------------------------Christi Gleichnisse CGl 7 1 Vorwort CGl 17 1 Kapitel 1 -- Gleichnisse als göttliche Lehrmittel CGl 33 1 Kapitel 2 -- "Es ging ein Sämann aus zu säen" CGl 61 1 Kapitel 3 -- "Zum ersten das Gras, darnach die Ähren" CGl 69 1 Kapitel 4 -- Das Unkraut CGl 75 1 Kapitel 5 -- "Gleich einem Senfkorn" CGl 79 1 Kapitel 6 -- Andere aus dem Säen des Samens gezogene Lehren CGl 93 1 Kapitel 7 -- "Einem Sauerteig gleich" CGl 101 1 Kapitel 8 -- Der verborgene Schatz CGl 113 1 Kapitel 9 -- Die Perle CGl 120 1 Kapitel 10 -- Das Netz CGl 122 1 Kapitel 11 -- "Neues und Altes" CGl 137 1 Kapitel 12 -- Bitten, um zu geben CGl 148 1 Kapitel 13 -- Zwei Anbeter CGl 162 1 Kapitel 14 -- "Sollte aber Gott nicht auch retten seine Auserwählten?" CGl 183 1 Kapitel 15 -- "Dieser nimmt die Sünder an" CGl 196 1 Kapitel 16 -- "Verloren und ist gefunden worden" CGl 210 1 Kapitel 17 -- "Laß ihn noch dies Jahr" CGl 217 1 Kapitel 18 -- "Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune" CGl 241 1 Kapitel 19 -- Das Maß der Vergebung CGl 250 1 Kapitel 20 -- Ein Gewinn, der Verlust ist CGl 258 1 Kapitel 21 -- "Eine große Kluft befestiget" CGl 270 1 Kapitel 22 -- Sagen und Tun CGl 282 1 Kapitel 23 -- Des Herrn Weinberg CGl 304 1 Kapitel 24 -- Ohne hochzeitlich Kleid CGl 321 1 Kapitel 25 -- Die Zentner CGl 363 1 Kapitel 26 -- "Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon" CGl 372 1 Kapitel 27 -- "Wer ist denn mein Nächster?" CGl 385 1 Kapitel 28 -- Der Gnadenlohn CGl 400 1 Kapitel 29 -- Dem Bräutigam entgegengehen CGl 416 1 Kapitel 30 -- Die Hochzeit des Lammes ------------------------Vorwort CGl 7 1 Jesus Christus ist fürwahr der Lehrer von Gott gekommen und als solcher diente ihm die herrliche Natur als sein beliebtester und geeignetster Hörsaal. Während er durch Feld und Flur streifte, über Berg und Tal wandelte, seinen Blick nach dem hohen Libanon oder dem weiten Meere schweifen ließ, an den lieblichen Gestaden des Galiläischen Meeres weilte, dem rasch dahineilenden Jordan entlang ging oder seinen Weg mitten durch das verpönte Samariterland nahm, um nach der holden Stadt Davids in Judäa zu ziehen, so schöpfte er aus all dieser Umgebung manche köstliche Belehrung und Unterweisung für seine Jünger oder auch oft für die große Volksmenge, die sich um diesen himmlischen Lehrer scharte, der redete, wie noch kein Mensch geredet hatte. CGl 7 2 Hatten schon Propheten und weise Männer vor alters sich vielfach bildlicher Redeweise und passender Gleichnisse bedient, um das Vorgeführte zu beleben und desto besser zu veranschaulichen, so hat Jesus in dieser mit unübertroffener Meisterschaft gehandhabten Darstellungsweise das geeignetste Mittel gefunden, um die Heimlichkeiten des Himmelreiches in der anschaulichsten und zugleich anmutigsten Form wiederzugeben. Die tiefsten Wahrheiten himmlischer Dinge werden hier in das Alltagsgewand des Volkes gekleidet. An volkstümliche, vertraute Vorgänge werden köstliche Gedanken übersinnlicher Wahrheiten geknüpft und kurze Betrachtungen der liebevollen Teilnahme Gottes in unser Wohlergehen, des ihm dafür gebührenden innigen Dankes und der wahren Nächstenliebe, die daraus entspringen sollte. CGl 8 1 In den Gleichnissen Jesu offenbart sich jener Kindessinn, dem der erste Ehrenplatz im Himmelreich zukommt und in denen der weise Haushalter die reiche Schatzkammer göttlicher Wahrheit auch der einfältigsten, verlangenden Seele erschließt. CGl 8 2 In dem vorliegenden Werke sind achtundzwanzig Gleichnisse es göttlichen Lehrmeisters je nach Darstellungsform und Inhalt in sechs Gruppen geordnet und die in denselben enthaltenen Lehren aufs wirkungsvollste hervorgehoben.Besondere Aufmerksamkeit wurde den vielen Illustrationen des Buches zugewandt, damit durch dieselbe das Auge des Lesers auch im Bilde das wieder schaue, was einst die Hörer dieser Gleichnisse in Wirklichkeit in ihrer nächsten Umgebung erblicken konnten. CGl 8 3 Das Werk ist bereits in vielen großen Auflagen in Englisch erschienen, auch in Schwedisch und Dänisch. Gegenwärtig wird es in Französisch und Spanisch herausgegeben. In der deutschen Sprach sind auch schon etliche Auflagen erschienen. Die vorliegende Auflage jedoch ist eine gründliche Neubearbeitung. Damit aber das Evangelium vom Reich wirklich in der ganzen Welt als guter Same zu herrlichen Ernte in der Endzeit reife und als Sauerteig die Welt mit seiner lebenspendenden Kraft durchdringe, ist auch seitens des Verfassers das Ergebnis seiner Arbeit an diesem Werke für die Ausbildung geeigneter junger Männer und Frauen bestimmt worden, die als Boten der frohen Botschaft hinausziehen wollen in die dunkle Heidenwelt, besonders auch in unsere deutschen Kolonien. CGl 8 4 Unsere bisherige Erfahrung hat schon reichlich bewiesen, daß "Christi Gleichnisse" von allen, welche das Wahre und Edle lieben, gewürdigt und geschätzt werden. Möge das Werk in seiner neuen, hübscheren Gestalt sich einen Platz noch in manchen deutschen Herzen sichern und vielen zum Heile und Segen gereichen. Die Herausgeber, Vom Natürlichen zum Geistlichen, Die Natur ist der Spiegel der Gottheit. ------------------------Kapitel 1 -- Gleichnisse als göttliche Lehrmittel CGl 17 1 In der Belehrung, welche Christus durch Gleichnisse erteilte, verfolgte er denselben Grundsatz, wie in seiner ganzen Mission an die Welt. Um uns mit seinem göttlichen Charakter und Leben bekannt zu machen, nahm er unsere Natur an und wohnte unter uns. Die Gottheit wurde in dem Menschen, die unsichtbare Herrlichkeit in der sichtbaren, menschlichen Form offenbart. Da die Menschen Unbekanntes nur durch Bekanntes lernen konnten, wurden himmlische Dinge durch irdische dargestellt; Gott offenbarte sich im Ebenbilde des Menschen. So war es auch mit den Lehren Christi: Unbekanntes wurde durch Bekanntes, göttliche Wahrheiten durch irdische Dinge, mit denen die Menschen am vertrautesten waren, veranschaulicht. CGl 17 2 Die Schrift sagt: "Solches alles redete Jesus durch Gleichnisse zu dem Volk, ... auf daß erfüllet würde, das gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: Ich will meinen Mund auftun in Gleichnissen und will aussprechen die Heimlichkeiten von Anfang der Welt." Matthäus 13,34.35. Jesus bediente sich natürlicher Dinge, um geistliche mitzuteilen; Dinge aus der Natur und den Lebenserfahrungen seiner Zuhörer wurden mit den Wahrheiten des geschriebenen Wortes in Verbindung gebracht. Indem die Gleichnisse Christi in dieser Weise vom natürlichen zum geistlichen Reiche führen, sind sie Glieder in der Kette der Wahrheiten, welche den Menschen mit Gott, die Erde mit dem Himmel verbindet. CGl 18 1 In den Lehren, welche Christus der Natur entnahm, sprach er von den Dingen, welche seine eigenen Hände gemacht hatten, und welche Eigenschaften und Kräfte besaßen, die er selbst ihnen mitgeteilt hatte. Alles Geschaffene war in seiner ursprünglichen Vollkommenheit ein Ausdruck des Gedankens Gottes. Die Natur war für Adam und Eva in ihrem paradiesischen Heim voll von der Erkenntnis Gottes und bot ihnen eine Fülle göttlicher Belehrung. Die Weisheit sprach zu ihrem Auge und wurde in ihr Herz aufgenommen; denn sie verkehrten mit Gott in seiner Schöpfung. Sobald das heilige Paar das Gesetz des Allerhöchsten übertrat, verschwand der widerstrahlende Glanz des Angesichtes Gottes von der Natur. Die jetzige Erde ist durch die Sünde entstellt und befleckt. Aber selbst in diesem entstellten und entweihten Zustande ist ihr doch noch viel Schönes geblieben. Die geschaffenen Dinge, durch welche Gott zu den Menschen redet, sind nicht verwischt oder zerstört, sondern reden noch heute, wenn sie richtig verstanden werden, von ihrem Schöpfer. CGl 18 2 In den Tagen Christi war dies aus den Augen verloren worden. Die Menschen hatten beinahe aufgehört, Gott in seinen Werken zu erkennen. Die Sünde der Menschen hatte ein Leichentuch über die schöne Schöpfung geworfen und anstatt Gott zu offenbaren, verhüllten seine Werke ihn vor den Augen der Menschen. Deshalb sagt auch die Schrift von den Menschen, daß sie "haben geehret und gedient dem Geschöpfe mehr denn dem Schöpfer". In dieser Weise sind die Heiden "in ihrem Dichten eitel worden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert". Römer 1,25.26. So waren auch in Israel Menschenlehren an die Stelle göttlicher Lehren gesetzt worden. Nicht nur die Natur, sondern der Opferdienst und die heiligen Schriften selbst -- die doch alle gegeben waren, um Gott zu offenbaren -- wurden durch falsche Deutung so entstellt daß sie Mittel wurden den Herrn zu verbergen. CGl 19 1 Christus versuchte, das zu entfernen, was die Wahrheit verdunkelt hatte. Er kam, um den Schleier, den die Sünde über das Angesicht der Natur geworfen hatte, wegzuziehen; damit die Herrlichkeit, welche alle geschaffenen Dinge widerstrahlen sollten, wieder gesehen werden konnte. Seine Worte verliehen den Lehren der Natur und der Bibel ein neues Aussehen und machten sie zu einer neuen Offenbarung. CGl 19 2 Jesus pflückte die schöne Lilie und reichte sie den Kindern, Jünglingen und Jungfrauen, und indem diese in sein eigenes jugendliches Antlitz, erfrischt durch das Sonnenlicht von seines Vaters Angesicht, blickten, gab er ihnen die Lehre: "Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie (in der Einfachheit natürlicher Schönheit) wachsen; sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist als derselbigen eins," und dann folgte die herrliche Versicherung und die wichtige Lehre; "So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr euch tun, o ihr Kleingläubigen?" In der Bergpredigt wurden diese Worte außer an die Kinder und Jugend auch noch an andere gerichtet. Sie wurden zu der ganzen versammelten Menge gesprochen, unter welcher mit Sorgen und Schwierigkeiten beladene und von Enttäuschung und Kummer niedergedrückte Männer und Frauen waren. Jesus fuhr dann fort: "Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Nach solchem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr des alles bedürft." Dann streckte er seine Hände aus zu der ihn umgebenen Menge und sagte: "Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen." Matthäus 6,28-33. CGl 19 3 Auf diese Weise legte Jesus selbst die Botschaft aus, die er den Lilien und dem Gras auf dem Felde aufgetragen hatte. Er wünscht noch heute, daß wir sie in einer jeden Lilie, in einem jeden Grashalm lesen. Seine Worte sind voller Verheißungen und geeignet, das Gottvertrauen zu stärken. CGl 20 1 So weitgehend war Christi Blick für Wahrheit, und so ausgedehnt waren seine Lehren, daß jede Gestaltung und jeder Wechsel in der Natur benutzt wurden, um die Wahrheit zu veranschaulichen. Szenen, wie sie das Auge heute noch jeden Tag sieht, wurden alle mit irgend einer geistlichen Wahrheit verbunden, so daß die Natur mit den Gleichnissen des Meisters bekleidet ist. CGl 20 2 Während der ersten Zeit seines Lehramts hatte Christus in so einfachen Worten zum Volke geredet, daß alle seine Zuhörer die Wahrheiten, die ihnen zur Seligkeit gereichen würden, hätten fassen können. Aber in vielen Herzen hatte die Wahrheit keine Wurzel gefaßt, und war deshalb schnell wieder verschwunden. "Darum rede ich zu ihnen durch Gleichnisse," sagte er. "Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht; denn sie verstehen es nicht ... Denn dieses Volkes Herz ist verstockt, und ihre Ohren hören übel, und ihre Augen schlummern." Matthäus 13,13-15. CGl 21 1 Jesus wünschte zum Nachforschen anzuregen. Er versuchte die Sorglosen aufzurütteln und die Wahrheit ihrem Herzen einzuprägen. Das Lehren durch Gleichnisse war volkstümlich und genoß die Aufmerksamkeit und Achtung nicht nur der Juden, sondern auch anderer Völker. Jesus hätte keine wirksamere Unterrichtsmethode anwenden können. Hätten seine Zuhörer den Wunsch nach Erkenntnis göttlicher Dinge gehegt, so würden sie seine Worte verstanden haben, denn er war immer bereit, sie dem ehrlichen Forscher zu erklären. CGl 21 2 Christus hatte dem Volke Wahrheiten zu bringen, auf deren Annahme es nicht vorbereitet war und die es nicht einmal verstehen konnte; das war ein weiterer Grund, weshalb er in Gleichnissen lehrte. Indem er seine Lehren mit Ereignissen aus dem Leben, der täglichen Erfahrung oder der Natur verband, erlangte er die Aufmerksamkeit der Zuhörer und machte Eindruck auf ihre Herzen. Wenn sie dann später auf die Gegenstände blickten, mit denen er seine Lehren veranschaulichte, dann kamen ihnen die Worte des göttlichen Lehrers wieder in Erinnerung, und den Gemütern, die dem Heiligen Geist geöffnet waren, wurde die Bedeutung der Lehren des Heilandes mehr und mehr entfaltet, das Geheimnisvolle wurde ihnen verständlich und das, was vorher schwer zu fassen war, wurde ihnen klar und begreiflich. CGl 21 3 Jesus suchte sich einen Weg zu einem jeden Herzen. Indem er so viele verschiedene Illustrationen benutzte, stellte er nicht nur die Wahrheit in ihren verschiedenen Formen dar, sondern paßte sie auch den verschiedenen Zuhörern an, deren Interesse durch Bilder, die der Umgebung ihres täglichen Lebens entnommen waren, angeregt wurde, so daß keiner von denen, die dem Heilande zuhörten, sich vernachlässigt oder vergessen wähnen konnte. Die Allergeringsten und Sündigsten hörten in seinen Lehren eine Stimme, die in Mitleid und Liebe zu ihnen sprach. CGl 22 1 Noch einen andern Grund hatte Jesus, sich der Gleichnisse zu bedienen. Unter den Scharen, die sich um ihn versammelten, waren Priester und Rabbiner, Schriftgelehrte und Älteste, Herodianer und Oberste, weltliebende, bigotte und ehrgeizige Männer, welche nichts sehnlicher wünschten, als eine Beschuldigung gegen ihn zu finden. Ihre Spione folgten seinen Schritten Tag für Tag, um ein Wort von seinen Lippen aufzufangen, welches seine Verurteilung veranlassen könnte, um so auf immer den Einen, der die ganze Welt an sich zu ziehen schien, zum Stillschweigen zu bringen. Der Heiland erkannte den Charakter dieser Menschen und führte die Wahrheit in einer solchen Weise vor, daß sie nichts darin finden konnten, und Anlaß zu nehmen, ihn vor den Hohen Rat zu führen. In Gleichnissen tadelte er die Heuchelei und das gottlose Wesen derjenigen, die hohe Stellungen einnahmen, und kleidete in bildlicher Sprache so schneidende Wahrheiten ein, daß wenn dieselben als direkte Anklage vorgebracht worden wären, die Betreffenden seinen Worten nicht zugehört, sondern seinem Lehramt ein schnelles Ende bereitet haben würden. Aber während er den Spähern auswich, brachte er die Wahrheit doch so klar vor, daß die Irrtümer aufgedeckt wurden und alle, die aufrichtigen Herzens waren, Nutzen aus seinen Lehren zogen; er zeigte die göttliche Weisheit, die unendliche Gnade in den von Gott geschaffenen Dingen. Aus der Natur und den Lebenserfahrungen belehrte er die Menschen über Gott. "Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen ... an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt." Römer 1,20. CGl 23 1 In den Lehren des Heilandes durch Gleichnisse finden wir eine Andeutung von dem, worin die wahre "höhere Bildung" besteht. Christus hätte den Menschen die tiefsten Wahrheiten der Wissenschaften eröffnen, hätte Geheimnisse erschließen können, welche, um sie zu ergründen, Jahrhunderte angestrengten Studiums und anhaltender Arbeit kosteten; er hätte Vorschläge auf dem Gebiet der Wissenschaften machen können, die bis zum Ende dieser Welt Stoff zum Nachdenken und Anregung zu Erfindungen gegeben haben würden; aber er tat es nicht. Er sagte nichts, um die Neugierde zu befriedigen oder den Ehrgeiz zu nähren und dadurch den Menschen die Türen zur Erlangung weltlicher Größe zu öffnen. In allen seinen Lehren brachte Christus die Gedanken des Menschen mit den großen Gedanken des Ewigen in Berührung. Er wies die Leute nicht an, menschliche Auslegungen über Gott, sein Wort oder seine Werke zu studieren, sondern lehrte sie, ihn dadurch zu erkennen, wie er sich in seinen Werken, in seinem Worte und durch seine Vorsehung offenbart. CGl 23 2 Christus brachte keine nackten Theorien, sondern lehrte etwas, das zur Entwicklung des Charakters notwendig ist; etwas, das die Fähigkeit des Menschen, Gott zu erkennen und Gutes zu tun, vergrößert. Er redete von solchen Wahrheiten, die das Verhalten im täglichen Leben bedingen und die einen Grund für die Ewigkeit legen. CGl 24 1 Christus leitete die Erziehung Israels. Betreffs der Gebote und Verordnungen des Herrn sagte er: "... und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzest oder auf dem Wege gehest, wenn du dich niederlegst oder aufstehst, und sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sollen dir ein Denkmal vor deinen Augen sein, und sollst sie über deines Hauses Pfosten schreiben und an die Tore." 5.Mose 6,7-9. Jesus zeigte in seinen Lehren, wie