christus entehrt, müssen abgelegt werden - koste es, was es wolle. Der Segen des Himmels kann niemanden begleiten, der die ewigen Prinzipien des Rechts verletzt. Halten wir auch nur an einer einzigen Sünde fest, so genügt das, um unseren Charakter zu schwächen und andere in die Irre zu führen. GNAT 234 3 »Wenn dich aber deine Hand zum Abfall verführt, so haue sie ab!«, sagte der Erlöser. »Es ist besser für dich, dass du verkrüppelt zum Leben eingehst, als dass du zwei Hände hast und fährst in die Hölle, in das Feuer, das nie verlöscht. Wenn dich dein Fuß zum Abfall verführt, so haue ihn ab! Es ist besser für dich, dass du lahm zum Leben eingehst, als dass du zwei Füße hast und wirst in die Hölle geworfen.« (Markus 9,43-45) Wenn man den Körper vom Tod retten kann, indem man einen Fuß oder eine Hand abschneidet oder gar ein Auge ausreißt, um wie viel ernster sollte der Christ bereit sein, von der Sünde abzulassen, die ihm den ewigen Tod beschert! Auch Die Schwachen Können Siegen GNAT 234 4 Die Teilnehmer der antiken Wettläufe hatten selbst dann keine Gewissheit des Sieges, wenn sie sich der Selbstverleugnung und strenger Selbstdisziplin unterzogen. »Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis?« (1. Korinther 9,24) GNAT 235 1 Wie eifrig und ernsthaft die Läufer auch kämpften - nur einer konnte den Preis erringen. Nur eine Hand konnte den begehrten Siegeskranz ergreifen. Manche mögen sich bis ans Ende ihrer Kräfte verausgabt haben, um den Preis zu erlangen. Als sie aber die Hand ausstreckten, um ihn zu ergreifen, schnappte ihnen ein anderer das begehrte Siegeszeichen im letzten Augenblick weg. GNAT 235 2 Dies ist beim Glaubenskampf des Christen anders. Keiner, der die Bedingungen erfüllt, wird am Ende des Wettlaufs enttäuscht sein. Keiner, der ernsthaft und ausdauernd ist, wird erfolglos bleiben. Der Sieg gehört nicht dem Schnellen, es gewinnt nicht der Stärkste. Der Schwächste im Glauben kann die Krone der unvergänglichen Herrlichkeit genauso erringen wie der Stärkste. Sieger kann jeder werden, der durch die Macht göttlicher Gnade sein Leben mit dem Willen Christi in Übereinstimmung bringt. Die Umsetzung der im Wort Gottes niedergelegten Prinzipien im Alltagsleben wird viel zu oft als unwesentlich angesehen - als zu belanglos, um beachtet zu werden. Aber wenn man bedenkt, was auf dem Spiel steht, ist nichts bedeutungslos, was fördert oder auch hindert. Jede Handlung wirft ihr Gewicht in die Waagschale, die über Sieg oder Niederlage im Leben entscheidet. Und der Siegespreis wird dem Einsatz und der Ernsthaftigkeit entsprechen, mit denen jemand danach gestrebt hat. GNAT 235 3 Der Apostel verglich sich selbst mit einem Kämpfer, der jeden Muskel bis zum Äußersten strapaziert, nur um den Preis zu erhalten. »Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse«, bekannte er. »Ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.« (1. Korinther 9,26.27) Um im christlichen Wettlauf nicht »aufs Ungewisse« oder aufs Geratewohl zu rennen, unterwarf sich Paulus einem strengen Training. Die Worte »ich bezwinge meinen Leib« bedeuten buchstäblich, durch Selbstbeherrschung alle Wünsche, Triebe und Leidenschaften unter Kontrolle zu haben. GNAT 235 4 Paulus befürchtete, dass er selbst von Gott verworfen werden könnte, obwohl er andern gepredigt hatte. Er erkannte, dass ihm sein Wirken für andere nichts nützen würde, wenn er nicht selbst die Grundsätze auslebte, die er glaubte und predigte. Seine Gespräche, sein Einfluss auf andere, sein Verzicht auf die Befriedigung eigener Wünsche mussten zeigen, dass sein Glaube nicht nur ein Lippenbekenntnis war, sondern er aus einer täglichen Verbindung mit Gott lebte. Ein Ziel hatte er stets vor Augen, und er strebte ernsthaft danach, es zu erreichen: »die Gerechtigkeit, die von Gott kommt und denen geschenkt wird, die glauben« (Philipper 3,9 GNB). GNAT 236 1 Paulus wusste, dass sein Kampf gegen das Böse nicht enden würde, solange er lebte. Stets spürte er die Notwendigkeit, auf sich selbst zu achten, damit irdische Begierden den geistlichen Eifer nicht bezwangen. Mit allem, was in seiner Macht stand, kämpfte er gegen natürliche Neigungen. Stets hielt er sich das Ideal vor Augen, das es zu erreichen galt, und zu diesem Ideal wollte er durch willigen Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes gelangen. Seine Worte, sein Handeln, seine Leidenschaften: alles wurde unter die Herrschaft des Heiligen Geistes gestellt. GNAT 236 2 Diese aufrichtige Entschlossenheit, den Wettlauf um das ewige Leben zu gewinnen, wünschte Paulus im Leben der Gläubigen von Korinth zu sehen. Er wusste: Um das Ideal Christi zu erreichen, hatten sie einen lebenslangen Kampf vor sich, dem sie nicht ausweichen konnten. Er bat sie dringend, den Regeln entsprechend zu kämpfen und Tag für Tag nach Ehrfurcht vor Gott und sittlicher Reinheit zu streben. Er ermutigte sie, jede hinderliche Last beiseite zu legen und weiter voranzustreben hin zum Ziel der Vollkommenheit in Christus. Aus Den Erfahrungen IsraelS Lernen GNAT 236 3 Paulus wies die Christen in Korinth auf die Erfahrungen des alten Volkes Israel hin, auf die Segnungen, die seinen Gehorsam belohnten, und auf die Gerichte, die Folgen seiner Übertretungen waren. Er rief ihnen den wunderbaren Weg in Erinnerung, auf dem die Israeliten aus Ägypten geführt worden waren. Die Wolkensäule führte und schützte sie bei Tag, die Feuersäule bei Nacht. Sie durchquerten sicher das Rote Meer, während alle Ägypter ertranken, die dasselbe versuchten. Durch diese Tat hatte sich Gott zu Israel als seiner Gemeinde bekannt. Sie »haben alle dieselbe geistliche Speise gegessen und haben alle denselben geistlichen Trank getrunken; sie tranken nämlich von dem geistlichen Felsen, der ihnen folgte; der Fels aber war Christus« (1. Korinther 10,3.4). Auf all ihren Wegen war Christus ihr Führer. Der geschlagene Fels versinnbildete Christus, der durch die Übertretungen der Menschen verwundet werden sollte, damit der Strom der Erlösung zu allen fließen konnte. GNAT 236 4 Immer wieder erwies Gott den Israeliten auf der Wüstenwanderung seine Gnade, und trotzdem trauerten sie den Bequemlichkeiten Ägyptens nach. Wegen ihrer Sünde und ihres Ungehorsams brachen Gottes Gerichte über sie herein. Darum ermahnte der Apostel die Gläubigen in Korinth, Lehren aus den Erfahrungen Israels zu ziehen. »Das ist aber geschehen uns zum Vorbild«, schrieb er, »damit wir nicht am Bösen unsre Lust haben, wie jene sie hatten.« (1. Korinther 10,6) Er zeigte, wie die Liebe zu Behaglichkeit und Vergnügen zum Wegbereiter von Sünden wurde, die Gott außerordentlich erzürnten. Als sich das Volk niedersetzte, »um zu essen und zu trinken«, und aufstand, »um zu tanzen« (1. Korinther 10,7), vergaß es die Ehrfurcht vor Gott, die es bei der Gesetzgebung gezeigt hatte. In der Folge machte es sich ein goldenes Kalb, das Gott darstellen sollte, und betete es an. Und nach ihrem Vergnügen an einem üppigen Gelage in Verbindung mit der Anbetung des Baal-Peor gaben sich viele Israeliten der Zügellosigkeit hin. Dies erregte Gottes Zorn, und auf seine Weisung hin kamen »an einem einzigen Tag ... 23 000 um« (1. Korinther 10,8). GNAT 237 1 Der Apostel beschwor die Korinther: »Darum, wer meint, er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle.« (1. Korinther 10,12) Sollten sie überheblich und selbstsicher werden, Wachen und Beten vernachlässigen, würden sie in schwere Sünde fallen und den Zorn Gottes auf sich ziehen. Doch Paulus wollte nicht, dass sie Opfer von Verzagtheit oder Entmutigung würden, deshalb gab er ihnen die Zusicherung: »Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr's ertragen könnt.« (1. Korinther 10,13) GNAT 237 2 Paulus bat seine Glaubensgeschwister inständig, sich selbst zu fragen, was für einen Einfluss ihre Worte und Taten auf andere hätten. Sie sollten alles unterlassen, was als Zustimmung zum Götzendienst aufgefasst werden könnte und wenn es noch so harmlos schien - oder die Bedenken von Glaubensschwachen verletzte. »Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre. Erregt keinen Anstoß, weder bei den Juden noch bei den Griechen noch bei der Gemeinde Gottes.« (1. Korinther 10,31.32) GNAT 237 3 Die Warnungen des Apostels an die Gemeinde von Korinth gelten den Gemeinden aller Zeiten, besonders aber jenen unserer Zeit. Unter Götzendienst verstand er nicht nur Verehrung von Götzenbildern, sondern auch Selbstsucht, den Hang zur Bequemlichkeit, die Befriedigung von Begierden und Leidenschaften. Ein verbales Bekenntnis des Glaubens an Christus, ein Prahlen mit der Kenntnis der Wahrheit machen aus niemanden einen Christen. Eine Religion, die nur das Auge, das Ohr oder den Geschmack befriedigt oder Selbstsucht billigt, ist nicht die Religion Christi. Die Gemeinde Als Ein Körper GNAT 237 4 Durch einen Vergleich der Gemeinde mit dem menschlichen Körper veranschaulichte der Apostel treffend das enge und harmonische Verhältnis, das unter allen Gliedern der Gemeinde Christi bestehen soll: »Wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt. Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. Wenn aber der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum bin ich nicht Glied des Leibes, sollte er deshalb nicht Glied des Leibes sein? Und wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum bin ich nicht Glied des Leibes, sollte es deshalb nicht Glied des Leibes sein? Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Gehör wäre, wo bliebe der Geruch? Nun aber hat Gott die Glieder eingesetzt, ein jedes von ihnen im Leib, so wie er gewollt hat. Wenn aber alle Glieder ein Glied wären, wo bliebe der Leib? Nun aber sind es viele Glieder, aber der Leib ist einer. Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder auch das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht.« (1. Korinther 12,13-21) »Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi und jeder von euch ein Glied.« (1. Korinther 12,24-27) Das Grösste Ist Die Liebe GNAT 238 1 Mit Worten, die bis heute Männer und Frauen inspirieren und ermutigen, schilderte Paulus dann die Bedeutung jener Nächstenliebe, die von den Nachfolgern Jesu gepflegt werden sollte: »Wenn ich mit Menschen und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen, und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.« (1. Korinther 13,1-3) GNAT 238 2 Mag ein Glaubensbekenntnis noch so überzeugend klingen - niemand ist ein wahrer Nachfolger Christi, wenn sein Herz nicht von Liebe zu Gott und zu seinen Mitmenschen erfüllt ist. Selbst wenn jemand einen so starken Glauben besäße und die Macht hätte, Wunder zu wirken, so wäre sein Glaube ohne Liebe dennoch wertlos. Jemand kann großzügig sein und sein ganzes Vermögen den Armen geben, täte er es nicht aus wahrer Liebe, fände Gott doch kein Wohlgefallen an ihm. In seinem Glaubenseifer könnte er sogar den Märtyrertod erleiden; aber wenn er nicht aus Liebe handelt, würde Gott ihn als verblendeten Schwärmer oder als ehrgeizigen Heuchler ansehen. GNAT 238 3 »Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf.« (1. Korinther 13,4) Die reinste Freude entspringt aus tiefster Demut. Die stärksten und edelsten Charaktere stehen auf dem Fundament der Geduld, der Liebe und der Unterwerfung unter Gottes Willen. GNAT 239 1 Weiter heißt es von der Liebe: »Sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu.« (1. Korinther 13,5) Christusähnliche Liebe rückt die Beweggründe und Handlungen anderer in das günstigste Licht. Sie stellt die Fehler anderer nicht unnötigerweise heraus, sie hört nicht eifrig auf ungünstige Berichte über andere, sondern versucht vielmehr deren gute Eigenschaften ins Blickfeld zu rücken. GNAT 239 2 Die Liebe »freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört niemals auf« (1. Korinther 13,6-8). Sie kann niemals ihren Wert verlieren; denn sie ist ein Wesenszug des Himmels. Wer sie besitzt, hat einen kostbaren Schatz, den er durch die Tore der Gottesstadt mit hineinnehmen wird. GNAT 239 3 »Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.« (1. Korinther 13,13) Die Gewissheit Der Auferstehungshoffnung GNAT 239 4 Mit der Lockerung der sittlichen Maßstäbe unter den Gläubigen in Korinth hatten einige auch grundlegende Wahrheiten ihres Glaubens aufgegeben. Einige waren sogar so weit gegangen, die Lehre von der Auferstehung zu leugnen. Dieser Abweichung von der Lehre trat Paulus mit einem sehr deutlichen Zeugnis von den unleugbaren Beweisen für die Auferstehung Christi entgegen. Er versicherte, dass Christus, nach seinem Tode, »auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden« (1. Korinther 15,4-8). GNAT 239 5 Kraftvoll und überzeugend legte der Apostel die großartige Wahrheit von der Auferstehung dar. Seine Schlussfolgerungen lauteten: »Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.« (1. Korinther 15,13-20) GNAT 240 1 Dann richtete der Apostel die Aufmerksamkeit der Glaubensgeschwister in Korinth auf die Siegesfreude am Auferstehungsmorgen, wenn alle schlafenden Heiligen auferweckt werden sollen, um ewig mit ihrem Herrn vereint zu leben. »Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? ... Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!« (1. Korinther 15,51-57, vgl. Jesaja 25,8; Hosea 13,14) GNAT 240 2 Herrlich ist der Triumph, der die Treuen erwartet. Der Apostel erkannte die Möglichkeiten der Gläubigen in Korinth. Er versuchte nun, ihnen das vor Augen zu führen, was uns von Selbstsucht und Sinnlichkeit befreit und das Leben durch die Hoffnung auf Unsterblichkeit erhöht. Ernsthaft ermahnte er sie, ihrer Berufung durch Christus treu zu bleiben. »Meine lieben Brüder«, bat er, »seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.« (1. Korinther 15,58) War Er Zu Streng? GNAT 240 3 Der Apostel bemühte sich mit Entschiedenheit und Nachdruck, die verkehrten und gefährlichen Ansichten und Gewohnheiten zu korrigieren, die in der Gemeinde in Korinth weit verbreitet waren. Er sprach deutlich, aber in seelsorgerlicher Liebe. In seinen Warnungen und in seinem Tadel strahlte Licht vom Thron Gottes auf die Christen, um die verborgenen Sünden zu offenbaren, die ihr Leben befleckten. Wie würden sie dieses Licht aufnehmen? GNAT 241 1 Nachdem der Brief abgesandt war, befürchtete Paulus, dass das Geschriebene die Gläubigen in Korinth, denen er doch helfen wollte, zu tief kränken könnte. Er war in größter Sorge, dass sich die Gemeinde ihm noch mehr entfremden könnte, und wünschte sich zuweilen, seine Worte zurücknehmen zu können. Wer wie der Apostel für geliebte Gemeinden oder Institutionen eine so große Verantwortung getragen hat, kann seine Niedergeschlagenheit und seine Selbstanklagen bestens verstehen. Diener Gottes, die in unserer Zeit die Verantwortung für sein Werk tragen, können die Mühen, den Kampf und die bangen Sorgen des großen Apostels nachempfinden. Er litt schwer unter den Spaltungen in der Gemeinde; er erlebte die Undankbarkeit und den Verrat durch einige, bei denen er Mitgefühl und Unterstützung erwartet hatte; er erkannte die Gefährdung der Gemeinden, die Bosheit in ihrer Mitte duldeten; er sah sich gedrängt, Sünden unmissverständlich zu tadeln. Zugleich aber drückte ihn die Sorge nieder, vielleicht mit zu großer Strenge vorgegangen zu sein. So wartete er mit Zittern und Bangen auf eine Nachricht darüber, wie die Korinther seine Botschaft aufgenommen hätten. ------------------------Kapitel 31 -- Die Ermahnung Wird Angenommen GNAT 242 0 2. Korintherbrief 1 bis 4 und 7,5-13. GNAT 242 1 Von Ephesus aus trat Paulus eine weitere Missionsreise an und hoffte, dabei noch einmal seine früheren Wirkungsstätten in Europa besuchen zu können. Er blieb eine Zeit lang in Troas, um »das Evangelium Christi« zu predigen, und fand dort etliche, die bereit waren, seiner Botschaft zuzuhören. Vom Herrn sei ihm »eine Tür aufgetan« worden (2. Korinther 2,12), berichtete er später über sein Wirken an diesem Ort. So erfolgreich seine Bemühungen in Troas auch waren, konnte er nicht lange dort bleiben. Die »Sorge für alle Gemeinden« (2. Korinther 11,28), besonders für die in Korinth, lag ihm schwer am Herzen. Er hatte gehofft, Titus in Troas zu treffen und von ihm zu erfahren, wie seine Ratschläge und Ermahnungen von den Geschwistern in Korinth aufgenommen worden waren, wurde aber enttäuscht. »Da hatte ich keine Ruhe in meinem Geist«, schrieb er über diese Erfahrung, »weil ich Titus, meinen Bruder, nicht fand.« (2. Korinther 2,13) Er verließ deshalb Troas und segelte nach Mazedonien hinüber. In Philippi stieß er auf Timotheus. Ermahnungen Angenommen GNAT 242 2 Obwohl Paulus bezüglich der Gemeinde in Korinth beunruhigt war, hoffte er doch das Beste. Allerdings überkam ihn manchmal tiefe Traurigkeit aus Angst, seine Ratschläge und Ermahnungen könnten missverstanden werden. Später schrieb er darüber: »Als wir nach Mazedonien kamen, fanden wir keine Ruhe; sondern von allen Seiten waren wir bedrängt, von außen mit Streit, von innen mit Furcht. Aber Gott, der die Geringen tröstet, der tröstete uns durch die Ankunft des Titus.« (2. Korinther 7,5.6) GNAT 242 3 Dieser treue Bote überbrachte die aufmunternde Nachricht, dass unter den Christen in Korinth eine wunderbare Veränderung eingetreten sei. Viele hatten die im Brief des Paulus enthaltenen Weisungen angenommen und ihre Sünden bereut. Ihr Leben bereitete dem Christentum nicht länger Schande, sondern übte einen nachhaltigen Einfluss zu praktischer Frömmigkeit aus. GNAT 243 1 Froh darüber, schickte Paulus den Gläubigen in Korinth einen weiteren Brief. Darin äußerte er seine Freude über die positiven Veränderungen bei ihnen: »Wenn ich euch auch durch den Brief traurig gemacht habe, reut es mich nicht.« (2. Korinther 7,8) Als Angst ihn quälte, seine Worte könnten verachtet werden, hatte er zuweilen bedauert, dass er so entschieden und streng geschrieben hatte. Nun konnte er hinzufügen: »So freue ich mich doch jetzt nicht darüber, dass ihr betrübt worden seid, sondern darüber, dass ihr betrübt worden seid zur Reue. Denn ihr seid betrübt worden nach Gottes Willen, sodass ihr von uns keinen Schaden erlitten habt. Denn die Traurigkeit nach Gottes Willen wirkt zur Seligkeit eine Reue, die niemanden reut.« (2. Korinther 7,9.10) Die Reue, die durch den Einfluss göttlicher Gnade im Herzen des Menschen bewirkt wird, führt zum Bekenntnis und zur Abkehr von der Sünde. Nach Aussage von Paulus hatte sich diese Frucht im Leben der Korinther gezeigt. »Welches Mühen hat das in euch gewirkt, dazu Verteidigung, Unwillen, Furcht, Verlangen, Eifer ...!« (2. Korinther 7,11) GNAT 243 2 Für eine gewisse Zeit hatte auf Paulus ein Kummer um die Gemeinden gelastet, den er kaum ertragen konnte. Irrlehrer hatten versucht, seine Autorität bei den Gläubigen zunichte zu machen und ihnen ihre eigenen Lehren anstelle der Evangeliumswahrheit aufzudrängen. Der Apostel fasste seine Ratlosigkeit und Entmutigung in folgende Worte: »Wir wollen euch, liebe Brüder, nicht verschweigen die Bedrängnis, die uns in der Provinz Asien widerfahren ist, wo wir über die Maßen beschwert waren und über unsere Kraft, so dass wir auch am Leben verzagten.« (2. Korinther 1,8) GNAT 243 3 Jetzt aber war ein Grund zur Sorge beseitigt. Als ihn die Nachricht erreichte, dass die Korinther seinen Brief positiv aufgenommen hatten, jubelte Paulus: »Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.« (2. Korinther 1,3-7) GNAT 243 4 Als Paulus seiner Freude über ihre neuerliche Bekehrung und ihr Wachstum in der Gnade Ausdruck verlieh, schrieb er Gott den ganzen Ruhm für die Umwandlung ihrer Herzen und ihres Lebens zu. »Gott aber sei gedankt«, rief er aus, »der uns allezeit Sieg gibt in Christus und offenbart den Wohlgeruch seiner Erkenntnis durch uns an allen Orten! Denn wir sind für Gott ein Wohlgeruch Christi unter denen, die gerettet werden, und unter denen, die verloren werden« (2. Korinther 2,14.15). Wenn in jener Zeit ein Heerführer siegreich aus einem Krieg zurückkehrte, war es üblich, dass er einen Zug Kriegsgefangener im Triumph mit sich führte. Bei solchen Anlässen wurde der Gefangenenzug von Weihrauchträgern begleitet. Wenn das Heer durch die Stadt zog, war der Geruch dieses Weihrauchs für die Todgeweihten »ein Geruch des Todes«, der ihnen ihre baldige Hinrichtung ankündigte. Für jene unter den Gefangenen aber, die begnadigt worden waren und deren Leben verschont bleiben sollte, war der Duft ein »Geruch des Lebens« (2. Korinther 2,16), weil er ihnen die bevorstehende Freilassung anzeigte. GNAT 244 1 Paulus war nun voller Glauben und Hoffnung. Er fühlte, dass Satan in Korinth nicht über Gottes Werk triumphieren würde, und mit Worten des Lobpreises ließ er der Dankbarkeit seines Herzens freien Lauf. Er und seine Gefährten hatten nun Anlass, ihren Sieg über die Feinde Christi und dessen Wahrheit zu feiern. Sie gingen mit neuem Eifer an ihre Aufgabe, den Erlöser in aller Welt bekannt zu machen. Der Wohlgeruch des Evangeliums sollte, dem Geruch von Weihrauch gleich, überall verbreitet werden. Denen, die Christus annahmen, sollte die Botschaft »ein Geruch des Lebens zum Leben« sein, denen aber, die im Unglauben verharrten, »ein Geruch des Todes zum Tode.«. GNAT 244 2 Als Paulus das überwältigende Ausmaß des Werkes erkannte, rief er aus: »Wer aber ist dazu tüchtig?« (2. Korinther 2,16b) Wer ist fähig, Christus auf eine solche Art zu verkündigen, dass Jesu Feinde keinen triftigen Grund haben, den Boten oder die Botschaft, die dieser überbringt, zu verachten? Paulus wollte den Gläubigen ihre hohe Verantwortung im Evangeliumsdienst deutlich einprägen. Nur Treue in der Wortverkündigung, im Einklang mit einem reinen und konsequenten Lebenswandel macht den Einsatz des Mitarbeiters Gott angenehm und seinen Mitmenschen nützlich. Auch heute haben Gottes Diener im Bewusstsein der Größe ihrer Aufgabe alle Ursache, mit dem Apostel auszurufen: »Wer ist dazu tüchtig?« GNAT 244 3 Es gab Menschen, die Paulus des Eigenlobs bezichtigt hatten, als er seinen ersten Brief schrieb. Darauf bezog sich der Apostel nun und fragte die Gemeindeglieder, ob sie seine Beweggründe wirklich so einschätzten. »Fangen wir denn abermals an, uns selbst zu empfehlen? Oder brauchen wir, wie gewisse Leute, Empfehlungsbriefe an euch oder von euch?« (2. Korinther 3,1) Gläubige, die an einen anderen Ort zogen, trugen oft Empfehlungsschreiben der Gemeinde, der sie bisher angehört hatten, mit sich, aber die Verantwortungsträger, die Gründer dieser Gemeinden, hatten solche Empfehlungen nicht nötig. Die Gläubigen in Korinth, die sich vom Götzendienst zum Glauben an das Evangelium bekehrt hatten, waren selbst das beste Empfehlungsschreiben für Paulus. Ihre Annahme der Wahrheit und die in ihrem Leben bewirkte Erneuerung bezeugten glaubhaft seine Treue im Dienst und seine Vollmacht, als Diener Christi Ratschläge zu erteilen, zu tadeln und zu ermahnen. GNAT 245 1 Paulus betrachtete die Gläubigen in Korinth als sein Beglaubigungsschreiben. »Ihr seid unser Brief«, schrieb er, »in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen! Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen.« (2. Korinther 3,2.3) GNAT 245 2 Die Bekehrung von Sündern und ihre Heiligung durch die Wahrheit sind der stärkste Beweis, den ein Diener Gottes dafür erhalten kann, dass der Herr ihn zum Dienst berufen hat. Der Beweis für sein Apostelamt steht in den Herzen der Bekehrten geschrieben und wird durch deren neues Leben belegt. Christus, »die Hoffnung der Herrlichkeit« (Kolosser 1,27b), hat in ihnen Gestalt gewonnen. Ein solches Siegel auf seinem Dienst stärkt einen Beauftragten Gottes in hohem Maße. Das Wirken Eines Dieners Christi GNAT 245 3 Auch heute sollte ein Diener Christi dieselbe Bestätigung erhalten, wie sie die Gemeinde in Korinth für die Arbeit des Paulus darstellte. Doch obwohl es in unserer Zeit viele Prediger gibt, herrscht ein großer Mangel an fähigen, heiligen Dienern Gottes - an Männern, gefüllt mit der gleichen Liebe, die auch im Herzen Christi wohnte. Stolz, Selbstsicherheit, Weltliebe, Kritiksucht, Unversöhnlichkeit, Neid sind die Früchte vieler, die sich zum Christentum bekennen. Ihr Lebenswandel steht in schroffem Gegensatz zum Leben des Erlösers und ist ein erbärmliches Zeugnis für den hohen seelsorgerlichen Einsatz, unter dem sie selbst bekehrt wurden. GNAT 245 4 Einem Menschen kann keine größere Ehre zuteil werden als die, von Gott als fähiger Diener des Evangeliums angenommen zu werden. Wer aber von Gott durch Kraft und Erfolg in seinem Wirken gesegnet wird, prahlt nicht. Solche Menschen sind sich ihrer Abhängigkeit vom Herrn voll bewusst und wissen, dass sie in sich selbst keine Kraft haben. Mit Paulus bekennen sie: »Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes.« (2. Korinther 3,5.6) GNAT 246 1 Ein treuer Geistlicher tut das Werk seines Meisters. Er fühlt die Wichtigkeit seiner Aufgabe und erkennt, dass er zur Gemeinde und zur Welt eine ähnliche Beziehung unterhält wie einst Christus. Er arbeitet unermüdlich, um Sünder zu einem edleren und höheren Leben zu führen, damit sie den Lohn des Überwinders erlangen können. Seine Lippen werden mit der glühenden Kohle vom Altar berührt (vgl. Jesaja 6,5-7), und er verherrlicht Jesus als einzige Hoffnung für den Sünder. Wer ihm zuhört, erkennt, dass er durch inniges, wirksames Beten Gott ganz nahe gekommen ist. Der Heilige Geist hat ihn erfüllt, sein Herz hat das lebenswichtige himmlische Feuer verspürt, und er vermag Geistliches geistlich zu verstehen. Er hat die Macht erhalten, die Festungen Satans niederzureißen. Wenn er Gottes Liebe verkündet, öffnen sich Herzen, und viele werden sich fragen: »Was muss ich tun, um gerettet zu werden?« (Apostelgeschichte 16,30b GNB) GNAT 246 2 »Darum, weil wir dieses Amt haben nach der Barmherzigkeit, die uns widerfahren ist, werden wir nicht müde, sondern wir meiden schändliche Heimlichkeit und gehen nicht mit List um, fälschen auch nicht Gottes Wort, sondern durch Offenbarung der Wahrheit empfehlen wir uns dem Gewissen aller Menschen vor Gott. Ist nun aber unser Evangelium verdeckt, so ist's denen verdeckt, die verloren werden, den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes. Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.« (2. Korinther 4,1-6) GNAT 246 3 Auf diese Weise verherrlichte der Apostel die Gnade und Barmherzigkeit Gottes, die sich in der heiligen Verantwortung offenbarte, die ihm als ein Diener Christi anvertraut worden war. Gottes große Gnade hatte ihn und seine Brüder in Schwierigkeiten, Not und Gefahr erhalten. Sie hatten nicht versucht, ihre Lehre dadurch anziehender zu machen, dass sie ihre Botschaft dem Geschmack der Hörer anpassten oder ihnen Wahrheiten vorenthielten, die für ihre Erlösung unentbehrlich waren. Sie hatten die Wahrheit einfach und klar dargelegt und hatten um Sündenerkenntnis und Bekehrung von Menschen gebetet. Sie hatten sich bemüht, ihr Verhalten mit dem in Übereinstimmung zu bringen, was sie lehrten, damit die vorgestellte Wahrheit von sich aus den Menschen ins Gewissen redete. GNAT 247 1 »Wir haben aber«, fuhr der Apostel fort, »diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.« (2. Korinther 4,7) Gott hätte die Wahrheit durch sündlose Engel verkündigen lassen können, aber das entspricht nicht seinem Plan. Er wählt Menschen, mit Schwachheit behaftet, zu seinen Werkzeugen, um seine Absichten auszuführen. Der kostbare Schatz ist in irdene Gefäße gelegt worden. Gottes Segnungen sollen der Welt durch Menschen übermittelt werden. Durch sie soll seine Herrlichkeit in die Finsternis der Sünde hineinstrahlen. Ihre Aufgabe ist es, in liebevollem Dienst die Sündenbeladenen und Bedürftigen aufzusuchen und zum Kreuz zu führen. Und in all ihrem Tun sollen sie den Ruhm, die Ehre und den Lobpreis dem darbringen, der höher als alles ist und über allem steht. GNAT 247 2 Indem er auf seine eigene Erfahrung hinwies, zeigte Paulus, dass er den Dienst für Christus nicht aus selbstsüchtigen Beweggründen gewählt hatte, denn dieser Weg war voller Prüfungen und Versuchungen. »Wir sind von allen Seiten bedrängt«, so schrieb er, »aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.« (2. Korinther 4,8-10) Die Hoffnung Trägt Durch GNAT 247 3 Paulus machte seine Geschwister darauf aufmerksam, dass er und seine Mitstreiter sich als Boten Christi in ständiger Gefahr befänden. Die ertragenen Nöte zehrten an ihren Kräften. »Denn wir, die wir leben«, schrieb er, »werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleisch. So ist nun der Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch.« (2. Korinther 4,11.12) Durch die Entbehrungen und Mühsale, die sie als Diener Christi an ihrem Körper zu erleiden hatten, wurden sie »seinem Tode gleich gestaltet« (Philipper 3,10). Aber was in ihnen den Tod bewirkte, brachte den Korinthern geistliche Gesundheit und geistliches Leben. Durch den Glauben an die Wahrheit wurden sie Teilhaber des ewigen Lebens. Im Hinblick darauf sollten sich die Nachfolger Christi hüten, die Lasten und Prüfungen der Diener Gottes durch Gleichgültigkeit und Unzufriedenheit noch zu vermehren. GNAT 247 4 »Weil wir aber denselben Geist des Glaubens haben«, fuhr Paulus fort, »wie geschrieben steht: ›Ich glaube, darum rede ich, so glauben wir auch, darum reden wir auch.‹« (2. Korinther 4,13; vgl. Psalm 116,10) Paulus war von der Realität der Wahrheit, die ihm anvertraut worden war, völlig überzeugt. Deshalb konnte ihn nichts dazu bewegen, mit dem Wort Gottes betrügerisch umzugehen oder seine inneren Überzeugungen zu verheimlichen. Nie würde er sich Reichtum, Ehre oder Vergnügungen durch Anpassung an die Meinungen der Welt erkaufen. Obwohl er sich um des Glaubens willen, den er den Korinthern verkündigt hatte, ständig in Lebensgefahr befand, ließ er sich nicht einschüchtern. Er wusste ja, dass derjenige, der gestorben und wieder auferstanden war, ihn aus dem Grab erwecken und zum Vater führen würde. GNAT 248 1 »Denn es geschieht alles um euretwillen, damit die überschwängliche Gnade durch die Danksagung vieler noch reicher werde zur Ehre Gottes.« (2. Korinther 4,15) Nicht um sich selbst zu erhöhen, verkündeten die Apostel das Evangelium. Es war die Hoffnung, Menschen vor dem ewigen Tod zu retten, die sie veranlasste, ihr Leben diesem Werk zu weihen. Und eben diese Hoffnung bewahrte sie davor, angesichts drohender Gefahr oder tatsächlichem Leiden ihren Einsatz aufzugeben. GNAT 248 2 »Darum werden wir nicht müde«, so erklärte Paulus, »sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.« (2. Korinther 4,16) Paulus spürte die Macht Satans. Obwohl seine körperliche Kraft abnahm, verkündigte er dennoch treu und unbeirrbar das Evangelium Christi. Angetan mit der ganzen Waffenrüstung Gottes, schritt dieser Kämpfer des Kreuzes mutig in den Kampf. Seine aufmunternde Stimme zeugte vom Sieg. Den Blick auf die Belohnung der Treuen gerichtet, rief er jubelnd aus: »Unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.« (2. Korinther 4,17.18) GNAT 248 3 Mit ernsten, bewegten Worten bat der Apostel die Christen in Korinth, sich aufs Neue die unvergleichliche Liebe ihres Erlösers vor Augen zu halten. »Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus«, schrieb er, »obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.« (2. Korinther 8,9) Ihr wisst, von welcher Höhe er sich herabließ und zu welcher Tiefe der Erniedrigung er hinabstieg. Nachdem er einmal den Weg der Selbstverleugnung und des Opfers betreten hatte, wandte er sich nicht von ihm ab, bis er sein Leben dahingegeben hatte. Zwischen dem Thron und dem Kreuz gab es für Christus keine Rast. GNAT 248 4 Punkt für Punkt verweilte Paulus bei dieser Tatsache, sodass jeder, der seinen Brief las, die bewundernswerte Selbsterniedrigung unseres Erlösers um unseretwillen völlig erfassen konnte. Er zeigte ihnen Christus, als er Gott gleich war und gemeinsam mit ihm die Verehrung der Engel empfing. Dann beschrieb er den Weg von Jesus bis zum tiefsten Punkt seiner Demütigung. Paulus war überzeugt, dass alle Selbstsucht aus ihrem Leben verbannt werden konnte, wenn er ihnen nur das erstaunliche Opfer der Majestät des Himmels begreiflich machen könnte. Er zeigte ihnen, wie der Sohn Gottes seine Herrlichkeit abgelegt und sich freiwillig den Bedingungen der menschlichen Natur unterworfen hatte, wie er sich erniedrigt und Knechtsgestalt angenommen hatte, »gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz« (Philipper 2,8), um die gefallenen Menschheit von der Erniedrigung zur Hoffnung, zur Freude und zum Himmel zu erheben. Unbegreifliche Liebe GNAT 249 1 Wenn wir den göttlichen Charakter im Licht des Kreuzes betrachten, erfassen wir, wie Gnade, Einfühlungsvermögen und Vergebungsbereitschaft mit Fairness und Gerechtigkeit gepaart sind. Mitten auf dem Thron sehen wir den Einen, der an Händen, Füßen und an seiner Seite die Male der Leiden trägt, die er erduldete, um die Menschen mit Gott zu versöhnen. Wir sehen einen himmlischen Vater, der in einem unzugänglichen Licht wohnt und uns doch dank der Verdienste seines Sohnes zu sich annimmt. Die Wolke der Rache, die nichts als Elend und Verzweiflung androhte, erstrahlt im Licht des Kreuzes. Wie von Gottes Hand geschrieben, erscheinen die Worte: Lebe, Sünder, lebe! Ihr reumütigen, gläubigen Menschen, lebt! Ich habe ein Lösegeld gezahlt. GNAT 249 2 Im Nachzudenken über Christus verweilen wir am Ufer einer Liebe, die unermesslich ist. Wir sind bestrebt, von dieser Liebe zu erzählen, aber es fehlen uns die Worte. Wir betrachten sein Leben auf Erden, sein Opfer für uns, sein Wirken im Himmel als unser Fürsprecher; wir denken an die Wohnungen, die er für jene bereitet, die ihn lieben, und können nur ausrufen: Welch eine Höhe, welch eine Tiefe liegt doch in der Liebe Christi! »Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.« (1. Johannes 4,10) »Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen!« (1. Johannes 3,1) GNAT 249 3 Im Herzen eines jeden wahren Nachfolgers brennt diese Liebe wie ein heiliges Feuer. Auf der Erde hat Christus die Liebe Gottes offenbart, und auf der Erde sollen seine Kinder durch ein untadeliges Leben diese Liebe widerspiegeln. Auf diese Weise werden Sünder zum Kreuz geführt, um dort das Lamm Gottes zu sehen. ------------------------Kapitel 32 -- Eine Freigebige Gemeinde GNAT 250 0 1. Korinther 9,3-18; 2. Korinther 8,1-15 und 9,5-15. GNAT 250 1 Im ersten Korintherbrief erteilte Paulus den Christen Anweisungen über die allgemeinen Prinzipien, nach denen Gottes Werk auf Erden unterstützt werden sollte. Er erwähnte, wie er als Apostel zu ihrem Heil gewirkt hatte und stellte die Frage: »Wer zieht denn in den Krieg und zahlt sich selbst den Sold? Wer pflanzt einen Weinberg und isst nicht von seiner Frucht? Oder wer weidet eine Herde und nährt sich nicht von der Milch der Herde? Rede ich das nach menschlichem Gutdünken? Sagt das nicht auch das Gesetz? Denn im Gesetz des Mose steht geschrieben: ›Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbindend Sorgt sich Gott etwa um die Ochsen? Oder redet er nicht überall um unsertwillen? Ja, um unsertwillen ist es geschrieben: Wer pflügt, soll auf Hoffnung pflügen; und wer drischt, soll in der Hoffnung dreschen, dass er seinen Teil empfangen wird.« (1. Korinther 9,7-10, vgl. 5. Mose 25,4) GNAT 250 2 »Wenn wir euch zu gut Geistliches säen«, fragte der Apostel weiter, »ist es dann zu viel, wenn wir Leibliches von euch ernten? Wenn andere dieses Recht an euch haben, warum nicht viel mehr wir? Aber wir haben von diesem Recht nicht Gebrauch gemacht, sondern wir ertragen alles, damit wir nicht dem Evangelium von Christus ein Hindernis bereiten. Wisst ihr nicht, dass, die im Tempel dienen, vom Tempel leben, und die am Altar dienen, vom Altar ihren Anteil bekommen? So hat auch der Herr befohlen, dass, die das Evangelium verkündigen, sich vom Evangelium nähren sollen.« (1. Korinther 9,11-14) Die Zehnten Und Gaben GNAT 250 3 Der Apostel bezog sich hier auf den Plan des Herrn für den Lebensunterhalt der Priester, die im Tempel dienten. Diejenigen, die für dieses heilige Amt ausgewählt waren, wurden von ihren Brüdern unterhalten, denen sie geistliche Segnungen vermittelten. »Zwar haben auch die von den Söhnen Levis, die das Priestertum empfangen, nach dem Gesetz das Recht, den Zehnten zu nehmen vom Volk.« (Hebräer 7,5) Der Stamm Levi war vom Herrn für die heiligen Dienste ausgewählt, die sich auf das Heiligtum und die Priesterschaft bezogen. Von dem Hohenpriester hieß es: »Der Herr, dein Gott, hat ihn erwählt ... dass er stehe im Dienst im Namen des Herrn.« (5. Mose 18,5) Ein Zehntel von allen Erträgen wurde von Gott als sein Eigentum beansprucht, und den Zehnten vorzuenthalten wurde von ihm als Raub angesehen. GNAT 251 1 Auf diese Ordnung für den Unterhalt des Priesteramts bezog sich Paulus, als er schrieb: »So hat auch der Herr befohlen, dass, die das Evangelium verkündigen, sich vom Evangelium nähren sollen.« (1. Korinther 9,14) Und später schrieb er an Timotheus: »Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert.« (1. Timotheus 5,18; vgl. Lukas 10,7) GNAT 251 2 Die Entrichtung des Zehnten war nur ein Teil von Gottes Plan zum Unterhalt seiner Mitarbeiter. Zahlreiche Gaben und Opfer wurden von Gott aufgelistet. Im jüdischen System lehrte man die Menschen, gebefreudig zu sein, sowohl um die Sache Gottes zu unterstützen als auch den Nöten der Bedürftigen abzuhelfen. Zu besonderen Gelegenheiten brachten die Israeliten freiwillige Opfergaben. GNAT 251 3 Während der Ernte und der Weinlese wurden die Erstlingsfrüchte von Getreide, Weintrauben und Oliven dem Herrn als Opfer geweiht. Die Nachlese und das, was am Rande der Felder wuchs, wurde für die Armen übrig gelassen. Der Erstertrag der Wolle bei der Schafschur und des Korns beim Dreschen des Weizens wurde für Gott ausgesondert. Das Gleiche galt für die Erstgeburt bei Tieren. Für den erstgeborenen Sohn wurde ein Lösegeld bezahlt. Die Erstlingsfrüchte sollten dem Herrn im Heiligtum dargebracht werden, und dann wurden sie den Priestern zur Verfügung gestellt. GNAT 251 4 Durch dieses System der freiwilligen Opfer wollte der Herr den Israeliten nahe bringen, dass ihm in allem der erste Platz eingeräumt werden sollte. So wurden sie daran erinnert, dass Gott der Eigentümer ihrer Felder und ihrer Viehherden war und er ihnen Sonnenschein und Regen sandte, wodurch die Ernte heranreifte. Alles, was sie besaßen, gehörte ihm. Sie waren lediglich die Verwalter seiner Güter. GNAT 251 5 Es entspricht nicht Gottes Absicht, dass die Christen, deren Vorrechte bei Weitem die der jüdischen Nation übertreffen, weniger freigebig sind, als diese es waren. »Wem viel gegeben ist«, erklärte der Erlöser, »bei dem wird man viel suchen.« (Lukas 12,48) Die von den Israeliten geforderte Freigebigkeit sollte weitgehend ihrem eigenen Volk zugute kommen; heute erstreckt sich das Werk Gottes über die ganze Erde. Christus hat die Schätze des Evangeliums in die Hände seiner Nachfolger gelegt, und ihnen hat er die Verantwortung übertragen, der ganzen Welt die frohe Botschaft der Erlösung zu bringen. Somit sind unsere Verpflichtungen wesentlich größer als die des alten Israel. GNAT 252 1 In dem Maße, wie Gottes Werk sich ausbreitet, werden Hilferufe immer häufiger zu hören sein. Damit diesen Rufen entsprochen werden kann, sollten Christen auf das Gebot achten: »Bringt aber die Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf dass in meinem Hause Speise sei.« (Maleachi 3,10) Wenn bekennende Christen Gott treu ihre Zehnten und Gaben brächten, wäre sein Vorratshaus gefüllt. Dann bestünde kein Anlass, zu Jahrmärkten, Lotterien und Vergnügungsfesten Zuflucht zu nehmen, um Mittel zur Unterstützung des Evangeliumswerkes zu beschaffen. GNAT 252 2 Menschen stehen in der Versuchung, ihre Mittel zur Befriedigung von selbstsüchtigen Wünschen, für Schmuck oder für die Verschönerung ihrer Wohnungen zu verwenden. Für solche Dinge scheuen Gemeindeglieder oft keine Kosten und geben Geld freudig und sogar verschwenderisch aus. Werden sie aber gebeten, etwas von ihrem Vermögen zu geben, um Gottes Werk auf Erden zu fördern, dann zögern sie. Vielleicht sehen sie sich genötigt, eine milde Gabe zu geben; aber dieser Betrag steht in keinem Verhältnis zu dem, was sie sonst für unnötige Vergnügungen ausgeben. Sie zeigen keine wirkliche Liebe für den Dienst Christi noch Interesse an der Rettung von Menschen. Wen wundert es, dass solche Personen nur ein verkümmertes, kränkelndes Glaubensleben führen? GNAT 252 3 Ein Mensch, dessen Herz von der Liebe Christi durchdrungen ist, wird es nicht nur als Pflicht, sondern als Freude ansehen, bei der Förderung des höchsten, heiligsten Werkes, das Menschen anvertraut ist, mitzuhelfen - der Welt den Reichtum der Güte, Barmherzigkeit und Wahrheit zu zeigen. Habsucht Erniedrigt GNAT 252 4 Der Geist der Habsucht verleitet die Menschen, für die Befriedigung der Selbstsucht Mittel zurückzuhalten, die rechtmäßig Gott zustehen. Diesen Geist verabscheut der Herr heute ebenso sehr wie damals, als er durch seinen Propheten sein Volk hart tadelte und fragen ließ: »Ist's recht, dass ein Mensch Gott betrügt, wie ihr mich betrügt! Ihr aber sprecht: ›Womit betrügen wir dich?‹ Mit dem Zehnten und der Opfergabe! Darum seid ihr auch verflucht; denn ihr betrügt mich allesamt.« (Maleachi 3,8.9) GNAT 252 5 Der Geist der Opferbereitschaft ist der Geist des Himmels. Dieser Geist findet seinen höchsten Ausdruck im Opfer Christi am Kreuz. Um unseretwillen hat der Vater seinen einzigartigen Sohn gegeben; und Christus gab sich selbst hin, nachdem er alles aufgegeben hatte, was er besaß, um die Mensehen zu retten. Das Kreuz von Golgatha sollte für jeden Nachfolger des Erlösers eine Aufforderung zur Opferbereitschaft sein. Der dort veranschaulichte Grundsatz heißt: geben und immer wieder geben! »Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.« (1. Johannes 2,6) GNAT 253 1 Der Geist der Selbstsucht hingegen ist der Geist Satans. Das im Leben der Weltmenschen zutage tretende Leitmotiv heißt: Nimm, nimm! Auf diese Weise erhoffen sie, Glück und Wohlbehagen sicherzustellen; doch die Frucht ihrer Saat ist Elend und Tod. GNAT 253 2 Erst wenn Gott aufhören würde, seine Kinder zu segnen, wäre auch ihre Verpflichtung hinfällig, ihm den Anteil zurückzugeben, den er beansprucht. Nicht nur sollten sie ihm das erstatten, was ihm sowieso zusteht; sie sollten ihm auch großzügige Gaben als Zeichen ihrer Dankbarkeit zur Verfügung stellen. Freudigen Herzens sollten sie ihrem Schöpfer die Erstlingsfrüchte aus der Fülle ihrer Güter weihen, das Wertvollste aus ihrem Besitz und ihren besten und heiligsten Dienst. Auf diese Weise werden sie reichen Segen ernten. Gott selbst wird bewirken, dass ihre Seelen »wie ein bewässerter Garten« sein werden, dem »es nie an Wasser fehlt« (Jesaja 58,11). Und wenn die letzte großartige Ernte eingefahren wird, werden die Garben, die sie dem Meister bringen können, der Lohn für ihre selbstlose Verwendung der ihnen geliehenen Talente sein. GNAT 253 3 Gottes auserwählte Boten, die sich bei ihrer Arbeit voll einsetzen, sollten nie genötigt werden, den Kampf »auf eigene Kosten« aufzunehmen (1. Korinther 9,7 GNB), ohne auf eine wohlwollende und tatkräftige Unterstützung ihrer Glaubensgeschwister zählen zu dürfen. Es ist Aufgabe der Gemeindeglieder, all denen Großzügigkeit zu erweisen, die ihren weltlichen Beruf aufgeben, um sich ganz dem Evangeliumsdienst zu widmen. Wenn Gottes Mitarbeiter unterstützt werden, dann wird auch die Sache Gottes gefördert. Wenn ihnen aber durch menschlichen Egoismus die ihnen rechtmäßig zustehende Unterstützung vorenthalten wird, werden sie entmutigt, und oft wird ihre Einsatzfähigkeit entscheidend gelähmt. Gaben Für Gottes Werk Und Zur Linderung Von Not GNAT 253 4 Wer behauptet, ein Nachfolger Christi zu sein, es jedoch zulässt, dass gottgeweihte Mitarbeiter Mangel am Notwendigen zum Leben haben, während sie für das Werk Gottes tätig sind, der erregt Gottes Missfallen. Solch selbstsüchtige Menschen werden einmal Rechenschaft ablegen müssen - nicht nur über den Missbrauch, den sie mit dem Geld getrieben haben, das ihrem Herrn gehört, sondern auch über die Niedergeschlagenheit und den Kummer, den ihre Handlungsweise treuen Dienern Gottes zugefügt hat. Wer zum Verkündigungsdienst berufen wird und auf diesen Ruf hin alles aufgibt, um sich ganz für Gott einzusetzen, sollte für seinen aufopferungsvollen Dienst angemessen entlohnt werden, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten zu können. GNAT 254 1 In den verschiedensten Bereichen säkularer Berufe, bei geistiger wie auch bei körperlicher Tätigkeit, können gewissenhaft Arbeitende guten Lohn erhalten. Ist denn die Verbreitung der Wahrheit und das Hinführen von Menschen zu Christus nicht wichtiger als jede gewöhnliche Arbeit? Haben diejenigen, die treu in diesem Werk arbeiten, nicht billigerweise ein Anrecht auf eine angemessene Entlohnung? Durch unsere relative Bewertung dessen, was für unser sittliches und leibliches Wohl getan wird, zeigen wir, wie wir Himmlisches gegenüber Irdischem einschätzen. GNAT 254 2 Damit es genügend Mittel gibt, um Gottes Werk zu unterhalten und den Rufen nach Unterstützung für missionarische Aktivitäten nachkommen zu können, ist es nötig, dass Gottes Volk freudig und reichlich gibt. Geistliche haben die heilige Pflicht, die Gemeinde stets auf die Bedürfnisse des Werks hinzuweisen und sie zur Freigebigkeit zu erziehen. Wenn dies vernachlässigt wird und die Gemeinde es versäumt, für die Lebensbedürfnisse anderer zu spenden, dann leidet nicht nur das Werk Gottes, sondern es bleiben auch Segnungen aus, die den Gläubigen hätten zuteil werden sollen. GNAT 254 3 Selbst die Armen sollten Gott ihre Gaben darbringen. Auch sie sollen an der Gnade Christi teilhaben, wenn sie ihre eigenen Belange in den Hintergrund rücken und denen helfen, deren Not noch bedrückender ist als ihre eigene. Die Gaben eines Armen sind Früchte der Selbstaufopferung und haben bei Gott einen hohen Stellenwert. Jeder Akt der Selbstlosigkeit stärkt die Opferbereitschaft im Herzen des Gebers und verbindet ihn enger mit demjenigen, der reich war, jedoch um unsertwillen arm wurde, auf dass wir »durch seine Armut reich« würden (2. Korinther 8,9). GNAT 254 4 Die Witwe, die ihre zwei Scherflein in den Gotteskasten legte, gab alles, was sie hatte. Diese Tat ist zur Ermutigung derer überliefert, die mit ihrer Armut zu kämpfen haben und doch durch Gaben der Sache Gottes dienen wollen. Christus machte seine Jünger auf diese Frau aufmerksam, die »ihre ganze Habe« gegeben hatte (vgl. Markus 12,42-44). Er schätzte ihre Gabe höher ein als die großen Spenden von jenen, deren Almosen keine Selbstverleugnung erforderten. Sie hatten nur einen kleinen Teil von ihrem Überfluss abgegeben. Die Witwe hingegen hatte, um ihr Opfer geben zu können, selbst auf für sie Lebensnotwendiges verzichtet, und sie handelte im Vertrauen darauf, dass Gott für das aufkommen würde, was sie am nächsten Tag zum Leben benötigte. Von ihr sagte der Erlöser: »Ich versichere euch: Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle anderen.« (Markus 12,43) Auf diese Weise lehrte er: Der Wert einer Gabe wird nicht an der Höhe des gespendeten Betrages gemessen, sondern an den finanziellen Möglichkeiten und am Beweggrund des Gebers. Geben Ist Ein Vorrecht GNAT 255 1 Bei seinem Dienst an den Gemeinden war der Apostel Paulus unaufhörlich bemüht, in den Herzen der Neubekehrten den Wunsch zu entfachen, große Dinge für die Sache Gottes zu tun. Oft spornte er sie zur Gebefreudigkeit an. Als er zu den Ältesten in Ephesus über seine frühere Arbeit unter ihnen sprach, sagte er: »Überhaupt habe ich euch mit meiner Lebensführung gezeigt, dass wir hart arbeiten müssen, um auch den Bedürftigen etwas abgeben zu können. Wir sollen uns immer an das erinnern, was Jesus, der Herr, darüber gesagt hat. Von ihm stammt das Wort: ›Auf dem Geben liegt mehr Segen als auf dem Nehmen.‹« (Apostelgeschichte 20,35 GNB) Und an die Christen in Korinth schrieb er: »Denkt daran: Wer spärlich sät, wird nur wenig ernten. Aber wer mit vollen Händen sät, auf den wartet eine reiche Ernte. Jeder soll so viel geben, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat. Es soll ihm nicht leid tun, und er soll es auch nicht nur geben, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Gott liebt fröhliche Geber!« (2. Korinther 9,6.7 GNB) GNAT 255 2 Fast alle Gläubigen in Mazedonien waren arm an irdischen Gütern, aber ihre Herzen waren voller Liebe zu Gott und zu seiner Wahrheit, und sie spendeten freudig für die Verbreitung des Evangeliums. Als die heidenchristlichen Gemeinden für judenchristliche Gläubige sammelten, wurde die Gebefreudigkeit dieser Gläubigen in Mazedonien als Beispiel zur Nachahmung für andere Gemeinden lobend erwähnt. In seinem Brief an die Gläubigen in Korinth erinnerte der Apostel an »die Gnade Gottes, die in den Gemeinden Mazedoniens gegeben ist. Denn ihre Freude war überschwänglich, als sie durch viel Bedrängnis bewährt wurden, und obwohl sie sehr arm sind, haben sie doch reichlich gegeben in aller Einfalt. Denn nach Kräften ... und sogar über ihre Kräfte haben sie willig gegeben und haben uns mit vielem Zureden gebeten, dass sie mithelfen dürften an der Wohltat und der Gemeinschaft des Dienstes für die Heiligen« (2. Korinther 8,1-4). GNAT 255 3 Die Opferbereitschaft der mazedonischen Gläubigen war das Ergebnis einer rückhaltlosen Hingabe. Vom Geist Gottes getrieben, übergaben sie »sich selbst, zuerst dem Herrn« (2. Korinther 8,5). Danach waren sie bereit, aus ihren Mitteln großzügig zur Unterstützung des Evangeliumswerkes beizutragen. Es war nicht nötig, sie zum Geben aufzufordern; sie waren vielmehr glücklich darüber, auch auf notwendige Dinge verzichten zu können, um anderen in Not zu helfen. Als der Apostel sie davon zurückhalten wollte, drängten sie ihn, ihre Opfergabe anzunehmen. In ihrer Schlichtheit und Rechtschaffenheit und in ihrer Liebe zu den Geschwistern übten sie freudig Selbstlosigkeit; und so zeigte sich überreiche Frucht der Mildtätigkeit. GNAT 256 1 Als Paulus Titus nach Korinth sandte, um die Gläubigen dieser Stadt zu stärken, beauftragte er ihn, bei den Korinthern die Gebefreudigkeit zu fördern. In einem persönlichen Schreiben an die Gemeinde fügte er seinen eigenen Aufruf hinzu: »Wie ihr aber in allen Stücken reich seid, im Glauben und im Wort und in der Erkenntnis und in allem Eifer und in der Liebe, die wir in euch erweckt haben, so gebt auch reichlich bei dieser Wohltat ... Nun aber vollbringt auch das Tun, damit, wie ihr geneigt seid zu wollen, ihr auch geneigt seid zu vollbringen nach dem Maß dessen, was ihr habt. Denn wenn der gute Wille da ist, so ist er willkommen nach dem, was einer hat, nicht nach dem, was er nicht hat.« (2. Korinther 8,7.11.12) »Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk ... So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.« (2. Korinther 9,8.11) Fröhliche Geber GNAT 256 2 Selbstlose Bereitschaft zum Geben versetzte die Urgemeinde in überschwängliche Freude, weil die Gläubigen wussten, dass ihre Hilfe dazu beitrug, die Evangeliumsbotschaft zu denen zu tragen, die noch in Finsternis waren. Ihre Opferbereitschaft bezeugte, dass sie die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen hatten. Was sonst als die Heiligung durch den Geist konnte eine solche Gebefreudigkeit bewirken? In den Augen von Gläubigen wie von Nichtgläubigen war dies ein Wunder der Gnade. GNAT 256 3 Geistliches Wohlergehen ist eng verknüpft mit christlicher Großzügigkeit. Christi Nachfolger sollten sich darüber freuen, die Gesinnung der Wohltätigkeit ihres Erlösers in ihrem Leben zeigen zu dürfen. Indem sie dem Herrn etwas geben, haben sie die Zusicherung, dass ihr Schatz vor ihnen in den Himmel gelangt. Sucht jemand eine Sicherheit für sein Eigentum? Dann möge er es in jene Hände legen, die die Nägelmale der Kreuzigung tragen. Möchte er sich an seinem Reichtum freuen? Dann möge er ihn verwenden, um die Bedürftigen und Leidenden zu segnen. Möchte er seine Besitztümer vermehren? Dann möge er doch die göttliche Anweisung befolgen: »Ehre den Herrn mit deinem Gut und mit den Erstlingen all deines Einkommens, so werden deine Scheunen voll werden und deine Kelter von Wein überlaufen.« (Sprüche 3,9.10) Will aber jemand seine Besitztümer für selbstsüchtige Zwecke zurückhalten, so wird er sie auf ewig verlieren. Von dem Augenblick an jedoch, da er seinen Besitz Gott übergibt, trägt dieser Besitz den Namenszug Gottes und wird mit dem Siegel der Unwandelbarkeit versehen. GNAT 257 1 Gott sagt: »Glücklich ihr, die ihr an allen Wassern sät.« (Jesaja 32,20 Elb.) Beständige Übung im Austeilen von Gottes Gaben, wo immer seine Sache oder menschliche Not unsere Hilfe erfordert, führt nicht zur Armut. »Einer teilt reichlich aus und hat immer mehr; ein andrer kargt, wo er nicht soll, und wird doch ärmer.« (Sprüche 11,24) Der Sämann vervielfacht seine Saat, indem er sie ausstreut. So ist es auch bei den Menschen, die treu Gottes Gaben verteilen. Durch die Weitergabe vermehren sie ihren Segen. Christus hat versprochen: »Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben.« (Lukas 6,38) ------------------------Kapitel 33 -- Wirken Unter Schwierigkeiten GNAT 258 0 Apostelgeschichte 18,1-3; 20,33-35; 2. Korinther 12,11-21 und2. Thessalonicher 3,7-12. GNAT 258 1 Paulus war darauf bedacht, den durch ihn bekehrten Menschen die klare Lehre der Heiligen Schrift über die angemessene Unterstützung des Werkes Gottes darzulegen. Als Verkündiger des Evangeliums erhob er für sich den Anspruch, »das Recht« zu haben, »nicht zu arbeiten« (1. Korinther 9,6 ) und auf gewöhnliche Berufstätigkeit für seinen Lebensunterhalt zu verzichten. Dennoch arbeitete er während seines Dienstes hin und wieder in den großen Zentren der damaligen Zivilisation als Handwerker, um sein Auskommen zu sichern. Körperliche Arbeit Gehört Zur Verkündigung GNAT 258 2 Bei den Juden galt körperliche Arbeit nicht als außergewöhnlich oder gar entwürdigend. Durch Mose waren die Israeliten unterwiesen worden, ihre Kinder zum Fleiß zu erziehen, und es galt als Sünde, die Jugendlichen aufwachsen zu lassen, ohne dass sie körperliche Arbeit kennen lernten. Selbst wenn ein Kind zu einem heiligen Amt herangebildet werden sollte, betrachtete man die Kenntnis des praktischen Lebens als unerlässlich. Jeder junge Mann - waren seine Eltern reich oder arm - wurde in irgendeinem Handwerk ausgebildet. Eltern, die diesbezüglich ihre Pflicht versäumten, betrachtete man als Menschen, die von den Weisungen des Herrn abwichen. In Übereinstimmung mit diesem Brauch hatte Paulus frühzeitig das Handwerk eines Zeltmachers erlernt. GNAT 258 3 Bevor Paulus ein Jünger Christi wurde, hatte er eine hohe Stellung inne und war für seinen Lebensunterhalt nicht auf körperliche Arbeit angewiesen. Später jedoch, als er all seine Mittel für die Förderung der Sache Christi aufgebraucht hatte, übte er zeitweise seinen Beruf wieder aus, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dies tat er besonders dort, wo seine Beweggründe hätten missverstanden werden können. Paulus Arbeitete In Thessalonich GNAT 259 1 Erstmals lesen wir im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Thessalonich, dass Paulus, während er dort das Evangelium verkündete, seinen Lebensunterhalt mit seinen eigenen Händen verdiente. In seinem ersten Brief an die dortige Gemeinde erinnerte er die Gemeindeglieder daran, »wie hart wir bei euch gearbeitet haben. Tag und Nacht mühten wir uns ab, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen und niemandem zur Last zu fallen, während wir bei euch Gottes Wort predigten« (1. Thessalonicher 2,9 NLB). In seinem zweiten Brief an sie erklärte er, dass sowohl seine Mitarbeiter wie auch er, als sie bei ihnen lebten, »nicht umsonst Brot von jemandem genommen« hätten. »Mit Mühe und Plage haben wir Tag und Nacht gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen. Nicht, dass wir dazu nicht das Recht hätten, sondern wir wollten uns selbst euch zum Vorbild geben, damit ihr uns nachfolgt.« (2. Thessalonicher 3,8.9) GNAT 259 2 In Thessalonich war Paulus Leuten begegnet, die sich weigerten, mit ihren Händen zu arbeiten. Von ihnen schrieb er später: »Wir hören, dass einige unter euch unordentlich leben und nichts arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben. Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, dass sie still ihrer Arbeit nachgehen und ihr eigenes Brot essen.« (2. Thessalonicher 3,11.12) Während seines Aufenthalts in Thessalonich bemühte sich Paulus sorgfältig darum, solchen Gläubigen ein gutes Beispiel zu geben. »Denn schon als wir bei euch waren«, schrieb er, »geboten wir euch: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.« (2. Thessalonicher 3,10) GNAT 259 3 Zu allen Zeiten benutzte Satan die Strategie, die Arbeit der Diener Gottes zu beeinträchtigen, indem er versuchte, einen Geist der Schwärmerei in die Gemeinde einzuführen. So war es zur Zeit von Paulus und auch in späteren Jahrhunderten während der Zeit der Reformation. Wycliff, Luther und viele andere, die der Welt durch ihren Einfluss und ihren Glauben zum Segen wurden, mussten gegen die Täuschungen ankämpfen, durch die der Teufel übereifrige, unausgeglichene und ungeheiligte Gemüter zum Fanatismus zu verleiten suchte. Irregeleitete Personen lehrten, alle weltlichen Dinge seien unwichtig im Vergleich zum Streben nach wahrer Heiligkeit, und leiteten daraus ihre Rechtfertigung ab, überhaupt nicht zu arbeiten. Andere vertraten extreme Ansichten zu gewissen Bibeltexten und lehrten, Arbeit sei Sünde. Ihrer Meinung nach sollten sich Christen nicht um ihr zeitliches Wohl und um das ihrer Familien kümmern, sondern ihr Leben uneingeschränkt geistlichen Dingen widmen. Die Lehre und das Beispiel des Apostels Paulus sind eine Zurechtweisung für solch extreme Ansichten. GNAT 260 1 Während seines Aufenthalts in Thessalonich war Paulus für seinen Unterhalt nicht völlig auf die Arbeit seiner Hände angewiesen. Unter Hinweis auf seine dortigen Erfahrungen schrieb er später den Gläubigen in Philippi in dankbarer Anerkennung für die materiellen Gaben, die er von ihnen erhalten hatte: »Auch nach Thessalonich habt ihr etwas gesandt für meinen Bedarf, einmal und danach noch einmal.« (Philipper 4,16) Obwohl er diese Unterstützung erhielt, wollte er den Thessalonichern ein gutes Beispiel für Fleiß geben, damit niemand einen Anlass fand, ihm Habsucht vorzuwerfen, und damit jene, die in Bezug auf körperliche Arbeit fanatische Ansichten vertraten, durch sein praktisches Handeln zurechtgewiesen wurden. Paulus als Zeltmacher In Korinth GNAT 260 2 Als Paulus Korinth zum ersten Mal besuchte, fand er sich unter Menschen, die den Beweggründen von Fremden misstrauisch gegenüber standen. Die Bewohner der griechischen Küstengebiete waren gewiefte Handelsleute. Sie hatten sich schon so lange unlautere Geschäftspraktiken angewöhnt, dass sie zur Auffassung gelangt waren, Gewinn sei gleichzusetzen mit Frömmigkeit, und Geldverdienen sei aller Anerkennung wert, ganz gleich ob es dabei ehrlich oder unehrlich zugeht. Paulus kannte mittlerweile ihre Eigenheiten und wollte ihnen keinen Anlass geben zu behaupten, er predige das Evangelium, um sich dadurch selbst zu bereichern. Er hätte durchaus von seinen Zuhörern in Korinth Unterstützung beanspruchen können, aber er verzichtete auf dieses Recht, um seine Brauchbarkeit und seinen Erfolg als Diener Gottes nicht durch den ungerechtfertigten Verdacht schädigen zu lassen, er verkündige das Evangelium in gewinnsüchtiger Absicht. Jeden Angriffspunkt für üble Nachrede und Kritik versuchte er aus dem Wege zu räumen, um seine Botschaft nicht unwirksam zu machen. GNAT 260 3 Bald nach seiner Ankunft in Korinth traf Paulus »einen Juden mit Namen Aquila, aus Pontus gebürtig; der war mit seiner Frau Priszilla kürzlich aus Italien gekommen« (Apostelgeschichte 18,2). Die beiden hatten das gleiche Handwerk gelernt wie er. Aufgrund des Erlasses des Kaisers Claudius, der sämtliche Juden aus Rom verbannt hatte, waren Aquila und Priszilla nach Korinth gekommen, wo sie sich als Zeltmacher niederließen. Paulus zog Erkundigungen über sie ein und erfuhr, dass sie Ehrfurcht vor Gott hatten und die verderblichen Einflüsse um sich herum mieden. Da suchte er sie auf, »blieb ... bei ihnen und arbeitete mit ihnen Und er lehrte in der Synagoge an allen Sabbaten und überzeugte Juden und Griechen« (Apostelgeschichte 18,2-4). GNAT 261 1 Später trafen Silas und Timotheus bei Paulus in Korinth ein. Diese Brüder brachten Geldmittel aus den Gemeinden in Mazedonien zur Unterstützung des Werkes mit. GNAT 261 2 In seinen zweiten Brief an die Christen in Korinth, den er schrieb, nachdem er dort eine starke Gemeinde ins Leben gerufen hatte, blickte Paulus auf seine Lebensweise unter ihnen zurück. »Habe ich gesündigt, als ich mich erniedrigt habe, damit ihr erhöht würdet?