Gute Nachricht Für Alle

Kapitel 44

Christen Im Palast Des Kaisers

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Philipper 1,12-14; 4,22.

Das Evangelium hat schon immer seine größten Erfolge bei den unteren Bevölkerungsschichten erzielt. »Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen« (1. Korinther 1,26), erklärte Paulus. Es war nicht zu erwarten, dass er - ein armer Gefangener ohne viele Freunde - in der Lage sein würde, die Aufmerksamkeit der wohlhabenden und hochgestellten Kreise der Bürger Roms zu gewinnen. Das lasterhafte Leben mit all seinen schillernden Verlockungen hielt sie als willige Gefangene beständig in Bann. Aber unter den abgearbeiteten, von Not geplagten und unterdrückten Opfern, ja selbst unter den ärmsten Sklaven, hörten viele erfreut den Worten von Paulus zu. Diese Menschen fanden im Glauben an Christus neue Hoffnung und einen inneren Frieden, der ihnen trotz aller Entbehrungen Trost gab.

Obwohl das Werk des Apostels unter einfachen und armen Menschen seinen Anfang nahm, gewann es doch immer weitreichenderen Einfluss, der schließlich sogar den Palast des Kaisers erreichte.

Rom war damals die Metropole der Welt. Die hochmütigen Cäsaren erließen Gesetze für fast jede Nation auf Erden. Kaiser und Höflinge wussten entweder nichts von dem demütigen Mann aus Nazareth oder sie betrachteten ihn mit Feindseligkeit und Spott. Und doch fand das Evangelium in weniger als zwei Jahren den Weg aus der einfachen Unterkunft des Gefangenen in die kaiserlichen Paläste. Paulus war zwar wie ein Übeltäter gefesselt, aber »das Wort Gottes lässt sich nicht in Ketten legen« (2. Timotheus 2,9b NLB.).

In früheren Jahren hatte der Apostel den Glauben an Jesus Christus mit siegreicher Vollmacht öffentlich verkündigt, und durch Zeichen und Wunder hatte er unmissverständlich dessen göttlichen Charakter bezeugt. Mit edler Festigkeit war er vor die Weisen Griechenlands getreten und hatte durch sein Wissen und seine Beredsamkeit die Argumente der stolzen Philosophie zum Schweigen gebracht. Mit ungebrochenem Mut hatte er vor Königen und Statthaltern von Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und von dem zukünftigen Gericht geredet, bis die hochmütigen Machthaber zitterten, als ob sie die Schrecken des Gerichtstages Gottes bereits vor sich sahen.

Solche Gelegenheiten wurden dem Apostel nun nicht mehr gewährt, da er in seiner Unterkunft in Hausarrest gehalten wurde und die Wahrheit nur denen verkündigen konnte, die ihn dort aufsuchten. Er hatte - anders als Mose und Aaron - keinen göttlichen Befehl, vor den charakterlosen Herrscher zu treten und im Namen des großen ICH BIN (2. Mose 3,14 ZÜ) dessen Grausamkeit und Gewaltherrschaft zu tadeln. Doch gerade als diesem bedeutendsten Verkündiger jedes Wirken in der Öffentlichkeit verwehrt war, wurde ein großer Sieg für das Evangelium errungen - sogar aus dem Haushalt des Kaisers wurden Glieder der Gemeinde hinzugefügt.

Nirgendwo sonst konnte es eine Umgebung geben, die dem Christentum so wesensfremd gewesen wäre wie die am Hof Roms. Nero schien die letzte Spur des Göttlichen, ja selbst des Menschlichen aus seiner Seele getilgt und den Stempel Satans angenommen zu haben. Seine Diener und Höflinge waren ihm im Allgemeinen charakterlich ähnlich - gewalttätig, verkommen und bestechlich. Am Hof und im Palast Neros schien es für das Christentum unmöglich zu sein, Fuß zu fassen.