dies Gebot erfüllt werden kann -- wie die Gebote und Grundsätze des Reiches Gottes so dargelegt werden können, daß ihre Schönheit und Köstlichkeit offenbar wird. Als der Herr die Kinder Israel zu seinen besonderen Vertretern erziehen wollte, gab er ihnen ihr Heim zwischen den Hügeln und Tälern. In ihrem Familienleben und ihren Gottesdiensten wurden sie beständig mit der Natur und dem Worte Gottes in Berührung gebracht. Gleicherweise unterrichtete Jesus seine Jünger am See, am Bergabhang, in den Feldern und Hainen, wo sie Dinge in der Natur, durch welche er seine Lehren veranschaulichte, mit ihren Augen wahrnehmen konnten. Das, was sie auf diese Weise von Jesu lernten, konnten sie, indem sie seine Mitarbeiter wurden, praktisch anwenden. CGl 24 2 So sollen wir durch die Schöpfung mit dem Schöpfer bekannt werden. Das Buch der Natur ist ein großes Lehrbuch, welches wir in Verbindung mit der Heiligen Schrift benutzen sollen, um andere über Gottes Charakter zu belehren und verlorene Schafe zu seiner Hürde zurückzuführen. Während der Mensch die Werke Gottes studiert, überzeugt ihn der Heilige Geist. Es ist dies keine Überzeugung, die durch logisches Nachdenken erlangt wird, sondern es ist -- wenn das Gemüt nicht zu verfinstert worden ist, um Gott zu erkennen, oder das Auge zu trübe, um ihn zu sehen, das Ohr zu taub, um seine Stimme zu hören -- das Erfassen einer tieferen Bedeutung und das Einprägen der erhabenen göttlichen Wahrheiten des geschriebenen Wortes in das Herz. CGl 25 1 In diesen direkt aus der Natur gezogenen Lehren liegt eine Einfachheit und Reinheit, die ihnen den höchsten Wert verleiht. Alle bedürfen des Unterrichts, der von dieser Quelle erlangt werden kann. Schon an und für sich leitet die Schönheit der Natur die Seele von der Sünde und den weltlichen Vergnügungen ab und führt sie zur Reinheit, zum Frieden und zu Gott hin. Nur zu oft werden die Gemüter Forschender mit menschlichen Theorien und Spekulationen angefüllt, die fälschlicherweise als Wissenschaft und Philosophie bezeichnet werden; solchen ist die nahe Berührung mit der Natur vonnöten. Sie sollten lernen, daß die Schöpfung und das Christentum ein und denselben Gott haben. Man lehre sie, die Harmonie des Natürlichen mit dem Geistlichen zu erkennen, und alles, was ihre Augen sehen oder ihre Hände berühren, zur Lehre zu benutzen, um den Charakter aufzubauen; auf diese Weise werden die Geisteskräfte gestärkt, der Charakter entwickelt und das ganze Leben veredelt. CGl 26 1 Indem Christus durch Gleichnisse lehrte, verfolgte er denselben Zweck, den er beim Einsetzen des Sabbats im Auge hatte. Gott gab den Menschen das Gedächtnis seiner Schöpfungskraft, damit sie ihn in seinen Werken erkennen möchten. Der Sabbat weist uns hin auf die Herrlichkeit des Schöpfers in den von ihm geschaffenen Werken; und weil Jesus wünschte, daß wir dies erkennen sollten, verband er seine köstlichen Lehren mit der Schönheit natürlicher Dinge. Vor allen anderen Tagen sollten wir am heiligen Ruhetage die Botschaften studieren, die Gott für uns in der Natur geschrieben hat. Wir sollten die vom Heilande gegebenen Gleichnisse da studieren, wo er sie gesprochen hat, in den Feldern und Hainen, unter dem offenen Himmelszelt, inmitten des Grases und der Blumen. Indem wir auf diese Weise dem Herzen der Natur so recht nahe kommen, macht Christus seine Gegenwart fühlbar und spricht zu unsren Herzen von seinem Frieden und seiner Liebe. Christus hat aber seine Lehren nicht nur mit dem Ruhetage verbunden, sondern auch mit der Arbeitswoche. Er hat Weisheit für den, der den Pflug führt und den Samen sät. Im Pflügen und Säen, im Ackern und Ernten gibt er uns ein Bild von seinem Gnadenwerk an unserem Herzen, und so möchte er, daß wir in jeder nützlichen Arbeit und in jeder Lebensstellung eine Bekundung göttlicher Wahrheit finden; dann wird unsere tägliche Arbeit nicht so sehr unsere Aufmerksamkeit beanspruchen, daß wir über dieselbe unseres Gottes vergessen, sondern wird uns vielmehr beständig an unseren Schöpfer und Erlöser erinnern. Der Gedanke an Gott wird sich wie ein goldener Faden durch alle unsere Sorgen und Arbeiten des täglichen Lebens hindurchziehen. Für uns wird die Herrlichkeit seines Angesichts wieder auf dem Antlitz der Natur ruhen; wir werden immer neue Offenbarungen himmlischer Wahrheit empfangen und zu dem Ebenbild seiner Reinheit heranwachsen. In dieser Weise werden wir "gelehrt sein vom Herrn", und wozu wir auch berufen werden, darin werden wir "bleiben bei Gott". Der göttliche Lehrer CGl 28 1 Im Tempel der Natur erschollen hehre Lehren, Gar viele scharten sich um jenes Wortes Schall. Konnt' je ein Mensch so seinen Schöpfer ehren, So klar erkennen das Verborg'ne all? Klang je ein Wort so holdselig, so rein? Konnt' je ein Mensch die Herzen so erfreun? CGl 28 2 So wie der Sämann den Samen eifrig sät, So fällt ins Herz das hehre treue Gotteswort; So wie der Landmann nach den Früchten spähet, So wartet Gott geduldig fort und fort; So sorglos wie das kleine Vögelein, Sollt sich der Mensch der Güte Gottes freun. CGl 28 3 So wie das Weib nach dem verlorenen Groschen schauet, So halte treulich an im Suchen nach dem Licht; Beharrlich wie der Freund dem Freunde trauet, Halt' an im Flehn um das, was dir gebricht! Wie nach dem Sohn der Vater sehnlichst späht, So Gott dem Sünder schon entgegengeht. CGl 28 4 Wie jener Mann sich seine Gäste freundlich ladet, So sendet Gott der Boten viele nach dir aus; Wie ohne Hochzeitskleid der Gast sich schadet, So kommst auch du geschmückt nur in sein Haus! Den klugen Jungfrau'n öffnet sich der Saal! -- Die Kinder Gottes gehn zum Hochzeitsmahl! Das Säen des Samens CGl 28 5 "Der Same ist das Wort Gottes." Lukas 8,11. ------------------------Kapitel 2 -- "Es ging ein Sämann aus zu säen" CGl 33 1 Auf der Grundlage von Matthäus 13,1-9.18-25; Markus 4,1-20; Lukas 8,4-15. Der Sämann und der Same CGl 33 2 Durch das Gleichnis vom Sämann stellt Christus das Himmelreich und das Werk des großen Ackermannes für sein Volk dar. Wie ein Sämann ins Feld geht zu säen, so kam Jesus, um den Samen himmlischer Wahrheiten auszustreuen, und seine Lehren in Gleichnissen waren der Same, in welchem die köstlichen Gnadenbotschaften ausgestreut wurden. Von dem natürlichen Samen, der auf das Erdreich gestreut wird, wünscht Christus unsere Gedanken auf den Evangeliumssamen zu lenken, durch dessen Aussaat der Mensch wieder zur Treue gegen Gott zurückgebracht wird. Der Herrscher des Himmels gab das Gleichnis von dem kleinen Samenkorn; und dieselben Gesetze, die das Säen des irdischen Samens regieren, regieren auch das Säen des Samens der Wahrheit. CGl 33 3 Dort, am Galiläischen Meer hatte sich eine Schar versammelt, um Jesum zu sehen und zu hören -- eine begierige, erwartungsvolle Schar, in deren Mitte Kranke auf ihren Matten lagen und sich darnach sehnten, ihm ihr Bedürfnis vorzulegen. Ihm stand das Recht von Gott zu, die Leiden des sündigen Menschengeschlechts zu heilen, daher gebot er jetzt der Krankheit zu weichen, und verbreitete Leben, Gesundheit und Frieden um sich her. CGl 34 1 Als die Menge beständig wuchs und die Leute sich nahe an Christum drängten, blieb kein Raum mehr für andere. Er trat deshalb, indem er den Männern in ihren Fischerbooten ein paar Worte zurief, in das Schiff, welches bereit lag, um ihn auf die andere Seite des Sees zu bringen, gebot seinen Jüngern, ein wenig vom Lande abzustoßen und redete vom Boot aus zu der am Ufer versammelten Menge. An dem Ufer des Sees lag die schöne Ebene Genezareth, darüber hinaus erhoben sich die Hügel, und an deren Seiten sowie auch in der Ebene waren Sämänner und Schnitter, die einen mit dem Ausstreuen des Samens und die andern mit dem Einheimsen des frühen Getreides beschäftigt. Im Hinblick darauf sagte Christus: CGl 34 2 "Siehe, es ging ein Sämann aus, zu säen. Und indem er säte, fiel etliches an den Weg; da kamen die Vögel, und fraßen's auf; etliches fiel in das Steinige, da es nicht viel Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und dieweil es nicht Wurzel hatte, ward es dürre. Etliches fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen auf und erstickten's. Etliches fiel auf ein gut Land und trug Frucht, etliches hundertfältig, etliches sechzigfältig, etliches dreißigfältig." Matthäus 13,3-8. CGl 34 3 Die Mission Christi wurde von den Menschen seinerzeit nicht verstanden. Die Art und Weise seines Kommens entsprach nicht ihren Erwartungen. Der Herr Jesus war die Grundlage der ganzen jüdischen Einrichtung, deren erhabener Gottesdienst von Gott angeordnet worden war und das Volk lehren sollte, daß zu der bestimmten Zeit der kommen würde, auf den die Zeremonien hinwiesen. Aber die Juden hatten den ganzen Wert auf die Formen und Zeremonien gelegt, und dabei ihren eigentlichen Zweck aus den Augen verloren. Die Überlieferungen, Satzungen und menschlichen Anordnungen verhüllten ihnen die Lehren, die Gott durch diese Zeremonien ihnen beibringen wollte. Diese Überlieferungen und Vorschriften wurden ihrem Verständnis und der Ausübung wahrer Religion nur ein Hindernis, und als die Wirklichkeit in der Person Christi erschien, da erkannten sie in ihm nicht die Erfüllung aller ihrer Vorbilder, nicht das Wesen aller ihrer Schatten. Sie verwarfen das Gegenbild und hielten an ihren Vorbildern und nutzlosen Zeremonien fest und fuhren fort -- obgleich der Sohn Gottes gekommen war -- um ein Zeichen zu bitten. Ihre Antwort auf die Botschaft: "Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen" (Matthäus 3,2), war die Forderung eines Wunders; das Evangelium Christi wurde ihnen zum Stein des Anstoßes, weil sie nach Zeichen anstatt nach einem Heilande verlangten. Sie erwarteten, daß der Messias seine Ansprüche durch mächtige Siege beweisen und sein Reich auf den Trümmern irdischer Reiche aufrichten werde. Als Antwort auf diese Erwartung gab Christus das Gleichnis vom Sämann. Nicht durch Macht der Waffen, nicht durch gewaltsame Vermittlung sollte das Reich Gottes den Sieg davontragen, sondern durch das Einpflanzen eines neuen Grundsatzes in die Herzen der Menschen. CGl 35 1 "Des Menschen Sohn ist's, der da guten Samen sät." Matthäus 13,37. Christus war gekommen, nicht als König, sondern als Sämann; nicht um Königreiche zu stürzen, sondern um Samen auszustreuen; nicht um seine Nachfolger auf irdische Triumphe und nationale Größe hinzuweisen, sondern auf eine Ernte, die nach geduldiger Arbeit, unter Verlust und Enttäuschungen eingeheimst werden wird. CGl 35 2 Die Pharisäer verstanden wohl die Bedeutung des von Christo gegebenen Gleichnisses, aber die darin liegende Lehre war ihnen unwillkommen und deshalb taten sie, als ob sie dieselbe nicht verständen. Der großen Masse aber wurde die Absicht des neuen Lehrers, dessen Worte ihre Herzen so eigentümlich bewegten und ihre ehrgeizigen Bestrebungen so bitter enttäuschten, in ein noch größeres Geheimnis gehüllt. Selbst die Jünger hatten das Gleichnis nicht verstanden, doch war ihr Interesse erweckt worden und sie kamen zu Jesu besonders und baten ihn um eine Erklärung. CGl 35 3 Dies Verlangen zu erwecken, war gerade der Wunsch Jesu, damit er ihnen eingehendere Unterweisungen geben könnte. Er erklärte ihnen das Gleichnis, wie er allen, die ihn aufrichtigen Herzens bitten, sein Wort klar machen wird. Diejenigen, die das Wort Gottes mit dem herzlichen Verlangen nach Erleuchtung durch den Heiligen Geist studieren, werden betreffs der Bedeutung des Wortes nicht in Dunkelheit bleiben. "So jemand will des Willen tun," sagte Christus, "der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich von mir selbst rede." Johannes 7,17. Alle die mit dem Verlangen nach einer klareren Erkenntnis der Wahrheit zu Christo kommen, werden sie auch erhalten; er wird ihnen die Geheimnisse des Himmelreichs entfalten, und diese Geheimnisse werden von dem Herzen, das darnach verlangt, die Wahrheit zu erkennen, verstanden werden. Ein himmlisches Licht wird in den Seelentempel hineinscheinen und wird anderen offenbar werden wie das helle Licht einer Lampe auf dem dunklen Pfad. CGl 36 1 "Es ging ein Sämann aus zu säen." Im Orient waren die Zustände so unsicher und ungeregelt, und die Gefahr der Gewalttaten war so groß, daß die Bevölkerung meistens in mit Mauern umgebenen Städten wohnte und die Ackerleuchte täglich hinausgingen, um außerhalb der Stadtwälle ihre Arbeit zu verrichten. So ging auch Christus, der himmlische Sämann, aus zu säen: er verließ sein sicheres, friedliches Heim, verließ die Herrlichkeit, die er bei dem Vater hatte, ehe die Welt war, und entsagte seiner Stellung auf dem Throne des Weltalls. Er ging hinaus, als ein Mann des Leidens, einsam und allein und der Versuchung ausgesetzt, um für eine gefallene Welt den Samen des Lebens mit Tränen zu säen und ihn mit seinem Blute zu begießen. CGl 36 2 In gleicher Weise müssen auch seine Knechte ausgehen, um zu säen. Als Abraham berufen ward, den Samen den Wahrheit zu säen, wurde ihm geboten: "Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will." 1.Mose 12,1. "Und ging aus, und wußte nicht, wo er hinkäme." Hebräer 11,8. So erhielt auch der Apostel Paulus, als er im Tempel zu Jerusalem betete, die göttliche Weisung: "Gehe hin, denn ich will dich ferne unter die Heiden senden." Apostelgeschichte 22,21. Also müssen alle, die berufen werden, sich mit Christo vereinigen, alles verlassen, um ihm nachzufolgen; alte Verbindungen müssen abgebrochen, Lebenspläne aufgegeben und alle irdischen Hoffnungen begraben werden. Unter Arbeit und mit Tränen, in der Einsamkeit und mit Aufopferung muß der Same gesät werden. CGl 37 1 "Der Sämann sät das Wort." Christus kam, um in der Welt Wahrheit zu säen. Seit dem Sündenfall hat Satan immerdar den Samen des Irrtums gesät. Durch eine Lüge erlangte er zuerst die Herrschaft über den Menschen, und in derselben Weise wirkt er auch noch, um das Reich Gottes auf Erden zu stürzen und die Menschen unter seine Macht zu bringen. Als ein Sämann aus einer höhern Welt kam Christus, um den Samen der Wahrheit zu säen. Er, der am Ratschluß Gottes teilgenommen und im innersten Heiligtum des Ewigen gewohnt hatte, konnte den Menschen die reinen Grundsätze der Wahrheit bringen. Seitdem der Mensch gefallen ist, hat Christus der Welt beständig die Wahrheit offenbart. Durch ihn wird der unvergängliche Same, nämlich das lebendige "Wort Gottes, das da ewiglich bleibet" (1.Petrus 1,23), mitgeteilt. Schon in jener ersten Verheißung, die unserm gefallenen Geschlecht im Garten Eden gegeben wurde, säte Christus den Evangeliumssamen. Doch das Gleichnis vom Sämann bezieht sich besonders auf sein persönliches Wirken unter den Menschen und auf das Werk, welches er dadurch gründete. CGl 38 1 Das Wort Gottes ist der Same. Aller Same hat einen Lebenskeim in sich, in welchem das Leben der Pflanze sozusagen eingeschlossen liegt. Gleicherweise ist auch Leben im Worte Gottes. Christus sagt: "Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben." Johannes 6,63. "Wer mein Wort höret, und glaubet dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben." Johannes 5,24. In einem jeden Gebot und in einer jeden Verheißung des Wortes Gottes liegt die Kraft, das Leben Gottes selbst, durch welche das Gebot erfüllt und die Verheißung verwirklicht werden kann. Wer im Glauben das Wort annimmt, empfängt direkt das Leben und den Charakter Gottes. CGl 38 2 Ein jedes Samenkorn bringt Frucht nach seiner Art. Wenn man den Samen unter den richtigen Bedingungen sät, so wird er ein Leben nach seiner Art in der Pflanze entwickeln. Gleicherweise wird auch der unvergängliche Same des Wortes, der im Glauben in die Seele aufgenommen ist, einen Charakter und ein Leben hervorbringen, welche dem Charakter und dem Leben Gottes ähnlich sind. Die Lehrer Israels säten den Samen des Wortes Gottes nicht. Das Werk Christi als eines Lehrers der Wahrheit war in einem entschiedenen Gegensatz zu dem der Rabbiner seiner Zeit. Sie bestanden auf den Überlieferungen, auf menschlichen Theorien und Anschauungen, stellten das, was ein Mensch über das Wort gelehrt oder geschrieben hatte, oft über das Wort selbst und ihre Lehren hatten keine Kraft, die Seele zu beleben. Christus aber lehrte und predigte das Wort Gottes; denen die ihn durch Fragen verwirren wollten, antwortete er mit einem: "Es steht geschrieben"; "Was sagt die Schrift?" "Wie liesest du?" Bei jeder Gelegenheit, gleichviel ob durch Freund oder Feind das Interesse erweckt worden war, säte er den Samen des Wortes. Der, welcher die Wahrheit und das Leben, das lebendige Wort selbst ist, weist auf die Heilige Schrift und sagt: "Sie ist's, die von mir zeuget." Johannes 5,39. Und "von Mose und allen Propheten anfangend, legte er seinen Jüngern alle Schriften aus, die von ihm gesagt