«, fragte er. »Denn ich habe euch das Evangelium Gottes ohne Entgelt verkündigt. Andere Gemeinden habe ich beraubt und Geld von ihnen genommen, um euch dienen zu können. Und als ich bei euch war und Mangel hatte, fiel ich niemandem zur Last. Denn meinem Mangel halfen die Brüder ab, die aus Mazedonien kamen. So bin ich euch in keiner Weise zur Last gefallen und will es auch weiterhin so halten. So gewiss die Wahrheit Christi in mir ist, so soll mir dieser Ruhm im Gebiet von Achaja nicht verwehrt werden.« (2. Korinther 11,7-10) GNAT 261 3 Paulus erzählte, warum er in Korinth diesen Weg eingeschlagen hatte: Er wollte »denen ... die einen Anlass such[t]en« (2. Korinther 11,12), keinen Grund für Vorwürfe liefern. Während er seiner Arbeit als Zeltmacher nachgegangen war, hatte er auch treu das Evangelium verkündigt. Er selbst erklärte über seine Arbeit: »Es sind ja die Zeichen eines Apostels unter euch geschehen in aller Geduld, mit Zeichen und mit Wundern und mit Taten.« Und er fügte hinzu: »Was ist's, worin ihr zu kurz gekommen seid gegenüber den andern Gemeinden, außer dass ich euch nicht zur Last gefallen bin? Vergebt mir dieses Unrecht! Siehe, ich bin jetzt bereit, zum dritten Mal zu euch zu kommen, und will euch nicht zur Last fallen; denn ich suche nicht das Eure, sondern euch . Ich aber will gern hingeben und hingegeben werden für eure Seelen.« (2. Korinther 12,12-15) Paulus Arbeitete Auch In Ephesus GNAT 261 4 Während der langen Zeit seines Dienstes in Ephesus, von wo aus er drei Jahre lang in der ganzen Region energisch die Evangeliumsarbeit vorantrieb, arbeitete Paulus ebenfalls in seinem Handwerk (vgl. Apostelgeschichte 20,34). Wie in Korinth konnte sich der Apostel auch in Ephesus über die Anwesenheit von Aquila und Priszilla freuen, die ihn am Ende seiner zweiten Missionsreise nach Asien begleitet hatten. GNAT 261 5 Einige kritisierten Paulus, weil er sich in einem handwerklichen Beruf abplagte, und erklärten, dies sei nicht zu vereinbaren mit der Tätigkeit eines Verkündigers des Evangeliums. Warum sollte Paulus, der ein Apostel höchsten Ranges war, gewöhnliche Handarbeit mit der Predigt des Wortes verbinden? War der Arbeiter nicht seines Lohnes wert? Warum sollte er für die Anfertigung von Zelten Zeit einsetzen, die augenscheinlich doch zu Besserem genutzt werden konnte? GNAT 262 1 Paulus aber sah die so genutzte Zeit nicht als verloren an. Während seiner Arbeit mit Aquila blieb er in enger Verbindung mit seinem großen Meister. Er ließ keine Gelegenheit aus, für den Erlöser Zeugnis abzulegen und jenen Menschen zu helfen, die es nötig hatten. Seine Gedanken waren stets darauf ausgerichtet, geistliche Erkenntnis zu erlangen. Seine Arbeitskollegen leitete er in geistlichen Dingen an und war ihnen zugleich ein Beispiel für Fleiß und Gründlichkeit. Er arbeitete zügig und fachkundig, war nicht träge in dem, was zu tun war; er war »feurig im Geist, dem Herrn zu dienen bereit« (Römer 12,11 Men.). Durch seine handwerkliche Tätigkeit fand er Zugang zu einer Menschenschicht, die er sonst nicht hätte erreichen können. Seinen Arbeitskollegen zeigte er, dass Geschicklichkeit auch in der alltäglichen Berufsarbeit eine Gabe Gottes ist, der sowohl die Fähigkeiten verleiht als auch die Weisheit, sie richtig anzuwenden. Paulus lehrte, dass man selbst in alltäglichen Verrichtungen Gott ehren soll. Die von der Arbeit gezeichneten Hände taten seinen zu Herzen gehenden Aufrufen als christlicher Verkündiger keinen Abbruch. GNAT 262 2 Manchmal arbeitete Paulus Tag und Nacht, nicht nur um seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch um seinen Mitarbeitern beizustehen. Seinen Verdienst teilte er mit Lukas, und er unterstützte Timotheus. Er litt sogar zeitweise Hunger, um die Not anderer zu lindern. Er führte ein selbstloses Leben. Gegen Ende seines Missionsdienstes, anlässlich seiner Abschiedsrede vor den Ältesten aus Ephesus, konnte er in Milet seine von harter Arbeit gezeichneten Hände aufheben und sagen: »Ich habe von niemandem Silber oder Gold oder Kleidung begehrt. Denn ihr wisst selber, dass mir diese Hände zum Unterhalt gedient haben für mich und die, die mit mir gewesen sind. Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muss im Gedenken an das Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.« (Apostelgeschichte 20,33-35) Arbeit - Ein Segen Für Die Menschen GNAT 262 3 Wenn Mitarbeiter Gottes denken, sie würden im Werk Christi Not und Entbehrung leiden, dann mögen sie doch im Geist die Werkstatt besuchen, in der Paulus gearbeitet hat. Sie sollten bedenken, dass dieser Erwählte Gottes, während er das Zelttuch bearbeitete, für das tägliche Brot kämpfte, das ihm durch sein Wirken als Apostel eigentlich bereits zugestanden hätte. GNAT 263 1 Arbeit ist ein Segen, kein Fluch. Ein Geist der Trägheit zerstört wahre Frömmigkeit und betrübt den Heiligen Geist. Ein stehender Tümpel ist übelriechend, ein reiner, fließender Bach hingegen verbreitet Gesundheit und Freude im Land. Paulus wusste, dass Menschen, die körperliche Arbeit vernachlässigen, bald geschwächt sein werden. Er wollte jungen Dienern Christi einprägen, dass sie durch körperliche Arbeit ihre Muskeln und Sehnen betätigen und so stark werden, um Mühsale und Entbehrungen zu ertragen, die im Evangeliumsfeld auf sie warteten. Und er war sich bewusst, dass seiner eigenen Lehrtätigkeit Lebendigkeit und Kraft fehlte, wenn er nicht alle Teile des Organismus regelmäßig anstrengte. GNAT 263 2 Wer träge ist, lässt sich die unschätzbare Erfahrung entgehen, die man durch treue Erfüllung der alltäglichen Pflichten gewinnt. Tausende von Menschen leben nur, um die Segnungen zu konsumieren, die Gott ihnen in seiner Gnade zukommen lässt. Sie vergessen, dem Herrn für die Wohltaten zu danken, die er ihnen anvertraut hat. Sie vergessen, dass sie durch weises Handeln mit den Gaben, die Gott ihnen verliehen hat, befähigt werden sollen, diese nicht nur für sich selbst zu nutzen, sondern damit auch anderen zu helfen. Verstünden sie die Aufgabe, die der Herr ihnen als seinen helfenden Händen stellt, würden sie sich der Verantwortung nicht entziehen. GNAT 263 3 Die Brauchbarkeit junger Leute, die meinen, sie seien von Gott zum Predigen berufen, hängt weithin davon ab, wie sie ihre Arbeit anpacken. Diejenigen, die von Gott für die Verkündigungsarbeit erwählt sind, werden den Beweis für ihre hohe Berufung erbringen und auf jede mögliche Weise versuchen, sich zu fähigen Mitarbeitern zu entwickeln. Sie werden sich anstrengen, Erfahrungen zu sammeln, die sie fähig machen zu planen, zu organisieren und zu handeln. Wenn sie die Heiligkeit ihrer Berufung recht zu würdigen wissen, werden sie durch Selbstdisziplin ihrem Meister immer ähnlicher, und sie werden seine Güte, Liebe und Wahrheit offenbaren. Und wenn sie ernsthaft bestrebt sind, die ihnen anvertrauten Gaben zu verbessern, dann sollte die Gemeinde ihnen verständnisvoll helfen. GNAT 263 4 Nicht jeder, der sich zum Predigen berufen fühlt, sollte ermutigt werden, sich und seine Familie sogleich in die dauerhafte finanzielle Versorgung durch die Gemeinde zu begeben. Es besteht die Gefahr, dass manch einer, der noch wenig Erfahrung hat, durch Schmeicheleien verwöhnt wird und aufgrund unkluger Ermutigung volle Unterstützung erwartet, unabhängig von ernsthaften Anstrengungen seinerseits. Die Mittel, die der Ausbreitung des Werkes Gottes geweiht sind, sollten nicht von Menschen verbraucht werden, die nur deshalb predigen wollen, um versorgt zu sein und um dadurch einen selbstsüchtigen Ehrgeiz nach einem bequemen Leben zu befriedigen. GNAT 264 1 Junge Menschen, die ihre Gaben im Dienst Gottes einsetzen möchten, werden in dem Beispiel des Paulus in Thessalonich, Korinth, Ephesus und anderen Orten eine hilfreiche Lehre finden. Obwohl er ein gewandter Redner und von Gott für eine besondere Aufgabe ausersehen war, stand er nie erhaben über der Arbeit, und nie war er es leid, für die von ihm geliebte Sache Opfer zu bringen. »Bis auf diese Stunde«, schrieb er an die Korinther, »leiden wir Hunger und Durst und Blöße und werden geschlagen und haben keine feste Bleibe und mühen uns ab mit unsrer Hände Arbeit. Man schmäht uns, so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir's.« (1. Korinther 4,11.12) Selbstunterhaltende Mitarbeiter Christi GNAT 264 2 Paulus, einer der größten Lehrer auf Erden, führte geringste wie höchste Pflichten mit gleicher Freude aus. Wenn es die Umstände in seinem Dienst für den Herrn zu erfordern schienen, arbeitete er willig in seinem Handwerk. Andererseits war er stets bereit, seine säkulare Arbeit beiseite zu legen, um dem Widerstand der Feinde des Evangeliums entgegenzutreten oder eine besondere Gelegenheit zu nutzen, Menschen für Christus zu gewinnen. Sein Eifer und Fleiß sind eine Rüge für Trägheit und das Streben nach Bequemlichkeit. GNAT 264 3 Durch sein Beispiel stellte sich Paulus gegen die Auffassung, die damals in der Gemeinde an Boden gewann, dass das Evangelium nur von jenen mit Erfolg verkündigt werden könnte, die von der Notwendigkeit zu körperlicher Arbeit völlig befreit seien. Er veranschaulichte ganz praktisch, was an vielen Orten durch hingebungsvolle Gemeindeglieder getan werden konnte, wo die Evangeliumswahrheit noch nicht bekannt war. Seine Handlungsweise war für viele einfache Arbeiter ein Ansporn, alles zu tun, was in ihren Kräften stand, um zur Förderung des Werkes Gottes beizutragen, wobei sie gleichzeitig durch tägliche Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Aquila und Priszilla waren zwar nicht berufen, ihre ganze Zeit in den Dienst der Evangeliumsverkündigung zu stellen, doch gebrauchte Gott diese demütigen Arbeiter, um Apollos den Weg der Wahrheit noch deutlicher zu zeigen. Der Herr benutzt verschiedene Werkzeuge, um seine Ziele zu erreichen. Während besonders Begabte dazu ausersehen werden, ihre ganze Kraft dem Verkündigen und Lehren des Evangeliums zur Verfügung zu stellen, werden viele andere berufen, einen wichtigen Beitrag zur Rettung von Menschen zu leisten, obwohl ihnen nie die Hände zur Einsegnung aufgelegt worden sind. GNAT 265 1 Evangeliumsarbeitern, die selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, steht ein weites Feld offen. Viele können wertvolle Erfahrungen im Verkündigungsdienst sammeln, während sie einen Teil ihrer Zeit einer körperlichen Arbeit widmen. Auf diese Weise können tatkräftige Mitarbeiter für den dringenden Dienst in unterversorgten Gebieten herangebildet werden. Vollzeitliche Mitarbeiter Christi GNAT 265 2 Der Diener Gottes, der sich aufopfert und unermüdlich im Dienst am Wort und an der Lehre arbeitet, trägt eine schwere Last auf dem Herzen. Er misst seine Arbeit nicht nach Stunden. Sein Lohn beeinflusst seine Arbeit nicht. Er lässt sich auch nicht durch ungünstige Umstände von seiner Pflicht abbringen. Vom Himmel hat er seinen Auftrag erhalten, und vom Himmel kommt sein Lohn, wenn die ihm anvertraute Arbeit geleistet ist. GNAT 265 3 Es ist Gottes Absicht, dass solche Mitarbeiter von unnötigen Sorgen befreit werden, damit sie uneingeschränkt der Aufforderung des Paulus an Timotheus nachkommen können: »Mühe dich um das, was dir aufgetragen ist.« (1. Timotheus 4,15 GNB) Während sie sorgfältig darauf achten sollten, genügend Bewegung zu haben, um Leib und Geist kräftig zu erhalten, ist es doch nicht Gottes Plan, dass sie gezwungen werden, einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit mit weltlicher Arbeit zu verbringen. GNAT 265 4 Auch wenn diese treuen Arbeiter sich willig für das Evangelium »hingeben und hingegeben werden« (2. Korinther 12,15), sind sie doch nicht gegen Versuchungen gefeit. Sind sie gehemmt und mit Angst belastet, weil die Gemeinde es versäumt hat, ihnen angemessene finanzielle Unterstützung zu geben, werden einige vom Versucher heftig bedrängt. Es entmutigt sie zu sehen, dass ihr Einsatz so wenig geschätzt wird. Wohl freuen sie sich auf die Zeit, wenn das Gericht ihnen den gerechten Lohn zuerkennen wird, und dies kann sie aufmuntern; doch inzwischen brauchen ihre Familien Nahrung und Kleidung. Wenn sie empfinden könnten, dass sie von ihrem göttlichen Auftrag entbunden sind, würden sie bereitwillig mit ihren Händen arbeiten. Aber sie sind sich bewusst, dass ihre Zeit Gott gehört - trotz der Kurzsichtigkeit derer, die sie ausreichend mit Geldmitteln versorgen sollten. Sie verschließen sich der Versuchung, eine Beschäftigung aufzunehmen, durch die sie bald ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten, und sie mühen sich weiter um das Voranbringen jener Sache, die ihnen wichtiger ist als das Leben selbst. Um dies zu tun, können sie jedoch genötigt werden, dem Beispiel des Paulus zu folgen und sich eine Zeit lang mit körperlicher Arbeit zu befassen, während sie ihren geistlichen Dienst weiter ausüben. Dies tun sie nicht, um ihre eigenen Interessen zu fördern, sondern für das Wohl der Sache Gottes auf der Erde. GNAT 266 1 Es gibt Zeiten, in denen es den Mitarbeitern des Herrn unmöglich erscheint, den notwendigen Dienst zu leisten, weil die Mittel fehlen, um ein starkes, beständiges Werk voranzutreiben. Manche befürchten, dass sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht all das tun können, was sie als ihre Pflicht ansehen. Wenn sie jedoch im Glauben voranschreiten, wird Gottes Hilfe sichtbar, und ihre Bemühungen werden erfolgreich sein. Derjenige, der seine Nachfolger beauftragt hat, hinzugehen in alle Welt, wird jeden Arbeiter ernähren, der im Gehorsam gegenüber dem göttlichen Befehl seine Botschaft zu verkündigen sucht. GNAT 266 2 Beim Aufbau seines Werkes ebnet der Herr für seine Mitarbeiter nicht immer den Weg. Manchmal stellt er das Vertrauen seines Diener auf die Probe und führt sie in Umstände, die sie zwingen, im Glauben voranzugehen. Oft führt er sie auf schmalen und anstrengenden Wegen und befiehlt ihnen weiterzugehen, während ihre Füße bereits mit den Fluten des Jordans in Berührung kommen. In solchen Situationen, wenn die Gebete seiner Diener in ernstem Glauben zu Gott emporsteigen, geschieht es, dass Gott den Weg vor ihnen frei macht und sie in einen weiten Raum hinausführt. GNAT 266 3 Wenn die Boten Gottes ihre Verantwortung gegenüber den notleidenden Bereichen im Weinberg des Herrn erkennen und gemäß dem Vorbild ihres großen Meisters unermüdlich für die Bekehrung von Menschen arbeiten, werden die Engel des Herrn vor ihnen den Weg bereiten, und die Mittel, die für die Fortführung des Werkes nötig sind, werden ihnen gegeben. Alle, die das Licht der Wahrheit empfangen haben, werden die Arbeit unterstützen, die auch um ihretwillen geschieht. Sie werden großzügig auf jeden Hilferuf reagieren, und der Geist Gottes wird ihr Herz berühren, damit sie die Sache des Herrn nicht nur in ihrem Umfeld, sondern auch darüber hinaus unterstützen. So werden diejenigen gestärkt, die an anderen Orten arbeiten, und das Werk des Herrn wird in den von ihm vorgesehenen Bahnen vorangehen. ------------------------Kapitel 34 -- Hingebungsvoller Dienst GNAT 267 0 2. Korinther 6,1-10; Kolosser 1,24-29 und 1. Timotheus 6,8-11.17-19. GNAT 267 1 Christus hat durch sein Leben und seine Lehren ein vollkommenes Beispiel selbstlosen Dienens gegeben, das seinen Ursprung in Gott hat. Gott lebt nicht für sich selbst. Durch die Erschaffung der Welt und die Erhaltung aller Dinge dient er beständig anderen. »Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.« (Matthäus 5,45) Dieses Ideal des Dienens hat der Vater seinem Sohn übergeben. Jesus hat den Auftrag erhalten, an der Spitze der Menschheit zu stehen und durch sein Beispiel zu lehren, was Dienen heißt. Sein ganzes Leben stand unter dem Gesetz des Dienens. Er diente und half allen. GNAT 267 2 Immer wieder hat Jesus versucht, dieses Prinzip bei seinen Jüngern zu verankern. Als Jakobus und Johannes ihn um eine bevorzugte Stellung baten, sagte er: »Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.« (Matthäus 20,26-28) GNAT 267 3 Seit seiner Himmelfahrt führte Christus sein Werk auf Erden durch auserwählte Mitarbeiter weiter. Durch sie spricht er zu den Menschen und sorgt für ihre Bedürfnisse. Das Oberhaupt der Gemeinde leitet sein Werk durch Menschen, die von Gott dazu berufen sind, als seine Vertreter zu handeln. Verantwortung Für Die Geschwister GNAT 267 4 Menschen, die von Gott dazu berufen sind, durch Verkündigung und Lehre seine Gemeinde aufzubauen, tragen eine große Verantwortung. An Christi Stelle sollen sie Männer und Frauen eindringlich bitten, sich mit Gott zu versöhnen. Ihren Auftrag können sie aber nur erfüllen, wenn sie Weisheit und Vollmacht von oben empfangen. GNAT 268 1 Die Beauftragten Christi sind geistliche Hüter für Menschen, die ihrer Fürsorge anvertraut sind. Ihre Tätigkeit gleicht der von Wächtern. In alten Zeiten wurden auf Stadtmauern oft Wachen aufgestellt, die von günstigen Aussichtspunkten aus wichtige Stellen überblicken konnten, die bewacht werden sollten. So waren sie in der Lage, vor dem Herannahen eines Feindes zu warnen. Die Sicherheit aller Bürger der Stadt hing von der Pflichttreue dieser Wächter ab. In bestimmten Zeitabständen mussten sie einander zurufen, um sicherzugehen, dass alle wach waren und niemandem etwas zugestoßen war. Der Zuruf zur Aufmunterung oder Warnung wurde von einem zum anderen weitergegeben, bis er die Runde um die ganze Stadt gemacht hatte. GNAT 268 2 Der Herr ruft jedem Pastor zu: »Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel. Wenn du etwas aus meinem Munde hörst, sollst du sie in meinem Namen warnen. Wenn ich nun zu dem Gottlosen sage: Du Gottloser musst des Todes sterben!, und du sagst ihm das nicht, um den Gottlosen vor seinem Wege zu warnen, so wird er, der Gottlose, um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Warnst du aber den Gottlosen vor seinem Wege, dass er von ihm umkehre, und er will von seinem Wege nicht umkehren, so wird er um seiner Sünde willen sterben, aber du hast dein Leben errettet.« (Hesekiel 33,7-9) GNAT 268 3 Diese Worte des Propheten zeigen die ernste Verantwortung derer, die zu Wächtern über die Gemeinde, zu Haushaltern der Geheimnisse Gottes bestimmt worden sind. Als Wächter auf den Mauern Zions müssen sie beim Herannahen des Feindes den Alarmruf erschallen lassen. Menschen laufen Gefahr, Versuchungen zu erliegen, und sie werden verloren gehen, wenn Gottes Diener ihrer Verantwortung nicht treu nachkommen. Ist das geistliche Empfindungsvermögen eines Wächters aus irgendeinem Grunde so betäubt, dass er Gefahren nicht erkennen kann, und kommen Menschen um, weil er sie nicht gewarnt hat, so wird Gott das Blut der Verlorenen von ihm fordern. GNAT 268 4 Für die Wächter auf den Mauern Zions ist es ein Vorrecht, in so enger Beziehung mit Gott zu leben und für die Prägung durch den Heiligen Geist so empfänglich sein zu dürfen. Durch sie warnt er Männer und Frauen vor den Gefahren, die ihnen drohen, und weist sie auf den Ort hin, an dem sie sicher sind. Beharrlich sollen sie Menschen vor den sicheren Folgen der Übertretung warnen, und gewissenhaft das Wohl der Gemeinde im Auge behalten. Zu keiner Zeit dürfen sie in ihrer Wachsamkeit nachlassen. Ihre Arbeit erfordert den Einsatz all ihrer Fähigkeiten. Ihre Stimmen sollen wie der laute Klang einer Posaune tönen, und nie sollen sie auch nur einen schwankenden, undeutlichen Ton erzeugen. Nicht für den Lohn sollen sie arbeiten, sondern weil sie nicht anders können und ihnen klar ist, dass ein »Wehe!« auf ihnen liegt, wenn sie das Evangelium nicht verkünden. Von Gott erwählt und durch das Blut Christi erkauft, sollen sie Männer und Frauen vor dem bevorstehenden Untergang bewahren. Die Verbindung Mit Gott Ist Entscheidend GNAT 269 1 Der Geistliche, der ein Mitarbeiter Christi ist, wird ein tiefes Verständnis für die Heiligkeit seines Auftrags haben und für die Mühe und Aufopferung, die nötig ist, um ihn erfolgreich auszuführen. Er hat nicht seine eigene Behaglichkeit und Bequemlichkeit im Sinn. Er stellt sich nicht in den Mittelpunkt. Bei seiner Suche nach dem verlorenen Schaf achtet er nicht darauf, ob er selbst müde und hungrig ist oder ob es kalt wird. Er hat nur ein Ziel vor Augen: die Rettung der Verlorenen. GNAT 269 2 Wer unter dem blutgetränkten Banner Christi dient, wird sich vor Aufgaben gestellt sehen, die heldenhafte Anstrengungen und geduldiges Ausharren verlangen. Doch der Kämpfer für das Kreuz steht unverzagt an vorderster Front. Wenn der Feind ihn bestürmt, wendet er sich um Hilfe an seine feste Burg. Indem er sich auf die Worte der Verheißungen seines Herrn beruft, erhält er Kraft für die Pflichten der Stunde. Er ist sich bewusst, dass er Stärke von oben benötigt. Die Siege, die er erringt, führen ihn nicht zur Selbstverherrlichung, sondern veranlassen ihn, sich immer mehr auf den Allmächtigen zu stützen. Indem er sich auf dessen Macht verlässt, wird er befähigt, die Botschaft der Erlösung so überzeugend darzustellen, dass sie im Herzen anderer Menschen Widerhall findet. GNAT 269 3 Wer das Wort Gottes lehrt, muss selbst durch Gebet und Studium des Wortes Gottes in bewusster, beständiger Gemeinschaft mit Gott leben. Hierin liegt die Quelle seiner Stärke. Durch die Gemeinschaft mit Gott wird dem Mitarbeiter bei seinem Einsatz eine Macht zuteil, die größer ist als die Wirkung seiner Verkündigung. Er kann es sich nicht leisten, auf diese Macht zu verzichten. Mit anhaltender Ernsthaftigkeit muss er Gott bitten, ihn für die Pflichterfüllung und für Anfechtungen zu stärken und ihm Festigkeit zu verleihen und seine Lippen mit glühender Kohle zu berühren (vgl. Jesaja 6,6.7). Christi Botschafter klammern sich oft viel zu wenig an die ewigen Dinge. Wenn Menschen mit Gott wandeln wollen, wird er ihnen wie in einer Felsenkluft Schutz bieten; so geborgen, können sie Gott sehen, genauso wie Mose ihn sah (vgl. 2. Mose 33,18-23). Durch die Vollmacht und das Licht, das er verleiht, können sie mehr verstehen und mehr vollbringen, als sie mit ihrem begrenzten Urteilsvermögen für möglich halten. GNAT 270 1 Bei Niedergeschlagenen erzielt Satan mit seiner Listigkeit den größten Erfolg. Ein Geistlicher, der in der Gefahr steht, den Mut zu verlieren, soll seine Nöte Gott unterbreiten. Wenn Paulus bemerkte, dass sich schwarze Wolken am Himmel auftürmten, setzte er mehr Vertrauen auf Gott. Mehr als die meisten Menschen wusste er, was Anfechtungen wirklich bedeuten. Hören wir seinen Siegesruf, als Versuchungen und Konflikte ihn umlagerten und er seinen Blick himmelwärts richtete: »Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.« (2. Korinther 4,17.18) Paulus konzentrierte sich stets auf das Unsichtbare und Ewige. Weil er wusste, dass er gegen übernatürliche Mächte kämpfte, setzte er sein Vertrauen ganz auf Gott, und darin lag seine Vollmacht. Stärke und Kraft erhält, wer den Unsichtbaren sieht. Auf diese Weise wird der Einfluss der Welt auf den Verstand und den Charakter gebrochen. Kontakt Zu Den Menschen Pflegen GNAT 270 2 Ein Pastor sollte regelmäßigen Kontakt zu den Leuten pflegen, für die er arbeitet. Wenn er mit ihnen vertraut wird, kann er wissen, wie er seine Verkündigung ihren Bedürfnissen anpassen kann. Nachdem er eine Predigt gehalten hat, beginnt die eigentliche Arbeit. Persönlicher Einsatz ist nun gefragt. Er sollte die Menschen in ihren Heimen aufsuchen, mit ihnen in aller Ernsthaftigkeit und Demut sprechen und beten. Es gibt Familien, die nie durch die Wahrheit des Wortes erreicht werden, es sei denn, die Diener Gottes betreten ihr Zuhause und weisen ihnen den Weg zum Himmel. Aber die Herzen jener, die diese Arbeit tun, müssen im Einklang mit dem Herzen Christi schlagen. GNAT 270 3 Das Gebot »Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde« (Lukas 14,23), schließt vieles ein. Gottes Mitarbeiter sollen die Wahrheit in Familien verkündigen und denen nahe kommen, für die sie wirken. Indem sie so mit Gott zusammenarbeiten, wird er sie mit geistlicher Vollmacht ausstatten. Christus wird sie in ihrer Arbeit leiten und ihnen Worte in den Mund legen, die tief in die Herzen der Zuhörer eindringen. Jeder Geistliche sollte mit Paulus sagen können: »Ich habe nicht unterlassen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.« »Ich habe euch nichts vorenthalten, was nützlich ist, dass ich's euch nicht verkündigt und gelehrt hätte, öffentlich und in den Häusern, und habe ... bezeugt die Umkehr zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesus.« (Apostelgeschichte 20,27.20.21) Ungeteilter einsatz GNAT 271 1 Der Erlöser ging von Haus zu Haus, heilte Kranke, tröstete Traurige, half Leidenden und richtete Niedergeschlagene auf. Er nahm die kleinen Kinder in seine Arme und segnete sie und sprach Worte der Hoffnung und des Trostes an ihre erschöpften Mütter. In nie versiegender Liebe und Zärtlichkeit begegnete er jedem menschlichen Kummer und Leid. Er arbeitete für andere, nicht für sich selbst. Er war der Diener aller. Es war ihm ein innerstes Bedürfnis, all denen Hoffnung und Stärke zu vermitteln, die ihm begegneten. Wenn Männer und Frauen die Wahrheit aus seinem Mund hörten, die sich so grundlegend von den Überlieferungen und Glaubenslehren der Rabbiner unterschieden, erwachte in ihren Herzen Hoffnung. Der tiefe Ernst seiner Lehren verlieh seinen Worten eine Kraft, die alle Sünden aufdeckte. GNAT 271 2 Diener Gottes müssen Christi Arbeitsmethoden lernen, um mit seinem Wort die geistlichen Bedürfnisse derer zu erfüllen, für die sie arbeiten. Nur so können sie ihrer Aufgabe gerecht werden. Derselbe Geist, der in Christus wohnte, als er die Menschen lehrte, soll auch die beständige Quelle ihres Wissens und das Geheimnis ihrer Vollmacht sein. Dadurch werden sie befähigt, das Werk des Erlösers in der Welt fortzuführen. Ungeteilter dienst GNAT 271 3 Manche, die im geistlichen Dienst tätig waren, sind erfolglos geblieben, weil sie dem Werk des Herrn nicht ihre ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt haben. Pastoren sollten neben ihrer Aufgabe, Menschen zum Erlöser zu führen, keine Interessen verfolgen, die sie stark in Anspruch nehmen. Die Fischer, die Christus rief, verließen umgehend ihre Netze und folgten ihm nach. Geistliche können keine annehmbare Arbeit für Gott tun und zugleich die Last großer privater Geschäftsunternehmen tragen, ohne dass ihre geistliche Wahrnehmung getrübt wird. Verstand und Herz sind mit irdischen Dingen beschäftigt, und der Dienst für Christus nimmt einen untergeordneten Platz ein. Sie versuchen, ihre Arbeit für Gott den Umständen anzupassen, anstatt die Umstände so zu gestalten, dass sie Gottes Anforderungen entsprechen. GNAT 271 4 Ein Mitarbeiter Gottes benötigt seine ganze Energie, um seiner hohen Berufung gerecht zu werden. Seine besten Kräfte gehören Gott. Er sollte sich nicht auf Spekulationsgeschäfte oder andere Unternehmungen einlassen, die ihn von der Erfüllung seiner großen Aufgabe abhalten würden. »Wer in den Krieg zieht«, erklärte Paulus, »verwickelt sich nicht in Geschäfte des täglichen Lebens, damit er dem gefalle, der ihn angeworben hat.« (2. Timotheus 2,4) Damit betonte der Apostel, wie notwendig es für einen Geistlichen ist, sich rückhaltlos seinem Meister zur Verfügung zu stellen. Ein Pastor, der sich vollkommen Gott weiht, lehnt Geschäftstätigkeiten ab, die ihn davon abhalten, sich ganz seiner heiligen Berufung zu widmen. Er strebt nicht nach irdischen Ehren oder Reichtum. Seine einzige Absicht ist es, anderen von dem Erlöser zu erzählen, der sich selbst dahingegeben hat, um den Menschen die Reichtümer des ewigen Lebens zu bringen. Sein größter Wunsch ist nicht, in dieser Welt Schätze anzuhäufen, sondern die Gleichgültigen und Untreuen auf ewige Wahrheiten aufmerksam zu machen. Er mag aufgefordert werden, sich an Unternehmungen zu beteiligen, die reichen finanziellen Gewinn versprechen; aber solchen Versuchungen hält er die Antwort entgegen: »Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden?« (Markus 8,36) GNAT 272 1 Mit einem ähnlich verlockenden Angebot trat Satan an Christus heran. Er wusste: Wäre Jesus darauf eingegangen, hätte die Welt nie gerettet werden können. Auch heute bietet er Gottes Dienern in unterschiedlicher Form dieselbe Versuchung an, weil er weiß, dass diejenigen, die ihr erliegen, ihrem Auftrag untreu werden. GNAT 272 2 Gott will nicht, dass seine Mitarbeiter sich darum bemühen, reich zu werden. Diesbezüglich schrieb Paulus an Timotheus: »Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet, und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen. Aber du, Gottesmensch, fliehe das! Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut!« (1. Timotheus 6,10.11) Durch sein eigenes Beispiel und durch klare Anweisung soll der Botschafter Christi »den Reichen in dieser Welt gebieten, dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, sich selbst einen Schatz sammeln als guten Grund für die Zukunft, damit sie das wahre Leben ergreifen« (1. Timotheus 6,17-19). Das Beispiel Von Paulus GNAT 272 3 Die Erfahrungen des Apostels Paulus und seine Anleitungen für die segensreiche Arbeit eines Geistlichen sind Quellen der Hilfe und der Inspiration für alle, die im Evangeliumsdienst stehen. Das Herz des Apostels brannte vor Liebe zu den Sündern. Um Menschen das Erlösungsangebot Christi zu bringen, setzte er all seine Energie ein. Kein Mitarbeiter im Werk Gottes war je so selbstlos und ausdauernd. Jede Segnung, die er selbst erfahren hatte, nutzte er als eine Möglichkeit, andere zu segnen. Keine Gelegenheit ließ er aus, vom Erlöser zu erzählen oder den Hilfsbedürftigen beizustehen. Er zog von Ort zu Ort, verkündete das Evangelium und gründete Gemeinden. Wo immer er Gehör fand, versuchte er, Unrecht zu beseitigen und Männer und Frauen auf den Weg der Rechtschaffenheit zu führen. GNAT 273 1 Paulus vergaß die Gemeinden nicht, die er gegründet hatte. Nach einer Missionsreise kehrten er und Barnabas jeweils auf demselben Weg zurück. Sie besuchten erneut die Gemeinden, die sie ins Leben gerufen hatten, und erwählten aus ihnen Männer, die sie zur Mitarbeit bei der Verkündigung des Evangeliums ausbilden konnten. GNAT 273 2 Dieser Aspekt der paulinischen Arbeitsweise enthält eine wichtige Lehre für heutige Prediger. Der Apostel machte es zum Bestandteil seines Dienstes, junge Leute für das Predigtamt auszubilden. Er nahm sie auf seine Missionsreisen mit, sodass sie eine Erfahrung gewannen, die sie später befähigte, verantwortliche Positionen zu übernehmen. War er dann wieder von ihnen getrennt, blieb er dennoch weiter in Verbindung mit ihrer Arbeit. Seine Briefe an Timotheus und Titus belegen, wie sehr er sich danach sehnte, dass auch sie Erfolg haben würden. GNAT 273 3 Erfahrene Mitarbeiter Christi vollbringen heutzutage ein edles Werk, wenn sie nicht versuchen, alle Lasten selbst zu tragen, sondern jüngere Mitarbeiter ausbilden und ihnen Verantwortung übertragen. GNAT 273 4 Paulus vergaß die Verantwortung nie, die auf ihm als einem Diener Christi ruhte. Sollten Menschen aufgrund von Untreue seinerseits verloren gehen, würde Gott von ihm Rechenschaft fordern. »Ihr Diener bin ich geworden durch das Amt, das Gott mir gegeben hat, dass ich euch sein Wort reichlich predigen soll, nämlich das Geheimnis, das verborgen war seit ewigen Zeiten und Geschlechtern, nun aber ist es offenbart seinen Heiligen, denen Gott kundtun wollte, was der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. Den verkündigen wir und ermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen in aller Weisheit, damit wir einen jeden Menschen in Christus vollkommen machen. Dafür mühe ich mich auch ab und ringe in der Kraft dessen, der in mir kräftig wirkt.« (Kolosser 1,25-29) GNAT 273 5 Diese Worte stecken dem Mitarbeiter Christi ein hohes Ziel; und dieses Ziel kann jeder erreichen, der sich unter die Herrschaft des großen Meisters stellt und täglich in dessen Schule lernt. Gottes Macht ist unbegrenzt, und der Prediger, der sich in seiner großen Not ganz auf den Herrn verlässt, darf sicher sein, dass er von ihm das erhält, was seinen Zuhörern den Weg zum ewigen Leben weist. GNAT 274 1 Paulus zeigt in seinen Schriften, dass der Verkündiger des Evangeliums die Wahrheiten, die er lehrt, selbst ausleben sollte: »Wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde.« Im Brief an die Korinther hat er uns ein Bild von seinem eigenen Dienst hinterlassen: »In allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen.« (2. Korinther 6,3-10) GNAT 274 2 An Titus schrieb er: »Desgleichen ermahne die jungen Männer, dass sie besonnen seien in allen Dingen. Dich selbst aber mache zum Vorbild guter Werke, mit unverfälschter Lehre, mit Ehrbarkeit, mit heilsamem und untadeligem Wort, damit der Widersacher beschämt werde und nichts Böses habe, das er uns nachsagen kann.« (Titus 2,6-8) Mitarbeiter Gottes GNAT 274 3 In den Augen Gottes gibt es nichts Wertvolleres als seine Prediger, die in unbetretenen Gegenden der Welt die Saat der Wahrheit ausstreuen. Niemand als Christus allein kann die Sorge dieser Mitarbeiter ermessen, die nach den Verlorenen suchen. Gott verleiht ihnen seinen Geist, und durch ihre Bemühungen werden Sünder veranlasst, von der Sünde zur Rechtschaffenheit umzukehren. GNAT 274 4 Gott ruft Männer, die bereit sind, ihr Zuhause, ihre Geschäfte, wenn nötig ihre Familien zu verlassen, um seine Missionare zu werden. Die Antwort auf diesen Ruf bleibt nicht aus. In der Vergangenheit wurden oft Männer von der Liebe Christi und der Not der Verlorenen getrieben, die Annehmlichkeiten ihrer Heime und ihre Freunde, ja selbst Frau und Kinder zu verlassen, um in wenig zivilisierten Ländern die Rettungsbotschaft zu verkündigen. Viele haben dabei ihr Leben verloren, aber andere wurden erweckt, um das Werk fortzuführen. So ist das Werk Christi Schritt für Schritt vorangegangen, und die Saat, die mit Kummer ausgestreut worden war, hat eine reiche Ernte hervorgebracht. Das Wissen um Gott wurde weit verbreitet und das Banner des Kreuzes in heidnischen Ländern aufgerichtet. GNAT 275 1 Selbst für die Bekehrung eines einzigen Sünders sollte sich ein Geistlicher bis zum Äußersten einsetzen. Jeder Mensch - von Gott geschaffen und durch Christus erlöst - ist von höchstem Wert: Er bekommt neue Möglichkeiten zur Entfaltung, es werden ihm geistliche Vorteile geschenkt, seine Fähigkeiten werden durch das Wort Gottes neu belebt und das Evangelium gibt ihm die Hoffnung auf ewiges Leben. Wenn Christus die 99 Schafe verließ, um das eine verlorene zu suchen, haben wir dann das Recht, weniger zu tun? Ist es nicht eine Beleidigung Gottes und ein Verrat an seinem heiligen Auftrag, wenn wir nicht ebenso arbeiten wie Christus und uns so aufopfern, wie er es tat? GNAT 275 2 Das Herz des wahren Dieners Gottes ist von einem tiefen Verlangen erfüllt, Menschen zu retten. Er opfert seine Zeit und schont seine Kräfte nicht. Keine noch so mühevolle Anstrengung ist ihm zu viel, denn andere müssen die Wahrheiten erfahren, die ihm selbst so viel Freude und Frieden gebracht haben. Der Geist Christi ruht auf ihm. Er hält Ausschau nach verlorenen Menschen wie jemand, der Rechenschaft ablegen muss. Er arbeitet für Gott, während er seinen Blick auf das Kreuz von Golgatha richtet, auf den erhöhten Erlöser. Er verlässt sich auf Christi Gnade und glaubt, dass der Herr als sein Schild, seine Stärke und Kraft bis zum Ende bei ihm sein wird. Er versucht, Menschen für Christus zu gewinnen, indem er sie einlädt und sie anfleht und ihnen versichert, dass Gott sie liebt. Im Himmel wird er zu den »Berufenen und Auserwählten und Gläubigen« gezählt (Offenbarung 17,14). ------------------------Kapitel 35 -- Erlösung Für Die Juden GNAT 276 0 Römer 1,13-17 und 9 bis 11. GNAT 276 1 Nach vielen unvermeidlichen Verzögerungen erreichte Paulus schließlich Korinth, den Ort vieler Mühen in der Vergangenheit, der ihm zeitweilig ernste Sorgen bereitet hatte. Er stellte fest, dass viele der ersten Gläubigen ihn immer noch mit Zuneigung als den achteten, der ihnen als Erster die frohe Botschaft der Erlösung gebracht hatte. Als er diese Christen begrüßte und die Beweise ihrer Treue und ihres Eifers sah, freute er sich, dass sein Wirken in Korinth nicht vergeblich gewesen war. GNAT 276 2 Die korinthischen Gläubigen, die einst ihre hohe Berufung in Christus aus den Augen zu verlieren drohten, hatten christliche Charakterstärke entwickelt. Ihre Worte und Taten offenbarten die umwandelnde Macht der Gnade Gottes, und nun waren sie in diesem Zentrum des Heidentums und des Aberglaubens eine starke Macht zum Guten. In der Gemeinschaft mit seinen geliebten Mitarbeitern und diesen treuen Bekehrten fand der Apostel Ruhe für seine erschöpfte und beunruhigte Seele. GNAT 276 3 Während seines Aufenthalts in Korinth nahm sich Paulus auch Zeit, sich auf neue, größere Aufgabenfelder einzustellen. Er beschäftigte sich vor allem mit einer Reise nach Rom. Besonders wünschte er sich mitzuerleben, dass der christliche Glaube im bedeutendsten Zentrum der damals bekannten Welt fest etabliert wurde. In Rom war bereits eine Gemeinde gegründet worden, und dem Apostel ging es darum, die dortigen Gläubigen zur Mitarbeit an dem Werk zu gewinnen, das in Italien und in anderen Ländern getan werden sollte. Um sein Wirken unter diesen Glaubensgeschwistern vorzubereiten, von denen viele für ihn noch fremd waren, sandte er ihnen einen Brief. Darin kündigte er seine Absicht an, Rom zu besuchen, und gab zugleich seiner Hoffnung Ausdruck, das Banner des Kreuzes auch in Spanien aufzurichten (vgl. Römer 15,22-24). Eine Botschaft Für Juden Und Heiden GNAT 277 1 In seinem Brief an die Christen in Rom erläuterte Paulus die großartigen Grundsätze des Evangeliums. Er bezog deutlich Position in Fragen, die sowohl die judenchristlichen als auch die heidenchristlichen Gemeinden bewegten. Auch zeigte er, dass die Hoffnungen und Verheißungen, die einst besonders den Juden gegolten hatten, nun auch den Heiden angeboten wurden. GNAT 277 2 Sehr deutlich und nachdrücklich stellte der Apostel die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben an Christus dar (vgl. Römer 3-5). Er hoffte, auch anderen Gemeinden durch die Unterweisungen, die er an die Christen nach Rom gesandt hatte, helfen zu können. Wie wenig konnte er jedoch die weitreichende Wirkung seiner Worte voraussehen! Seit damals und durch alle Zeitalter hindurch hat die großartige Wahrheit von der Rechtfertigung durch den Glauben wie ein starkes Leuchtfeuer reuige Sünder auf den Weg des Lebens hingewiesen. Dieses Licht hat die Finsternis vertrieben, von der Martin Luther in seinem Denken umgeben war. Es hat ihm die Macht des Blutes Christi offenbart, den Menschen von der Sünde zu reinigen. Dasselbe Licht hat schon Tausende sündenbeladener Menschen zur wahren Quelle der Vergebung und des Friedens geführt. Jeder Christ hat Anlass, Gott für den Brief an die Gemeinde in Rom zu danken. Paulus1 Sorge Um Die Juden GNAT 277 3 In diesem Brief äußerte sich Paulus offen über die Last, die er für die Juden in seinem Herzen verspürte. Seit seiner Bekehrung hatte er sehnlichst gehofft, seinen jüdischen Geschwistern zu einem klaren Verständnis der Evangeliumsbotschaft zu verhelfen. »Meines Herzens Wunsch ist«, so erklärte er, »und ich flehe auch zu Gott für sie, dass sie gerettet werden.« (Römer 10,1) GNAT 277 4 Was der Apostel empfand, war kein gewöhnlicher Wunsch. Beständig flehte er zu Gott, den Israeliten die Augen zu öffnen, die in Jesus von Nazareth nicht den verheißenen Messias erkannt hatten. »Ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht«, versicherte er den Gläubigen in Rom, »wie mir mein Gewissen bezeugt im Heiligen Geist, dass ich große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlass in meinem Herzen habe. Ich selber wünschte, verflucht und von Christus getrennt zu sein für meine Brüder, die meine Stammverwandten sind nach dem Fleisch, die Israeliten sind, denen die Kindschaft gehört und die Herrlichkeit und die Bundesschlüsse und das Gesetz und der Gottesdienst und die Verheißungen, denen auch die Väter gehören, und aus denen Christus herkommt nach dem Fleisch, der da ist Gott über alles, gelobt in Ewigkeit.« (Römer 9,1-5) GNAT 278 1 Die Israeliten waren Gottes auserwähltes Volk, durch das er die ganze Menschheit hatte segnen wollen. Aus ihren Reihen hatte Gott viele Propheten erweckt. Sie hatten das Kommen eines Erlösers vorhergesagt, der von denen verworfen und getötet werden würde, die in ihm als Erste den Verheißenen hätten erkennen können. GNAT 278 2 Jesaja wurde in einer Vision über die späteren Jahrhunderte gezeigt, dass ein Prophet nach dem anderen und schließlich auch der Sohn Gottes abgelehnt und missachtet werden würde. Dann erhielt er den Auftrag niederzuschreiben, dass der Erlöser von denen angenommen werden würde, die nie zuvor zu den Kindern Israel gezählt worden waren. Paulus bezog sich auf diese Weissagung, als er erklärte: »Jesaja aber wagt zu sagen: ›Ich ließ mich finden von denen, die mich nicht suchten, und erschien denen, die nicht nach mir fragten.‹ Zu Israel aber spricht er: ›Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt nach dem Volk, das sich nichts sagen lässt und widerspricht.‹« (Römer 10,20.21; Jesaja 65,1.2) GNAT 278 3 Die Übrigen Von Israel GNAT 278 4 Obwohl Israel den Sohn Gottes abgelehnt hatte, wandte sich Gott doch nicht von seinem Volk ab. Hören wir, wie Paulus in seiner Argumentation fortfuhr: »So frage ich nun: Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne! Denn ich bin auch ein Israelit, vom Geschlecht Abrahams, aus dem Stamm Benjamin. Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erwählt hat. Oder wisst ihr nicht, was die Schrift sagt von Elia, wie er vor Gott tritt gegen Israel und spricht): ›Herr, sie haben deine Propheten getötet und haben deine Altäre zerbrochen, und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten mir nach dem Leben.‹ Aber was sagt ihm die göttliche Antwort?: ›Ich habe mir übrig gelassen siebentausend Mann, die ihre Knie nicht gebeugt haben vor dem Baal.‹ So geht es auch jetzt zu dieser Zeit, dass einige übrig geblieben sind nach der Wahl der Gnade.« (Römer 11,1-5, vgl. 1. Könige 19,10.18) GNAT 278 5 Israel war zwar gestolpert und gefallen, doch dies hat ihm nicht die Möglichkeit genommen, wieder aufzustehen. Auf die Frage »Sind sie gestrauchelt, damit sie fallen?«, antwortete der Apostel: »Das sei ferne! Sondern durch ihren Fall ist den Heiden das Heil widerfahren, damit Israel ihnen nacheifern sollte. Wenn aber schon ihr Fall Reichtum für die Welt ist und ihr Schade Reichtum für die Heiden, wie viel mehr wird es Reichtum sein, wenn ihre Zahl voll wird. Euch Heiden aber sage ich: Weil ich Apostel der Heiden bin, preise ich mein Amt, ob ich vielleicht meine Stammverwandten zum Nacheifern reizen und einige von ihnen retten könnte. Denn wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was wird ihre Annahme anderes sein als Leben aus den Toten!« (Römer 11,11-15) GNAT 279 1 Gottes Absicht war es, seine Gnade sowohl unter den Nichtjuden als auch unter den Juden zu offenbaren. Dies hatten die Prophezeiungen des Alten Testaments klar umrissen. In seiner Beweisführung griff der Apostel auf einige dieser Weissagungen zurück. »Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?«, fragte er. »Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren, damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit. Dazu hat er uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden. Wie er denn auch durch Hosea spricht : ›Ich will das mein Volk nennen, das nicht mein Volk war, und meine Geliebte, die nicht meine Geliebte war.‹ ›Und es soll geschehen: Anstatt dass zu ihnen gesagt wurde: Ihr seid nicht mein Volk, sollen sie Kinder des lebendigen Gottes genannt werden.‹« (Römer 9,21-26, vgl. Hosea 2,25; 2,1) GNAT 279 2 Auch wenn Israel als Nation versagt hatte, sollte doch eine stattliche Menge daraus gerettet werden. Zur Zeit der Geburt des Erlösers gab es fromme Männer und Frauen, die mit Freude die Botschaft Johannes des Täufers aufgenommen hatten und dadurch veranlasst worden waren, die Prophezeiungen auf den Messias neu zu durchforschen. Als dann die erste Christengemeinde gegründet wurde, setzte sie sich aus diesen treuen Juden zusammen, die Jesus von Nazareth als den aufnahmen, auf dessen Erscheinen sie sehnlichst gewartet hatten. Auf diese Übriggebliebenen bezog sich Paulus, als er schrieb: »Ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so ist auch der ganze Teig heilig; und wenn die Wurzel heilig ist, so sind auch die Zweige heilig.« (Römer 11,16) GNAT 279 3 Paulus verglich die Übrigen in Israel mit einem edlen Olivenbaum, aus dem einige Zweige ausgebrochen wurden. Die Heiden verglich er mit den Zweigen eines wilden Olivenbaums, die in den edlen eingepfropft wurden. »Wenn aber nun«, so schreibt er an die Heidenchristen, »einige von den Zweigen ausgebrochen wurden und du, der du ein wilder Ölzweig warst, in den Ölbaum eingepfropft worden bist und teilbekommen hast an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums, so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich. Nun sprichst du: Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde. Ganz recht! Sie wurden ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du aber stehst fest durch den Glauben. Sei nicht stolz, sondern fürchte dich! Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, wird er dich doch wohl auch nicht verschonen. Darum sieh die Güte und den Ernst Gottes: den Ernst gegenüber denen, die gefallen sind, die Güte Gottes aber dir gegenüber, sofern du bei seiner Güte bleibst; sonst wirst du auch abgehauen werden« (Römer 11,17-22). GNAT 280 1 Israel als Nation hatte durch seinen Unglauben und seine Ablehnung der Absichten Gottes die Verbindung zu Gott verloren. Aber die Zweige, die vom Wurzelstock getrennt worden waren, konnte Gott mit dem wahren Wurzelstock Israels wieder vereinigen - den Übrigen, die dem Gott ihrer Väter treu geblieben waren. »Jene aber«, erklärte der Apostel im Blick auf diese ausgebrochenen Zweige, »sofern sie nicht im Unglauben bleiben, werden eingepfropft werden; denn Gott kann sie wieder einpfropfen.« (Römer 11,23) Gottes segen Für Alle, Die Glauben GNAT 280 2 Den Heidenchristen aber schrieb er: »Denn wenn du aus dem wilden Ölbaum, dem du von Natur aus zugehörst, herausgeschnitten und gegen die Natur dem edlen Ölbaum eingepfropft wurdest, dann werden diese ursprünglichen Zweige dem eigenen Ölbaum erst recht wieder eingepfropft werden. Liebe Brüder und Schwestern, ich will euch dieses Geheimnis nicht vorenthalten, damit ihr nicht auf eigene Einsicht baut: Verstocktheit hat sich auf einen Teil Israels gelegt - bis dass sich die Völker in voller Zahl eingefunden haben. Und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: Kommen wird aus Zion der Retter, abwenden wird er von Jakob alle Gottlosigkeit [Jesaja 59,20]. Und dies wird der Bund sein, den ich mit ihnen schließe, wenn ich ihre Sünden hinweggenommen habe [vgl. Jeremia 31,31-34]. Im Sinne des Evangeliums sind sie Feinde, um euretwillen, im Sinne der Erwählung aber Geliebte, um der Väter willen. Denn unwiderrufbar sind die Gaben Gottes und die Berufung. Wie ihr nämlich Gott einst ungehorsam wart, jetzt aber durch ihren Ungehorsam Barmherzigkeit erlangt habt, so sind sie jetzt ungehorsam geworden durch die Barmherzigkeit, die euch widerfuhr - damit auch sie jetzt Barmherzigkeit finden. Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen. O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege! Denn ›wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?‹ [Jesaja 40,13] ›Wer hat ihm etwas geliehen, und es müsste ihm von Gott zurückgegeben werden?‹ [Hiob 41,3] Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist alles. Ihm sei Ehre in Ewigkeit, Amen!« (Römer 11,24-36 ZÜ) GNAT 281 1 Auf diese Weise zeigte Paulus, dass Gott souverän die Herzen von Juden und Heiden gleicherweise verwandeln und jedem, der an Christus glaubt, die Segnungen gewähren kann, die er Israel verheißen hatte. Er wiederholte, was Jesaja über Gottes Volk ausgesagt hatte: »›Wenn die Zahl der Israeliten wäre wie der Sand am Meer, so wird doch nur ein Rest gerettet werden; denn der Herr wird sein Wort, indem er vollendet und scheidet, ausrichten auf Erden.‹ [Jesaja 10,22-23] Und wie Jesaja vorausgesagt hat: ›Wenn uns nicht der Herr Zebaoth Nachkommen übrig gelassen hätte, so wären wir wie Sodom geworden und wie Gomorra.‹ [Jesaja 1,9]« (Römer 9,27-29) GNAT 281 2 Nachdem Jerusalem und der Tempel zerstört worden waren, wurden Tausende Juden als Leibeigene in heidnische Länder verkauft. Wie Wrackteile eines gestrandeten Schiffes an einer verlassenen Küste wurden sie unter die Völker zerstreut. Über 1800 Jahre lang sind Juden überall auf der Welt von Land zu Land gezogen, und nirgendwo hat man ihnen gestattet, ihre frühere Stellung als Nation wiederzuerlangen. Jahrhundertelang hat man sie verleumdet, gehasst, verfolgt. Leiden war ihr Schicksal. GNAT 281 3 Trotz des schrecklichen Geschicks, das über die Juden als Nation verhängt wurde, als sie Jesus von Nazareth ablehnten, haben zu allen Zeiten viele edle, gottesfürchtige jüdische Männer und Frauen gelebt, die still gelitten haben. Gott hat ihr Herz im Leid getröstet und mit Erbarmen auf ihre schlimme Situation geachtet. Er hat die flehentlichen Gebete jener gehört, die ihn von ganzem Herzen suchten, um sein Wort recht zu verstehen. Einige haben gelernt, in dem demütigen Mann aus Nazareth, den ihre Vorväter abgelehnt und ans Kreuz geschlagen hatten, den wahren Messias Israels zu sehen. Wenn sie dann die Bedeutung der ihnen vertrauten Prophezeiungen erfasst hatten, die durch Tradition und falsche Auslegung so lange Zeit verdunkelt worden waren, erfüllte Dankbarkeit ihre Herzen. Sie priesen Gott für die unbeschreiblich kostbare Gabe, die er jedem Menschen verleiht, der sich entschließt, Christus als persönlichen Erlöser anzunehmen. Auf diesen Teil des Volkes bezog sich Jesaja in seiner Vision mit den Worten: »So soll doch nur ein Rest in ihm bekehrt werden.« (Jesaja 10,22) Einladung An Alle Juden GNAT 281 4 Von den Tagen des Paulus bis heute ist Gott durch seinen Heiligen Geist den Juden und auch den Heiden nachgegangen. »Es ist kein Ansehen der Person vor Gott« (Römer 2,11), erklärte Paulus, der sich sowohl als »Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen« als auch der Juden bezeichnete (Römer 1,14). Nie aber verlor er das unzweifelhafte Vorrecht aus den Augen, das die Juden vor anderen Völkern besaßen: »Zum Ersten: ihnen ist anvertraut, was Gott geredet hat.« (Römer 3,2) Das Evangelium nannte er »eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: ›Der Gerechte wird aus Glauben leben.‹« (Römer 1,16b.17; vgl. Habakuk 2,4) Und von diesem Evangelium Christi, das sowohl für Juden als auch für Heiden wirksam ist, schrieb Paulus in seinem Brief an die Römer, dass er sich dafür nicht schäme (Römer 1,16a). GNAT 282 1 Wenn dieses Evangelium in seiner ganzen Fülle den Juden vorgelegt wird, dann werden viele von ihnen Christus als den Messias annehmen. Unter den christlichen Geistlichen gibt es nur wenige, die sich berufen fühlen, sich für die jüdischen Menschen einzusetzen. Doch muss die Botschaft der Gnade und Hoffnung in Christus ihnen, die oft übergangen worden sind, gerade so wie allen anderen verkündigt werden. GNAT 282 2 Wenn zum Abschluss der Evangeliumsverkündigung besondere Anstrengungen für bislang vernachlässigte Menschengruppen unternommen werden sollen, erwartet Gott, dass seine Botschafter sich speziell um die jüdischen Menschen kümmern, die sie in allen Teilen der Erde finden. Wenn in einer Zusammenschau der Schriften des Alten und Neuen Testaments Gottes Erlösungswerk erläutert wird, werden viele Juden diese Darlegung wie die Morgendämmerung einer neuen Schöpfung empfinden. Wenn sie erkennen, dass der Christus des Evangeliums auf den Seiten des Alten Testaments vorgezeichnet ist und wie klar das Neue Testament das Alte erklärt, dann werden ihre schlummernden Fähigkeiten erweckt, und sie werden Christus als den Retter der Welt anerkennen. Viele werden durch den Glauben Christus als ihren Erlöser annehmen. Für sie werden sich die Worte erfüllen: »Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.« (Johannes 1,12) GNAT 282 3 Unter den Juden gibt es einige, die sich wie Saulus von Tarsus in der Heiligen Schrift sehr gut auskennen. Diese werden mit großer Macht die Unveränderlichkeit des göttlichen Gesetzes verkündigen. Der Gott Israels wird dies in unseren Tagen zustande bringen. »Des Herrn Arm ist nicht zu kurz, dass er nicht helfen könnte.« (Jesaja 59,1) Wenn seine Botschafter im Glauben für Menschen arbeiten, die lange vernachlässigt und verachtet worden sind, wird Gottes Erlösung offenbar werden. GNAT 282 4 »Darum spricht der Herr, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen. Denn wenn sie sehen werden die Werke meiner Hände - seine Kinder - in ihrer Mitte, werden sie meinen Namen heiligen; sie werden den Heiligen Jakobs heiligen und den Gott Israels fürchten. Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.« (Jesaja 29,22-24) ------------------------Kapitel 36 -- Abfall In Galatien GNAT 284 0 Galater 1,1-12 und 3,1-5. GNAT 284 1 Während Paulus sich in Korinth aufhielt, hatte er Grund zu ernster Sorge um einige bereits bestehende Gemeinden. Durch den Einfluss von Irrlehrern, die unter den Christen in Jerusalem aufgetreten waren, gewannen Spaltungen, falsche Lehren und »sündige Neigungen« (Galater 5,16b NLB) unter den Gläubigen in Galatien rasch an Boden. Diese Irrlehrer vermischten jüdische Traditionen mit den Wahrheiten des Evangeliums. Unter Missachtung des Beschlusses des Konzils in Jerusalem drängten sie die Bekehrten aus den Heiden, auch Bestimmungen des Zeremonialgesetzes zu befolgen. GNAT 284 2 Die Lage war bedenklich. Die Übelstände, die Eingang gefunden hatten, drohten die Gemeinden in Galatien in Kürze zu zerstören. Schonungsloser Tadel GNAT 284 3 Es bekümmerte Paulus sehr und erregte ihn, dass Menschen, denen er gewissenhaft die Grundsätze des Evangeliums nahegebracht hatte, offenkundig vom Glauben abfielen. Unverzüglich schrieb er an die irregeleiteten Gläubigen, deckte die falschen Theorien auf, die sie angenommen hatten, und wies jene mit großer Strenge zurecht, die im Begriff waren, dem Glauben an Christus den Rücken zu kehren. Einleitend grüßte er die Galater mit den Worten: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.« (Galater 1,3) GNAT 284 4 Doch dann richtete er folgenden scharfen Tadel an sie: »Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem andern Evangelium, obwohl es doch kein anderes gibt; nur dass einige da sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht.« (Galater 1,6-8) Paulus hatte im Einklang mit der Heiligen Schrift gelehrt, und der Geist Gottes hatte sich zu seiner Arbeit bekannt; deshalb warnte er seine Glaubensgeschwister davor, auf etwas zu hören, was der von ihm verkündeten Wahrheit widersprach. GNAT 285 1 Der Apostel mahnte die Gläubigen in Galatien, sorgfältig über ihre ersten Erfahrungen als Christen nachzudenken. »O ihr unverständigen Galater!«, rief er ihnen zu. »Wer hat euch bezaubert, denen doch Jesus Christus vor die Augen gemalt war als der Gekreuzigte? Das allein will ich von euch erfahren: Habt ihr den Geist empfangen durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben? Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr's denn nun im Fleisch vollenden? Habt ihr denn so vieles vergeblich erfahren? Wenn es denn vergeblich war! Der euch nun den Geist darreicht und tut solche Taten unter euch, tut er's durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben?« (Galater 3,1-5) GNAT 285 2 Auf diese Weise stellte Paulus die Gläubigen in Galatien vor das Gericht ihres eigenen Gewissens und versuchte, sie von ihrem falschen Weg abzubringen. Er vertraute auf Gottes rettende Macht, lehnte die falschen Lehren entschieden ab und bemühte sich, die Bekehrten zu der Einsicht zu bringen, dass sie getäuscht worden waren, aber durch eine Rückkehr zu ihrem früheren Glauben an das Evangelium immer noch die Absichten Satans vereiteln konnten. Er stellte sich entschieden auf die Seite der Wahrheit und der Gerechtigkeit. Sein überragendes Vertrauen in die von ihm vertretene Botschaft halfen vielen, deren Glaube schwach geworden war, zu ihrer Treue zum Erlöser zurückzukehren. GNAT 285 3 Wie sehr unterschied sich doch die Art und Weise, wie Paulus an die Gemeinde in Korinth schrieb, von seinem Verhalten gegenüber den Galatern! Die Ersteren wies er mit Vorsicht und Zartgefühl zurecht, die Letzteren mit schonungslosem Tadel. Die Christen in Korinth waren Versuchungen erlegen. Durch die ausgeklügelten Spitzfindigkeiten von Lehrern getäuscht, die Irrtümer unter dem Deckmantel der Wahrheit präsentierten, waren sie verwirrt und ratlos geworden. Ihnen die Unterscheidung des Irrtums von der Wahrheit beizubringen erforderte Vorsicht und Geduld. Schroffheit oder unüberlegte Eile von Paulus hätte seinen Einfluss bei vielen zunichte gemacht, denen er gern helfen wollte. GNAT 285 4 In den Gemeinden Galatiens hingegen war offener, unverhüllter Irrtum dabei, die Botschaft des Evangeliums zu verdrängen. Man verleugnete Christus, den wahren Grund des Glaubens, zugunsten überholter Zeremonien des Judentums. Der Apostel erkannte: Wenn die Gläubigen in Galatien vor den gefährlichen Einflüssen gerettet werden sollten, die sie jetzt bedrohten, dann mussten die entschiedensten Maßnahmen getroffen und die schärfsten Warnungen ausgesprochen werden. GNAT 285 5 Für jeden Mitarbeiter Christi ist es wichtig zu lernen, sich in seiner Arbeit auf die jeweilige Situation der Menschen, denen er helfen will, einzustellen. Feingefühl und Geduld, Entschiedenheit und Festigkeit sind gleicherweise erforderlich, doch müssen sie mit rechtem Unterscheidungsvermögen gepaart sein. Mit gegensätzlichen Ansichten weise umzugehen und sich auf unterschiedliche Voraussetzungen und Umstände einzustellen, ist eine Aufgabe, die eine vom Geist Gottes erleuchtete und geheiligte Weisheit und Urteilsfähigkeit erfordert. Ermahnungen In Der Autorität Gottes GNAT 286 1 In seinem Brief an die Gläubigen in Galatien gab Paulus einen kurzen Überblick über die maßgeblichen Ereignisse im Zusammenhang mit seiner eigenen Bekehrung und seinen ersten Erfahrungen als Christ. Dadurch wollte er aufzeigen, dass er durch eine spezielle Offenbarung göttlicher Macht dazu geführt worden war, die großartigen Wahrheiten des Evangeliums zu erkennen und zu erfassen. Paulus war von Gott selbst dazu angewiesen worden, die Galater auf eine so ernste und nachdrückliche Art zu warnen und zu ermahnen. Er schrieb nicht zögerlich oder zweifelnd, sondern mit der Gewissheit einer gefestigten Überzeugung und klarer Erkenntnis. Deutlich stellte er den Unterschied heraus, ob jemand von Menschen belehrt oder unmittelbar von Christus unterwiesen worden ist. GNAT 286 2 Der Apostel forderte die Galater auf, die falschen Führer zu verlassen, durch die sie irregeleitet worden waren, und zu dem Glauben zurückzukehren, der von unverkennbaren Beweisen göttlicher Anerkennung begleitet worden war. Die Männer, die versucht hatten, sie von ihrem Glauben an das Evangelium abzubringen, bezeichnete er als Heuchler, ungeheiligt im Herzen und verdorben in ihrem Wandel. Ihre Frömmigkeit bestand aus einer Reihe von Zeremonien, durch deren Ausübung sie die Gunst Gottes zu gewinnen trachteten. Sie hatten kein Verlangen nach einem Evangelium, das Gehorsam gegenüber der Aussage von Jesus fordert: »Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.