Menschen Am Hof Neros Werden Gewonnen

Doch in diesem Fall - wie in so vielen anderen - hat sich die Aussage des Paulus als wahr erwiesen, dass die Waffen seines Kampfes »mächtig im Dienste Gottes« sind, um »Festungen zu zerstören« (2. Korinther 10,4). Sogar im Haus Neros siegte das Kreuz. Menschen aus dem lasterhaften Gefolge eines noch lasterhafteren Herrschers bekehrten sich und wurden zu Kindern Gottes. Und diese Christen versteckten sich nicht, sondern traten offen auf und schämten sich ihres Glaubens nicht.

Doch wodurch konnte das Christentum dort eindringen und festen Fuß fassen, wo es unmöglich erschien, überhaupt Zutritt zu bekommen? Dass sich Menschen aus Neros Gefolge zum Glauben bekehrten, führte Paulus in seinem Brief an die Philipper auf die Tatsache seiner eigenen Gefangenschaft zurück. Weil er befürchtete, sie könnten annehmen, dass seine Leiden den Fortschritt des Evangeliums behindert hätten, versicherte er ihnen: »Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten.« (Philipper 1,12)

Als die christlichen Gemeinden zum ersten Mal davon erfahren hatten, dass Paulus Rom besuchen wollte, hatten sie freudig einen außerordentlichen Triumph des Evangeliums in jener Stadt erwartet. Paulus hatte die Wahrheit in viele Länder getragen und sie in großen Städten verkündigt. Würde es diesem Vorkämpfer des Glaubens nicht auch gelingen, in der Hauptstadt der Welt Menschen für Christus zu gewinnen? Doch ihre Hoffnungen wurden zunichte gemacht, als sie erfuhren, dass Paulus als Gefangener nach Rom gekommen war. Sie hatten zuversichtlich gehofft, miterleben zu können, wie das Evangelium - sobald es erst einmal in dieser großen Metropole Fuß gefasst hatte - sich zu allen Völkern hin ausbreiten und zu einer herrschenden Macht auf der Erde werden würde. Wie groß war daher ihre Enttäuschung! Zwar waren menschliche Erwartungen fehlgeschlagen, nicht jedoch Gottes Absicht.

Nicht durch die Predigten von Paulus, sondern durch seine Fesseln wurde die Aufmerksamkeit des Hofes auf das Christentum gelenkt. Als Gefangener zerbrach er die Ketten, die so viele Menschen in der Sklaverei der Sünde gefangen hielten. Und das war noch nicht alles. Er erklärte: »Die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind umso kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu.« (Philipper 1,14)

Die Geduld und Fröhlichkeit des Paulus während seiner langen, ungerechten Gefangenschaft, sein Mut und sein Glaube waren eine beständige Predigt. Seine Geisteshaltung, die so ganz anders war als die der Welt, bezeugte, dass eine höhere, überirdische Macht mit ihm war. Und durch sein Beispiel wurden Christen zu größerem Eifer für die Sache des Herrn angespornt, die in der Öffentlichkeit zu vertreten dem Apostel nun verwehrt war. So waren sogar die Fesseln des Paulus von großem Einfluss; denn als es schien, als wären seine Kraft und seine Wirksamkeit am Ende und als könnte er nun am allerwenigsten tun, gerade dann durfte er Garben für Christus von Feldern ernten, von denen er völlig abgeschnitten zu sein schien.

Noch vor dem Ende dieser zweijährigen Gefangenschaft konnte Paulus sagen: »Dass ich meine Fesseln für Christus trage, das ist im ganzen Prätorium und bei allen andern offenbar geworden.« (Philipper 1,13) Und unter denen, die der Gemeinde in Philippi Grüße sandten, erwähnte er besonders »die aus dem Haus des Kaisers« (Philipper 4,22).