waren". Lukas 24,27. CGl 39 1 Die Diener Christi sollen dasselbe Werk tun. In unserer Zeit werden, wie vor alters, die lebendigen Wahrheiten des Wortes Gottes beiseite gesetzt, und menschliche Theorien und Anschauungen an ihrer Statt angenommen. Viele, die sich Prediger des Evangeliums nennen, nehmen nicht die ganze Bibel als das von Gott eingegebene Wort an; ein weiser Mann verwirft einen Teil, und ein anderer stellt einen andern Teil in Frage. Sie setzen ihr Urteil über das Wort, und die Schrift, welche sie lehren, ruht auf ihrer eigenen Autorität, und somit wird der Glaube an ihren göttlichen Ursprung vernichtet. Auf diese Weise wird der Same des Unglaubens allenthalben gesät, denn die Leute werden verwirrt und wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. Vieles wird geglaubt, wozu die Menschen gar keinen Grund haben. So legten die Rabbiner zur Zeit Christi vielen Teilen der Heiligen Schrift einen geheimnisvollen, dunklen erzwungenen Sinn unter. Weil die klaren Lehren des Wortes Gottes ihre Handlungsweise verdammten, versuchten sie die Kraft desselben abzuschwächen. Dasselbe geschieht auch heute. Man stellt das Wort Gottes als etwas Geheimnisvolles und Dunkles dar, um die Übertretung des göttliches Gesetzes zu entschuldigen. Diese Handlungsweise tadelte Christus; er lehrte, daß das Wort Gottes von allen verstanden werden sollte. Er wies hin auf die Schrift als auf eine unbestreitbare Autorität, und wir sollten dasselbe tun. Die Bibel soll als das Wort des ewigen Gottes, als das Ende aller Streitfragen und das Fundament alles Glaubens dargestellt werden. CGl 39 2 Die Bibel ist ihrer Kraft beraubt worden und die Folgen zeigen sich im Dahinschwinden des geistlichen Lebens. In den Predigten, die heutzutage von vielen Kanzeln ertönen, ist nicht jene göttliche Kraft, welche das Gewissen erweckt und der Seele Leben gibt. Die Zuhörer können nicht sagen: "Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete?" Lukas 24,32. Viele verlangen nach dem lebendigen Gott und sehnen sich nach der göttlichen Gegenwart, aber philosophische Theorien oder literarische Abhandlung, so prächtig sie auch sein mögen, können das Herz nicht befriedigen; Behauptungen und Erfindungen von Menschen haben keinen Wert. Das Wort Gottes muß zu den Menschen reden. Wer nur Überlieferungen, menschliche Theorien und Vorschriften gehört hat, muß die Stimme dessen hören, dessen Wort die Seele zum ewigen Leben erneuern kann. Das Lieblingsthema Christi war die väterliche Liebe und die Gnadenfülle Gottes; er sprach viel über die Heiligkeit seines Charakters und seines Gesetzes, und stellte sich selbst den Menschen als den Weg, die Wahrheit und das Leben dar. Die Prediger Christi sollten diese Dinge auch zu ihrem Thema nehmen. Verkündigt die Wahrheit, wie sie in Jesu ist; erklärt die Forderungen des Gesetzes und des Evangeliums; erzählt den Leuten von Christi Selbstverleugnung und Aufopferung, von seiner Demütigung und seinem Tode, von seiner Auferstehung und Himmelfahrt, von seiner Fürsprache für sie vor dem Throne Gottes und von seiner Verheißung: Ich will "wiederkommen und euch zu mir nehmen". Johannes 14,3. CGl 40 1 Anstatt irrige Theorien zu erörtern oder zu versuchen Gegner des Evangeliums Christi zu bekämpfen, folgt dem Beispiel Christi. Laßt frische Wahrheiten aus dem Schatzhause Gottes aufflammen ins Leben. "Predigt das Wort." "Säet allenthalben an den Wassern," "es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit." "Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? Spricht der Herr." "Alle Worte Gottes sind durchläutert ... Tue nichts zu seinen Worten, daß er dich nicht strafe, und werdest lügenhaft erfunden." 2.Timotheus 4,2; Jesaja 32,20; Jeremia 23,28; Sprüche 30,5.6. CGl 40 2 "Der Sämann sät das Wort." Hier wird der große Grundsatz dargelegt, welcher aller Erziehungsarbeit zugrunde liegen sollte. "Der Same ist das Wort Gottes." Aber in vielen Schulen heutzutage wird das Wort Gottes beiseite gesetzt; andere Gegenstände beschäftigen den Geist, das Studium ungläubiger Schriftsteller nimmt einen großen Platz in dem jetzigen Erziehungssystem ein. Die Lesebücher in den Schulen enthalten ungläubige Gedanken. Auch wissenschaftliche Forschungen leiten irre, weil ihre Entdeckungen mißdeutet und verkehrt werden. Das Wort Gottes wird mit mutmaßlichen Lehren der Wissenschaft verglichen und als unsicher und unzuverlässig hingestellt. So wird der Same des Zweifels in die Gemüter der Jugend gepflanzt, der dann zur Zeit der Versuchung aufgeht. Wenn der Glaube an das Wort Gottes verloren ist, dann hat die Seele keinen Führer, keinen Leiter; die Jugend gerät auf Abwege, welche von Gott und dem ewigen Leben entfernen. CGl 41 1 Die allenthalben um sich greifende Gottlosigkeit in unserer Zeit ist in einem hohen Grade gerade dieser Ursache beizumessen. Wenn das Wort Gottes beiseite gesetzt wird, so wird damit auch die Kraft desselben, die sündigen Leidenschaften des natürlichen Herzens zu dämpfen, verworfen. Die Menschen säen auf ihr Fleisch und ernten vom Fleisch das Verderben. CGl 41 2 Hier liegt auch die große Ursache geistiger Schwäche und Unfähigkeit. Indem man sich von Gottes Wort abwendet und sich von den Schriften nichtinspirierter Menschen nährt, verkümmert der Geist, weil er nicht in Berührung mit den tiefen, viel umfassenden Grundsätzen der ewigen Wahrheit gebracht wird. Das Verständnis paßt sich den Dingen an, mit deren Erfassen es sich vertraut macht. Gibt es sich mit vergänglichen Dingen ab, so wird es so geschwächt und seine Kraft schrumpft so zusammen, daß es mit der Zeit jeder weiteren Ausdehnung unfähig ist. CGl 41 3 Solch eine Erziehung ist eine ganz unrichtige. Ein jeder Lehrer sollte es sich zur Aufgabe machen, die Gemüter der Jugend auf die großen Wahrheiten der Heiligen Schrift zu lenken, denn nur sie wirkt eine Erziehung, welche für dieses und für das zukünftige Leben wesentlich ist. CGl 41 4 Man denke ja nicht, daß dies das Studium der Wissenschaften hindern oder einen minderwertigen Bildungsgrad zur Folge haben werde. Die Kenntnisse, die Gott mitteilt, sind so hoch wie der Himmel und so umfassend wie das Weltall. Nichts veredelt und belebt so sehr, als das Studium der großen Dinge, die unser ewiges Leben betreffen. Wenn die Jugend gelehrt wird, diese von Gott gegebenen Wahrheiten zu erfassen und zu begreifen, dann wird ihre Fassungskraft sich erweitern und erstarken, und jeder Schüler, der ein Täter des Wortes ist, wird in ein größeres Feld des Denkens versetzt und sichert sich einen Schatz der Erkenntnis, welcher unvergänglich ist. CGl 42 1 Die Bildung, welche man durch Forschen in der Heiligen Schrift erlangen soll, besteht in einer Erkenntnis des Erlösungsplanes aus eigener Erfahrung. Eine solche Bildung wird das Ebenbild Gottes in der Menschenseele wiederherstellen, wird sie gegen Versuchungen stärken und festigen und den Lernenden befähigen, ein Mitarbeiter in seinem Werk der Gnade für die Welt zu werden. Sie wird ihn zu einem Gliede der himmlischen Familie machen und ihn vorbereiten, am Erbteil der Heiligen im Licht teilzunehmen. CGl 42 2 Aber der Lehrer göttlicher Wahrheit kann nur das mitteilen, was er selbst durch Erfahrung weiß. "Der Sämann säte seinen Samen." Christus lehrte die Wahrheit, weil er die Wahrheit war. Sein eigenes Denken, sein Charakter, seine Lebenserfahrungen waren in seinen Lehren verkörpert. So sollte es auch mit seinen Dienern sein. Diejenigen, welche das Wort lehren wollen, müssen es sich durch persönliche Erfahrung zu eigen machen, müssen wissen, was es bedeutet, daß Christus ihnen zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung gemacht ist. Wenn sie das Wort Gottes verkündigen, so sollten sie es nicht als etwas Zweifelhaftes oder etwas Fragliches hinstellen; sie sollten vielmehr mit dem Apostel Petrus sagen: "Denn wir sind nicht klugen Fabeln gefolget, da wir euch kundgetan haben die Kraft und Zukunft unsers Herrn Jesu Christi, sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen." 2.Petrus 1,16. Ein jeder Prediger Christi und ein jeder Lehrer sollte imstande sein, mit dem geliebten Johannes zu sagen: "Das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, welches war bei dem Vater, und ist uns erschienen." 1.Johannes 1,2. Der Boden -- Am Wege CGl 43 1 Im Gleichnis vom Sämann haben wir es hauptsächlich mit der Wirkung zu tun, welche der Boden, in den das Samenkorn gesät worden ist, auf das Wachstum desselben ausübt. Durch das Gleichnis sagte Jesus tatsächlich zu seinen Zuhörern: Es ist nicht gut für euch, als Kritiker meines Werkes dazustehen, oder euch der Enttäuschung hinzugeben, weil es nicht euren Ideen entspricht. Die Frage von größter Wichtigkeit für euch ist: Wie nehmt ihr die Botschaft auf? Euer ewiges Schicksal hängt davon ab, ob ihr sie aufnehmt oder ob ihr sie verwerft. CGl 43 2 In der Erklärung des Samens, welcher an den Weg fiel, sagte er: "Wenn jemand das Wort von dem Reich höret und nicht verstehet, so kommt der Arge und reißet hinweg, was da gesät ist in sein Herz; und das ist der, bei welchem an dem Wege gesät ist." Matthäus 13,19. CGl 43 3 Der am Wege gesäte Same stellt das Wort Gottes dar, wenn es auf das Herz des unaufmerksamen Zuhörers fällt. Dem harten, von den Füßen der Menschen und Tiere festgetretenen Pfad ist das Herz gleich, welches zur Landstraße für das irdische Jagen und Treiben, für die Vergnügungen und Sünden dieser Welt geworden ist. Indem es in selbstsüchtigem Streben und sündigen Leidenschaften aufgeht, wird es "durch Betrug der Sünde" (Hebräer 3,13) verhärtet; die geistigen Fähigkeiten werden gelähmt. Solche Menschen hören wohl das Wort, aber sie verstehen es nicht; sie merken nicht, daß es auf sie Anwendung hat. Sie sehen weder ihre Bedürfnisse noch ihre Gefahr; auch erkennen sie nicht die Liebe Christi und lassen seine Gnadenbotschaft an sich vorübergehen als etwas, das sie nichts angeht. CGl 43 4 Wie die Vögel bereit sind, den Samen am Wege aufzupicken, so steht auch Satan bereit, den Samen göttlicher Wahrheit von der Seele wegzunehmen. Er fürchtet, daß das Wort Gottes die Achtlosen aufwecken und auf das verhärtete Herz einwirken möchte. Satan und seine Engel wohnen den Versammlungen bei, wo das Evangelium gepredigt wird, und während Engel vom Himmel versuchen, das Herz durch das Wort Gottes zu rühren, ist auch der Feind auf seinem Posten, um das Wort wirkungslos zu machen. Mit allem Ernst, dem nur seine Bosheit gleich kommt, versucht er das Wirken des Geistes Gottes zu durchkreuzen. Während Christus eine Seele durch seine Liebe zieht, versucht Satan dieselbe von dem Heiland abzulenken, indem er die Gedanken mit weltlichen Plänen füllt, zur Kritik anregt oder zu Zweifel und Unglauben verleitet. Des Redners Sprache oder die Art und Weise seines Auftretens gefällt zuweilen den Zuhörern nicht und ihre Aufmerksamkeit wird von diesen Mängeln in Anspruch genommen, und so kommt es, daß die Wahrheit, derer sie bedürfen und die Gott ihnen so gnädiglich sendet, keinen dauernden Eindruck auf sie macht. CGl 44 1 Satan hat viele Gehilfen. Viele geben vor Christen zu sein, und helfen dennoch dem Versucher, den Samen der Wahrheit aus dem Herzen anderer fortzunehmen; andere lauschen der Predigt des Wortes Gottes und kritisieren zu Hause darüber. Sie urteilen über eine Predigt, wie sie ihre Meinung über einen Vortrag oder über eine politische Rede abgeben würden. Die Botschaft, die als das Wort des Herrn an sie betrachtet werden sollte, wird mit Geringschätzung oder spöttischen Bemerkungen besprochen. Des Predigers Charakter, Beweggründe und Handlungen, sowie das Verhalten einiger Gemeindeglieder bilden häufig das Thema der Unterhaltung. Man urteilt strenge, wiederholt Verleumdungen und Klatschereien, oft selbst vor den Ohren der Unbekehrten; oder Eltern reden solches in Gegenwart ihrer Kinder. Auf diese Weise wird die Achtung vor den Boten Gottes und die Ehrfurcht vor ihrer Botschaft zerstört und viele werden gelehrt, das Wort Gottes mit Geringschätzung anzusehen. CGl 45 1 So werden in den Familien derer, die sich zu Christo bekennen, viele junge Leute zu Ungläubigen erzogen; und die Eltern fragen sich dann, warum ihre Kinder so wenig Interesse am Evangelium haben und so bereit sind, die Bibelwahrheit zu bezweifeln. Sie wundern sich darüber, daß es so schwierig ist, durch moralische und religiöse Einflüsse auf sie einzuwirken; sie sehen nicht, daß ihr eigenes Beispiel die Herzen ihrer Kinder verhärtet hat. Der gute Same findet keinen Platz, um Wurzel zu fassen, und Satan nimmt ihn wieder weg. Auf das Steinige CGl 45 2 "Das aber auf das Steinige gesät ist, das ist, wenn jemand das Wort höret, und dasselbige alsbald aufnimmt mit Freuden; aber er hat nicht Wurzel in ihm, sondern er ist wetterwendisch; wenn sich Trübsal und Verfolgung erhebt um des Worts willen, so ärgert er sich bald." Matthäus 13,20.21. CGl 45 3 Der auf steinigen Boden gesäte Same findet nur wenig Erde. Die Pflanze schießt zwar schnell empor; aber die Wurzel kann nicht durch den Felsen dringen, um Nahrung zur Förderung ihres Wachstums zu finden, und sie kommt bald um. Viele, die bekennen Christen zu sein, sind nur Hörer, bei welchen der Same auf steiniges Erdreich gefallen ist. Dem unter der dünnen Erdschicht liegenden Felsen gleich liegt die Selbstsucht des natürlichen Herzens unter den guten Wünschen und Bestrebungen. Die Liebe zum eigenen Ich ist nicht besiegt. Sie haben das außerordentlich Sündhafte der Sünde nicht erkannt und das Herz ist unter dem Gefühl seiner Schuld nicht gedemütigt worden. Diese Klasse könnte überzeugt und auch bekehrt werden, aber ihre Religion ist zu oberflächlich. CGl 46 1 Die Menschen fallen nicht ab, weil sie das Wort zu schnell aufnehmen oder sich desselben zu sehr freuen. Matthäus stand sofort auf, als er den Ruf des Heilandes hörte, verließ alles und folgte ihm nach. Gott wünscht, daß wir das göttliche Wort aufnehmen sobald es zu unseren Herzen kommt, und es ist recht, daß wir es mit Freuden aufnehmen. Es wird "Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut" (Lukas 15,7), und es ist Freude in der Seele, die an Christum glaubt. Aber diejenigen, von denen im Gleichnis gesagt wird, daß sie das Wort alsbald aufnehmen, überschlagen die Kosten nicht; sie erwägen nicht, was das Wort Gottes von ihnen fordert; sie stellen es nicht allen ihren Lebensgewohnheiten gegenüber und unterwerfen sich nicht völlig der Oberherrschaft desselben. CGl 46 2 Die Wurzeln dringen tief ins Erdreich hinein und nähren, unseren Augen verborgen, das Leben der Pflanze. So verhält es sich auch mit dem Christen. Durch die durch den Glauben bewirkte unsichtbare Vereinigung der Seele mit Christo wird das geistige Leben genährt, aber die Hörer, bei denen der Same auf steinigen Boden gefallen ist, vertrauen auf sich selbst anstatt auf Christum. Sie stützen sich auf ihre guten Werke und guten Beweggründe und sind stark in ihrer eigenen Gerechtigkeit, aber nicht stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke. Ein solcher "hat nicht Wurzel in ihm", denn er ist nicht mit Christo verbunden. CGl 46 3 Die heiße Sommersonne, welche das kräftige Getreide stärkt und reift, vernichtet das, was keine tiefen Wurzeln hat. So ist es auch mit dem Menschen, der "nicht Wurzel in ihm" hat; "er ist wetterwendisch" und "wenn sich Trübsal und Verfolgung erhebt um des Worts Willen, so ärgert er sich bald." Viele nehmen das Evangelium an, vielmehr um dadurch Leiden zu entgehen, als um dadurch von der Sünde erlöst zu werden: sie freuen sich eine Zeitlang, weil sie glauben, daß die Religion sie von Schwierigkeiten und Prüfungen befreien wird. Solange alles ohne weitere Störungen vorangeht, mag es scheinen, als ob sie wahre Christen seien, aber unter der feurigen Probe der Versuchung werden sie schwach; sie können um Christi willen keine Schmach tragen. Wenn das Wort Gottes ihnen eine von ihnen genährte Sünde zeigt, oder Selbstverleugnung oder Opfer fordert, so ärgern sie sich; es kostet zu viel Anstrengung, eine gründliche Änderung in ihrem Leben zu machen, und indem sie auf die gegenwärtigen Unbequemlichkeiten und Schwierigkeiten blicken, vergessen sie die ewigen Wirklichkeiten. Den Jüngern gleich, die Jesum verließen, sind auch sie bereit zu sagen: "Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören?" Johannes 6,60. CGl 47 1 Sehr viele geben vor, Gott zu dienen, ohne ihn durch persönliche Erfahrung kennengelernt zu haben. Ihr Wunsch, seinen Willen zu tun, gründet sich auf ihre eigenen Neigungen und nicht auf die vom Heiligen Geiste gewirkte tiefe Überzeugung; ihr Leben ist nicht im Einklang mit dem Gesetze Gottes; sie bekennen wohl Christum als ihren Heiland, aber sie glauben nicht, daß er ihnen Kraft gibt, ihre Sünden zu