« (Johannes 3,3) Sie meinten, eine Religion, die auf einer solchen Lehre beruht, fordere ein zu großes Opfer, und sie hielten an ihren Irrtümern fest, wodurch sie sich selbst und andere täuschten. GNAT 286 3 Äußerliche religiöse Formen an die Stelle der Heiligkeit des Herzens und des Lebens zu setzen ist für die unbekehrte Natur eines Menschen heute noch genau so verlockend wie in den Tagen jener jüdischen Lehrer. Wie damals gibt es auch heute falsche geistliche Leiter, deren Lehren viele eifrige Zuhörer finden. Es ist Satans wohl überlegtes Bemühen, unser Denken von der Hoffnung auf die Erlösung durch den Glauben an Christus und vom Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes abzubringen. In jedem Zeitalter passt der Erzfeind seine Versuchungen den Vorurteilen oder Neigungen derer an, die er zu täuschen versucht. In der Zeit der Apostel führte er die Juden dazu, das Zeremonialgesetz zu überhöhen und Christus zu verwerfen; in unserer Zeit verleitet er viele bekennende Christen dazu, unter dem Vorwand, Christus zu ehren, das Sittengesetz gering zu achten und zu lehren, dass dessen Vorschriften ungestraft übertreten werden können. Es ist die Pflicht eines jeden Mitarbeiters Gottes, diesen Verfälschern des christlichen Glaubens fest und entschieden zu widerstehen und ihre Irrtümer durch das Wort der Wahrheit furchtlos aufzudecken. GNAT 287 1 Bei seinem Bemühen, das Vertrauen seiner Glaubensgeschwister in Galatien wiederzugewinnen, rechtfertigte Paulus mit Geschick seine Stellung als Apostel Christi. Er bezeichnete sich als einen Apostel »nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn auferweckt hat von den Toten« (Galater 1,1). Nicht von Menschen, sondern von der höchsten Autorität im Himmel hatte er seinen Auftrag empfangen. Und sein Apostelamt war von einem allgemeinen Konzil in Jerusalem anerkannt worden, dessen Entscheidungen er in seinem ganzen Wirken unter Nichtjuden beachtet hatte. GNAT 287 2 Nicht um sich selbst zu erhöhen, sondern um die Gnade Gottes zu verherrlichen, bewies Paulus auf diese Weise denen, die sein Apostelamt leugneten, er »sei nicht weniger als die Überapostel« (2. Korinther 11,5). Wer seine Berufung und sein Werk herabzusetzen suchte, stritt gegen Christus, dessen Gnade und Macht sich durch Paulus bekundete. Durch den Widerstand seiner Feinde sah sich der Apostel genötigt, entschieden für seine Stellung und seine Autorität einzutreten. GNAT 287 3 Paulus bat die Gläubigen, die einst Gottes Macht in ihrem Leben erfahren hatten, zu ihrer ersten Liebe zum Evangelium zurückzukehren. Mit unwiderlegbaren Argumenten machte er ihnen klar, welches Vorrecht sie hatten, freie Menschen in Christus zu werden, durch dessen versöhnende Gnade alle, die sich ihm völlig übergeben, mit dem Gewand der Gerechtigkeit Christi bekleidet werden. Er vertrat den Standpunkt, dass jeder Mensch, der gerettet werden will, eine echte und persönliche Erfahrung mit Gott machen müsse. GNAT 287 4 Die eindringlichen Mahnworte des Apostels blieben nicht erfolglos. Der Heilige Geist wirkte mit großer Macht, und viele, die auf Abwege geraten waren, kehrten zu ihrem früheren Glauben an das Evangelium zurück. Von da an blieben sie fest in der Freiheit, zu der Christus sie befreit hatte (vgl. Gal 5,1a). In ihrem Leben kam die Frucht des Geistes ans Licht: »Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.« (Galater 5,22.23) In jener Gegend wurde der Name Gottes verherrlicht, und viele Menschen schlossen sich den Christen an. ------------------------Kapitel 37 -- Die Letzte Reise Nach Jerusalem GNAT 290 0 Apostelgeschichte 20,2 bis 21,16. GNAT 290 1 Paulus hatte den großen Wunsch, Jerusalem noch vor dem Passafest zu erreichen. Er hätte so die Gelegenheit gehabt, Juden zu begegnen, die aus allen Teilen der Welt dorthin kommen würden, um das Fest zu begehen. Ständig hoffte er, irgendwie dazu beitragen zu können, die Vorurteile seiner ungläubigen Landsleute aus dem Weg zu räumen, sodass sie dazu gebracht würden, das kostbare Licht des Evangeliums anzunehmen. Er wollte auch mit der Gemeinde von Jerusalem zusammenkommen und dort die Gelder überreichen, die heidenchristliche Gemeinden den armen Geschwistern in Judäa sandten. Auch hoffte er, durch diesen Besuch zwischen den bekehrten Juden und Heiden ein festeres Band knüpfen zu können. GNAT 290 2 Nachdem Paulus seine Tätigkeit in Korinth beendet hatte, beschloss er, direkt zu einem Hafen an der Küste von Palästina zu reisen. Als alle Vorbereitungen bereits getroffen waren und er an Bord des Schiffes gehen wollte, wurde ihm zugetragen, dass die Juden einen Anschlag auf sein Leben planten (vgl. Apostelgeschichte 20.3). In der Vergangenheit waren diese Gegner des christlichen Glaubens in all ihren Bemühungen gescheitert, dem Wirken des Apostels ein Ende zu bereiten. GNAT 290 3 Der Erfolg, der die Verkündigung des Evangeliums begleitete, erregte erneut den Zorn der Juden. Von überall her kamen Berichte über die Ausbreitung der neuen Lehre, wonach Juden von der Einhaltung der Riten des Zeremonialgesetzes entbunden waren und Heiden in den Genuss der gleichen Rechte mit den Juden als Kinder Abrahams kommen konnten. Paulus benutzte in seiner Verkündigung in Korinth dieselben Argumente, die er in seinen Briefen stark betonte. Seine nachdrückliche Erklärung: »Da ist nicht mehr Grieche oder Jude, Beschnittener oder Unbeschnittener« (Kolosser 3,11), wurde von seinen Feinden als verwegene Gotteslästerung angesehen, und deshalb beschlossen sie, ihn zum Schweigen zu bringen. GNAT 291 1 Nachdem Paulus den Hinweis auf diese Verschwörung erhalten hatte, entschied er sich, einen Umweg über Mazedonien zu machen. Seinen Plan, Jerusalem rechtzeitig vor dem Passafest zu erreichen, musste er aufgeben, doch hoffte er, zum Pfingstfest dort zu sein. GNAT 291 2 Mit Paulus und Lukas zogen »Sopater, der Sohn des Pyrrhus, aus Beröa, Aristarchus und Sekundus aus Thessalonich, Gaius aus Derbe und Timotheus, sowie aus der Provinz Asia Tychikus und Trophimus« (Apostelgeschichte 20,4 ZÜ). GNAT 291 3 Paulus trug einen größeren Geldbetrag von den heidenchristlichen Gemeinden bei sich, den er den Leitern, die für das Werk in Judäa verantwortlich waren, übergeben wollte. Deshalb arrangierte er, dass die genannten Brüder als Vertreter der verschiedenen Gemeinden, die zu dieser Spende beigetragen hatten, ihn nach Jerusalem begleiteten. GNAT 291 4 In Philippi hielt sich Paulus auf, um dort das Passa zu feiern. Nur Lukas blieb bei ihm, während die anderen Teilnehmer der Reisegruppe weiter nach Troas fuhren, wo sie auf ihn warten wollten. Die Philipper waren die liebevollsten und aufrichtigsten unter den von Paulus gewonnen Christen, und während der acht Festtage erfreute er sich der friedvollen und glücklichen Gemeinschaft mit ihnen. GNAT 291 5 Dann fuhren Paulus und Lukas mit dem Schiff von Philippi ab, stießen fünf Tage später in Troas wieder zu ihren Gefährten und blieben sieben Tage lang bei den dortigen Christen. Ein Wunder In Troas GNAT 291 6 Am letzten Abend seines Aufenthaltes kamen die Gemeindeglieder zusammen, um »das Brot zu brechen« (Apostelgeschichte 20,7). Die Tatsache, dass ihr geliebter Lehrer Abschied von ihnen nehmen wollte, hatte eine größere Zuhörerschaft als üblich zusammengerufen. Sie trafen sich in einem »Versammlungsraum in obersten Stock« (Apostelgeschichte 20,8 GNB). Dort predigte der Apostel mit dem Eifer seiner Liebe und Besorgnis um sie bis gegen Mitternacht. GNAT 291 7 In einem der offenen Fenster saß ein junger Mann namens Eutychus. In dieser gefährlichen Stellung schlief er ein und stürzte drei Stockwerke in den Hof hinab. Sofort gerieten alle in Schrecken und Aufregung. Man hob den jungen Mann tot auf, und viele versammelten sich weinend und klagend um ihn. Paulus aber bahnte sich einen Weg durch die erschrockene Menge, nahm ihn in seine Arme und bat Gott in einem ernsten Gebet, den Toten ins Leben zurückzurufen. Seine Bitte wurde erhört. Über dem lauten Jammern und Wehklagen war die Stimme des Paulus zu vernehmen: »Macht kein Getümmel; denn es ist Leben in ihm.« (Apostelgeschichte 20,9.10) Voller Freude setzten die Gläubigen daraufhin ihre Versammlung im Obergeschoss fort. Sie feierten gemeinsam das Abendmahl, und Paulus »redete viel mit ihnen, bis der Tag anbrach« (Apostelgeschichte 20,11). GNAT 292 1 Das Schiff, auf dem Paulus und seine Begleiter ihre Reise fortsetzen sollten, lag zur Abfahrt bereit, und die Brüder eilten an Bord. Der Apostel selbst wählte jedoch den kürzeren Landweg zwischen Troas und Assos, wo er zu seinen Begleitern stoßen wollte. Das verschaffte ihm eine gewisse Zeit zum Nachdenken und Beten. Die Schwierigkeiten und Gefahren im Zusammenhang mit seinem bevorstehenden Besuch in Jerusalem, die Haltung der dortigen Gemeinde zu ihm und zu seiner Arbeit sowie der Zustand der Gemeinden und die Belange der Evangeliumsarbeit in anderen Gebieten waren Anlass für ernste, besorgte Gedanken. Daher nutzte er diese besondere Gelegenheit dazu, Gott um Stärke und Führung zu bitten. Letzte begegnung Mit Den Ältesten Aus Ephesus GNAT 292 2 Auf dem Seeweg von Assos südwärts kamen die Reisenden an der Stadt Ephesus vorbei, die so lange Schauplatz des Wirkens des Apostels gewesen war. Paulus hatte sehr gewünscht, die dortige Gemeinde zu besuchen, denn er hatte für die Gläubigen wichtige Unterweisungen und Ratschläge bereit. Doch nach reiflicher Überlegung entschloss er sich weiterzufahren, denn er wünschte sich, »am Pfingsttag in Jerusalem zu sein, wenn es ihm möglich wäre« (Apostelgeschichte 20,16). GNAT 292 3 Als er in Milet ankam - ungefähr 50 km von Ephesus entfernt - erfuhr er jedoch, dass es möglich wäre, mit der Gemeinde in Verbindung zu treten, bevor das Schiff weiterfahren sollte. Daher sandte er sofort eine Botschaft an die Ältesten mit der dringenden Bitte an sie, nach Milet zu kommen, damit er sie vor seiner Weiterreise sprechen könnte. GNAT 292 4 Sie folgten seinem Ruf und kamen. Paulus richtete starke, zu Herzen gehende Worte der Ermahnung und des Abschieds an sie: »Ihr wisst, wie ich mich vom ersten Tag an, als ich in die Provinz Asien gekommen bin, die ganze Zeit bei euch verhalten habe, wie ich dem Herrn gedient habe in aller Demut und mit Tränen und unter Anfechtungen, die mir durch die Nachstellungen der Juden widerfahren sind. Ich habe euch nichts vorenthalten, was nützlich ist, dass ich's euch nicht verkündigt und gelehrt hätte, öffentlich und in den Häusern, und habe Juden und Griechen bezeugt die Umkehr zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesus.« (Apostelgeschichte 20,18-21 EÜ) GNAT 293 1 Paulus hatte stets das göttliche Gesetz hochgehalten. Er hatte gezeigt, dass im Gesetz keine Macht liegt, Menschen vor der Strafe für Ungehorsam zu retten. Übeltäter müssen ihre Sünden bereuen und sich vor Gott demütigen, dessen gerechten Zorn sie sich durch die Übertretung des Gesetzes zugezogen haben. Sie müssen auch Vertrauen in das Blut Christi als ihr einziges Mittel zur Vergebung setzen. Der Sohn Gottes ist als Sühnopfer für sie gestorben und zum Himmel aufgefahren, um als ihr Fürsprecher vor dem Vater zu stehen. Durch Umkehr und Glauben können sie von der Verdammnis der Sünde befreit werden, und durch die Gnade Christi werden sie in die Lage versetzt, künftig dem Gesetz Gottes gehorsam zu sein. GNAT 293 2 Paulus fuhr fort: »Und nun siehe, durch den Geist gebunden, fahre ich nach Jerusalem und weiß nicht, was mir dort begegnen wird, nur dass der Heilige Geist in allen Städten mir bezeugt, dass Fesseln und Bedrängnisse auf mich warten. Aber ich achte mein Leben nicht der Rede wert, wenn ich nur meinen Lauf vollende und das Amt ausrichte, das ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes. Und nun siehe, ich weiß, dass ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet, ihr alle, zu denen ich hingekommen bin und das Reich gepredigt habe.« (Apostelgeschichte 20,22-25) GNAT 293 3 Paulus hatte nicht geplant, dieses Zeugnis zu geben; doch während er sprach, kam der Heilige Geist auf ihn und bestätigte seine Befürchtungen, dass dies seine letzte Begegnung mit den Brüdern aus Ephesus sein würde. GNAT 293 4 »Darum bezeuge ich euch am heutigen Tage«, fuhr er fort, »dass ich rein bin vom Blut aller; denn ich habe nicht unterlassen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.« (Apostelgeschichte 20,26.27) Weder die Befürchtung, jemanden zu kränken, noch das Streben nach Freundschaft oder Beifall konnten Paulus bewegen, die Worte zurückzuhalten, die Gott ihm zu ihrer Unterweisung, Warnung oder Zurechtweisung gegeben hatte. GNAT 293 5 Von seinen Dienern heute erwartet Gott Furchtlosigkeit in der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Umsetzung seiner Gebote. Der Diener Christi soll den Menschen nicht nur die angenehmen Wahrheiten präsentieren, während er andere zurückhält, die ihnen wehtun könnten. Er sollte mit tiefer Besorgnis die Charakterentwicklung beobachten. Wenn er sieht, dass manche aus seiner Herde mit der Sünde liebäugeln, muss er als treuer Hirte die Wegweisung aus Gottes Wort geben, die auf den jeweiligen Fall zutrifft. Sollte er ihnen erlauben, ungewarnt in ihrer Selbstsicherheit zu verharren, wäre er für ihre Seele verantwortlich. Der Pastor, der seinen hohen Auftrag erfüllt, muss seinen Gemeindegliedern treue Unterweisung über jeden Punkt des christlichen Glaubens geben und ihnen zeigen, was sie sein und tun müssen, um am Gerichtstag Gottes bestehen zu können. Nur wer ein treuer Lehrer der Wahrheit ist, wird am Ende seines Wirkens mit Paulus sagen können: »Mich trifft keine Schuld, wenn einer von euch verloren geht.« (Apostelgeschichte 20,26 GNB) GNAT 294 1 »So habt nun Acht auf euch selbst«, ermahnte der Apostel seine Brüder, »und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat.« (Apostelgeschichte 20,28) GNAT 294 2 Wenn Diener des Evangeliums sich nur beständig die Tatsache vor Augen hielten, dass sie es mit denen zu tun haben, die durch Christi Blut erkauft worden sind, hätten sie ein tieferes Verständnis für die Bedeutung ihrer Arbeit. Sie sollen auf sich und auf ihre Herde achten. Ihr eigenes Beispiel soll das, was sie lehren, veranschaulichen und untermauern. Als Lehrer des Weges zum Leben sollten sie keinen Anlass dazu geben, dass über die Wahrheit schlecht geredet wird. Als Repräsentanten Christi sollen sie die Ehre seines Namens aufrechterhalten. Durch ihre Hingabe, die Reinheit ihres Lebens, ihren geheiligten Wandel sollen sie sich ihrer hohen Berufung würdig erweisen. GNAT 294 3 Die Gefahren, die die Gemeinde in Ephesus bedrängen würden, wurden dem Apostel offenbart. »Denn das weiß ich«, sagte er, »dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen.« (Apostelgeschichte 20,29.30) Paulus bangte um die Gemeinde, als er in die Zukunft blickte und die Angriffe sah, die sie von äußeren wie auch von inneren Feinden erleiden müsste. Mit feierlichem Ernst gebot er seinen Brüdern, das ihnen anvertraute heilige Gut sorgsam zu bewahren. Als Beispiel verwies er sie auf sein eigenes unermüdliches Wirken unter ihnen: »Darum seid wachsam und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht abgelassen habe, einen jeden unter Tränen zu ermahnen!« (Apostelgeschichte 20,31) GNAT 294 4 Er fuhr fort: »Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, der da mächtig ist, euch zu erbauen und euch das Erbe zu geben mit allen, die geheiligt sind. Ich habe von niemandem Silber oder Gold oder Kleidung begehrt.« (Apostelgeschichte 20,32.33) Einige der Brüder in Ephesus waren wohlhabend, aber Paulus hatte nie persönlichen Nutzen von ihnen gesucht. Die Aufmerksamkeit auf seine eigenen Bedürfnisse zu lenken war nicht Teil seiner Botschaft. »Ihr wisst selber«, sagte er, »dass mir diese Hände zum Unterhalt gedient haben für mich und die, die mit mir gewesen sind.« (Apostelgeschichte 20,34) GNAT 295 1 Bei all seiner mühevollen Arbeit und seinen ausgedehnten Reisen für die Sache Christi war er in der Lage, nicht nur für sich selbst zu sorgen, sondern auch etwas für den Unterhalt seiner Mitarbeiter und die Hilfe für unterstützungswürdige Arme zu erübrigen. Dies erreichte er nur durch unermüdlichen Fleiß und äußerste Sparsamkeit. Mit gutem Grund konnte er auf sein eigenes Beispiel verweisen, als er sagte: »Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muss im Gedenken an das Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.« (Apostelgeschichte 20,35) GNAT 295 2 »Und als er das gesagt hatte, kniete er nieder und betete mit ihnen allen. Da begannen alle laut zu weinen, und sie fielen Paulus um den Hals und küssten ihn, am allermeisten betrübt über das Wort, das er gesagt hatte, sie würden sein Angesicht nicht mehr sehen. Und sie geleiteten ihn auf das Schiff.« (Apostelgeschichte 20,36-38) Letzte Warnungen In Freiheit GNAT 295 3 Von Milet fuhren Paulus und seine Begleiter »geradewegs nach Kos und am folgenden Tage nach Rhodos und von da nach Patara« an der Südwestküste Kleinasiens. »Und als wir ein Schiff fanden, das nach Phönizien fuhr, stiegen wir ein und fuhren ab« (Apostelgeschichte 21,1.2). In Tyrus, wo das Schiff entladen wurde, trafen sie einige Christen, bei denen sie sieben Tage bleiben durften. Diese hatte der Heilige Geist auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die Paulus in Jerusalem drohten. Deshalb baten sie ihn, »er solle nicht nach Jerusalem hinaufziehen« (Apostelgeschichte 21,4). Aber er ließ sich nicht durch Angst vor Trübsal und Gefangennahme von seinem Vorhaben abbringen. GNAT 295 4 Nach dem einwöchigen Aufenthalt in Tyrus geleiteten alle dortigen Brüder mit ihren Frauen und Kindern Paulus zum Schiff. Ehe er an Bord ging, knieten alle noch einmal am Ufer nieder und beteten - er für sie und sie für ihn. GNAT 295 5 Nun setzte die Gruppe ihre Fahrt südwärts fort. So erreichten die Reisenden »Cäsarea und gingen in das Haus des Philippus, des Evangelisten, der einer von den Sieben war, und blieben bei ihm« (Apostelgeschichte 21,8). Hier verbrachte Paulus einige friedvolle, glückliche Tage - die letzten für lange Zeit, die er in völliger Freiheit genießen sollte. GNAT 296 1 Während Paulus sich in Cäsarea aufhielt, »kam ein Prophet mit Namen Agabus aus Judäa herab«, berichtete Lukas. »Und als er zu uns kam, nahm er den Gürtel des Paulus und band sich die Füße und Hände und sprach: Das sagt der Heilige Geist: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem so binden und überantworten in die Hände der Heiden.« (Apostelgeschichte 21,10.11) GNAT 296 2 »Als wir aber das hörten«, berichtete Lukas weiter, »baten wir und die aus dem Ort, dass er nicht hinauf nach Jerusalem zöge.« (Apostelgeschichte 21,12) Aber Paulus wollte nicht von dem Pfad der Pflicht abweichen, sondern Christus folgen - wenn nötig bis ins Gefängnis oder in den Tod. »Was macht ihr«, rief er aus, »dass ihr weint und brecht mir mein Herz? Denn ich bin bereit, nicht allein mich binden zu lassen, sondern auch zu sterben in Jerusalem für den Namen des Herrn Jesus.« (Apostelgeschichte 21,13) Als die Brüder sahen, dass sie ihm nur Schmerz bereiteten, ohne ihn von seinem Vorhaben abbringen zu können, hörten sie auf, ihn zu bedrängen, und sagten nur: »Der Wille des Herrn geschehe.« (Apostelgeschichte 21,14 Elb.) GNAT 296 3 Bald war die kurze Zeit des Aufenthaltes in Cäsarea abgelaufen, und in Begleitung von einigen Brüdern machte sich Paulus mit seinen Gefährten auf den Weg nach Jerusalem. Schwer lastete auf ihrem Herzen die Vorahnung des künftigen Unheils. GNAT 296 4 Nie zuvor hatte sich der Apostel mit so traurigem Herzen der Stadt Jerusalem genähert. Er wusste: Dort würde er nur wenige Freunde, aber viele Feinde vorfinden. Er war unterwegs zu der Stadt, die den Sohn Gottes verworfen und getötet hatte und über der jetzt die Androhung des göttlichen Zornes hingen. Als er sich daran erinnerte, wie erbittert er selbst in seinem Vorurteil gegen die Nachfolger Christi vorgegangen war, empfand er zutiefst Mitleid mit seinen verblendeten Landsleuten. Und dennoch war seine Hoffnung gering, dass er ihnen Hilfe bringen könnte. Dieselbe blinde Wut, die einst in ihm gebrannt hatte, war dabei, die Gemüter eines ganzen Volkes mit unsagbarer Gewalt gegen ihn zu entflammen. Und er konnte auch nicht mit dem Mitgefühl und der Unterstützung seiner Glaubensbrüder rechnen. Die unbekehrten Juden, die seinen Spuren dicht gefolgt waren, hatten nicht gezögert, in Jerusalem persönlich und auch brieflich die schlimmsten Behauptungen über ihn und sein Wirken zu verbreiten. Sogar einige unter den Aposteln und Ältesten nahmen diese Berichte für bare Münze. Sie machten weder Anstalten, ihnen zu widersprechen, noch zeigten sie irgendein Verlangen, sich auf die Seite von Paulus zu stellen. GNAT 296 5 Trotz aller entmutigenden Umstände war der Apostel nicht verzweifelt. Er vertraute darauf, dass die Stimme, die zu seinem Herzen gesprochen hatte, auch zum Herzen seiner Landsleute reden würde, und dass der Meister, den seine Mitchristen liebten und dem sie dienten, ihr Herz mit seinem in der Arbeit für das Evangelium vereinen würde. ------------------------Kapitel 38 -- Paulus In Gefangenschaft GNAT 298 0 Apostelgeschichte 21,17 bis 23,35. GNAT 298 1 »Als wir nun nach Jerusalem kamen, nahmen uns die Brüder gerne auf. Am nächsten Tag aber ging Paulus mit uns zu Jakobus, und es kamen die Ältesten alle dorthin.« (Apostelgeschichte 21,17.18) GNAT 298 2 Bei dieser Gelegenheit überreichten Paulus und seine Begleiter den Leitern des Werks in Jerusalem feierlich die Spenden, die heidenchristliche Gemeinden für die Unterstützung der Armen unter ihren jüdischen Geschwistern gesandt hatten. Die Sammlung dieser Beträge hatte den Apostel und seine Mitarbeiter viel Zeit, sorgfältige Überlegung und ermüdende Arbeit gekostet. Die Summe, welche die Erwartungen der Ältesten in Jerusalem bei weitem übertraf, stand für viel Opferbereitschaft und sogar ernsthafte Entbehrungen seitens der nichtjüdischen Christen. GNAT 298 3 Diese freiwilligen Gaben waren ein Zeichen der Treue dieser Bekehrten zum organisierten Werk Gottes in aller Welt und hätten von allen mit dankbarer Anerkennung entgegengenommen werden sollen. Doch es war für Paulus und seine Gefährten offensichtlich, dass sogar einige unter denen, vor denen sie jetzt standen, unfähig waren, den Geist der Bruderliebe recht zu würdigen, der diese Gaben hervorgebracht hatte. Traditionalismus Und Vorurteile GNAT 298 4 In den Anfangsjahren der Evangeliumsarbeit unter den Nichtjuden hatten einige der leitenden Brüder in Jerusalem, die noch an früheren Vorurteilen und Denkweisen festhielten, mit Paulus und seinen Gefährten nicht von Herzen zusammengearbeitet. In ihrem Bestreben, einige bedeutungslos gewordene Formen und Zeremonien zu bewahren, hatten sie den Segen aus den Augen verloren, der ihnen und der von ihnen geliebten Sache zuteil werden würde, wenn sie sich bemühen würden, alle Teile des Werkes des Herrn zu vereinen. Obgleich sie darauf bedacht waren, das Wohl der christlichen Gemeinde zu sichern, hatten sie es versäumt, mit den zukunftsweisenden Plänen Gottes Schritt zu halten. Sie hatten in ihrer menschlichen Weisheit versucht, den Evangeliumsarbeitern viele unnötige Einschränkungen aufzuerlegen. So bildete sich eine Gruppe von Männern heraus, die persönlich mit den wechselnden Umständen und speziellen Bedürfnissen, denen sich die Missionare in fernen Gebieten stellen mussten, nicht vertraut waren. Sie pochten jedoch darauf, die Vollmacht zu besitzen, ihren Brüdern in jenen Regionen bestimmte Arbeitsweisen vorzuschreiben. Sie meinten, die Verkündigung des Evangeliums müsste in Übereinstimmung mit ihrer eigenen Auffassung vorangetrieben werden. GNAT 299 1 Mehrere Jahre waren bereits vergangen, seit die Brüder in Jerusalem gemeinsam mit Vertretern anderer führender Gemeinden sorgfältig über die schwierigen Fragen beraten hatten, die sich bezüglich der Arbeitsweise jener ergeben hatten, die für die Heiden wirkten (siehe Apostelgeschichte 15 und Kapitel 19 dieses Buches). Als Ergebnis dieses Konzils waren die Brüder übereingekommen, den Gemeinden definitive Empfehlungen bezüglich gewisser jüdischer Riten und Gebräuche einschließlich der Beschneidung zu geben. Bei dieser allgemeinen Ratsversammlung hatten die Brüder auch einmütig beschlossen, den christlichen Gemeinden Barnabas und Paulus als Mitarbeiter zu empfehlen, die das volle Vertrauen eines jeden Christen verdienten. GNAT 299 2 Unter den Teilnehmern an dieser Versammlung hatten einige die Arbeitsweise der Apostel, auf deren Schultern die Hauptlast der Evangeliumsverkündigung außerhalb Palästinas ruhte, scharf kritisiert. Doch im Laufe des Konzils hatte sich ihr Blick für die Absichten Gottes geweitet, und sie hatten gemeinsam mit ihren Brüdern einen weisen Beschluss gefasst, die die Vereinigung aller Gläubigen zu einer großen Gemeinschaft möglich machten (vgl. Apostelgeschichte 15,28-29). GNAT 299 3 Später, als ersichtlich wurde, dass die Bekehrten aus den Heiden rasch an Zahl zunahmen, gab es unter den leitenden Brüdern in Jerusalem einige, die sich erneut von ihren früheren Vorurteilen gegen die Arbeitsweise von Paulus und seinen Gefährten einnehmen ließen. Diese Vorurteile verstärkten sich im Laufe der Jahre, bis einige der leitenden Männer beschlossen, dass künftig die Evangeliumsverkündigung im Einklang mit ihren eigenen Vorstellungen zu geschehen habe. Falls Paulus bereit wäre, sein Wirken bestimmten Richtlinien anzupassen, die sie befürworteten, würden sie seinen Einsatz anerkennen und unterstützen; andernfalls könnten sie es nicht länger mit Wohlwollen betrachten oder ihm ihre Unterstützung gewähren. GNAT 299 4 Diese Männer hatten die Tatsache aus den Augen verloren, dass Gott selbst der Lehrer seines Volkes ist und jeder Mitarbeiter in seinem Werk eine persönliche Erfahrung in der Nachfolge des göttlichen Führers erlangen und nicht eine direkte Anleitung durch Menschen erwarten soll. Gottes Mitarbeiter sollen nicht nach menschlichen Vorstellungen, sondern nach dem Bild des Göttlichen geformt und gestaltet werden. GNAT 300 1 Der Apostel Paulus hatte in seinem Predigtdienst die Menschen »nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft« belehrt (1. Korinther 2,4). Der Heilige Geist hatte ihm die Wahrheiten offenbart, die er verkündigte, »denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit. Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, als allein der Geist des Menschen, der in ihm ist? So weiß auch niemand, was in Gott ist, als allein der Geist Gottes« (1. Korinther 2,10.11). Paulus erklärte: »Davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.« (1. Korinther 2,13) GNAT 300 2 Während seines Missionsdienstes hatte Paulus die direkte Führung Gottes gesucht. Zugleich war er aber auch sorgfältig darauf bedacht gewesen, in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Konzils in Jerusalem zu wirken, und als Ergebnis »wurden die Gemeinden im Glauben gefestigt und nahmen täglich zu an Zahl« (Apostelgeschichte 16,5). Und nun, ungeachtet des Mangels an Verständnis, den ihm einige entgegenbrachten, fand er doch Trost in dem Bewusstsein, dass er seine Pflicht getan hatte. Er hatte in den durch ihn Bekehrten einen Geist der Treue, der Freigebigkeit und Bruderliebe entfacht, wie er sich bei dieser Gelegenheit in den großzügigen Spenden offenbarte, die er vor die jüdischen Ältesten legen konnte. Änderung Der Meinung Über Paulus GNAT 300 3 Nachdem die Gemeinde die Spenden in Empfang genommen hatte, erzählte Paulus »eins nach dem andern, was Gott unter den Heiden durch seinen Dienst getan hatte« (Apostelgeschichte 21,19). Dieser Tatsachenbericht brachte in die Herzen aller, selbst derer, die gezweifelt hatten, die Überzeugung, dass der Segen des Himmels seine Bemühungen begleitet hatte. »Als sie aber das hörten, lobten sie Gott.« (Apostelgeschichte 21,20) Sie empfanden, dass die Arbeitsweise des Apostels das Siegel des Himmels trug. Die vor ihnen liegenden großzügigen Spenden verliehen dem Zeugnis des Apostels über die Glaubenstreue der unter den Heiden gegründeten neuen Gemeinden noch stärkeres Gewicht. Die Männer, die zu den Verantwortlichen des Werkes in Jerusalem zählten und willkürliche Kontrollmaßnahmen gefordert hatten, sahen nun den Dienst von Paulus in einem neuen Licht. Sie erkannten ihr falsches Vorgehen und dass sie Gefangene jüdischer Bräuche und Traditionen gewesen waren. Ihre Einstellung hatte das Evangeliumswerk stark behindert, weil sie nicht beachtet hatten, dass die Scheidewand zwischen Juden und Heiden durch Christi Tod niedergerissen worden war (vgl. Epheser 2,14). GNAT 301 1 Dies war für alle leitenden Brüder die goldene Gelegenheit, offen zu bekennen, dass Gott durch Paulus gewirkt hatte und sie selbst zeitweilig falsch gehandelt hatten, als sie es zuließen, dass die Berichte seiner Feinde ihren Neid und ihr Vorurteil weckten. Doch anstatt sich vereint zu bemühen, dem, den sie gekränkt hatten, Gerechtigkeit zukommen zu lassen, erteilten sie ihm Ratschläge, die zeigten, dass sie immer noch meinten, größtenteils sei Paulus doch selbst für das bestehende Vorurteil verantwortlich. Sie standen nicht edelmütig zu seiner Verteidigung auf und bemühten sich nicht, den Unzufriedenen zu zeigen, wo sie im Unrecht waren, sondern sie bemühten sich um einen Kompromiss, indem sie dem Apostel zu einem Vorgehen rieten, das ihrer Meinung nach jeden Grund für Missverständnisse ausräumen würde. Ein Unbedachter Vorschlag GNAT 301 2 »Bruder, du siehst«, erwiderten sie auf seinen Bericht hin, »wie viel tausend Juden gläubig geworden sind, und alle sind Eiferer für das Gesetz. Ihnen ist aber berichtet worden über dich, dass du alle Juden, die unter den Heiden wohnen, den Abfall von Mose lehrst und sagst, sie sollen ihre Kinder nicht beschneiden und auch nicht nach den Ordnungen leben. Was nun? Auf jeden Fall werden sie hören, dass du gekommen bist. So tu nun das, was wir dir sagen. Wir haben vier Männer, die haben ein Gelübde auf sich genommen; die nimm zu dir und lass dich reinigen mit ihnen und trage die Kosten für sie, dass sie ihr Haupt scheren können; so werden alle erkennen, dass es nicht so ist, wie man ihnen über dich berichtet hat, sondern dass du selber auch nach dem Gesetz lebst und es hältst. Wegen der gläubig gewordenen Heiden aber haben wir beschlossen und geschrieben, dass sie sich hüten sollen vor dem Götzenopfer, vor Blut, vor Ersticktem und vor Unzucht.« (Apostelgeschichte 21,20-25) GNAT 301 3 Die Brüder hofften, dass Paulus, indem er den vorgeschlagenen Weg ging, die falschen Berichte über ihn entscheidend widerlegen würde. Sie versicherten ihm, dass der Beschluss des früheren Konzils über die Nichtverbindlichkeit des Zeremonialgesetzes für bekehrte Nichtjuden weiterhin gültig sei. Doch der nun gegebene Rat war mit jenem Beschluss nicht vereinbar. Diese Anweisung wurde nicht vom Heiligen Geist eingegeben; sie war die Frucht der Feigheit. GNAT 302 1 Die Leiter der Gemeinde in Jerusalem wussten, dass sich Christen durch Nichtbeachtung des Zeremonialgesetzes den Hass der Juden zuzogen und sich selbst der Verfolgung aussetzten. Der jüdische Hohe Rat tat das Äußerste, um den Fortschritt des Evangeliums aufzuhalten. Dieses Gremium wählte Männer aus, die den Aposteln, insbesondere Paulus, auf den Fersen folgen und auf jede mögliche Weise gegen deren Wirken angehen sollten. Würden die Christusgläubigen vor dem Hohen Rat als Gesetzesbrecher verurteilt, würden sie als Abtrünnige vom jüdischen Glauben eine schnelle und strenge Strafe erleiden. GNAT 302 2 Viele der Juden, die das Evangelium angenommen hatten, hegten noch eine hohe Achtung vor dem Zeremonialgesetz und waren nur allzu bereit, unkluge Zugeständnisse zu machen. Sie hofften, so das Vertrauen ihrer Landsleute zu erlangen, deren Vorurteile zu entkräften und sie für den Glauben an Christus als den Erlöser der Welt zu gewinnen. Paulus erkannte: Solange viele der leitenden Leute der Gemeinde in Jerusalem gegen ihn weiterhin voreingenommen wären, würden sie nicht aufhören, seinem Einfluss entgegenzuwirken. Er meinte, wenn er sie durch irgendein zumutbares Zugeständnis für die Wahrheit gewinnen könnte, würde er ein großes Hindernis für den Erfolg des Evangeliums anderenorts aus dem Wege räumen. Doch er war nicht von Gott autorisiert worden, so viel zuzugestehen, wie sie verlangten. GNAT 302 3 Wenn wir an den Herzenswunsch des Paulus denken, mit seinen Brüdern im Einklang zu sein, an seine Behutsamkeit mit den Schwachen im Glauben, an seine Hochachtung vor den Aposteln, die mit Christus gewesen waren, und vor Jakobus, dem Bruder des Herrn, und an seinen Vorsatz, jedem so weit wie möglich entgegenzukommen, ohne dabei Prinzipien aufzugeben - wenn wir all das bedenken, ist es weniger verwunderlich, dass er sich drängen ließ, von dem festen, entschiedenen Kurs abzuweichen, den er bis dahin verfolgt hatte. Doch statt das ersehnte Ziel zu erreichen, beschleunigte sein Bemühen um Ausgleich nur die Krise, brachte die vorhergesagten Leiden nur umso schneller über ihn und führte dazu, ihn von seinen Brüdern zu trennen, die Gemeinde eines ihrer stärksten Pfeiler zu berauben und die Herzen der Christen in allen Landen mit Kummer zu erfüllen. Paulus‚ Handlungsweise Verursacht Einen Aufruhr GNAT 302 4 Am folgenden Tag begann Paulus damit, den Rat der Ältesten auszuführen. Er nahm die vier Männer, die das Nasiräergelübde der Gottgeweihten (vgl. 4. Mose 6,13-21) auf sich genommen hatten, dessen Frist fast abgelaufen war, mit sich »in den Tempel und zeigte an, dass die Tage der Reinigung beendet sein sollten, sobald für jeden von ihnen das Opfer dargebracht wäre« (Apostelgeschichte 21,26). Einige kostspielige Reinigungsopfer standen noch aus. GNAT 303 1 Diejenigen, die Paulus zu diesem Schritt rieten, hatten nicht die große Gefahr bedacht, der er dadurch ausgesetzt würde. Zu dieser Jahreszeit war Jerusalem voller Pilger aus vielen Ländern. Als Paulus in Erfüllung seines Gottesauftrags das Evangelium den Heiden gebracht hatte, hatte er viele der größten Städte der Welt besucht. Tausende von denen, die aus fernen Ländern nach Jerusalem zum Fest gepilgert waren, kannten ihn gut. Unter ihnen gab es Leute, deren Herz voller Hass auf ihn war. Wenn er den Tempel bei einem solchen öffentlichen Anlass betrat, begab er sich in Lebensgefahr. Einige Tage lang ging er jedoch anscheinend unbemerkt von den Pilgern im Tempel ein und aus. Doch kurz bevor die bestimmte Frist abgelaufen war und er gerade mit einem Priester über das darzubringende Opfer sprach, wurde er von einigen Juden aus der Provinz Asia erkannt. GNAT 303 2 Mit teuflischer Wut stürzten sie sich auf ihn und schrien: »Ihr Männer von Israel, helft! Dies ist der Mensch, der alle Menschen an allen Enden lehrt gegen unser Volk, gegen das Gesetz und gegen diese Stätte.« Als die Leute diesem Hilferuf folgten, fügten sie eine weitere Anklage hinzu: »Dazu hat er auch Griechen in den Tempel geführt und diese heilige Stätte entweiht.« (Apostelgeschichte 21,28) GNAT 303 3 Nach dem jüdischen Gesetz war es für einen Unbeschnittenen ein todeswürdiges Verbrechen, die inneren Vorhöfe des heiligen Gebäudes zu betreten. Paulus war in Begleitung von Trophimus, einem Epheser, in der Stadt gesehen worden, und man schloss daraus, dass er ihn in den Tempel mitgebracht hätte. Dies hatte er aber nicht getan; und wenn er selbst den Tempel betrat, war das keine Gesetzesübertretung, da er ja ein Israelit war. Doch obwohl die Anklage völlig falsch war, genügte sie doch, das Vorurteil der Leute zu erregen. Als der Ruf aufgenommen und durch die Vorhöfe des Tempels getragen wurde, geriet die dort versammelte Menge in helle Aufregung. Schnell verbreitete sich die Nachricht durch Jerusalem. »Die ganze Stadt wurde erregt, und es entstand ein Auflauf des Volkes.« (Apostelgeschichte 21,30a) GNAT 303 4 Die Vorstellung, dass ein abgefallener Israelit sich anmaßte, den Tempel ausgerechnet zu einer Zeit zu entweihen, da Tausende aus allen Teilen der Welt dahin gekommen waren, um Gott anzubeten, entfachte die heftigsten Leidenschaften der Volksmasse. »Sie ergriffen aber Paulus und zogen ihn zum Tempel hinaus. Und sogleich wurden die Tore zugeschlossen.« (Apostelgeschichte 21,30b) GNAT 304 1 »Als sie ihn aber töten wollten, kam die Nachricht hinauf vor den Oberst der Abteilung, dass ganz Jerusalem in Aufruhr sei.« (Apostelgeschichte 21,31) Klaudius Lysias, der die aufrührerischen Elemente, mit denen er es zu tun hatte, sehr wohl kannte, »nahm sogleich Soldaten und Hauptleute und lief hinunter zu ihnen. Als sie aber den Oberst und die Soldaten sahen, hörten sie auf, Paulus zu schlagen« (Apostelgeschichte 21,32). Dem römischen Oberst war die Ursache des Aufruhrs nicht bekannt; aber als er sah, dass sich die Wut der Menge gegen Paulus richtete, nahm er an, dass es sich um einen ägyptischen Aufrührer handeln müsse, von dem er gehört hatte und der sich bisher der Gefangennahme entziehen konnte. So »nahm er ihn fest und ließ ihn fesseln mit zwei Ketten und fragte, wer er wäre und was er getan hätte« (Apostelgeschichte 21,33). Sogleich erhoben sich viele Stimmen in lauter, zorniger Anklage. »Einer aber rief dies, der andre das im Volk. Da er aber nichts Gewisses erfahren konnte wegen des Getümmels, ließ er ihn in die Burg führen. Und als er an die Stufen kam, mussten ihn die Soldaten tragen wegen des Ungestüms des Volkes; denn die Menge folgte und schrie: Weg mit ihm!« (Apostelgeschichte 21,34-36) Das Zeugnis Von Paulus Vor Dem Volk GNAT 304 2 Inmitten des Tumultes blieb der Apostel ruhig und gefasst. Sein Verstand war auf Gott ausgerichtet und er wusste, dass ihn Engel vom Himmel umgaben. Er wollte den Tempel nicht verlassen, ohne den Versuch gemacht zu haben, seinen Landsleuten die Wahrheit darzulegen. Gerade, als er in die Burg geführt werden sollte, fragte er den Oberhauptmann: »Darf ich mit dir reden?« Lysias erwiderte: »Kannst du Griechisch? Bist du nicht der Ägypter, der vor diesen Tagen einen Aufruhr gemacht und viertausend von den Aufrührern in die Wüste hinausgeführt hat?« Paulus antwortete: »Ich bin ein jüdischer Mann aus Tarsus in Zilizien, Bürger einer namhaften Stadt. Ich bitte dich, erlaube mir, zu dem Volk zu reden.« (Apostelgeschichte 21,37-39) GNAT 304 3 Die Bitte wurde ihm gewährt, und so »trat Paulus auf die Stufen und winkte dem Volk mit der Hand« (Apostelgeschichte 21,40). Diese Geste zog die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihn, und seine Haltung gebot Respekt. »Da entstand eine große Stille, und er redete zu ihnen auf Hebräisch und sprach: Ihr Männer, liebe Brüder und Väter, hört mir zu, wenn ich mich jetzt vor euch verantworte.« (Apostelgeschichte 21,40; 22,1) Als sie vertraute hebräische Worte hörten, »wurden sie noch stiller« (Apostelgeschichte 22,2). GNAT 304 4 In das allgemeine Schweigen hinein sprach er nun weiter: »Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Zilizien, aufgewachsen aber in dieser Stadt und mit aller Sorgfalt unterwiesen im väterlichen Gesetz zu Füßen Gamaliels, und war ein Eiferer für Gott, wie ihr es heute alle seid.« (Apostelgeschichte 22,3) Den Darlegungen des Apostels konnte niemand widersprechen; denn die Tatsachen, auf die er hinwies, waren vielen, die noch in Jerusalem wohnten, gut bekannt. Er sprach auch davon, mit welchem Eifer er einst die Anhänger von Jesus bis in den Tod verfolgt hatte. Ausführlich schilderte er seinen Zuhörern die Vorgänge bei seiner Bekehrung, und wie sein stolzes Herz sich schließlich vor dem gekreuzigten Nazarener gebeugt hatte. Hätte er versucht, sich mit seinen Gegnern in eine Diskussion einzulassen, so hätten sie sich hartnäckig geweigert, seinen Worten zuzuhören. Aus dem Bericht seiner Erfahrung aber klang eine überzeugende Kraft, die zunächst ihre Herzen zu besänftigen und zu überwinden schien. GNAT 305 1 Dann versuchte er ihnen zu erklären, dass er seinen Dienst unter den Heiden nicht aus eigener Entscheidung aufgenommen habe. Sein Wunsch sei es gewesen, für sein eigenes Volk zu wirken, aber gerade hier im Tempel habe Gott in einer heiligen Vision mit ihm geredet und ihn angewiesen: »Ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.« (Apostelgeschichte 22,21) GNAT 305 2 Bis dahin hatten die Menschen mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört. Als aber Paulus den Punkt in seiner Lebensgeschichte erreichte, als Christus ihn zu seinem Botschafter unter den Heiden bestimmt hatte, brach ihre Wut von neuem los. Sie waren es gewohnt, sich als das einzige von Gott auserwählte Volk zu sehen, und nicht bereit, den verachteten Heiden einen Anteil an den Privilegien zuzugestehen, die sie bisher für sich allein beansprucht hatten. Mit lautem Geschrei übertönten sie die Stimme von Paulus und riefen: »Schaff diesen aus der Welt; so einer darf nicht leben!« (Apostelgeschichte 22,22 ZÜ) GNAT 305 3 »Und sie schrien laut, rissen sich die Kleider vom Leib und wirbelten Staub auf. Da befahl der Oberst, ihn in die Kaserne zu führen, und ordnete an, ihn zu geißeln und ins Verhör zu nehmen. So wollte er herausfinden, weshalb sie seinetwegen ein solches Geschrei erhoben.« (Apostelgeschichte 22,23.24 ZÜ) GNAT 305 4 »Als sie ihn aber zur Geißelung vornüberstreckten, sagte Paulus zu dem Hauptmann, der dabeistand: Dürft ihr einen römischen Bürger geißeln, ohne Gerichtsurteil? Als der Hauptmann das hörte, ging er zum Oberst, erstattete Meldung und sagte: Was hast du vor? Dieser Mann ist ein römischer Bürger! Da kam der Oberst und sagte zu ihm: Sag mir, bist du ein römischer Bürger? Er sagte: Ja. Da erwiderte der Oberst: Ich habe dieses Bürgerrecht für eine hohe Summe erworben. Paulus sagte: Ich besitze es durch Geburt. Sogleich ließen die, welche ihn verhören sollten, von ihm ab; der Oberst aber bekam es mit der Angst zu tun, als ihm bewusst wurde, dass er einen römischen Bürger hatte fesseln lassen.« (Apostelgeschichte 22,25-29 ZÜ) Paulus Vor Dem Hohen Rat GNAT 306 1 »Da er aber genau in Erfahrung bringen wollte, weshalb dieser von den Juden angeklagt wurde, ließ er ihm anderntags die Fesseln lösen und befahl den Hohenpriestern und dem ganzen Hohen Rat, sich zu versammeln. Und er ließ Paulus hinunterführen und vor sie treten.« (Apostelgeschichte 22,30 ZÜ) GNAT 306 2 Der Apostel sollte nun von dem gleichen Gericht verhört werden, dem er vor seiner Bekehrung selbst angehört hatte. Innerlich ruhig stand er vor den jüdischen Obersten; seine Gesichtszüge zeugten von dem Frieden Christi. »Paulus schaute sie an und sagte zum Hohen Rat: Brüder, mit reinem Gewissen habe ich mein Leben vor Gott geführt bis auf den heutigen Tag.« (Apostelgeschichte 23,1 ZÜ) Als sie diese Worte hörten, entbrannte ihr Hass aufs Neue, und der Hohepriester Hananias befahl »denen, die bei ihm standen, ihn auf den Mund zu schlagen« (Apostelgeschichte 23,2 ZÜ). Auf diesen rohen Befehl hin erwiderte Paulus: »Dich wird Gott schlagen, du getünchte Wand! Du sitzt hier, um über mich zu richten nach dem Gesetz, und wider das Gesetz befiehlst du, mich zu schlagen? Die Umstehenden sagten: Du willst den Hohen Priester Gottes schmähen?« (Apostelgeschichte 23,3.4 ZÜ) Mit gewohnter Höflichkeit antwortete Paulus: »Ich wusste nicht, Brüder, dass er Hoherpriester ist; es steht ja geschrieben : ›Einem Fürsten deines Volkes sollst du nicht fluchen.‹« (Apostelgeschichte 23,5 ZÜ; vgl. 2. Mose 22,27) GNAT 306 3 »Weil Paulus aber in den Sinn kam, dass der eine Teil zu den Sadduzäern, der andere zu den Pharisäern gehörte, rief er in den Hohen Rat hinein: ›Brüder, ich bin Pharisäer, ein Sohn von Pharisäern. Wegen der Hoffnung und wegen der Auferstehung der Toten stehe ich vor Gericht!‹« (Apostelgeschichte 23,6) GNAT 306 4 »Kaum hatte er das gesagt, gab es Streit zwischen den Pharisäern und den Sadduzäern, und die Versammlung spaltete sich in zwei Lager. Die Sadduzäer sagen nämlich, es gebe weder eine Auferstehung noch Engel noch einen Geist, die Pharisäer dagegen bejahen dies alles.« (Apostelgeschichte 23,7.8 ZÜ) Die beiden Parteien stritten sich nun untereinander, und damit war die Macht ihres Widerstandes gegen Paulus gebrochen. »Einige Schriftgelehrte von der Partei der Pharisäer erhoben sich, legten sich ins Zeug und sagten: Wir können an diesem Menschen nichts Böses finden. Wenn nun doch ein Geist oder ein Engel zu ihm gesprochen hat?« (Apostelgeschichte 23,9 ZÜ) GNAT 307 1 In dem nun folgenden Durcheinander setzten die Sadduzäer alles daran, den Apostel in ihre Gewalt zu bekommen, um ihn zu töten. Ebenso sehr bemühten sich die Pharisäer, ihn zu schützen. »Der Oberst befürchtete schließlich, Paulus könnte von ihnen in Stücke gerissen werden, und befahl der Wachabteilung, herunterzukommen, ihn aus ihrer Mitte herauszuholen und in die Kaserne zu bringen.« (Apostelgeschichte 23,10) War Alles Verkehrt Gewesen? GNAT 307 2 Als Paulus später über die bedrückenden Erlebnisse des Tages nachdachte, überkam ihn die Befürchtung, seine Handlungsweise könnte Gott missfallen haben. War es vielleicht falsch gewesen, überhaupt Jerusalem zu besuchen? Hatte sein sehnlicher Wunsch nach Eintracht mit seinen Brüdern zu diesem unheilvollen Ergebnis geführt? GNAT 307 3 Es tat dem Apostel in der Seele weh, wie sich die Juden als Gottes auserwähltes Volk vor einer ungläubigen Welt zeigten. Was mochten die römischen Offiziere nur über sie denken? Sind das die Anbeter Jahwes - so ihr Anspruch -, die zum heiligen Dienst berufen sind, die sich nun aber von blinder, vernunftloser Wut und bestimmen lassen? Selbst ihre Brüder wollten sie vernichten, nur weil diese es wagten, in religiösen Dingen eine abweichende Meinung zu vertreten, und machten ihre ehrwürdige Ratsversammlung zu einem Schauplatz des Streites und wüsten Durcheinanders. Paulus empfand, dass der Name seines Gottes in den Augen der Römer Schmach erlitten hatte. GNAT 307 4 Und er selbst lag nun im Gefängnis und wusste, dass seine Feinde in ihrer zum Äußersten entschlossenen Bosheit nichts unversucht lassen würden, um ihn zu töten. Konnte es sein, dass sein Wirken für die Gemeinden zu Ende war und jetzt reißende Wölfe bei ihnen eindringen würden? Die Sache Christi lag Paulus sehr am Herzen, und mit tiefer Besorgnis dachte er an die Gefahren für die verstreuten Gemeinden. Sie waren der Verfolgung durch ebensolche Männer ausgesetzt, wie sie ihm im Hohen Rat begegnet waren. Bekümmert und entmutigt weinte und betete er. GNAT 307 5 Doch auch in dieser dunklen Stunde hatte der Herr seinen Diener nicht vergessen. Er hatte ihn in den Vorhöfen des Tempels vor der mörderischen Menge beschützt; er war vor dem Hohen Rat bei ihm gewesen; er war auch in der römischen Festung bei ihm; und er offenbarte sich seinem treuen Zeugen auf dessen ernstes Flehen um Führung hin: »In der folgenden Nacht aber trat der Herr zu ihm und sprach: Fasse Mut! Wie du in Jerusalem für mich Zeugnis abgelegt hast, so sollst du auch in Rom mein Zeuge sein.« (Apostelgeschichte 23,11 ZÜ) GNAT 308 1 Schon lange hatte Paulus gehofft, Rom besuchen zu können. Auch dort wollte er gern Zeuge für Christus sein, hatte aber den Eindruck gewonnen, dass seine Absichten durch die Feindseligkeit der Juden vereitelt wurden. Dass er ausgerechnet als Gefangener dorthin kommen würde, konnte er jetzt noch kaum glauben. Ein Anschlag Auf Paulus GNAT 308 2 Während der Herr seinem Diener Mut zusprach, planten die Feinde des Paulus eifrig dessen Ermordung. »Als es Tag wurde, taten sich die Juden heimlich zusammen und schworen sich, weder zu essen noch zu trinken, bis sie Paulus getötet hätten. Es waren mehr als 40 Männer an dieser Verschwörung beteiligt.« (Apostelgeschichte 23,12.13 ZÜ) Das war ein Fasten, wie es der Herr durch Jesaja verurteilt hatte: »Wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein.« (Jesaja 58,4) GNAT 308 3 Die Verschwörer »gingen zu den Hohenpriestern und Ältesten und sagten: Wir wollen verflucht sein, wenn wir Speise zu uns nehmen, bevor wir Paulus getötet haben. Ihr aber sollt jetzt mit dem Hohen Rat zusammen beim Oberst vorstellig werden mit der Bitte, ihn zu euch hinunterzuführen, weil ihr seinen Fall genauer untersuchen möchtet. Wir aber halten uns bereit, ihn zu töten, bevor er sich dem Ort nähert« (Apostelgeschichte 23,14.15 ZÜ). Anstatt diesen grausamen Anschlag entschieden zu verurteilen, stimmten ihm die Hohenpriester und Obersten sofort zu. Paulus hatte die Wahrheit gesprochen, als er Hananias mit einer getünchten Wand verglich. GNAT 308 4 Doch Gott griff ein, um das Leben seines Dieners zu retten. »Der Sohn der Schwester des Paulus aber hörte von dem geplanten Anschlag; er kam, verschaffte sich Zutritt zur Kaserne und berichtete Paulus davon. Paulus ließ einen der Hauptleute zu sich rufen und sagte zu ihm: Führe diesen jungen Mann zum Oberst, denn er hat ihm etwas mitzuteilen. Der nahm ihn mit, führte ihn zum Oberst und sagte: Der Gefangene Paulus hat mich zu sich rufen lassen und mich gebeten, diesen jungen Mann zu dir zu führen, er habe dir etwas zu sagen.« (Apostelgeschichte 23,16-18 ZÜ) GNAT 308 5 Freundlich empfing Klaudius Lysias den jungen Mann, nahm ihn zur Seite und fragte ihn: »Was hast du mir mitzuteilen?« Der Jüngling erwiderte: »Die Juden sind übereingekommen, dich zu bitten, Paulus morgen zum Hohen Rat hinunterführen zu lassen, man wolle dort Genaueres über ihn erfahren. Du aber traue ihnen nicht! Denn unter ihnen sind mehr als vierzig Männer, die ihm auflauern; sie haben sich geschworen, weder zu essen noch zu trinken, bis sie ihn getötet haben. Sie stehen jetzt bereit und warten auf die Zusage von deiner Seite. Da entließ der Oberst den jungen Mann und schärfte ihm ein: Sag niemandem, dass du mir dies hinterbracht hast.« (Apostelgeschichte 23,19-22 ZÜ) In Schutzhaft GNAT 309 1 Lysias beschloss sofort, Paulus aus seiner eigenen Gerichtsbarkeit an die des Statthalters Felix zu überstellen. Das jüdische Volk befand sich in einem Zustand der Erregung und Gereiztheit, und Aufruhr war an der Tagesordnung. Die weitere Anwesenheit des Apostels in Jerusalem konnte gefährliche Folgen für die Stadt und sogar für den Kommandanten selbst haben. Deshalb rief er »zwei Hauptleute zu sich und sagte: Stellt für die dritte Stunde der Nacht 200 Soldaten bereit zum Abmarsch nach Cäsarea, ebenso 70 Reiter und 200 Leichtbewaffnete. Auch Reittiere soll man bereithalten, damit Paulus aufsitzen und man ihn wohlbehalten zum Statthalter Felix bringen kann« (Apostelgeschichte 23,23.24 ZÜ). GNAT 309 2 Wollte man Paulus wegbringen, so durfte man keine Zeit verlieren. »Die Soldaten übernahmen Paulus, wie ihnen befohlen war, und brachten ihn in der Nacht nach Antipatris.« (Apostelgeschichte 23,31 ZÜ) Von dort zogen die Reiter mit dem Gefangenen weiter nach Cäsarea, während die 400 Soldaten nach Jerusalem zurückkehrten. GNAT 309 3 Der Befehlshaber der Abteilung übergab den Gefangenen an Felix und überreichte ihm gleichzeitig einen Brief, den der Oberst ihm anvertraut hatte: »Claudius Lysias an den edlen Statthalter Felix: Sei gegrüßt! Dieser Mann wurde von den Juden in ihre Gewalt gebracht und sollte von ihnen umgebracht werden. Da bin ich mit der Wachmannschaft eingeschritten und habe ihn befreit; ich hatte nämlich vernommen, dass er römischer Bürger ist. Und da ich den Grund für ihre Anschuldigungen erfahren wollte, ließ ich ihn vor ihren Hohen Rat führen. Dabei habe ich festgestellt, dass er nur wegen strittiger Fragen, die ihr Gesetz betreffen, angeklagt wird, dass ihm aber nichts vorgeworfen wird, worauf Tod oder Haft steht. Da mir aber angezeigt wurde, auf den Mann sei ein Anschlag geplant, habe ich ihn sogleich zu dir geschickt; auch habe ich die Kläger angewiesen, sie sollten bei dir vorbringen, was sie ihm vorzuwerfen haben.« (Apostelgeschichte 23,2630 ZÜ) GNAT 309 4 Als Felix die Mitteilung gelesen hatte, fragte er, aus welcher Provinz der Gefangene stamme. »Als er erfuhr, dass er aus Zilizien sei, sagte er zu ihm: ›Ich werde dich verhören, sobald deine Ankläger eingetroffen sind.‹ Und er gab Befehl, ihn im Prätorium des Herodes gefangen zu halten.« (Apostelgeschichte 23,34.35) GNAT 310 1 Im Fall von Paulus war es nicht das erste Mal, dass ein Diener Gottes bei Nichtjuden vor der Bosheit derer Schutz gefunden hatte, die sich als Volk des Herrn ausgaben. In ihrer Wut gegen Paulus hatten die Juden der dunklen Liste, die die Geschichte dieses Volkes kennzeichnete, ein weiteres Verbrechen hinzugefügt. Sie hatten ihre Herzen noch mehr gegen die Wahrheit verhärtet und damit ihren eigenen Untergang noch gewisser gemacht. GNAT 310 2 Nur wenige erfassen die volle Bedeutung der Worte, die Jesus in der Synagoge von Nazareth sagte, als er sich selbst als den Gesalbten zu erkennen gab. Er bezeichnete es als seine Aufgabe, die Betrübten und Sündenbeladenen zu trösten, glücklich zu machen und zu erretten. Als er dann aber sah, wie Stolz und Unglauben das Herz seiner Zuhörer beherrschten, erinnerte er sie daran, dass Gott sich in vergangenen Zeiten von seinem auserwählten Volk abgewandt hatte, weil es voll Unglaubens und Empörung war, und sich in den Heidenländern denen offenbarte, die das göttliche Licht nicht zurückwiesen. Die Witwe von Sarepta und Naaman, der Syrer, hatten nach dem ganzen ihnen zuteil gewordenen Licht gelebt und wurden deshalb gerechter erfunden als Gottes auserwähltes Volk, das von ihm abgefallen war und um Bequemlichkeit und irdischer Ehre willen seine Grundsätze preisgegeben hatte. GNAT 310 3 Jesus sagte den Juden in Nazareth eine erschreckende Wahrheit, als er ihnen erklärte, dass der treue Gottesbote im abgefallenen Israel nicht sicher leben könne. Sie würden weder seinen Wert erkennen noch sein Wirken recht schätzen. Während die jüdischen Leiter vorgaben, sich mit großem Eifer für Gottes Ehre und das Wohl des Volkes einzusetzen, waren sie beider Feinde. Durch ihre Satzungen und ihr Beispiel führten sie das Volk immer weiter vom Gehorsam Gott gegenüber ab und dahin, wo Gott am Tag der Trübsal nicht ihr Schutz sein konnte. Die Gemeinde Beraubt Sich Ihrer Diener GNAT 310 4 Die tadelnden Worte des Erlösers an die Menschen in Nazareth galten im Fall des Paulus nicht nur den ungläubigen Juden, sondern seinen eigenen Brüdern im Glauben. Hätten die Leiter der Gemeinde ihren Groll dem Apostel gegenüber völlig abgelegt und ihn als den anerkannt, der von Gott speziell berufen war, das Evangelium zu den Heiden zu bringen, dann hätte ihn der Herr ihnen erhalten. Dass das Wirken des Paulus so bald enden sollte, hatte Gott nicht verfügt; doch hat er auch kein Wunder bewirkt, um den Ablauf der Umstände aufzuhalten, den die Handlungsweise der Leiter der Jerusalemer Gemeinde verursacht hatte. GNAT 311 1 Dieselbe Gesinnung führt immer noch zu denselben Folgen. Die Gemeinde hat sich selbst schon mancher Segnung beraubt, weil sie versäumte, die durch Gottes Gnade geschenkten Gelegenheiten recht zu schätzen und zu nutzen. Gar oft hätte der Herr die Wirksamkeit manch eines treuen Dieners verlängert, wenn dessen Arbeit gewürdigt worden wäre. Lassen die Gemeindeleiter es aber zu, dass der Feind der Menschen das Verständnis verdreht, sodass sie die Worte und Taten eines Dieners Christi entstellen und missdeuten, und wagen sie es, sich ihm hindernd in den Weg zu stellen und sein Wirken zu beeinträchtigen, dann entzieht der Herr ihnen zuweilen den verliehenen Segen. GNAT 311 2 Satan wirkt dauernd durch seine Werkzeuge, um diejenigen zu entmutigen und zu verderben, die Gott erwählt hat, ein großartiges und gutes Werk zu tun. Selbst wenn diese bereit sind, für die Förderung der Sache Christi ihr Leben hinzugeben, wird der Erzbetrüger doch versuchen, bei ihren Brüdern gegen sie Zweifel zu erwecken. Wird diesen Zweifeln Raum gegeben, dann werden sie das Vertrauen in die Rechtschaffenheit der Erwählten untergraben und so ihr Wirken beeinträchtigen. Nur zu oft gelingt es Satan, ihnen durch ihre eigenen Brüder solche Herzensnot zu bereiten, dass Gott in seiner Barmherzigkeit eingreifen muss, um seinen verfolgten Dienern Ruhe zu geben. Erst wenn deren Hände über der regungslosen Brust gefaltet liegen und ihre warnende und ermutigende Stimme verstummt ist, mögen die Verstockten schließlich aufgerüttelt werden und erkennen, welch wertvolle Segnungen sie von sich gewiesen haben. Der Tod dieser Gottesdiener mag vielleicht bewirken, was ihrem Leben versagt geblieben ist. ------------------------Kapitel 39 -- Das Verhör In Cäsarea GNAT 312 0 Apostelgeschichte 24. GNAT 312 1 Fünf Tage nach der Ankunft von Paulus in Cäsarea trafen seine Ankläger aus Jerusalem dort ein, begleitet von Tertullus, einem Redner, den sie sich zum Anwalt genommen hatten. Der Fall kam zügig zur Verhandlung. Paulus wurde vor die Versammlung gestellt, und dann »fing Tertullus an, ihn anzuklagen« (Apostelgeschichte 24,2a). Der verschlagene Redner ging davon aus, dass Schmeicheleien eine stärkere Wirkung auf den römischen Statthalter ausüben würden als die einfache Darlegung von Wahrheit und Recht. Daher begann er seine Ausführungen mit einem Lobpreis auf Felix und erklärte: »Dass wir in großem Frieden leben unter dir und dass diesem Volk viele Wohltaten widerfahren sind durch deine Fürsorge, edelster Felix, das erkennen wir allezeit und überall mit aller Dankbarkeit an.« (Apostelgeschichte 24,2b.3) GNAT 312 2 Tertullus ließ sich hier zu offenkundiger Unwahrhaftigkeit herab, denn Felix besaß einen verachtenswerten Charakter. Von ihm hieß es, dass er »in jeder Art von Tyrannei und Willkür sein Königsrecht mit Sklavenlaune ausübte« (Tacitus, »Historien«, V, 9). GNAT 312 3 Diejenigen, die Tertullus zuhörten, wussten, dass seine Schmeicheleien unwahr waren, doch ihr Wunsch, die Verurteilung des Paulus zu erreichen, war stärker als ihre Wahrheitsliebe. Fadenscheinige Anklage, Kompetente Verteidigung GNAT 312 4 In seiner Rede legte Tertullus Paulus Verbrechen zur Last, die dessen Verurteilung wegen Hochverrats zur Folge gehabt hätten, wenn sie nachweisbar gewesen wären. »Wir haben erkannt«, erklärte er mit Pathos, »dass dieser Mann schädlich ist und dass er unter allen Juden auf dem ganzen Erdkreis Aufruhr erregt und dass er ein Anführer der Sekte der Nazarener ist. Er hat auch versucht, den Tempel zu entweihen.« (Apostelgeschichte 24,5.6) Dann erklärte Tertullus, Lysias, der Befehlshaber der Garnison in Jerusalem, habe Paulus den Juden mit Gewalt entrissen, als diese ihn gerade nach ihrem religiösen Recht richten wollten. Dadurch habe er sie gezwungen, die Angelegenheit vor Felix zu bringen. Diese Ausführungen wurden in der Absicht gemacht, den Statthalter zu veranlassen, Paulus an den jüdischen Gerichtshof zu überstellen. Alle Anklagepunkte wurden von den anwesenden Juden leidenschaftlich unterstützt, die sich nicht bemühten, ihren Hass auf den Gefangenen zu verbergen. GNAT 313 1 Felix besaß genügend Scharfsinn, um den Charakter und das Ansinnen der Ankläger des Paulus zu durchschauen. Er erkannte, aus welchem Beweggrund sie ihm geschmeichelt hatten, und sah auch, dass ihre Anklagen gegen Paulus nicht stichhaltig waren. Er wandte sich an den Angeklagten und gab ihm ein Zeichen, sich selbst zu verantworten. Paulus verschwendete keine Worte mit Komplimenten, sondern stellte einfach fest, dass er sich ganz unerschrocken vor Felix verteidigen könne, da Letzterer schon seit vielen Jahren Statthalter sei und daher eine gute Kenntnis der Gesetze und Bräuche der Juden habe. GNAT 313 2 Klar wies er darauf hin, dass von den Anklagepunkten, die gegen ihn vorgebracht wurden, nicht ein einziger der Wahrheit entspreche. Er erklärte, dass er weder einen Aufruhr in irgendeinem Teil Jerusalems angezettelt noch das Heiligtum entweiht habe: »Sie haben mich weder im Tempel noch in den Synagogen noch in der Stadt dabei gefunden, wie ich mit jemandem gestritten oder einen Aufruhr im Volk gemacht hätte. Sie können dir auch nicht beweisen, wessen sie mich jetzt verklagen.« (Apostelgeschichte 24,12.13) GNAT 313 3 Er bekannte, dass er »nach dem Weg, den sie eine Sekte nennen«, dem Gott seiner Väter diene, versicherte aber zugleich, dass er immer »geglaubt habe, »was geschrieben steht im Gesetz und in den Propheten« (Apostelgeschichte 24,14). In Übereinstimmung mit den klaren Lehren der Heiligen Schrift halte er am Glauben an die Auferstehung der Toten fest. Weiter erklärte er, dass es der oberste Grundsatz seines Lebens sei, »allezeit ein unverletztes Gewissen zu haben vor Gott und den Menschen« (Apostelgeschichte 24,16). GNAT 314 4 Offen und ohne Umschweife berichtete er von dem Zweck seines Besuchs in Jerusalem und von den Umständen, die zu seiner Verhaftung und zum Verhör geführt hatten. »Nach mehreren Jahren aber bin ich gekommen, um Almosen für mein Volk zu überbringen und zu opfern. Als ich mich im Tempel reinigte, ohne Auflauf und Getümmel, fanden mich dabei einige Juden aus der Provinz Asien. Die sollten jetzt hier sein vor dir und mich verklagen, wenn sie etwas gegen mich hätten. Oder lass diese hier selbst sagen, was für ein Unrecht sie gefunden haben, als ich vor dem Hohen Rat stand; es sei denn dies eine Wort, das ich rief, als ich unter ihnen stand: Um der Auferstehung der Toten willen werde ich von euch heute angeklagt.« (Apostelgeschichte 24,17-21) GNAT 314 1 Der Apostel sprach ernsthaft und mit erkennbarer Aufrichtigkeit; seine Worte hatten eine überzeugende Wirkung. Klaudius Lysias hatte in seinem Brief an Felix über das Verhalten des Paulus ein ähnliches Zeugnis ausgestellt. Außerdem hatte Felix eine bessere Kenntnis der jüdischen Religion, als viele vermuteten. Die schlichte Darstellung der Fakten in dieser Sache ermöglichte es Felix, die Motive der Juden noch klarer zu verstehen, durch die sie sich leiten ließen, als sie versuchten, den Apostel der Aufwiegelung und verräterischer Machenschaften zu überführen. Der Statthalter wollte sie nicht zufriedenstellen, indem er ungerechtfertigt einen römischen Bürger verurteilte, auch wollte er ihnen Paulus nicht ausliefern, sodass sie ihn ohne gebührenden Prozess töten konnten. Doch Felix kannte kein höheres Motiv als Eigennutz, und er ließ sich von seinem Streben nach Lob und Beförderung beherrschen. Die Angst, die Juden zu beleidigen, hielt ihn davon zurück, einem Mann, den er als unschuldig ansah, volle Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Deshalb entschied er, den Prozess zu verschieben, bis Lysias anwesend sei, und sagte: »Wenn der Oberst Lysias herabkommt, so will ich eure Sache entscheiden.