Gottes Diener Wirken In Jeder Lage

So wie Mut, erringt auch Geduld ihre Siege. Nicht weniger als durch kühne Tatkraft können durch Sanftmut in Anfechtungen Menschen für Christus gewonnen werden. Der Christ, der bei Verlust und Leiden Geduld und Fröhlichkeit zeigt, der selbst dem Tod mit dem Frieden und der Ruhe eines standhaften Glaubens entgegensieht, kann für das Evangelium mehr bewirken, als er durch ein langes Leben treuer Arbeit hätte erzielen können. Wenn ein Diener Gottes mitten aus dem aktiven Dienst abberufen wird, dann kommt es oft vor, dass die geheimnisvolle Fügung, die unser kurzsichtiger Verstand beklagen würde, durch Gott dazu bestimmt ist, ein Werk zu vollbringen, das auf andere Weise nie getan worden wäre.

Kein Nachfolger Christi sollte meinen, er habe keinen Dienst mehr zu leisten, keinen Lohn mehr zu erlangen, wenn er nicht mehr in der Lage ist, öffentlich und aktiv für Gott und dessen Wahrheit zu arbeiten. Wahre Zeugen für Christus werden nie zum »alten Eisen« geworfen. In Gesundheit und Krankheit, mitten im Leben oder angesichts des Todes - Gott gebraucht sie in jeder Lage. Wenn Diener Christi durch Satans Arglist verfolgt wurden, wenn ihre aktive Arbeit behindert wurde, wenn sie ins Gefängnis geworfen oder zum Schafott oder Scheiterhaufen geschleppt wurden, geschah es, damit die Wahrheit einen größeren Triumph erlangen sollte. Wenn diese Getreuen ihr Zeugnis mit ihrem Blut besiegelten, wurden Menschen, die bis dahin in Zweifel und Ungewissheit verharrten, vom Glauben an Christus überzeugt, und mutig bezogen sie von nun an Stellung für ihn. Aus der Asche der Märtyrer erwuchs eine reiche Ernte für Gott.

Der Eifer und die Treue des Paulus und seiner Mitarbeiter und nicht weniger auch der Glaube und Gehorsam jener neuen Christusgläubigen, die unter so abschreckenden Umständen lebten, stellen einen Tadel für die Faulheit und das mangelnde Vertrauen mancher Diener Christi dar. Der Apostel und die ihm zur Seite stehenden Mitarbeiter hätten argumentieren können, es sei doch vergeblich, Bedienstete Neros zur Umkehr und zum Glauben an Christus zu rufen, da sie doch starken Versuchungen unterworfen, von gewaltigen Hindernissen umgeben und erbitterter Gegnerschaft ausgesetzt sind. Selbst wenn sie von der Wahrheit überzeugt würden, wie könnten sie ihr Gehorsam leisten? Doch so argumentierte Paulus nicht. Im Glauben legte er diesen Menschen das Evangelium vor, und unter den Zuhörern gab es einige, die sich entschlossen zu gehorchen - koste es, was es wolle. Trotz Hindernissen und Gefahren wollten sie das Licht annehmen und Gott vertrauen, dass er ihnen helfen werde, ihr Licht für andere leuchten zu lassen.

Es wurden nicht nur aus dem Haushalt des Kaisers Menschen für die Wahrheit Christi gewonnen wurden, sondern sie blieben auch nach ihrer Bekehrung am Hof. Sie fühlten sich nicht frei, ihre pflichtgemäße Stellung nur deshalb zu verlassen, weil ihre Umgebung ihnen nicht mehr zusagte. Dort hatte die Wahrheit sie gefunden, und dort blieben sie, und durch ihren veränderten Lebenswandel und Charakter bezeugten sie die umwandelnde Kraft ihres neuen Glaubens.