überwinden. Sie stehen in keinem persönlichen Verhältnis zu einem lebendigen Heiland, und ihre Charaktere offenbaren sowohl angeerbte, wie auch anerzogene Fehler. CGl 47 2 Die Kraft des Heiligen Geistes im allgemeinen anzuerkennen oder sein Wirken als Überführer der Sünde, durch welches er zur Buße leitet, anzunehmen, sind zwei grundverschiedene Dinge. Viele fühlen sich von Gott entfremdet; sie sind sich der Knechtschaft der Sünde und des eigenen Ichs bewußt; sie bestreben sich, umzukehren und anders zu leben, aber sie kreuzigen das eigene Ich nicht, geben sich nicht völlig in die Hände Christi und bitten nicht um göttliche Kraft, seinen Willen zu tun. Sie sind nicht willens, sich nach dem göttlichen Ebenbilde umbilden zu lassen. Im allgemeinen erkennen sie ihre Unvollkommenheiten an, aber sie lassen nicht ab von ihren besonderen Sünden. Mit jeder ungerechten Handlung gewinnt die alte sündige Natur an Stärke. CGl 47 3 Die einzige Hoffnung für diese Seelen ist, an sich selbst die Wahrheit der Worte zu erfahren, die Christus zu Nikodemus sprach: "Ihr müßt von neuem geboren werden." "Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen." Johannes 3,7.3. CGl 48 1 Wahre Heiligung ist ungeteilte völlige Hingabe im Dienste Gottes und sie ist wiederum die Bedingung zu dem wahren christlichen Leben. Christus fordert eine rückhaltlose Hingabe, einen ungeteilten Dienst. Er fordert das Herz, den Verstand, die Seele, die Kraft. Das eigene Ich soll nicht gehegt und gepflegt werden. Wer sich selbst lebt, ist kein Christ. CGl 48 2 Die Liebe muß die Triebfeder aller Handlungen sein. Die Liebe ist die Grundlage der Regierung Gottes im Himmel und auf Erden und muß auch die Grundlage des christlichen Charakters sein. Dies allein kann den Christen standhaft machen und ihn bewahren; dies allein kann ihn befähigen, den Schwierigkeiten und den Versuchungen zu widerstehen. CGl 48 3 Liebe aber offenbart sich im Opfer. Der Erlösungsplan beruht auf einem Opfer -- einem Opfer so groß, so tief und so hoch, daß es unermeßlich ist. Christus gab alles für uns dahin, und wer Christum annimmt, wird bereit sein, alles um des Erlösers willen aufzuopfern. Der Gedanke, ihn zu ehren und ihn zu verherrlichen, wird allen andern voranstehen. CGl 48 4 Wenn wir Jesum lieben, werden wir auch gern für ihn leben, gern ihm unsern Dank darbringen und gern für ihn arbeiten. Für ihn zu wirken wird uns leicht sein; uns wird darnach verlangen, um seinetwillen zu leiden, zu dulden und uns abzumühen. Wir werden mit ihm um das Seelenheil der Menschheit besorgt sein, werden dieselbe warme Liebe für Seelen haben, die er hatte. CGl 48 5 Dies ist die Religion Christi, alles, was daran zu kurz kommt, ist eine Täuschung. Nicht die Theorie der Wahrheit, auch nicht das Bekenntnis der Jüngerschaft wird irgend eine Seele retten. Wir gehören nicht zu Christo, wenn wir nicht völlig sein sind. Gerade durch die Halbherzigkeit im christlichen Leben werden die Menschen schwach in ihrem Vorhaben und veränderlich in ihren Wünschen. Das Bestreben, dem eigenen Ich und zugleich auch Christo zu dienen, macht den Menschen nur zu einem Hörer, der mit dem steinigen Boden verglichen und nicht fest stehen wird, wenn die Prüfung an ihn herantritt. Unter die Dornen CGl 49 1 "Was aber unter die Dornen gesät ist, das ist, wenn jemand das Wort höret und die Sorge dieser Welt und Betrug des Reichtums ersticket das Wort und bringet nicht Frucht." Matthäus 13,22. CGl 49 2 Der Same des Evangeliums fällt oft unter Dornen und schädliches Unkraut, und wenn nicht eine moralische Umbildung im menschlichen Herzen stattfindet, wenn nicht alte Gewohnheiten und das frühere Sündenleben aufgegeben werden, wenn die charakteristischen Eigenschaften Satans nicht aus der Seele entfernt werden, dann wird das Weizenkorn erstickt. Dornen wachsen auf zur Ernte und vernichten den Weizen. CGl 49 3 Die Gnade kann nur in dem Herzen gedeihen, das beständig für den köstlichen Samen der Wahrheit bereitet wird. Die Dornen der Sünde können in irgend einem Boden wachsen; sie bedürfen keiner besonderen Bearbeitung, aber die Gnade muß sorgfältig gehegt und gepflegt werden. Die Dornen wachsen zu jeder Zeit auf und man muß beständig an der Arbeit sein, um sie zurückzuhalten. Wenn das Herz nicht unter der Herrschaft Gottes steht, wenn der Heilige Geist nicht unaufhörlich am Wirken ist, um den Charakter zu läutern und zu veredeln, werden die alten Gewohnheiten sich immer wieder offenbaren. Die Menschen mögen bekennen, dem Evangelium zu glauben; wenn sie aber durch dasselbe nicht geheiligt werden, dann nützt ihr Bekenntnis nichts. Wenn sie nicht den Sieg über die Sünde gewinnen, dann gewinnt die Sünde den Sieg über sie. Die Dornen, die wohl abgehauen, aber nicht mit der Wurzel ausgerissen worden sind, wachsen immer wieder empor, bis die Seele von ihnen überwuchert wird. CGl 49 4 Christus zählte die Dinge auf, welche der Seele gefährlich sind, und führte, wie von Markus berichtet, die Sorgen dieser Welt, den betrüglichen Reichtum und viele andere Lüste an; ebenso nach Lukas Sorgen, Reichtum und Wollust dieses Lebens. Diese sind es, die das Wort, den wachsenden geistlichen Samen, ersticken. Die Seele hört auf, von Christo genährt zu werden und das geistliche Leben stirbt im Herzen ab. CGl 50 1 "Die Sorgen dieser Welt." Keine Klasse ist frei von der Versuchung weltlicher Sorgen. Den Armen bringen schwere Arbeit, Entbehrung und die Furcht vor Mangel Schwierigkeiten und Bürden; die Reichen fürchten Verlust und haben eine ganze Menge ängstlicher Sorgen. Viele der Nachfolger Christi vergessen die Lehre, die er uns von den Blumen des Feldes zu lernen gegeben hat. Sie vertrauen seiner beständigen Fürsorge nicht, und weil sie ihre Lasten nicht auf Christum legen, kann er dieselben nicht tragen. Die Sorgen des Lebens, welche die Menschen zum Heilande führen sollten, um von ihm Hilfe und Trost zu empfangen, werden oft das Mittel, um sie von ihm zu trennen. CGl 50 2 Viele, die im Dienste Gottes Frucht bringen könnten, stellen sich das Erwerben von Reichtümern zur Aufgabe; ihre ganze Kraft wird Geschäftsunternehmungen gewidmet, und sie werden dadurch gezwungen, geistliche Dinge zu vernachlässigen. In dieser Weise trennen sie sich selbst von Gott. In der Schrift wird uns die Mahnung gegeben: "Seid nicht träge in dem, das ihr tun sollt." Römer 12,11. Wir sollen arbeiten, damit wir dem Dürftigen etwas geben können. Christen müssen arbeiten; sie müssen ihrem Geschäft nachgehen, und können dies tun, ohne Sünde zu begehen. Aber viele lassen sich von ihrem Geschäft so in Anspruch nehmen, daß ihnen keine Zeit zum Gebet oder zum Studium der Bibel, keine Zeit um Gott zu suchen oder ihm zu dienen, übrig bleibt. Zuweilen sehnt sich die Seele nach Heiligkeit und nach dem Himmel, aber die Zeit fehlt, um sich von dem Getöse der Welt abzuwenden und der majestätischen, machtvollen Stimme des Geistes Gottes zu lauschen. Die Dinge der Ewigkeit werden als untergeordnet betrachtet, während die Dinge der Welt den ersten Platz einnehmen. Unmöglich kann unter solchen Verhältnissen der Same des Worts Frucht bringen, denn das Leben der Seele wird benutzt, um die Dornen der Weltlichkeit zu nähren. CGl 51 1 Viele, obgleich sie einen ganz anderen Zweck vor Augen haben, fallen in einen ähnlichen Irrtum. Sie wirken für das Wohl anderer, ihre Pflichten sind dringend, ihrer Verantwortlichkeiten viele und ihre Arbeit erlaubt keine Zeit für Andachtsübungen. Sie vernachlässigen den Verkehr mit Gott im Gebet und das Studium seines Wortes und vergessen, daß Christus gesagt hat: "Ohne mich könnt ihr nichts tun." Johannes 15,5. Sie wandeln ohne Christum dahin, ihr Leben wird nicht von seiner Gnade durchdrungen, und die Charakterzüge des eigenen Ichs werden offenbar. Ihr Wirken für andere wird befleckt durch das Verlangen nach Herrschaft und durch harte unliebenswürdige Charakterzüge des unbesiegten Herzens. Hierin liegt eine der hauptsächlichsten Ursachen des Mißerfols in der Arbeit des Christen; dies ist der Grund, weshalb der Erfolg oft so spärlich ist. CGl 51 2 "Der Betrug des Reichtums." Die Liebe zum Reichtum hat eine betörende, täuschende Macht. Nur zu oft vergessen solche, die irdische Güter besitzen, daß Gott ihnen die Kraft gibt, Wohlstand zu erwerben. Sie sagen: "Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir dies Vermögen ausgerichtet." 5.Mose 8,17. Anstatt Dankbarkeit gegen Gott zu erwecken, verleiten ihre Reichtümer sie zur Selbsterhebung; sie verlieren das Gefühl ihrer Abhängigkeit von Gott und ihrer Verpflichtung gegen ihre Nebenmenschen. Anstatt den Reichtum als ein Pfund anzusehen, das sie zur Verherrlichung Gottes und im Dienste der leidenden Menschheit benutzen sollten, betrachten sie ihn als ein Mittel zur Selbstbefriedigung, und anstatt der Eigenschaften Gottes, werden durch den Reichtum die Eigenschaften Satans in den Menschen entwickelt. Der Same des Wortes ist durch die Dornen erstickt worden. CGl 52 1 "Und Wollust dieses Lebens." Es liegt Gefahr in allen Vergnügungen, die man einzig der Selbstbefriedigung halber sucht. Alle Gewohnheiten der Befriedigung, welche die körperlichen Kräfte schwächen, den Verstand umwölken oder die geistige Fassungskraft lähmen und betäuben, sind fleischliche Lüste, "welche wider die Seele streiten". 1.Petrus 2,11. CGl 52 2 "Und viele andere Lüste." Dies sind nicht notwendigerweise Dinge, die an sich selbst sündig sind, sondern solche, denen man anstatt dem Reiche Gottes den ersten Platz gibt. Alles, was das Gemüt von Gott, die Neigungen von Christo abzieht, ist ein Feind der Seele. CGl 52 3 Wenn das Gemüt jugendfrisch, kräftig und einer schnellen Entwicklung fähig ist, dann ist die Versuchung groß, dem eigenen Ich und ehrgeizigen Zwecken zu dienen. Sind dann die weltlichen Pläne erfolgreich, so kommt man leicht auf einen Pfad, der das Gewissen tötet und eine richtige Schätzung dessen, worin wirklicher Adel des Charakters besteht, verhindert; wirken nun noch begünstigende Umstände mit, dann wird sich ein Wachstum zeigen in einer Weise, wie sie im Worte Gottes verboten ist. CGl 52 4 In dieser Bildungsperiode im Leben der Kinder ruht auf den Eltern eine sehr große Verantwortlichkeit. Die sollten beständig darüber nachdenken, ihre Kinder mit den rechten Einflüssen zu umgeben; mit Einflüssen, die ihnen richtige Ansichten vom Leben und dem wahren Erfolg desselben geben. Wie viele Eltern machen es anstatt dessen zu ihrer ersten Aufgabe, ihren Kindern weltliches Gedeihen zu sichern! Alle ihre Gespielen und Kameraden werden mit Rücksicht auf diesen Zweck gewählt. Viele Eltern schlagen ihr Heim in irgend einer großen Stadt auf, führen ihre Kinder in die moderne Gesellschaft ein und umgeben sie mit Einflüssen, welche Weltlichkeit und Stolz geradezu einladen. In dieser Atmosphäre verkrüppeln Gemüt und Seele, hohe und edle Lebensziele werden aus den Augen verloren. Das Vorrecht, Kinder Gottes und Erben des ewigen Lebens zu sein, wird weltlichen Gewinnes wegen preisgegeben. CGl 53 1 Viele Eltern versuchen das Glück ihrer Kinder dadurch zu fördern, daß sie ihre Vergnügungssucht befriedigen. Sie erlauben ihnen an Spielen und Vergnügungen teilzunehmen und versehen sie mit Geld, welches die Kinder leichtsinnig zur Selbstbefriedigung und für allerlei Flittertand ausgeben. Je mehr man der Vergnügungssucht frönt, desto stärker wird sie, und so geht das Interesse solcher Jünglinge und Jungfrauen mehr und mehr in Vergnügen auf, bis sie zuletzt dahin kommen, daß sie es als den Hauptzweck ihres Lebens ansehen. Sie gewöhnen sich an Müßiggang und Selbstbefriedigung, so daß es fast unmöglich für sie wird, jemals standhafte Christen zu werden. CGl 53 2 Selbst die Kirche, welche doch die Säule und Stütze der Wahrheit sein sollte, ermutigt oft die selbstsüchtige Liebe zu Vergnügungen. Wenn Geld zu religiösen Zwecken aufgebracht werden soll, zu welchen Mitteln nehmen da gewisse Kirchengemeinschaften ihre Zuflucht? Zu einem Bazar, zu Festessen, Promenadenkonzerten, ja selbst zu Lotterien und ähnlichen Dingen. Oft wird der Ort, welcher der Anbetung Gottes geweiht sein sollte, durch Essen und Trinken, Kaufen, Verkaufen und allerlei Lustbarkeiten entweiht. Dadurch wird die Achtung vor dem Hause Gottes und der Anbetung Jehovas in den Gemütern der Jugend verringert, die Schranken der Selbstbeherrschung werden geschwächt, die Selbstsucht, der Appetit und die Liebe zu äußerlichem Gepränge genährt, und alle diese Fehler nehmen zu, je mehr man ihnen frönt. CGl 53 3 Die Jagd nach Vergnügungen aller Art ist besonders in den Städten vorherrschend. Viele Eltern, welche für ihre Kinder ein Heim in der Stadt wählen, indem sie glauben, ihnen dort größere Vorteile bieten zu können, erfahren mancherlei Enttäuschungen und bereuen ihren großen Irrtum, wenn es zu spät ist. Die Städte unserer Zeit werden schnell Sodom und Gomorra gleich. Die vielen Feiertage führen zum Müßiggang; die aufregenden Belustigungen -- Theaterbesuche, Pferderennen, Spiele, Zechgelage und Nachtschwärmerei -- regen alle Leidenschaften aufs höchste an und die Jugend wird durch die allgemeine Strömung mit fortgerissen. Solche, die es lernen, das Vergnügen um seiner selbst willen zu lieben, öffnen einer Flut von Versuchungen die Tür; sie geben sich gesellschaftlicher Heiterkeit und gedankenloser Freude hin, und ihr Verkehr mit Vergnügungssüchtigen wirkt wie ein Rausch auf ihr Gemüt. Sie werden von einer Form der Ausschweifung zur andern verleitet, bis sie zuletzt nicht nur den Wunsch, sondern auch die Fähigkeit verlieren, ein nützliches Leben zu führen. Ihr religiöses Verlangen ist dahin, ihr geistiges Leben verdunkelt, alle edleren Seelenkräfte, alles, was den Menschen mit der höheren Welt verbindet, herabgewürdigt und erniedrigt. CGl 54 1 Wohl sehen einige ihre Torheit ein und tun Buße und Gott vergibt ihnen; aber sie haben ihre eignen Seelen verwundet und sich in eine lebenslängliche Gefahr gebracht. Die Unterscheidungsgabe, die immer scharf und klar erhalten werden sollte, um das Rechte von dem Unrechten zu unterscheiden, ist in einem hohen Grade beeinträchtigt, so daß sie nicht sofort die warnende Stimme des Heiligen Geistes, der sie führen will, noch die Schlingen, die Satan ihnen stellt, erkennen können. Nur zu oft fallen sie in der Versuchung oder werden irregeleitet und so von Gott entfernt. Das Ende ihres vergnügungssüchtigen Lebens ist Verderben für diese sowohl als auch für die zukünftige Welt. Die Sorgen, Reichtümer und Vergnügungen benutzt der Satan in seinem Spiel des Lebens um die menschliche Seele, darum wird uns die Warnung gegeben: "Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt." 1.Johannes 2,15.16. Er, welcher die Herzen der Menschen liest wie ein offenes Buch, sagt: "Hütet euch aber, daß eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch." Lukas 21,34. Und der Apostel Paulus schreibt durch die Eingebung des Heiligen Geistes: "Denn die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke und viel törichter und schädlicher Lüste, welche versenken die Menschen ins Verderben und Verdammnis. Denn Geiz ist die Wurzel alles Übels; des hat etliche gelüstet und sind vom Glauben irre gegangen, und machen ihnen selbst viel Schmerzen." 