« (Apostelgeschichte 24,22) GNAT 314 2 Damit blieb der Apostel ein Gefangener, aber Felix befahl dem Hauptmann, der für Paulus verantwortlich war, ihn »in leichtem Gewahrsam« zu behalten und »niemandem von den Seinen zu wehren, ihm zu dienen« (Apostelgeschichte 24,23). Aufdeckung Der Sünde Und Ruf Zum Glauben GNAT 314 3 Nicht lange darauf ließen Felix und seine Frau Drusilla Paulus kommen, um in einem vertraulichen Gespräch etwas »über den Glauben an Christus Jesus« zu erfahren (Apostelgeschichte 24,24). Sie waren gewillt und sogar eifrig darauf bedacht, sich diese neuen Wahrheiten anzuhören - Wahrheiten, die sie möglicherweise nie wieder hören würden und die - falls sie sie zurückwiesen - sich am Tage Gottes unmittelbar als Zeugnis gegen sie erweisen würden. GNAT 314 4 Paulus betrachtete dies als eine von Gott gegebene Gelegenheit, und er nutzte sie gewissenhaft. Er wusste sehr wohl, dass er vor jemandem stand, der die Macht hatte, ihn zum Tode zu verurteilen oder freizulassen. Trotzdem wandte er sich nicht mit Lob und Schmeichelei an Felix und Drusilla. Ihm war bewusst, dass seine Worte für sie »ein Geruch des Lebens oder des Todes« sein würden (2. Korinther 2,16), und indem er alle eigennützigen Überlegungen beiseite ließ, versuchte er in ihnen ein Empfinden dafür zu wecken, in welcher Gefahr sie standen. GNAT 315 1 Der Apostel war sich bewusst, dass das Evangelium an jeden Ansprüche stellt, der seinen Worten zuhörte, und dass derjenige eines Tages entweder unter den Reinen und Heiligen um den großen weißen Thron oder bei denen stehen würde, zu denen Christus sagen wird: »Weicht von mir, ihr Übeltäter!« (Matthäus 7,23) Er wusste, dass er jedem seiner Zuhörer vor dem Gericht des Himmels wieder begegnen würde und dort Rechenschaft ablegen müsste - nicht nur über alles, was er gesagt und getan hatte, sondern auch über das Motiv und den Geist seiner Worte und Taten. GNAT 315 2 Felix hatte sich bisher so gewalttätig und grausam verhalten, dass nur wenige es überhaupt gewagt hatten, ihm auch nur anzudeuten, sein Charakter und Verhalten sei nicht fehlerlos. Paulus aber hatte keine Menschenfurcht. Er bekannte klar seinen Glauben an Christus und die Gründe dafür und wurde dazu bewegt, speziell von jenen Tugenden zu sprechen, die für einen christlichen Charakter wesentlich sind, die jedoch dem hochmütigen Paar vor ihm auffällig fehlten. GNAT 315 3 Paulus stellte Felix und Drusilla den erhabenen Charakter Gottes vor Augen - dessen Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit und Unparteilichkeit und das Wesen seines Gesetzes. Deutlich wies er darauf hin, dass es die Pflicht der Menschen sei, ein Leben der Nüchternheit und Mäßigkeit zu führen, die Leidenschaften unter der Herrschaft der Vernunft zu halten - in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz und die körperlichen und geistigen Kräfte gesund zu erhalten. Er erklärte, dass gewiss ein Tag des Gerichts kommen werde, an dem »jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse« (2. Korinther 5,10), und an dem klar offenbar werde, dass Reichtum, Stellung oder Titel nutzlos seien, um die Gunst Gottes für den Menschen zu gewinnen oder ihn von den Folgen der Sünden zu befreien. Er legte dar, dass das irdische Leben für den Menschen die Zeit der Vorbereitung auf das zukünftige Leben ist. Wenn man gegenwärtige Vorrechte und Gelegenheiten missachtet, würde man einen ewigen Verlust erleiden; eine neue Chance zur Bewährung würde es nicht mehr geben. GNAT 315 4 Paulus legte besonderen Nachdruck auf die weitreichenden Ansprüche des Gesetzes Gottes. Er zeigte, wie es bis in die tiefsten Geheimnisse der moralischen Natur des Menschen hineinreicht und das, was vor dem Blick und der Kenntnis von Menschen verborgen ist, mit Licht durchflutet. Was die Hände tun mögen oder die Zunge äußern mag - was das äußerliche Leben offenbart -, zeigt nur unvollkommen den wahren Charakter eines Menschen. Das Gesetz durchleuchtet seine Gedanken, Beweggründe und Absichten. Die dunklen Leidenschaften, die vor menschlichen Blicken verborgen bleiben, die Eifersucht, der Hass, die Lüste und der Ehrgeiz, die bösen Taten, die in den dunklen Winkeln der Seele erdacht wurden, doch aus Mangel an Gelegenheit nie zur Ausführung kamen - all dies wird von Gottes Gesetz verurteilt. GNAT 316 1 Paulus bemühte sich, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf das eine große Opfer für die Sünden zu lenken. Er wies auf die Opferhandlungen hin, die als »Schatten der zukünftigen Güter« (Hebräer 10,1) eingesetzt waren. Schließlich stellte er Christus als die Erfüllung all jener Zeremonien dar (den Antitypus) - das Ziel, auf den sie hingewiesen hatten als die einzige Quelle des Lebens und der Hoffnung für die gefallenen Menschen. Die Gläubigen der alttestamentlichen Zeit wurden durch das Vertrauen auf das Blut Christi gerettet. Wenn sie den Todeskampf der Opfertiere miterlebten, blickten sie über die Zeitalter hinweg auf das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt wegnehmen sollte. GNAT 316 2 Zu Recht beansprucht Gott die Liebe und den Gehorsam all seiner Geschöpfe. Er hat ihnen in seinem Gesetz einen vollkommenen Maßstab für Rechtschaffenheit gegeben. Doch viele vergessen ihren Schöpfer und entscheiden sich, im Gegensatz zu dessen Willen ihren eigenen Weg zu gehen. Sie vergelten die Liebe, die so hoch wie der Himmel und so weit wie das Universum ist, mit Feindschaft. Gott kann die Forderungen seines Gesetzes nicht herabsetzen, um den Vorstellungen boshafter Menschen zu entsprechen; auch kann der Mensch in seiner eigenen Kraft nicht den Forderungen des Gesetzes nachkommen. Nur durch den Glauben an Christus kann ein Sünder von seiner Schuld gereinigt und befähigt werden, dem Gesetz seines Schöpfers Gehorsam zu leisten. GNAT 316 3 Auf diese Weise betonte der Gefangene Paulus die Ansprüche des göttlichen Gesetzes gegenüber Juden und Heiden und stellte Jesus, den verachteten Nazarener, als Sohn Gottes und Erlöser der Welt dar. Eine Verpasste Chance GNAT 316 4 Die jüdische Fürstentochter Drusilla verstand die Heiligkeit jenes Gesetzes gut, das sie schamlos übertreten hatte, doch ihr Vorurteil gegenüber dem Mann von Golgatha verhärtete ihr Herz auch gegenüber dem Wort des Lebens. GNAT 317 1 Felix aber hatte die Wahrheit noch nie gehört, und als Gottes Geist ein Bewusstsein seiner Schuld in seine Seele legte, wurde er tief in seinem Innern aufgewühlt. Das nun geweckte Gewissen sprach zu ihm, und Felix spürte, dass die Worte des Paulus zutrafen. Erinnerungen an seine schuldbeladene Vergangenheit wurden wach. Mit erschreckender Deutlichkeit stiegen vor ihm die verborgenen Taten seines früheren Lebens voller Lasterhaftigkeit und Blutvergießens auf, und auch in seinem späteren Leben gab es dunkle Flecken. Er sah sich selbst als ausschweifend, grausam und raffgierig. Nie zuvor hatte die Wahrheit sein Herz so tief getroffen; nie zuvor war seine Seele so vom Schrecken gepackt worden. Die Vorstellung, dass alle verborgenen Taten seiner verbrecherischen Laufbahn vor den Augen Gottes offen lagen und er nach seinen Taten gerichtet werden sollte, ließ ihn vor Schrecken erzittern. GNAT 317 2 Doch statt sich von seinem Schuldgefühl zur Reue führen zu lassen, versuchte er, diese unwillkommenen Gedanken abzuweisen. Er brach die Unterredung mit Paulus ab: »Für diesmal geh! Zu gelegener Zeit will ich dich wieder rufen lassen.« (Apostelgeschichte 24,25) GNAT 317 3 Wie groß war doch der Gegensatz zwischen dem Verhalten des Felix und dem des Gefängnisaufsehers von Philippi! So wie jetzt Paulus vor Felix stand, waren auch die gefesselten Mitarbeiter Jesu zum Gefängnisaufseher gebracht worden. Die Beweise dafür, dass sie durch eine göttliche Macht geleitet waren, ihre Freude trotz Leiden und Schmach, ihre Furchtlosigkeit, als das Erdbeben den Boden schwanken ließ, und ihr Geist der christusähnlichen Vergebungsbereitschaft überzeugten das Herz des Gefängnisaufsehers. Zitternd bekannte er seine Sünden und fand Vergebung (vgl. Apostelgeschichte 16,23-34). Felix zitterte auch, doch er bereute nicht. Der Gefängnisaufseher ließ den Geist Gottes mit Freuden in sein Herz und sein Haus hinein; Felix sandte den Boten Gottes fort. Der eine entschied sich, ein Kind Gottes und Erbe des Himmels zu werden; der andere stellte sich auf die Seite der Übeltäter. Verzögerung Des Gerichtsverfahrens GNAT 317 4 Zwei Jahre lang wurde keine weitere Maßnahme gegen Paulus ergriffen, doch er blieb ein Gefangener. Felix besuchte ihn mehrere Male und hörte seinen Worten aufmerksam zu. Doch der wahre Beweggrund für diese scheinbare Freundlichkeit war sein Verlangen nach Gewinn. Er deutete an, dass Paulus durch die Zahlung einer großen Summe Geldes seine Freilassung sichern könnte (vgl. Apostelgeschichte 24,26). Die Gesinnung des Apostels war jedoch zu edel, um sich durch Bestechung freizukaufen. Er war keines Verbrechens schuldig, und er wollte sich nicht dazu herablassen, ein Unrecht zu tun, um die Freiheit zu erlangen. Darüber hinaus war er selbst zu arm, um solch ein Lösegeld zu bezahlen, selbst wenn er dazu bereit gewesen wäre. Er wollte auch nicht für sich selbst an das Mitgefühl und die Freigebigkeit derer appellieren, die von ihm zum Glauben bekehrt worden waren. Er wusste sich zudem in den Händen Gottes und wollte dessen Absichten mit ihm nicht durchkreuzen. GNAT 318 1 Schließlich wurde Felix wegen grober Verfehlungen gegenüber den Juden nach Rom gerufen. Ehe er Cäsarea verließ, um dieser Vorladung nachzukommen, wollte er »den Juden eine Gunst erweisen« und ordnete an, dass Paulus im Gefängnis bleiben sollte (Apostelgeschichte 24,27). Doch dieser Versuch, das Vertrauen der Juden zurückzugewinnen, war erfolglos. Er fiel in Ungnade und wurde seines Amtes enthoben. Porzius Festus wurde zu seinem Nachfolger ernannt, mit Amtssitz in Cäsarea. GNAT 318 2 Felix hatte einen Lichtstrahl vom Himmel erhalten, als Paulus »von einem Leben nach Gottes Geboten, von der Zügelung der Leidenschaften und vom kommenden Gericht Gottes« gesprochen hatte. Dies war die Gelegenheit, die ihm der Himmel gab, um seine Sünden zu bekennen und von ihnen abzulassen. Zu dem Boten Gottes aber sagte er: »Für diesmal ist es genug, du kannst jetzt gehen! Wenn ich wieder Zeit habe, lasse ich dich holen.« (Apostelgeschichte 24,25 GNB) Er hatte das letzte Gnadenangebot zurückgewiesen. Nie wieder würde er einen weiteren Ruf Gottes erhalten. ------------------------Kapitel 40 -- Paulus Beruft Sich Auf Den Kaiser GNAT 319 0 Apostelgeschichte 25,1-12. GNAT 319 1 »Als nun Festus ins Land gekommen war, zog er nach drei Tagen von Cäsarea hinauf nach Jerusalem. Da erschienen die Hohenpriester und die Angesehensten der Juden vor ihm gegen Paulus und drangen in ihn und baten ihn um die Gunst, dass er Paulus nach Jerusalem kommen ließe.« (Apostelgeschichte 25,1-3) Diese Bitte äußerten sie in der Absicht, Paulus auf dem Weg nach Jerusalem zu überfallen und umzubringen. Aber Festus nahm die Verantwortung, die er aufgrund seiner Stellung trug, sehr ernst und lehnte das Ansinnen, Paulus holen zu lassen, höflich und bestimmt ab. »Es ist der Römer Art nicht«, erklärte er, »einen Angeklagten preiszugeben, bevor er seinen Klägern gegenüberstand und Gelegenheit hatte, sich gegen die Anklage zu verteidigen.« (Apostelgeschichte 25,16) »Er selber aber werde in Kürze wieder dahin [nach Cäsarea] ziehen. Die nun unter euch ermächtigt sind, sprach er, die lasst mit hinabziehen und den Mann verklagen, wenn etwas Unrechtes an ihm ist.« (Apostelgeschichte 25,4.5) GNAT 319 2 Gerade das aber wollten die Juden nicht. Sie hatten ihre frühere Niederlage in Cäsarea nicht vergessen. Im Gegensatz zu der ruhigen Haltung und den überzeugenden Argumenten des Apostels erschien ihr boshafter Geist und ihre grundlosen Beschuldigungen im allerschlechtesten Licht. Erneut drängten sie darauf, dass Paulus zur Verhandlung nach Jerusalem gebracht werden sollte; aber Festus hielt beharrlich daran fest, Paulus in Cäsarea eine ordnungsgemäße gerichtliche Untersuchung zu gewähren. Gott in seiner Vorsehung lenkte Festus in dieser Entscheidung, damit das Leben des Apostels bewahrt werden konnte. Nicht Vor Das Gericht Des Eigenen Volkes GNAT 320 1 Als die jüdischen Leiter ihre Absicht vereitelt sahen, trafen sie sofort Vorbereitungen, vor dem Gerichtshof des Statthalters gegen Paulus auszusagen. Nachdem Festus von seinem mehrtägigen Aufenthalt in Jerusalem nach Cäsarea zurückgekehrt war, setzte er sich gleich am folgenden Tag »auf den Richterstuhl und ließ Paulus holen. Als der aber vor ihn kam, umringten ihn die Juden, die von Jerusalem herabgekommen waren, und brachten viele und schwere Klagen gegen ihn vor, die sie aber nicht beweisen konnten« (Apostelgeschichte 25,6.7). Diesmal hatten die Juden keinen Anwalt bei sich, sondern trugen ihre Anklagen selbst vor. Im Laufe der Verhandlung wies der Angeklagte mit Ruhe und Offenheit die Falschheit ihrer Behauptungen nach. GNAT 320 2 Festus erkannte, dass es bei der strittigen Sache ausschließlich um jüdische Glaubenslehren ging und es in den Anklagen gegen Paulus - selbst wenn sie bewiesen werden könnten - nichts gab, was ein Todesurteil oder auch nur eine Gefängnisstrafe rechtfertigen würde. Doch konnte er sich gut vorstellen, welch ein Sturm der Entrüstung losbrechen würde, falls Paulus nicht verurteilt oder in ihre Hände ausgeliefert würde. Deshalb, und weil Festus »den Juden eine Gunst erweisen« wollte (Apostelgeschichte 25,9), wandte er sich an Paulus und fragte ihn, ob er bereit wäre, unter seinem Schutz nach Jerusalem zu reisen, um dort vor das Gericht des Hohen Rates gestellt zu werden. GNAT 320 3 Der Apostel wusste, dass er von jenen Menschen, die durch Untaten den Zorn Gottes auf sich luden, keine Gerechtigkeit erwarten konnte, und dass er wie der Prophet Elia unter Nichtjuden sicherer sein würde als bei denen, die himmlisches Licht verworfen und ihr Herz gegen das Evangelium verhärtet hatten. Des Streites müde konnte sein reger Geist nur schwer die wiederholten Verzögerungen und die zermürbende Ungewissheit seines Prozesses und der Gefangenschaft ertragen. Deshalb beschloss er, als römischer Bürger von seinem Recht Gebrauch zu machen, sich auf den Kaiser zu berufen. GNAT 320 4 Paulus antwortete auf die Frage des Statthalters: »Ich stehe vor des Kaisers Gericht; da muss ich gerichtet werden. Den Juden habe ich kein Unrecht getan, wie auch du sehr wohl weißt. Habe ich aber Unrecht getan und todeswürdig gehandelt, so weigere ich mich nicht zu sterben; ist aber nichts an dem, dessentwegen sie mich verklagen, so darf mich ihnen niemand preisgeben. Ich berufe mich auf den Kaiser!« (Apostelgeschichte 25,10.11) GNAT 320 5 Festus wusste nichts von den Verschwörungen der Juden, Paulus zu ermorden, und war daher von dieser Berufung auf den Kaiser überrascht. Jedoch setzten die Worte des Apostels dem gerichtlichen Verfahren ein Ende. »Da besprach sich Festus mit seinen Ratgebern und antwortete: Auf den Kaser hast du dich berufen, zum Kaiser sollst du ziehen.« (Apostelgeschichte 25,12) GNAT 321 1 So kam es wieder einmal dazu, dass infolge des Hasses, der aus blindem Eifer und Selbstgerechtigkeit geboren war, ein Diener Gottes dazu getrieben wurde, bei Heiden Schutz zu suchen. Der gleiche Hass hatte den Propheten Elia gezwungen, zu der Witwe von Sarepta zu fliehen, um bei ihr Schutz zu finden; und er zwang die Verkündiger des Evangeliums, sich von den Juden abzuwenden, um ihre Botschaft den Heiden zu bringen. Dem gleichen Hass wird sich das Volk Gottes, das in unserer Zeit lebt, ebenfalls stellen müssen. Bei vielen bekennenden Nachfolgern Christi gibt es denselben Stolz und Formalismus, dieselbe Selbstsucht, denselben Geist der Unterdrückung, der im Herzen der Juden einen so breiten Raum einnahm. In der Zukunft werden Menschen, die beanspruchen, Christi Repräsentanten zu sein, eine Handlungsweise annehmen, die der Haltung ähnlich ist, die die jüdischen Hohenpriester und Obersten in ihrer Behandlung Christi und der Apostel zeigten. In der großen Krise, die ihnen bald begegnen wird, werden die treuen Mitarbeiter Gottes derselben Herzenshärte, derselben grausamen Entschlossenheit und demselben unbeugsamen Hass begegnen. GNAT 321 2 Alle, die in jener bösen Zeit nach den Weisungen ihres Gewissens Gott furchtlos dienen wollen, werden Mut, Festigkeit und eine Erkenntnis Gottes und seines Wortes benötigen. Die Gläubigen, die treu zu Gott stehen, werden verfolgt, ihre Beweggründe angefochten und ihre besten Bemühungen fehlgedeutet werden und sogar als »böse« verleumdet werden. Satan wird sich mit all seiner täuschenden Macht darum bemühen, das Herz zu beeinflussen und das Verständnis zu vernebeln, um Böses als gut und Gutes als böse erscheinen zu lassen. Je stärker und reiner der Glaube des Volkes Gottes ist und je fester seine Entschlossenheit, Gott zu gehorchen, umso verbissener wird Satan danach trachten, gegen diese Menschen die Wut derer zu entfachen, die zwar beanspruchen, rechtschaffen zu sein, die aber Gottes Gesetz mit Füßen treten. Es wird das festeste Vertrauen und die mutigste Entschlossenheit nötig sein, um an dem Glauben festzuhalten, der einst »den Heiligen überliefert« wurde (Judas 3b). GNAT 321 3 Gott wünscht, dass sich sein Volk auf die nahe bevorstehende Krise vorbereitet. Ob vorbereitet oder nicht - jeder wird ihr begegnen; und nur wer sein Leben in Übereinstimmung mit dem göttlichen Maßstab gebracht hat, wird in jener Zeit der Anfechtung und Prüfung standhaft bleiben. Wenn weltliche Herrscher sich mit Religionsführern vereinigen, um in Gewissensangelegenheiten Vorschriften zu machen, dann wird sich erweisen, wer Gott wirklich fürchtet und ihm dient. Wenn die Dunkelheit am größten ist, wird das Licht eines gottähnlichen Charakters am hellsten scheinen. Wenn jede andere Stütze versagt, wird sich zeigen, wer ein beständiges Vertrauen in Gott hat. Und während die Feinde der Wahrheit die Diener Gottes von allen Seiten umringen, um etwas Böses an ihnen zu finden, wird Gott zu ihrem Schutz über sie wachen. Er wird ihnen »wie der Schatten eines großen Felsens im trockenen Land« sein (Jesaja 32,2). ------------------------Kapitel 41 -- Agrippa Wird Fast Überzeugt GNAT 323 0 Apostelgeschichte 25,13-27 und26. GNAT 323 1 Paulus hatte sich auf den Kaiser berufen, und Festus konnte nicht anders, als ihn nach Rom zu senden. Doch es verstrich einige Zeit, bis ein passendes Schiff gefunden wurde; und da weitere Gefangene mit Paulus nach Rom gesandt werden sollten, führten die Untersuchungen ihrer Fälle noch zu Verzögerungen. Dies verschaffte Paulus die Gelegenheit, die Gründe seines Glaubens vor den maßgeblichen Männern in Cäsarea darzulegen und ebenso vor König Herodes Agrippa II., dem letzten Herrscher aus der Dynastie der Herodianer. GNAT 323 2 »Nach einigen Tagen kamen König Agrippa und Berenike nach Cäsarea, Festus zu begrüßen. Und als sie mehrere Tage dort waren, legte Festus dem König die Sache des Paulus vor und sprach: Da ist ein Mann von Felix als Gefangener zurückgelassen worden; um dessentwillen erschienen die Hohenpriester und Ältesten der Juden vor mir, als ich in Jerusalem war, und baten, ich solle ihn richten lassen.« (Apostelgeschichte 25,13-15) Dann berichtete er, was den Gefangenen veranlasst hatte, sich auf den Kaiser zu berufen, erzählte von der kürzlich erfolgten Verhandlung und sagte, dass die Juden keine Anklage gegen Paulus vorgebracht hätten, wie er sie erwartet habe, sondern nur »einige Fragen ihres Glaubens und über einen verstorbenen Jesus, von dem Paulus behauptete, er lebe« (Apostelgeschichte 25,19). GNAT 323 3 Als Festus dies erzählte, horchte Agrippa auf und sagte: »Ich möchte den Menschen auch gerne hören.« Um diesem Wunsch nachzukommen, setzte man für den folgenden Tag eine Begegnung fest. »Und am nächsten Tag kamen Agrippa und Berenike mit großem Gepränge und gingen in den Palast mit den Hauptleuten und vornehmsten Männern der Stadt. Und als Festus es befahl, wurde Paulus gebracht.« (Apostelgeschichte 25, 22.23) GNAT 323 4 Zu Ehren seiner Besucher war Festus darauf bedacht, diese Gelegenheit zu imposanter Prunkentfaltung zu nutzen. Die reichen Gewänder des Statthalters und seiner Gäste, die Schwerter der Soldaten und die schimmernde Rüstung ihrer Befehlshaber verlieh der Szene besonderen Glanz. GNAT 324 1 Und nun stand Paulus, immer noch gefesselt, vor der versammelten Gesellschaft. Was für ein Gegensatz zeigte sich hier! Agrippa und Berenike besaßen Macht und Stellung, und deshalb wurden sie von der Welt geehrt. Doch ihnen fehlten die Charakterzüge, die Gott schätzt. Sie waren Übertreter seines Gesetzes, verdorben im Herzen und im Leben. Ihr Verhalten war dem Himmel ein Gräuel. GNAT 324 2 Der betagte Gefangene, an seinen Wachsoldaten gekettet, konnte mit seiner Erscheinung nichts vorweisen, was ihm vor der Welt Ansehen gebracht hätte. Doch an diesem Mann, der anscheinend ohne Freunde, Reichtum oder Ansehen war und der wegen seines Glaubens an den Sohn Gottes gefangen gehalten wurde, war der ganze Himmel interessiert. Engel waren seine Begleiter. Hätte die Herrlichkeit nur eines jener strahlenden Boten aufgeleuchtet, wäre der fürstliche Prunk und Stolz verblasst; Könige und Höflinge wären zu Boden gestürzt so wie die römischen Wachen am Grab von Jesus. GNAT 324 3 Festus selbst stellte Paulus den Versammelten mit den Worten vor: »König Agrippa und all ihr Männer, die ihr mit uns hier seid, da seht ihr den, um dessentwillen die ganze Menge der Juden in Jerusalem und auch hier in mich drang und schrie, er dürfe nicht länger leben. Als ich aber erkannte, dass er nichts getan hatte, das des Todes würdig war, und er auch selber sich auf den Kaiser berief, beschloss ich, ihn dorthin zu senden. Etwas Sicheres über ihn aber habe ich nicht, das ich meinem Herrn schreiben könnte. Darum habe ich ihn vor euch bringen lassen, vor allem aber vor dich, König Agrippa, damit ich nach geschehenem Verhör etwas hätte, was ich schreiben könnte. Denn es erscheint mir unsinnig, einen Gefangenen zu schicken und keine Beschuldigung gegen ihn anzugeben.« (Apostelgeschichte 25,24-27) Ein Vollmächtiges Zeugnis GNAT 324 4 König Agrippa erteilte nun Paulus die Erlaubnis, in eigener Sache zu reden. Der Apostel ließ sich weder durch die Prachtentfaltung noch durch den hohen Rang seiner Zuhörer beeindrucken. Er wusste, welch geringen Wert weltlicher Reichtum und eine hohe Stellung haben. Irdische Pracht und Macht konnten ihn auch nicht einen Augenblick lang einschüchtern oder aus der Fassung bringen. GNAT 324 5 »Es ist mir sehr lieb, König Agrippa«, begann er, »dass ich mich heute vor dir verantworten soll wegen all der Dinge, deren ich von den Juden beschuldigt werde, vor allem weil du alle Ordnungen und Streitfragen der Juden kennst. Darum bitte ich dich, mich geduldig anzuhören.« (Apostelgeschichte 26,2.3) GNAT 325 1 Paulus erzählte die Geschichte seiner Bekehrung von hartnäckigem Unglauben zum Glauben an Jesus von Nazareth als Erlöser der Welt. Er beschrieb die himmlische Vision, die ihn zunächst mit unsagbarem Schrecken erfüllt, sich danach jedoch als Quelle größten Trostes erwiesen hatte - eine Offenbarung göttlicher Herrlichkeit, in deren Mitte derjenige auf dem Throne saß, den er verachtet und gehasst hatte und dessen Anhänger er gerade damals zu vernichten suchte. Von jenem Augenblick an war er durch die umwandelnde Macht der Gnade zu einem neuen Menschen geworden, zu einem aufrichtigen und leidenschaftlichen Nachfolger von Jesus. GNAT 325 2 Klar und eindringlich umriss Paulus dann vor Agrippa die bedeutsamsten Ereignisse, die mit dem Leben von Jesus auf der Erde verknüpft waren. Er bezeugte, dass der geweissagte Messias in der Person des Jesus von Nazareth bereits erschienen sei. Dann zeigte er, wie nach dem Zeugnis des Alten Testaments der Messias als ein Mensch unter Menschen erscheinen sollte und wie sich die durch Mose und die Propheten gegebenen Weissagungen im Leben von Jesus bis in alle Einzelheiten erfüllt hatten. Um eine verlorene Welt zu erlösen, habe der heilige Gottessohn die Schande nicht verschmäht und den Kreuzestod erduldet. Danach sei er als Sieger über den Tod und das Grab zum Himmel aufgefahren. GNAT 325 3 Warum sollte es unglaublich sein, dass Christus von den Toten auferstanden sei, argumentierte Paulus. Ehemals war es ihm so erschienen, doch wie konnte er dem nicht glauben, was er selbst gesehen und gehört hatte? Vor dem Stadttor von Damaskus hatte er tatsächlich den gekreuzigten und auferstandenen Christus gesehen - denselben, der durch die Straßen von Jerusalem gewandert und auf Golgatha gestorben war, die Bande des Todes zerbrochen hatte und zum Himmel aufgefahren war. Genauso wahrhaftig wie Petrus, Jakobus, Johannes oder einer der anderen Jünger hatte er ihn gesehen und mit ihm gesprochen. Die Stimme hatte ihm geboten, die gute Nachricht von einem auferstandenen Erlöser zu verkündigen, und wie konnte er da ungehorsam sein? In Damaskus, in Jerusalem, überall in Judäa und in den Gebieten darüber hinaus hatte er Zeugnis abgelegt von Jesus, dem Gekreuzigten, und alle Gesellschaftsschichten ermahnt, »sie sollten Buße tun und sich zu Gott bekehren und rechtschaffene Werke der Buße tun« (Apostelgeschichte 26,20). GNAT 325 4 »Deswegen«, fuhr Paulus fort, »haben mich die Juden im Tempel ergriffen und versucht, mich zu töten. Aber Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge bei Groß und Klein und sage nichts, als was die Propheten und Mose vorausgesagt haben: dass Christus müsse leiden und als Erster auferstehen von den Toten und verkündigen das Licht seinem Volk und den Heiden.« (Apostelgeschichte 26,21-23) Es Fehlt Nicht Viel GNAT 326 1 Die gesamte Gesellschaft hatte fasziniert dem Bericht über die wunderbaren Erfahrungen von Paulus zugehört. Er verweilte bei seinem Lieblingsthema. Keiner seiner Zuhörer konnte an seiner Aufrichtigkeit zweifeln. Plötzlich aber wurde er mitten in seiner überzeugenden Darlegung von Festus mit dem Ruf unterbrochen: »Paulus, du bist von Sinnen! Das große Wissen macht dich wahnsinnig.« (Apostelgeschichte 26,24) GNAT 326 2 Der Apostel erwiderte: »Edler Festus, ich bin nicht von Sinnen, sondern ich rede wahre und vernünftige Worte. Der König, zu dem ich frei und offen rede, versteht sich auf diese Dinge. Denn ich bin gewiss, dass ihm nichts davon verborgen ist; denn dies ist nicht im Winkel geschehen.« Dann wandte er sich an Agrippa mit der persönlichen Frage: »Glaubst du, König Agrippa, den Propheten? Ich weiß, dass du glaubst.« (Apostelgeschichte 26,25-27) GNAT 326 3 Tief ergriffen vergaß Agrippa für einen Augenblick seine Umgebung und die Würde seiner Stellung. Er dachte nur noch an die Wahrheiten, die er gehört hatte, sah den demütigen Gefangenen, der als Gottes Botschafter vor ihm stand, und antwortete unwillkürlich: »Es fehlt nicht viel, so wirst du mich noch überreden und einen Christen aus mir machen.« (Apostelgeschichte 26,28) GNAT 326 4 Mit ganzem Ernst entgegnete der Apostel: »Ich wünschte vor Gott, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern alle, die mich heute hören, das würden, was ich bin«, dabei hob er seine gefesselten Hände empor und fügte hinzu, »ausgenommen diese Fesseln« (Apostelgeschichte 26,29). GNAT 326 5 Eigentlich hätten Festus, Agrippa und Berenike die Fesseln tragen müssen, mit denen der Apostel gebunden war. Sie alle hatten sich schwerer Vergehen schuldig gemacht. Diese Übertreter hatten an jenem Tag das Angebot der Errettung durch den Namen Christi gehört. Einer von ihnen zumindest wäre beinahe zur Einsicht gebracht worden, die angebotene Gnade und Vergebung anzunehmen. Doch Agrippa schlug dieses Gnadenangebot aus und weigerte sich, einen gekreuzigten Erlöser anzunehmen. GNAT 326 6 Nun war die Neugier des Königs befriedigt. Er erhob sich von seinem Sitz und gab damit das Zeichen, dass die Unterredung beendet war. Während die Anwesenden auseinander gingen, sprachen sie noch miteinander und kamen zu dem Ergebnis: »Dieser Mensch hat nichts getan, was Tod oder Gefängnis verdient hätte.« (Apostelgeschichte 26,31) GNAT 327 1 Obgleich Agrippa ein Jude war, teilte er den fanatischen Eifer und das blinde Vorurteil der Pharisäer nicht. »Dieser Mensch könnte freigelassen werden«, sagte er zu Festus, »wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.« (Apostelgeschichte 26,32) Aber nun war dieser Fall an jenen höheren Gerichtshof überwiesen worden und unterstand nicht mehr der Gerichtsbarkeit von Festus oder Agrippa. ------------------------Kapitel 42 -- Seereise Und Schiffbruch GNAT 328 0 Apostelgeschichte 27,1-44 und28,1-10. GNAT 328 1 Endlich war Paulus auf dem Weg nach Rom. »Da es aber beschlossen war«, schreibt Lukas, »dass wir nach Italien fahren sollten, übergaben sie Paulus und einige andere Gefangene einem Hauptmann mit Namen Julius von einer kaiserlichen Abteilung. Wir bestiegen aber ein Schiff aus Adramyttion, das die Küstenstädte der Provinz Asien anlaufen sollte, und fuhren ab; mit uns war auch Aristarch, ein Mazedonier aus Thessalonich.« (Apostelgeschichte 27,1.2) Im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung waren Reisen übers Meer mit besonderen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden. Die Seeleute richteten den Kurs ihrer Schiffe meist nach dem Stand der Sonne und der Sterne. Wenn diese nicht zu sehen waren oder wenn ein Sturm drohte, wagten sich die Schiffseigner nicht auf die offene See hinaus. Während einiger Monate war eine sichere Schifffahrt auf dem Mittelmeer fast unmöglich. GNAT 328 2 Der Apostel Paulus musste nun während der langen und beschwerlichen Seereise nach Italien die harten Erfahrungen machen, die das bittere Los eines in Ketten gelegten Gefangenen mit sich brachte. Ein Umstand allerdings erleichterte ihm die Härte seiner Lage bedeutend: Er durfte Lukas und Aristarch als Begleiter mitnehmen. In seinem Brief an die Kolosser erwähnte er später Aristarch als seinen Mitgefangenen (vgl. Kolosser 4,10). Der teilte freiwillig die Gefangenschaft von Paulus, um ihm in seiner Notlage zur Seite zu stehen. GNAT 328 3 Die Seereise begann erfolgversprechend. Schon am folgenden Tag ging man im Hafen von Sidon vor Anker. Der Hauptmann Julius »verhielt sich freundlich gegen Paulus«, und als er erfuhr, dass in Sidon Christen wohnten, erlaubte er ihm, »zu seinen Freunden zu gehen und sich pflegen zu lassen« (Apostelgeschichte 27,3). Der Apostel, dessen Gesundheit angegriffen war, wusste diese Erlaubnis sehr zu schätzen. GNAT 328 4 Nachdem das Schiff Sidon verlassen hatte, geriet es in widrige Winde, und da man vom direkten Kurs abgetrieben wurde, kam man nur langsam voran. In Myra in der Provinz Lyzien fand der Hauptmann ein großes Schiff aus Alexandria, das zur Küste Italiens unterwegs war, und auf dieses verlegte er sogleich seine Gefangenen. Doch immer noch gab es Gegenwind, und das Schiff kam nur mühsam voran. GNAT 329 1 Lukas berichtete: »Wir kamen aber viele Tage nur langsam vorwärts und gelangten mit Mühe bis auf die Höhe von Knidos, denn der Wind hinderte uns; und wir fuhren im Schutz von Kreta hin, bis auf die Höhe von Salmone, und gelangten kaum daran vorbei und kamen an einen Ort, der Guthafen heißt.« (Apostelgeschichte 27,7.8) GNAT 329 2 Hier waren sie gezwungen, einige Zeit zu bleiben, um auf günstigere Winde zu warten. Da der Winter aber schnell herannahte und »die Schifffahrt bereits gefährlich wurde« (Apostelgeschichte 27,9), gaben die Schiffsverantwortlichen ihre Hoffnung auf, ihren Bestimmungsort noch zu erreichen, bevor in jenem Jahr die Schiffssaison zu Ende ging. Als einzige Frage blieb noch zu entscheiden, ob man in diesem Hafen bleiben oder versuchen sollte, einen günstigeren Ort zum Überwintern zu erreichen. Der Entscheidung Der Mehrheit Wird Gefolgt GNAT 329 3 Diese Frage wurde ernstlich diskutiert und schließlich vom Hauptmann Paulus vorgelegt, der die Achtung sowohl der Seeleute als auch der Soldaten gewonnen hatte. Ohne zu zögern, riet der Apostel, dass man bleiben sollte, wo man war: »Ich sehe, dass diese Fahrt nur mit Leid und großem Schaden vor sich gehen wird, nicht allein für die Ladung und das Schiff, sondern auch für unser Leben.« (Apostelgeschichte 27,10) Aber der Steuermann und der Schiffsherr sowie die meisten Reisenden und Besatzungsmitglieder waren nicht gewillt, diesen Rat anzunehmen. »Da der Hafen«, in dem sie ankerten, »zum Überwintern ungeeignet war, bestanden die meisten von ihnen auf dem Plan, weiterzufahren und zu versuchen, ob sie zum Überwintern bis nach Phönix kommen könnten, einem Hafen auf Kreta, der gegen Südwest und Nordwest offen ist.« (Apostelgeschichte 27,12) GNAT 329 4 Der Hauptmann schloss sich dem Urteil der Mehrheit an. »Als aber der Südwind wehte«, verließen sie den Ort in der Hoffnung, bald den gewünschten Hafen zu erreichen. »Nicht lange danach aber brach ... ein Sturmwind los, den man Nordost nennt. Und da das Schiff ergriffen wurde und nicht mehr gegen den Wind gerichtet werden konnte, gaben wir auf und ließen uns treiben.« (Apostelgeschichte 27,13-15) GNAT 329 5 Vom Sturm getrieben, näherte sich das Schiff der kleinen Insel Kauda. Unter ihrem Schutz bereiteten sich die Seeleute auf das Schlimmste vor. Das Rettungsboot, ihre einzige Zuflucht für den Fall, dass das Schiff untergehen sollte, hing noch im Schlepptau, konnte aber jeden Augenblick zertrümmert werden. Man musste es als erstes auf Deck hieven. Dann wurden alle möglichen Vorkehrungen getroffen, die das Schiff gegen den Sturm stabiler und widerstandsfähiger machen sollten. Der geringe Schutz, den ihnen die kleine Insel bot, währte nicht lange, und bald waren sie wieder der vollen Kraft des Sturmes ausgesetzt. GNAT 330 1 Der Sturm wütete die ganze Nacht hindurch. Trotz aller Vorkehrungen wurde das Schiff leck geschlagen, sodass »am nächsten Tag ein Teil der Ladung ins Meer« geworfen werden musste (Apostelgeschichte 27,18 GNB). Erneut brach die Nacht herein, aber der Sturm ließ nicht nach. Mit gebrochenem Mast und zerfetzten Segeln wurde das Schiff durch den heftig wütenden Sturm hin und her geworfen. Jeden Augenblick erschien es, als müssten die ächzenden Planken auseinander brechen, während das Schiff unter der Wucht des Sturmes schlingerte und erbebte. Das Leck wurde zusehends größer. Unentwegt arbeiteten Reisende und Besatzung an den Pumpen. Keiner an Bord konnte sich auch nur einen Augenblick ausruhen. »Am dritten Tag warfen sie mit eigenen Händen das Schiffsgerät hinaus«, berichtete Lukas. »Da aber viele Tage weder Sonne noch Sterne schienen und ein gewaltiges Ungewitter uns bedrängte, war all unsre Hoffnung auf Rettung dahin.« (Apostelgeschichte 27,19.20) GNAT 330 2 Vierzehn Tage lang trieben sie auf dem Meer unter einem Himmel, an dem sich weder die Sonne noch Sterne zeigten. Obwohl der Apostel selbst körperlich litt, hatte er für die dunkelste Stunde Worte der Hoffnung und eine hilfreiche Hand in jeder Notlage. Im Glauben fasste er den Arm des Allmächtigen, und sein Herz fand einen Anker in Gott. Er hatte keine Angst um sich selbst, denn er wusste, dass Gott ihn erhalten würde, um in Rom für die Wahrheit Christi ein Zeugnis abgeben zu können. Doch er empfand Mitleid mit den armen Menschen um ihn herum, die sündig, heruntergekommen und auf den Tod unvorbereitet waren. Als er Gott flehentlich bat, ihr Leben zu schonen, wurde ihm offenbart, dass seine Bitte erhört worden war. GNAT 330 3 Als der Sturm für eine kurze Zeit nachließ, nutzte Paulus die günstige Gelegenheit, um an Deck zu gehen und seine Stimme zu erheben: »Liebe Männer, man hätte auf mich hören sollen und nicht von Kreta aufbrechen, dann wäre uns Leid und Schaden erspart geblieben. Doch nun ermahne ich euch: Seid unverzagt; denn keiner von euch wird umkommen, nur das Schiff. Denn diese Nacht trat zu mir der Engel des Gottes, dem ich gehöre und dem ich diene, und sprach: Fürchte dich nicht, Paulus, du musst vor den Kaiser gestellt werden; und siehe, Gott hat dir geschenkt alle, die mit dir fahren. Darum, liebe Männer, seid unverzagt; denn ich glaube Gott, es wird so geschehen, wie mir gesagt ist. Wir werden aber auf eine Insel auflaufen.« (Apostelgeschichte 27,21-26) Bei diesen Worten kam neue Hoffnung auf. Die Passagiere und die Besatzung erwachten aus ihrer Apathie. Noch immer gab es viel zu tun, und sie mussten alle verfügbaren Kräfte einsetzen, um den Untergang abzuwenden. Schiffbruch GNAT 331 1 Es geschah in der Nacht nach zwei Wochen, in denen sie ständig auf den dunklen, hohen Wellen hin und her geworfen worden waren, dass die Seeleute eine tosende Brandung hörten. Daher, schrieb Lukas, »wähnten die Schiffsleute um Mitternacht, sie kämen an ein Land. Und sie warfen das Senkblei aus und fanden es zwanzig Faden tief; und ein wenig weiter loteten sie abermals und fanden es fünfzehn Faden tief. Da fürchteten sie, wir würden auf Klippen geraten, und warfen hinten vom Schiff vier Anker aus und wünschten, dass es Tag würde« (Apostelgeschichte 27,27-29). GNAT 331 2 Bei Tagesanbruch wurden die Umrisse der sturmumtosten Küste verschwommen sichtbar, aber kein bekannter Orientierungspunkt war zu sehen. Die Aussichten erschienen so düster, dass die heidnischen Seeleute allen Mut verloren und »vom Schiff zu fliehen suchten«. Unter dem Vorwand, »sie wollten auch vorne die Anker herunterlassen«, hatten sie schon das Rettungsboot ins Wasser herabgelassen. Paulus aber durchschaute ihre niederträchtige Absicht und sprach zu dem Hauptmann und den Soldaten: »Wenn diese nicht auf dem Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden. Da hieben die Soldaten die Taue ab und ließen das Beiboot ins Meer fallen.« (Apostelgeschichte 27,30-32) GNAT 331 3 Doch die gefährlichste Stunde stand ihnen noch bevor. Wiederum richtete Paulus ermutigende Worte an alle und bat die Seeleute und die Reisenden, etwas Speise zu sich zu nehmen. »Es ist heute der vierzehnte Tag, dass ihr wartet und ohne Nahrung geblieben seid und nichts zu euch genommen habt. Darum ermahne ich euch, etwas zu essen; denn das dient zu eurer Rettung; es wird keinem von euch ein Haar vom Haupt fallen. Und als er das gesagt hatte, nahm er Brot, dankte Gott vor ihnen allen und brach's und fing an zu essen.« (Apostelgeschichte 27,33-35) Die erschöpfte und entmutigte Schar von 275 Männern, die ohne Paulus verzweifelt wäre, folgte seinem Beispiel und nahm auch Nahrung zu sich. »Nachdem sie satt geworden waren, erleichterten sie das Schiff und warfen das Getreide in das Meer.« (Apostelgeschichte 27,38) GNAT 331 4 Inzwischen war es ganz hell geworden, aber immer noch konnten sie nichts erkennen, was ihnen zur Orientierung hätte dienen können. »Eine Bucht aber wurden sie gewahr, die hatte ein flaches Ufer. Dahin wollten sie das Schiff treiben lassen, wenn es möglich wäre. Und sie hieben die Anker ab und ließen sie im Meer, banden die Steuerruder los und richteten das Segel nach dem Wind und hielten auf das Ufer zu. Und als sie auf eine Sandbank gerieten, ließen sie das Schiff auflaufen, und das Vorderschiff bohrte sich ein und saß fest, aber das Hinterschiff zerbrach unter der Gewalt der Wellen.« (Apostelgeschichte 27,39-41) Bewahrung Und Wunder GNAT 332 1 Paulus und den anderen Gefangenen drohte nun ein Schicksal, das schrecklicher war als Schiffbruch. Die Soldaten sahen, dass es ihnen unmöglich sein würde, ihre Gefangenen in Gewahrsam zu behalten, während jeder versuchte, das Land zu erreichen. Jeder würde genug mit seiner eigenen Rettung zu tun haben. Sollte aber ein Gefangener fehlen, würde das Leben derer, die für ihn verantwortlich waren, verwirkt sein. Deshalb wollten die Soldaten alle Gefangenen töten. Das römische Recht erlaubte solch eine grausame Vorgehensweise. Der Plan wäre auch sofort ausgeführt worden, wenn es da nicht den gegeben hätte, dem alle in gleicher Weise zu großem Dank verpflichtet waren. Der Hauptmann Julius wusste, dass Paulus an der Rettung aller an Bord maßgeblich beteiligt gewesen war. Außerdem war er überzeugt, dass der Herr mit Paulus war, und deshalb fürchtete er sich, ihm Schaden zuzufügen. Er »wehrte ihrem Vorhaben und ließ die, die schwimmen konnten, als Erste ins Meer springen und sich ans Land retten, die andern aber einige auf Brettern, einige auf dem, was noch vom Schiff da war. Und so geschah es, dass sie alle gerettet ans Land kamen« (Apostelgeschichte 27,43.44). Als die Namen aufgerufen wurden, fehlte auch nicht einer. GNAT 332 2 Die Schiffbrüchigen wurden von der vermeintlich unzivilisierten Bevölkerung von Melite freundlich empfangen. Sie »zündeten ein Feuer an«, schrieb Lukas, »und nahmen uns alle auf wegen des Regens, der über uns gekommen war, und wegen der Kälte« (Apostelgeschichte 28,2). Paulus gehörte zu denen, die tatkräftig für das Wohlergehen der andern sorgten. Als er »einen Haufen Reisig zusammenraffte und aufs Feuer legte, fuhr wegen der Hitze eine Schlange heraus und biss sich an seiner Hand fest« (Apostelgeschichte 28,3). Die Umstehenden waren entsetzt; und als sie an den Ketten erkannten, dass Paulus ein Gefangener war, sprachen sie zueinander: »Dieser Mensch muss ein Mörder sein, den die Göttin der Rache nicht leben lässt, obgleich er dem Meer entkommen ist.« (Apostelgeschichte 28,4) Paulus jedoch schleuderte das Tier ins Feuer, »und es widerfuhr ihm nichts Übles« (Apostelgeschichte 28,5). Die Leute wussten, wie giftig dieses Tier war, und rechneten damit, dass er im nächsten Augenblick unter schrecklichen Krämpfen zusammenbrechen würde. »Als sie nun lange gewartet hatten und sahen, dass ihm nichts Schlimmes widerfuhr, änderten sie ihre Meinung und sprachen: Er ist ein Gott.« (Apostelgeschichte 28,6) GNAT 333 1 Während der drei Monate, die die Insassen des Schiffes auf Melite blieben, nützten Paulus und seine Mitarbeiter viele Gelegenheiten, das Evangelium zu verkündigen. Und der Herr wirkte auf außergewöhnliche Weise durch sie. Paulus zuliebe wurden alle Schiffbrüchigen sehr freundlich behandelt; alle ihre Bedürfnisse wurden gestillt. Als sie später Melite verließen, wurden sie mit allem großzügig versorgt, was für ihre Seereise nötig war. GNAT 333 2 Die Ereignisse während ihres Aufenthaltes fasste Lukas in folgenden Worten kurz zusammen: »In dieser Gegend hatte der angesehenste Mann der Insel, mit Namen Publius, Landgüter; der nahm uns auf und beherbergte uns drei Tage lang freundlich. Es geschah aber, dass der Vater des Publius am Fieber und an der Ruhr darnieder lag. Zu dem ging Paulus hinein und betete und legte die Hände auf ihn und machte ihn gesund. Als das geschehen war, kamen auch die andern Kranken der Insel herbei und ließen sich gesund machen. Und sie erwiesen uns große Ehre; und als wir abfuhren, gaben sie uns mit, was wir nötig hatten.« (Apostelgeschichte 28,7-10) ------------------------Kapitel 43 -- Paulus In Rom GNAT 334 0 Apostelgeschichte 28,11-31; Kolosser 4,7-14 und der Brief an Philemon. GNAT 334 1 Als die Schifffahrt wieder aufgenommen werden konnte, setzten der Hauptmann und seine Gefangenen ihre Seereise nach Rom fort. Ein Schiff aus Alexandria »mit den Zwillingsgöttern als Galionsfigur« (Apostelgeschichte 28,11 NLB), das auf seiner Fahrt nach Westen bei Melite überwintert hatte, nahm die Reisegruppe an Bord. Zwar wurde man verschiedentlich durch widrige Winde aufgehalten; dennoch konnte die Seereise sicher beendet werden. Das Schiff ging in dem schönen Hafen von Puteoli an der Küste Italiens vor Anker. GNAT 334 2 Dort lebten einige Christen, die den Apostel eindringlich baten, sieben Tage lang bei ihnen zu bleiben. Diese Vergünstigung wurde ihm vom Hauptmann freundlich gewährt. Seitdem die Christen in Italien den Brief des Paulus an die Römer erhalten hatten, lebten sie in der freudigen Erwartung auf einen Besuch des Apostels. Sie hatten nicht erwartet, ihn als einen Gefangenen kommen zu sehen, doch seine Leiden ließen ihre Zuneigung zu ihm noch größer werden. Da die Entfernung von Puteoli nach Rom nur etwa 220 km betrug und die Hafenstadt in ständiger Verbindung mit der Hauptstadt stand, waren die Christen in Rom schon bald über die Ankunft von Paulus informiert. Einige von ihnen machten sich auf den Weg, um ihm entgegenzugehen und ihn willkommen zu heißen. Zuspruch Und Neuer Mut GNAT 334 3 Am achten Tage nach der Ankunft machten sich der Hauptmann und seine Gefangenen auf den Weg nach Rom. Julius gewährte dem Apostel jede Gunst, die in seiner Macht lag; doch er konnte dessen Status als Gefangener nicht ändern noch ihn von der Kette befreien, die ihn an seinen Wachsoldaten band. Mit schwerem Herzen schritt Paulus seinem lang erwarteten Besuch in der Hauptstadt der Welt entgegen. Wie anders waren doch die Umstände als jene, die er sich erhofft hatte! Wie sollte er, in Fesseln und als Übeltäter gebrandmarkt, das Evangelium verkündigen? Seine Hoffnung, in Rom viele Menschen für die Wahrheit zu gewinnen, schien zum Scheitern verurteilt zu sein. GNAT 335 1 Schließlich erreichen die Reisenden Forum Appii, etwa 60 Kilometer von Rom entfernt. Während sie sich einen Weg durch die Menschenmenge auf der großen Verkehrsstraße bahnen, wird dem alten, grauhaarigen Mann, der mit einer Gruppe hartgesottener Verbrecher zusammengekettet ist, manch verächtlicher Blick zugeworfen. Er muss es sich gefallen lassen, Zielscheibe roher Scherze und spöttischer Bemerkungen zu sein. GNAT 335 2 Plötzlich aber ist ein Freudenschrei zu hören. Aus der Schar der Vorbeidrängenden bricht ein Mann hervor, fällt dem Gefangenen um den Hals und umarmt ihn unter Freudentränen, so wie ein Sohn seinen Vater begrüßt, der lange Zeit abwesend war. Solche Szenen wiederholen sich mehrmals, denn viele erkennen mit einem von liebevoller Erwartung geschärften Blick in dem angeketteten Gefangenen den Mann, der ihnen in Korinth, Philippi oder Ephesus die Worte des Lebens verkündigt hatte. GNAT 335 3 In herzlicher Liebe scharen sich die warmherzigen Christen um ihren Vater im Glauben, sodass der ganze Zug zum Stehen kommt. Zwar werden die Kriegsknechte wegen der Verzögerung ungeduldig; dennoch bringen sie es nicht übers Herz, diese freudigen Begegnungen zu unterbinden, haben doch auch sie ihren Gefangenen achten und schätzen gelernt. Die Gläubigen sehen in dem müden, von Leid zerfurchten Gesicht den Widerschein des Bildes Christi. Sie versichern Paulus, dass sie ihn nicht vergessen hatten, nicht aufgehört, ihn zu lieben und ihm dankbar sind für die freudige Hoffnung, die ihr Leben durchdringt und ihnen Frieden mit Gott verleiht. Im Eifer ihrer Liebe hätten sie Paulus am liebsten auf ihren Schultern bis zur Hauptstadt getragen, wenn es ihnen gestattet worden wäre. GNAT 335 4 Als der Apostel seine Glaubensbrüder sah, »dankte er Gott und gewann Zuversicht« (Apostelgeschichte 28,15). Wenige nur mögen ermessen, welche Bedeutung diesen Worten des Lukas zukommt. Inmitten der weinenden, mitfühlenden Gläubigen, die sich seiner Fesseln nicht schämten, pries der Apostel Gott mit lauter Stimme. Die Wolke der Traurigkeit, die sein Gemüt bedrückt hatte, war hinweggefegt. Wohl war sein Christenleben eine ununterbrochene Folge von Anfechtungen, Leid und Enttäuschungen gewesen, doch in dieser Stunde fühlte er sich für alles reichlich entschädigt. Mit festerem Schritt und freudigem Herzen setzte er seinen Weg fort. Er wollte weder über die Vergangenheit klagen noch sich vor der Zukunft fürchten. Gefängnis und Trübsal warteten auf ihn - das wusste er. Doch er wusste auch, dass durch ihn Menschen von einer viel schrecklicheren Knechtschaft befreit worden waren. Deshalb freute er sich seiner Leiden um Christi willen. GNAT 336 1 In Rom übergab der Hauptmann Julius seine Gefangenen an den Befehlshaber der kaiserlichen Wache. Der gute Bericht, den er über Paulus erstattete, und der Brief des Festus bewirkten, dass der Oberhauptmann Paulus Wohlwollen entgegenbrachte. Anstatt ihn ins Gefängnis legen zu lassen, erlaubte er ihm, in einem Mietshaus zu wohnen. Obwohl er weiterhin beständig an einen Soldaten gekettet blieb, durfte er doch jederzeit seine Freunde empfangen und für den Fortgang der Sache Christi wirken. GNAT 336 2 Viele der Juden, die einige Jahre zuvor aus Rom verbannt worden waren, hatten die Erlaubnis erhalten, wieder zurückzukehren und lebten dort nun in großer Zahl. Ihnen wollte Paulus zuallererst die Fakten über seine Person und sein Wirken präsentieren, ehe seine Feinde eine Gelegenheit fanden, sie gegen ihn aufzuwiegeln. So rief er drei Tage nach seiner Ankunft in Rom die leitenden Männer der Juden zusammen und berichtete ihnen schlicht und sachlich, weshalb er als Gefangener nach Rom gekommen war. Erklärungen An Die Leitenden Juden GNAT 336 3 »Ihr Männer, liebe Brüder«, sagte er, »ich habe nichts getan gegen unser Volk und die Ordnungen der Väter und bin doch als Gefangener aus Jerusalem überantwortet in die Hände der Römer. Diese wollten mich losgeben, nachdem sie mich verhört hatten, weil nichts gegen mich vorlag, das den Tod verdient hätte. Da aber die Juden widersprachen, war ich genötigt, mich auf den Kaiser zu berufen, nicht als hätte ich mein Volk wegen etwas zu verklagen. Aus diesem Grund habe ich darum gebeten, dass ich euch sehen und zu euch sprechen könnte; denn um der Hoffnung Israels willen trage ich diese Ketten.« (Apostelgeschichte 28,17-20) GNAT 336 4 Er sagte nichts über die Misshandlungen, die er von den Juden erlitten hatte, auch nichts über ihre wiederholten Anschläge gegen sein Leben. Seine Worte waren bemerkenswert umsichtig und freundlich. Ihm lag es fern, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder Mitgefühl zu erregen. Es ging ihm allein darum, die Wahrheit zu verteidigen und für die Ehre des Evangeliums einzustehen. GNAT 336 5 Seine Zuhörer erwiderten, dass weder durch öffentliche noch private Briefe irgendwelche Klagen gegen ihn eingegangen seien und keiner der nach Rom gekommenen Juden ihn irgendeines Verbrechens bezichtigt habe. Sie erwähnten aber auch, dass sie ein starken Verlangen besaßen, den Grund für seinen Glauben an Christus zu erfahren. »Denn von dieser Sekte«, so erklärten sie, »ist uns bekannt, dass ihr an allen Enden widersprochen wird.« (Apostelgeschichte 28,22) GNAT 337 1 Da sie es selbst wünschten, vereinbarte Paulus mit ihnen einen Tag, an dem er ihnen die Wahrheit des Evangeliums darlegen könnte. Zur vorgesehenen Zeit »kamen viele zu ihm in die Herberge. Da erklärte und bezeugte er ihnen das Reich Gottes und predigte ihnen von Jesus aus dem Gesetz des Mose und aus den Propheten vom frühen Morgen bis zum Abend« (Apostelgeschichte 28,23). Er erzählte seine eigenen Erfahrungen und legte schlicht, aufrichtig und eindringlich Argumente aus dem Alten Testament vor. GNAT 337 2 Paulus wies darauf hin, dass wahrer Glaube nicht in Riten und Zeremonien, Lehrsätzen und Theorien besteht. Wenn dies so wäre, könnte ihn der natürliche Mensch durch intensives Studium ergründen, so wie er das auch mit anderen irdischen Dingen tut. Paulus lehrte, dass wahrer Glaube eine reale, errettende Macht ist, eine Wirkung, die ausschließlich von Gott ausgeht, eine persönliche Erfahrung von Gottes Macht, die den Menschen innerlich erneuert. GNAT 337 3 Er zeigte, dass bereits Mose die Israeliten im Voraus auf Christus als jenen Propheten hingewiesen hatte, auf den sie hören sollten (vgl. 5. Mose 18,15), und dass alle Propheten ihn als Gottes großartiges Heilmittel gegen die Sünde bezeugt hatten, als den Einen, der als Schuldloser die Sünden der Schuldigen tragen sollte. Er tadelte sie nicht wegen ihrer Beachtung äußerer Formen und Zeremonien, wies aber darauf hin, dass sie - während sie zwar die rituellen Dienste mit großer Genauigkeit beibehielten - im Begriff waren, gerade den zu verwerfen, der die Erfüllung des gesamten Zeremonialdienstes war. GNAT 337 4 Paulus erklärte, dass er vor seiner Bekehrung Christus nicht persönlich kennen gelernt hatte, sondern sich - in Übereinstimmung mit anderen - seine eigenen Vorstellungen von dem Wesen und Wirken des kommenden Messias gemacht hatte. Weil Jesus von Nazareth diesen Vorstellungen nicht entsprach, habe er ihn als einen Betrüger verworfen. Nun aber sei sein Verständnis von Christus und dessen Sendung viel geistlicher und tiefer, weil er selbst eine Bekehrung erlebt hatte. Der Apostel betonte, es gehe ihm nicht darum, Christus in seiner menschlichen Gestalt darzustellen. Wohl habe Herodes Christus leiblich sehen können, ebenso Hannas, Pilatus, die Priester und Obersten und die römischen Kriegsknechte, aber sie hätten ihn nicht mit den Augen des Glaubens und nicht als den verherrlichten Erlöser gesehen. Christus im Glauben zu erfassen und eine geistliche Erkenntnis über ihn zu haben, sei viel erstrebenswerter als eine persönliche Bekanntschaft mit ihm während seines Erdenlebens. Die Gemeinschaft mit Christus, die Paulus jetzt so froh machte, sei inniger und dauerhafter als eine bloße irdische und menschliche Freundschaft. GNAT 337 5 Als Paulus von dem sprach, was er von Jesus von Nazareth als der Hoffnung Israels wusste, und als er bekundete, was er gesehen hatte, ließen sich alle überzeugen, die aufrichtig nach Wahrheit suchten. Auf einige zumindest machten seine Worte einen unauslöschlichen Eindruck. Andere jedoch weigerten sich hartnäckig, das klare Zeugnis der Heiligen Schriften anzunehmen, obwohl es ihnen von einem gegeben wurde, der vom Heiligen Geist besonders erleuchtet war. Sie konnten seine Ausführungen nicht widerlegen, weigerten sich aber, dieselben Schlussfolgerungen wie er daraus zu ziehen. Weiterer Aufschub Der Gerichtsverhandlung GNAT 338 1 Nach der Ankunft des Paulus in Rom verstrichen viele Monate, bevor die Jerusalemer Juden persönlich erschienen, um ihre Anklagen gegen den Gefangenen vorzubringen. Ihre Absichten waren bereits mehrmals durchkreuzt worden, und nun, da Paulus vor das höchste Gericht des Römischen Reiches gestellt werden sollte, wollten sie nicht das Risiko einer weiteren Niederlage eingehen. Lysias, Felix, Festus und Agrippa hatten alle ihren Glauben an seine Unschuld erklärt. Seine Feinde konnten nur dadurch auf Erfolg hoffen, dass sie versuchten, den Kaiser durch Intrigen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ein Aufschub würde ihre Absichten fördern, da er ihnen Zeit gewähren würde, ihre Pläne zu verbessern und auszuführen. Deshalb warteten sie eine Zeit lang, bevor sie ihre Anklagen gegen den Apostel persönlich vortrugen. GNAT 338 2 Nach Gottes Vorsehung diente dieser Aufschub jedoch zur Förderung des Evangeliums. Durch das Wohlwollen derer, die Paulus in ihrem Gewahrsam hatten, durfte er in einem geräumigen Haus wohnen, wo er ohne jede Behinderung mit seinen Freunden zusammenkommen konnte, um täglich denen, die es hören wollten, die Wahrheit auszulegen. So konnte er zwei Jahre hindurch seine Arbeit fortsetzen. Er »predigte das Reich Gottes und lehrte von dem Herrn Jesus Christus mit allem Freimut ungehindert« (Apostelgeschichte 28,31). Die Mitarbeiter Werden Ausgesandt GNAT 338 3 Während dieser Zeit wurden die Gemeinden nicht vergessen, die Paulus in vielen Ländern gegründet hatte. Im Bewusstsein der Gefahren, die den zum neuen Glauben bekehrten Menschen drohten, versuchte der Apostel, so weit wie möglich auf deren Bedürfnisse durch Briefe einzugehen. Sie enthielten Mahnungen, Warnungen und praktische Unterweisungen. Und von Rom sandte er Gott geweihte Mitarbeiter aus, die nicht nur für diese Gemeinden wirken sollten, sondern auch in Gebieten, die er selbst noch nicht besucht hatte.Als verständige Hirten festigten sie das Werk, das Paulus so gut angefangen hatte. So blieb er mit den Gemeinden in ständiger Verbindung und wurde über ihren Zustand und die ihnen drohenden Gefahren unterrichtet. So konnte er eine weise Aufsicht über alle auszuüben. GNAT 339 1 Obwohl es den Anschein hatte, als wäre die aktive Arbeit am Werk Gottes für Paulus nicht mehr möglich, übte er auf diese Weise einen noch weitreichenderen und nachhaltigeren Einfluss aus, als wenn er - wie in früheren Jahren - die Gemeinden hätte ungehindert besuchen können. Dass er ein »Gefangener in dem Herrn« war (Epheser 4,1), brachte ihn den Herzen seiner Glaubensgeschwister nur noch näher. Und seine Worte, die er ihnen als Gebundener um Christi willen schrieb, fanden größere Beachtung und Respekt als in jenen Tagen, als er noch persönlich bei ihnen war. Erst als Paulus ihnen genommen war, erkannten die Christen, wie schwer die Lasten waren, die er um ihretwillen auf dem Herzen getragen hatte. Bisher hatten sie sich aller Verantwortlichkeit und aller Lasten größtenteils mit der Begründung entzogen, ihnen fehle seine Weisheit, sein Taktgefühl und seine unbezwingbare Tatkraft. Jetzt aber, da sie in ihrer Unerfahrenheit lernen mussten, was sie bisher von sich gewiesen hatten, schätzten sie seine Warnungen, Mahnungen, Ratschläge und Unterweisungen in einem Maß, wie sie sein persönliches Wirken vorher nie geschätzt hatten. Als sie von seinem Mut und Glauben während seiner langen Gefangenschaft erfuhren, wurden sie zu noch größerer Treue und zu noch größerem Eifer für die Sache Christi angespornt. GNAT 339 2 Zu den Gehilfen des Apostels Paulus in Rom gehörten viele seiner früheren Gefährten und Mitarbeiter. Lukas, »der Arzt, der Geliebte« (Kolosser 4,14), der ihn schon auf seiner Reise nach Jerusalem begleitet hatte, der während der zweijährigen Gefangenschaft in Cäsarea bei ihm gewesen war und der ihm auch während der gefahrvollen Reise nach Rom treu zur Seite gestanden hatte, war noch immer bei ihm. Auch Timotheus diente ihm zum Trost (vgl. Kolosser 1,1). Ebenso stand Tychikus, »der liebe Bruder und treue Diener und Mitknecht in dem Herrn« (Kolosser 4,7), ihm selbstlos bei. Ferner waren Demas und Markus bei ihm, Aristarch und Epaphras waren sogar seine Mitgefangenen (vgl. Kolosser 4,10.12.14; Philemon 23). GNAT 339 3 Die Erfahrung von Markus hatte sich seit seinem Bekenntnis zum Glauben in früheren Jahren vertieft. Nachdem er sich eingehender mit dem Leben und Sterben Christi befasst hatte, hatte er ein klareres Verständnis für die Sendung des Erlösers gewonnen und für dessen Mühen und Kämpfe. Als er in den Wundmalen der Hände und Füße Christi die Spuren seines Dienstes für die Menschheit las und erfasste, wie weit dessen Selbstverleugnung zu gehen bereit war, um die Verlorenen und Umkommenden zu retten, war er bereit, seinem Meister auf dem Pfad der Selbsthingabe zu folgen. Nun, als er dem gefangenen Paulus zur Seite stand, begriff er besser als je zuvor, dass es unendlichen Gewinn bedeutet, zu Christus zu gehören, unendlichen Verlust jedoch, die Welt zu gewinnen und dabei Schaden an seiner Seele zu nehmen, für deren Erlösung Christus sein Blut vergossen hat. Markus blieb auch angesichts harter Anfechtungen und Nöte weiterhin standhaft und war dem Apostel ein verständiger und geliebter Helfer (vgl. 2. Timotheus 4,11). GNAT 340 1 Demas hingegen, der eine Zeit lang standhaft gewesen war, kehrte später der Sache Christi den Rücken. Darüber schrieb Paulus: »Demas hat mich verlassen und diese Welt lieb gewonnen.« (2. Timotheus 4,10) Für weltlichen Gewinn hatte Demas alles, was edel und erhaben war, dahingegeben. Was für ein kurzsichtiger Tauschhandel! Indem er lediglich weltlichen Reichtum und weltliche Ehre besaß, war Demas im Grunde ein armer Mensch, mochte er auch noch so vieles stolz sein Eigen nennen. Markus hingegen, der sich entschieden hatte, um Christi willen zu leiden, besaß ewigen Reichtum, denn im Himmel wurde er als Gottes Erbe und Miterbe Christi (vgl. Römer 8,17) eingeschrieben. Nicht Mehr Ein Sklave, Sondern Ein Bruder GNAT 340 2 Einer von denen, die durch das Wirken des Paulus in Rom ihr Herz Gott übergaben, war Onesimus, ein heidnischer Sklave, der seinem Herrn Philemon, einem Christen in Kolossä, Schaden zugefügt hatte und nach Rom entflohen war. In seiner Herzensgüte suchte Paulus zunächst die Armut und das Leid dieses unglücklichen Flüchtlings zu lindern, und dann bemühte er sich, dessen verfinstertes Gemüt durch das Licht der Wahrheit zu erhellen. Onesimus schenkte dem Wort des Lebens Gehör, bekannte seine Sünden und bekehrte sich zum Glauben an Christus. GNAT 340 3 Durch seine Frömmigkeit und Aufrichtigkeit, durch seine freundliche Fürsorge für Paulus und durch seinen Eifer, das Evangelium zu fördern, erwarb sich Onesimus die Zuneigung des Apostels. Paulus entdeckte in ihm Wesenszüge, die hoffen ließen, dass aus ihm ein nützlicher Helfer in der Missionsarbeit werden könnte. Er riet ihm, ohne Zögern zu Philemon zurückzukehren, ihn um Vergebung zu bitten und Pläne für die Zukunft zu schmieden. Der Apostel versprach ihm auch, für den Betrag aufzukommen, den er Philemon entwendet hatte. Da er gerade Tychikus mit Briefen zu verschiedenen Gemeinden in Kleinasien senden wollte, schickte er Onesimus mit ihm. Es war eine schwere Probe für den Sklaven, sich auf diese Weise selbst seinem Herrn zu stellen, den er geschädigt hatte. Doch da er wirklich bekehrt war, entzog er sich nicht seiner Pflicht. GNAT 341 1 Paulus machte Onesimus zum Überbringer eines Briefes an Philemon, in dem er sich mit dem ihm eigenen Takt und Wohlwollen für den reumütigen Sklaven einsetzte und den Wunsch äußerte, Onesimus möge ihm selbst künftig zum Dienst zur Verfügung stehen. Der Brief begann mit einem herzlichen Gruß an Philemon als einem Freund und Mitarbeiter: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Ich danke meinem Gott allezeit, wenn ich deiner gedenke in meinen Gebeten - denn ich höre von der Liebe und dem Glauben, die du hast an den Herrn Jesus und gegenüber allen Heiligen -, dass der Glaube, den wir miteinander haben, in dir kräftig werde in Erkenntnis all des Guten, das wir haben, in Christus.