Verachtung Und SpotT - Kein Grund Zur Untätigkeit

Sind wir vielleicht versucht, unsere Lebensumstände dafür verantwortlich zu machen, dass wir es unterlassen, Zeugen für Christus zu sein? Bedenken wir doch die Situation der Christen im Umkreis des Kaisers - die Sittenlosigkeit des Herrschers, die Lasterhaftigkeit des Hofes. Wir können uns schwerlich noch ungünstigere Umstände für ein christliches Leben mit größeren Opfern und stärkerem Widerstand vorstellen, als es damals für die Neubekehrten der Fall war. Doch inmitten von Schwierigkeiten und Gefahren hielten sie an ihrer Treue fest. Angesichts von unüberwindlich erscheinenden Hindernissen mag ein Christ versuchen, sich vom Gehorsam gegenüber der Wahrheit, die in Jesus ist, zu entschuldigen; doch es gibt hier keine Rechtfertigung, die einer kritischen Untersuchung standhalten würde. Wäre dies möglich, würde Gott als ungerecht dastehen, weil er seinen Kinder Bedingungen für ihre Erlösung auferlegt, die sie nicht erfüllen können.

Wer sein Herz ganz darauf ausgerichtet hat, Gott zu dienen, wird auch Gelegenheit finden, für ihn Zeugnis abzulegen. Schwierigkeiten werden für den kein Hindernis sein können, der entschlossen ist, »zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit« zu trachten (Matthäus 6,33). In der Stärke, die der Christ durch das Gebet und durch das Studium des Wortes Gottes erlangt, wird er der Tugend nachstreben und dem Laster absagen. Im Blick auf Jesus, den »Anfänger und Vollender des Glaubens ... der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat« (Hebräer 12,2.3), wird auch der Gläubige willig der Verachtung und dem Spott trotzen. Für jede Lebenslage hat Gott, dessen Wort Wahrheit ist, ausreichende Hilfe und Kraft zugesagt. Seine ewigen Arme umfangen jeden Gläubigen, der sich hilfesuchend an ihn wendet. In seiner Fürsorge dürfen wir sicher ruhen und sagen: »Wenn ich mich fürchte, so hoffe ich auf dich.« (Psalm 56,4) Gott wird seine Verheißung an all denen wahrmachen, die ihr Vertrauen auf ihn setzen.

Durch sein eigenes Beispiel hat der Erlöser gezeigt, dass seine Nachfolger »in der Welt« leben können, ohne »von der Welt« zu sein (Johannes 17,11.14). Er ist nicht gekommen, um an ihren trügerischen Vergnügungen teilzunehmen, um sich von ihren Sitten beherrschen zu lassen und um ihren Praktiken zu folgen, sondern um den Willen seines Vaters zu tun und »zu suchen und selig zu machen, was verloren ist« (Lukas 19,10). Mit diesem Ziel vor Augen kann ein Christ unbefleckt in jedem Umfeld bestehen. Wie auch immer seine Stellung oder seine Verhältnisse sein mögen - exklusiv oder einfach -, er wird die Macht des wahren Glaubens in der treuen Erfüllung seiner Pflicht bekunden.

Nicht da, wo es keine Anfechtungen gibt, sondern inmitten von Anfechtungen entwickelt sich ein christlicher Charakter. Abgewiesen zu werden und Widerstand zu erleben führt den Nachfolger Christi zu größerer Wachsamkeit und ernsterem Gebet zu seinem mächtigen Helfer. Wenn wir harte Anfechtungen durch Gottes Gnade ertragen, üben wir uns in Geduld, Wachsamkeit und Festigkeit und entwickeln ein tiefes, bleibendes Vertrauen zu Gott. Es ist der Triumph des christlichen Glaubens, dass er seinen Anhängern die Fähigkeit schenkt, zu leiden und stark zu sein; sich zu fügen und dadurch zu siegen; den ganzen Tag getötet zu werden und doch zu leben (vgl. Römer 8,36), das Kreuz zu tragen und so »die unvergängliche Krone der Herrlichkeit« zu empfangen (1. Petrus 5,4).