1.Timotheus 6,9.10. Die Zubereitung des Bodens CGl 55 1 In dem ganzen Gleichnis vom Sämann stellt Christus die Sache so dar, daß die verschiedenen Ergebnisse des Säens von dem Boden, auf welchen der Same fällt, abhängen. Der Sämann und der Same sind in einem jeden Falle dieselben. In dieser Weise lehrt er, daß wenn das Wort Gottes nicht in unseren Herzen und unserem Leben sein Werk ausrichtet, der Grund dafür in uns selbst zu suchen ist und wir selbst für die Ergebnisse verantwortlich sind. Allerdings können wir uns selbst nicht ändern, aber wir haben die Kraft zu wählen, und es steht bei uns, zu bestimmen, was wir werden wollen. Die Hörer, die mit dem Wege, dem steinigen und dem mit Dornen bewachsenen Boden verglichen werden, brauchen nicht so zu bleiben. Der Geist Gottes sucht beständig den Bann des Zaubers, der die Menschen in weltlichen Dingen gefangen hält, zu brechen und das Verlangen nach den unvergänglichen Dingen in ihnen zu erwecken. Die Menschen aber widerstehen dem Wirken des Geistes und werden dadurch unaufmerksam auf das Wort Gottes und vernachlässigen es. Sie selbst sind also verantwortlich für die Herzenshärte, die den guten Samen daran hindert, Wurzel zu fassen, und für die bösen Auswüchse, die das Wachstum desselben ersticken. CGl 55 2 Der Garten des Herzens muß bearbeitet werden. Der Boden muß durch tiefe Reue über die Sünde aufgebrochen und giftige, satanische Pflanzen müssen entwurzelt werden. Der einmal von Dornen überwucherte Boden kann nur durch fleißige Arbeit wieder nutzbar gemacht werden. So können auch die bösen Neigungen des natürlichen Herzens nur durch ernste Bestrebungen im Namen und in der Kraft Jesu überwunden werden. Der Herr gebietet uns durch seinen Propheten: "Pflüget ein Neues, und säet nicht unter die Hecken." "Darum säet euch Gerechtigkeit, und erntet Liebe." Jeremia 4,3; Hosea 10,12. Er wünscht dies Werk für uns zu tun und bittet uns, mit ihm zusammen zu wirken. CGl 56 1 Die Arbeit des Sämanns ist es, die Herzen für die Annahme des Evangeliums vorzubereiten. Im Dienst am Wort wird zuviel gepredigt und zu wenig von Herz zu Herz gewirkt. Persönliche Arbeit für die Seelen der Verlorenen ist notwendig. Wie Christus, so sollen auch wir mit demselben Mitgefühl den einzelnen Menschen nahekommen und ihr Interesse an den wichtigen Dingen des ewigen Lebens zu erwecken versuchen. Ihre Herzen mögen so hart sein wie die hartgetretene Landstraße, und es mag ein anscheinend nutzloser Versuch sein, ihnen von einem Heiland zu erzählen; aber während sie auf dem Wege des Verstandes nicht bewegt werden können und alle Beweisgründe machtlos sein mögen, sie zu überzeugen, so mag doch die in persönlichem Dienen offenbarte Liebe Christi das steinerne Herz erweichen, so daß der Same der Wahrheit Wurzel fassen kann. CGl 56 2 Also hat auch der Sämann etwas zu tun, damit der Same nicht durch die Dornen erstickt wird oder wegen der dünnen Erdschicht umkommt. Gleich beim Anfang des christlichen Lebens sollte jeder Gläubige die Grundsätze des Christentums lernen, nämlich, daß er nicht nur durch das Opfer Christi gerettet werden, sondern daß er auch das Leben Christi zu seinem Leben und den Charakter Christi zu seinem Charakter machen soll. Alle Gläubigen sollten lernen Lasten zu tragen und die natürlichen Neigungen zu verleugnen. Sie sollten den Segen kennen lernen, der darin liegt, für Christum zu wirken, ihm in Selbstverleugnung nachzufolgen und als gute Streiter Schwierigkeiten zu ertragen. Lehrt sie Christi Liebe zu vertrauen und alle ihre Sorgen auf ihn zu werfen; laßt sie die Freude schmecken, Seelen für ihn zu gewinnen, und in ihrer Liebe und ihrem Interesse für jene Seelen werden sie sich selbst vergessen. Die Vergnügungen der Welt werden für sie die Anziehungskraft verlieren, und Lasten dieser Erde werden nicht mehr imstande sein, sie zu entmutigen. Die Pflugschar der Wahrheit wird ihr Werk tun; sie wird den harten Boden aufbrechen und wird nicht nur die Spitzen der Dornen abschneiden, sondern letztere mit den Wurzeln ausrotten. Auf gutes Land CGl 57 1 Der Sämann soll nicht immer Enttäuschung erfahren. Von dem Samen, der auf gutes Land fiel, sagte der Heiland: "Das ist, wenn jemand das Wort höret und verstehet es, und dann auch Frucht bringet; und etlicher trägt hundertfältig, etlicher aber sechzigfältig, etlicher dreißigfältig." Matthäus 13,23. "Das aber auf dem guten Land sind: die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld." Lukas 8,15. CGl 57 2 Die Menschen mit "einem feinen, guten Herzen," von welchen das Gleichnis spricht, sind nicht Menschen mit einem Herzen ohne Sünde, denn das Evangelium soll den Verlorenen gepredigt werden. Christus sagte: "Ich bin kommen, zu rufen die Sünder zur Buße, und nicht die Gerechten." Matthäus 2,17. Wer sich durch den Heiligen Geist überzeugen läßt, hat ein feines Herz. Er bekennt seine Schuld und fühlt, daß er der Gnade und Liebe Gottes bedürftig ist und hat den aufrichtigen Wunsch, die Wahrheit zu kennen, um ihr zu gehorchen. Das gute Herz ist ein gläubiges Herz, ein Herz, das Vertrauen in das Wort Gottes setzt. Es ist unmöglich, ohne Glauben das Wort aufzunehmen. "Wer zu Gott kommen will, der muß glauben, daß er sei, und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde." Hebräer 11,6. CGl 57 3 "Das aber in das gute Land gesät ist, das ist, wenn jemand das Wort höret und verstehet es." Die Pharisäer zur Zeit Christi verschlossen ihre Augen, um nicht zu sehen, und ihre Ohren, um nicht zu hören; deshalb konnte die Wahrheit ihre Herzen nicht erreichen, und sie mußten ihrer mutwilligen Unwissenheit und ihrer selbstauferlegten Blindheit wegen die Folgen auf sich nehmen. Aber Christus lehrte seine Jünger, daß sie ihr Verständnis den Belehrungen öffnen und bereit sein sollten zu glauben. Er sprach einen Segen über sie aus, weil sie mit gläubigen Augen und Ohren sahen und hörten. CGl 57 4 Der mit dem guten Lande verglichene Hörer nimmt das Wort auf, "nicht als Menschenwort, sondern, wie es denn wahrhaftig ist, als Gottes Wort." 1.Thessalonicher 2,13. Nur der, welcher die Heilige Schrift als die zu ihm sprechende Stimme Gottes annimmt, ist ein wahrer Lernender. Er nimmt das Wort Gottes mit Ehrfurcht auf, denn es ist ihm eine lebendige Wirklichkeit, der er sein Verständnis und sein Herz öffnet. Solche Hörer waren Kornelius und seine Freunde, welche zu dem Apostel Petrus sagten: "Nun sind wir alle hier gegenwärtig vor Gott, zu hören alles, was dir von Gott befohlen ist." Apostelgeschichte 10,33. CGl 58 1 Die Erkenntnis der Wahrheit hängt nicht so viel von der Größe der Fassungskraft wie von der Lauterkeit der Absicht, der Einfachheit eines ernsten, sich auf Gott verlassenden Glaubens ab. Solchen, die in Herzensdemut göttliche Führung suchen, nahen sich die Engel Gottes, und der Heilige Geist eröffnet ihnen die reichen Schätze der Wahrheit. CGl 58 2 Die mit dem guten Lande verglichenen Hörer behalten das Wort, wenn sie es gehört haben, und Satan mit all seinen höllischen Werkzeugen ist nicht imstande, es ihnen fortzunehmen. CGl 58 3 Es genügt nicht, das Wort nur zu hören oder zu lesen. Wer wünscht, daß die Heilige Schrift ihm etwas nützen soll, der muß über die ihm vorgeführte Wahrheit nachdenken, muß unter Gebet und mit großer Aufmerksamkeit die Bedeutung der Worte der Wahrheit zu erkennen suchen und muß in tiefen Zügen den Sinn des heiligen Wortes aufnehmen. CGl 58 4 Gott wünscht, daß wir uns mit erhabenen, lauteren Gedanken beschäftigen, über seine Liebe und seine Barmherzigkeit nachdenken und sein wunderbares Wirken im großen Erlösungsplan studieren. Dann wird uns die Wahrheit immer klarer und unser Wunsch nach Herzensreinheit und Gedankenklarheit höher und heiliger werden. Die in der reinen Atmosphäre heiliger Gedanken wohnende Seele wird durch den Verkehr mit Gott, im Studium der Heiligen Schrift, umgebildet werden. CGl 59 1 "Und bringen Frucht." Diejenigen, welche nachdem sie das Wort gehört haben, es bewahren, werden in Gehorsam Frucht bringen; das in die Seele aufgenommene Wort Gottes wird sich in guten Werken offenbaren. Das Ergebnis wird in einem Christo ähnlichen Leben und Charakter gesehen werden. Christus sagte von sich selbst: "Deinen Willen, mein Gott, tu ich gern, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen." Psalm 40,9. "Ich suche nicht meinen Willen, sondern des Vaters Willen, der mich gesandt hat." Johannes 5,30. Und die Schrift sagt: "Wer da saget, daß er in ihm bleibet, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat." 1.Johannes 2,6. CGl 59 2 Das Wort Gottes steht oft im Widerspruch mit den angeerbten und anerzogenen Charakterzügen und den Gewohnheiten des täglichen Lebens der Menschen. Aber der mit dem guten Lande verglichene Hörer nimmt das Wort mit allen Bedingungen und Forderungen an und macht seine Gewohnheiten und Gebräuche dem Worte Gottes untertan. In seinen Augen werden die Gebote sterblicher, irrender Menschen neben dem Worte des unendlichen Gottes vollkommen wertlos. Von ganzem Herzen, mit ungeteiltem Streben verlangt er nach dem ewigen Leben, wenn es auch Verluste, Verfolgungen oder gar selbst den Tod verursache: er will doch der Wahrheit gehorchen. CGl 59 3 Er bringt "Frucht in Geduld". Niemand, der das Wort Gottes aufnimmt, entgeht Schwierigkeiten und Prüfungen; aber wenn die Trübsal kommt, gerät der wahre Christ nicht in Unruhe, Mißtrauen oder Verzweiflung. Selbst wenn er das Ende seiner Schwierigkeiten nicht sehen oder die Absicht, die Gott mit ihm hat, nicht erkennen kann, wird er sein Vertrauen nicht wegwerfen, sondern, der Liebe und Gnade des Herrn gedenkend, seine Sorgen auf ihn werfen und mit Geduld auf sein Heil warten. CGl 60 1 Durch Kampf wird das geistliche Leben gestärkt. Gut bestandene Prüfungen werden Standhaftigkeit des Charakters und köstliche, geistliche Tugenden entwickeln. Die vollkommene Frucht des Glaubens, der Sanftmut und der Liebe reift oft in Sturmeswolken und in der Finsternis am besten. CGl 60 2 "Ein Ackermann wartet auf die köstliche Frucht der Erde, und ist geduldig darüber, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen." Jakobus 5,7. So soll auch der Christ mit Geduld auf die in seinem Leben sich zeigende Frucht des Wortes Gottes warten. Oft erhört Gott, wenn wir ihn um die Gaben des Heiligen Geistes bitten, unsere Gebete, indem er uns in Umstände bringt, welche diese Früchte entwickeln; aber wir verstehen seine Absicht nicht, wundern uns deshalb darüber und werden niedergeschlagen oder erschreckt. Und doch kann niemand diese Gnadengaben entwickeln, es sei denn durch Wachstum und Fruchtbringen. Unsere Aufgabe ist es, das Wort Gottes anzunehmen, es fest zu halten und uns vollständig seiner Herrschaft zu unterwerfen; dann wird es seinen Zweck in uns erreichen. CGl 60 3 "Wer mich liebet," sagte Christus, "der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen, und Wohnung bei ihm machen." Johannes 14,23. Die Kraft eines stärkeren, eines vollkommenen Willens wird uns regieren, weil wir eine lebendige Verbindung mit der Quelle der alles ertragenden Kraft haben. In unserem göttlichen Leben werden wir unter die Oberherrschaft Jesu Christi gebracht werden; das gewöhnliche Leben der Selbstsucht hört auf, denn Christus lebt in uns. Sein Charakter wird sich in unserer Natur offenbaren und wir werden die Früchte des Heiligen Geistes darbringen -- "etliche dreißigfältig, und etliche sechzigfältig, und etliche hundertfältig." ------------------------Kapitel 3 -- "Zum ersten das Gras, darnach die Ähren" CGl 61 1 Auf der Grundlage von Markus 4,26-29. CGl 61 2 Das Gleichnis vom Sämann gab Anlaß zu vielen Fragen. Einige der Zuhörer schlossen daraus, daß Christus nicht beabsichtige, ein irdisches Reich aufzurichten und waren deshalb neugierig und beunruhigt. Als Jesus dieses sah, benutzte er noch andere Illustrationen, um noch mehr ihre Gedanken von der Hoffnung auf ein weltliches Reich abzubringen und sie auf das Wirken der Gnade Gottes in der Seele zu lenken. CGl 61 3 "Und er sprach: Das Reich Gottes hat sich also, als wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft, und schläft, und stehet auf, Nacht und Tag; und der Same gehet auf, und wächst, daß er's nicht weiß; denn die Erde bringet von ihr selbst zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren. Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schicket er bald die Sichel hin; denn die Ernte ist da." Markus 4,26-29. CGl 61 4 Der Landmann, der die Sichel hinschickt, weil die Ernte da ist, kann kein anderer sein als Christus. Er wird am letzten großen Tage die Ernte der Erde einheimsen. Aber derjenige, der den Samen sät, stellt die dar, welche an Christi Statt arbeiten. Es wird von dem Samen gesagt, daß er aufgeht, "und wächst, daß er's nicht weiß," was von dem Sohne Gottes nicht gesagt werden konnte. Christus schläft noch schlummert nicht, sondern wacht Tag und Nacht über ihm Anvertraute; er ist nicht in Unkenntnis darüber, wie der Same wächst. CGl 62 1 Das Gleichnis vom Samen offenbart, daß Gott in der Natur am Wirken ist. Der Same hat einen Lebenskeim in sich, den Gott hineingelegt hat, der aber, wenn er sich selbst überlassen bleibt, nicht die Kraft hat, sich zu entwickeln. Der Mensch muß helfen, um das Wachstum des Getreidekörnleins zu fördern; er muß den Boden zubereiten, muß düngen, das Samenkorn hineinstreuen und das Feld bearbeiten. Aber es gibt eine Grenze, über welche hinaus er nichts auszurichten vermag: Keine Macht oder Weisheit des Menschen kann aus dem Samenkorn die lebende Pflanze hervorbringen. Wenn der Mensch alles getan hat, was in seiner Kraft steht, so muß er doch die Hauptsache dem überlassen, der das Säen und das Ernten durch wunderbare Bande seiner Allmacht verbunden hat. CGl 62 2 Es ist Leben im Samenkorn und Kraft in der Erde, aber wenn nicht Tag und Nacht göttliche Macht am Wirken ist, so wird der Same keine Ernte bringen. Der Regen muß gesandt werden, um die durstigen Felder zu feuchten; die Sonne muß Wärme ausstrahlen und dem begrabenen Samenkorn muß Elektrizität mitgeteilt werden. Der Schöpfer allein, der das Leben hineingelegt hat, kann es auch wieder hervorrufen. Ein jedes Samenkorn wächst und eine jede Pflanze entwickelt sich durch die Kraft Gottes. CGl 63 1 "Denn gleich wie Gewächs aus der Erde wächst, und Same im Garten aufgehet, also wird Gerechtigkeit und Lob vor allen Heiden aufgehen aus dem Herrn, Herrn." Jesaja 61,11. Wie mit dem natürlichen, so ist es auch mit dem geistlichen Säen. Der Lehrer der Wahrheit muß versuchen, den Herzensboden vorzubereiten. Er muß den Samen säen, aber die Kraft, die allein das Leben hervorbringen kann, kommt von Gott. Es besteht ein Punkt, über welchen hinaus menschliche Bestrebungen vergeblich sind. Wenn wir auch das Wort predigen, so können wir doch nicht die Kraft mitteilen, welche die Seele belebt und Gerechtigkeit und Lob hervorbringt. Im Predigen des Wortes muß eine Kraft wirken, die menschliche Kraft übersteigt. Nur durch den göttlichen Geist wird das Wort lebendig und kräftig genug, um die Seele zum ewigen Leben zu erneuern. Dies versuchte Christus seinen Jüngern einzuprägen. Er lehrte, daß sie in sich selbst nichts besäßen, wodurch ihr Wirken erfolgreich werden konnte, sondern daß es die wunderwirkende Kraft Gottes ist, welche sein eigenes Wort wirksam macht. CGl 63 2 Die Arbeit des Sämanns ist ein Arbeiten im Glauben. Er kann das Geheimnis, wie der Same wächst und keimt, nicht verstehen, aber setzt Vertrauen in die Mittel, durch welche Gott die Pflanzenwelt zum Wachsen und Blühen bringt. Indem er seinen Samen auf das Erdreich streut, wirft er anscheinend das kostbare Getreide, welches Brot für seine Familie geben könnte, fort. Aber der Sämann gibt nur etwas von dem Guten, was er jetzt besitzt, auf, um später mehr zurückzubekommen. Er wirft den Samen weg, aber er erwartet, ihn vervielfältigt in einer reichen Ernte einzuheimsen. So sollen auch die Diener Christi wirken und von dem ausgesäten Samen eine Ernte erwarten. CGl 63 3 Der gute Samen mag eine Zeitlang unbeachtet in einem kalten, selbstsüchtigen Herzen liegen, ohne irgend ein Anzeichen, daß er Wurzel gefaßt hat. Aber später, wenn der Hauch des Geistes Gottes die Seele berührt, geht der verborgene Same auf und bringt Frucht zur Ehre Gottes. Wir wissen nicht, was von unserer Lebensarbeit Frucht bringen wird, ob dieses oder jenes, aber damit haben wir uns überhaupt nicht zu befassen. Wir müssen unsere Arbeit tun und die Folgen Gott überlassen. "Frühe säe deinen Samen, und laß deine Hand des Abends nicht ab." Gott sagt in seinem Bunde: "So lange die Erde stehet, soll nicht aufhören Same und Ernte." 1.Mose 8,22. Im Vertrauen auf diese Verheißung pflügt und sät der Landmann. Mit nicht weniger Zuversicht sollen wir den geistlichen Samen ausstreuen und seiner Versicherung vertrauen: "Also soll das Wort, so aus meinem Munde gehet, auch sein. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern tun, was mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich's sende." Jesaja 55,11. "Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben." Psalm 126,6. CGl 65 1 Das Keimes des Samens stellt den Anfang des geistlichen Lebens dar und die Entwicklung der Pflanze ist ein schönes Bild des christlichen Wachstums. Wie in der Natur, so ist es auch im Reich der Gnade; es gibt kein Leben ohne Wachstum. Die Pflanze muß entweder wachsen oder sterben. Wie das Wachstum derselben leise und unbemerkbar, aber dennoch beständig vor sich geht, so verhält es sich auch mit der Entwicklung des christlichen Lebens. Unser Leben mag in jeder Entwicklungsstufe vollkommen sein, wird aber, wenn Gott seine Absicht an uns erreicht, im beständigen Fortschritt begriffen sein. Die Heiligung ist das Werk einer ganzen Lebenszeit. Indem unsere Gelegenheiten sich mehren, wird sich auch unsere Erfahrung erweitern und unsere Erkenntnis zunehmen. Wir werden erstarken, um Verantwortlichkeiten tragen zu können und unsere Reise wird im Verhältnis zu unseren Vorrechten voranschreiten. CGl 65 2 Die Pflanze wächst, indem sie das aufnimmt, was Gott zur Erhaltung ihres Lebens vorgesehen hat. Sie sendet ihre Wurzeln tief in das Erdreich hinein. Sie läßt den Sonnenschein, den Tau und den Regen auf sich einwirken. Sie nimmt die lebengebenden Bestandteile der Luft in sich auf. So soll auch der Christ wachsen, indem er sich der göttlichen Mittel und Wege bedient. Wenn wir unsere Hilflosigkeit fühlen, sollen wir jede Gelegenheit benutzen, die uns geboten wird, um eine reichere Erfahrung zu gewinnen. Wie die Pflanze im Erdreich Wurzel faßt, so sollen wir tief eingewurzelt werden in Christo, und wie die Pflanze den Sonnenschein, den Tau und den Regen auf sich einwirken läßt und in sich aufnimmt, so sollen wir unsere Herzen dem Heiligen Geiste öffnen. Das Werk soll "nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth." Sacharja 4,6. Wenn wir unsere Gedanken auf Christum gerichtet halten, so wird er "zu uns kommen wie ein Regen, wie ein Spätregen, der das Land feuchtet". Hosea 6,3. Wie die Sonne der Gerechtigkeit wird er über uns aufgehen und wir werden Heil finden "unter ihren Flügeln". Maleachi 3,20. Wir werden "blühen wie eine Rose" und sollen wie das "Getreide beleben und grünen wie der Weinstock". Hosea 14,6.8. Indem wir uns beständig auf Christum als unseren persönlichen Heiland verlassen, werden wir in allen Stücken hinanwachsen an dem, der das Haupt ist. CGl 66 1 Der Weizen entwickelt "zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren". Der Landmann sät den Samen und pflegt die wachsende Pflanze, um Getreide zu gewinnen. Er begehrt Brot für die Hungrigen und Samen für zukünftige Ernten. So erwartet auch der göttliche Sämann eine Ernte als Lohn seiner Arbeit und seiner Opfer. Er trachtet darnach, sein Bild in den Herzen der Menschen zu erzeugen und er tut dies durch diejenigen, welche an ihn glauben. Der Zweck des christlichen Lebens ist Frucht zu bringen, d.h. den Charakter Christi in dem Gläubigen zu entwickeln, damit derselbe wiederum in anderen hervorgebracht werden kann. CGl 67 1 Die Pflanze keimt nicht, wächst nicht und bringt auch keine Frucht hervor für sich selbst, sondern "daß sie gibt Samen, zu säen, und Brot, zu essen". Jesaja 55,10. Gleichfalls soll auch kein Mensch sich selber leben. Der Christ ist als Vertreter Christi in der Welt zum Heil der Seelen anderer. CGl 67 2 In einem Leben, dessen Mittelpunkt das eigene Ich ist, kann kein Wachstum und keine Fruchtbarkeit sein. Wenn du Christum als persönlichen Heiland angenommen hast, wirst du dich selbst vergessen und anderen zu helfen suchen; du wirst reden von der Liebe Christi, erzählen von seiner Güte, eine jede Pflicht, die sich dir darbietet, erfüllen; du wirst für andere Seelen fühlen und versuchen, durch alle dir zu Gebote stehenden Mittel Verlorene zu retten. So wie du den Geist Christi -- den Geist selbstloser Liebe und Arbeit für andere -- aufnimmst, wirst du wachsen und Frucht bringen. Die Früchte des Geistes werden in deinem Charakter reifen. Dein Glaube wird zunehmen, deine Überzeugung stärker und deine Liebe vollkommener werden. Mehr und mehr wirst du das Bild Christi ausstrahlen in dem, das rein, edel und lieblich ist. "Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit." Galater 5,22. Diese Frucht kann niemals vergehen, sondern wird eine Ernte hervorbringen nach ihrer Art zum ewigen Leben. CGl 67 3 "Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schicket er bald die Sichel hin; denn die Ernte ist da." Christus wartet mit sehnsüchtigem Verlangen darauf, sich durch seine Gemeinde offenbart zu sehen. Wenn der Charakter Christi vollkommen in seinem Volke wird hergestellt sein, dann wird er kommen, um es als sein Eigentum zu beanspruchen. CGl 67 4 Es ist das Vorrecht eines jeden Christen, nicht nur die Wiederkunft unseres Herrn Jesu Christi zu erwarten, sondern sie auch zu beschleunigen. "Da nun dies alles aufgelöst wird, welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit! erwartend und beschleunigend die Ankunft des Tages Gottes." 2.Petrus 3,12 (EB). Wenn alle, die seinen Namen bekennen, auch zu seiner Ehre Frucht brächten, wie bald würde da die ganze Welt mit dem Samen des Evangeliums besät werden! Die letzte große Ernte würde schnell reifen, und Christus würde kommen, um den köstlichen Weizen einzuheimsen. ------------------------Kapitel 4 -- Das Unkraut CGl 69 1 Auf der Grundlage von Matthäus 13,24-30. CGl 69 2 Er legte ihnen ein ander Gleichnis vor, und sprach: "Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind, und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Da nun das Kraut wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut." CGl 69 3 "Der Acker", sagte Christus, "ist die Welt." Aber wir müssen dies so verstehen, daß hier die Gemeinde Christi in der Welt gemeint ist. Das Gleichnis ist eine Beschreibung von dem, was zum Reiche Gottes und zu dem damit verbundenen Erlösungswerk gehört und das dazu auserlesene Werkzeug ist die Gemeinde. Freilich ist der Heilige Geist in die ganze Welt hinausgegangen und wirkt überall an den Herzen der Menschen, aber die Gemeinde ist der Ort, wo wir wachsen und heranreifen sollen, um in die Scheuer Gottes eingeheimst zu werden. CGl 69 4 "Des Menschen Sohn ist's, der da guten Samen sät, ... der gute Same sind die Kinder des Reiches. Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit." Der gute Same stellt diejenigen dar, die vom Worte Gottes, der Wahrheit, geboren sind. Das Unkraut dagegen versinnbildet eine Klasse von Menschen, welche die Frucht oder die Verkörperung von Irrtum und falschen Grundsätzen sind. "Der Feind, der sie sät, ist der Teufel." Weder Gott noch seine Engel haben jemals ein Samenkorn gesät, welches Unkraut hervorbringen würde. Das Unkraut wird immer vom Satan, dem Feinde Gottes und der Menschen, gesät. CGl 70 1 Im Morgenlande rächten sich die Leute manchmal an einem Feinde, indem sie seine neubesäten Felder mit dem Samen eines lästigen Unkrautes bestreuten, welches, während es emporwuchs, dem Weizen sehr ähnlich war. Indem es mit dem Weizen zusammen aufwuchs, schädigte es die Ernte und verursachte dem Eigentümer des Feldes Mühe und Verlust. So streut auch Satan aus Feindschaft gegen Christum seinen bösen Samen unter die gute Aussaat für das Himmelreich und schreibt dann die Frucht dieses Samens dem Sohne Gottes zu. Indem er solche, die zwar Christi Namen tragen, aber seinen Charakter verleugnen, in die Gemeinde bringt, will er bezwecken, daß Gott entehrt, das Erlösungswerk falsch dargestellt und Seelen gefährdet werden. CGl 70 2 Es schmerzt die Diener Christi, wahre und falsche Glieder in der Gemeinde vermischt zu sehen. Sie möchten etwas tun, um die Gemeinde zu reinigen. Gleich den Knechten jenes Menschen sind sie bereit, das Unkraut auszureißen; aber Christus sagt: "Nein, auf daß ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausjätet. Lasset Beides miteinander wachsen bis zu der Ernte." CGl 70 3 Christus hat klar und deutlich gelehrt, daß solche, die in offener Sünde beharren, von der Gemeinde ausgeschlossen werden müssen, aber er hat uns nicht aufgetragen, über Charaktere und Beweggründe zu urteilen. Er kennt unsere Natur zu gut, um uns dies Werk anzuvertrauen. Würden wir versuchen, die, welche wir für falsche Christen halten, aus der Gemeinde zu bringen, so würden wir sicherlich fehl gehen. Oft betrachten wir gerade die, welche Christus zu sich zieht, als hoffnungslose Seelen, denen wir, wenn wir mit ihnen nach unserem unvollkommenen Urteil verfahren, vielleicht den letzten Hoffnungsfunken auslöschen würden. Viele wiederum, die sich für Christen halten, werden zuletzt zu leicht erfunden werden. Es werden viele im Himmel sein, von denen ihre Nachbarn dachten, daß sie nicht hineinkommen würden. Der Mensch urteilt nach dem Schein, aber Gott sieht das Herz an. Das Unkraut und der Weizen sollen zusammen wachsen bis zur Ernte; die Ernte aber ist das Ende der Gnadenzeit. CGl 71 1 In den Worten des Heilandes liegt noch eine andere Lehre, eine Lehre der wunderbaren Langmut und zärtlichen Liebe. Wie die Wurzeln des Unkrautes sich mit denen des Getreides eng verschlingen, so können auch die falschen Brüder in der Gemeinde mit den wahren Jüngern eng verbunden sein. Der wirkliche Charakter dieser vorgeblichen Gläubigen wird nicht völlig offenbar; würden sie aber von der Gemeinde ausgeschlossen, so könnten andere, die sonst standhaft geblieben wären, dadurch zum Straucheln veranlaßt werden. CGl 72 1 Die in diesem Gleichnis gegebene Lehre wird uns in dem Verfahren Gottes mit Menschen und Engeln veranschaulicht. Satan ist ein Betrüger. Als er im Himmel sündigte, erkannten selbst die getreuen Engel seinen Charakter nicht völlig, weshalb Gott ihn auch nicht sofort vernichtete. Hätte Gott das getan, dann würden die heiligen Engel die Liebe und Gerechtigkeit Gottes nicht erkannt haben. Ein Zweifel an der Liebe und Güte Gottes würde wie ein böser Same gewesen sein, der die bittere Frucht der Sünde und des Elendes hervorgebracht haben würde; deshalb wurde der Urheber des Bösen verschont, bis er seinen Charakter völlig entwickeln würde. Lange Zeitalter hindurch hat Gott es schmerzlich empfunden, das Werk des Bösen vorangehen zu sehen. Er hat lieber die unendliche Gabe auf Golgatha dargebracht, als daß irgend jemand durch die falschen Darstellungen des Bösen betört werde, denn das Unkraut konnte nicht ausgejätet werden, ohne Gefahr zu laufen, den köstlichen Samen mit auszuraufen. Sollten wir nicht ebenso langmütig gegen unsere Mitmenschen sein, wie der Herr des Himmels und der Erde es gegen Satan ist? CGl 72 2 Die Welt hat kein Recht, die Wahrheit des Christentums zu bezweifeln, weil unwürdige Glieder in der Gemeinde sind, und Christen sollten wegen dieser falschen Brüder nicht entmutigt werden. Wie verhielt es sich mit der ersten Christengemeinde? Ananias und Saphira schlossen sich den Jüngern an. Simon Magus wurde getauft. Demas, welcher den Paulus verließ, war als Gläubiger betrachtet worden. Judas Ischarioth zählte zu den Aposteln. Der Erlöser will nicht eine Seele verlieren; seine Erfahrung mit Judas ist uns berichtet, um uns seine große Geduld mit der verderbten Menschennatur zu zeigen, und er gebietet uns, mit derselben Nachsicht zu haben, wie er sie auch gehabt hat. Er hat gesagt, daß bis zum Ende der Zeit falsche Brüder in der Gemeinde sein werden. CGl 73 1 Ungeachtet der Warnung Christi haben die Menschen es dennoch versucht, das Unkraut auszujäten. Um solche, die man für Übeltäter hielt, zu bestrafen, hat die Kirche sich der Staatsgewalt bedient. Männer, welche behaupteten, unter der Leitung Christi zu stehen und zu handeln, haben solche, die von der festgesetzten Lehre abwichen, eingekerkert, gefoltert und getötet. Aber solche Handlungen werden durch den Geist Satans und nicht durch den Geist Christi eingegeben. So handelt Satan, um die Welt unter seine Herrschaft zu bringen. Indem die Kirche auf solche Weise mit vorgeblichen Ketzern verfuhr, ist Gott dadurch in ein falsches Licht gestellt worden. CGl 73 2 In den Gleichnissen Christ wird uns nicht gelehrt, andere zu richten und zu verdammen, sondern vielmehr demütig zu sein und dem eigenen Ich zu mißtrauen. Nicht alles, was auf dem Acker gesät wird, ist guter Weizen. Die Tatsache, daß Menschen Gemeindeglieder sind, beweist nicht, daß sie auch Christen sind. CGl 73 3 Das Unkraut, das unter den Weizen gesät war, war dem letzteren sehr ähnlich, solange der Halm noch grün war; wenn aber das Feld weiß zur Ernte dastand, zeigte sich zwischen dem Unkraut und dem Weizen, der unter dem Gewicht der vollen und reifen Ähren sich niederbog, ein großer Unterschied. Sünder, welche vorgeben, fromm zu sein, mischen sich eine Zeitlang unter die wahren Nachfolger Christi und der Anstrich des Christentums ist geeignet, viele zu täuschen; aber in der Ernte der Welt wird keine Ähnlichkeit zwischen dem Guten und dem Bösen sein. Dann werden die, welche sich zwar der Gemeinde angeschlossen, aber sich nicht mit Christo verbunden haben, offenbar werden. CGl 73 4 Es wird dem Unkraut gestattet, unter dem Weizen aufzuwachsen und dieselben Vorteile in bezug auf Sonnenschein und Regen zu genießen; aber in der Zeit der Ernte wird gesehen werden, "was für ein Unterschied sei zwischen den Gerechten und Gottlosen, und zwischen dem, der Gott dienet, und dem, der ihm nicht dienet". Maleachi 3,18. Christus selbst wird entscheiden, wer würdig ist, mit der himmlischen Familie zu wohnen; er wird einen jeden Menschen nach seinen Worten und seinen Werken richten. Das Mundbekenntnis hat kein Gewicht auf der Waage; der Charakter allein entscheidet das Schicksal. CGl 74 1 Der Heiland weist nicht hin auf eine Zeit, zu welcher alles Unkraut Weizen wird. Der Weizen und das Unkraut wachsen miteinander bis zur Ernte, zum Ende der Welt. Dann wird das Unkraut in Bündel gebunden, um verbrannt zu werden, und der Weizen wird in die Scheuer Gottes gebracht. "Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich." Dann wird des Menschen Sohn "seine Engel senden; und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse, und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähneklappen". ------------------------Kapitel 5 -- "Gleich einem Senfkorn" CGl 75 1 Auf der Grundlage von Matthäus 13,31.32; Markus 4,30-32; Lukas 13,18.19. CGl 75 2 Unter der Menge, welche den Lehren Christi lauschte, waren viele Pharisäer. Voller Verachtung bemerkten diese, wie wenige seiner Zuhörer ihn als den Messias anerkannten und sie fragten sich selbst, wie dieser anspruchslose Lehrer Israel zur Weltmacht erhöhen könne. Wie sollte er ohne Reichtum, Macht oder Ehre das neue Reich begründen? Christus las ihre Gedanken und antwortete ihnen: CGl 75 3 "Wem wollen wir das Reich Gottes vergleichen? Und durch welch Gleichnis wollen wir's vorbilden?" In irdischen Regierungen war nichts, womit es verglichen werden konnte. Keine bürgerliche Gesellschaft konnte ihm ein Sinnbild darbieten. "Gleichwie ein Senfkorn," sagte er, "wenn das gesät wird aufs Land, so ist's das kleinste unter allen Samen auf Erden; und wenn es gesät ist, so nimmt es zu, und wird größer denn alle Kohlkräuter, und gewinnet große Zweige, also daß die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können." CGl 75 4 Der im Samen enthaltene Keim wächst durch die Entfaltung des Lebensprinzips, welches Gott hineingelegt hat. Seine Entwicklung hängt nicht von menschlicher Kraft ab. So verhält es sich auch mit dem Reich Christi. Es ist eine neue Schöpfung. Die Grundsätze, nach denen es sich entwickelt, sind gerade das Gegenteil von denen, welche die Reiche dieser Welt beherrschen. Irdische Regierungen herrschen durch Machtanwendung, sie behaupten ihre Herrschaft durch Waffengewalt und Krieg; aber der Gründer des neuen Reiches ist der Friedensfürst. Der Heilige Geist versinnbildet weltliche Reiche durch Raubtiere, aber Christus ist "Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt". Daniel 7,17. In seinem Regierungsplan kommt keine Gewalt des Fleisches zur Anwendung, um das Gewissen zu zwingen. Die Juden erwarteten, daß das Reich Gottes in derselben Weise aufgerichtet werden würde, wie die Reiche dieser Welt. Um die Gerechtigkeit zu fördern, nahmen sie ihre Zuflucht zu äußerlichen Maßregeln. Sie schmiedeten Pläne und erfanden allerlei Methoden. Christus aber prägt den Grundsatz der Wahrheit und Gerechtigkeit ein und wirkt dadurch gegen Irrtum und Sünde. CGl 76 1 Als Jesus dies Gleichnis gab, konnte die Senfpflanze, die sich über das Gras und Korn erhob und deren Zweige sich leicht in der Luft schaukelten, weit und breit gesehen werden. Die Vögel flatterten von Zweig zu Zweig und sangen in dem dichten Laube. Dennoch war der Same, von welchem diese große Pflanze gekommen war, der kleinste aller Samen. Zuerst trieb er nur einen zarten Schoß, aber derselbe war voller Lebenskraft und wuchs und gedieh, bis er seine gegenwärtige Größe erlangte. So schien auch das Reich Christi in seinem Anfang klein und unbedeutsam; verglichen mit irdischen Reichen war es das kleinste von allen. Den Herrschern dieser Welt war die Behauptung Christi, ein König zu sein, lächerlich. Dennoch besaß dieses Reich des Evangeliums in den mächtigen Wahrheiten, die den Nachfolgern Jesu anvertraut wurden, göttliches Leben. Und wie schnell ging sein Wachstum von statten! Wie ausgedehnt wurde sein Einfluß! Als Christus dies Gleichnis sprach, wurde das neue Reich nur durch einige wenige galiläische Landleute vertreten. Ihre Armut und ihre geringe Anzahl wurden wieder und wieder als Grund angeführt, weshalb die Menschen sich nicht mit diesen einfachen Fischern, die Jesu nachfolgten, verbinden sollten. Aber das Senfkorn sollte wachsen und seine Zweige sollten sich über die ganze Welt ausbreiten. Wenn die irdischen Reiche, deren Herrlichkeit damals die Herzen der Menschen erfüllte, vergehen würden, sollte das Reich Christi als eine starke und weitreichende Macht noch bestehen. CGl 77 1 So ist auch das Gnadenwerk im