« (Philemon 3-6) Der Apostel erinnerte Philemon daran, dass er jeden guten Vorsatz und jede gute Charaktereigenschaft, die er besaß, der Gnade Christi verdankte und dass allein dies ihn von den verdorbenen und sündhaften Menschen unterscheidet. Dieselbe Gnade konnte selbst aus einem verkommenen Verbrecher ein Gotteskind und einen nützlichen Arbeiter am Evangelium machen. GNAT 341 2 Paulus hätte Philemon drängen können, an seine Christenpflicht zu denken, doch er wählte lieber die Sprache des Bittenden: »Ich, Paulus, als ein Mann von Alter und Autorität, dazu jetzt auch noch ein Gefangener für Jesus Christus, ich bitte dich für meinen Sohn, den ich hier im Gefängnis gezeugt, das heißt zum Glauben geführt habe: für Onesimus! Früher hattest du an ihm nur einen Nichtsnutz, aber jetzt kann er dir und mir von Nutzen sein.« (Philemon 9-11 GNB) GNAT 341 3 Der Apostel bat Philemon - da Onesimus sich bekehrt hatte - den reumütigen Sklaven wie sein eigenes Kind anzunehmen. Er solle ihm solche Liebe erweisen, dass er gern bei seinem ehemaligen Herrn blieb, er möge ihn annehmen, »nun nicht mehr als einen Sklaven, sondern als einen, der mehr ist als ein Sklave: ein geliebter Bruder« (Philemon 16). Paulus brachte zum Ausdruck, dass er Onesimus gern selbst behalten wollte, damit er ihm in seiner Gefangenschaft dienen konnte, so wie es Philemon sicher auch selbst gern getan hätte; allerdings wünschte er diese Dienste nur, wenn Philemon den Sklaven aus eigenem Antrieb freigab. GNAT 341 4 Der Apostel wusste genau, mit welcher Strenge die Herren damals ihre Sklaven behandelten, und auch, dass Philemon über das Verhalten seines Knechtes höchst ungehalten war. Deshalb bemühte er sich, sein Schreiben so abzufassen, dass die tiefsten und zartesten christlichen Empfindungen in ihm wachgerufen wurden. Durch die Bekehrung war Onesimus ein Glaubensbruder geworden. Jede Strafe, die man diesem Neubekehrten zufügte, würde Paulus als ihm persönlich angetan betrachten. GNAT 342 1 Der Apostel erklärte sich aus freien Stücken bereit, für die Schulden des Onesimus aufzukommen, damit ihm die Schande der Bestrafung erspart blieb und er sich wieder der Vorrechte erfreuen konnte, die er verwirkt hatte. »Wenn du mich nun für deinen Freund hältst«, schrieb Paulus an Philemon, »so nimm ihn auf wie mich selbst. Wenn er dir aber Schaden angetan hat oder etwas schuldig ist, das rechne mir an. Ich, Paulus, schreibe es mit eigener Hand: Ich will's bezahlen.« (Philemon 17-19) Die Schuld Wird Bezahlt GNAT 342 2 Welch ein passendes Bild für die Liebe Christi zu einem reumütigen Sünder! Der Knecht, der seinen Herrn betrogen hatte, besaß nichts, womit er Entschädigung hätte leisten können. Der Sünder, der Gott jahrelang den Dienst verweigert hat, hat keine Möglichkeit, seine Schuld zu begleichen. Jesus stellt sich zwischen den Sünder und Gott und sagt: »Ich will die Schuld bezahlen. Verschone den Sünder; ich will an seiner Stelle leiden.« GNAT 342 3 Nachdem Paulus sich anerboten hatte, die Schuld des Onesimus zu begleichen, erinnerte er Philemon daran, wie sehr dieser selbst ihm gegenüber verpflichtet war. Er stand selbst in der Schuld des Apostels, weil Gott Paulus zum Werkzeug seiner Bekehrung gemacht hatte. Dann appellierte er feinfühlig und ernsthaft an Philemon, so wie er durch seine Freigebigkeit die Christen erquickt hatte, so möge er nun auch das Herz des Apostels erquicken und ihm diesen Grund zur Freude gewähren. »Im Vertrauen auf deinen Gehorsam schreibe ich dir«, fügte er hinzu, »denn ich weiß, du wirst mehr tun, als ich sage.« (Philemon 21) GNAT 342 4 Dieser Brief des Apostels an Philemon zeigt den Einfluss des Evangeliums auf das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven. Die Sklaverei war im ganzen Römischen Reich eine anerkannte Einrichtung, und zu den meisten Gemeinden, in denen Paulus arbeitete, gehörten Herren und Sklaven. In den Städten, wo es oft viel mehr Sklaven als freie Bürger gab, hielt man extrem harte Gesetze für notwendig, um die Sklaven in der Gewalt ihrer Herren zu halten. Einem wohlhabenden Römer gehörten mitunter Hunderte von Sklaven aus den verschiedensten Ständen, Völkern und Berufen. Da ein Herr volle Gewalt über Leib und Leben dieser Hilflosen besaß, konnte er ihnen willkürlich jede beliebige Art von Leid zufügen. Wenn es sich einer von ihnen als Vergeltung oder auch nur in Notwehr erlauben sollte, die Hand gegen seinen Besitzer zu erheben, konnte es sein, dass die ganze Familie des Missetäters in unmenschlicher Weise dafür zur Rechenschaft gezogen wurde. Schon geringe Versehen, Unfälle oder Unachtsamkeit wurden oft unbarmherzig bestraft. GNAT 343 1 Es gab auch Herren, die menschlicher waren und ihre Sklaven nachsichtiger behandelten, doch die meisten Wohlhabenden und Reichen frönten uneingeschränkt ihren Lüsten, Leidenschaften und Begierden und erniedrigten ihre Sklaven zu bedauernswerten Opfern ihrer Launen und ihrer Tyrannei. Die ganze Gesellschaftsordnung befand sich in einem hoffnungslosen Niedergang. GNAT 343 2 Es war nicht die Aufgabe des Apostels, eigenmächtig oder plötzlich die bestehende gesellschaftliche Ordnung umzustürzen. Ein solcher Versuch hätte den Erfolg der Evangeliumsverkündigung in Frage gestellt. Er lehrte aber Prinzipien, die die Sklaverei an ihren Grundfesten trafen; und wo man diese Lehren verwirklichte, musste die ganze Gesellschaftsordnung erschüttert werden. »Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit«, erklärte er (2. Korinther 3,17). Durch seine Bekehrung wurde der Sklave ein Glied am Leib Christi. Als solches musste er wie ein Bruder geliebt und behandelt werden. Wie sein Herr war er Miterbe der Segnungen Gottes und der Gnadengaben des Evangeliums. Andererseits sollten die Sklaven ihren Pflichten nachkommen, »nicht mit Dienst allein vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern als Knechte Christi, die den Willen Gottes tun von Herzen« (Epheser 6,6). GNAT 343 3 Das Christentum bildet ein starkes einigendes Band zwischen dem Herrn und dem Sklaven, dem König und dem Untertan, dem Verkündiger des Evangeliums und dem tief gefallenen Sünder, der in Christus die Reinigung von der Sünde gefunden hat. Sie sind alle in demselben Blut gewaschen, von demselben Geist belebt und in Jesus Christus eins geworden. ------------------------Kapitel 44 -- Christen Im Palast Des Kaisers GNAT 346 0 Philipper 1,12-14; 4,22. GNAT 346 1 Das Evangelium hat schon immer seine größten Erfolge bei den unteren Bevölkerungsschichten erzielt. »Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen« (1. Korinther 1,26), erklärte Paulus. Es war nicht zu erwarten, dass er - ein armer Gefangener ohne viele Freunde - in der Lage sein würde, die Aufmerksamkeit der wohlhabenden und hochgestellten Kreise der Bürger Roms zu gewinnen. Das lasterhafte Leben mit all seinen schillernden Verlockungen hielt sie als willige Gefangene beständig in Bann. Aber unter den abgearbeiteten, von Not geplagten und unterdrückten Opfern, ja selbst unter den ärmsten Sklaven, hörten viele erfreut den Worten von Paulus zu. Diese Menschen fanden im Glauben an Christus neue Hoffnung und einen inneren Frieden, der ihnen trotz aller Entbehrungen Trost gab. GNAT 346 2 Obwohl das Werk des Apostels unter einfachen und armen Menschen seinen Anfang nahm, gewann es doch immer weitreichenderen Einfluss, der schließlich sogar den Palast des Kaisers erreichte. GNAT 346 3 Rom war damals die Metropole der Welt. Die hochmütigen Cäsaren erließen Gesetze für fast jede Nation auf Erden. Kaiser und Höflinge wussten entweder nichts von dem demütigen Mann aus Nazareth oder sie betrachteten ihn mit Feindseligkeit und Spott. Und doch fand das Evangelium in weniger als zwei Jahren den Weg aus der einfachen Unterkunft des Gefangenen in die kaiserlichen Paläste. Paulus war zwar wie ein Übeltäter gefesselt, aber »das Wort Gottes lässt sich nicht in Ketten legen« (2. Timotheus 2,9b NLB.). GNAT 346 4 In früheren Jahren hatte der Apostel den Glauben an Jesus Christus mit siegreicher Vollmacht öffentlich verkündigt, und durch Zeichen und Wunder hatte er unmissverständlich dessen göttlichen Charakter bezeugt. Mit edler Festigkeit war er vor die Weisen Griechenlands getreten und hatte durch sein Wissen und seine Beredsamkeit die Argumente der stolzen Philosophie zum Schweigen gebracht. Mit ungebrochenem Mut hatte er vor Königen und Statthaltern von Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und von dem zukünftigen Gericht geredet, bis die hochmütigen Machthaber zitterten, als ob sie die Schrecken des Gerichtstages Gottes bereits vor sich sahen. GNAT 347 1 Solche Gelegenheiten wurden dem Apostel nun nicht mehr gewährt, da er in seiner Unterkunft in Hausarrest gehalten wurde und die Wahrheit nur denen verkündigen konnte, die ihn dort aufsuchten. Er hatte - anders als Mose und Aaron - keinen göttlichen Befehl, vor den charakterlosen Herrscher zu treten und im Namen des großen ICH BIN (2. Mose 3,14 ZÜ) dessen Grausamkeit und Gewaltherrschaft zu tadeln. Doch gerade als diesem bedeutendsten Verkündiger jedes Wirken in der Öffentlichkeit verwehrt war, wurde ein großer Sieg für das Evangelium errungen - sogar aus dem Haushalt des Kaisers wurden Glieder der Gemeinde hinzugefügt. GNAT 347 2 Nirgendwo sonst konnte es eine Umgebung geben, die dem Christentum so wesensfremd gewesen wäre wie die am Hof Roms. Nero schien die letzte Spur des Göttlichen, ja selbst des Menschlichen aus seiner Seele getilgt und den Stempel Satans angenommen zu haben. Seine Diener und Höflinge waren ihm im Allgemeinen charakterlich ähnlich - gewalttätig, verkommen und bestechlich. Am Hof und im Palast Neros schien es für das Christentum unmöglich zu sein, Fuß zu fassen. Menschen Am Hof Neros Werden Gewonnen GNAT 347 3 Doch in diesem Fall - wie in so vielen anderen - hat sich die Aussage des Paulus als wahr erwiesen, dass die Waffen seines Kampfes »mächtig im Dienste Gottes« sind, um »Festungen zu zerstören« (2. Korinther 10,4). Sogar im Haus Neros siegte das Kreuz. Menschen aus dem lasterhaften Gefolge eines noch lasterhafteren Herrschers bekehrten sich und wurden zu Kindern Gottes. Und diese Christen versteckten sich nicht, sondern traten offen auf und schämten sich ihres Glaubens nicht. GNAT 347 4 Doch wodurch konnte das Christentum dort eindringen und festen Fuß fassen, wo es unmöglich erschien, überhaupt Zutritt zu bekommen? Dass sich Menschen aus Neros Gefolge zum Glauben bekehrten, führte Paulus in seinem Brief an die Philipper auf die Tatsache seiner eigenen Gefangenschaft zurück. Weil er befürchtete, sie könnten annehmen, dass seine Leiden den Fortschritt des Evangeliums behindert hätten, versicherte er ihnen: »Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten.« (Philipper 1,12) GNAT 348 1 Als die christlichen Gemeinden zum ersten Mal davon erfahren hatten, dass Paulus Rom besuchen wollte, hatten sie freudig einen außerordentlichen Triumph des Evangeliums in jener Stadt erwartet. Paulus hatte die Wahrheit in viele Länder getragen und sie in großen Städten verkündigt. Würde es diesem Vorkämpfer des Glaubens nicht auch gelingen, in der Hauptstadt der Welt Menschen für Christus zu gewinnen? Doch ihre Hoffnungen wurden zunichte gemacht, als sie erfuhren, dass Paulus als Gefangener nach Rom gekommen war. Sie hatten zuversichtlich gehofft, miterleben zu können, wie das Evangelium - sobald es erst einmal in dieser großen Metropole Fuß gefasst hatte - sich zu allen Völkern hin ausbreiten und zu einer herrschenden Macht auf der Erde werden würde. Wie groß war daher ihre Enttäuschung! Zwar waren menschliche Erwartungen fehlgeschlagen, nicht jedoch Gottes Absicht. GNAT 348 2 Nicht durch die Predigten von Paulus, sondern durch seine Fesseln wurde die Aufmerksamkeit des Hofes auf das Christentum gelenkt. Als Gefangener zerbrach er die Ketten, die so viele Menschen in der Sklaverei der Sünde gefangen hielten. Und das war noch nicht alles. Er erklärte: »Die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind umso kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu.« (Philipper 1,14) GNAT 348 3 Die Geduld und Fröhlichkeit des Paulus während seiner langen, ungerechten Gefangenschaft, sein Mut und sein Glaube waren eine beständige Predigt. Seine Geisteshaltung, die so ganz anders war als die der Welt, bezeugte, dass eine höhere, überirdische Macht mit ihm war. Und durch sein Beispiel wurden Christen zu größerem Eifer für die Sache des Herrn angespornt, die in der Öffentlichkeit zu vertreten dem Apostel nun verwehrt war. So waren sogar die Fesseln des Paulus von großem Einfluss; denn als es schien, als wären seine Kraft und seine Wirksamkeit am Ende und als könnte er nun am allerwenigsten tun, gerade dann durfte er Garben für Christus von Feldern ernten, von denen er völlig abgeschnitten zu sein schien. GNAT 348 4 Noch vor dem Ende dieser zweijährigen Gefangenschaft konnte Paulus sagen: »Dass ich meine Fesseln für Christus trage, das ist im ganzen Prätorium und bei allen andern offenbar geworden.« (Philipper 1,13) Und unter denen, die der Gemeinde in Philippi Grüße sandten, erwähnte er besonders »die aus dem Haus des Kaisers« (Philipper 4,22). Gottes Diener Wirken In Jeder Lage GNAT 348 5 So wie Mut, erringt auch Geduld ihre Siege. Nicht weniger als durch kühne Tatkraft können durch Sanftmut in Anfechtungen Menschen für Christus gewonnen werden. Der Christ, der bei Verlust und Leiden Geduld und Fröhlichkeit zeigt, der selbst dem Tod mit dem Frieden und der Ruhe eines standhaften Glaubens entgegensieht, kann für das Evangelium mehr bewirken, als er durch ein langes Leben treuer Arbeit hätte erzielen können. Wenn ein Diener Gottes mitten aus dem aktiven Dienst abberufen wird, dann kommt es oft vor, dass die geheimnisvolle Fügung, die unser kurzsichtiger Verstand beklagen würde, durch Gott dazu bestimmt ist, ein Werk zu vollbringen, das auf andere Weise nie getan worden wäre. GNAT 349 1 Kein Nachfolger Christi sollte meinen, er habe keinen Dienst mehr zu leisten, keinen Lohn mehr zu erlangen, wenn er nicht mehr in der Lage ist, öffentlich und aktiv für Gott und dessen Wahrheit zu arbeiten. Wahre Zeugen für Christus werden nie zum »alten Eisen« geworfen. In Gesundheit und Krankheit, mitten im Leben oder angesichts des Todes - Gott gebraucht sie in jeder Lage. Wenn Diener Christi durch Satans Arglist verfolgt wurden, wenn ihre aktive Arbeit behindert wurde, wenn sie ins Gefängnis geworfen oder zum Schafott oder Scheiterhaufen geschleppt wurden, geschah es, damit die Wahrheit einen größeren Triumph erlangen sollte. Wenn diese Getreuen ihr Zeugnis mit ihrem Blut besiegelten, wurden Menschen, die bis dahin in Zweifel und Ungewissheit verharrten, vom Glauben an Christus überzeugt, und mutig bezogen sie von nun an Stellung für ihn. Aus der Asche der Märtyrer erwuchs eine reiche Ernte für Gott. GNAT 349 2 Der Eifer und die Treue des Paulus und seiner Mitarbeiter und nicht weniger auch der Glaube und Gehorsam jener neuen Christusgläubigen, die unter so abschreckenden Umständen lebten, stellen einen Tadel für die Faulheit und das mangelnde Vertrauen mancher Diener Christi dar. Der Apostel und die ihm zur Seite stehenden Mitarbeiter hätten argumentieren können, es sei doch vergeblich, Bedienstete Neros zur Umkehr und zum Glauben an Christus zu rufen, da sie doch starken Versuchungen unterworfen, von gewaltigen Hindernissen umgeben und erbitterter Gegnerschaft ausgesetzt sind. Selbst wenn sie von der Wahrheit überzeugt würden, wie könnten sie ihr Gehorsam leisten? Doch so argumentierte Paulus nicht. Im Glauben legte er diesen Menschen das Evangelium vor, und unter den Zuhörern gab es einige, die sich entschlossen zu gehorchen - koste es, was es wolle. Trotz Hindernissen und Gefahren wollten sie das Licht annehmen und Gott vertrauen, dass er ihnen helfen werde, ihr Licht für andere leuchten zu lassen. GNAT 349 3 Es wurden nicht nur aus dem Haushalt des Kaisers Menschen für die Wahrheit Christi gewonnen wurden, sondern sie blieben auch nach ihrer Bekehrung am Hof. Sie fühlten sich nicht frei, ihre pflichtgemäße Stellung nur deshalb zu verlassen, weil ihre Umgebung ihnen nicht mehr zusagte. Dort hatte die Wahrheit sie gefunden, und dort blieben sie, und durch ihren veränderten Lebenswandel und Charakter bezeugten sie die umwandelnde Kraft ihres neuen Glaubens. Verachtung Und SpotT - Kein Grund Zur Untätigkeit GNAT 350 1 Sind wir vielleicht versucht, unsere Lebensumstände dafür verantwortlich zu machen, dass wir es unterlassen, Zeugen für Christus zu sein? Bedenken wir doch die Situation der Christen im Umkreis des Kaisers - die Sittenlosigkeit des Herrschers, die Lasterhaftigkeit des Hofes. Wir können uns schwerlich noch ungünstigere Umstände für ein christliches Leben mit größeren Opfern und stärkerem Widerstand vorstellen, als es damals für die Neubekehrten der Fall war. Doch inmitten von Schwierigkeiten und Gefahren hielten sie an ihrer Treue fest. Angesichts von unüberwindlich erscheinenden Hindernissen mag ein Christ versuchen, sich vom Gehorsam gegenüber der Wahrheit, die in Jesus ist, zu entschuldigen; doch es gibt hier keine Rechtfertigung, die einer kritischen Untersuchung standhalten würde. Wäre dies möglich, würde Gott als ungerecht dastehen, weil er seinen Kinder Bedingungen für ihre Erlösung auferlegt, die sie nicht erfüllen können. GNAT 350 2 Wer sein Herz ganz darauf ausgerichtet hat, Gott zu dienen, wird auch Gelegenheit finden, für ihn Zeugnis abzulegen. Schwierigkeiten werden für den kein Hindernis sein können, der entschlossen ist, »zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit« zu trachten (Matthäus 6,33). In der Stärke, die der Christ durch das Gebet und durch das Studium des Wortes Gottes erlangt, wird er der Tugend nachstreben und dem Laster absagen. Im Blick auf Jesus, den »Anfänger und Vollender des Glaubens ... der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat« (Hebräer 12,2.3), wird auch der Gläubige willig der Verachtung und dem Spott trotzen. Für jede Lebenslage hat Gott, dessen Wort Wahrheit ist, ausreichende Hilfe und Kraft zugesagt. Seine ewigen Arme umfangen jeden Gläubigen, der sich hilfesuchend an ihn wendet. In seiner Fürsorge dürfen wir sicher ruhen und sagen: »Wenn ich mich fürchte, so hoffe ich auf dich.« (Psalm 56,4) Gott wird seine Verheißung an all denen wahrmachen, die ihr Vertrauen auf ihn setzen. GNAT 350 3 Durch sein eigenes Beispiel hat der Erlöser gezeigt, dass seine Nachfolger »in der Welt« leben können, ohne »von der Welt« zu sein (Johannes 17,11.14). Er ist nicht gekommen, um an ihren trügerischen Vergnügungen teilzunehmen, um sich von ihren Sitten beherrschen zu lassen und um ihren Praktiken zu folgen, sondern um den Willen seines Vaters zu tun und »zu suchen und selig zu machen, was verloren ist« (Lukas 19,10). Mit diesem Ziel vor Augen kann ein Christ unbefleckt in jedem Umfeld bestehen. Wie auch immer seine Stellung oder seine Verhältnisse sein mögen - exklusiv oder einfach -, er wird die Macht des wahren Glaubens in der treuen Erfüllung seiner Pflicht bekunden. GNAT 351 1 Nicht da, wo es keine Anfechtungen gibt, sondern inmitten von Anfechtungen entwickelt sich ein christlicher Charakter. Abgewiesen zu werden und Widerstand zu erleben führt den Nachfolger Christi zu größerer Wachsamkeit und ernsterem Gebet zu seinem mächtigen Helfer. Wenn wir harte Anfechtungen durch Gottes Gnade ertragen, üben wir uns in Geduld, Wachsamkeit und Festigkeit und entwickeln ein tiefes, bleibendes Vertrauen zu Gott. Es ist der Triumph des christlichen Glaubens, dass er seinen Anhängern die Fähigkeit schenkt, zu leiden und stark zu sein; sich zu fügen und dadurch zu siegen; den ganzen Tag getötet zu werden und doch zu leben (vgl. Römer 8,36), das Kreuz zu tragen und so »die unvergängliche Krone der Herrlichkeit« zu empfangen (1. Petrus 5,4). ------------------------Kapitel 45 -- Briefe Aus Rom GNAT 352 0 Aus Epheser 4,11 bis 5,20, Philipper und Kolosser. GNAT 352 1 Bereits früh in seinen Erfahrungen als Christ hatte der Apostel Paulus besondere Gelegenheiten erhalten, Gottes Willen für die Nachfolger Jesu zu erkennen. Er wurde »entrückt bis in den dritten Himmel« (2. Korinther 12,2) und »entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann« (2. Korinther 12,4). Er selbst bestätigte, dass er viele »Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn« empfangen hatte (2. Korinther 12,1). In seiner Erkenntnis der Prinzipien der Evangeliumswahrheit stand er daher keinem der »Überapostel« nach (2. Korinther 12,11). Er hatte ein klares Verständnis von der Breite und Länge und Höhe und Tiefe »der Liebe Christi ... die alle Erkenntnis übertrifft« (Epheser 3,18.19). GNAT 352 2 Paulus konnte nicht alles erzählen, was er in Visionen gesehen hatte, da es unter seinen Zuhörern solche gab, die seine Worte verdreht hätten. Aber was ihm offenbart worden war, befähigte ihn, als Apostel und weiser Lehrer zu wirken. Es prägte auch die Botschaften, die er in späteren Jahren den Gemeinden sandte. Die Eindrücke, die er in Visionen empfangen hatte, waren ihm stets gegenwärtig und befähigten ihn, das Wesen eines Christen treffend zu beschreiben. Durch Wort und durch Briefe sandte er den Gemeinden Gottes Botschaften, die der Gemeinde seither Hilfe und Stärke vermittelt haben. Die Christen unserer Zeit werden durch diese Botschaften deutlich vor Gefahren gewarnt, die der Gemeinde drohen, und vor falschen Lehren, mit denen sie sich auseinandersetzen muss. Ratschlage Und Ermahnungen GNAT 352 3 Der Apostel wünschte allen, denen er seine Ratschläge und Ermahnungen sandte, dass sie »nicht mehr unmündig «sind und sich nicht »von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen« (Epheser 4,14), sondern dass »alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi« (Epheser 4,13). Ernstlich bat er die Nachfolger Jesu, die unter den Völkern wohnten, nicht zu leben, »wie die Heiden leben in der Nichtigkeit ihres Sinnes. Ihr Verstand ist verfinstert, und sie sind entfremdet dem Leben, das aus Gott ist, durch die ... Verstockung ihres Herzens« (Epheser 4,17.18). »So sehet nun wohl zu, wie ihr wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus.« (Epheser 5,15.16 GNB) Er ermutigte die Gläubigen, vorwärts zu schauen auf die Wiederkunft Christi, der »die Gemeinde geliebt hat und hat sich selbst für sie dahingegeben ... damit er sie vor sich stelle als eine Gemeinde, die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern die heilig und untadelig sei« (Epheser 5,25.27). GNAT 353 1 Diese Botschaften, die nicht aus menschlicher, sondern aus göttlicher Vollmacht niedergeschrieben wurden, enthalten Lehren, mit denen sich jeder vertraut machen sollte und die man nicht oft genug nutzbringend wiederholen kann. Sie umreißen, was praktische Frömmigkeit ist. Ihre Prinzipien sollten in jeder Gemeinde befolgt werden. Der Weg, der zum ewigen Leben führt, wird hier klar dargestellt. Botschaften An Die Kolosser GNAT 353 2 Was Paulus in seinem Brief an die »Heiligen in Kolossä, die gläubigen Brüder in Christus« (Kolosser 1,2), während seiner Gefangenschaft in Rom schrieb, bringt seine Freude über ihre Standhaftigkeit im Glauben zum Ausdruck, von der Epaphras ihm berichtet hatte (vgl. Kolosser 1,7.8). Er hatte »auch berichtet ... von eurer Liebe im Geist. Darum«, fuhr Paulus fort, »lassen wir auch von dem Tag an, an dem wir's gehört haben, nicht ab, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht, dass ihr des Herrn würdig lebt, ihm in allen Stücken gefallt und Frucht bringt in jedem guten Werk und wachst in der Erkenntnis Gottes und gestärkt werdet mit aller Kraft durch seine herrliche Macht zu aller Geduld und Langmut« (Kolosser 1,8-11). GNAT 353 3 In diese Worte kleidete Paulus seine Wünsche für die Gemeindeglieder in Kolossä. Welch hohes Ideal halten doch diese Worte dem Nachfolger Christi vor Augen! Sie zeigen die wunderbaren Möglichkeiten des christlichen Lebens und legen dar, dass es keine Begrenzung gibt für die Segnungen, die Gottes Kinder empfangen können. Indem ihre Gotteserkenntnis ständig zunimmt, wird ihre christliche Erfahrung stärker und wächst zu Höhen empor, bis Gott sie »durch seine herrliche Macht zu aller Geduld und Langmut . tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht« (Kolosser 1,11.12). GNAT 353 4 Paulus pries Christus vor seinen Glaubensgeschwistern als den Einen, durch den Gott alle Dinge auf der Erde geschaffen und durch den er unsere Erlösung bewirkt hatte. Die Hände - erklärte er - mit denen Gott die Welten im Raum trage und in wunderbarer Ordnung und unermüdlicher Tätigkeit das ganze Universum zusammenhalte, seien dieselben, die für uns ans Kreuz genagelt wurden: »In ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm.« (Kolosser 1,16.17) »Auch euch, die ihr einst fremd und feindlich gesinnt wart in bösen Werken, hat er nun versöhnt durch den Tod seines sterblichen Leibes, damit er euch heilig und untadelig und makellos vor sein Angesicht stelle.« (Kolosser 1,21.22) GNAT 354 1 Der Sohn Gottes beugte sich zu den Menschen herab, um die Gefallenen aufzurichten. Dazu verließ er die sündlosen Welten in der Höhe - die 99, die ihn liebten - kam zur Erde und wurde »um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen« (Jesaja 53,5). In allem wurde er seinen Brüdern gleich, ein Mensch wie wir, und erfuhr, was es heißt, hungrig, durstig und müde zu sein. Er hielt sich durch Nahrung am Leben und stärkte sich durch Schlaf; er war ein Fremdling und Gast auf Erden. Er war in der Welt, aber nicht von der Welt, versucht und angefochten, wie Männer und Frauen auch heute versucht und angefochten werden, lebte dabei aber frei von Sünde. Er war liebevoll, mitfühlend, wohlwollend, stets um andere besorgt. Er stellte uns den Charakter Gottes dar. »Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns ... voller Gnade und Wahrheit.« (Johannes 1,14) Christus Und Die Bibel -- Sicherer Schutz Vor Irrlehren GNAT 354 2 Die Christen in Kolossä waren von den Praktiken und Einflüssen des Heidentums umgeben und standen dadurch in Gefahr, sich von der Einfachheit des Evangeliums abbringen zu lassen. Paulus warnte davor und wies sie auf Christus als das einzig sichere Vorbild hin. »Ich will euch nämlich wissen lassen«, schrieb er ihnen, »welchen Kampf ich um euch führe und um die in Laodizea und um alle, die mich nicht von Angesicht gesehen haben, damit ihre Herzen gestärkt und zusammengefügt werden in der Liebe und zu allem Reichtum an Gewissheit und Verständnis, zu erkennen das Geheimnis Gottes, das Christus ist, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Ich sage das, damit euch niemand betrüge mit verführerischen Reden . Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar. Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.« (Kolosser 2,1-4.6-10) GNAT 355 1 Christus hatte vorausgesagt, dass Verführer auftreten und durch ihren Einfluss die »Ungerechtigkeit überhandnehmen« und »die Liebe in vielen erkalten« werde (vgl. Matthäus 24,11.12). Er hatte seine Jünger gewarnt, dass von dieser Seite der Gemeinde größere Gefahren drohten als von der Verfolgung durch ihre Feinde. Immer wieder warnte auch Paulus die Gläubigen vor Irrlehrern. Vor allem vor dieser Gefahr sollten sie sich hüten; denn durch die Aufnahme falscher Lehrer öffneten sie Irrtümern die Tür, sodass es dem Feind ermöglicht wurde, das geistliche Unterscheidungsvermögen zu trüben und das Vertrauen derer zu erschüttern, die noch jung im Glauben an das Evangelium waren. Christus war der Maßstab, an dem sie jede Lehre prüfen sollten. Alles, was mit seinen Lehren nicht übereinstimmte, sollten sie zurückweisen. Christus, um unserer Sünde willen gekreuzigt, von den Toten auferstanden und in den Himmel zurückgekehrt - das ist das Zentrum der Heilsbotschaft, das sie lernen und lehren sollten. GNAT 355 2 Die Warnungen des Wortes Gottes in Bezug auf die Gefahren, denen die christliche Gemeinde ausgesetzt ist, gelten auch für uns heute. So wie in den Tagen der Apostel Menschen mit Hilfe von Traditionen und Philosophien versuchten, das Vertrauen in die Heilige Schrift zunichte zu machen, so geschieht Ähnliches auch heute. Durch populäre Ansichten wie »höhere Bibelkritik«, die Evolutionstheorie, Spiritismus, Theosophie und Pantheismus sucht der Feind der Gerechtigkeit, die Menschen auf verbotene Wege zu locken. Vielen erscheint die Bibel wie eine Öllampe ohne Öl, weil sie sich in ihren Gedanken auf einen spekulativen Glauben eingelassen haben, der zu Missverständnissen und Verwirrung führt. Die »höhere Bibelkritik« seziert den Text, bildet Hypothesen, setzt Bruchstücke neu zusammen und zerstört damit den Glauben an die Bibel als göttliche Offenbarung. So wird Gottes Wort seiner Kraft beraubt, das Leben von Menschen zu leiten, erheben und inspirieren. Durch esoterisches Gedankengut wurden viele dazu verleitet zu glauben, dass das eigene Verlangen das oberste Gesetz, Zügellosigkeit wahre Freiheit und der Mensch nur sich selbst verantwortlich sei. GNAT 355 3 Nachfolger Jesu werden diesen »verführerischen Reden« (vgl. Kolosser 2,4) widerstehen, vor denen der Apostel die Christen in Kolossä warnte. Sie werden zwar auf merkwürdige Interpretationen der Bibel stoßen, dürfen sie aber auf keinen Fall übernehmen. Ihre Stimme muss die ewigen Wahrheiten der Schrift klar bekräftigen. Sie müssen ihren Blick fest auf Christus richten und unbeirrt auf dem vorgezeichneten Weg vorangehen. Ansichten, die nicht mit der Lehre Christi vereinbar sind, müssen sie verwerfen. Die Wahrheit Gottes muss Gegenstand ihrer Betrachtungen und ihres Nachsinnens sein. Sie müssen die Bibel als Stimme Gottes gelten lassen, die direkt zu ihnen spricht. So werden sie die Weisheit finden, die von Gott kommt. GNAT 356 1 Die Gotteserkenntnis, wie sie in Christus offenbart worden ist, müssen alle Erlösten in sich tragen. Diese Erkenntnis verändert den Charakter. Findet sie Eingang im Leben, stellt sie das Bild Christi im Menschen wieder her. Gott lädt seine Kinder ein, sich diese Erkenntnis anzueignen. Ohne sie ist alles andere nichtig und wertlos. GNAT 356 2 In jeder Generation und in jedem Land ist das wahre Fundament der Charakterbildung dasselbe: die Prinzipien, die wir im Wort Gottes finden. Die einzig wahre und sichere Norm ist, das zu tun, was Gott sagt. »Die Gebote des Herrn sind richtig.« (Psalm 19,9 NLB) »Wer so handelt, steht für immer auf sicherem Grund.« (Psalm 15,5b NLB) Den Irrlehren ihrer Zeit traten die Apostel mit dem Wort Gottes entgegen, als sie sagten: »Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist.« (1. Korinther 3,11) Verwandlung Durch Christus GNAT 356 3 Als sich die Gläubigen in Kolossä bekehrten und taufen ließen, gelobten sie, Anschauungen und Praktiken abzulegen, die bisher Teil ihres Lebens waren, und dem Treueversprechen Christus gegenüber nachzukommen. Paulus erinnerte sie in seinem Brief daran und bat sie inständig, nicht zu vergessen, dass sie - um ihrem Taufgelöbnis nachzukommen - dem Bösen unablässig widerstehen mussten, das die Herrschaft über sie erlangen will. »Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.« (Kolosser 3,1-3) GNAT 356 4 »Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.« (2. Korinther 5,17) Durch die Macht Christi haben Männer und Frauen die Fesseln sündhafter Gewohnheiten gesprengt und der Selbstsucht abgesagt. Durch sie wurden Gotteslästerer ehrerbietig, Alkoholiker nüchtern und Lasterhafte rein. Menschen, die in ihrem Charakter Satan ähnlich gewesen waren, wurden in das Bild Gottes verwandelt. Solch eine Umwandlung ist das größte aller Wunder und gehört zu den tiefsten Geheimnissen des Wortes Gottes. Wir können es nicht verstehen, sondern nur glauben, was die Heilige Schrift darüber sagt: Es ist »Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit« (Kolosser 1,27). GNAT 357 1 Wenn Herz und Verstand dem Geist Gottes unterstellt werden, stimmt der bekehrte Mensch ein neues Lied an, denn er hat erkannt, dass in seinem Leben die Verheißungen Gottes erfüllt worden sind: Seine Übertretungen sind vergeben, seine Sünde ist bedeckt (vgl. Psalm 32,1). Er hat vor Gott die Übertretung des göttlichen Gesetzes bereut und vertraut auf Christus, der für die Rechtfertigung der Menschen gestorben ist. »Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.« (Römer 5,1) GNAT 357 2 Gerade weil er diese Erfahrungen gemacht hat, darf ein Christ nicht die Hände in den Schoß legen und sich mit dem zufrieden geben, was für ihn vollbracht worden ist. Wer entschlossen ist, in das geistliche Reich Gottes einzugehen, wird erkennen, dass alle Kräfte und Leidenschaften der sündigen Natur - gefördert durch die Mächte des Reiches der Finsternis - gegen ihn aufgeboten werden. Jeden Tag muss sich der Christ Gott aufs Neue weihen und mit dem Bösen kämpfen. Alte Gewohnheiten und ererbte Neigungen zum Bösen streiten in ihm um die Vorherrschaft. Davor muss er beständig auf der Hut sein und in der Macht Christi um den Sieg ringen. GNAT 357 3 »So tötet nun die Glieder, die auf Erden sind«, schrieb Paulus den Kolossern. »In dem allen seid auch ihr einst gewandelt, als ihr noch darin lebtet. Nun aber legt alles ab von euch: Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte aus eurem Munde ... So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.« (Kolosser 3,5.7.8.12-15) GNAT 357 4 Der Brief an die Kolosser enthält höchst wertvolle Lehren für alle, die im Dienst Christi stehen. Dabei geht es um die Beharrlichkeit bei der Verfolgung eines erhabenen Zieles, die im Leben eines jeden zu erkennen ist, der den Heiland richtig darstellt. Der Gläubige wendet sich von allem ab, was ihn hindert, auf dem Weg nach oben voranzugehen oder was die Füße eines anderen vom schmalen Pfad abbringen könnte. Sein Alltagsleben offenbart Barmherzigkeit, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld und die Liebe Christi. GNAT 357 5 Was wir brauchen, ist die Macht, die uns zu einem höheren, reineren, edleren Leben befähigt. Wir denken zu viel an irdische Dinge und zu wenig an die himmlischen. GNAT 357 6 In seinem Bestreben, das ihm von Gott gesteckte Ziel zu erreichen, darf sich der Christ durch nichts entmutigen lassen. Allen Menschen gilt die Verheißung, durch Christi Gnade und Macht sittlich und geistlich vollkommen zu werden. Von Jesus kommt alle Macht, er ist die Quelle des Lebens. Er führt uns zu seinem Wort und reicht uns Blätter vom Baum des Lebens zur Heilung unserer sündenkranken Seele (vgl. Offenbarung 22,3b). Er führt uns zum Thron Gottes und legt uns ein Gebet in den Mund, das uns mit ihm selbst in enge Beziehung bringt. Um unseretwillen setzt er alle mächtigen Werkzeuge des Himmels in Bewegung, und bei jedem Schritt spüren wir seine lebendige Macht. GNAT 358 1 Dem Wachstum derer, die wünschen, »mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht« erfüllt zu werden (Kolosser 1,9), setzt Gott keine Grenzen. Durch Gebet, durch Wachsamkeit und durch wachsende Erkenntnis und Einsicht sollen sie »mit aller Kraft durch seine herrliche Macht« (Kolosser 1,11) gestärkt werden. Dadurch werden sie vorbereitet, um für andere zu wirken. Der Erlöser will geläuterte und geheiligte Menschen zu seinen Helfern machen. Für diese große Gnade wollen wir dem danken, der uns »tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht. Er hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes« (Kolosser 1,12.13). Der Brief An Die Philipper GNAT 358 2 Auch den Brief an die Gemeinde in Philippi schrieb Paulus wie den an die Kolosser während seiner Gefangenschaft in Rom. Ihm selbst hatte die dortige Gemeinde durch die Hand des Epaphroditus, der von Paulus »mein Mitarbeiter und Mitstreiter ... und euer Abgesandter und Helfer in meiner Not« genannt wurde (Philipper 2,25), Spenden gesandt. Während seines Aufenthalts in Rom war Epaphroditus »todkrank«, wie Paulus schrieb, »aber Gott hat sich über ihn erbarmt; nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich, damit ich nicht eine Traurigkeit zu der anderen hätte« (Philipper 2,27). Als die Christen in Philippi von der Krankheit des Epaphroditus hörten, wurden sie mit Sorge um ihn erfüllt. Daher beschloss er, zu ihnen zurückzukehren. Paulus schrieb darüber: »Er hatte nach euch allen Verlangen und war tief bekümmert, weil ihr gehört hattet, dass er krank geworden war. ... Ich habe ihn nun umso eiliger gesandt, damit ihr ihn seht und wieder fröhlich werdet, und auch ich weniger Traurigkeit habe. So nehmt ihn nun auf in dem Herrn mit aller Freude und haltet solche Menschen in Ehren. Denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tode so nahe gekommen, da er sein Leben nicht geschont hat, um mir zu dienen an eurer Statt.« (Philipper 2,26.28-30) GNAT 358 3 Durch Epaphroditus sandte Paulus den Christen in Philippi einen Brief, in dem er ihnen für die übermittelten Gaben dankte. Von allen Gemeinden hatte die in Philippi am meisten für die Bedürfnisse des Paulus gespendet. »Ihr in Philippi wisst ja selbst, dass am Beginn der Ausbreitung des Evangeliums, als ich von Makedonien aufbrach, keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft hatte im Geben und Nehmen außer euch, ja, dass ihr mich auch in Thessalonich das eine oder andere Mal unterstützt habt. Nicht dass ich auf eure Gabe aus wäre, nein, ich suche den Ertrag, der euren Gewinn mehrt. Ich habe alles erhalten und habe nun mehr als genug. Ich bin mit allem versorgt, da ich von Epaphroditus eure Gabe erhalten habe, einen lieblichen Duft, ein willkommenes, Gott wohlgefälliges Opfer.« (Philipper 4,15-18 ZÜ) GNAT 359 1 »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch denke, wenn immer ich für euch alle bitte und voll Freude für euch eintrete im Gebet: Ich danke dafür, dass ihr am Evangelium teilhabt, vom ersten Tag an bis heute, und ich bin dessen gewiss, dass er, der das gute Werk in euch angefangen hat, es bis zum Tag Christi Jesu auch vollendet haben wird. Es ist auch nichts als recht, dass ich so von euch allen denke. Denn ihr wohnt in meinem Herzen, und an der Gnade, die ich im Gefängnis und vor Gericht bei der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums erfahren habe, habt ihr alle teil. Gott ist mein Zeuge: Ich sehne mich nach euch allen, so wie auch Christus Jesus herzlich nach euch verlangt. Und ich bete dafür, dass eure Liebe reicher und reicher werde an Erkenntnis und zu umfassender Einsicht gelangt, und dass ihr so zu prüfen vermögt, worauf es ankommt; dann werdet ihr rein sein und ohne Tadel am Tag Christi, erfüllt von der Frucht der Gerechtigkeit, die Jesus Christus wirkt, zur Ehre und zum Lob Gottes.« (Philipper 1,2-11 ZÜ) Gott Und Mensch Wirken Zusammen GNAT 359 2 Die Gnade Gottes stärkte Paulus in seiner Gefangenschaft und machte ihn fähig, sich inmitten von Trübsal zu freuen. Voller Glaube und Zuversicht schrieb er den Glaubensgeschwistern in Philippi, dass seine Gefangenschaft zur Verbreitung des Evangeliums gedient hatte. »Ihr sollt aber wissen, liebe Brüder und Schwestern, dass alles, was mir widerfahren ist, nur der Förderung des Evangeliums dient. So hat sich im ganzen Prätorium und weit darüber hinaus die Kunde verbreitet, dass ich um Christi willen in Fesseln liege, und die Mehrzahl der Brüder und Schwestern ist durch meine Gefangenschaft in ihrem Vertrauen zum Herrn gestärkt worden und wagt nun immer entschiedener, das Wort ohne Furcht weiterzusagen.« (Philipper 1,12-14) GNAT 359 3 Aus der Erfahrung von Paulus können wir eine Lehre ziehen; sie offenbart, wie Gott wirkt. Der Herr kann in einen Sieg verwandeln, was uns wie ein Misserfolg oder eine Niederlage erscheint. Wir stehen in Gefahr, Gott zu vergessen und nur auf das Sichtbare zu schauen, statt mit dem Auge des Glaubens das Unsichtbare zu erkennen. Bricht ein Unglück oder Missgeschick über uns herein, sind wir nur allzu schnell bereit, Gott zu beschuldigen, er vernachlässige uns oder sei grausam. Hält er es für angebracht, unsere Nützlichkeit in irgendeinem Bereich zu beschneiden, klagen wir darüber. Wir halten nicht inne, um zu bedenken, dass Gott vielleicht auf diese Weise zu unserem Besten wirken könnte. Wir müssen lernen, dass Zurechtweisung ein Teil seines erhabenen Planes ist und ein Christ unter der Rute des Leidens zuweilen mehr für seinen Meister auszurichten vermag als im aktiven Einsatz. GNAT 360 1 Paulus wies die Philipper auf das Vorbild Christi hin, »der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz« (Philipper 2,6-8). GNAT 360 2 »Also, meine Lieben«, fuhr Paulus fort, »wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit, - schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel, damit ihr ohne Tadel und lauter seid, Gottes Kinder, ohne Makel mitten unter einem verdorbenen und verkehrten Geschlecht, unter dem ihr scheint als Lichter in der Welt, dadurch dass ihr festhaltet am Wort des Lebens, mir zum Ruhm an dem Tage Christi, so dass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch vergeblich gearbeitet habe.« (Philipper 2,12-16) Diese Worte sind jedem sich abmühenden Menschen zur Hilfe niedergeschrieben worden. Paulus hielt den Maßstab der Vollkommenheit hoch, ließ uns aber wissen, wie wir ihn erreichen können. »Schaffet, dass ihr selig werdet«, mahnte der Apostel, »denn Gott ist's, der in euch wirkt das Wollen und das Vollbringen.« GNAT 360 3 Die Erlösung zu erlangen ist ein Werk der Partnerschaft, eine gemeinsame Aktion. Zwischen Gott und dem reuigen Sünder muss es eine Kooperation geben. Dies ist für die Entwicklung rechter Prinzipien bei der Charakterbildung unerlässlich. Ein Mensch muss sich ernsthaft bemühen, die Hindernisse zu überwinden, die auf dem Weg zur Vollkommenheit liegen. Um dabei Erfolg zu haben, ist er aber ganz von Gott abhängig. Menschliche Anstrengungen allein reichen nicht. Ohne die Hilfe der göttlichen Macht führen sie zu nichts. Gott wirkt, und der Mensch tut etwas. Der Widerstand gegen die Versuchung muss vom Menschen her kommen, der sich seine Kraft bei Gott holt. Auf der einen Seite ist unendliche Weisheit, Mitgefühl und Macht, auf der anderen Schwäche, Sündhaftigkeit und völlige Hilflosigkeit. GNAT 361 1 Gott möchte, dass wir uns selbst beherrschen lernen. Aber ohne unsere Zustimmung und Kooperation kann er uns nicht helfen. Der Heilige Geist wirkt durch die Kräfte und Fähigkeiten, die dem Menschen verliehen worden sind. Allein sind wir nicht imstande, unsere Absichten, Wünsche und Neigungen mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen. Wenn wir aber »bereit sind, uns willig machen zu lassen«, dann wird dies der Erlöser für uns vollbringen. »Wir zerstören damit Gedanken und alles Hohe, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus.« (2. Korinther 10,5) GNAT 361 2 Wer einen starken und ausgeglichenen Charakter entwickeln will, wer ein ausgeglichener Christ sein will, muss Christus alles geben und alles für ihn tun; denn der Erlöser akzeptiert keinen halbherzigen Dienst. Der Mensch muss täglich lernen, was Übergabe an Christus bedeutet. Er muss im Wort Gottes lesen, dessen Bedeutung verstehen lernen und dessen Anweisungen Folge leisten. Auf diesem Wege kann er das Niveau christlicher Vortrefflichkeit erreichen. Gott wirkt Tag für Tag in ihm und vervollkommnet auf diese Weise seinen Charakter, der sich zur Zeit der letzten Prüfung bewähren soll. Und Tag für Tag zeigt der Gläubige vor Menschen und Engeln durch dieses großartige Experiment, was das Evangelium für gefallene Menschen tun kann. Den Siegespreis Vor Augen GNAT 361 3 »Ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe«, schrieb Paulus. »Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.« (Philipper 3,13.14) GNAT 361 4 Paulus tat vieles. Von der Zeit an, da er seinem Herrn den Treueid geleistet hatte, war er ein unermüdlicher Diener Christi. Er reiste von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, verkündigte das Wort vom Kreuz, gewann Menschen, die sich zum Evangelium bekehrten, und gründete Gemeinden. Ständig kümmerte er sich um sie und schrieb ihnen zur Unterweisung manchen Brief. Zeitweilig arbeitete er in seinem erlernten Handwerk und verdiente damit sein tägliches Brot. Doch bei all dieser Betriebsamkeit verlor er das große Ziel nie aus den Augen: dem Siegespreis seiner Berufung nachzujagen. Auf dieses Ziel richtete er stets seinen Blick. Er wollte dem treu sein, der sich ihm vor den Toren von Damaskus offenbart hatte. Nichts konnte ihn von diesem Ziel abbringen. Das Kreuz von Golgatha in den Mittelpunkt zu stellen - dieses einzigartige Anliegen prägte all seine Worte und Taten. GNAT 362 1 Das hohe Ziel, das Paulus bewog, trotz aller Nöte und Schwierigkeiten voranzudrängen, sollte jedem christlichen Mitarbeiter ein Ansporn sein, sich vollständig dem Dienst Gottes zu weihen. Weltliche Attraktionen werden ihm vorgestellt, um seine Aufmerksamkeit vom Erlöser abzuwenden, aber er muss unbeirrt auf sein Ziel zustreben. Er wird der Welt, den Engeln und Menschen zeigen, dass die Hoffnung, Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen, jede Anstrengung und jedes Opfer wert ist. GNAT 362 2 Obwohl er ein Gefangener war, ließ sich Paulus nicht entmutigen. Im Gegenteil: ein Ton des Triumphs klang durch die Briefe, die er von Rom aus an die Gemeinden schrieb. »Freuet euch in dem Herrn allewege«, schrieb er an die Philipper, »und abermals sage ich: Freuet euch! ... Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Weiter, liebe Brüder: Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein Lob - darauf seid bedacht!« (Philipper 4,4.6-8) GNAT 362 3 »Mein Gott aber wird all eurem Mangel abhelfen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus . Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist!« (Philipper 4,19.23) ------------------------Kapitel 46 -- Wieder In Freiheit GNAT 363 1 Das Wirken des Apostels Paulus in Rom wurde reich gesegnet: Viele Menschen bekehrten sich, und die Christen wurden durch ihn im Glauben gestärkt und ermutigt. Gleichzeitig zogen sich jedoch düstere Wolken zusammen, die nicht nur seine eigene Sicherheit, sondern auch das Wohl der Gemeinde bedrohten. Bei seiner Ankunft in Rom war er dem Hauptmann der kaiserlichen Garde übergeben worden, einem gerechten und aufrichtigen Mann. Weil dieser eine gutmütige Natur besaß, konnte Paulus relativ frei der Verkündigung des Evangeliums nachgehen. Aber noch vor Ablauf der zweijährigen Gefangenschaft wurde dieser Mann von einem Beamten abgelöst, von dem Paulus keine besonderen Vergünstigungen erwarten konnte. GNAT 363 2 Die Juden unternahmen nun größere Anstrengungen als je zuvor, um Paulus zu schaden. Sie fanden dabei die aktive Unterstützung von einer lasterhaften Person, die Nero zu seiner zweiten Frau gemacht hatte [Poppaea Sabina]. Sie war zum Judentum übergetreten und machte nun ihren ganzen Einfluss geltend, um den Juden bei ihrem mörderischen Plan gegen diesen machtvollen Verkündiger des Evangeliums zu helfen. GNAT 363 3 Paulus konnte vom Kaiser, auf den er sich berufen hatte, kaum Gerechtigkeit erwarten. Nero war moralisch verkommener, charakterlich ruchloser und zu scheußlicheren Grausamkeiten fähig als jeder andere Kaiser vor ihm. Die Regierungsgewalt hätte keinem despotischeren Machthaber anvertraut werden können. Bereits in seinem ersten Regierungsjahr hatte er seinen jungen Stiefbruder, den rechtmäßigen Thronerben, vergiften lassen. Immer stärker und unaufhaltsamer war Nero im Strudel von Laster und Verbrechen versunken, bis er sogar seine eigene Mutter und später seine Gemahlin ermorden ließ. Es gab keine Gräueltat, die er nicht begangen, keine Abscheulichkeit, zu der er sich nicht erniedrigt hätte. In jedem rechtschaffenen Menschen weckte er nur Ekel und Verachtung. GNAT 363 4 Die Einzelheiten der Gräuel, die an seinem Hof begangen wurden, sind zu schrecklich und zu menschenunwürdig, als dass man sie schildern könnte. Seine grenzenlose Lasterhaftigkeit erregte sogar bei Leuten Ekel und Abscheu, die gezwungen waren, an seinen Verbrechen teilzunehmen. Diese waren in ständiger Angst, auf welche Ungeheuerlichkeit er wohl als Nächstes kommen würde. Doch taten alle diese Verbrechen Neros der Loyalität seiner Untertanen keinen Abbruch. Er wurde als der uneingeschränkte Herrscher der gesamten zivilisierten Welt anerkannt. Darüber hinaus wurde er als Gott verehrt und angebetet. GNAT 364 1 Vom menschlichen Standpunkt aus gesehen war die Verurteilung des Apostels durch einen solchen Richter so gut wie sicher. Paulus war aber davon überzeugt, dass er nichts zu befürchten hatte, solange er Gott treu blieb. Christus, der in der Vergangenheit sein Beschützer gewesen war, würde ihn auch jetzt vor den Nachstellungen der Juden und vor der Macht des Kaisers bewahren können. GNAT 364 2 Und Gott beschützte seinen Diener tatsächlich. Beim Verhör ließen sich die Anschuldigungen gegen Paulus nicht erhärten. Entgegen allen Erwartungen geschah das Erstaunliche: Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Gerechtigkeit - was in vollem Widerspruch zu seinem Charakter stand - sprach der Kaiser den Angeklagten frei. Dem Apostel wurden die Fesseln abgenommen; er war wieder ein freier Mann. Erste Christenverfolgungen In Rom GNAT 364 3 Wäre der Prozess noch länger hinausgeschoben worden oder hätte man Paulus aus irgendeinem Grund bis zum folgenden Jahr in Rom festgehalten, wäre er zweifellos bei der Verfolgung umgekommen, die dann ausbrach. Während seiner Gefangenschaft hatten sich nämlich die Christen so sehr vermehrt, dass dies die Aufmerksamkeit und die Feindschaft der Behörden auf sich zog. Insbesondere die Tatsache, dass sich sogar Mitglieder seines Haushalts zu Christus bekehrt hatten, machte den Kaiser wütend. Bald fand er auch einen Vorwand, um die Christen zu Opfern seiner erbarmungslosen Grausamkeit zu machen. GNAT 364 4 Zu jener Zeit brach in Rom eine schreckliche Feuersbrunst aus, die fast die halbe Stadt in Schutt und Asche legte. Man munkelte, Nero selbst habe den Brand legen lassen. Um aber diesen Verdacht von sich abzulenken, gab er sich außergewöhnlich großzügig, indem er Obdachlosen und Notleidenden Hilfe gewährte. Dennoch beschuldigte man ihn auch weiterhin des Verbrechens. Das Volk war aufgewühlt und voller Entrüstung. Um sich reinzuwaschen und um die Stadt von einer Gruppe von Menschen zu säubern, die er fürchtete und hasste, schob Nero den Verdacht auf die Christen. Diese List führte zum Erfolg: Tausende von Christen - Männer, Frauen und Kinder - wurden auf grausame Weise umgebracht. GNAT 364 5 Paulus wurde vor dieser schrecklichen Verfolgung bewahrt, weil er Rom kurz nach seinem Freispruch verließ. Diese letzte Zeit in Freiheit nutzte Paulus zu fleißigem Wirken für die Gemeinden. Er bemühte sich darum, eine festere Einheit zwischen den griechischen Gemeinden und denen im Osten zu erreichen. Zudem wollte er das Herz der Gläubigen gegenüber falschen Lehren stärken, die in verschiedene Gemeinden eindrangen und den Glauben zu verderben drohten. GNAT 365 1 Die vielen Anfechtungen und Sorgen, die Paulus hatte erdulden müssen, hatten seine körperlichen Kräfte aufgezehrt. Altersbeschwerden machten ihm zu schaffen. Er spürte, dass sein Wirken nun dem Ende entgegenging. Je kürzer die Zeit wurde, desto intensiver setzte er sich ein. Sein Arbeitseifer schien keine Grenzen zu kennen. Zielbewusst, entschlussfreudig und stark im Glauben zog er in vielen Ländern von Gemeinde zu Gemeinde. Immer versuchte er mit allen in seiner Macht stehenden Mitteln, den Dienst der Christen zu stärken. Sie sollten ja nicht müde werden, Menschen für Jesus zu gewinnen. Und selbst in so schweren Zeiten, wie sie gerade jetzt begannen, sollten sie standhaft am Evangelium festhalten und sich als treue Zeugen für Christus erweisen. ------------------------Kapitel 47 -- Erneut Im Gefängnis GNAT 366 0 2. Timotheus 1,15-18; 4,9-12. GNAT 366 1 Die Arbeit, die Paulus in den Gemeinden nach seiner Freilassung in Rom verrichtete, konnte seinen Feinden nicht verborgen bleiben. Seit Beginn der Verfolgung unter Nero waren die Christen überall im Reich eine geächtete Sekte. Nach einiger Zeit kamen die Juden, die nicht an Jesus glaubten, auf den Gedanken, Paulus der Brandstiftung Roms zu bezichtigen. Keiner von ihnen glaubte auch nur einen Augenblick an seine Schuld. Doch sie wussten genau: Wenn man dieser Anklage nur den geringsten Schimmer von Glaubwürdigkeit andichten könnte, wäre das Schicksal des Apostels besiegelt. Auf ihr Betreiben hin wurde Paulus ein zweites Mal festgenommen und auf schnellstem Weg zu seiner letzten Gefangenschaft gebracht. GNAT 366 2 Auf dieser zweiten Reise nach Rom wurde Paulus von mehreren seiner früheren Gefährten begleitet. Auch andere wünschten sein Los mit ihm zu teilen, aber das lehnte er entschieden ab. Er wollte ihr Leben nicht auf diese Weise in Gefahr bringen. Diesmal waren seine Aussichten weit ungünstiger als zur Zeit seiner ersten Gefangenschaft. Die Verfolgung unter Nero hatte die Zahl der Christen in Rom stark reduziert. Tausende hatten wegen ihres Glaubens den Märtyrertod erlitten, viele hatten die Stadt verlassen. Wer sich von ihnen noch in Rom aufhielt, war entmutigt und eingeschüchtert. GNAT 366 3 Nach seiner Ankunft in Rom wurde Paulus gleich in einen düsteren Kerker geworfen. Dort sollte er den Rest seines Lebens verbringen. Angeklagt, eines der niederträchtigsten und schrecklichsten Verbrechen gegen die Stadt und die Nation begangen zu haben, überhäuften ihn alle mit Verachtung und Abscheu. GNAT 366 4 Die wenigen Freunde, die bisher an der Seite des Apostels ausgeharrt hatten, verließen ihn jetzt einer nach dem andern. Einige ließen ihn regelrecht im Stich, andere schickte Paulus selbst mit Botschaften zu verschiedenen Gemeinden. Phygelus und Hermogenes gingen zuerst fort (vgl. 2. Timotheus 1,15). Dann hielt es auch Demas in diesen Schwierigkeiten und Gefahren, die sich zusammenbrauten, nicht mehr aus, und er verließ den Apostel; Kreszens wurde von Paulus zu den Gemeinden in Galatien gesandt, Titus nach Dalmatien und Tychikus nach Ephesus (vgl. 2. Timotheus 4,10.12). In dieser Situation schrieb Paulus an Timotheus: »Lukas ist allein bei mir.« (2. Timotheus 4,11a) GNAT 367 1 Zu keiner Zeit hatte der Apostel die Hilfe und Fürsorge seiner Brüder nötiger als jetzt. Er war nun vom Alter geschwächt, von Gebrechen geplagt und von seinen vielen Mühen und Erlebnissen gezeichnet. Und nun lag er verlassen in dem feuchten und dunklen Gewölbe eines römischen Kerkers. Da waren ihm die Dienste des Lukas, seines geliebten Schülers und treuen Freundes, ein großer Trost. Durch ihn war es Paulus möglich, mit seinen Brüdern und der Außenwelt in Kontakt zu bleiben. GNAT 367 2 In dieser schwierigen Zeit erfreuten den Apostel die häufigen Besuche des Onesiphorus. Dieser warmherzige Epheser tat alles Menschenmögliche, um dem Apostel den Aufenthalt im Kerker zu erleichtern. Um der Wahrheit des Evangeliums willen lag sein geliebter Lehrer in Ketten, während er selbst sich frei bewegen konnte. Deshalb scheute er keine Mühe, das Los des Apostels erträglicher zu machen. GNAT 367 3 In seinem letzten Brief schrieb Paulus über diesen treuen Christen: »Der Herr gebe Barmherzigkeit dem Hause des Onesiphorus; denn er hat mich oft erquickt und hat sich meiner Ketten nicht geschämt, sondern als er in Rom war, suchte er mich eifrig und fand mich. Der Herr gebe ihm, dass er Barmherzigkeit finde bei dem Herrn an jenem Tage.« (2. Timotheus 1,16-18) GNAT 367 4 Das Verlangen nach Liebe und Mitgefühl hat Gott uns Menschen ins Herz gelegt. In der Stunde seines Todeskampfes in Gethsemane sehnte sich Christus nach dem Beistand seiner Jünger. Auch Paulus hatte das Bedürfnis nach Mitgefühl und Gemeinschaft mit lieben Menschen, obwohl er Leiden und Nöte offensichtlich gut verkraften konnte. Der Besuch des Onesiphorus war für Paulus gerade in dieser Zeit der Einsamkeit und Verlassenheit ein Beweis echter Treue und brachte dem Apostel, der sein ganzes Leben in den Dienst anderer gestellt hatte, Freude und Trost. ------------------------Kapitel 48 -- Paulus Vor Nero GNAT 368 0 2. Timotheus 4,16-18. GNAT 368 1 Als Paulus zur Gerichtsverhandlung vor Kaiser Nero geladen wurde, musste er mit ziemlicher Sicherheit mit seinem baldigen Tod rechnen. Die Schwere des Verbrechens, dessen man ihn beschuldigte, und die allgemeine Feindseligkeit den Christen gegenüber ließen nur wenig Hoffnung auf einen günstigen Ausgang des Prozesses zu. GNAT 368 2 Bei Griechen und Römern wurde üblicherweise jedem Angeklagten das Recht eingeräumt, sich einen Verteidiger zu nehmen, der ihn vor Gericht vertrat. Durch geschickte Beweisführung und Redegewandtheit, aber auch mit Flehen, Bitten und Tränen konnte ein Verteidiger oft ein Urteil zugunsten des Angeklagten erwirken. Falls dies nicht gelang, erreichte er oft wenigstens eine Strafmilderung. Als Paulus vor Nero geladen wurde, wagte es aber niemand, ihm als Berater beizustehen oder seine Verteidigung zu übernehmen. Es war auch kein Freund zur Stelle, der den Wortlaut der Anklage oder die Argumente hätte aufzeichnen können, die der Apostel zu seiner eigenen Verteidigung vorbrachte. Unter den Christen in Rom war niemand, der Paulus in dieser schweren Stunde beistehen wollte. GNAT 368 3 Den einzig zuverlässigen Bericht über den Prozess hinterließ uns Paulus selbst in seinem zweiten Brief an Timotheus: »Bei meinem ersten Verhör stand mir niemand bei, sondern sie verließen mich alle. Es sei ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Botschaft ausgebreitet würde und alle Heiden sie hörten, so wurde ich erlöst aus dem Rachen des Löwen.« (2. Timotheus 4,16.17) Welch Ein Gegensatz! GNAT 368 4 Paulus vor Nero - welch ein auffälliger Gegensatz! Der hochmütige Monarch, vor dem der Gottesmann Rechenschaft über seinen Glauben ablegen musste, hatte den Höhepunkt seiner weltlichen Macht, seines Ansehens und seines Reichtums erreicht. Gleichzeitig war er aber auf der tiefsten Stufe in Bezug auf seine Verbrechen und Abscheulichkeit angelangt. An Macht und Größe war ihm keiner gleich. Niemand stellte seine Autorität in Frage, niemand widersetzte sich seinem Willen. Könige legten ihm ihre Kronen zu Füßen, mächtige Heere setzten sich auf seinen Befehl in Bewegung, und die Flaggen seiner Flotten verkündeten seine Siege. Sein Standbild war in den Gerichtssälen aufgestellt. Sowohl die Erlasse der Senatoren als auch die Urteile der Richter waren nichts anderes als das Echo seines Willens. Millionen befolgten gehorsam seine Befehle. Der Name Nero versetzte die Welt in Angst und Schrecken. Sein Missfallen zu erregen bedeutete den Verlust von Eigentum, Freiheit oder Leben. Sein finsterer Blick flößte mehr Angst ein als die Pest. GNAT 369 1 Ohne Geld, ohne Freunde, auch ohne Anwalt stand der alt gewordene Gefangene vor Nero. Die Gesichtszüge des Kaisers verrieten die beschämende Geschichte der Leidenschaften, die in ihm tobten. Das Gesicht des Angeklagten dagegen erzählte von einem Herzen voller Frieden mit Gott. Das Leben des Paulus war von Armut, Selbstverleugnung und Leiden geprägt gewesen. Seine Feinde hatten ihn mit ihren ständigen Vorwürfen, Beschimpfungen und Verleumdungen einschüchtern wollen. Trotzdem hatte er die Kreuzesfahne stets furchtlos hochgehalten. Er war wie sein Herr ein heimatloser Wanderer gewesen, und wie Jesus hatte er zum Segen der Menschheit gelebt. Wie konnte ein launenhafter, jähzorniger und zügelloser Tyrann wie Nero den Charakter und die Beweggründe dieses Gottessohnes verstehen, geschweige denn schätzen? GNAT 369 2 Der riesige Saal war mit einer neugierigen, unruhigen Menge gefüllt, die sich möglichst weit nach vorne schob und drängte, um ja alles sehen und hören zu können, was da vor sich gehen würde. Hochstehende und niedrige, reiche und arme, gebildete wie ungebildete, stolze wie einfache Bewohner Roms waren anwesend. Allen miteinander fehlte es an der wahren Erkenntnis über den Weg zum Leben und zur Erlösung. GNAT 369 3 Die Juden erhoben ihre alten Vorwürfe und beschuldigten Paulus des Aufruhrs und der Verbreitung von Irrlehren. Juden und Römer warfen ihm gleichermaßen vor, die Stadt in Brand gesteckt zu haben. Als man diese Anschuldigungen gegen ihn vorbrachte, bewahrte Paulus eine unerschütterliche Gelassenheit. Richter und Anwesende blickten erstaunt auf ihn. Sie hatten schon vielen Gerichtsverhandlungen beigewohnt und viele Verbrecher beobachtet; aber nie zuvor hatten sie einen Menschen gesehen, der eine derart heilige Ruhe ausstrahlte wie dieser Angeklagte. Die scharfen Augen der Richter waren es gewohnt, in den Gesichtszügen der Angeklagten Hinweise auf eine Schuld zu erkennen; aber bei Paulus fanden sie nichts dergleichen. Als man ihm gestattete, selbst zu den Anklagepunkten Stellung zu nehmen, hörten ihm alle gespannt zu. Letzte Verkündigung Der Botschaft GNAT 370 1 Noch einmal hat Paulus die Gelegenheit, das Banner des Kreuzes vor einer staunenden Menge hochzuhalten. Als er über diese Menge blickt - über Juden, Griechen, Römer und Besucher aus verschiedensten Ländern -, überkommt ihn das starke Verlangen, sie alle gerettet zu sehen. Da vergisst er die Anklage, die Umgebung, die drohenden Gefahren und das schreckliche Schicksal, das anscheinend auf ihn wartet. Er sieht nur noch Jesus, den Mittler, der vor Gott für diese sündigen Menschen eintritt. Es ist mehr als menschliche Beredsamkeit und Macht, mit der Paulus nun die Wahrheiten des Evangeliums darlegt. Er weist seine Zuhörer auf das große Opfer hin, das Gott für die gefallene Menschheit gebracht hat. Er erklärt, dass für die Erlösung der Menschen ein unendlich hoher Preis bezahlt worden ist. Gott hat alles dafür vorbereitet, damit Menschen an seiner Herrschaft teilhaben können. Er spricht davon, dass die Erde durch Engelsboten mit dem Himmel verbunden ist und alle Taten, die ein Mensch begeht - ob gut oder böse - vor dem Auge des ewigen und gerechten Gottes und Richters offen liegen. GNAT 370 2 So plädiert der Verteidiger der Wahrheit. Als Stellvertreter Gottes steht Paulus da - gläubig unter Ungläubigen und treu unter Treulosen. Seine Stimme klingt wie eine Stimme vom Himmel. In seinen Worten und in seinem Blick liegt keine Spur von Angst oder Traurigkeit, auch kein Anzeichen von Entmutigung. Stark im Bewusstsein seiner Unschuld und angetan mit der Waffenrüstung der Wahrheit erfüllt ihn nur die tiefe Freude, ein Sohn Gottes zu sein. Seine Worte klingen wie ein Siegesruf, der das Schlachtgetöse übertönt. Er erklärt, dass die Sache, der er sein Leben geweiht hat, die einzige Sache in der Welt ist, die niemals fehlschlagen kann. Auch wenn er umkommen würde, werde das Evangelium nicht vergehen. Weil Gott lebt, wird auch seine Wahrheit triumphieren. GNAT 370 3 Viele, die in diesem Augenblick auf Paulus schauten, »sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht« (Apostelgeschichte 6,15). Nie zuvor hatten die Anwesenden Worte wie diese gehört. Sie schlugen Saiten an, die selbst in den Herzen der Verhärtetsten unter ihnen in Schwingung gerieten. Die klare und überzeugende Wahrheit deckte den Irrtum auf. Ein helles Licht schien in die Herzen vieler, die später dankbar dessen Strahlen folgten. Die Wahrheiten, die damals ausgesprochen wurden, waren dazu bestimmt, ganze Nationen zu erschüttern und alle Zeiten zu überdauern. Sie würden das Herz von Menschen beeinflussen, auch wenn die Lippen, die sie ausgesprochen haben, im Grab eines Märtyrers schweigen würden. GNAT 371 1 Auch Nero hatte die Wahrheit noch nie so gehört wie bei dieser Gelegenheit. Noch nie war ihm die enorme Schuld seines Lebens so deutlich offenbart worden. Das Licht des Himmels durchdrang sein sündenbeflecktes Gewissen. Er zitterte bei dem Gedanken, dass er - der Herrscher der Welt - einmal als Angeklagter vor einem Gericht stehen würde, bei dem er für seine Taten den gerechten Lohn empfangen sollte. Er fürchtete den Gott des Apostels und wagte nicht, Paulus zu verurteilen, gegen den keine Anklage untermauert werden konnte. Eine Art Ehrfurcht hielt seinen blutrünstigen Geist eine Zeit lang zurück. GNAT 371 2 Einen Augenblick lang tat sich dem schuldbeladenen und verhärteten Kaiser der Himmel auf, und dessen Frieden und Reinheit erschienen ihm begehrenswert. In diesem Augenblick richtete sich die gnadenvolle Einladung Gottes auch an ihn. Doch nur einen Augenblick hieß er den Gedanken an Vergebung willkommen. Dann gab er den Befehl, Paulus in seinen Kerker zurückzuführen. Als sich dessen Tür hinter dem Boten Gottes schloss, schlug auch das Tor zur Umkehr für den römischen Kaiser für immer zu. Kein Strahl himmlischen Lichts drang je wieder in die Finsternis, die ihn umgab. Bald schon sollten die vergeltenden Gerichte Gottes über ihn hereinbrechen. Neros Ende GNAT 371 3 Nicht lange danach brach Nero mit Schiffen zu seiner schändlichen Reise nach Griechenland auf, wo er durch verachtenswerte und erniedrigende Frivolität Schande über sich und über sein Reich brachte. Nachdem er mit großem Pomp nach Rom zurückgekehrt war, gab er sich mit seinen Höflingen hemmungslosen Orgien hin. Inmitten eines solchen Gelages waren von den Straßen Krawalle zu hören. Ein Bote, den man zur Erkundung ausgesandt hatte, überbrachte die schreckliche Nachricht, dass Galba an der Spitze eines Heeres schnell nach Rom vorrückte. In der Stadt war bereits ein Aufstand ausgebrochen. Eine aufgebrachte Volksmenge, die die Straßen füllte, bewegte sich auf den Palast zu und drohte, den Kaiser und seine Getreuen umzubringen. GNAT 371 4 Im Gegensatz zu dem treuen Paulus konnte sich Nero in dieser verhängnisvollen Lage nicht auf einen mächtigen und barmherzigen Gott stützen. Aus Angst vor Schmerzen und möglichen Folterungen, die er von der wütenden Menge zu erwarten hatte, dachte der elende Tyrann daran, seinem Leben selbst ein Ende zu bereiten. Doch im entscheidenden Augenblick fehlte ihm dazu der Mut. Von seinen Wachen verlassen, floh er wie ein Dieb aus der Stadt. Nur wenige Kilometer außerhalb suchte er Zuflucht auf einem Landsitz. Dies nützte ihm aber nichts mehr, denn sein Versteck wurde bald entdeckt. Als die Reiter, die ihn verfolgten, in die Nähe kamen, rief er einen Sklaven herbei, mit dessen Hilfe er sich eine tödliche Wunde beibrachte. So endete das Leben des Tyrannen Nero im Alter von nur 32 Jahren. ------------------------Kapitel 49 -- Der Letzte Brief Von Paulus Der zweite Timotheusbrief GNAT 373 1 Von der Gerichtshalle des Kaisers wurde Paulus in seine Zelle zurückgebracht. Es war ihm klar, dass er nur einen kurzen Aufschub für sich erreicht hatte. Er wusste: Seine Feinde würden nicht eher ruhen, bis sie sein Todesurteil erreicht hätten. Er wusste aber auch, dass die Wahrheit für eine gewisse Zeit den Sieg errungen hatte. Vor den vielen Menschen, die aufmerksam zuhörten, den gekreuzigten und auferstandenen Erlöser verkündigen zu können bedeutete bereits einen Sieg. An jenem Tag war ein Prozess in Gang gesetzt worden, der sich entwickeln und verstärken würde. Weder Nero noch alle Feinde Christi würden ihn jemals aufhalten oder ersticken können. Sorge Um Timotheus Und UM Das Werk GNAT 373 2 Während Paulus Tag für Tag in seiner dunklen Zelle saß und wusste, dass bereits ein Wort oder ein Wink Neros genügten, um seinem Leben ein Ende zu setzen, war er mit seinen Gedanken oft bei Timotheus, und er beschloss, ihn zu sich kommen zu lassen. Ihm hatte Paulus aufgetragen, die Gemeinde in Ephesus zu betreuen. Deshalb hatte er ihn auch dort zurückgelassen, als er seine letzte Reise nach Rom antrat. Paulus und Timotheus waren einander durch eine außerordentlich tiefe und starke Zuneigung verbunden. Seit seiner Bekehrung hatte Timotheus die Arbeit und die Leiden des Paulus geteilt. Die Freundschaft der beiden war dadurch immer stärker und tiefer und heiliger geworden. Schließlich war Timotheus dem ergrauten und mühegeplagten Apostel alles geworden, was ein Sohn seinem Vater, den er von ganzem Herzen liebt und verehrt, sein konnte. Daher ist es nur allzu verständlich, dass ihn Paulus in seiner Einsamkeit und Verlassenheit gern wiedersehen wollte. GNAT 374 1 Selbst unter den günstigsten Umständen hätte Timotheus mehrere Monate gebraucht, um von Kleinasien aus nach Rom zu gelangen. Paulus wusste aber, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Daher befürchtete er, Timotheus könnte zu spät eintreffen, um ihn noch lebend anzutreffen. Gern wollte er dem jungen Mann, auf dem eine so große Verantwortung lag, noch wichtige Ratschläge und Anleitungen mit auf den Weg geben. Daher drängte er ihn, möglichst schnell nach Rom zu kommen (vgl. 2. Timotheus 4,21a). Dennoch ließ er seinen letzten Willen niederschreiben, den er vielleicht nicht mehr persönlich äußern konnte. Paulus war voller liebevoller Besorgnis um seinen »Sohn im Glauben« (1. Timotheus 1,2) und die Gemeinde, die ihm anvertraut war, und wollte Timotheus ganz besonders ans Herz legen, seiner heiligen Verantwortung mit großer Treue nachzukommen. GNAT 374 2 Paulus begann seinen Brief mit dem Gruß: »An meinen lieben Sohn Timotheus: Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserm Herrn! Ich danke Gott, dem ich diene von meinen Vorfahren her mit reinem Gewissen, wenn ich ohne Unterlass deiner gedenke in meinem Gebet, Tag und Nacht.« (2. Timotheus 1,2.3) GNAT 374 3 Dann erklärte der Apostel, wie wichtig es für Timotheus sei, im Glauben standfest zu bleiben. »Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, dass du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände. Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes.« (2. Timotheus 1,6-8) Paulus forderte Timotheus auf, nicht zu vergessen, dass er »mit einem heiligen Ruf« beauftragt worden sei, die Macht dessen zu verkünden, der »das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.« Von sich selbst erklärte er: »Für das ich eingesetzt bin als Prediger und Apostel und Lehrer. Aus diesem Grund leide ich dies alles; aber ich schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, er kann mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag.« (2. Timotheus 1,9-12) Paulus hatte während der langen Zeit seines Dienst für Christus zu keiner Zeit in seiner Treue geschwankt. Ob er nun vor finster blickenden Pharisäern, vor römischen Behörden, vor dem wütenden Pöbel in Lystra oder vor verurteilten Verbrechern im mazedonischen Kerker stand, ob er mit angsterfüllten Seeleuten auf einem schiffbrüchigen Boot argumentieren oder sich allein vor Nero verantworten musste - er hatte sich der Sache, die er vertrat, nie geschämt. Das eine große Ziel seines Christenlebens war immer, dem zu dienen, dessen Namen er einst so verachtet hatte. Kein Widerstand und keine Verfolgung hatten ihn von diesem Ziel abbringen können. Sein Glaube war gerade durch seinen Einsatz gestärkt und durch Opfer geläutert worden, und hatte ihn aufrecht gehalten und ihm Kraft gegeben. GNAT 375 1 »So sei nun stark, mein Sohn«, fuhr Paulus fort, »durch die Gnade in Christus Jesus. Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das befiehl treuen Menschen an, die tüchtig sind, auch andere zu lehren. Leide mit als ein guter Streiter Christi Jesu.« (2. Timotheus 2,1-3) Treue Mitarbeiter Gottes GNAT 375 2 Der wahre Diener Gottes scheut weder Mühe noch Verantwortung. Er schöpft aus der Quelle, die keinen verdursten lässt, dem ernsthaft nach Kraft von Gott verlangt, die nötige Kraft, um Versuchungen entgegenzutreten und zu überwinden, und die Aufgaben zu erfüllen, die Gott ihm aufträgt. Die Art der Gnade, die er empfängt, vergrößert seine Fähigkeit, Gott und Jesus Christus besser zu erkennen. Als treuer Bote des Evangeliums ist er von dem tiefen Wunsch erfüllt, seinem Herrn und Meister in akzeptabler Weise zu dienen. Und während er auf dem Weg der Nachfolge Christi vorankommt, wird er »stark ... durch die Gnade in Christus Jesus« (2. Timotheus 2,1). Diese Gnade macht ihn zu einem treuen Zeugen dessen, was er gehört hat. Weder vernachlässigt noch verachtet er die Erkenntnis, die er von Gott erhalten hat, sondern gibt sie an treue Menschen weiter, die ihrerseits wieder andere unterrichten. GNAT 375 3 In diesem seinem letzten Brief an Timotheus hielt Paulus seinem jüngeren Mitarbeiter das hohe Ideal vor Augen und wies auf die Pflichten hin, die einem Boten Christi aufgetragen sind. Er schrieb: »Setze alles daran, vor Gott dazustehen als einer, der sich bewährt hat, als ein Arbeiter, der sich nicht zu schämen braucht, sondern das Wort der Wahrheit unbeirrt ausrichtet . Die Leidenschaften der Jugend aber fliehe! Jage vielmehr der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe und dem Frieden nach, gemeinsam mit allen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen. Die törichten und kindischen Auseinandersetzungen aber verbitte dir, du weißt ja, dass sie nur zu Streit führen. Ein Knecht des Herrn aber soll sich nicht streiten, sondern zu allen freundlich sein, ein geschickter Lehrer, der das Böse erträgt und in Sanftmut zurechtweist, die sich widersetzen. So führt Gott sie vielleicht noch zur Umkehr, dass sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.« (2. Timotheus 2,15.22-25 ZÜ) GNAT 375 4 Der Apostel warnte Timotheus vor Irrlehrern, die versuchen würden, in die Gemeinden einzudringen. »Dies aber sollst du wissen: In den letzten Tagen werden schwere Zeiten anbrechen. Denn die Menschen werden selbstsüchtig, geldgierig und hochmütig sein, sich wichtig machen, Lästerreden führen, den Eltern den Gehorsam verweigern, sie werden undankbar, gottlos, herzlos und unversöhnlich sein ... Ihr Auftreten scheint zwar fromm, doch die Kraft der Religion haben sie verleugnet. Von solchen Leuten wende dich ab!« (2. Timotheus 3,1-5 ZÜ) GNAT 376 1 »Böse Menschen aber«, fuhr er fort, »und Scharlatane werden Fortschritte machen - zum Schlechteren hin; sie verführen und werden verführt. Du aber bleibe bei dem, was du gelernt und voller Vertrauen angenommen hast. Du weißt ja, von wem du es gelernt hast und dass du von frühester Jugend an die heiligen Schriften kennst, die dir Einsicht zu geben vermögen in das, was dir Heil verschafft, durch den Glauben an Christus Jesus. Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Zurechtweisung, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit. So wird der Mensch Gottes vollkommen sein, befähigt zu jedem guten Werk.« (2. Timotheus 3,13-17 ZÜ) Gott hat völlig zureichende Mittel bereitgestellt, damit wir den Kampf gegen das Böse in der Welt erfolgreich führen können. Die Bibel ist die Waffenkammer, in der wir uns für den Kampf ausrüsten können. Unsere Lenden müssen mit Wahrheit umgürtet sein. Die Gerechtigkeit muss wie ein Panzer unsere Brust schützen. Den »Schild des Glaubens« müssen wir in den Händen, den »Helm des Heils« auf unserem Haupt tragen, und mit dem »Schwert des Geistes« in der Hand, »welches ist das Wort Gottes«, können wir uns den Weg durch alle Hindernisse und hinterhältigen Fallen der Sünde bahnen (vgl. Epheser 6,13-17). GNAT 376 2 Paulus wusste, dass der Gemeinde eine Zeit voll großer Gefahren bevorstand. Insbesondere die Leiter der Gemeinden mussten da treu und sorgfältig ihrem Dienst nachkommen. Deshalb schrieb er an Timotheus: »So ermahne ich dich inständig vor Gott und Christus Jesus, der da kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten, und bei seiner Erscheinung und seinem Reich: Predige das Wort, steh dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit; weise zurecht, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre.« (2. Timotheus 4,1.2) GNAT 376 3 Diese ernste Aufforderung an einen so eifrigen und treuen Mitarbeiter wie Timotheus macht deutlich, wie wichtig und verantwortungsvoll die Arbeit eines Diener des Evangeliums ist. Paulus stellte Timotheus vor die Schranken des göttlichen Gerichts und gebot ihm, allein das Wort Gottes, nicht aber Meinungen, Gebräuche oder Traditionen der Menschen zu predigen. Timotheus sollte bereit sein, alle Gelegenheiten zu nutzen, um Gott zu bezeugen: vor großen Versammlungen oder in privaten Kreisen, unterwegs oder am Kaminfeuer, vor Freund oder Feind, ob in Sicherheit oder angesichts von Schwierigkeiten und Gefahren, trotz Vorwürfen und Verlusten. Sünden Sollen Getadelt Werden GNAT 377 1 Weil Paulus die milde und nachgiebige Art des Timotheus kannte, befürchtete er, dass der sich dazu verleiten lassen könnte, eine wichtige Aufgabe zu vernachlässigen. Deshalb ermahnte er ihn, Sünden konsequent zu tadeln und mit aller Schärfe jene zurechtzuweisen, die sich schwerer Vergehen schuldig gemacht haben. Doch er sollte dies »mit aller Langmut und Lehre« tun (2. Timotheus 4,2 Elb.). Er müsse die Geduld und die Liebe Christi zeigen und seine Ermahnungen auf der Grundlage des Wortes Gottes erklären und bekräftigen. GNAT 377 2 Sünde zu hassen und zu tadeln und gleichzeitig dem Sünder Mitgefühl und Liebe entgegenzubringen ist ein schwieriges Unterfangen. Je ernster wir nach Heiligung unseres Herzens und unseres Lebenswandels streben, desto klarer erkennen wir die Sünde, und desto entschiedener missbilligen wir Abweichungen vom göttlichen Maßstab. Einerseits müssen wir uns vor übertriebener Härte gegenüber dem Übeltäter hüten; andererseits dürfen wir aber die ganze Abscheulichkeit der Sünde nicht aus den Augen verlieren. Wohl ist christusähnliche Langmut und Liebe für den Irrenden angebracht, aber es besteht dabei die Gefahr, für dessen falsches Verhalten eine zu große Toleranz aufzubringen. Das kann ihn zu der Ansicht verleiten, er habe keinen Tadel verdient, und er wird ihn als unangebracht und ungerechtfertigt zurückweisen. GNAT 377 3 Diener des Evangeliums richten manchmal großen Schaden an, indem sie in ihrer Nachsicht gegenüber dem Irrenden dessen Sünde tolerieren oder gar daran Teil haben. So kommt es dazu, dass sie das entschuldigen oder beschönigen, was Gott verurteilt. Mit der Zeit werden sie so verblendet, dass sie sogar diejenigen loben, die sie im Auftrag Gottes tadeln sollten. Wer sein geistliches Urteilsvermögen durch eine zu große und daher sündige Nachsicht gegenüber denjenigen abstumpfen ließ, die Gott verurteilt, wird bald eine noch schwerere Sünde begehen: Er wird diejenigen mit Ernst und Härte behandeln, die Gott positiv beurteilt. Verdrehung Der Christlichen Lehren GNAT 377 4 Aus Stolz auf menschliche Weisheit, aus Verachtung für den Einfluss des Heiligen Geistes oder aus Abneigung gegenüber den Wahrheiten der Bibel sind viele geistlich verblendet. Sie bekennen zwar, Christen zu sein, sie fühlen sich auch befähigt, andere zu belehren, wenden sich aber von den Forderungen Gottes ab. Paulus schrieb an Timotheus: »Es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern nach ihren eigenen Gelüsten werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zukehren.« (2. Timotheus 4,3.4) GNAT 378 1 Der Apostel bezieht sich hier nicht auf Menschen, die sich offen als ungläubig bezeichnen, sondern auf bekennende Christen, die sich aber von ihren Neigungen leiten lassen und dadurch zu Sklaven ihrer Selbstsucht werden. Sie schenken nur solchen Lehren Gehör, die ihre Sünden nicht tadeln oder ihren vergnügungssüchtigen Lebenswandel nicht verurteilen. Sie stoßen sich an den deutlichen Worten der treuen Diener Christi und suchen sich darum Lehrer, die ihnen schmeicheln und sie loben. Unter denen, die sich Geistliche nennen, gibt es solche, die Menschenmeinungen statt das Wort Gottes verkündigen. Sie sind ihrer Berufung untreu geworden und führen Menschen in die Irre, die von ihnen geistliche Leitung erwarten. Richtlinien Für Unser Leben GNAT 378 2 In den Geboten seines heiligen Gesetzes hat uns Gott klare Richtlinien für unser Leben gegeben. Jesus hat deutlich gesagt, dass von diesem Gesetz bis zum Ende der Zeit kein Jota [der kleinste Buchstabe des hebräischen Alphabets] und kein Zeichen verändert werden darf und es für alle Menschen seine Gültigkeit behält (vgl. Matthäus 5,17-19). Christus kam, um »sein Gesetz herrlich und groß zu machen« (Jesaja 42,21). Er zeigte, dass es auf dem breiten Fundament der Liebe zu Gott und den Mitmenschen gegründet ist und es zur Pflicht des Menschen gehört, diesen Geboten Folge zu leisten. In seinem eigenen Leben gab uns Christus ein Beispiel solchen Gehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes. In der Bergpredigt zeigte er, dass die Forderungen des Gesetzes weit über die äußeren Handlungen hinausgehen und die Gedanken und Absichten einschließen. GNAT 378 3 Gehorchen wir den Geboten Gottes, werden wir »dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden« absagen und »besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben« (Titus 2,12). Aber der Feind aller Gerechtigkeit hat die Welt in seinen Bann geschlagen und die Menschen dazu verleitet, dem Gesetz ungehorsam zu sein. Wie Paulus vorausgesagt hat, sind viele von den leicht verständlichen, die Herzen ansprechenden Wahrheiten der Bibel abgewichen. Sie haben sich Lehrer ausgesucht, die ihnen die Fabeln erzählen, die sie gern hören wollen. Unter den Geistlichen und den Gemeindegliedern treten viele die Gebote Gottes mit Füßen. Dadurch wird der Schöpfer der Welt beleidigt, und Satan freut sich über den Erfolg seiner Verführungskunst. GNAT 378 4 Mit der zunehmenden Missachtung von Gottes Gesetz wächst auch die Abneigung gegen den Glauben an Gott, die Überheblichkeit der Menschen, die Liebe zu Vergnügungen, der Ungehorsam gegenüber den Eltern und die Maßlosigkeit. Nachdenkliche Menschen fragen besorgt: Was kann getan werden, um diese alarmierende Fehlentwicklung zu korrigieren? Die Antwort gibt Paulus in seiner Ermahnung an Timotheus: »Verkünde das Wort Gottes.« (2. Timotheus 4,2 NLB) In der Bibel finden wir die einzigen zuverlässigen Richtlinien für unser Handeln. Sie ist eine Beschreibung des göttlichen Willens, ein Ausdruck himmlischer Weisheit. Sie öffnet dem Menschen das Verständnis für die wichtigen Fragen des Lebens. Alle, die ihre Gebote befolgen, finden in ihr eine irrtumsfreie Anleitung fürs Leben, die davor bewahrt, Zeit und Kräfte mit fehlgeleiteten Bemühungen zu vergeuden. GNAT 379 1 Gott hat uns seinen Willen kundgetan. Es ist daher eine Torheit, wenn der Mensch in Frage stellt, was aus dem Mund des Ewigen gekommen ist. Nachdem Gott in seiner Weisheit gesprochen hat, sollte es für den Menschen keine zweifelnden Fragen zu lösen, keine verschiedenen Möglichkeiten mehr zu bedenken geben. Alles, was von ihm erwartet wird, ist seine offene, ernsthafte Zustimmung zu dem klar ausgesprochenen Willen Gottes. Gehorsam ist das höchste Gebot des Verstandes und des Gewissens. GNAT 379 2 Paulus fuhr mit seinen Ermahnungen fort: »Du aber sei nüchtern in allen Dingen, leide willig, tu das Werk eines Predigers des Evangeliums, richte dein Amt redlich aus.« (2. Timotheus 4,5) Paulus näherte sich dem Ende seines Wettlaufes und wünschte sich, dass Timotheus seinen Platz einnehmen und die Gemeinden vor Fabeln und Irrlehren bewahren könnte, durch die der Feind versuchen würde, sie auf verschiedene Weise von der Einfachheit des Evangeliums abzubringen. Paulus ermahnte ihn, alle weltlichen Bestrebungen und Verwicklungen zu meiden, die ihn daran hindern könnten, sich mit ganzem Herzen für Gottes Werk einzusetzen. Mit froher Gelassenheit sollte er den Widerstand, die Schande und die Verfolgungen ertragen, denen er sich wegen seiner Treue stets aussetzen würde. Seine Berufung zum Dienst würde er dadurch unter Beweis stellen, dass er jede Möglichkeit ausschöpfte, denen Gutes zu tun, für die Christus gestorben ist. GNAT 379 3 Das Leben von Paulus demonstrierte beispielhaft die Wahrheiten, die er lehrte, und darin lag seine Macht. Er war ständig von einem tiefen Pflichtbewusstsein erfüllt und stand während seines Dienstes immer in enger Verbindung mit Gott, der Quelle der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit. Er klammerte sich an das Kreuz von Golgatha als die einzige Garantie des Erfolgs. Die Liebe Jesu war seine nie versiegende Motivationsquelle; sie hielt ihn in der Auseinandersetzung mit seiner Selbstsucht und in seinem Ringen gegen das Böse aufrecht als er im Dienst für Christus gegen die Unfreundlichkeit der Welt und den Widerstands seiner Feinde vorwärts drängte. Mitarbeiter, Die Gebraucht Werden GNAT 380 1 In unserer gefahrvollen Zeit braucht die Gemeinde eine Armee von Mitarbeitern, die sich wie Paulus zu einem nützlichen Dienst ausbilden lassen, eine tiefe Erfahrung in den Dingen Gottes besitzen und voller Eifer und Hingabe sind. Geheiligte und sich selbst aufopfernde Menschen werden benötigt, die vor keiner Schwierigkeit zurückschrecken und keine Verantwortung scheuen - Männer, die mutig und treu sind, in denen Christus als »Hoffnung der Herrlichkeit« (Kolosser 1,27) Gestalt angenommen hat und die mit Lippen, die von heiliger Glut berührt sind (vgl. Jesaja 6,6.7), das Wort Gottes verkündigen. Aus Mangel an solchen Mitarbeitern liegt das Werk Gottes danieder, und unheilvolle Irrtümer verderben gleich einem tödlichen Gift die Moral und ersticken die Hoffnung vieler Menschen. GNAT 380 2 Wenn die treuen Bannerträger für die Wahrheit ihr Leben opfern, wer wird dann ihren Platz einnehmen? Wollen unsere jungen Männer das heilige Vermächtnis aus den Händen ihrer Väter übernehmen? Sind sie bereit, die Lücken zu schließen, die durch den Tod der Getreuen entstanden sind? Werden sie dem Auftrag des Apostels Beachtung schenken und den Ruf zur Pflicht ernst nehmen, obwohl von allen Seiten Versuchungen zur Selbstsucht und zum Ehrgeiz an sie herantreten? GNAT 380 3 Paulus schloss seinen Brief mit persönlichen Botschaften an verschiedene Empfänger. Einmal mehr wiederholte er die dringende Bitte, Timotheus möge doch bald zu ihm kommen, möglichst noch vor Einbruch des Winters. Er schrieb von seiner Einsamkeit, die dadurch entstanden war, dass einige seiner Freunde ihn im Stich gelassen hatten und andere aus dringenden Gründen nicht bei ihm sein konnten. Damit Timotheus ja nicht zögerte, aus Sorge, die Gemeinde zu Ephesus brauche dringend seine Unterstützung, schrieb Paulus, dass er Tychikus bereits losgesandt hatte, um dort seinen Platz einzunehmen (vgl. 2. Timotheus 4,12). GNAT 380 4 Nachdem Paulus sein Verhör vor Nero, die Fahnenflucht einiger Brüder und den Beistand Gottes, der seinen Bund hält, erwähnt hatte, beschloss er seinen Brief, indem er Timotheus dem Schutz des himmlischen Oberhirten anbefahl, der auch dann für seine Herde sorgen würde, wenn seine Unterhirten den Tod erleiden sollten. ------------------------Kapitel 50 -- Das Todesurteil GNAT 381 1 Während des letzten Prozesses war Nero von den Worten des Paulus so stark beeindruckt worden, dass er die Urteilsverkündigung vertagte. Der angeklagte Diener Gottes wurde weder freigesprochen noch verurteilt. Doch bald kam in Kaiser Nero neuer Hass gegen Paulus auf. Er war außer sich vor Wut, als er einsehen musste, dass es ihm nicht einmal an seinem Hof gelang, die Ausbreitung des Christentums zu verhindern. So beschloss er, Paulus hinrichten zu lassen, sobald er einen plausiblen Vorwand dafür fand. Wenig später gab Nero die Entscheidung bekannt, dass Paulus zum Tod verurteilt sei. Weil er als römischer Bürger aber nicht gefoltert werden durfte, lautete der Urteilsspruch Enthauptung. GNAT 381 2 In einer heimlichen Aktion wurde Paulus zur Hinrichtungsstätte geführt. Nur wenige Zuschauer durften zugegen sein, denn seine Verfolger, vom Ausmaß seines Einflusses alarmiert, befürchteten nämlich, dass sich noch mehr Menschen zum Christentum bekehren würden, wenn sie bei seiner Enthauptung dabei sein könnten. Selbst die abgebrühten Soldaten, die Paulus begleiteten, staunten über seine Worte und sahen mit Verwunderung, wie er heiter, ja sogar freudig dem Tod entgegenging. Einige von denen, die sein Martyrium miterlebten, waren tief berührt. Seine Bereitschaft, seinen Mördern zu vergeben, und sein unerschütterliches Vertrauen zu Christus beeindruckten sie zutiefst. Diese Erfahrung wurde für sie zum »Geruch vom Leben zum Leben« (vgl. 2. Korinther 2,16 Elb.). Mehrere nahmen den Erlöser an, von dem sie Paulus hatten sprechen hören. Es sollte nicht lange dauern, bis auch sie ihren Glauben mit ihrem Blut besiegelten. Die Atmosphäre, Die Paulus Verbreitete GNAT 381 3 Bis zu seiner letzten Stunde bezeugte das Leben des Apostels die Wahrheit seiner Worte, die er an die Korinther geschrieben hatte: »Denn der Gott, der gesagt hat: Aus der Finsternis soll Licht aufstrahlen, er ist es, der es hat aufstrahlen lassen in unseren Herzen, so dass die Erkenntnis aufleuchtet, die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi. Wir haben diesen Schatz aber in irdenen Gefäßen, damit die Überfülle der Kraft Gott gehört und nicht von uns stammt. In allem sind wir bedrängt, aber nicht in die Enge getrieben, ratlos, aber nicht verzweifelt, verfolgt, aber nicht verlassen, zu Boden geworfen, aber nicht am Boden zerstört. Allezeit tragen wir das Sterben Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde.« (2. Korinther 4,6-10 ZÜ) All seine Befähigung fand der Apostel nicht in sich selbst, sondern in der Gegenwart und in dem Wirken des Heiligen Geistes, der ihn ganz erfüllte und jeden seiner Gedanken dem Willen Christi unterstellte. Der Prophet Jesaja erklärte: »Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden; denn er verlässt sich auf dich.« (Jesaja 26,3) Dieser himmlische Friede, der auf dem Gesicht von Paulus ruhte, gewann viele Menschen für das Evangelium. GNAT 382 1 Paulus umgab eine himmlische Atmosphäre. Wer mit ihm in Berührung kam, konnte den Einfluss wahrnehmen, den er durch seine Gemeinschaft mit Christus ausübte. Die Tatsache, dass sein Leben die Wahrheit, die er verkündigte, beispielhaft darstellte verlieh seinen Predigten die Überzeugungskraft. Hierin liegt die Macht der Wahrheit. Der natürliche, unbewusste Einfluss eines heiligen Lebens ist die überzeugendste Predigt zugunsten des Christentums. Selbst unwiderlegbare Argumente mögen manchmal nur Widerspruch hervorrufen; aber ein beispielhafter, vom Glauben geprägter Lebenswandel hat eine Macht, der man unmöglich völlig widerstehen kann. GNAT 382 2 Der Apostel vergaß sein eigenes, ihm unmittelbar bevorstehendes Martyrium, wenn er voller Sorge an diejenigen dachte, die er nun zurücklassen musste, und auf die Vorurteile, Hass und Verfolgungen warteten. Die wenigen Christen, die ihn zur Hinrichtungsstätte begleiteten, versuchte er zu trösten und zu ermutigen. Er erinnerte sie daran, was denen verheißen ist, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Er versicherte ihnen, dass sich alles erfüllen würde, was der Herr seinen leidgeprüften und treuen Nachfolgern versprochen hatte. Sie könnten wohl für eine kurze Zeit durch verschiedene Versuchungen in Bedrängnis und Not geraten, sie würden auch irdische Annehmlichkeiten entbehren müssen; doch sie könnten sich mit der Gewissheit der Treue Gottes ermutigen und bekennen: »Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, er kann mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag.« (2. Timotheus 1,12) Bald würde die Nacht der Prüfungen und der Leiden enden; danach werde ein froher und friedvoller Morgen dämmern und ein vollkommener Tag anbrechen. Trost In Der Letzten Stunde GNAT 382 3 Nicht mit Unsicherheit oder Furcht, sondern in freudiger Hoffnung und sehnsüchtiger Erwartung blickte der Apostel in eine großartige Zukunft. An der Stätte seines Martyriums sah er weder das Schwert des Henkers noch die Erde, die bald sein Blut aufnehmen würde. Durch das sanfte Blau des Himmels sah er an jenem Sommertag hinauf zum Thron des Ewigen. GNAT 383 1 Dieser Glaubensmann sah wie einst Jakob in dessen Traum die Himmelsleiter - ein Sinnbild für Christus, der die Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwischen dem vergänglichen Menschen und dem unvergänglichen Gott wiederhergestellt hat. Der Glaube des Paulus wurde gestärkt, als er sich an die Patriarchen und Propheten erinnerte, die ihr Vertrauen auf den einen Gott gesetzt hatten, der auch seine Stütze und sein Trost war. Für ihn würde er nun sein Leben hingeben. Von diesen heiligen Männern, die durch die Jahrhunderte von ihrem Glauben an Gott Zeugnis abgelegt hatten, vernahm er nun die Zusicherung, dass Gott treu ist. Er hörte seine Mitapostel Jesus als Gottes Sohn und als Retter der Welt bezeugen, die weder vor jüdischem Fanatismus noch vor heidnischem Aberglauben und auch nicht vor Verachtung oder Verfolgung zurückgeschreckt waren und ihr Leben gewagt hatten, um das Licht des Kreuzes in den finstersten Winkeln des Unglaubens leuchten zu lassen. Von Folterstätten und Scheiterhaufen, aus Kerkern, Gruben und Höhlen der Erde drang der Siegesruf der Märtyrer an sein Ohr. Er hörte das standhafte Bekenntnis von Christen, die - obwohl verlassen, verfolgt und gequält - trotz allem furchtlos und feierlich ihren Glauben bezeugt und gesagt haben: »Ich weiß, an wen ich glaube!« Sie alle, die um des Glaubens willen ihr Leben ließen, bekunden vor der Welt, dass derjenige, auf den sie ihr ganzes Vertrauen gesetzt haben, »vollständig und für immer alle retten« kann (Hebräer 7,25 GNB). GNAT 383 2 Nicht zuletzt trug Paulus selbst das Zeugnis in sich, dass er in den Augen seines Erlösers wertvoll war, denn er war durch das Opfer Christi freigekauft, durch dessen Blut von seinen Sünden reingewaschen und in das Gewand der Gerechtigkeit Christi gehüllt worden. Sein Leben war seither verborgen mit Christus in Gott (vgl. Kolosser 3,3). Er war fest davon überzeugt, dass Christus, der den Tod überwunden hat, das auch bewahren kann, was Paulus ihm anvertraut hatte - sich selbst! Im Glauben ergriff er nun die Verheißung seines Erlösers: »Ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.« (Johannes 6,40) Seine Gedanken und seine Hoffnung waren ganz auf die Wiederkunft seines Herrn gerichtet. Und ehe das Schwert des Henkers fiel und die Schatten des Todes Paulus umfingen, kam ihm ein letzter, wunderbarer Gedanke, der bei der großen Auferstehung auch sein erster sein wird: Ich werde dem Herrn des Lebens begegnen. Er wird mich willkommen heißen und an der ewigen Freude der Erlösten teilhaben lassen. GNAT 383 3 Fast zwei Jahrtausende sind verstrichen, seit der betagte Paulus sein Blut als Zeuge für das Wort Gottes und für das Zeugnis von Jesus Christus vergossen hat. Keine treue Hand hat für die nachfolgenden Generationen die letzten Ereignisse im Leben dieses heiligen Mannes festgehalten. Aber durch die Inspiration des Heiligen Geistes blieb uns sein letztes Zeugnis erhalten, das er kurz vor seinem Tod niederschrieb. Gleich einem hellen Posaunenton erschallt seine Stimme seither durch die Jahrhunderte. Tausende von Zeugen für Christus wurden von seinem Mut angesteckt. In tausenden leidgeprüften Herzen weckten seine letzten Worte ein Echo, in dem seine siegesgewisse Freude widerhallt: »Denn ich werde schon geopfert, und die Zeit meines Hinscheidens ist gekommen. Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten; hinfort liegt für mich bereit die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.« (2. Timotheus 4,6-8) ------------------------Kapitel 51 -- Ein Treuer Hirte Der erste Petrusbrief GNAT 388 1 In der Apostelgeschichte wird wenig vom späteren Wirken des Apostels Petrus erwähnt. Während der ersten ereignisreichen Jahre seines Dienstes, die auf die Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingstfest nach der Himmelfahrt Christi folgten, gehörte er zu denen, die unermüdlich unter den Juden arbeiteten, die zu den jährlichen Festen nach Jerusalem kamen, um Gott anzubeten. GNAT 388 2 Als die Zahl der Gläubigen in Jerusalem und an anderen Orten durch die Tätigkeit der Apostel wuchs, die den Gekreuzigten verkündeten, erwiesen sich die Fähigkeiten des Petrus für die frühe Christengemeinde von unschätzbarem Wert. Seine Predigten über Jesus von Nazareth zeigten eine breite Wirkung. Er trug eine doppelte Verantwortung: Er bezeugte Ungläubigen den Messias und arbeitete mit großem Einsatz an ihrer Bekehrung; zur selben Zeit setzte er sich in besonderer Weise für die Bekehrten ein und stärkte sie in ihrem Glauben an Christus. Die Entscheidende Voraussetzung Zum Dienst GNAT 388 3 Erst als Petrus dahin geführt worden war, sich selbst zu verleugnen und sich ganz auf die Macht Gottes zu verlassen, wurde er dazu berufen, als Unterhirte die Herde Christi zu weiden. Schon vor der Verleugnung hatte Christus zu Petrus gesagt: »Wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.« (Lukas 22,32) Diese Worte deuteten auf die breit gefächerte und wirkungsvolle Arbeit hin, die der Apostel in Zukunft für neue Gläubige leisten sollte. Für diese Aufgabe war Petrus durch seine eigene Erfahrung mit der Sünde, seinen dadurch empfundenen Schmerz und seine tiefe Reue vorbereitet worden. Erst als er seine eigene Schwäche erkannt hatte, konnte er verstehen, wie äußerst wichtig es für den Gläubigen ist, sich ganz auf Christus zu verlassen. Als der Sturm der Versuchung um ihn tobte, musste er einsehen, dass der Mensch nur dann sein Leben sicher führen kann, wenn er nicht mehr auf sich selbst vertraut, sondern allein auf den Erlöser. GNAT 389 1 Als Christus zum letzten Mal mit seinen Jüngern am See Genezareth zusammentraf, wurde Petrus durch die dreimalige Frage »Liebst du mich?« geprüft und wieder in seine Stellung unter den Zwölfen eingesetzt (Johannes 21,15-17 GNB). Dabei war ihm seine Aufgabe übertragen worden, die Herde Christi zu weiden. Nun, wahrhaft bekehrt und neu von Jesus angenommen, sollte er sich nicht nur für die Erlösung von Menschen einsetzen, die noch nicht zur Herde Christi gehörten, sondern selbst den Gläubigen ein Hirte sein. GNAT 389 2 Für seinen Dienst an den Menschen stellte Christus an Petrus nur eine einzige Bedingung: »Liebst du mich?« Dies ist die entscheidende Qualifikation. Petrus besaß noch viele andere Fähigkeiten, aber ohne die Liebe zu Christus konnte er kein treuer Hirte der Herde Gottes sein. Wissen, Güte, Redegewandtheit, Zielstrebigkeit - all dies ist für solch eine Aufgabe wichtig; aber ohne die Liebe zu Christus im Herzen ist der Dienst eines christlichen Geistlichen zum Scheitern verurteilt. GNAT 389 3 Die Liebe zu Christus ist keine unbeständige Gefühlsregung, sondern ein lebendiger Grundsatz, der sich als bleibende Kraft im Herzen erweisen muss. Wenn Charakter und Lebensstil eines Hirten mit der Wahrheit übereinstimmen, die er vertritt, dann drückt Gott diesem Wirken das Siegel seiner Anerkennung auf. Hirte und Herde bilden eine Einheit, verbunden in ihrer gemeinsamen Hoffnung auf Christus. GNAT 389 4 Die Art und Weise, wie Jesus mit Petrus umging, enthielt eine Lehre für ihn und die anderen Jünger. Obwohl Petrus seinen Herrn verleugnet hatte, geriet die Liebe von Jesus zu ihm nie ins Wanken. Und wenn der Apostel mit der Verkündigung des Evangeliums beginnen würde, sollte auch er Sündern mit Geduld, Mitgefühl und vergebender Liebe begegnen. Im Bewusstsein seiner eigenen Schwächen und Fehler sollte er mit den Schafen und Lämmern, die seiner Fürsorge anvertraut waren, ebenso liebevoll und barmherzig umgehen, wie Christus ihn behandelt hatte. GNAT 389 5 Menschen, die noch unter der Macht des Bösen stehen, neigen im Umgang mit denen, die versucht werden oder sich irren, oft zur Härte. Sie erkennen nicht, was in den Herzen anderer vorgeht; sie kennen weder den Kampf noch den Schmerz, der in ihnen tobt. Sie müssen lernen, wie man in Liebe tadelt, wie man schneidet, um zu heilen, wie man warnt und doch Hoffnung gibt. GNAT 389 6 Während seines gesamten Dienstes hütete Petrus treu und zuverlässig die Herde, die seiner Fürsorge anvertraut war. Dadurch erwies er sich als würdig, den Auftrag zu erfüllen und die Verantwortung zu übernehmen, die Jesus ihm übertragen hatte. Stets rühmte er ihn als die Hoffnung Israels und als den Erlöser der Menschheit. Sein eigenes Leben ordnete er völlig dem Willen seines Meisters unter. Mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, versuchte er, die Gläubigen zum aktiven Dienst heranzubilden. Seine vorbildliche Frömmigkeit und sein rastloses Schaffen begeisterten viele begabte junge Leute, sich ganz dem Dienst für Christus zur Verfügung zu stellen. Der Einfluss des Apostels als Erzieher und Leiter nahm mit der Zeit zu. Obwohl er seine Verpflichtung, besonders unter den Juden zu arbeiten, nie aus den Augen verlor, predigte er in zahlreichen Ländern den gekreuzigten und auferstandenen Christus und stärkte viele im Glauben an das Evangelium. Ermutigung Und Ermahnungen GNAT 390 1 In den späteren Jahren seines Missionsdienstes wurde Petrus vom Heiligen Geist inspiriert, den Gläubigen in »Pontus, Galatien, Kappadozien, der Provinz Asien und Bithynien« zu schreiben (1. Petrus 1,1). Seine Briefe hatten das Ziel, die Gläubigen zu ermutigen und den Glauben derer zu stärken, die Prüfungen und Leiden ertragen mussten. Sie sollten jene erneut zu guten Werken anspornen, die durch verschiedene Versuchungen in der Gefahr standen, ihren Halt in Gott zu verlieren. Diese Briefe tragen den Stempel eines Menschen, dem die Leiden Christi und der Trost, den er spendet, mehr als reichlich bekannt waren. Sie lassen eine Person erkennen, deren ganzes Wesen durch die Gnade verändert worden war und die unbeirrt an der Hoffnung auf das ewige Leben festhielt. GNAT 390 2 Am Beginn seines ersten Briefes erwies der betagte Diener Gottes seinem Herrn Lob und Dank: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner großen Barmherzigkeit neu geboren hat, so dass wir nun durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung und Aussicht auf ein unzerstörbares, unbeflecktes und unverderbliches Erbe haben, das im Himmel aufbewahrt ist für euch. Auf dieses Heil hin, das bereitliegt, um am Ende der Zeit offenbart zu werden, bewahrt euch Gottes Kraft durch den Glauben.« (1. Petrus 1,3-5) GNAT 390 3 Die Hoffnung auf ein sicheres Erbe auf der neuen Erde erfüllte die ersten Christen selbst in Zeiten schwerer Prüfung und Anfechtung mit Freude. Deshalb konnte Petrus ihnen schreiben: »Darüber jubelt ihr, mögt ihr jetzt auch eine kurze Zeit, wenn es so sein muss, durch mancherlei Anfechtungen in Trübsal versetzt sein; dadurch soll sich ja die Echtheit eures Glaubens bewahren und wertvoller erfunden werden als Gold, das vergänglich ist, aber durch Feuer in seiner Echtheit erprobt wird, und sich zum Lobe, zur Ehre und zur Verherrlichung bei der Offenbarung Jesu Christi erweisen. Ihn habt ihr lieb, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt; an ihn glaubt ihr, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, und ihm jubelt ihr mit unaussprechlicher und verklärter Freude entgegen, weil ihr das Endziel eures Glaubens davontragt, nämlich die Errettung eurer Seelen.« (1. Petrus 1,6-9.) GNAT 391 1 Diese Worte des Apostels wurden zur Belehrung der Christen jeder Generation geschrieben. Sie sind jedoch von besonderer Bedeutung für die Menschen, die in der Zeit leben, wenn »das Ende der Welt nahe« ist (1. Petrus 4,7a GNB). Seine Ermahnungen und Warnungen sowie seine Worte voller Glauben und Ermutigung nützen jedem, der seinen Glauben »bis zum Ende fest behalten« will (Hebräer 3,14). GNAT 391 2 Der Apostel wies die Christen darauf hin, wie wichtig es ist, seine Gedanken nicht zu verbotenen Dingen abschweifen zu lassen und seine Geisteskraft nicht mit banalen Themen zu vergeuden. Wer Satans Verführungskünsten nicht zum Opfer fallen will, muss die Einfallstore seines Herzens gut bewachen und sich davor hüten, etwas zu lesen, anzusehen oder anzuhören, was unreine Gedanken hervorruft. Unsere Gedanken dürfen nicht nach Belieben bei jedem Thema verweilen, das uns der Feind des Menschen einflüstern möchte. Das Herz muss aufmerksam bewacht werden, sonst wird das Böse von außen Böses im Inneren wecken, und der Christ wird in Finsternis geraten. »Darum umgürtet die Hüften eurer Vernunft,« schrieb Petrus, »seid nüchtern und hofft ganz und gar auf die Gnade, die auf euch zukommt bei der Offenbarung Jesu Christi! Als Kinder des Gehorsams lasst euch nicht von den Begierden leiten, die euch früher, als ihr noch unwissend wart, beherrscht haben, sondern entsprecht dem Heiligen, der euch berufen hat, und werdet selbst Heilige in eurem ganzen Lebenswandel; denn es steht geschrieben: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig ... führt, solange ihr in der Fremde weilt, ein Leben in Gottesfurcht. Ihr wisst doch, dass ihr nicht mit Vergänglichem, mit Gold oder Silber, freigekauft wurdet aus einem Leben ohne Inhalt, wie es euch von den Vätern vorgelebt wurde, sondern mit dem teuren Blut eines makellosen, unbefleckten Lammes, mit dem Blut Christi. Ausersehen dazu war er vor Grundlegung der Welt, erschienen aber ist er am Ende der Zeiten, um euretwillen, die ihr durch ihn an Gott glaubt, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit verliehen hat. So können sich euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott richten.« (1. Petrus 1,13-21; vgl. 3. Mose 19,2) GNAT 391 3 Wäre es möglich gewesen, mit Silber und Gold die Erlösung der Menschen zu erkaufen, wie leicht hätte Gott sie dann vollbringen können, denn er hat gesagt: »Mein ist das Silber, und mein ist das Gold.« (Haggai 2,8) Doch einzig und allein mit dem kostbaren Blut des Sohnes Gottes konnte der Übertreter freigekauft werden. Dem Erlösungsplan liegt ein Opfer zugrunde. Der Apostel Paulus schrieb: »Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.« (2. Korinther 8,9) Christus gab sich selbst für uns, um uns von aller Ungerechtigkeit zu erlösen. »Die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn« (Römer 6,23) - das ist der krönende Höhepunkt des Erlösungsplanes. GNAT 392 1 »Ihr habt die rettende Wahrheit im Gehorsam angenommen und dadurch euer Denken und Fühlen gereinigt, um eure Brüder und Schwestern aufrichtig lieben zu können«, fuhr Petrus fort. »Hört also nicht auf, einander aus reinem Herzen zu lieben!« (1. Petrus 1,22 GNB) Das Wort Gottes - die Wahrheit - ist das Mittel, durch das der Herr seinen Geist und seine Macht wirksam werden lässt. Wer diesem Wort gehorcht, bringt Frucht mit der geforderten Qualität hervor, nämlich »ungeheuchelte Bruderliebe« (Elb.). Diese Liebe kommt von Gott. Sie weckt in uns edle Motive und treibt uns zu selbstlosen Taten. Von Der Wahrheit Durchdrungen GNAT 392 2 Wenn diese Wahrheit zum beständigen Prinzip wird, welches das gesamte Leben prägt, dann ist der Mensch »wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt« (1. Petrus 1,23). Zu dieser geistlichen Wiedergeburt kommt es, wenn man Christus als das Wort Gottes annimmt. Wem der Heilige Geist die göttlichen Wahrheiten ins Herz einprägt, in dem werden neue Gedanken wach, und Kräfte und Energien, die bisher ungenutzt in ihm schlummerten, werden geweckt, um mit Gott zu kooperieren. GNAT 392 3 Diese Erfahrung hatten Petrus und die anderen Jünger gemacht. Christus offenbarte der Welt die Wahrheit Gottes. Er säte den unvergänglichen Samen, das Wort Gottes, in das Herz der Menschen. Doch viele dieser kostbarsten Lehren des großen Meisters wurden an jene gerichtet, die sie damals nicht verstanden. Als aber nach der Himmelfahrt Christi der Heilige Geist die Jünger an diese Lehren erinnerte, wurden ihre schläfrigen Sinne geweckt. Die Bedeutung dieser Worte ging ihnen plötzlich wie eine neue Offenbarung auf, und sie akzeptierten die reine, unverfälschte Wahrheit. Sie machten nun dieselbe wunderbare Erfahrung, die das Leben von Jesus geprägt hatte. Das Wort Gottes sprach aus ihnen, seinen berufenen Mitarbeitern, und sie verkündeten die einmalige und erstaunliche Wahrheit: »Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit ... Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.« (Johannes 1,14.16) GNAT 393 1 Der Apostel forderte die Gläubigen auf, die heiligen Schriften zu lesen. Wenn sie diese richtig verstehen würden, könnten sie sich auf die Ewigkeit vorbereiten. Petrus erkannte, dass jeder Gläubige, der schließlich siegreich sein wird, Phasen der Anfechtung und Prüfung durchmachen muss, die es zu bestehen gilt. Es war ihm aber auch klar, dass ein rechtes Verständnis der Heiligen Schrift dem Angefochtenen helfen kann, sich Verheißungen in Erinnerung zu rufen, die ihm Trost spenden und seinen Glauben an Gott stärken. GNAT 393 2 »Alles Fleisch ist wie Gras«, erklärte Petrus, »und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen; aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündigt ist.« (1. Petrus 1,24.25; vgl. Jesaja 40,6-8) »So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist.« (1. Petrus 2,1-3) Weitere Ermahnungen GNAT 393 3 Viele der Christen, an die Petrus seine Briefe richtete, lebten mitten unter Heiden, und es hing viel davon ab, dass sie ihrer hohen Berufung treu blieben. Darum erinnerte er sie eindringlich an die Vorzüge, die sie als Nachfolger Christi genossen: »Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst nicht ein Volk wart, nun aber Gottes Volk seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid. Liebe Brüder, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilger: Enthaltet euch von fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten, und führt ein rechtschaffenes Leben unter den Heiden, damit die, die euch verleumden als Übeltäter, eure guten Werke sehen und Gott preisen am Tag der Heimsuchung.« (1. Petrus 2,9-12, vgl. Hosea 2,25) GNAT 393 4 Klar umriss der Apostel auch, wie sich Christen dem Staat gegenüber verhalten sollen: »Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem König als dem Obersten oder den Statthaltern als denen, die von ihm gesandt sind zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun. Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr mit guten Taten den unwissenden und törichten Menschen das Maul stopft - als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes. Ehrt jedermann, habt die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehrt den König!« (1. Petrus 2,13-17) GNAT 394 1 Die Sklaven wies der Apostel an: »Ordnet euch in aller Furcht euren Herren unter, nicht nur den guten und milden, sondern auch den verkehrten! Denn das ist Gnade, wenn jemand aus Gewissenhaftigkeit gegenüber Gott Kränkungen erträgt, indem er zu Unrecht leidet. Denn was ist das für ein Ruhm, wenn ihr geduldig Schläge ertragt, weil ihr gesündigt habt? Wenn ihr aber für Gutestun leidet und es geduldig ertragt, das ist Gnade bei Gott. Denn dazu seid ihr berufen, weil auch Christus für uns gelitten und uns ein Vorbild hinterlassen hat, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt. ›Er hat keine Sünde getan, es ist auch kein Betrug in seinem Mund gefunden worden‹; als er geschmäht wurde, schmähte er nicht wieder, als er litt, drohte er nicht, sondern übergab es dem, der gerecht richtet. Er hat unsere Sünden selbst an seinem Leib getragen auf dem Holz, damit wir, den Sünden gestorben, der Gerechtigkeit leben mögen; durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie Schafe, die in die Irre gehen; jetzt aber habt ihr euch bekehrt zu dem Hirten und Hüter eurer Seelen.« (1. Petrus 2,18-25 Schl.) Äusserer Und Innerer Schmuck GNAT 394 2 Die gläubigen Frauen forderte der Apostel auf, sittsam zu leben, und bescheiden in ihrer Kleidung und in ihrem Verhalten zu sein: »Euer Schmuck soll nicht äußerlich sein wie Haarflechten, goldene Ketten oder prächtige Kleider, sondern der verborgene Mensch des Herzens im unvergänglichen Schmuck des sanften und stillen Geistes: das ist köstlich vor Gott.« (1. Petrus 3,3.4) GNAT 394 3 Das gilt für die Gläubigen zu allen Zeiten. »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen«, sagte Jesus (Matthäus 7,20) Der innere Schmuck eines sanftmütigen und stillen Geistes ist von unschätzbarem Wert. Im Leben des wahren Christen stimmt der äußere Schmuck mit dem inneren Frieden und der verborgenen Heiligkeit überein. »Will mir jemand nachfolgen«, sagte Jesus, »der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.« (Matthäus 16,24) Selbstverleugnung und Opfer kennzeichnen das Leben des Christen. Dass auch der ästhetische Geschmack durch die Bekehrung verändert werden kann, zeigt sich an der Kleidung all jener, die auf dem Weg gehen, den der Herr für die Erlösten bereitet hat. GNAT 394 4 Es ist recht, Schönheit zu lieben und zu erstreben. Gott möchte aber, dass wir zuallererst die Schönheit lieben und erstreben, die unvergänglich ist. Kein äußerer Schmuck kann sich in Bezug auf Wert und Schönheit mit dem »sanftmütigen und stillen Geist« und dem »weißen, reinen Leinen« messen (Offenbarung 19,14), die alle Heiligen auszeichnen. Dieses Gewand macht sie schon hier auf Erden schön und liebenswert. Und später ist es ihr Ausweis, der sie zum Eintritt in den Palast ihres Königs berechtigt. Jesus hat verheißen: »Die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert« (Offenbarung 3,4). Prüfungen Und Verantwortung GNAT 395 1 Mit prophetischem Blick sah Petrus die gefahrvollen Zeiten voraus, denen die Gemeinde Christi entgegenging. Deshalb ermahnte er die Gläubigen, trotz Anfechtungen und Leiden treu und standhaft zu bleiben: »Ihr Lieben, lasst euch durch die Hitze nicht befremden, die euch widerfährt zu eurer Versuchung.« (1. Petrus 4,12) GNAT 395 2 Prüfungen sind ein Teil der Erziehung in der Schule Christi, um Gottes Kinder von den Schlacken dieser Welt zu reinigen. Gerade weil Gott seine Kinder führt, kommen Prüfungen auf sie zu. Anfechtungen und Hindernisse sind seine gewählten Erziehungsmethoden und von ihm festgelegte Voraussetzungen zum Erfolg. Gott, der das Herz der Menschen erforscht, kennt ihre Schwächen besser als sie selbst. Er sieht in manchen Fähigkeiten, die der Förderung seines Werks dienen können, wenn sie in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Durch seine Vorsehung lässt er diese Christen in verschiedene Situationen und Umstände geraten, in denen sie ihre verborgenen Mängel erkennen können. Er gibt ihnen aber auch Gelegenheit, diese Schwächen zu überwinden und für den Dienst tüchtig zu werden. Oftmals lässt er sogar zu, dass das Feuer der Anfechtung brennt, damit sie gereinigt werden. GNAT 395 3 Gottes Fürsorge für seine Erben hört nie auf. Er lässt nur solche Anfechtungen über sie kommen, die zu ihrem jetzigen und ewigen Wohlergehen notwendig sind. Er will seine Gemeinde reinigen, wie Christus seinerzeit den Tempel gereinigt hat. Alles, was er an Prüfungen und Anfechtungen über sein Volk kommen lässt, soll dazu dienen, dass es tiefere Frömmigkeit entwickelt. Auch soll es größere Kraft gewinnen, um den Sieg des Kreuzes weitertragen zu können. GNAT 395 4 Im Leben von Petrus gab es eine Zeit, in der er nicht bereit war, das Kreuz im Leben und Werk Christi zu akzeptieren. Als Jesus seine Jünger auf seine bevorstehenden Leiden und seinen Tod hinwies, rief Petrus aus: »Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht!« (Matthäus 16,22) Selbstmitleid, das ihn von der Teilnahme an Christi Leiden zurückschrecken ließ, hatte Petrus zu diesem Protest getrieben. Es war eine bittere Lehre für ihn, die er nur langsam lernte, dass der Weg von Jesus auf der Erde durch Demütigungen und einen Todeskampf führen sollte. Aber in der Hitze des Feuerofens würde er dies lernen. Nun, als sein Körper die Last der Jahre und des Wirkens spürte, schrieb er: »Ihr Lieben, lasst euch durch die Hitze nicht befremden, die euch widerfährt zu eurer Versuchung, als widerführe euch etwas Seltsames, sondern freut euch, dass ihr mit Christus leidet, damit ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben mögt.« (1. Petrus 4,12.13) Die Verantwortung Der Hirten GNAT 396 1 Die Gemeindeältesten wies der Apostel auf ihre Verantwortung als Unterhirten der Herde Christi hin, als er schrieb: »Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.« (1. Petrus 5,2-4) GNAT 396 2 Alle, die zu Unterhirten berufen wurden, sollen über die Herde des Herrn mit großer Aufmerksamkeit und Sorgfalt wachen. Das soll aber keine diktatorische Wachsamkeit sein, sondern eine, die ermutigt, stärkt und aufbaut. Der Dienst eines Pastors umfasst mehr als das Predigen; er beinhaltet ernste, persönliche Arbeit. Die Gemeinden auf der Erde bestehen aus fehlerhaften Männern und Frauen. Geduldige und gewissenhafte Anstrengungen von Seiten der Pastoren sind erforderlich, um sie anzuleiten und auszubilden, damit sie in dieser Welt ein annehmbares und nützliches Leben führen und in der Ewigkeit mit Ehre und Unsterblichkeit gekrönt werden. Es braucht Geistliche - treue Hirten -, die Gottes Volk weder nach dem Mund reden noch es hart anpacken. Stattdessen sollen sie der Gemeinde das Brot des Lebens reichen. Es braucht in diesem Dienst Menschen, die in ihrem täglichen Leben die umwandelnde Kraft des Heiligen Geistes spüren und denen, für die sie arbeiten, eine starke und selbstlose Liebe entgegenbringen. GNAT 396 3 Die Arbeit eines Unterhirten im Dienst Christi erfordert viel Takt. Seine Aufgabe ist es, Streitigkeiten, Bitterkeit, Neid und Eifersucht in der Gemeinde entgegenzutreten. Um Dinge in Ordnung bringen zu können, muss er in der Gesinnung und im Geist Christi vorgehen. Da muss gewissenhaft gewarnt werden, Sünden müssen gerügt, Unrecht wiedergutgemacht werden. Dies kann nicht nur vom Podium oder von der Kanzel herab geschehen, sondern dazu braucht es auch den persönlichen Einsatz am Einzelnen. Dabei kann es vorkommen, dass sich das widerspenstige Herz eines Gemeindegliedes gegen die Botschaft auflehnt und der Diener Gottes kritisiert oder falsch beurteilt wird. Dann soll er an das Wort des Apostels Jakobus denken: »Die Weisheit ... von oben her ist zuerst lauter, dann friedfertig, gütig, lässt sich etwas sagen, ist reich an Barmherzigkeit und guten Früchten, unparteiisch, ohne Heuchelei. Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird gesät in Frieden für die, die Frieden stiften.« (Jakobus 3,17.18) GNAT 397 1 Ein Diener des Evangeliums hat die Aufgabe, »ans Licht zu bringen, wie Gott seinen geheimen Ratschluss ausführt, der von Ewigkeit her verborgen war in ihm« (Epheser 3,9). Wenn jemand diesen Dienst aufnimmt, aber sich nur den Teil aussucht, der am wenigsten Mühe und Opfer verursacht, wenn er sich nur mit dem Predigen begnügt und die seelsorgerliche Arbeit anderen überlässt, kann Gott an seiner Arbeit kein Wohlgefallen finden. Menschen, für die Christus gestorben ist, gehen verloren, weil es an gezielter, persönlicher Arbeit mangelt. Wer in den geistlichen Dienst eintritt, aber den persönlichen Einsatz in der Sorge für die Herde scheut, hat seine Berufung nicht verstanden. GNAT 397 2 Den wahren Hirten kennzeichnet eine selbstlose Gesinnung. Der wahre Hirte verliert sich selbst aus den Augen, damit er Gottes Werk vollbringen kann. Durch Predigen des Wortes Gottes und durch seine Besuche bei den Gemeindegliedern lernt er ihre Bedürfnisse, Sorgen und Anfechtungen kennen. Im Zusammenwirken mit Christus, dem großen Lastenträger, nimmt er Anteil an ihren Kümmernissen, spendet Trost in ihren Nöten, stillt ihren geistlichen Hunger und gewinnt ihr Herz für Gott. Bei solcher Arbeit wird er von den Engeln Gottes begleitet. Er selbst gewinnt dabei ein tieferes Verständnis von der Wahrheit, die uns weise zur Seligkeit macht. Auf Treue Gegründet GNAT 397 3 In Verbindung mit seinen Belehrungen für die Verantwortungsträger in der Gemeinde stellte der Apostel einige allgemeine Grundsätze auf, die von allen Gemeindegliedern befolgt werden sollten. So ermahnte er die Jüngeren in der Gemeinde, dem Beispiel der Gemeindeleiter in christlicher Demut zu folgen: »Desgleichen, ihr Jüngeren, ordnet euch den Ältesten unter. Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben.« (1. Petrus 5,5-9) GNAT 398 1 Petrus schrieb dies zu einer Zeit, als die Gläubigen von einer besonderen Anfechtung heimgesucht wurden. Viele hatten bereits wegen ihres Glaubens an Christus Leiden erfahren. Bald sollte eine Zeit schrecklicher Verfolgung über die Gemeinde hereinbrechen. Nur wenige Jahre später würden viele von denen, die in der Gemeinde als Lehrer und Leiter gewirkt hatten, für das Evangelium ihr Leben lassen. Bald würden gräuliche Wölfe einfallen und die Herde nicht verschonen. Aber nichts von alledem sollte die entmutigen, die ihre Hoffnung ganz auf Christus gesetzt hatten. Mit ermutigenden Worten lenkte Petrus die Gedanken der Gläubigen von den gegenwärtigen Prüfungen und kommenden Verfolgungen hin »zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe« (1. Petrus 1,4). Inständig betete er: »Der Gott aber aller Gnade, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vorbereiten, stärken, kräftigen, gründen.« (1. Petrus 5,10.11) ------------------------Kapitel 52 -- Standhaft Bis Ans Ende Der zweite Petrusbrief GNAT 399 1 In seinem zweiten Brief erklärte Petrus jenen, die »denselben teuren Glauben« (2. Petrus 1,1) erlangt hatten wie er, den Plan Gottes zur Bildung eines christlichen Charakters. Er schrieb: »Gnade sei mit euch und Friede in Fülle durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn. Alles, was für das Leben und die Frömmigkeit nötig ist, hat uns seine göttliche Kraft geschenkt durch die Erkenntnis dessen, der uns in seiner Herrlichkeit und Güte berufen hat. Dadurch hat er uns auch die kostbaren und überaus großen Verheißungen geschenkt, durch die ihr Anteil an der göttlichen Natur bekommen sollt, wenn ihr dem Verderben, das durch die Begierde in der Welt wirksam ist, entflohen seid. Und eben darum sollt ihr euch eifrig bemühen, in eurem Glauben Tugend zu zeigen, in der Tugend Einsicht, in der Einsicht Selbstbeherrschung, in der Selbstbeherrschung Beharrlichkeit, in der Beharrlichkeit Frömmigkeit, in der Frömmigkeit Menschenfreundlichkeit, in der Menschenfreundlichkeit Liebe. Denn das alles, was bei euch wirksam ist und sich mehrt, lässt euch weder untätig noch erfolglos sein, wenn es um die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus geht.