Herzen anfangs klein. Ein Wort wird gesprochen, ein Lichtstrahl fällt in die Seele, ein Einfluß wird ausgeübt: das ist der Anfang des neuen Lebens. Wer kann die Folgen ermessen! CGl 77 2 Nicht nur wird das Wachstum des Reiches Christi durch das Gleichnis vom Senfkorn veranschaulicht, sondern in dem Stufengang seines Wachstums wird die im Gleichnis vorgeführte Erfahrung wiederholt. Der Herr hat für seine Gemeinde in jedem Zeitalter eine besondere Wahrheit und eine besondere Aufgabe. Die Wahrheit, welche den weltlich Weisen und Klugen verborgen ist, wird den kindlich Einfältigen und Demütigen offenbart. Sie verlangt Selbstaufopferung, sie hat Kämpfe zu bestehen, Siege zu gewinnen und findet anfänglich nur wenige Verteidiger. Die großen Männer der Welt und eine sich der Welt anpassende Kirche widerstehen ihr und verachten sie. Seht Johannes den Täufer, den Vorläufer Christi, allein dastehen und den Stolz und das Formenwesen des jüdischen Volkes rügen! Wie hoffnungslos schien die Mission des Paulus und des Silas, der beiden Zelt- und Teppichmacher, als sie sich mit ihren Gefährten in Troas nach Philippi einschifften! Beschaut den "alten Paulus" in Ketten, wie er in der Feste der Cäsaren Christum predigt! Heftet euren Blick auf die aus Sklaven und Bauern bestehenden kleinen Gemeinden im Kampf mit dem Heidentum des kaiserlichen Roms! Betrachtet Martin Luther, wie er jener mächtigen Kirche widersteht, die das Meisterwerk dieser Weltweisheit ist! Stellt euch ihn vor, wie er gegen Kaiser und Papst am Worte Gottes festhält und erklärt: "Hier stehe ich; ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen." Schaut Johannes Wesley an, wie er inmitten des Formenwesens der Sinnlichkeit und des Unglaubens Christum und seine Gerechtigkeit predigt! Malt euch einen Menschen vor Augen, dem das Wehe der Heidenwelt so zu Herzen geht, daß er um das Vorrecht bittet, dahin die Botschaft der Liebe Christi bringen zu dürfen! Hört die Antwort der Geistlichkeit: "Setzen Sie sich, junger Mann, wenn Gott die Heiden bekehren will, so wird er es ohne Ihre oder mein Hilfe tun!" CGl 78 1 Die großen Leiter religiösen Denkens in diesem Geschlecht verkündigen das Lob derer, welche den Samen der Wahrheit ausgestreut haben und setzen ihnen Gedenksteine. Wenden sich aber nicht manche von diesem Werke ab und treten den noch heute aus demselben Samen hervorsprießenden Keim zu Boden? Der alte Ruf wird auch jetzt wiederholt: "Wir wissen, daß Gott mit Mose geredet hat; von wannen aber dieser (Christus, in den von ihm gesandten Boten) ist, wissen wir nicht." Johannes 9,29. Wie vor Zeiten, so werden auch jetzt die besonderen Wahrheiten für diese Zeit nicht bei den kirchlichen Machthabern gefunden, sondern bei Männern und Frauen, welche nicht zu gelehrt oder zu weise sind, um an das Wort Gottes zu glauben. CGl 78 2 "Sehet an, liebe Brüder, euren Beruf; nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen; sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, daß er die Weisen zu schanden machte, was stark ist; und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählet, und das da nichts ist, daß er zu nichte machte, was etwas ist." "Auf daß euer Glaube bestehe, nicht auf Menschen Weisheit, sondern auf Gottes Kraft." 1.Korinther 1,26-28. CGl 78 3 In diesem letzten Geschlecht soll das Gleichnis vom Senfkorn eine endgültige und triumphreiche Erfüllung finden. Das kleine Samenkorn wird zu einem großen Baume werden. Die letzte Warnungs- und Gnadenbotschaft soll "allen Heiden und Geschlechtern und Sprachen und Völkern" (Offenbarung 14,6-14) verkündigt werden, um "ein Volk aus den Heiden zu seinem Namen" (Apostelgeschichte 15,14; Offenbarung 18,1) zu sammeln; und die Erde soll von seiner Klarheit erleuchtet werden. ------------------------Kapitel 6 -- Andere aus dem Säen des Samens gezogene Lehren CGl 79 1 Die Aussaat des Samens und das Wachsen der aus dem Samen hervorsprießenden Pflanze bergen auch noch andere köstliche Lehren für die Familie und die Schule. Man lehre die Kinder und die heranwachsende Jugend das Wirken göttlicher Kraft in natürlichen Dingen zu erkennen. Dann werden sie auch imstande sein, sich im Glauben ungesehene Segnungen anzueignen. Indem sie das wunderbare Wirken Gottes, wie er alle Bedürfnisse seiner großen Familie befriedigt, verstehen lernen, und erkennen, wie sie seine Mitarbeiter sein können, werden sie mehr Glauben in Gott haben und in ihrem täglichen Leben mehr von seiner Kraft erfahren. CGl 79 2 Gott hat den Samen ebenso geschaffen wie die Erde, nämlich durch sein Wort; durch dasselbe verlieh er ihm auch die Kraft zu wachsen und sich zu vervielfältigen. Er sagte: "Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage, und habe seinen eignen Samen bei ihm selbst auf Erden. Und es geschah also ... Und Gott sah, daß es gut war." 1.Mose 1,11.12. Es ist die Kraft des Wortes, welche immer noch den Samen wachsen macht. Ein jedes Samenkorn, welches seinen grünen Halm zum Sonnenlicht emporsendet, erzählt von der wunderwirkenden Kraft jenes Wortes, das von dem ausgesprochen wurde, von dem die Schrift sagt: "Denn so er spricht, so geschieht's; so er gebeut, so stehet's da". Psalm 33,9. CGl 80 1 Christus lehrte seine Jünger beten: "Unser täglich Brot gib uns heute", und auf die Blumen hinzeigend, gab er ihnen die Versicherung: "So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, ... sollte er das nicht vielmehr euch tun?" Matthäus 6,11.30. Christus ist immer bereit, jenes Gebet zu erhören und dies Versprechen zu erfüllen. Eine unsichtbare Macht ist beständig am Wirken, um den Menschen zu dienen, ihn zu speisen und zu bekleiden. Unser Herr wendet viele Mittel an, um das scheinbar weggeworfene Samenkorn zu einer lebenden Pflanze zu machen, auch gibt er im richtigen Verhältnis alles, was erforderlich ist, um die Ernte heranreifen zu lassen, wie der Psalmist es so schön ausdrückt: CGl 80 2 "Du hast die Erde heimgesucht und überströmt, Reichlich befruchtet mit einem Gottesbach voll Wasser; Du richtest ihr Getreide zu, wenn Du sie also zurichtest, Ihre Furchen tränkend, überschwemmend ihre Schollen; Mit Regengüssen erweichst Du sie, ihre Gewächse segnest Du. Du hast das Jahr gekrönt mit Deiner Güte, Und Deine Fußtapfen triefen von Fett." Psalm 65,10-12. CGl 80 3 Die materielle Welt steht unter dem Befehle Gottes. Die Natur gehorcht den Naturgesetzen. Alles redet und handelt im Einklang mit dem Willen Gottes. Wolken und Sonnenschein, Tau und Regen, Wind und Sturm stehen alle unter seiner Aufsicht und gehorchen seinen Befehlen. Im Gehorsam gegen Gottes Gesetz bricht der Keim des Getreides durch den Erdboden und bringt "zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren" hervor. Markus 4,28. Diese entwickelt der Herr alle zu ihrer Zeit, weil sie seinem Wirken nicht widerstehen. Sollte da der Mensch, der nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen, der mit Verstand und Sprache ausgestattet ist, allein Gottes Gaben nicht würdigen und seinem Willen ungehorsam sein? Sollen mit Vernunft begabte Wesen allein Verwirrung in unserer Welt verursachen? CGl 81 1 In allem, was zur Erhaltung des Menschen beiträgt, kann man das Zusammenwirken göttlicher und menschlicher Bestrebungen sehen. Es kann keine Ernte geben, wenn nicht menschliches Schaffen seinen Teil im Säen des Samens tut; auch kann sich das Samenkorn nicht vervielfältigen ohne die Mittel, welche Gott vorsieht, indem er Sonnenschein und Regen, Tau und Wolken gibt. So verhält es sich auch in jedem Geschäftszweig, in allen Fächern des Lernens und der Wissenschaft; derselbe Vorgang spielt sich auch in geistlichen Dingen ab, in der Bildung des Charakters und in einem jeden Zweig christlichen Wirkens. Wir müssen das unsrige tun, aber die Kraft der Gottheit muß sich mit uns vereinen, sonst werden unsere Bestrebungen vergeblich sein. CGl 81 2 Wenn der Mensch irgend etwas zustande bringt oder erreicht, sei es im Geistlichen oder im Irdischen, so sollte er bedenken, daß dies nur durch das Mitwirken seines Schöpfers geschieht. Für uns ist es äußerst wichtig, unsere Abhängigkeit von Gott zu erkennen. Wir setzen zuviel Vertrauen in Menschen und verlassen uns zuviel auf menschliche Erfindungen, während wir zu wenig der Kraft vertrauen, die Gott uns so bereitwillig geben will. "Wir sind Gottes Mitarbeiter." 1.Korinther 3,9. Unvergleichlich klein ist der Anteil des Menschen am Werke, aber mit der Göttlichkeit Christi verbunden, vermag der Mensch alles durch die Kraft, welche Christus ihm mitteilt. CGl 81 3 Die Art und Weise, wie die Pflanze sich allmählich aus dem Samenkorn entwickelt, bietet einen guten Anschauungsunterricht in der Erziehung der Kinder. Man hat "zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren". Der Urheber dieses Gleichnisses schuf das winzige Samenkorn, verlieh ihm das ihm innewohnende Leben und verordnete die Gesetze, welchen sein Wachstum unterworfen ist, und die durch dieses Gleichnis gelehrten Wahrheiten wurden in seinem eigenen Leben zu einer lebendigen Wirklichkeit. Er folgte sowohl in seiner leiblichen, wie auch in seiner geistlichen Natur der durch die Pflanze veranschaulichten göttlichen Ordnung des Wachstums und wünscht, daß alle Jünglinge und Jungfrauen das Gleiche tun sollen. Obgleich er die Majestät des Himmels, der König der Herrlichkeit war, wurde er in Bethlehem ein kleines Kind und eine Zeitlang dem auf die Fürsorge seiner Mutter angewiesenen hilflosen Säugling gleich. In seiner Kindheit betrug er sich wie ein gehorsames Kind, sprach und handelte mit der Weisheit eines Kindes und nicht eines Mannes, ehrte seine Eltern und erfüllte in hilfreicher Weise der Fähigkeit eines Kindes gemäß ihre Wünsche. Aber in jeder Stufe seiner Entwicklung war er vollkommen, in einfacher, natürlicher Würde eines sündenlosen Lebens. Der heilige Bericht sagt von seiner Kindheit: "Aber das Kind wuchs und ward stark im Geist, voller Weisheit; und Gottes Gnade war bei ihm." Und von seinen späteren Jahren wird gesagt: "Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen." Lukas 2,40.52. CGl 82 1 Hier wird die Aufgabe der Eltern und Lehrer angedeutet. Ihr Bestreben sollte darauf hinzielen, die Neigungen der heranwachsenden Jugend so zu leiten, daß sie in jeder Stufe ihres Lebens die zeitgemäße, natürliche Schönheit entfaltet und sich wie die Pflanzen im Garten natürlich entwickelt. CGl 82 2 Kinder, welche ein natürliches, unbefangenes und ungekünsteltes Wesen haben, sind die anziehendsten. Es ist nicht weise, ihnen besondere Beachtung zu schenken und ihre klugen Redensarten vor ihnen zu wiederholen; sie sollten nicht eitel gemacht werden durch das Loben ihres Aussehens, ihrer Worte oder ihrer Handlungen, auch sollten sie nicht in kostspieliger, Aufsehen erregender Weise gekleidet werden. Dies alles ermutigt den Stolz in ihnen und erweckt Neid in den Herzen ihrer Gespielen. CGl 82 3 Die Kleinen sollten in kindlicher Einfachheit erzogen werden, und zwar so, daß die mancherlei kleinen Pflichten, Vergnügungen und Erfahrungen in ihrem Alter natürlich sind und sie befriedigen. Die Kindheit entspricht dem Gras im Gleichnis, und das Gras hat eine ihm eigentümliche Schönheit. Man sollte den Kindern keine frühzeitige Reife aufzwingen, sondern ihnen solange wie möglich die Frische und Anmut ihrer Kindheit erhalten. CGl 83 1 Die kleinen Kinder können auch schon Christen sein und haben als solche eine mit ihren Jahren im Einklang stehende Erfahrung. Mehr erwartet Gott nicht von ihnen. Sie müssen über geistliche Dinge belehrt werden und die Eltern sollten ihnen jede mögliche Gelegenheit gewähren, ihre Charaktere so auszubilden, daß sie dem Charakter Christi ähnlich werden. CGl 83 2 In den Gesetzen Gottes in der Natur erfolgt die Wirkung der Ursache mit unfehlbarer Sicherheit. Die Ernte wird bezeugen, wie gesät worden ist. Der träge Arbeiter wird durch seine Arbeit gekennzeichnet; die Ernte zeugt gegen ihn. So ist es auch in geistlichen Dingen; die Treue eines jeden Arbeiters wird an den Ergebnissen seiner Arbeit erkannt. Die Art und Weise seiner Arbeit, ob er fleißig oder träge gewesen ist, wird durch die Ernte offenbar, und auf diese Weise wird sein Schicksal für die Ewigkeit entschieden. CGl 83 3 Ein jedes gesäte Samenkorn bringt eine Ernte nach seiner Art hervor. So ist es auch im menschlichen Leben. Wir alle sollten den Samen des Mitleids, der innigen Teilnahme und der Liebe säen, denn wir werden ernten, was wir säen. Jede Tat der Selbstsucht, der Eigenliebe und Selbstschätzung, eine jede Handlung der Selbstbefriedigung wird eine ihr entsprechende Ernte hervorbringen. Ein Mensch, der für das eigene Ich lebt, sät auf sein Fleisch und wird vom Fleisch das Verderben ernten. CGl 83 4 Gott vernichtet keinen Menschen. Ein jeder, der zugrunde gehen wird, vernichtet sich selbst. Ein jeder, der die Mahnungen seines Gewissen erstickt, sät den Samen des Unglaubens, und derselbe wird eine sichere Ernte bringen. Als Pharao vor alters die erste ihm von Gott gegebene Warnung verwarf, säte er den Samen der Halsstarrigkeit, und er erntete Halsstarrigkeit. Gott zwang ihn nicht zum Unglauben. Der Same des Unglaubens, den er säte, brachte eine Ernte nach seiner Art hervor. In dieser Weise fuhr er in seiner Halsstarrigkeit fort, bis er auf sein verwüstetes Land, auf die kalte, tote Gestalt seines Erstgebornen und der Erstgebornen aller, die in seinem Hause waren, und aller Familien seines Reiches blickte, bis die Wasser des Meeres sich über seinen Pferden, seinen Wagen und seinen Kriegsleuten zusammenschlossen. Seine Geschichte veranschaulicht in furchtbarer Weise die Wahrheit der Worte: "Was der Mensch sät, das wird er ernten." Galater 6,7. Würden die Menschen dies erkennen, dann würden sie sorgfältiger darauf achten, was für Samen sie säen. CGl 84 1 Da der gesäte Same eine Ernte hervorbringt und der eingeerntete Same wiederum gesät wird, so wird die Ernte vervielfältigt. Dieses Gesetz gilt auch in unserer Beziehung zu anderen. Eine jede Handlung, ein jedes Wort ist ein Same, der Frucht bringen wird. Eine jede Handlung der dienenden Liebe, des Gehorsams oder der Selbstverleugnung erzeugt in anderen eine ähnliche Handlungsweise und durch sie wiederum in noch anderen. Gleicherweise ist auch eine jede, aus Neid, Bosheit oder Zwietracht hervorgehende Tat ein Same, der als "eine bittere Wurzel" (Hebräer 12,15) aufwächst, wodurch viele verunreinigt werden. Und eine wieviel größere Anzahl von Menschen werden diese "Vielen" vergiften! Auf diese Weise geht das Säen des Guten und des Bösen für Zeit und Ewigkeit vor sich. CGl 84 2 Im Gleichnis vom Säen des Samens wird uns Freigebigkeit in geistlichen und irdischen Dingen gelehrt. Der Herr sagt: "Wohl euch, die ihr sät allenthalben an den Wassern." "Ich meine aber das: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen." Jesaja 32,20; 2.Korinther 9,6. Allenthalben an den Wassern zu säen, bedeutet, beständig von den Gaben Gottes mitzuteilen. Es bedeutet zu geben, wo das Werk Gottes oder die Menschen unserer Hilfe bedürfen. Dadurch werden wir nicht in Armut geraten. "Wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen." Der Sämann vervielfältigt seinen Samen, indem er ihn fortwirft. So ist es auch mit denen, die im Austeilen der Gaben Gottes treu sind. Dadurch, daß sie treu sind im Mitteilen, werden ihre Segnungen vermehrt. Gott hat ihnen die Fülle verheißen, so daß sie beständig geben können. "Gebet, so wird euch gegeben. Ein voll gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben." Lukas 6,38. CGl 85 1 Im Säen und Ernten ist aber noch mehr als dies eingeschlossen. Indem wir die von Gott gegebenen irdischen Segnungen mitteilen, erweckt der Beweis unserer Liebe und unseres Mitgefühls in dem Empfänger Dankbarkeit zu Gott; der Boden seines Herzens wird vorbereitet, um den Samen geistlicher Wahrheit aufzunehmen, und er, der dem Sämann den Samen gibt, wird auch letzteren zum Keimen bringen, damit er Frucht trage zum ewigen Leben. CGl 85 2 Durch das Ausstreuen des Samens auf das Erdreich stellt Christus sein eigenes, zu unserer Erlösung dargebrachtes Opfer dar. "Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe," sagt er, "so bleibt's allein; wo es aber erstürbe, so bringet's viel Früchte." Johannes 12,24. So trägt auch der Tod Christi Frucht für das Reich Gottes. Im Einklang mit den Gesetzen, denen das Pflanzenreich unterworfen ist, ist auch das Ergebnis seines Todes Leben. CGl 85 3 Alle, die als Mitarbeiter Christi Frucht bringen wollen, müssen erst in die Erde fallen und ersterben; ihr Leben muß in die Furchen der Bedürfnisse dieser Welt geworfen werden; alle Eigenliebe, alles eigene Interesse muß aufhören. Das Gesetz der Selbstaufopferung aber ist das Gesetz der Selbsterhaltung. Der in der Erde begrabene Same bringt Früchte, und diese, wiederum gepflanzt, vervielfältigen die Ernte. Der Landmann bewahrt sein Getreide, indem er es fortwirft. So ist es auch im menschlichen Leben: Geben bedeutet Leben. Das Leben, welches erhalten wird, ist das Leben, welches man freiwillig dem Dienste Gottes und der Menschheit weiht. Wer um Christi willen sein Leben in dieser Welt opfert, wird es für die Ewigkeit bewahren. CGl 85 4 Der Same erstirbt, um zu einem neuen Leben aufzuerstehen, und hierin wird uns die Auferstehung vorgebildet. Alle, die Gott lieben, werden wiederum im himmlischen Paradiese leben. Von dem menschlichen Leibe, der in das Grab gelegt wird, um zu verwesen, hat Gott gesagt: "Es wird gesät verweslich, und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit, und wird auferstehen in Kraft." 