« (2. Petrus 1,2-8 ZÜ) GNAT 399 2 Diese Worte enthalten eine Fülle von Unterweisungen und lassen einen siegreichen Grundton anklingen. Der Apostel zeigte den Christen die Stufenleiter des geistlichen Wachstums. Dabei bedeutet jede Sprosse eine Vertiefung der Gotteserkenntnis. Beim Besteigen dieser Leiter darf es keinen Stillstand geben. Glaube, Tugend, Erkenntnis, Selbstbeherrschung, Standhaftigkeit, Frömmigkeit, Liebe zu den Glaubensgeschwistern und die Liebe zu allen Menschen sind die Sprossen der Leiter. Wir sind gerettet, wenn wir Sprosse um Sprosse, Stufe um Stufe erklimmen, bis wir die Höhe des Ideals erreichen, das Christus uns vorgegeben hat. So ist Jesus »uns von Gott gemacht ... zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung« (1. Korinther 1,30). Vollkommenheit Durch Gotteserkenntnis GNAT 400 1 Gott hat sein Volk zur Tugend und zur Herrlichkeit berufen. Beide zeigen sich im Leben aller, die wirklich mit ihm verbunden sind. Da die Gläubigen Teilhaber der göttlichen Natur geworden sind, sollen sie nun dem Ziel der Vollkommenheit entgegengehen, wobei sie »in der Kraft Gottes durch Glauben bewahrt« werden (1. Petrus 1,5 Elb.). Es dient zu Gottes Ruhm und Ehre, den Gläubigen seine Tugenden zu verleihen. Er möchte, dass Männer und Frauen das höchste Niveau erreichen. Wenn sie im Glauben die Macht Christi erfassen, wenn sie sich auf dessen untrügliche Verheißungen berufen und sie für sich in Anspruch nehmen, wenn sie mit einer unbeirrbaren Beharrlichkeit nach der Macht des Heiligen Geistes verlangen, dann werden sie auch in Christus vollkommen gemacht. GNAT 400 2 Wenn jemand zum Glauben an das Evangelium gefunden hat, besteht der nächste Schritt darin, einen sittlich einwandfreien Charakter zu entwickeln. Auf diese Weise wird sein Herz gereinigt und sein Geist für den Empfang der rechten Gotteserkenntnis vorbereitet. Diese Erkenntnis ist die Grundlage aller wahren Bildung und jedes echten Dienstes für Gott. Sie ist der einzige wirkliche Schutz gegen Versuchungen; und nur durch sie kann unser Charakter dem Wesen Gottes ähnlich werden. Durch die Erkenntnis Gottes und seines Sohnes Jesus Christus erhält der Gläubige alles, »was wir zu einem Leben in wahrer Frömmigkeit brauchen« (2. Petrus 1,3 GNB). Keine gute Gabe wird dem vorenthalten, der sich aufrichtig danach sehnt, die Rechtschaffenheit vor Gott zu erlangen. GNAT 400 3 »Das ist aber das ewige Leben«, erklärte Christus, »dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.« (Johannes 17,3) Und der Prophet Jeremia erklärte: »Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.« (Jeremia 9,22.23) Unser Verstand kann sich kaum eine Vorstellung von der Breite, Tiefe und Höhe der geistlichen Errungenschaften eines Menschen machen, der diese Erkenntnis gewonnen hat. GNAT 400 4 Niemand braucht in seinem Bestreben zu scheitern, innerhalb unseres Bereiches die Vollkommenheit des christlichen Charakters zu erreichen. Durch das Opfer Christi ist es jedem Gläubigen möglich, alles zu erhalten, was zu einem Gott wohlgefälligen Leben nötig ist. Gott fordert uns auf, den Maßstab der Vollkommenheit zu erreichen und stellt uns das leuchtende Beispiel des Charakters Christi vor Augen. Während er als Mensch auf der Erde lebte, ist Jesus durch seinen beharrlichen Widerstand gegen das Böse vollkommen geworden und hat uns gezeigt, dass Menschen durch Kooperation mit Gott einen vollkommenen Charakter entwickeln können. Damit sichert uns Gott zu, dass auch wir den vollständigen Sieg erringen können. GNAT 401 1 Jedem Gläubigen wird die wunderbare Möglichkeit angeboten, Christus ähnlich zu werden und allen Forderungen des Gesetzes Gottes zu gehorchen. Doch aus sich selbst ist der Mensch absolut unfähig, diesen Zustand zu erreichen. Die Heiligkeit, die er gemäß dem Wort Gottes haben muss, bevor er erlöst werden kann (vgl. Hebräer 12,14), ist die Frucht der göttlichen Gnade. Sie entfaltet sich, wenn der Mensch in Demut die Erziehung und den bändigenden Einfluss des Heiligen Geistes akzeptiert. Der Gehorsam des Menschen kann nur durch den Weihrauch der Gerechtigkeit Christi vollkommen gemacht werden; nur er erfüllt jedes gehorsame Handeln mit göttlichem Duft. Der Teil des Christen besteht darin, beharrlich daran zu arbeiten, jeden Charakterfehler zu überwinden. Ständig muss er Christus bitten, die Krankheiten seines sündigen Wesens zu heilen. Der Mensch besitzt weder die Weisheit noch die Stärke zur Überwindung seiner Mängel. Diese Fähigkeit besitzt nur der Herr, und er verleiht sie denen, die ihn demütig und reuevoll um Hilfe bitten. GNAT 401 2 Die Umwandlung eines ungeheiligten Menschen zu einem geheiligten ist ein andauernder Prozess. Gott arbeitet Tag für Tag an der Heiligung des Menschen, und der soll mit Gott zusammenwirken. Beharrlich muss er sich darum bemühen, gute Gewohnheiten einzuüben. Während er eine Tugend nach der anderen nur addiert, multipliziert Gott. Jesus Christus ist immer bereit, die Gebete eines reumütigen Herzens zu erhören; so werden bei seinen treuen Nachfolgern die Gnadengaben und der Friede vervielfältigt. In ihrem Ringen gegen das Böse, das ihnen anhaftet, ist Gott stets gern bereit, sie im notwendigen Maß zu segnen. Nicht Müde Werden Auf Dem Weg GNAT 401 3 Es gibt Christen, die die Leiter der christlichen Charakterentwicklung zu erklimmen versuchen; aber - sobald sie vorankommen - beginnen, ihr Vertrauen in ihre eigene Kraft zu setzen und Jesus, »den Anfänger und Vollender des Glaubens« (Hebräer 12,2), aus den Augen zu verlieren. Das Ergebnis ist ein kompletter Fehlschlag - der Verlust all dessen, was sie schon erreicht hatten. Wirklich traurig ist der Zustand derer, die auf ihrem Glaubensweg müde werden und dadurch dem Feind erlauben, sie aller christlichen Tugenden zu berauben, die sich in ihrem Herzen und Leben entwickelt hatten. »Wer dies aber nicht hat«, erklärte der Apostel, »der ist blind und tappt im Dunkeln und hat vergessen, dass er rein geworden ist von seinen früheren Sünden.« (2. Petrus 1,9) GNAT 402 1 Der Apostel Petrus hatte eine reiche Erfahrung in geistlichen Dingen. Sein Vertrauen in Gottes Erlösermacht war mit den Jahren immer stärker geworden. Nun hatte er die zweifelsfreie Gewissheit, dass der nicht scheitern kann, der im Glauben vorangeht und dabei Sprosse um Sprosse auf der Leiter des geistlichen Wachstums erklimmt, immer vorwärts und aufwärts, bis zur letzten Sprosse der Leiter, die an die Pforten des Himmels reicht. GNAT 402 2 Schon viele Jahre lang hatte Petrus den Christen nahegelegt, wie notwendig ein ständiges Wachstum in der Gnade und in der Erkenntnis der Wahrheit ist. Und nun, als er wusste, dass er um seines Glaubens willen bald den Märtyrertod erleiden würde, wies er die Gläubigen nochmals auf die großartigen Möglichkeiten und Vorzüge hin, die sich jeder Christ aneignen kann. In voller Glaubensgewissheit ermutigte der betagte Apostel seine Glaubensgeschwister, entschlossen am Ziel ihres christlichen Lebens festzuhalten. Er bat sie inständig: »Bemüht euch desto mehr, eure Berufung und Erwählung festzumachen. Denn wenn ihr dies tut, werdet ihr nicht straucheln, und so wird euch reichlich gewährt werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilands Jesus Christus.« (2. Petrus 1,10.11) Eine wunderbare Zusicherung! Eine großartige Gewissheit! Eine herrliche Hoffnung hat der Christ vor Augen, wenn er im Glauben vorangeht, den Höhen der christlichen Vollkommenheit entgegen. GNAT 402 3 »Darum«, fuhr der Apostel fort, »will ich's nicht lassen, euch allezeit daran zu erinnern, obwohl ihr's wisst und gestärkt seid in der Wahrheit, die unter euch ist. Ich halte es aber für richtig, solange ich in dieser Hütte bin, euch zu erwecken und zu erinnern; denn ich weiß, dass ich meine Hütte bald verlassen muss, wie es mir auch unser Herr Jesus Christus eröffnet hat. Ich will mich aber bemühen, dass ihr dies allezeit auch nach meinem Hinscheiden im Gedächtnis behalten könnt.« (2. Petrus 1,12-15) GNAT 402 4 Der Apostel war bestens geeignet, über die Absichten zu sprechen, die Gott mit den Menschen hat, denn während Christi Wirken auf der Erde hatte er vieles über das Reich Gottes sehen und hören dürfen. »Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt«, erklärte er die Gläubigen, »als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.« (2. Petrus 1,16-18) Rechte Und Falsche Prophezeiungen GNAT 403 1 Dieser Beweis für die Gewissheit der christlichen Hoffnung war an sich schon überzeugend genug; aber ein weiterer, noch überzeugenderer Beweis findet sich im Zeugnis der Prophezeiungen. Sie können den Glauben aller stärken und einen sicheren Halt und Anker bieten. »Eine umso festere Grundlage haben wir darum im prophetischen Wort, und ihr tut gut daran, darauf zu achten, wie auf ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen. Denn - das sollt ihr vor allem anderen wissen - keine Weissagung der Schrift verdankt sich menschlicher Anschauung. Denn was an Weissagung einst ergangen ist, geht nicht auf den Willen eines Menschen zurück, vielmehr haben, getrieben vom Heiligen Geist, Menschen im Auftrag Gottes gesprochen.« (2. Petrus 1,19-21) GNAT 403 2 Der Apostel wies auf das »prophetische Wort« hin, das uns in Zeiten der Gefahr ein sicherer Führer ist, warnte aber auch vor der Fackel falscher Prophetie, die von »falschen Lehrern, die verderbliche Irrlehren einführen und den Herrn verleugnen« (2. Petrus 2,1), hochgehalten wird. Diese Irrlehrer werden unter den Christen aufkommen und von vielen Gläubigen als echt angesehen werden. Der Apostel verglich sie mit »Brunnen ohne Wasser und Wolken, vom Wirbelwind umhergetrieben, ihr Los ist die dunkelste Finsternis« (2. Petrus 2,17). Es ist »mit ihnen am Ende ärger geworden als vorher«, versicherte er. »Denn es wäre besser für sie gewesen, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, als dass sie ihn kennen und sich abkehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist.« (2. Petrus 2,20.21) GNAT 403 3 Dann schaute er durch Jahrhunderte in die Zeit des Weltendes, und unter dem Einfluss des Heiligen Geistes beschrieb er die Zustände, die kurz vor der Wiederkunft Christi in der Welt herrschen werden: »Ihr sollt vor allem wissen, dass in den letzten Tagen Spötter kommen werden, die ihren Spott treiben, ihren eigenen Begierden nachgehen und sagen: Wo bleibt die Verheißung seines Kommens? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Schöpfung gewesen ist.« (2. Petrus 3,3.4) Der Apostel Paulus ergänzte: »Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen.« (1. Thessalonicher 5,3) Doch nicht alle werden sich von den Täuschungen Satans umgarnen lassen. Wenn das Ende aller irdischen Dinge hereinbricht, werden treue Gläubige die Zeichen der Zeit erkennen können. Während viele Christen, die es nur dem Namen nach sind, im täglichen Leben den Glauben durch ihre Werke verleugnen, wird ein treuer Überrest wird bis zum Ende ausharren. GNAT 404 1 Petrus hielt die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi in seinem Herzen lebendig, und er versicherte der Gemeinde, dass Jesus sein Versprechen gewiss erfüllen werde: »Wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen.« (Johannes 14,3) Für die geprüften, treuen Christen mag es so aussehen, als würde sich die Wiederkunft hinauszögern, aber der Apostel versicherte ihnen: »Der Herr zögert nicht, die Verheißung zu erfüllen, wie einige meinen, sondern ist geduldig mit euch; er will nicht, dass einige zugrunde gehen, sondern vielmehr, dass alle den Weg der Umkehr einschlagen. Der Tag des Herrn aber wird kommen wie ein Dieb; dann wird der Himmel verschwinden mit großem Getöse, die Elemente des Alls werden sich in der Hitze auflösen, und die Erde, die Werke, die auf ihr vollbracht wurden, werden zutage kommen. Wenn sich nun dies alles derart auflöst, wie entschlossen müsst ihr dann euer Leben führen, heilig und fromm! Wartet auf den Tag Gottes und beschleunigt seine Ankunft - seinetwegen wird der Himmel sich auflösen im Feuer, und die Elemente des Alls schmelzen in der Hitze. Wir warten aber aufgrund seiner Verheißung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.« GNAT 404 2 »Darum, meine Geliebten, setzt in solcher Erwartung alles daran, ohne Fehl und Makel vor ihm zu erscheinen, so dass ihr nichts befürchten müsst! Und seid euch bewusst, dass die Langmut unseres Herrn eure Rettung bedeutet; so hat es euch ja auch unser geliebter Bruder Paulus in der ihm geschenkten Weisheit geschrieben ... Ihr, meine Geliebten, wisst dies alles nun im Voraus; gebt also acht, dass ihr vom Irrtum der Frevler nicht mitgerissen werdet und euren sicheren Halt verliert! Wachst vielmehr in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Retters Jesus Christus.« (2. Petrus 3,9-18 ZÜ) Bereit Zum Martyrertod GNAT 404 3 Die Vorsehung Gottes erlaubte es Petrus, seinen Dienst in Rom abzuschließen. Kaiser Nero ordnete seine Gefangennahme ungefähr zur selben Zeit an, als Paulus zum zweiten Mal in Rom in Gefangenschaft saß. So legten die beiden im Dienst für Gott ergrauten Apostel, die viele Jahre lang weit getrennt voneinander gearbeitet hatten, in Rom - der Metropole der damaligen Welt - ihr letztes Zeugnis für Christus ab. Ihr Blut sollte dort zu einem Samen für eine reiche Ernte von Gläubigen und Märtyrern werden. GNAT 405 1 Seit der Wiedereinsetzung als Apostel nach seiner Verleugnung Christi hatte Petrus unbeirrt und unerschrocken jeder Gefahr ins Auge geblickt und edlem Mut gezeigt, als er den gekreuzigten, auferstandenen und in den Himmel aufgenommenen Erlöser verkündet hatte. Im Kerker erinnerte er sich nun an die Worte, die Jesus zu ihm gesagt hatte: »Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst.« (Johannes 21,18) Jesus hatte damit seinem Jünger dessen genaue Todesart offenbart und ihm sogar das Ausbreiten seiner Hände am Kreuz vorausgesagt. GNAT 405 2 Als Jude und Ausländer wurde Petrus zur Geißelung und Kreuzigung verurteilt. In Erwartung seines furchtbaren Todes erinnerte sich der Apostel an seine schwere Sünde, als er Jesus in der Stunde dessen Verhörs verleugnet hatte. So wenig er damals bereit war, sich zum Kreuz zu bekennen, so groß war jetzt seine Genugtuung, sein Leben für das Evangelium hinzugeben. Dass er, der einst seinen Herrn verleugnet hatte, nun auf die gleiche Weise wie sein Meister sterben sollte, war für ihn jedoch eine zu große Ehre. GNAT 405 3 Petrus hatte seine Sünde aufrichtig bereut und von Christus Vergebung erhalten. Dies zeigte der Auftrag, den er von Jesus erhielt, die Schafe und Lämmer der Herde zu weiden (vgl. Johannes 21,15-17). Aber sich selbst konnte Petrus nie verzeihen. Nicht einmal der Gedanke an die letzten, schrecklichen Todesqualen vermochten die Bitterkeit seiner Trauer und seiner Reue zu lindern. Als letzte Gunst erbat er sich von seinen Henkern, mit dem Kopf nach unten ans Kreuz genagelt zu werden. Das wurde ihm gewährt, und auf diese Weise verstarb der große Apostel Petrus. ------------------------Kapitel 53 -- Johannes, Der Geliebte Jünger GNAT 406 0 Matthäus 20,20-28; Markus 9,38-41; Lukas 9,52-56; Johannes 19,26-27. GNAT 406 1 Johannes wird unter den Aposteln hervorgehoben als der Jünger, »den Jesus lieb hatte« (Johannes 13,23; 20,2; 21,7.20). Er genoss offenbar in besonderer Weise die Freundschaft Christi und erhielt von ihm viele Zeichen des Vertrauens und der Liebe. So war er einer von den drei Jüngern, die Jesus als Zeugen seiner Verherrlichung auf dem Verklärungsberg und seines Todeskampfes in Gethsemane werden ließ. Johannes übertrug der Herr in den letzten Stunden seines Leidens am Kreuz die Aufgabe, für seine Mutter zu sorgen (vgl. Johannes 19,26-27). GNAT 406 2 Johannes erwiderte die freundschaftliche Zuneigung von Jesus mit der ganzen Kraft einer begeisterten Hingabe. Er hing so dicht an Jesus, wie sich eine Weinrebe um ihren Stützpfahl rankt. Um seines Herrn willen trotzte er allen Gefahren und hielt sich sogar beim Prozess gegen Jesus in der Gerichtshalle auf. Danach war er unter dem Kreuz zu finden. Und als die Frauen die Nachricht brachten, dass Christus auferstanden war, rannte er schnell zum Grab und überholte dabei selbst den ungestümen Petrus. GNAT 406 3 Die vertrauensvolle Liebe und die selbstlose Hingabe, die sich im Leben und Charakter des Johannes zeigten, bieten der christlichen Gemeinde Lehren von unschätzbarem Wert. Von Natur aus besaß Johannes keinen so liebenswürdigen Charakter, wie wir ihn aus seinem späteren Leben kennen. Er hatte erhebliche Charaktermängel. Er war nicht nur stolz, selbstbewusst und ehrsüchtig, sondern auch ungestüm und bei erlittenem Unrecht nachtragend. Er und sein Bruder Jakobus wurden deshalb »Donnerssöhne« genannt (Markus 3,17). GNAT 406 4 Der geliebte Jünger war aufbrausend, rachsüchtig und kritisierte gern. Aber hinter all diesen Charaktermängeln sah Jesus ein leidenschaftliches, aufrichtiges und liebevolles Herz. Jesus tadelte die Selbstsucht des Johannes, enttäuschte dessen Ehrgeiz und stellte dessen Glauben auf die Probe. Doch offenbarte er dem Jünger auch das, wonach sich dessen Herz sehnte: die Schönheit eines geheiligten Charakters und die umwandelnde Macht der Liebe. Keine Rachsucht Empfinden GNAT 407 1 Während Johannes mit Jesus zusammen war, traten die Mängel in seinem Charakter bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich hervor. Einmal schickte Jesus Boten in ein Dorf in Samaria und bat die Einwohner, ihm und seinen Jüngern eine Unterkunft bereitzumachen. Aber als er in die Nähe des Ortes kam, merkten sie, dass er nach Jerusalem weiterziehen wollte. Das erregte den Widerwillen der Samaritaner. Anstatt Jesus zu einem Aufenthalt einzuladen, versagten sie ihm die Gastfreundschaft, die sie sonst jedem Fremden entgegenbrachten. Da er seine Gegenwart niemandem aufdrängte, entging den Samaritanern der Segen, den sie erhalten hätten, wenn sie Jesus als Gast willkommen geheißen hätten. GNAT 407 2 Die Jünger wussten, dass Christus den Wunsch hatte, die Samaritaner durch seine Gegenwart zu segnen. Deren Kälte, Eifersucht und Respektlosigkeit gegenüber Jesus überraschte und empörte sie. Jakobus und Johannes waren besonders verärgert. Eine so schlechte Behandlung ihres Meisters, den sie so sehr verehrten, war für sie ein zu großes Unrecht, das nicht ohne umgehende Strafe übergangen werden sollte. In ihrem Eifer fragten sie Jesus: »Herr, das brauchst du dir doch nicht gefallen zu lassen! Wenn du willst, lassen wir Feuer vom Himmel fallen wie damals Elia, damit sie alle verbrennen!« (Lukas 9,54 Hfa) Dabei spielten sie auf die Vernichtung des samaritanischen Hauptmanns und seiner Soldaten an, die seinerzeit ausgesandt worden waren, um den Propheten Elia festzunehmen (vgl. 2. Könige 1,9-10). Erstaunt stellten die Jünger fest, dass ihre Worte Jesus weh taten. Noch mehr überrascht waren sie, als sie seinen Tadel einstecken mussten: »Ihr wisst nicht, was für ein Geist da aus euch spricht! Der Menschensohn ist nicht gekommen, um Menschenleben zu vernichten, sondern um sie zu retten!« (Lukas 9,55-56 Anm. GNB) GNAT 407 3 Es gehört nicht zur Mission Christi, Menschen zum Glauben an ihn zu zwingen. Nur Satan und Menschen, die von ihm beherrscht werden, wollen Gewissenszwang ausüben. Unter dem Vorwand, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, fügen Menschen, die mit satanischen Engeln im Bund stehen, ihren Mitmenschen Leid zu, um sie dadurch zu ihren religiösen Anschauungen zu bekehren. Christus dagegen erweist sich immer als gnädig, er möchte die Mensehen allein durch die Offenbarung seiner Liebe für sich gewinnen. Er duldet weder einen Rivalen in unseren Herzen, noch gibt er sich mit einem halbherzigen Glauben zufrieden. Er wünscht sich nur einen freiwilligen Dienst, die willige Übergabe des Herzens unter dem sanften Werben seiner Liebe. Ehrgeiz Zügeln GNAT 408 1 Bei einer anderen Gelegenheit traten Jakobus und Johannes durch ihre Mutter mit einer besonderen Bitte an Jesus heran. Sie forderte ihn dazu auf, ihren Söhnen in seinem Reich die höchsten Ehrenämter zu übertragen. Ungeachtet seiner wiederholten Aussagen über die Art seines Königreichs hegten diese Jünger noch immer die Hoffnung auf einen Messias, der nach ihren menschlichen Vorstellungen einen irdischen Thron besteigen und königliche Macht ausüben würde. Ihre Mutter, die einen Ehrenplatz für ihre Söhne in diesem Königreich begehrte, bat Jesus: »Lass diese meine beiden Söhne sitzen in deinem Reich einen zu deiner Rechten und den andern zu deiner Linken.« (Matthäus 20,21) GNAT 408 2 Jesus erwiderte darauf: »Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?« (Markus 10,38) Sie erinnerten sich an seine geheimnisvollen Worte, die auf sein Leiden und Sterben hinwiesen, antworteten aber voller Zuversicht: »Ja, das können wir.« (Matthäus 20,22) Sie würden es als ihre größte Ehre ansehen, ihm ihre Treue zu beweisen. Bei allem, was ihm zustoßen sollte, wollten sie an seiner Seite stehen. GNAT 408 3 »Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde«, erklärte ihnen Jesus daraufhin (Markus 10,39), denn nicht ein Thron, sondern ein Kreuz erwartete ihn - mit zwei Verbrechern als Gefährten, einer zu seiner Rechten und einer zu seiner Linken. Jakobus und Johannes sollten wie ihr Meister durch Leiden gehen: Den einen sollte schon bald der Tod durch das Schwert ereilen (vgl. Apostelgeschichte 12,1-2), der andere sollte am längsten von allen Jüngern seinem Herrn in Schmach und Verfolgung dienen. Jesus fuhr fort: »Aber das Sitzen zu meiner Rechten und Linken zu geben, steht mir nicht zu. Das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist von meinem Vater.« (Matthäus 20,23) GNAT 408 4 Jesus kannte die Gründe, die die Jünger zu dieser Bitte veranlasst hatten. Er tadelte deshalb ihren Stolz und Ehrgeiz mit den Worten: »Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.« (Matthäus 20,25-28) GNAT 409 1 Im Reich Gottes werden ehrenvolle Stellungen nicht durch Begünstigung erlangt. Man kann sie weder verdienen, noch werden sie willkürlich verliehen; sie sind vielmehr die Frucht des Charakters. Krone und Thron sind Zeichen eines erreichten Zieles, Zeichen der Selbstüberwindung durch die Gnade unseres Herrn Jesus Christus. GNAT 409 2 Lange Zeit später, als Johannes mehr Mitgefühl für Christus durch die Gemeinschaft mit dessen Leiden entwickelt hatte, offenbarte ihm der Herr, unter welchen Voraussetzungen man Teilhaber seines Reiches werden kann: »Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.« (Offenbarung 3,21) Wer Christus am nächsten steht, hat am meisten von dessen Geist der selbstaufopfernden Liebe in sich aufgenommen. Diese Liebe »prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf, sie tut nichts Unschickliches, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht an« (1. Korinther 13,5). Diese Liebe spornt den echten Christen an, wie sie auch unseren Herrn angespornt hat - für die Rettung von Menschen zu leben, alles zu geben, zu arbeiten und sich sogar bis in den Tod aufzuopfern. Eifersucht Uberwinden GNAT 409 3 Bei einer anderen Begebenheit zu Beginn ihrer evangelistischen Tätigkeit trafen Jakobus und Johannes auf einen Mann, der kein anerkannter Jünger Christi war und trotzdem in dessen Namen Teufel austrieb. Die beiden Jünger untersagten ihm das und meinten, ein Recht dazu zu besitzen. Als sie die Begebenheit aber Christus berichteten, wies er sie zurecht und sagte: »Ihr sollt's ihm nicht verbieten. Denn niemand, der ein Wunder tut in meinem Namen, kann so bald übel von mir reden.« (Markus 9,39) Niemand, der auf irgendeine Art eine freundliche Einstellung gegenüber Christus zeigt, darf zurückgewiesen werden. Die Jünger dürfen keine engstirnige, exklusive oder elitäre Haltung einnehmen. Sie müssen dasselbe weitreichende Mitgefühl zeigen, das sie bei ihrem Meister kennen gelernt hatten. Jakobus und Johannes aber meinten, die Ehre ihres Herrn hochhalten zu müssen, indem sie diesem Mann entgegentraten. Nun aber begannen sie zu erkennen, dass sie wegen ihrer eigenen Ehre eifersüchtig gewesen waren. Sie sahen ihren Irrtum ein und nahmen die Zurechtweisung an. GNAT 410 1 Die Lehren von Jesus, dass Sanftmut, Demut und Liebe für das Wachstum in der Gnade und zur Tauglichkeit für das Werk Gottes wesentlich sind, waren für Johannes von höchstem Wert. Er hütete jede Lektion wie einen Schatz und versuchte ständig, sein Leben mit dem göttlichen Vorbild in Übereinstimmung zu bringen. Er hatte allmählich erkannt, worin die Herrlichkeit von Jesus wirklich besteht - nicht in Prunk und weltlicher Macht, auf die er gehofft hatte, sondern in der »Gnade und Wahrheit ... der Herrlichkeit, die der Vater ihm, seinem einzigen Sohn, gegeben hat« (Johannes 1,14 NLB). Christus Ähnlicher Werden GNAT 410 2 Die tiefe und innige Zuneigung des Johannes zu seinem Herrn und Meister war nicht die Ursache der Liebe Christi zu ihm, sondern die Auswirkung dessen Liebe zu ihm. Johannes wünschte sich, wie Jesus zu werden. Unter dem umwandelnden Einfluss der Liebe Christi wurde er sanftmütig und demütig. Sein Ich war nun in Jesus verborgen. Mehr als alle seine Mitjünger lieferte sich Johannes der Macht dieses wunderbaren Lebens aus. Er bezeugte: »Das Leben ist erschienen, und wir haben [es] gesehen.« (1. Johannes 1,2) »Aus seinem Reichtum hat er uns beschenkt, uns alle mit grenzenloser Güte überschüttet.« (Johannes 1,16 GNB) Johannes kannte den Erlöser, weil er mit ihm persönliche Erfahrungen gemacht hatte. Die Lehren seines Meisters waren ihm ins Herz eingegraben. Wenn er von der Gnade Christi berichtete, war seine einfache Sprache beredt von der Liebe, die sein ganzes Wesen durchdrang. GNAT 410 3 Diese innige Liebe zu Christus weckte in ihm den starken Wunsch, ständig an der Seite seines Herrn zu sein. Jesus liebte alle seine zwölf Jünger, aber keiner war innerlich so aufgeschlossen wie Johannes. Er war jünger als die anderen, und mit kindlichem Vertrauen öffnete er Jesus sein Herz. So kam es zwischen den beiden zu einer immer größer werdenden Übereinstimmung. So wurde Johannes befähigt, die tiefsinnigsten geistlichen Lehren des Erlösers an die Menschen weiterzugeben. GNAT 410 4 Jesus liebt alle, die seinen Vater recht darstellen, und Johannes konnte wie kein anderer Jünger von der Liebe des Vaters erzählen. Er gab an seine Mitmenschen weiter, was er in seinem Innern empfand. Dabei zeigten sich in seinen Charakterzügen die Eigenschaften Gottes. Die Herrlichkeit des Herrn drückte sich in seinem Gesicht aus. Die Schönheit der Heiligkeit, die sein Inneres verwandelt hatte, ließ sein Angesicht wie Christi Antlitz strahlen. In Anbetung und Liebe schaute er zu Jesus auf, bis er nur noch einen Wunsch hatte, Jesus ähnlich zu sein, Gemeinschaft mit ihm zu pflegen und den Charakter seines Meisters widerzuspiegeln. GNAT 411 1 »Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen«, schrieb er, »dass wir Gottes Kinder heißen sollen ... Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.« (1. Johannes 3,1-2) ------------------------Kapitel 54 -- Ein Zuverlässiger Zeuge Die Johannesbriefe GNAT 412 1 Nach der Himmelfahrt Christi zeichnete sich Johannes als treuer und gewissenhafter Mitarbeiter im Dienst seines Meisters aus. Am Pfingstfest nach der Himmelfahrt Christi erlebte er mit den anderen Jüngern die Erfüllung mit dem Heiligen Geist, und mit frischem Eifer und neuer Macht verkündete er fortan den Menschen Worte des Lebens und lenkte so ihre Gedanken auf den Unsichtbaren. Er war ein machtvoller Verkündiger, eifrig und mit tiefem Ernst. Mit schöner Sprache und wohlklingender Stimme berichtete er von den Worten und Taten Jesu Christi. Seine Art zu reden hinterließ bei seinen Zuhörern einen tiefen Eindruck. Die Einfachheit seiner Worte, die erhabene Kraft der Wahrheiten, die er verkündete, und die Inbrunst seiner Lehren verschafften ihm Zugang zu allen Gesellschaftsschichten. GNAT 412 2 Das Leben des Apostels stimmte mit seinen Lehren überein. Die Liebe zu Christus, die in seinem Herzen glühte, befähigte ihn, sich unermüdlich für seine Mitmenschen einzusetzen, insbesondere für seine Schwestern und Brüder in der christlichen Gemeinde. Das Neue Gebot Der Liebe GNAT 412 3 Christus hatte seinen ersten Jüngern geboten, einander zu lieben, wie er sie geliebt hatte. Auf diese Weise sollten sie der Welt bezeugen, dass Christus - die Hoffnung der Herrlichkeit - in ihnen Gestalt gewann. »Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt.« (Johannes 13,34) Als Christus diese Worte sprach, konnten die Jünger sie nicht verstehen; aber als sie Zeugen seiner Leiden, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt geworden waren und nachdem der Heilige Geist am Pfingstfest auf sie gekommen war, gewannen sie eine klarere Vorstellung von der Liebe Gottes. Sie verstanden nun das Wesen der Liebe besser, die sie füreinander aufbringen sollten. Jetzt konnte Johannes seinen Mitchristen sagen: »Daran haben wir die Liebe erkannt, dass er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen.« (1. Johannes 3,16) GNAT 413 1 Als der Heilige Geist auf die Jünger herab gekommen war und sie die Botschaft von einem lebendigen Erlöser in die Welt hinaustrugen, war es ihr einziges Ziel, Menschen zu retten. Sie freuten sich darüber, mit den Christen eine herzliche Gemeinschaft zu pflegen. Sie waren liebevoll, fürsorglich, selbstlos und um der Wahrheit willen zu jedem Opfer bereit. Im täglichen Umgang miteinander offenbarten sie die Liebe, die ihnen Christus aufgetragen hatte. Mit selbstlosen Worten und Taten versuchten sie, diese Liebe in den Herzen anderer zu entfachen. GNAT 413 2 Solch eine Liebe sollten die Christen zu allen Zeiten hegen und pflegen. Sie sollten im bereitwilligem Gehorsam gegenüber dem neuen Gebot vorangehen. So eng sollten sie mit Christus verbunden bleiben, dass sie all seinen Forderungen nachkommen konnten. Durch ihr Leben sollten sie die Macht des Erlösers preisen, der sie durch seine Gerechtigkeit freigesprochen hatte. GNAT 413 3 Allmählich aber machte sich ein Wandel bemerkbar. Die Christen begannen, bei anderen nach Mängeln zu suchen. Sie beschäftigten sich mit den Fehlern anderer und ließen unfreundlicher Kritik freien Lauf. Dadurch verloren sie ihren Erlöser und seine Liebe aus ihrem Blickfeld. Sie nahmen es genauer mit äußeren Zeremonien und legten größeres Gewicht auf die Theorie des Glaubens anstatt auf seine Umsetzung im praktischen Leben. In ihrem Eifer, andere zu verurteilen, übersahen sie ihre eigenen Fehler. Sie verloren die Bruderliebe, die Christus ihnen befohlen hatte. Das Traurigste dabei aber war, dass ihnen dieser Verlust nicht einmal bewusst wurde. Sie bemerkten nicht, dass Glück und Freude aus ihrem Leben verschwanden. Weil sie die Liebe Gottes aus ihren Herzen verbannt hatten, würde bald eine geistliche Finsternis über sie kommen. GNAT 413 4 Als Johannes bemerkte, dass die Bruderliebe in den Gemeinden im Schwinden war, wies er die Gläubigen mit Nachdruck darauf hin, wie dringend sie diese Liebe allezeit benötigen. Seine Briefe an die Gemeinden sind mit diesen Gedanken erfüllt. »Ihr Lieben, lasst uns einander lieben!«, forderte er sie auf. »Denn die Liebe ist aus Gott; und jeder, der liebt, ist aus Gott gezeugt, und er erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe. Darin ist die Liebe Gottes unter uns erschienen, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Darin besteht die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt hätten, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als Sühne für unsere Sünden. Ihr Lieben, wenn Gott uns so geliebt hat, sind auch wir verpflichtet, einander zu lieben.« (1. Johannes 4,7-11 ZÜ) GNAT 414 1 Über die besondere Art und Weise, in der diese Liebe unter den Gläubigen zum Ausdruck kommen soll, schrieb der Apostel: »Und doch lege ich euch ein neues Gebot vor, etwas, das in ihm und unter euch gültig ist, denn die Finsternis weicht und das wahre Licht scheint schon. Wer sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder, ist noch immer in der Finsternis. Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht, und in ihm ist nichts, was anstößig wäre. Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis und geht seinen Weg in der Finsternis, und er weiß nicht, wohin er geht, denn die Finsternis hat seine Augen blind gemacht.« (1. Johannes 2,8-11 ZÜ) »Denn das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt: dass wir einander lieben.« (1. Johannes 3,11 ZÜ) »Wer nicht liebt, bleibt im Tod. Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder; und ihr wisst, dass in einem Mörder das ewige Leben nicht bleibt. Daran haben wir die Liebe erkannt, dass er sein Leben für uns eingesetzt hat. Auch wir sind verpflichtet, das Leben einzusetzen für die Brüder.« (1. Johannes 3,14-16 ZÜ) Liebe, Die Von Oben Kommt GNAT 414 2 Nicht die Gegnerschaft der Welt stellt die größte Gefahr für die Gemeinde Christi dar. Die Bosheit, die in den Herzen der bekennenden Christen gehegt wird, fügt ihr den schwersten Schaden zu und verzögert den Fortschritt des Werkes Gottes. Nichts schwächt das Glaubensleben mehr, als Neid, Misstrauen, Kritiksucht oder üble Nachrede zu hegen. Anderseits sind Harmonie und Einigkeit das beste Zeugnis dafür, dass Gott seinen Sohn in die Welt gesandt hat, wenn sie in einer Gemeinschaft von gläubigen Menschen mit ihren unterschiedlichsten Veranlagungen herrschen. Dies der Welt zu bezeugen ist das große Vorrecht der Nachfolger Christi. Dazu müssen sie sich aber der Führung Christi unterstellen. Ihr Charakter muss mit dem seinen in Übereinstimmung gebracht werden und ihr Wille seinem Willen entsprechen. GNAT 414 3 Christus hat gesagt: »Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe.« (Johannes 13,34) Eine wunderbare Aussage! Wie dürftig wird sie aber in die Tat umgesetzt! Die Gemeinden Gottes lassen heutzutage die Bruderliebe in beklagenswerter Weise vermissen. Viele behaupten zwar, Jesus zu lieben, aber sie lieben sich nicht untereinander. Die Ungläubigen schauen genau hin, um festzustellen, ob der Glaube bekennender Christen auch einen heiligenden Einfluss auf ihr Alltagsleben ausübt. Sie entdecken schnell deren Charaktermängel und inkonsequentes Verhalten. Aber Christen sollen dem Feind keine Gelegenheit bieten, mit seinen Fingern auf sie zu zeigen und zu sagen: »Schaut nur, wie diese Menschen, die auf der Seite Christi stehen, einander hassen!« Christen sind Glieder einer einzigen Familie, sie sind alle Kinder desselben himmlischen Vaters. Sie haben alle die gleiche selige Hoffnung auf die Unsterblichkeit. Ein zartes, aber enges Band sollte sie miteinander verbinden. GNAT 415 1 Die göttliche Liebe appelliert in einer sehr einfühlsamen Weise an unser Herz, wenn wir für jemanden dasselbe herzliche Mitgefühl aufbringen sollen, das Christus ausgezeichnet hat. Nur wer seinen Mitgläubigen selbstlose Liebe entgegenbringt, liebt Gott wahrhaftig. Ein wahrer Christ wird keinen Menschen ungewarnt und unbetreut in Gefahr und Not laufen lassen. Er hält sich nicht von den Irrenden fern, sodass diese noch tiefer ins Unglück stürzen und in Mutlosigkeit versinken oder gar auf dem Schlachtfeld Satans umkommen. GNAT 415 2 Wer die zärtliche und gewinnende Liebe Christi noch nie selbst erfahren hat, kann andere nicht zu der Quelle des Lebens führen. Seine Liebe wirkt in unseren Herzen als treibende Kraft. Sie veranlasst uns, überall auf Jesus hinzuweisen: in Gesprächen, durch eine Haltung voller Feingefühl und Mitempfinden oder durch einen aufbauenden Einfluss auf das Leben derer, mit denen wir zusammenkommen. Alle, die für Jesus arbeiten und dabei Erfolg haben wollen, müssen ihn kennen, und um ihn zu kennen, müssen sie seine Liebe kennen. Im Himmel wird die Brauchbarkeit eines Mitarbeiters Christi daran gemessen, inwieweit er die Fähigkeit besitzt, so zu lieben, wie Christus geliebt hat, und so arbeiten kann, wie er es getan hat. GNAT 415 3 »Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge«, mahnte der Apostel, »sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.« (1. Johannes 3,18 ZÜ) Die Vollständigkeit des christlichen Charakters ist erreicht, wenn der Drang, anderen zu helfen und ihnen zum Segen zu sein, ständig vorhanden ist. Wenn solch eine Atmosphäre der Liebe den Gläubigen umgibt, macht ihn diese »zum Geruch des Lebens zum Leben« (2. Korinther 2,16). Dann ist es Gott möglich, dessen Wirken zu segnen. GNAT 415 4 Höchste Liebe zu Gott und selbstlose Liebe untereinander - das ist die beste Gabe, die uns unser himmlischer Vater schenken kann. Diese Liebe ist keine momentane Gefühlsregung, sondern ein göttliches Prinzip, eine ständig wirksame Macht. Wer sich Christus nicht hingegeben hat, kann sie weder erzeugen noch bewirken. Sie ist nur in dem Herzen zu finden, in dem Jesus regiert. »Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.« (1. Johannes 4,19) Wenn das Herz durch die göttliche Gnade erneuert wurde, ist die Liebe das herrschende Prinzip des Handelns. Diese Liebe verändert den Charakter, beherrscht die Triebe, zähmt die Leidenschaften und veredelt alle Neigungen. Wird diese Liebe geschätzt und gehegt, versüßt sie das eigene Leben und übt einen veredelnden Einfluss auf die Umwelt aus. GNAT 416 1 Johannes bemühte sich, den Christen verständlich zu machen, welch herrlicher Segen ihnen zuteil wird, wenn diese liebevolle Einstellung in ihrem Alltag zur Tat wird. Erfüllt die erlösende Macht das menschliche Herz, dann kontrolliert sie alle anderen Motive und schützt vor den verderblichen Einflüssen der Welt. Wenn diese Liebe ihre ganze Macht ausüben und zur bestimmenden Antriebskraft im Leben der Gläubigen werden darf, dann wird das Vertrauen auf Gott und dessen Handeln mit ihnen vollständig sein. Dann können sie in voller Glaubenszuversicht mit ihren Anliegen zu ihm kommen und werden wissen, dass sie von ihm alles erhalten werden, was für ihr diesseitiges wie für ihr jenseitiges Wohl nötig ist. »Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir Zuversicht haben am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.« (1. Johannes 4,17.18) »Und das ist die Zuversicht, die wir haben zu Gott: Wenn wir um etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. Und wenn wir wissen, dass er uns hört ... so wissen wir, dass wir erhalten, was wir von ihm erbeten haben.« (1. Johannes 5,14.15) Vergebung Durch Christus GNAT 416 2 »Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.« (1. Johannes 2,1.2) »Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.« (1. Johannes 1,9) Die Bedingungen, um von Gott Gnade zu erhalten, sind einfach und vernünftig. Der Herr verlangt von uns keine schweren Anstrengungen, damit uns vergeben wird. Wir brauchen keine langen und mühseligen Wallfahrten zu unternehmen oder schmerzhafte Bußübungen auszuführen, um uns vor dem Herrn des Himmels angenehm zu machen oder um für unsere Übertretungen zu sühnen. »Wer seine Sünde ... bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen.« (Sprüche 28,13) GNAT 416 3 In den Höfen des himmlischen Königs bittet Christus für seine Gemeinde, bittet für die, für deren Freikauf er mit seinem Blut den Preis bezahlt hat. Weder Jahrhunderte noch Jahrtausende können die Wirksamkeit seines Erlösungsopfers beeinträchtigen. »Weder Tod noch Leben ... weder Hohes noch Tiefes« kann uns scheiden »von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist« (Römer 8,38.39). Aber dies gilt nicht deshalb, weil wir ihn so sehr festhalten, sondern weil er uns festhält. Wenn unsere Erlösung von unseren eigenen Anstrengungen abhinge, könnten wir nicht aus unserer Misere gerettet werden. Sie hängt ganz von dem Einen ab, der hinter allen Verheißungen steht. Es sieht vielleicht so aus, als klammerten wir uns nur schwach an ihn, aber seine Liebe zu uns ist wie die Liebe eines älteren Bruders. Solange wir die Gemeinschaft mit ihm aufrechterhalten, kann uns niemand seiner Hand entreißen. Liebe Findet Klare Worte GNAT 417 1 Als die Jahre vergingen und die Zahl der Christen zunahm, wirkte Johannes mit umso stärkerer Treue und größerem Ernst für seine Schwestern und Brüder. Die Zeiten waren voller Gefahren für die Gemeinde. Allerorts zeigten sich satanische Täuschungen. Durch Entstellungen und Lügen versuchten die Boten Satans Widerstand gegen die Lehren Christi zu wecken. Als Folge davon brachten Spaltungen und Irrlehren die Gemeinde in Gefahr. Einige, die sich zu Christus bekannten, behaupteten, seine Liebe habe sie vom Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes befreit. Auf der anderen Seite lehrten viele, man müsse vor allem die jüdischen Gebräuche und Zeremonien befolgen; das Halten des Gesetzes ohne Glauben an das Blut Christi reiche für die Erlösung aus. Wieder andere waren der Auffassung, Jesus sei nur ein guter Mensch gewesen, und lehnten es ab, ihn als Gott zu verehren. Etliche gaben zwar vor, treu zur Sache Gottes zu stehen, waren aber Betrüger, denn in ihrem Handeln verleugneten sie Christus und sein Evangelium. Sie lebten in Übertretung des Gesetzes Gottes und brachten Irrlehren in die Gemeinden. So gerieten viele in den Irrgarten des Zweifels und der Täuschung. GNAT 417 2 Johannes war tief bekümmert, als er sah, wie sich diese Irrtümer wie ein tödliches Gift in die Gemeinde einschlichen. Er erkannte die Gefahren, denen die Gemeinden ausgesetzt waren, und reagierte auf die kritische Situation schnell und entschieden. Seine Briefe atmen den Geist der Liebe. Anscheinend hatte er beim Schreiben seine Feder in Liebe getaucht. Hatte er es aber mit Gläubigen zu tun, die Gottes Gebote übertraten und gleichzeitig behaupteten, ohne Sünde zu leben, scheute er sich nicht, sie vor ihrer furchtbaren Täuschung zu warnen. GNAT 417 3 Einer Frau mit gutem Ruf und großem Einfluss, die im Evangeliumswerk mitarbeitete, schrieb er: »Viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht bekennen, dass Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist. Das ist der Verführer und der Antichrist. Seht euch vor, dass ihr nicht verliert, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangt. Wer darüber hinausgeht und bleibt nicht in der Lehre Christi, der hat Gott nicht; wer in dieser Lehre bleibt, der hat den Vater und den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht, so nehmt ihn nicht ins Haus und grüßt ihn auch nicht. Denn wer ihn grüßt, der hat teil an seinen bösen Werken.« (2. Johannes 7-11) GNAT 418 1 Wir sind berechtigt, die gleiche Haltung wie der Jünger, den Jesus liebte, gegenüber Menschen einzunehmen, die behaupten, bei Christus zu bleiben, gleichzeitig aber das Gesetz Gottes übertreten. Wir haben in dieser letzten Zeit der Weltgeschichte mit Missständen zu kämpfen, die denen ähnlich sind, die das Wohl der frühen Kirche bedrohten. Deshalb sollten die Aussagen des Apostels zu diesem Thema sehr ernst genommen werden. Ihr sollt euren Nächsten lieben, hört man allenthalben, besonders von solchen, die behaupten, geheiligt zu sein. Wahre Nächstenliebe ist aber zu rein, um auch nur eine Sünde zuzudecken, die Gott nicht bekannt wird. Wir sollen zwar jeden Menschen lieben, für den Christus gestorben ist; dürfen aber mit dem Bösen keine Kompromisse eingehen. Wir sollen uns nicht mit denen vereinen, die gegen Gott rebellieren, und dies dann als Nächstenliebe bezeichnen. Gott fordert sein Volk auch in dieser Zeit auf, für die Rechtschaffenheit so unbeirrt einzustehen wie Johannes, als er dem Widerstand der verderblichen Irrlehrer entgegentrat. GNAT 418 2 Der Apostel lehrte, dass wir mit christlicher Höflichkeit vorgehen sollen, aber auch ermächtigt sind, Sünde und Sündern mit klaren Worten entgegenzutreten. Eine solche Haltung steht nicht im Widerspruch zu wahrer Nächstenliebe. »Jeder, der die Sünde tut, tut auch die Gesetzlosigkeit, und die Sünde ist die Gesetzlosigkeit. Und ihr wisst, dass er offenbart worden ist, damit er die Sünden wegnehme; und Sünde ist nicht in ihm. Jeder, der in ihm bleibt, sündigt nicht; jeder, der sündigt, hat ihn nicht gesehen noch ihn erkannt.« (1. Johannes 3,4-7) GNAT 418 3 Als Zeuge für Christus ließ sich Johannes nie in Wortgefechte oder ermüdende Auseinandersetzungen ein. Er legte dar, was er wusste, was er gesehen und gehört hatte. Er war aufs Engste mit Christus verbunden gewesen, hatte seinen Lehren zugehört und durfte Augenzeuge seiner mächtigen Wunder sein. Nur wenige konnten die Einzigartigkeit des Charakters Christi so wahrnehmen wie Johannes. Für ihn war die Finsternis für immer gewichen, denn auf ihn schien das wahre Licht. Sein Zeugnis über das Leben und Sterben Christi war klar und beeindruckend. Er sprach aus einem Herzen, das mit Liebe für Jesus bis über den Rand gefüllt war, und keine Macht konnte seine Worte zum Schweigen bringen. GNAT 419 1 Er bezeugte: »Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsere Hände betastet haben, vom Wort des Lebens ... was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.« (1. Johannes 1,1.3) GNAT 419 2 So vermag jeder wahre Christ aus eigener Erfahrung bestätigen, »dass Gott wahrhaftig ist« (Johannes 3,33). Auch er kann Zeugnis von dem ablegen, was er von der Macht Christi gesehen, gehört und erlebt hat. ------------------------Kapitel 55 -- Durch Gnade Verwandelt Aus dem ersten Johannesbrief GNAT 420 1 Im Leben des Apostels Johannes wird beispielhaft deutlich, was unter wahrer Heiligung zu verstehen ist. Während seiner jahrelangen engen Gemeinschaft mit Jesus war er von ihm oft ermahnt und gewarnt worden. Diese Zurechtweisungen hatte er sich zu Herzen genommen. Als ihm der Charakter des Gottessohnes deutlich wurde, erkannte Johannes immer klarer seine eigenen Mängel. Diese Offenbarung machte ihn demütig. In scharfem Gegensatz zu seiner eigenen aufbrausenden Natur erlebte er täglich die Liebe und Nachsicht von Jesus und hörte dessen Lehren über Demut und Geduld. Tag für Tag fühlte er sich mehr zu Christus hingezogen, bis er aus Liebe zu seinem Herrn und Meister sich selbst aus den Augen verlor. Die Macht und Liebe, die Majestät und Sanftheit, die Stärke und die Geduld, die er im täglichen Leben des Gottessohnes wahrnahm, erfüllten ihn mit großer Bewunderung. Johannes unterstellte sein nachtragendes und ehrgeiziges Naturell der prägenden Macht Christi. Und die göttliche Liebe vollbrachte in ihm die Umgestaltung seines Charakters. Heiligung Ist Umwandlung Des Charakters GNAT 420 2 In markantem Gegensatz zu der Heiligung, die sich im Leben des Johannes vollzog, steht die Erfahrung seines Mitjüngers Judas. Wie sein Gefährte bekannte auch Judas, ein Jünger Christi zu sein; aber er besaß nur eine äußere Form der Frömmigkeit. Dabei war er nicht unempfänglich für die Schönheit des Charakters Christi. Wenn er dessen Worten zuhörte, wurde er oft von seinen Sünden überführt, aber er wollte sich nicht demütigen oder sie bekennen. Indem er sich dem göttlichen Einfluss widersetzte, entehrte er seinen Meister, den er doch angeblich liebte. Johannes kämpfte ernsthaft gegen seine Fehler und Schwächen; Judas hingegen handelte immer wieder gegen sein Gewissen und gab Versuchungen nach. Dadurch machte er sich mehr und mehr zum Sklaven seiner üblen Gewohnheiten. Das Praktizieren der Wahrheiten, die Jesus lehrte, widerstrebte seinen Wünschen und Absichten. Er konnte sich nicht überwinden, seine eigenen Ansichten aufzugeben, um himmlische Weisheit zu erhalten. Anstatt im Licht zu wandeln, blieb er lieber in der Finsternis. Er hegte sündige Begierden, Habsucht, Rachegefühlen und düstere und mürrische Gedanken, bis Satan ihn völlig unter seiner Kontrolle hatte. GNAT 421 1 Johannes und Judas stehen stellvertretend für jene, die sich als Nachfolger Christi bezeichnen. Beide Jünger lebten in enger Gemeinschaft mit Jesus und hatten die gleichen Gelegenheiten, von ihrem göttlichen Vorbild zu lernen und ihm zu folgen. Weil sie Jesus so nahe standen, hatten beide das Vorrecht, seine Lehren unmittelbar zu hören. Jeder von ihnen hatte schwere Charaktermängel; beiden aber bot Gott seine Gnade an, um eine Veränderung ihres Wesens zu bewirken. Doch während der eine demütig von Jesus lernte, zeigte sich beim anderen, dass er wohl dessen Worte hörte, sich aber nicht danach richtete. Der eine ließ täglich seine Selbstsucht absterben, überwand Sünde und wurde durch die Wahrheit geheiligt; der andere widersetzte sich der umwandelnden Macht der Gnade Gottes, gab selbstsüchtigen Neigungen nach und geriet immer mehr in die Knechtschaft Satans. GNAT 421 2 Eine Umwandlung des Charakters, wie wir sie im Leben des Johannes erkennen können, ist immer das Ergebnis einer engen Gemeinschaft mit Christus. Mag auch jemand noch so schwerwiegende Charaktermängel haben - wer ein wahrer Nachfolger Christi wird, den wird die Macht der göttlichen Gnade verändern und heiligen. Wenn wir immer wieder wie in einem Spiegel den reinen und herrlichen Charakter Christi betrachten, »werden wir selbst in das Spiegelbild verwandelt und bekommen mehr und mehr Anteil an der göttlichen Herrlichkeit« (2. Korinther 3,18 GNB), bis wir dem ähnlich sind, den wir verehren. GNAT 421 3 Johannes lehrte, dass es auf ein geheiliges Leben ankommt. In seinen Briefen an die Gemeinde legte er allzeit gültige Verhaltensregeln für Christen dar. »Ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist.« (1. Johannes 3,3) »Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.« (1. Johannes 2,6) Johannes lehrte, dass ein Christ ein reines Herz haben und ein reines Leben führen muss. Niemals darf er sich mit einem bloßen Lippenbekenntnis zufrieden geben. Wie Gott in seiner Sphäre heilig ist, soll auch der gefallene Mensch durch den Glauben an Christus in seinem Bereich heilig sein. GNAT 422 1 »Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung«, schrieb der Apostel Paulus (1. Thessalonicher 4,3). Die Heiligung der Gemeinde ist Gottes Ziel bei allem, was er für sein Volk tut. Von Ewigkeit an hat er es dazu auserwählt, heilig zu sein. Er gab seinen Sohn für die Gemeindeglieder in den Tod, damit sie durch Gehorsam gegenüber der ganzen Wahrheit geheiligt werden - entkleidet von all der Beschränktheit des alten Ichs. Gott erwartet von den Nachfolgern Christi einen persönlichen Einsatz, eine bewusste Übergabe. Er kann von denen, die bekennen, an ihn zu glauben, nur dann geehrt werden, wenn sie seinem Bild ähnlich werden und sich vom Heiligen Geist leiten lassen. Dann können sie als Zeugen für Jesus davon erzählen, was die göttliche Gnade in ihnen bewirkt hat. GNAT 422 2 Wahre Heiligung stellt sich ein, wenn das Prinzip der Liebe im Alltag umgesetzt wird. »Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.« (1. Johannes 4,16) Wenn Christus im Herzen eines Menschen wohnt, zeigt sich das in praktischer Frömmigkeit. Der Charakter wird gereinigt, veredelt, verfeinert und verherrlicht. Die reine Lehre der Heiligen Schrift deckt sich mit Werken der Gerechtigkeit; Gottes Gebote und heilige Gewohnheiten stimmen überein. GNAT 422 3 Wer den Segen solcher Heiligung erlangen möchte, muss zuerst verstehen lernen, was Selbsthingabe bedeutet. Das Kreuz Christi ist der zentrale Pfeiler, an dem »eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit« hängt (2. Korinther 4,17). »Will mir jemand nachfolgen«, lehrte Jesus, »der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.« (Matthäus 16,24) Gerade die Liebe zu unseren Mitmenschen offenbart unsere Liebe zu Gott. Geduldiges Dienen bringt Seelenfrieden. Demütiger, fleißiger und treuer Einsatz fördert das Wohl der Gemeinde. Gott erhält und stärkt jeden, der bereit ist, Christi Wegen zu folgen. GNAT 422 4 Heiligung ist nicht das Werk eines Augenblicks, einer Stunde oder eines Tages, sondern eines ganzen Lebens. Sie kommt nicht durch hochfliegende Gefühle zustande, sondern ist die Folge einer fortwährenden Trennung von der Sünde und eines beständigen Lebens für Christus. Schwache, sporadische Versuche können weder Unrecht wiedergutmachen noch eine Veränderung des Charakters bewirken. Nur durch andauerndes, beharrliches Bemühen, strenge Disziplin und harte Auseinandersetzungen können wir Erfolg haben. Keiner weiß heute, wie schwer der Konflikt morgen sein wird. Solange Satan seine Herrschaft über die Welt ausübt, müssen wir unsere Selbstsucht bezwingen und hartnäckige Sünden überwinden. Solange wir leben, gibt es keine Rast, keinen Punkt, an dem wir sagen können: Nun habe ich es geschafft! Heiligung ist das Ergebnis eines lebenslangen Gehorsams. Niemand Kann Behaupten, Sündlos Zu Sein GNAT 423 1 Niemals haben die Apostel oder die Propheten behauptet, sündlos zu sein. Menschen, die Gott sehr nahe standen und eher ihr Leben hingaben, als absichtlich eine verbotene Handlung zu begehen, Menschen, die Gott mit großer Erkenntnis und Kraft gesegnet hat, haben sich stets zu ihrer sündhaften Natur bekannt. Sie haben ihr Vertrauen nicht auf sich selbst gesetzt und keine eigene Gerechtigkeit beansprucht, sondern sich einzig und allein auf die Gerechtigkeit Christi verlassen. GNAT 423 2 Das trifft auf alle zu, die auf Jesus Christus blicken. Je näher wir ihm kommen und je klarer wir die Reinheit seines Charakters erkennen, desto deutlicher sehen wir die Sünde in ihrer ganzen Abscheulichkeit, und umso weniger sind wir geneigt, uns selbst zu loben. Wir haben ein ständiges Verlangen nach Gott und werden immer wieder ernsthaft und voller Reue unsere Sünden bekennen und unser Herz vor ihm demütigen. Mit jedem neuen Schritt in unserer christlichen Erfahrung vertieft sich unsere Reue. Und wir wissen, dass unsere Tauglichkeit für den Himmel allein auf Jesus Christus beruht. Wir werden mit dem Apostel Paulus bekennen: »Ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt.« (Römer 7,18) »Es sei aber fern von mir, mich zu rühmen als allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.« (Galater 6,14) GNAT 423 3 Überlassen wir es den Engeln, die Geschichte der Kämpfe und Konflikte des Gottesvolkes festzuhalten. Mögen sie die Gebete aufzeichnen, die unter Tränen gesprochen wurden. Gott darf aber auf keinen Fall durch die Behauptung entehrt werden: Ich bin sündlos, ich bin heilig. Geheiligte Lippen werden derart vermessene Worte niemals aussprechen. GNAT 423 4 Der Apostel Paulus wurde »in den dritten Himmel entrückt«; dort sah und hörte er Dinge, die er nicht beschreiben konnte (vgl. 2. Korinther 12,24). Dennoch erklärte er in Bescheidenheit: »Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach.« (Philipper 3,12) Sollen doch die Engel des Himmels über seinen guten Kampf des Glaubens und seine Siege berichten. Möge der Himmel an der standhaften Pilgerreise des Apostels - immer dem hohen Ziel entgegen - seine Freude haben. Die ewige Belohnung vor Augen hielt er alle irdischen Dinge für Unrat. Die Engel freuten sich jedes Mal, wenn er aus Anfechtungen als Sieger hervorging. Er aber rühmte sich keiner seiner Errungenschaften. Diese Einstellung von Paulus sollte das Markenzeichen eines jeden Christen sein, solange er auf seinem Glaubensweg um die »unvergängliche Krone« kämpft (1. Petrus 5,4). GNAT 424 1 Wer geneigt ist, seine Heiligkeit herauszuposaunen, der möge einen Blick in den Spiegel des Gesetzes Gottes werfen. Wenn er die weitreichenden Forderungen des Gesetzes erkennt und merkt, dass es seine Gedanken und Absichten aufdeckt, wird er sich nicht mit Sündlosigkeit brüsten. Ohne einen Unterschied zwischen sich und seinen Mitgläubigen zu machen, stellte Johannes fest: »Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.« (1. Johannes 1,8) »Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.« (1. Johannes 1,10) »Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.« (1. Johannes 1,9) GNAT 424 2 Manche behaupten, bereits den Zustand der Heiligkeit erreicht zu haben und ganz dem Herrn zu gehören. Sie beanspruchen ein Recht auf Gottes Verheißungen, während sie seinen Geboten den Gehorsam verweigern. Diese Gesetzesübertreter nehmen für sich alles in Anspruch, was den Kindern Gottes verheißen ist. Aber das ist Vermessenheit, denn Johannes schrieb, dass sich die wahre Liebe zu Gott im Gehorsam gegenüber allen seinen Geboten zeigt (vgl. 1. Johannes 5,3). Es genügt nicht, nur theoretisch der Wahrheit zuzustimmen, sich zum Glauben an Christus zu bekennen und überzeugt zu sein, dass Jesus kein Betrüger und der Inhalt der Bibel keine schlau erdachte Fabel ist. Johannes schrieb: »Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind.« (1. Johannes 2,4.5) »Wer seine Gebote hält, der bleibt in Gott und Gott in ihm.« (1. Johannes 3,24) Gehorsam Als Frucht Des Glaubens GNAT 424 3 Johannes lehrte nicht, dass wir die Erlösung durch Gehorsam verdienen können, sondern dass Gehorsam die Frucht des Glaubens und der Liebe ist. »Ihr wisst«, sagte er, »dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde. Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen und nicht erkannt.« (1. Johannes 3,5.6) Wenn wir in Christus bleiben, wenn Gottes Liebe in uns wohnt, dann stimmen auch unsere Gefühle, Gedanken und Taten mit Gottes Willen überein. Ein geheiligtes Herz steht im Einklang mit den Vorschriften des göttlichen Gesetzes. GNAT 424 4 Viele Christen, die sich bemühen, Gottes Gebote zu befolgen, haben wenig Frieden und Freude. Dieser Mangel in ihrer geistlichen Erfahrung beruht darauf, dass sie ihren Glauben nur ungenügend ausüben. Sie gehen, als befänden sie sich in einem salzigen Land, in einer verdorrten Einöde. Sie nehmen wenig in Anspruch, obwohl ihnen viel zur Verfügung steht, denn Gottes Verheißungen kennen keine Grenzen. Sie geben kein zutreffendes Bild von der Heiligung durch den Gehorsam gegenüber der Wahrheit ab. Der Herr möchte, dass seine Söhne und Töchter glücklich, gehorsam und voller Frieden sind. Diese Segnungen werden Christen durch den Einsatz des Glaubens zuteil. Durch Glauben kann jeder Charaktermangel ausgeglichen, jede Verunreinigung beseitigt, jeder Fehler korrigiert und jede Vortrefflichkeit erreicht werden. Das Mittel Der Heiligung GNAT 425 1 Das Gebet ist das vom Himmel verordnete Mittel, um uns im Konflikt mit der Sünde und bei der Entwicklung eines christlichen Charakters Erfolg zu schenken. Die himmlischen Kräfte, mit denen Gott ein vertrauensvolles Gebet beantwortet, vollbringen im Beter alles, worum er bittet. Wir dürfen um Sündenvergebung bitten, um den Heiligen Geist, um einen christusähnlichen Charakter, um Weisheit und Stärke, um Gottes Werk zu vollbringen, und um jede Gabe, die er verheißen hat. Christi Versprechen lautet: »Alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, so werdet ihr's empfangen.« (Matthäus 21,22) GNAT 425 2 Als Mose bei Gott auf dem Berg Sinai war, sah er das Vorbild jenes wunderbaren Bauwerks, das die Wohnung der Herrlichkeit Gottes werden sollte. Auch wir sollen an einem verborgenen Ort der der Gemeinschaft - gleichsam auf dem Berg wie Mose - über Gottes herrliches Ideal für die Menschheit nachdenken. Durch dieses Mittel der Kommunikation hat Gott zu allen Zeiten seine Absichten für seine Kinder ausgeführt - indem er ihrem Verstand seine gnadenvollen Lehren allmählich offenbart. Gottes Weise, seine Wahrheit mitzuteilen, kommt in den Worten zum Ausdruck: »Er wird hervorbrechen wie die schöne Morgenröte.« (Hosea 6,3) Wer sich dort hinbegibt, wo Gott ihn erleuchten kann, schreitet gewissermaßen vom Halbdunkel der Morgendämmerung bis ins gleißende Licht der Mittagssonne. GNAT 425 3 Wahre Heiligung bedeutet vollkommene Liebe, perfekten Gehorsam und völlige Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Durch den Gehorsam gegenüber der Wahrheit sollen wir geheiligt werden. Unser Gewissen muss von den toten Werken gereinigt werden, damit wir dem lebendigen Gott dienen können (vgl. Hebräer 9,14b). Wir sind noch nicht vollkommen, aber wir haben das Vorrecht, uns aus unseren Verstrickungen der Selbstsucht und Sünde zu lösen und auf dem Weg zur Vollkommenheit voranzukommen. Alle Christen haben die Möglichkeit, große und erhabene Ziele zu erreichen. Selbstsucht Steht Der Heiligung Entgegen GNAT 426 1 Der Grund, warum so viele Menschen heute im geistlichen Leben keine größeren Fortschritte machen, liegt im Folgenden begründet: Sie geben das, was sie sich vorgenommen haben, als den Willen Gottes aus. Sie gehen ihren eigenen Lüsten nach und bilden sich dabei ein, mit Gottes Willen übereinzustimmen. Sie kämpfen nicht gegen das eigene Ich an. Andere wiederum kämpfen eine Zeit lang erfolgreich gegen ihr selbstsüchtiges Verlangen nach Vergnügen und Bequemlichkeit. Sie sind ernsthaft und aufrichtig, aber mit der Zeit sind sie es leid, sich andauernd zu bemühen, täglich der Selbstsucht abzusterben und endloser Unruhe ausgesetzt zu sein. Trägheit erscheint so verlockend, der Selbstsucht abzusterben dagegen abstoßend. So schließen sie ihre schläfrigen Augen und geben der Macht der Versuchung nach, statt ihr zu widerstehen. GNAT 426 2 Die Anordnungen des Wortes Gottes lassen keinen Raum für Kompromisse mit dem Bösen. Der Sohn Gottes ist in die Welt gekommen, um alle Menschen zu sich zu ziehen. Er kam nicht, um die Welt in den Schlaf zu wiegen, sondern um Menschen den schmalen Weg zu weisen, den alle gehen müssen, wenn sie die Tore der Stadt Gottes erreichen wollen. Wer an ihn glaubt, muss ihm auf dem Weg folgen, den er vorausgegangen ist. Wie groß das Opfer an Bequemlichkeit und Egoismus auch sein mag, wie viel Arbeit, Mühe und Leiden es auch kostet - es gilt, den Kampf mit dem eigenen Ich beständig weiterzuführen. Übergabe Ist Erforderlich GNAT 426 3 Menschen machen Gott am meisten Ehre, wenn sie sich ihm weihen, damit er durch sie wirken kann. Die Zeit rast schnell auf die Ewigkeit zu. Wir dürfen Gott nicht vorenthalten, was ihm gehört. Wir sollten ihm nicht verweigern, was uns zwar keinen Verdienst einbringt, wenn wir es ihm geben, aber was wir ihm nicht versagen können, ohne uns selbst zugrunde zu richten. Er bittet dich um dein ganzes Herz. Gib es ihm, denn es gehört ihm ohnehin, denn er hat es geschaffen, und er hat es erlöst! Er bittet dich um deine Verstandeskräfte. Gib sie ihm, sie sind sein Eigentum! Er bittet dich um dein Geld. Gib es ihm, es gehört ihm ohnehin! »Ihr gehört nicht euch selbst, denn Gott hat einen hohen Preis für euch bezahlt.« (1. Korinther 6,20 NLB) Von geheiligten Menschen, die einen Glauben ausleben, »der durch die Liebe tätig ist« (Galater 5,6), und die sich dadurch vorbereitet haben, Gott zu dienen, erwartet er Verehrung. Er hält uns das höchste Ideal vor Augen, die Vollkommenheit. Christus bittet uns, auf dieser Welt voll und ganz für ihn da zu sein, so wie er in der Gegenwart Gottes für uns da ist. GNAT 427 1 »Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung.« (1. Thessalonicher 4,3) Ist das auch dein Wille? Deine Sünden mögen sich wie Berge vor dir auftürmen, doch wenn du dich vor Gott demütigst, ihm deine Sünden bekennst und dich voll Vertrauen auf die Verdienste des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers verlässt, wird er dir vergeben und dich von allen Ungerechtigkeiten reinigen. Gott verlangt von dir völlige Übereinstimmung mit seinem Gesetz. Dieses Gesetz ist das Echo seiner Stimme, die zu dir sagt: Heiliger, immer noch heiliger! Sehne dich nach dem vollen Maß der Gnade Christi! Lass dein Herz erfüllt werden von dem intensiven Verlangen nach seiner Gerechtigkeit. Von ihr sagt die Bibel: »Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird ewige Stille und Sicherheit sein.« (Jesaja 32,17) GNAT 427 2 Wenn sich dein Herz nach Gott sehnt, wirst du immer mehr von dem unerforschlichen Reichtum seiner Gnade entdecken. Wenn du über diesen Reichtum nachsinnst, wird er in deinen Besitz übergehen. Dann wirst du mit anderen über die Verdienste des Opfers Christi sprechen, über den Schutz durch seine Gerechtigkeit, die Fülle seiner Weisheit und über seine Macht, uns »ohne Makel und Fehler« dem Vater zu präsentieren (2. Petrus 3,14 EÜ). ------------------------Kapitel 56 -- Verbannt Auf Patmos GNAT 428 1 Inzwischen war mehr als ein halbes Jahrhundert seit der Gründung der christlichen Gemeinde vergangen. Während dieser Zeit sah sich die Botschaft des Evangeliums ständigem Widerstand ausgesetzt. Ihre Feinde hatten in ihren Bemühungen nicht nachgelassen, bis es ihnen schließlich gelungen war, in ihrem Kampf gegen die Christen die Macht des römischen Kaisers für sich zu gewinnen. GNAT 428 2 In der schrecklichen Verfolgung, die nun einsetzte, bemühte sich der Apostel Johannes sehr darum, die Gemeinden im Glauben zu stärken und zu festigen. Seine Gegner konnten sein Zeugnis nicht widerlegen und es half seinen Glaubensgeschwistern, den bevorstehenden Anfechtungen mutig und standhaft zu begegnen. Wenn dennoch ihr Glaube und ihre Treue zu Jesus unter dem furchtbaren Druck, dem sie ausgesetzt waren, zu wanken drohten, rief ihnen der bewährte Diener Jesu mit Nachdruck und Beredsamkeit die Geschichte vom gekreuzigten und auferstandenen Erlöser ins Gedächtnis. Sein Glaube war unerschütterlich, und von seinen Lippen war stets die gleiche frohmachende Botschaft zu vernehmen: »Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unseren Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens ... Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch.« (1. Johannes 1,1.3) Johannes erreichte ein sehr hohes Alter. Er erlebte die Verwüstung Jerusalems und die Zerstörung des prächtigen Tempels. Er war nun der letzte noch lebende Jünger, der eine so enge Verbindung zu Jesus gehabt hatte. Deshalb übte seine Botschaft, dass Jesus der Messias, der Erlöser der Welt ist, einen großen Einfluss aus. Niemand konnte an seiner Aufrichtigkeit zweifeln, sodass durch seine Unterweisung viele von ihrem Unglauben umkehrten. GNAT 428 3 Wegen seiner unerschütterlichen Treue zu Christus war Johannes bei den jüdischen Leitern sehr verhasst. Ihnen wurde klar, dass all ihre Bemühungen gegen die Christen erfolglos sein würden, solange Johannes vor den Leuten von Jesus Zeugnis ablegen konnte. Damit dessen Wunder und Lehren vergessen wurden, musste zuerst die Stimme dieses so mutigen Zeugen zum Schweigen gebracht werden. Verhört Und Gequält GNAT 429 1 Johannes wurde demzufolge nach Rom geladen, um dort vor Gericht wegen seines Glaubens verhört zu werden. Vor den Autoritäten des Reiches wurden seine Lehren völlig verdreht. Falsche Zeugen beschuldigten ihn, aufrührerische Irrlehren zu verbreiten. Mit derartigen Anklagen hofften seine Feinde, das Todesurteil gegen ihn zu erwirken. GNAT 429 2 Johannes verteidigte sich selbst klar und überzeugend. Durch seine Bescheidenheit und Offenheit hatten seine Worte eine starke Wirkung. Die Zuhörer staunten über seine Weisheit und Redegewandtheit. Je überzeugender aber seine Worte klangen, umso tiefer hassten ihn seine Gegner. Kaiser Domitian raste vor Wut. Er hatte nichts in der Hand, um die Beweisführung dieses treuen Verteidigers Christi zu entkräften, noch seinen machtvollen Worten der Wahrheit zu widersprechen. Trotzdem beschloss Domitian, diese Stimme zum Schweigen zu bringen. GNAT 429 3 Johannes wurde in einen Kessel mit siedendem Öl geworfen; aber der Herr bewahrte das Leben seines treuen Dieners. Genauso hatte er einst das Leben der drei Juden in Babylon in der Glut des feurigen Ofens bewahrt (vgl. Daniel 3,16-27). Als die Worte gesprochen wurden: »So gehen alle zugrunde, die an den Betrüger Jesus Christus glauben«, antwortete Johannes: »Mein Herr ertrug geduldig alle Demütigungen und Qualen, die sich Satan und seine Engel ausdenken konnten. Er gab sein Leben, um die Welt zu erlösen. Ich fühle mich geehrt, um seinetwillen leiden zu dürfen. Ich bin ein schwacher, sündiger Mensch; Christus dagegen war heilig, friedfertig und rein. Er beging keine Sünde, noch wurde je in seinem Mund Falschheit gefunden.« GNAT 429 4 Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, und Johannes wurde von denselben Männern aus dem Kessel gezogen, die ihn hineingeworfen hatten. Doch später bekam der Apostel die Hand der Verfolger aufs Neue schwer zu spüren. Auf Befehl des Kaisers wurde er auf die Insel Patmos verbannt »um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus« (Offenbarung 1,9). Seine Feinde dachten, dort könne er bestimmt keinen Einfluss mehr ausüben und würde schließlich in Not und Elend sterben. Verbannt, Aber In Gottes Gegenwart GNAT 429 5 Die öde und felsige Insel Patmos im Ägäischen Meer hatte die römische Regierung als Verbannungsort für Verbrecher bestimmt; aber für den Diener Gottes wurde dieser düstere Aufenthaltsort das Tor zum Himmel. Hier war er zwar vom Treiben des täglichen Lebens abgeschnitten und konnte nicht mehr wie früher tätig sein, aber gerade hier erfuhr er die Gemeinschaft mit Gott, Jesus Christus und Engeln. Von ihnen erhielt er für alle kommenden Zeiten Unterweisungen für die Gemeinde. Ereignisse, die sich erst am Ende der Weltgeschichte zutragen würden, wurden vor seinen Blicken entrollt. Dort schrieb er die Visionen nieder, die er von Gott erhielt. Wohl konnte er nicht mehr vor vielen Menschen von dem Einen sprechen, den er liebte und dem er diente, doch die Botschaften, die er an dieser öden Küste erhielt, sollten wie das helle Licht eines Leuchtturms hinaus in die Welt leuchten und die Absichten Gottes mit den Nationen auf der Erde verkünden. GNAT 430 1 Inmitten der Klippen und Felsen von Patmos pflegte Johannes Gemeinschaft mit seinem Schöpfer. Oft dachte er über sein vergangenes Leben nach. Bei dem Gedanken an die empfangenen Segnungen kam tiefer Friede über ihn. Er hatte als Christ gelebt und konnte zuversichtlich sagen: »Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind.« (1. Johannes 3,14) Aber das konnte der Kaiser nicht, der ihn in die Verbannung geschickt hatte. Der konnte nur auf Schlachtfelder und Blutbäder, auf zerstörte Häuser und auf weinende Witwen und Waisen zurückblicken. Dies waren die Früchte seines ehrgeizigen Strebens nach Weltherrschaft. GNAT 430 2 In der Einsamkeit dieses Aufenthaltsortes hatte Johannes die Gelegenheit, mehr als je zuvor die Erscheinungsformen der Macht Gottes zu erforschen, die im Buch der Natur und auf den Blättern der heiligen Schriften verzeichnet sind. Für ihn war es eine Freude, über das Schöpfungswerk nachzudenken und Gott, dessen Architekten, anzubeten. Früher hatte er sich an dem Anblick bewaldeter Hügel, grüner Täler und fruchtbarer Ebenen erfreut. Es hatte ihm regelrecht Vergnügen bereitet, in der Schönheit der Natur die Spuren der Weisheit und Allmacht Gottes zu entdecken. Nun war er von einer Landschaft umgeben, die manchem trist und langweilig vorgekommen wäre, aber bei ihm war das nicht der Fall. Die Umgebung um ihn herum mochte zwar verlassen und öde aussehen, aber der blaue Himmel, der sich über ihm wölbte, war so klar und so schön wie über seinem geliebten Jerusalem. Aus den wilden, zerklüfteten Felsen, aus den Geheimnissen der großen Tiefe, aus dem herrlichen Firmament gewann er wichtige Einsichten. Sie alle bezeugten Gottes Macht und Herrlichkeit. GNAT 430 3 Rings um sich her sah der Apostel Spuren der Sintflut, die über die Erde hereingebrochen war, weil ihre damaligen Bewohner es gewagt hatten, Gottes Gesetz zu übertreten. Die Felsblöcke, die von der Gewalt des hervorbrechenden Wassers aus der großen Tiefe und aus dem Erdinnern emporgeschleudert worden waren, ließen in seiner Vorstellung die Schrecken lebendig werden, die der furchtbare Zorn Gottes hervorgerufen haben musste. In der Stimme der vielen Wassermassen vernahm der Prophet die Stimme des Schöpfers. Wenn erbarmungslose Stürme das Meer aufpeitschten - »eine Tiefe ruft die andere« (Psalm 42,8) -, erschien ihm dies den Zorn eines beleidigten Gottes darzustellen. Wenn mächtige Wogen mit ihrer zerstörerischen Gewalt wie von unsichtbarer Hand in Grenzen gehalten wurden, zeigte es ihm, dass eine unendliche Macht im Regiment saß. Im Gegensatz dazu wurden ihm die Nichtigkeit und Torheit jener Menschen klar, die sich ihrer angeblichen Weisheit und Stärke rühmen, obwohl sie nur Würmer aus Staub und Asche sind. Sie lehnen sich gegen den Herrscher des Universums auf, als ob Gott einer der Ihren wäre. Die Felsen erinnerten ihn an Jesus Christus, den Felsen seiner Stärke, in dessen Schutz er sich ohne Furcht geborgen fühlte. Auf dieser Felseninsel Patmos, dem Ort seiner Verbannung, stieg von dem Apostel das herzlichste Verlangen nach Gott zum Himmel empor, das ein Mensch haben kann. Hier sprach er seine innigsten Gebete. Wertschätzung Für Alte Mitarbeiter GNAT 431 1 Die Geschichte des Johannes macht deutlich, auf welche Weise Gott ältere Mitarbeiter in seinem Missionswerk einsetzen kann. Als Johannes auf die Insel Patmos verbannt wurde, dachten viele, sein Dienst für die Gemeinde sei nun zu Ende. Sie meinten, dass er wie ein altes, geknicktes Schilfrohr jederzeit ganz zusammenbrechen würde. Doch der Herr hielt es für richtig, ihn weiterhin als seinen Diener zu gebrauchen. Obwohl von den Orten seiner früheren Tätigkeit verbannt, hörte Johannes nicht auf, die Wahrheit weiterzugeben. Selbst hier, auf der Insel Patmos, machte er Menschen zu seinen Freunden und zu Nachfolgern Christi. Seine Botschaft war von großer Freude geprägt. Er verkündete den auferstandenen Christus, der im Himmel für sein Volk Fürbitte einlegt, bis er wiederkommt und die Seinen zu sich nimmt. Und er erhielt nun, da er im Dienst für seinen Herrn alt geworden war, mehr direkte Botschaften von Gott als in seinem bisherigen Leben. GNAT 431 2 Herzliche Wertschätzung gebührt den Mitarbeitern, die ihr ganzes Leben im Werk Gottes gedient haben. In so manchen Stürmen und Anfechtungen haben sie sich als treu erwiesen. Wenn sie auch Schwächen haben, besitzen sie doch noch Gaben und Fähigkeiten. Deshalb können sie noch immer einen Platz im Werk Gottes einnehmen. Sie mögen abgekämpft und nicht mehr in der Lage sein, schwere Lasten zu schultern. Diese Aufgaben können und sollen dann von Jüngeren übernommen werden. Ein Rat aber, hinter dem eine lange Erfahrung steht, ist stets von höchstem Wert. GNAT 432 1 Vielleicht haben sie Fehler gemacht, aber daraus haben sie gelernt, Irrtümer und Gefahren zu meiden. Sind sie nicht gerade deshalb in der Lage, weisen Rat zu erteilen? Sie haben sich in Anfechtungen und Prüfungen bewährt, und obwohl sie etwas von ihrer Vitalität eingebüßt haben, stellt Gott sie nicht ins Abseits. Er verleiht ihnen besondere Gnade und Weisheit. GNAT 432 2 Männer, die ihrem Meister in schweren Zeiten treu gedient, Armut ertragen haben und treu geblieben sind, als nur wenige für die Wahrheit einstanden, verdienen Respekt und Hochachtung. Nach dem Willen des Herrn sollten jüngere Mitarbeiter durch den Umgang mit älteren, treuen Dienern des Evangeliums Weisheit und Stärke entwickeln und Reife erlangen. Die jüngeren Pastoren sollten erkennen, dass es für sie ein großer Gewinn ist, solche erfahrenen Männer in ihren Reihen zu haben. Diesen gebührt ein Ehrenplatz in den Beratungsgremien. GNAT 432 3 Mitarbeiter Christi, die sich vollzeitlich im Werk Gottes eingesetzt hatten, wird der Heilige Geist am Ende ihrer irdischen Laufbahn dazu veranlassen, anderen von ihren Erfahrungen und Erlebnissen im Werk Gottes zu berichten. Wie wunderbar Gott sein Volk geführt hat, wie er sie in seiner großen Güte in Anfechtungen gerettet hat, davon sollten alle hören, die neu zum Glauben an Christus gefunden haben. Gott will, dass die altgedienten und bewährten Mitarbeiter sich dort, wo er sie hingeführt hat, einsetzen, damit Menschen nicht vom mächtigen Strom des Bösen in die Tiefe gerissen werden. Sie sollen ihre geistliche Waffenrüstung anbehalten, bis er sie zur Ruhe legt. Eine Lehre Für Alle Christen GNAT 432 4 Die Erfahrungen, die der Apostel Johannes machte, als er verfolgt wurde, enthalten eine wunderbare Lehre, die alle Christen stärken und trösten kann. Gott verhindert die Anschläge feindseliger Menschen nicht, aber er sorgt dafür, dass sie denen zum Besten dienen, die trotz Konflikten und Anfechtungen an ihrem Glauben und ihrer Treue festhalten. Oft müssen Verkündiger des Evangeliums ihren Dienst unter schweren Verfolgungen, heftigem Widerstand und üblen Verleumdungen ausüben. In solchen Zeiten müssen sie sich bewusst machen, dass der Wert der Erfahrungen, im feurigen Ofen der Anfechtungen und Leiden gewonnen, den erlittenen Schmerz bei weitem übertrifft. Auf diese Weise zieht Gott seine Kinder zu sich. So zeigt er ihnen ihre Schwäche und seine Stärke und lehrt sie, sich ganz auf ihn zu verlassen. Dadurch bereitet er sie darauf vor, Notsituationen zu begegnen, Vertrauensstellungen zu bekleiden und der hohen Aufgabe gerecht zu werden, für die er sie mit Kräften und Gaben ausgerüstet hat. GNAT 433 1 Zu allen Zeiten haben sich Gottes erwählte Zeugen um der Wahrheit willen Schmach und Verfolgung ausgesetzt. Josef wurde verleumdet und verfolgt, weil er Tugend und Rechtschaffenheit bewahrt hatte. David, der auserwählte Botschafter Gottes, wurde von seinen Feinden wie ein Raubtier gejagt. Daniel wurde in eine Löwengrube geworfen, weil er seinem Bund mit dem Himmel treu blieb. Hiob verlor seine irdischen Güter, und wurde körperlich so geplagt, dass sich seine Verwandten und Freunde vor ihm ekelten; dennoch bewahrte er seine Rechtschaffenheit. Jeremia ließ sich nicht davon abbringen, die Worte zu reden, die Gott ihm aufgetragen hatte. Seine Botschaft versetzte Könige und Fürsten dermaßen in Zorn, dass sie ihn in eine eklige Schlammgrube warfen. Stephanus wurde gesteinigt, weil er den gekreuzigten Messias predigte. Paulus wurde ins Gefängnis geworfen, mit Knüppeln verprügelt, gesteinigt und letztendlich getötet, weil er ein treuer Zeuge Gottes war. Und Johannes wurde »um des Wortes Willen und des Zeugnisses von Jesus« auf die Insel Patmos verbannt (Offenbarung 1,9). GNAT 433 2 Diese Beispiele menschlicher Standhaftigkeit sprechen für die Zuverlässigkeit der Verheißungen Gottes, für seine ständige Gegenwart und gnädige Fürsorge. Sie beweisen, dass der Glaube die Kraft besitzt, den Mächten der Welt Widerstand leisten zu können. Der Glaube bewirkt, dass wir selbst in dunklen Stunden und in Stürmen der Anfechtung in Gott ruhen und uns gewiss sind, dass er das Steuer fest in seinen Händen hält. Nur das Auge des Glaubens kann über zeitliche Dinge hinausschauen und den Wert des ewigen Reichtums richtig einschätzen. Standhafter Glaube GNAT 433 3 Jesus stellt seinen Nachfolgern weder irdische Ehren und Reichtümer noch ein Leben ohne Probleme und Anfechtungen in Aussicht. Stattdessen fordert er sie auf, ihm auf seinem Pfad der Selbstverleugnung und der Demut zu folgen. Er war gekommen, um die Welt zu erlösen, aber gerade ihm leisteten die vereinten Kräfte des Bösen größten Widerstand. In einer erbarmungslosen Verschwörung verbündeten sich böse Menschen und gefallene Engel gegen den Friedensfürsten. Mit jedem Wort und jeder Tat offenbarte er sein göttliches Mitgefühl. Weil er aber so völlig anders war als die Welt, erregte er ihre erbitterte Feindschaft. GNAT 433 4 Das werden alle erfahren, die »fromm leben wollen in Christus Jesus« (2. Timotheus 3,12). Wer vom Geist Christi erfüllt ist, muss mit Vorwürfen und Verfolgung rechnen. Die Art der Verfolgung ändert sich im Laufe der Zeit, aber das Grundprinzip - die treibende Kraft, die dahinter steckt - ist dasselbe, das seit den Tagen Abels die Erwählten des Herrn erschlagen hat. GNAT 434 1 Zu allen Zeiten hat Satan Gottes Volk verfolgt. Er hat Gläubige foltern und töten lassen, aber im Sterben wurden sie zu Überwindern. Gerade da bezeugten sie die Macht Christi, der stärker ist als Satan. Böse Menschen mögen den Körper martern und gar töten, aber sie können dem Leben nichts anhaben, das mit Christus in Gott verborgen ist. Sie können zwar Menschen ins Gefängnis werfen, aber niemals deren Geist fesseln. GNAT 434 2 Durch Anfechtung und Verfolgung offenbart sich die Herrlichkeit Gottes - sein Charakter - in seinen Auserwählten. Die Christen, von der Welt gehasst und verfolgt, werden in der Schule Christi erzogen. Sie wandern auf schmalen Pfaden und werden im Feuerofen des Leides geläutert. Sie folgen Christus durch schwere Konflikte. Sie üben sich in Selbstverleugnung und erleben bittere Enttäuschungen. Aber auf diese Weise lernen sie die Schuld und die Folgen der Sünde kennen und verabscheuen sie zutiefst. Da sie nun an den Leiden Christi teilhaben, können sie hinter dem Dunkel die himmlische Herrlichkeit erblicken und mit dem Apostel Paulus sagen: »Ich bin aber davon überzeugt, dass unsere jetzigen Leiden bedeutungslos sind im Vergleich zu der Herrlichkeit, die er uns später schenken wird.« (Römer 8,18 NLB) ------------------------Kapitel 57 -- Das Buch Der Offenbarung GNAT 435 0 Offenbarung 1-4, 14,1-5 und 21-22. GNAT 435 1 Ernsthaftigkeit und Begeisterung erfüllten die Christen zu Lebzeiten der Apostel. Sie wirkten so unermüdlich für ihren Herrn und Meister, dass die Botschaft vom Reich Christi trotz heftigem Widerstand in relativ kurzer Zeit in allen Gebieten der bewohnten Erde zu hören war. Der Eifer, den die Nachfolger Christi damals an den Tag legten, wurde unter der Inspiration des Heiligen Geistes zur Ermutigung der Gläubigen aller Zeitalter niedergeschrieben. Über die Gemeinde in Ephesus, die Jesus Christus als Symbol für die gesamte Christenheit des apostolischen Zeitalters gebrauchte, sagt er selbst als »der treue und wahrhaftige Zeuge« (Offenbarung 3,14): »Ich kenne deine Werke und deine Mühsal und deine Geduld und weiß, dass du die Bösen nicht ertragen kannst; und du hast die geprüft, die sagen, sie seien Apostel, und sind's nicht, und hast sie als Lügner befunden, und hast Geduld und hast um meines Namens willen die Last getragen und bist nicht müde geworden.« (Offenbarung 2,2.3) Das Erkalten Der Ersten Liebe GNAT 435 2 Anfangs war die geistliche Erfahrung der Gemeinde in Ephesus von kindlicher Einfachheit und großem Eifer geprägt. Die Christen wollten jedem Wort Gottes aufrichtig gehorchen, und ihr Leben offenbarte eine ernsthafte, aufrichtige Liebe zu Christus. Sie freuten sich, den Willen Gottes zu tun, weil Jesus ständig in ihrem Herzen wohnte. Aufgrund ihrer Liebe zu ihrem Erlöser war es ihr höchstes Ziel, Menschen für ihn zu gewinnen. Sie dachten nicht im Entferntesten daran, den kostbaren Schatz der Gnade Christi für sich zu behalten. Sie waren sich der Bedeutung ihrer Berufung bewusst. Die Botschaft »Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens« (Lukas 2,14) war ihnen aufgetragen, und in ihnen brannte das Verlangen, diese gute Nachricht von der Erlösung durch Jesus Christus bis in die letzten Winkel der Erde zu verbreiten. Und die Welt merkte ihnen an, dass sie Jesus begegnet waren. Sündenbeladene, aber reumütige Menschen erhielten Vergebung; sie wurden gereinigt und geheiligt und zu Partnern Gottes durch seinen Sohn. GNAT 436 1 Die Gemeindeglieder waren in ihren Empfindungen und in ihrem Handeln vereinigt. Die Liebe zu Christus war die goldene Kette, die sie zusammenband. Ihre Erkenntnis des Herrn wurde immer tiefer und vollkommener, und ihr Leben offenbarte die Freude und den Frieden Christi. Sie besuchten notleidende Waisen und Witwen, um ihnen zu helfen, und hielten sich von der Welt fern, um sich von deren gottlosem Treiben nicht verführen zu lassen (vgl. Jakobus 1,27). Sie wussten, dass sie anderenfalls selbst ihrem Bekenntnis zu Christus widersprochen und ihn damit verleugnet hätten. GNAT 436 2 In jeder Stadt fasste die Botschaft von Jesus Christus Fuß. Menschen bekehrten sich, nahmen ihn als ihren Erlöser an und fühlten sich ihrerseits veranlasst, anderen von diesem neu gefundenen, kostbaren Schatz zu erzählen. Sie wollten nicht ruhen, bis das Licht, das sie erleuchtet hatte, auch auf andere schien. Eine Vielzahl von ungläubigen Menschen wurden mit den Gründen bekannt, auf denen die Hoffnung der Christen beruhte. Warmherzige, inspirierte persönliche Appelle wurden an Irrende und Ausgestoßene gerichtet und an jene, die vorgaben, die Wahrheit zu kennen, jedoch ihr Vergnügen mehr liebten als Gott. GNAT 436 3 Mit der Zeit ließ der Eifer der Christen aber nach, und die Liebe zu Gott und zueinander nahm ab. Kälte breitete sich in der Gemeinde aus. Einige vergaßen, auf welch wunderbare Weise sie die Wahrheit empfangen hatten. Von den alten Bannerträgern starb einer nach dem anderen auf seinem Posten. Einige jüngere Mitarbeiter aber wurden der schon oft gehörten Wahrheiten überdrüssig. Dabei hätten sie diesen Vorkämpfern eigentlich schon manche Last abnehmen sollen, um sich gut auf Führungsaufgaben vorzubereiten. In ihrem Verlangen nach etwas Neuem und Aufsehenerregendem versuchten sie, fremdes Gedankengut in die christliche Lehre einfließen zu lassen. Das erschien vielen zwar angenehmer, war aber mit den grundlegenden Prinzipien des Evangeliums unvereinbar. In ihrer Selbstüberschätzung und in ihrer geistlichen Blindheit begriffen sie nicht, dass diese falschen Auffassungen viele dazu veranlassen würden, die Erfahrungen der Vergangenheit in Frage zu stellen. Auf diese Weise kam es zu Verwirrung und Unglaube. GNAT 436 4 Als diese Irrlehren mit Nachdruck vertreten wurden, entstanden Meinungsverschiedenheiten. Die Augen vieler Christen wurden dabei von Jesus, dem Begründer und Vollender ihres Glaubens, abgelenkt. Auseinandersetzungen über belanglose Lehrmeinungen und die Beschäftigung mit gefälligen Geschichten, die sich Menschen ausgedacht hatten, nahmen die Zeit in Anspruch, die man besser für die Verkündigung des Evangeliums verwendet hätte. Eine Vielzahl von Menschen, die durch eine treue Verkündigung der Wahrheit hätten überzeugt und bekehrt werden können, blieben ungewarnt. Die Frömmigkeit nahm zusehends ab, und Satan war anscheinend dabei, die Vorherrschaft über die Nachfolger Christi zu gewinnen. Ein Sabbaterlebnis GNAT 437 1 In dieser kritischen Phase der jungen Gemeinde wurde Johannes zur Verbannung verurteilt. Nie hätte die Gemeinde seine Stimme dringender gebraucht als gerade jetzt. Fast alle seiner früheren Mitapostel hatten bereits den Märtyrertod erlitten. Die Gläubigen, die noch übrig blieben, sahen sich heftigem Widerstand ausgesetzt. Allem Anschein nach war der Tag nicht mehr fern, an dem ihre Feinde über die Gemeinde Christi triumphieren würden. GNAT 437 2 Aber die Hand des Herrn wirkte unsichtbar im Verborgenen. Durch Gottes Vorsehung wurde Johannes an einen Ort gebracht, wo sich ihm Christus auf wunderbare Weise offenbaren und ihm göttliche Wahrheit zur Erleuchtung der Gemeinden übermitteln konnte. GNAT 437 3 Durch die Verbannung des Johannes hatten die Feinde der Wahrheit gehofft, die Stimme des treuen Zeugen Gottes für immer zum Schweigen zu bringen. Aber auf Patmos erhielt der Apostel Botschaften, deren Einfluss die Gemeinde bis zum Ende der Zeit fortwährend stärken sollte. Die Männer, die Johannes in die Verbannung geschickt hatten, waren nach wie vor für ihre falsche Entscheidung verantwortlich, dienten aber als Werkzeuge in der Hand Gottes, um die Absicht des Himmels auszuführen. Gerade ihr Bemühen, das Licht auszulöschen, ließ die Wahrheit in umso klareren Konturen erscheinen. GNAT 437 4 Es war an einem Sabbat, als der Herr der Herrlichkeit dem verbannten Apostel erschien. Johannes hielt den Sabbat auf Patmos ebenso heilig wie zu jener Zeit, als er in den Städten und Dörfern Judäas den Menschen die Erlösung verkündet hatte. Er beanspruchte für sich persönlich die göttlichen Zusagen, die sich auf diesen Tag bezogen. Er schrieb: »Am Tag des Herrn nahm der Geist Gottes von mir Besitz. Ich hörte hinter mir eine laute Stimme, die wie eine Posaune klang ... Ich wandte mich um und wollte sehen, wer zu mir sprach. Da erblickte ich sieben goldene Leuchter. In ihrer Mitte stand jemand, der aussah wie der Sohn eines Menschen.« (Offenbarung 1,10.12-13 GNB) GNAT 437 5 Johannes hatte allerlei Vorzüge genossen. Er hatte seinen Meister in Gethsemane gesehen, als dessen Gesicht im Todeskampf von Blutstropfen gezeichnet war; und »seine Gestalt hässlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der Menschenkinder« (Jesaja 52,14). Er hatte Jesus in den Händen der römischen Soldaten gesehen, mit einem alten Purpurmantel bekleidet und einer Dornenkrone auf seinem Haupt. Er hatte ihn auf Golgatha am Kreuz hängen sehen, die Zielscheibe grausamen Spotts und gemeiner Schmähungen. Nun wurde es Johannes geschenkt, seinen Herrn erneut zu sehen. Wie ganz anders war aber jetzt seine Erscheinung! Er war kein »Mann der Schmerzen« mehr, von Menschen verachtet und geschmäht (Jesaja 53,3 Elb.). Jetzt war er in ein Gewand gekleidet, das in himmlischem Glanz leuchtete. »Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen ... und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint.« (Offenbarung 1,14-16) »Und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert« (Offenbarung 1,16), ein Sinnbild der Macht seines Wortes. Auf Patmos strahlte die Herrlichkeit des auferstandenen Herrn. GNAT 438 1 »Und als ich ihn sah«, schrieb Johannes, »fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht!« (Offenbarung 1,17) GNAT 438 2 Johannes wurde gestärkt, damit er die Gegenwart seines verherrlichten Herrn ertragen konnte. Dann wurde vor seinen erstaunten Augen die Herrlichkeit des Himmels enthüllt, und er durfte den Thron Gottes sehen. Als er über die irdischen Konflikte hinaus sah, erblickte er die weiß gekleidete Schar der Erlösten. Er hörte die Gesänge der Engel und die Siegeslieder derer, die überwunden hatten durch des Lammes Blut und das Wort ihres Zeugnisses. In der Offenbarung, die er erhielt, wurde ihm eine Szene nach der andern vor Augen geführt, die für die Erfahrung des Volkes Gottes von höchstem Interesse war. Auf diese Weise wurde die Geschichte der Gemeinde bis zum Ende der Zeit vorausgesagt. In Bildern und Symbolen wurden Johannes Geschehnisse von äußerster Wichtigkeit vorgeführt. Dies alles sollte er schriftlich niederlegen, damit das Volk Gottes, das zu seiner Zeit und in der Zukunft lebte, klar verstehen konnte, welche Gefahren und Konflikte ihm bevorstehen. Die Offenbarung Kann Verstanden Werden GNAT 438 3 Diese Offenbarung wurde der Gemeinde aller Zeiten zur Unterweisung und zum Trost gegeben. Trotzdem haben Lehrer der Kirche behauptet, die Offenbarung sei ein versiegeltes Buch, dessen Geheimnisse nicht erklärt werden können. Aus diesem Grund haben sich viele von diesem prophetischen Bericht abgewandt und sich geweigert, Zeit und Mühe für das Studium seiner Geheimnisse aufzubringen. Gott will aber nicht, dass sein Volk dieses Buch so vernachlässigt, denn es ist »die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll ... Selig ist der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe« (Offenbarung 1,1.3). »Ich bezeuge allen, die da hören die Worte der Weissagung in diesem Buch: Wenn jemand etwas hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen zufügen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buchs dieser Weissagung, so wird Gott ihm seinen Anteil wegnehmen am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt, von denen in diesem Buch geschrieben steht. Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald .« (Offenbarung 22,18-20) GNAT 439 1 In der Offenbarung des Johannes werden die tiefen Geheimnisse Gottes enthüllt. Schon der Name dieser inspirierten Seiten - »die Offenbarung« - widerlegt die Behauptung, es handle sich um ein versiegeltes Buch. Eine Offenbarung ist etwas, das bekannt gegeben wird. Der Herr Jesus selbst enthüllte seinem Diener die Geheimnisse, die dieses Buch enthält, und es ist seine Absicht, dass sie allen Menschen zum Studium zugänglich sind. Seine Wahrheiten sind genauso an die Menschen gerichtet, die in der letzten Zeit der Weltgeschichte leben, wie an die Zeitgenossen des Johannes. Einige der beschriebenen Ereignisse liegen in der Vergangenheit, andere finden gerade jetzt statt. Manche Szenen berichten vom Ende des großen Kampfes zwischen den Mächten der Finsternis und dem Fürsten des Himmels. Wieder andere offenbaren den Sieg und die Freude der Erlösten auf der neuen Erde. GNAT 439 2 Weil manche nicht jedes Symbol der Offenbarung deuten können, denken sie, es sei nutzlos, sich um das rechte Verständnis der in diesem Buch enthaltenen Wahrheit zu bemühen. Doch das ist nicht der Fall. Gott, der Johannes diese Geheimnisse offengelegt hat, wird auch jedem, der sorgfältig nach der Wahrheit sucht, einen Vorgeschmack der himmlischen Dinge gewähren. Wer bereit ist, die Wahrheit anzunehmen, wird auch die Fähigkeit erhalten, die Lehren dieses Buches zu verstehen. Er wird den Segen empfangen, der allen verheißen ist, »die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist« (Offenbarung 1,3). GNAT 439 3 In der Offenbarung treffen alle Bücher der Bibel zusammen und finden ihren Abschluss. Dieses Buch stellt die Ergänzung zum Buch Daniel dar. Letzteres ist eine Prophezeiung, das andere eine Offenbarung. Das Buch, das einst versiegelt wurde, ist nicht die Offenbarung des Johannes, sondern der Teil des Buches Daniel, der sich auf die letzte Zeit bezieht. Dem Propheten hatte der Engel befohlen: »Daniel, verbirg diese Worte, und versiegle dies Buch bis auf die letzte Zeit.« (Daniel 12,4) Fürsorge Für Die Gemeinden GNAT 440 1 Christus selbst forderte den Apostel auf niederzuschreiben, was er ihm offenbaren wollte: »Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.« (Offenbarung 1,11) »Ich bin ... der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit ... Schreibe, was du gesehen hast ... und was geschehen soll danach. Das Geheimnis der sieben Sterne, die du gesehen hast in meiner rechten Hand, und der sieben goldenen Leuchter ist dies: Die sieben Sterne sind Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden.« (Offenbarung 1,17-20) GNAT 440 2 Die Namen der sieben Gemeinden symbolisieren die Kirche in verschiedenen Abschnitten ihrer Geschichte. Die Zahl sieben weist auf Vollständigkeit hin und ist ein Symbol dafür, dass diese Botschaften die Zeit bis zum Abschluss der Weltgeschichte umfassen. Die vorkommenden Symbole offenbaren den Zustand der Kirche in verschiedenen Perioden der Geschichte. GNAT 440 3 Von Christus sagt der Bericht, dass er sich inmitten der sieben goldenen Leuchter befindet. Dies drückt seine Beziehung zu den Gemeinden aus. Er steht in ständiger Verbindung mit seinem Volk. Er kennt dessen wahren Zustand, denn er verfolgt dessen Einstellung, Frömmigkeit und Hingabe. Obwohl er seit seiner Himmelfahrt Hoherpriester und Mittler im himmlischen Heiligtum ist, wird er hier doch dargestellt, als ob er inmitten seiner Gemeinden auf Erden umhergeht. Mit unermüdlicher Wachsamkeit und unaufhörlicher Umsicht gibt er Acht, ob das Licht seiner Wächter noch glimmt oder ob es ganz ausgeht. Wären die Leuchter allein der Fürsorge von Menschen überlassen, so würden ihre flackernden Flammen immer schwächer werden und schließlich ganz erlöschen. Aber Christus ist der treue Wächter im Haus des Herrn, der wahre Hüter der Tempelhöfe. Seine ständige Fürsorge und bewahrende Gnade sind die Quelle des Lebens und des Lichts. GNAT 440 4 In der ersten Vision hält Christus die sieben Sterne in seiner Hand. Dies gibt uns die Gewissheit, dass keine Gemeinde, die ihrem Auftrag entspricht, den Untergang befürchten muss. Kein Stern, der unter dem Schutz der Allmacht steht, kann der Hand Christi entrissen werden. GNAT 441 1 »Das sagt, der da hält die sieben Sterne in seiner Rechten.« (Offenbarung 2,1) Diese Worte sind an die Lehrer der Gemeinde gerichtet, denen Gott große Verantwortung übertragen hat. Die wohltuenden Einflüsse, die in den Gemeinden überall spürbar sein sollen, hängen weitgehend von den Pastoren ab. Sie sollen die Liebe Christi offenbaren. Die Sterne des Himmels unterstehen seiner Herrschaft. Christus lässt sie leuchten und lenkt sie auf ihrem Weg durch das All. Andernfalls würden sie aus ihrer Bahn fallen. Das Gleiche gilt für seine Diener: Sie sind nur Werkzeuge in seiner Hand. Was sie an Gutem vollbringen, geschieht durch seine Macht. Durch sie soll sein Licht in die Welt leuchten. Ihre Leistungsfähigkeit beruht auf Jesus Christus. Wenn sie auf ihn sehen, wie er auf seinen Vater geschaut hat, werden sie in die Lage versetzt, sein Werk auszuführen. Solange sie sich von Gott abhängig machen, rüstet er sie mit seiner Herrlichkeit aus, um diese in die Welt strahlen zu lassen. Am Glauben Festhalten GNAT 441 2 Schon in der frühen Phase der Kirchengeschichte begann das »Geheimnis der Gesetzlosigkeit«, das der Apostel Paulus vorhergesagt hatte (2. Thessalonicher 2,7 Elb.), sein unheilvolles Werk. Als falsche Lehrer, vor denen auch Petrus die Gläubigen gewarnt hatte, ihre Irrlehren verbreiteten (vgl. 2. Petrus 2), wurden viele Gläubige verführt. Manche gerieten unter den Anfechtungen ins Wanken und waren versucht, ihren Glauben aufzugeben. Als Johannes diese Offenbarung empfing, hatten schon viele ihre erste Liebe zur Wahrheit des Evangeliums verloren. In seiner Gnade ließ Gott es aber nicht zu, dass seine Gemeinde in diesem abgefallenen Zustand blieb. In einer Botschaft, in der eine unendliche Wärme und Zuneigung zum Ausdruck kommt, offenbarte er den Gläubigen seine tiefe Liebe zu ihnen und seinen Wunsch, dass sie sich gewissenhaft auf die Ewigkeit vorbereiteten. Er ermahnte sie mit den Worten: »Denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke!« (Offenbarung 2,5) GNAT 441 3 Die Gemeinde wies Mängel auf und benötigte strengen Tadel und Züchtigung. Deshalb wurde Johannes angeregt, Botschaften voller Warnungen, Tadel und dringender Bitten aufzuzeichnen. Sie waren an Christen gerichtet, die ihre Erlösung in Gefahr brachten, weil sie die Prinzipien des Evangeliums aus den Augen verloren. Immer aber werden die Worte der Zurechtweisung, die Gott für notwendig hält, in herzlicher Liebe gesprochen, und sie enthalten für jeden reumütigen Gläubigen die Zusage seines Friedens. »Siehe«, spricht der Herr, »ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.« (Offenbarung 3,20) GNAT 442 1 Und für alle, die inmitten ihrer Kämpfe am Glauben an Gott festhielten, erhielt Johannes Worte der Anerkennung und der Verheißung: »Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet ... Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.« (Offenbarung 3,8.10) Die Gläubigen wurden ermahnt: »Werde wach und stärke das andre, das sterben will ... Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!« (Offenbarung 3,2.11) GNAT 442 2 Durch Johannes, der sich selbst »Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis« nannte (Offenbarung 1,9), offenbarte Christus seiner Gemeinde die Leiden, die sie um seinetwillen erdulden musste. Der betagte Apostel durfte in der Verbannung einen Blick über zukünftige Jahrhunderte werfen. In den langen Jahrhunderten der geistlichen Finsternis und des Aberglauben sah er unzählige Christen, ganze Scharen, die aufgrund ihrer Liebe zur Wahrheit den Märtyrertod erlitten. Er sah, dass - wie Christus seinen ersten Zeugen beigestanden hatte - er genauso wenig seine treuen Nachfolger in den Jahrhunderten der Verfolgung verlassen würde, die sie bis zum Ende der Weltgeschichte noch durchschreiten mussten. »Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst!«, sagte der Herr. »Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein ... Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.« (Offenbarung 2,10) GNAT 442 3 Johannes hörte auch die Verheißungen, die allen treuen Nachfolgern Christi gelten, die gegen das Böse ankämpfen: »Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.« (Offenbarung 2,7) »Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln ... Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.« (Offenbarung 3,5.21) Die Kleine Schar Der Überwinder GNAT 442 4 Johannes sah, wie die Gnade, das Mitempfinden und die Liebe Gottes mit dessen Heiligkeit, Gerechtigkeit und Macht in Einklang stehen. Er sah, wie Sünder in ihm einen Vater fanden, vor dem sie sich wegen ihrer Sünden zuerst gefürchtet hatten. Als Johannes über den Höhepunkt des großen Konfliktes hinausschaute, sah er auf dem Berg Zion jene, »die den Sieg behalten hatten ... die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose ... und das Lied des Lammes« (Offenbarung 15,2.3). GNAT 443 1 Johannes erblickte den Erlöser, symbolisch dargestellt als »Löwe aus dem Stamm Juda«; er sah ihn aber auch als »ein Lamm«, das »wie geschlachtet« war (Offenbarung 5,5.6). Diese Symbole bringen die Einheit zwischen der überragenden Macht und der selbstaufopfernden Liebe zum Ausdruck. Der »Löwe aus Juda«, der allen Feinden Gottes Schrecken einflößt, ist für die Gehorsamen und Treuen das »Lamm Gottes«. Dieselbe Feuersäule, die den Übertretern des göttlichen Gesetzes Angst und Schrecken einjagt, ist für alle, die seine Gebote halten, ein Zeichen von Licht, Gnade und Befreiung. Der starke Arm, der die Aufrührer vernichten kann, ist ebenso stark, wenn es darum geht, seine treuen Nachfolger zu retten. Wer immer Christus treu bleibt, wird gerettet werden. »Er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern.« (Matthäus 24,31) GNAT 443 2 Im Vergleich zu den Milliarden Menschen, die auf dieser Erde leben, wird Gottes Volk - wie es das immer war - nur eine kleine Herde bilden. Wenn die Gläubigen aber für die Wahrheit einstehen, wie sie im Wort Gottes offenbart ist, wird Gott ihre Zuflucht sein. Sie sind dann unter dem breiten Schutzschild der Allmacht geborgen; denn Gott ist immer in der Überzahl. Wenn der Schall der letzten Posaune in das Reich des Todes dringt und die Gerechten im Triumph aus ihren Gräbern hervorkommen, werden sie ausrufen: »Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« (1. Korinther 15,55). Wenn sie dann bei Gott stehen, bei Christus, bei den Engeln und den treuen Gläubigen aller Zeiten, werden die Kinder Gottes bei weitem in der Überzahl sein. GNAT 443 3 Die wahren Jünger Christi folgen ihrem Herrn durch schwere Konflikte, ertragen Selbstverleugnung und erfahren bittere Enttäuschungen; aber dadurch lernen sie die Tiefe der Schuld und des Leides kennen, welche die Sünde verursacht. Das veranlasst sie, mit Abscheu auf die Sünde zu blicken. Da sie an den Leiden Christi teilhaben, werden sie auch Teilhaber seiner Herrlichkeit sein. GNAT 443 4 In einer Vision sah Johannes den endgültigen Sieg der Gemeinde der Übrigen. Darüber schrieb er: »Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier . die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.« (Offenbarung 15,2.3) GNAT 444 1 »Und ich sah, und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion und mit ihm Hundertvierundvierzigtausend, die hatten seinen Namen und den Namen seines Vaters geschrieben auf ihrer Stirn.« (Offenbarung 14,1) Sie hatten sich auf dieser Welt Gott geweiht, ihm mit Herz und Verstand gedient. Nun kann er seinen Namen auf ihre Stirn schreiben. »Und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.« (Offenbarung 22,5) Sie gehen nicht ein und aus, als müssten sie wie Bettler um einen Platz bitten, sondern gehören zu der Schar, der Christus zuruft: »Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!« (Matthäus 25,34) Er heißt jeden von ihnen als sein Kind willkommen und sagt: »Geh hinein in die Freude deines Herrn.« (Matthäus 25,21) »Diese sind es, die dem Lamm folgen, wohin es auch geht. Diese sind aus den Menschen als Erstlingsfrucht für Gott und das Lamm erkauft worden.« (Offenbarung 14,4b Elb.) Der Prophet sah sie in der Vision auf dem Berg Zion stehen, umgürtet zum heiligen Dienst, bekleidet mit »schönen, reinem Leinen« - ein Symbol für »die Gerechtigkeit der Heiligen« (Offenbarung 19,8). Doch alle, die dem Lamm im Himmel folgen wollen, müssen ihm schon hier auf Erden gefolgt sein - nicht widerwillig und launisch, sondern in vertrauensvollem, liebendem und willigem Gehorsam, wie eine Herde ihrem Hirten folgt. GNAT 444 2 »Und ... die Stimme, die ich hörte, war wie von Harfenspielern, die auf ihren Harfen spielen. Und sie sangen ein neues Lied vor dem Thron ... und niemand konnte das Lied lernen außer den Hundertvierundvierzigtausend, die erkauft sind ... und in ihrem Mund wurde kein Falsch gefunden; sie sind untadelig.« (Offenbarung 14,2-3.5) GNAT 444 3 »Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann ... die hatte die Herrlichkeit Gottes; ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem Jaspis, klar wie Kristall; sie hatte eine große und hohe Mauer und hatte zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel und Namen darauf geschrieben, nämlich die Namen der zwölf Stämme der Israeliten ... Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, ein jedes Tor war aus einer einzigen Perle, und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold wie durchscheinendes Glas. Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm.« (Offenbarung 21,2.11-12.21-22) GNAT 444 4 »In der Stadt wird es nichts mehr geben, was unter dem Fluch Gottes steht. Der Thron Gottes und des Lammes wird in der Stadt stehen. Alle, die dort sind, werden Gott als Priester dienen, sie werden ihn sehen, und sein Name wird auf ihrer Stirn stehen. Es wird keine Nacht mehr geben, und sie brauchen weder Lampennoch Sonnenlicht. Gott, der Herr, wird über ihnen leuchten.« (Offenbarung 22,3-5) GNAT 445 1 »Er zeigte mir einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes; mitten auf dem Platz und auf beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker.« (Offenbarung 22,1.2) »Selig sind, die ihre Kleider waschen, dass sie teilhaben an dem Baum des Lebens und zu den Toren hineingehen in die Stadt.« (Offenbarung 22,14) »Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.« (Offenbarung 21,3) ------------------------Kapitel 58 -- Die Triumphierende Gemeinde GNAT 446 1 Rund 2000 Jahre sind vergangen, seit die Apostel zur Ruhe gelegt wurden, aber die Geschichte ihrer Kämpfe und Opfer, die sie um Christi willen auf sich genommen hatten, gehört noch immer zu den kostbarsten Schätzen der christlichen Gemeinde. Diese Geschichte wurde unter der Leitung des Heiligen Geistes aufgezeichnet, um die Nachfolger Christi in allen Zeiten zu größerem Eifer und zu größerer Ernsthaftigkeit für die Sache des Erlösers anzuspornen. Mission Aus Der Macht Gottes GNAT 446 2 Die Jünger erfüllten den Missionsauftrag Christi. Als diese Boten des Kreuzes die gute Nachricht in der Welt verkündeten, führte dies zu einer Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, wie sie Menschen noch nie zuvor erlebt hatten. Durch den Beistand des Heiligen Geistes vollbrachten die Apostel ein Werk, das die Welt erbeben ließ. In einer einzigen Generation wurde die frohe Botschaft zu allen Nationen gebracht. GNAT 446 3 Die Ergebnisse, die diese berufenen Apostel Christi erzielten, waren großartig. Zu Beginn ihres Dienstes waren einige von ihnen ungebildete Leute. Sie stellten sich aber vorbehaltlos ihrem Meister zur Verfügung, und durch seine Unterweisungen wurden sie für die große Aufgabe vorbereitet, die ihnen anvertraut wurde. Gnade und Wahrheit erfüllten ihr Herz, inspirierten ihre Motive und kontrollierten ihr Tun. Ihr Leben war »verborgen mit Christus in Gott« (Kolosser 3,3); sie verloren sich selbst aus den Augen und versanken in der Tiefe der unendlichen Liebe Gottes. GNAT 446 4 Die Jünger waren Männer, die ernstlich reden und beten konnten und wussten, wie sie bei dem Kraft erhalten konnten, der Israels Stärke war. Wie eng standen sie an der Seite Gottes, wie fest hatten sie ihre persönliche Ehre mit seinem Thron verknüpft! Jahwe war ihr Gott. Seine Ehre war auch ihre Ehre, seine Wahrheit auch ihre Wahrheit. Jeder Angriff auf die Heilsbotschaft war für sie wie ein tiefer Stich in ihre Seele, und mit aller verfügbaren Kraft kämpften sie für die Sache Christi. Sie konnten ihren Hörern das Wort des Lebens verkünden, denn sie waren zu Pfingsten vom Himmel mit dem Heiligen Geist gesalbt worden. Sie erwarteten viel, darum unternahmen sie auch viel. Christus hatte sich ihnen persönlich offenbart, und von ihm erwarteten sie Führung und Rat. Ihr Verständnis der Wahrheit und ihre Kraft, Widerstand zu ertragen, entsprachen ihrer Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Jesus Christus, die Weisheit und die Kraft Gottes, das war das Thema all ihrer Predigten. Sie verherrlichten seinen Namen, weil sie wussten, dass er der Einzige unter dem Himmel ist, durch den Menschen aus Sünde und Schuld gerettet werden können (vgl. Apostelgeschichte 4,12). Wenn sie die Vollkommenheit Christi, des auferstandenen Erlösers, verkündeten, bewegten ihre Worte die Herzen der Menschen. Viele Männer und Frauen konnten für die Heilsbotschaft gewonnen werden. Unzählige, die bisher seinen Namen verleumdet und seine Kraft verachtet hatten, nannten sich nun selbst Jünger des Gekreuzigten. GNAT 447 1 Die Apostel erfüllten ihren Auftrag nicht aus eigener Vollmacht, sondern in der Macht des lebendigen Gottes. Ihre Arbeit war nicht leicht. Die ersten missionarischen Anstrengungen der christlichen Gemeinde waren mit Schwierigkeiten und bitterem Leid verbunden. Bei ihrem missionarischen Wirken hatten die Apostel ständig Entbehrungen, Verleumdungen und Verfolgungen zu ertragen. Sie klammerten sich aber nicht an ihr Leben, sondern freuten sich, dass sie berufen waren, wegen Christus zu leiden. Bei ihren Missionsunternehmungen war kein Raum für Unentschlossenheit, Wankelmut oder Ziellosigkeit. Sie waren bereit, sich zu verausgaben und selbst geopfert zu werden (vgl. 2. Korinther 12,15). Das Wissen um die große Verantwortung, die auf ihnen ruhte, läuterte und bereicherte ihre Erfahrungen. Schließlich wurde die Gnade des Himmels in den Siegen sichtbar, die sie für Christus errangen. Mittels seiner Allmacht wirkte Gott durch seine Diener, um die Heilsbotschaft zum Triumph zu führen. Die Gemeinde Ist Gottes Tempel GNAT 447 2 Die Apostel bauten die Gemeinde Gottes auf den Grund, den Christus persönlich gelegt hatte (vgl. 1. Korinther 3,11). Die Heilige Schrift verwendet häufig das Bild von der Errichtung eines Tempels, um den Bau der Gemeinde zu veranschaulichen. So spricht Sacharja von einem »Spross«, der den Tempel des Herrn bauen soll (vgl. Sacharja 6,12). Er spricht sogar davon, dass die Heiden bei diesem Werk mithelfen werden: »Es werden kommen von ferne, die am Tempel des Herrn bauen werden.« (Sacharja 6,15) Auch Jesaja erklärt: »Fremde werden deine Mauern bauen.« (Jesaja 60,10) GNAT 448 1 Petrus sprach von der Errichtung dieses Tempels, als er schrieb: »Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber bei Gott auserwählt und kostbar ist. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.« (1. Petrus 2,4.5) In dem Steinbruch der jüdischen und der heidnischen Welt fanden die Apostel Steine, die sie auf dieses Fundament legten. In seinem Brief an die Christen in Ephesus schrieb der Apostel Paulus: »So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.« (Epheser 2,19-22) GNAT 448 2 Und an die Christen in Korinth schrieb er: »Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.« (1. Korinther 3,10-13) GNAT 448 3 Die Apostel bauten auf ein sicheres Fundament - den ewigen Fels. Auf dieses Fundament legten sie die Steine, die sie aus dem Steinbruch der Welt geschlagen hatten. Dies geschah nicht ohne Hindernisse. Ihre Arbeit wurde durch den Widerstand der Feinde Christi enorm erschwert. Sie mussten sich gegen religiösen Fanatismus, Vorurteile und den Hass derer behaupten, die auf einem falschen Fundament bauten. Viele, die am Aufbau der Gemeinde Christi mitwirkten, können mit denen verglichen werden, die zur Zeit Nehemias die Stadtmauern um Jerusalem errichteten. Von ihnen heißt es: »Die da Lasten trugen, arbeiteten so: mit der einen Hand taten sie die Arbeit, und mit der andern hielten sie die Waffe.« (Nehemia 4,11) GNAT 448 4 Könige und Statthalter, Priester und Oberste versuchten, den Tempel Gottes, an dem die Apostel bauten, zu zerstören. Aber trotz Gefangenschaft, Folter und Tod setzten treue Arbeiter das Werk fort. So wuchs der Bau prächtig und ebenmäßig heran. Manchmal wurde den Arbeitern durch den Nebel des Aberglaubens, der sich um sie herum bildete, fast die Sicht genommen. Dann wieder wurden sie von der Gewalt ihrer Widersacher beinahe überwältigt. Aber mit unbeugsamem Glauben und unerschütterlichem Mut setzten sie ihre Arbeit fort. GNAT 449 1 Von den Bauleuten an vorderster Front fiel aber einer nach dem anderen durch die Hand des Feindes: Stephanus wurde gesteinigt, Jakobus mit dem Schwert getötet, Paulus wurde enthauptet, Petrus gekreuzigt und Johannes in die Verbannung geschickt. Trotzdem wuchs die Gemeinde. Neue Arbeiter nahmen die Plätze derer ein, die ihr Leben gelassen hatten, und Stein um Stein wurde dem Bau hinzugefügt. So wuchs allmählich der Tempel der Gemeinde Gottes in die Höhe. Bauleute Des Tempels GNAT 449 2 Jahrhunderte heftigster Verfolgung folgten der Gründung der christlichen Kirche. Es fehlte aber nie an Männern, denen die Weiterarbeit am Tempel Gottes wichtiger war als ihr eigenes Leben. Von ihnen steht geschrieben: »Andere haben Spott und Geißelung erlitten, dazu Fesseln und Gefängnis. Sie sind gesteinigt, zersägt, durchs Schwert getötet worden; sie sind umhergezogen in Schafpelzen und Ziegenfellen; sie haben Mangel, Bedrängnis, Misshandlung erduldet. Sie, deren die Welt nicht wert war, sind umhergeirrt in Wüsten, auf Bergen, in Höhlen und Erdlöchern.« (Hebräer 11,36-38) GNAT 449 3 Der Feind der Gerechtigkeit ließ nichts unversucht, um das Werk zum Stillstand zu bringen, das den Bauleuten des Herrn anvertraut war. Aber Gott hat »sich selbst nicht unbezeugt gelassen« (Apostelgeschichte 14,17). Er sandte Männer in sein Werk, die den Glauben verteidigen konnten, der einst den Heiligen anvertraut worden war. Die Kirchengeschichte berichtet von der Tapferkeit und dem Heldenmut dieser Männer. Wie die Apostel wurden viele von ihnen getötet, aber mit dem Bau des Tempels ging es ständig weiter. Die Waldenser, John Wycliff, Hus und Hieronymus, Luther und Zwingli, Cranmer, Latimer und Knox, die Hugenotten, John und Charles Wesley und eine Menge anderer bauten auf diesem Fundament mit Material, das in Ewigkeit Bestand haben wird. Auch in späteren Jahren wurde am Bau weiter gearbeitet. Die einen trugen dazu bei, dass die Bibel in der Welt verbreitet wurde; andere haben als Missionare in fremden Ländern gedient und dadurch der Verkündigung der letzten weltweiten Botschaft den Weg geebnet. GNAT 449 4 In all den Jahrhunderten, die seit der Zeit der Apostel verstrichen sind, hat die Bautätigkeit an Gottes Tempel nie aufgehört. Wir können heute auf die vergangenen Jahrhunderte zurückblicken und die lebendigen Steine in seinen Mauern erkennen. Wie Lichtstrahlen durchbrechen sie die Finsternis des Irrtums und des Aberglaubens. Kostbaren Edelsteinen gleich werden sie in alle Ewigkeit in immer hellerem Licht glänzen und die Macht der Wahrheit Gottes bezeugen. Der leuchtende Glanz dieser geschliffenen Steine offenbart den scharfen Gegensatz zwischen Licht und Finsternis, zwischen dem Gold der Wahrheit und der Schlacke des Irrtums. GNAT 450 1 Paulus, die anderen Apostel sowie alle Gerechten, die seitdem gelebt haben, trugen ihren Teil zur Errichtung dieses Tempels bei. Doch noch ist der Bau nicht vollendet. Wir, die wir heute leben, haben noch ein Werk zu tun, einen Beitrag zu leisten. Wir müssen auf diesem Fundament mit Materialien bauen, die eine Feuerprobe bestehen können: Gold, Silber und Edelsteine, »die zur Verschönerung von Palästen geschaffen wurden« (Psalm 144,12 NLB). An alle, die auf diese Weise an Gottes Bau mitwirken, richtete Paulus Worte der Ermutigung und der Ermahnung: »Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.« (1. Korinther 3,14.15) Wer als Christ das Wort des Lebens zuverlässig und gewissenhaft weitergibt und Menschen auf den Weg der Heiligkeit und des Friedens führt, baut auf dem Fundament mit dauerhaftem Material. Im Reich Gottes wird er als ein weiser Baumeister geehrt werden. GNAT 450 2 Von den Aposteln steht geschrieben: »Sie aber gingen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen.« (Markus 16,20) Wie Christus damals seine Jünger aussandte, so sendet er heute die Glieder seiner Gemeinde aus. Die gleiche Vollmacht, die den Aposteln gegeben war, gehört auch ihnen. Wenn sie Gott zu ihrer Stärke machen, wird er ihnen zur Seite stehen, und sie werden nicht vergeblich arbeiten. Sie sollen daran denken, dass der Herr dem Werk, an dem sie bauen, sein Siegel aufgedrückt hat. Er sagte zu Jeremia: »Sage nicht: Ich bin zu jung , sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten ... Und der Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.« (Jeremia 1,7-9) Er fordert auch uns auf, der Welt die Worte weiterzugeben, die er uns eingibt, wenn seine heilige Hand unsere Lippen berührt. GNAT 450 3 Christus hat seiner Gemeinde einen heiligen Auftrag erteilt. Jedes Gemeindeglied sollte ein lebendiger Kanal sein, durch den Gott der Welt die Schätze seiner Gnade - den unermesslichen Reichtum Christi - zufließen lassen kann. Es ist der größte Wunsch von Jesus, dass seine Mitarbeiter durch ihr Leben der Welt seinen Geist und seinen Charakter bezeugen. Nichts benötigt die Welt so sehr wie die Manifestation der Liebe Christi durch gläubige Menschen. Der ganze Himmel wartet auf Männer und Frauen, durch die Gott der Welt die Macht des christlichen Glaubens offenbaren kann. Die Wahrheit Wird Siegen GNAT 451 1 Die Gemeinde ist Gottes Werkzeug zur Verkündigung der Wahrheit. Er hat sie bevollmächtigt, ein besonderes Werk zu vollbringen. Wenn sie ihm treu ist und allen seinen Geboten gehorcht, wird in ihr die Herrlichkeit der Gnade Gottes wohnen. Wenn sie ihre Treuepflicht erfüllt und ihren Herrn, den Gott Israels, ehrt, kann ihr keine Macht der Welt widerstehen. GNAT 451 2 Ihre Eifer für Gott und seine Sache spornte die Apostel an, das Evangelium überall mit großer Kraft zu verbreiten. Sollte uns nicht die gleiche Begeisterung anfeuern? Sollten nicht auch wir mit gleichem Eifer und gleicher Entschlossenheit, die Botschaft von der erlösenden Liebe - die Geschichte des gekreuzigten Jesus - weitergeben? Jeder Christ hat das Vorrecht, nicht nur auf die Wiederkunft Christi zu warten, sondern auch dessen Kommen zu beschleunigen (vgl. 2. Petrus 3,12 Elb.). GNAT 451 3 Wenn die Gemeinde das Kleid der Gerechtigkeit Christi anzieht und sich von allen Allianzen mit der Welt zurückzieht, hat sie den Anbruch eines hellen und herrlichen Tages vor sich. Gottes Verheißungen an sie gelten für alle Zeiten. Er wird sie für immer groß und herrlich machen, sodass sich unzählige Generationen über sie freuen werden. Die Wahrheit, die viele verachten und zurückweisen, wird letztendlich siegen. Obwohl sich ihre Ausbreitung offenbar gelegentlich verzögert hat, konnte doch ihr Fortschritt zu keiner Zeit verhindert werden. Stößt die Heilsbotschaft auf Widerstand, verleiht Gott ihr zusätzliche Macht, damit sie eine größere Wirkung erzielen kann. Mit göttlicher Kraft ausgestattet, wird sie die stärksten Bollwerke durchbrechen und jedes Hindernis überwinden. Der Blick In Die Zukunft Stärkt GNAT 451 4 Was gab dem Sohn Gottes während seines mühevollen und opferreichen Lebens das Durchhaltevermögen? Er sah die Früchte seines Wirkens, und das befriedigte ihn. Im Blick auf die Ewigkeit sah er das Glück derer voraus, die durch seine tiefe Erniedrigung Vergebung und ewiges Leben empfangen haben. Sein Ohr vernahm die Jubelrufe der Erlösten, und er hörte, wie die Freigekauften das Lied des Moses und des Lammes sangen (vgl. Offenbarung 15,3). GNAT 451 5 Auch wir dürfen einen Blick in die Zukunft, auf die Glückseligkeit des Himmels werfen. Die Bibel enthält Visionen über die Herrlichkeit der neuen Erde. Sie führen uns Szenen vor Augen, die Gott selbst für uns vorgezeichnet hat und die für seine Gemeinde sehr kostbar sind. Im Glauben dürfen wir schon heute an der Schwelle zur ewigen Stadt stehen und den herzlichen Willkommensgruß vernehmen. Er gilt denen, die bereits in diesem Leben mit Christus zusammenarbeiten und es als Ehre ansehen, seinetwegen zu leiden. Wenn es dann heißt: »Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters« (Matthäus 25,34), werden sie ihre Kronen zu den Füßen des Erlösers niederlegen und rufen: »Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob ... Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!« (Offenbarung 5,12.13) GNAT 452 1 Dort begrüßen die Erlösten diejenigen, die sie einst zu Jesus geführt haben. Alle vereinen sich, um ihren Erlöser zu loben und zu preisen, der starb, damit Menschen ein Leben erhalten können, das mit dem Leben Gottes vergleichbar ist. Der Konflikt zwischen Gut und Böse ist endgültig vorüber. Trübsal und Streit sind für immer zu Ende. Siegeslieder erfüllen den Himmel, wenn die Erlösten in den Jubelgesang einstimmen: Würdig , würdig ist das Lamm, das geschlachtet war, aber nun wieder lebendig ist, der siegreiche Eroberer! GNAT 452 2 »Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen, und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserm Gott, und dem Lamm!« (Offenbarung 7,9.10) »Diese sind's, die gekommen sind aus der großen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. Sie werden nicht mehr hungern noch dürsten; es wird auch nicht auf ihnen lasten die Sonne oder irgendeine Hitze; denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.« (Offenbarung 7,14b-17) »Und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.« (Offenbarung 21,4)