1.Korinther 15,42.43. CGl 86 1 Dies sind einige der vielen Lehren aus dem der Natur entnommenen herrlichen Gleichnis vom Sämann und Samen. Indem Eltern und Lehrer diese Lehre zu erteilen versuchen, sollten sie dieselbe in praktischer Weise veranschaulichen. Die Kinder können selbst den Erdboden bereiten und den Samen säen, und während sie arbeiten, kann Vater, Mutter oder Lehrer eine Erklärung über den Herzensgarten mit dem dort gesäten guten oder schlechten Samen geben und zeigen, daß, sowie der Garten für die Aufnahme des natürlichen Samens vorbereitet werden muß, so muß auch das Herz für die Aufnahme des Samens der Wahrheit zubereitet werden. Während der Same in die Erde gestreut wird, können sie die Kinder über den Tod Christi belehren, und wenn sich das Gras oder der Halm zeigt, ihnen die Auferstehung erklären. Während die Pflanzen wachsen, kann die Ähnlichkeit zwischen dem natürlichen und dem geistlichen Säen gezeigt werden. CGl 86 2 Die reifere Jugend sollte in ähnlicher Weise unterwiesen werden. Man sollte sie lehren, das Erdreich zu bestellen. Es wäre gut, wenn eine jede Schule etwas Land zur Bearbeitung hätte. Solche Ländereien könnten als Schulzimmer unseres Gottes betrachtet werden. Man sollte auf die Dinge der Natur blicken, wie auf ein Lektionsbuch, welches Gotteskinder studieren und aus welchem sie Erkenntnis zur Veredlung der Seele schöpfen sollen. CGl 86 3 Man kann auch aus der Bearbeitung des Bodens fortwährend Neues lernen, wie man das Land urbar und untertänig macht. Niemand, der sich auf einem ganz unkultivierten Stück Land ansässig macht, würde sofort eine Ernte erwarten. Es erfordert ernste, fleißige und andauernde Arbeit, um das Erdreich auf die Aussaat vorzubereiten. So ist es auch mit der geistlichen Arbeit am menschlichen Herzen. Wer durch die Bearbeitung des Bodens Nutzen erzielen will, muß mit dem Worte Gottes in seinem Herzen hinausgehen; dann wird er finden, daß der brachliegende Acker des Herzens durch den erweichenden Einfluß des Heiligen Geistes, der sich ihm untertänig macht, gebrochen wird. Wenn nicht schwere Arbeit auf die Zubereitung des Erdbodens verwandt wird, so wird es keine Ernte geben. So ist es auch mit dem Boden des Herzens; der Geist Gottes muß denselben bearbeiten, ihn läutern und unterwürfig machen, ehe er Frucht bringen kann zur Ehre Gottes. CGl 87 1 Das Erdreich wird seine Reichtümer nicht hervorbringen, wenn man nur dem eigenen Antriebe folgend daran arbeitet; es bedarf wohl überlegter täglicher Aufmerksamkeit. Es muß oft und tief gepflügt werden, um es vom Unkraut, welches dem Samen die Nahrung rauben würde, frei zu halten. Auf diese Weise bereiten die, welche pflügen und säen, die Ernte vor und brauchen nicht mit gescheiterten Hoffnungen auf ihrem Felde zu stehen. CGl 87 2 Der Segen des Herrn wird auf denen ruhen, die das Land in solcher Weise bearbeiten und geistliche Lehren aus der Natur ziehen. Der Arbeiter weiß bei der Bearbeitung des Bodens nicht, welche Schätze seiner warten. Obgleich er die Unterweisung anderer, die langjährige Erfahrung haben und die Belehrung verständiger Männer nicht verachten soll, sollte er doch selbst lernen. Dies ist ein Teil seiner Erziehung. Die Bearbeitung des Bodens wird sich als ein Bildungs- und Erziehungsmittel für die Seele erweisen. CGl 87 3 Er, der den Samen aufgehen läßt, der Tag und Nacht seiner achtet, der ihm die Kraft gibt, sich zu entwickeln, ist auch unser Schöpfer, der König des Himmels, der noch größere Fürsorge für seine Kinder hat und ihnen noch größeres Interesse angedeihen läßt. Während der menschliche Sämann den Samen pflanzt, um unser irdisches Leben zu erhalten, wird der göttliche Sämann den Samen, welcher Frucht bringt für das ewige Leben, in die Seele pflanzen. CGl 88 1 Der Sämann und das Ackerfeld Es ging ein Sämann aus zu säen den guten Samen auf das Land. Er hat viel Sorgfalt, vielen Eifer, Ausdauer auf sein Werk verwandt; Er säte, eh' die Sonn' aufging, noch bei dem Abenddämmerschein, Wenn Wind und Wetter tobten laut, wenn Nebel alles hüllten ein. -- Der Sämann, der so emsig säet, ist unser Heiland, Jesus Christ, Das Ackerfeld, das er besäet, des Menschen eigen Herze ist. CGl 88 2 Dein Herz, o Mensch, versteh' es richtig! -- Ist es auch jenem Wege gleich? Empfing es wohl des Wortes Samen, und bringt nicht Frucht fürs Himmelreich, Dieweil der Böse es verschlingt, der lauernd gleich die Hand ausstreckt? Ist's gleich dem harten, stein'gen Grund, mit dünner Erdschicht nur bedeckt: Du freust dich Gottes großer Güte; doch naht sich Kummer oder Leid Nennst du es gar "‚ne harte Rede" verlierst die Kraft, bist nicht bereit? CGl 88 3 Und wachsen Dornen dir im Herzen, wie bald ersticken sie das Wort, Die Sorgen dieser Welt, der Reichtum, die Lüste nehmen alles fort; Drum wahre du dein Herz mit Fleiß, halt es, dem guten Boden gleich, Von allen Hindernissen frei, auf daß an edlen Früchten reich Du wachsen kannst zu Gottes Ehre, zu preisen unsern Säemann, Der guten Samen sät so gerne, wo er gedeihn und wachsen kann. CGl 88 4 Und wenn der Same wächst und blühet, dann brauch ein doppelt Maß von Fleiß, Denn wisse, es sät noch ein Andrer, der Feind ist tätig Tag und Nacht, Sät Unkraut dir ins Herz hinein, schürt an der falschen Liebe Macht; Halt Herz und Ohr und Augen offen, denn Satans Werk muß untergehen. -- Der rechte Sämann streut den Samen, des Frucht wird ewiglich bestehn! Aus dem täglichen Leben CGl 88 5 "Meine Lust ist bei den Menschenkindern." Sprüche 8,31. ------------------------Kapitel 7 -- "Einem Sauerteig gleich" CGl 93 1 Auf der Grundlage von Matthäus 13,33; Lukas 13,20.21. CGl 93 2 Viele gebildete und einflußreiche Männer waren herbeigekommen, um den Propheten von Galiläa zu hören. Einige derselben blickten mit Neugierde auf die Menge, die sich um Christum versammelt hatte, als er am See lehrte. Da waren alle Gesellschaftsklassen vertreten: die Armen, die Ungebildeten, der zerlumpte Bettler, der Räuber mit dem Stempel der Schuld auf seinem Gesicht, die Krüppel, die Ausschweifenden, der Kaufmann und der Rentier, hoch und niedrig, reich und arm; alle drängten sich, um einen Platz zu bekommen, von wo aus sie den Worten Christi lauschen konnten. Indem die gebildeten Männer auf diese seltsame Versammlung blickten, fragten sie sich selbst: Besteht das Reich Gottes aus solchem Material wie dieses? Und der Heiland antwortete durch ein Gleichnis: CGl 94 1 "Das Himmelreich ist einem Sauerteig gleich, den ein Weib nahm, und vermengte ihn unter drei Scheffel Mehls, bis daß es gar durchsäuert ward." CGl 94 2 Bei den Juden wurde der Sauerteig manchmal als ein Sinnbild der Sünde hingestellt. Während des Passahfestes wurden die Leute angewiesen, allen Sauerteig aus ihren Häusern zu entfernen, gerade so, wie sie auch die Sünde aus ihrem Herzen hinaustun sollten. Christus warnte seine Jünger: "Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, welches ist die Heuchelei", und der Apostel Paulus spricht von "dem Sauerteig der Bosheit und Schalkheit". Lukas 12,1; 1.Korinther 5,8. Aber in diesem Gleichnis des Heilandes wird der Sauerteig benutzt, um das Himmelreich darzustellen und um die belebende, umwandelnde Kraft der Gnade Gottes zu veranschaulichen. CGl 94 3 Niemand ist so schlecht, so tief gefallen, daß ihn das Wirken dieser Kraft nicht mehr erreichen könnte. In alle, die sich dem Heiligen Geiste unterwerfen, soll ein neues Lebenselement eingepflanzt werden; das verlorene Bild Gottes soll in der Menschheit wieder hergestellt werden. CGl 94 4 Aber der Mensch kann sich durch die Ausübung seines Willens nicht umbilden. Ihm mangelt die Kraft, solche Änderung zu bewerkstelligen. Der Sauerteig -- etwas, das ganz und gar von außerhalb kommt -- muß in das Mehl getan werden, damit die gewünschte Veränderung des letzteren bewirkt werden kann. So muß der Sünder die Gnade Gottes annehmen, ehe er für das Reich der Herrlichkeit geschickt gemacht werden kann. Alle Bildung und Erziehung, welche die Welt zu geben vermag, kann kein entartetes Kind der Sünde zu einem Kinde des Himmels umgestalten. Die erneuernde Kraft muß von Gott kommen. Einzig und allein durch den Heiligen Geist kann eine solche Umwandlung geschehen. Alle, die gerettet werden wollen, hoch oder niedrig, reich oder arm, müssen sich dem Wirken dieser Macht unterwerfen. CGl 94 5 Wie der Sauerteig, wenn er mit dem Mehl vermengt wird, von innen nach außen wirkt, so bewirkt auch die Gnade Gottes, indem sie an dem Herzen wirkt, eine Umbildung und gänzliche Änderung des Lebens. Ein nur äußerlicher Wechsel genügt nicht, um uns in Harmonie mit Gott zu bringen. Viele versuchen sich zu bessern, indem sie diese oder jene schlechte Gewohnheit ablegen; sie hoffen in dieser Weise Christen zu werden. Aber sie beginnen am verkehrten Platz, sie müssen mit dem Herzen anfangen. Sich als Christ mit dem Mund zu bekennen und die Wahrheit in der Seele zu besitzen, sind zwei grundverschiedene Dinge. Das einfache Wissen der Wahrheit genügt nicht; wir mögen dasselbe haben und unser ganzes Denken und Fühlen kann dennoch unverändert sein. Das Herz muß bekehrt und geheiligt werden. CGl 95 1 Ein Mensch, der es versucht, die Gebote Gottes nur aus Pflichtgefühl zu halten -- weil man es von ihm verlangt -- wird nie die Freude, die im Gehorsam liegt, erfahren; in Wirklichkeit gehorcht er nicht. Wo die Forderungen Gottes als eine Last angesehen werden, weil sie den menschlichen Neigungen entgegen sind, da ist das Leben noch kein christliches, denn wahrer Gehorsam ist die Betätigung eines im Innern lebenden Grundsatzes. Er entspringt aus der Liebe zur Gerechtigkeit, der Liebe zum Gesetze Gottes. Der Kern aller Gerechtigkeit ist Treue gegen unseren Erlöser. Dies wird uns veranlassen, das Rechte zu tun, weil es recht ist -- weil Rechttun Gott gefällt. CGl 95 2 Die große Wahrheit der Herzensbekehrung durch den Heiligen Geist wird uns in den Worten Christi an Nikodemus gezeigt: CGl 95 3 "Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen ... Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Laß dich's nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt, und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist." Johannes 3,3-8. CGl 96 1 Der Apostel Paulus sagt durch Eingebung des Heiligen Geistes: "Gott, der da reich ist an Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit er uns geliebet hat, da wir tot waren in den Sünden, hat er uns samt Christo lebendig gemacht (denn aus Gnade seid ihr selig worden), und hat uns samt ihm auferwecket, und samt ihm in das himmlische Wesen gesetzt in Christo Jesu, auf daß er erzeigete in den zukünftigen Zeiten den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christo Jesu. Denn aus Gnade seid ihr selig worden durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es." Epheser 2,4-8. CGl 96 2 Der in dem Mehl verborgene Sauerteig wirkt unsichtbar und durchsäuert alles; so wirkt auch der Sauerteig der Wahrheit im geheimen, ruhig und beständig, und die Seele wird umgebildet. Die natürlichen Neigungen werden unterdrückt und verändert; neue Gedanken, neue Gefühle, neue Beweggründe werden eingepflanzt; als neue Richtschnur für die Ausbildung des Charakters dient nun das Leben Christi. Das Gemüt wird umgestaltet, die Kräfte und Gaben werden in neuen Richtungen verwertet. Es werden dem Menschen keine neuen Geistesfähigkeiten verliehen, sondern die vorhandenen werden geheiligt, das Gewissen wird erweckt und die Charakterzüge so entwickelt, daß sie ihn befähigen, etwas für Gott zu tun. CGl 97 1 Oft wird die Frage laut: warum gibt es denn so viele, die vorgeben dem Worte Gottes zu glauben, obgleich an ihnen keine Reformation in Worten, im Geiste und im Charakter zu sehen ist? Warum gibt es so viele, die es nicht vertragen können, wenn ihren Plänen und Absichten widersprochen wird, die ein ungeheiligtes Gemüt besitzen und deren Worte barsch, herrisch und leidenschaftlich sind? In ihrem Leben zeigt sich noch dieselbe Eigenliebe, dieselbe selbstsüchtige Nachsicht gegen das eigene Ich, dieselbe aufgeregte, unüberlegte Sprache, wie im Leben des Weltmenschen. Man sieht denselben empfindlichen Stolz, dasselbe Nachgeben in den natürlichen Neigungen, dieselbe Verkehrtheit des Charakters, als ob die Wahrheit ihnen gänzlich unbekannt wäre. Die Ursache davon ist, daß sie nicht wirklich bekehrt sind. Sie haben den Sauerteig der Wahrheit nicht im Herzen verborgen, sie haben ihm noch nie Gelegenheit gegeben, sein Werk zu verrichten. Ihre natürlichen und anerzogenen Neigungen zum Bösen sind seiner umbildenden Kraft nicht unterworfen worden. Ihr Leben offenbart die Abwesenheit der Gnade Christi und den Unglauben an seine Macht, den Charakter umzubilden. CGl 97 2 "So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes." Johannes 17,17. Wenn man das Wort Gottes studiert und demselben gehorcht, so wirkt es im Herzen und überwältigt eine jede unheilige Eigenschaft. Der Heilige Geist kommt, um uns der Sünde zu überführen, und der in dem Herzen entstehende Glaube wirkt durch die Liebe zu Christo und bildet uns an Leib, Seele und Geist nach seinem Ebenbilde. Dann kann Gott uns benutzen, seinen Willen auszuführen. Die in uns wirkende Kraft bekundet sich äußerlich und veranlaßt uns, anderen die Wahrheit mitzuteilen, die wir empfangen haben. CGl 98 1 Die Wahrheiten aus dem Worte Gottes bewirken gerade das im Menschen, was er braucht -- die Bekehrung der Seele durch den Glauben. Sie sollen nicht für zu rein und zu heilig gehalten werden, um sie im täglichen Leben in die Tat umzusetzen. Sie sind Wahrheiten, welche bis zum Himmel reichen und die ganze Ewigkeit umfassen, deren belebender Einfluß jedoch mit den menschlichen Erfahrungen verwoben werden muß. Sie müssen alle großen und alle kleinen Dinge des täglichen Lebens durchdringen. CGl 98 2 Wird der Sauerteig der Wahrheit in das Herz aufgenommen, so wird er die Wünsche regulieren, die Gedanken reinigen, die Gemütsverfassung mildern, die Geistesfähigkeiten und Seelenkräfte beleben und mehr Mitgefühl und Liebe erzeugen. CGl 98 3 Die Welt betrachtet einen Menschen, der nach solchen Grundsätzen handelt, als einen Sonderling. Der selbstsüchtige Mensch, der das Geld liebt, lebt nur, um sich Reichtümer und Ehren zu sichern und die Vergnügungen dieser Welt zu genießen. Die ewige Welt läßt er ganz aus seiner Rechnung, aber bei dem Nachfolger Christi werden die weltlichen Dinge nicht seine ganze Aufmerksamkeit fesseln; er wird um Christi willen arbeiten, wird sich selbst verleugnen, um in dem großen Werk der Rettung von Seelen, die ohne Christum und ohne Hoffnung in der Welt sind, helfen zu können. Einen solchen Menschen kann die Welt nicht verstehen, denn er behält seine Augen auf die ewigen Wirklichkeiten gerichtet. Die Liebe Christi mit ihrer Erlösungsmacht ist in sein Herz gedrungen. Diese Liebe beherrscht jeden anderen Beweggrund und erhebt ihren Besitzer über den verderblichen Einfluß der Welt. CGl 99 1 Das Wort Gottes soll eine heiligende Wirkung auf unseren Verkehr mit einem jeden Gliede der menschlichen Familie haben. Der Sauerteig der Wahrheit erzeugt nicht den Geist der Eifersucht, des Ehrgeizes oder den Wunsch, der erste zu sein. Wahre, vom Himmel geborene Liebe ist nicht selbstsüchtig oder veränderlich. Sie hängt nicht vom menschlichen Lob ab. Das Herz dessen, der die Gnade Gottes annimmt, fließt über von Liebe zu Gott und zu denjenigen, für die Christus starb. Er strebt nicht mehr nach Anerkennung. Er liebt andere nicht, weil sie ihn lieben und ihm gefallen und seine Verdienste schätzen, sondern weil sie Christi erkauftes Eigentum sind. Wenn die Beweggründe eines solchen, seine Worte oder Handlungen mißverstanden oder falsch dargestellt werden, so wird er nicht beleidigt, sondern geht still sein Gang weiter. Er ist gütig und rücksichtsvoll, denkt gering von sich selbst, ist aber voller Hoffnung und vertraut immer auf die Gnade und Liebe Gottes. CGl 99 2 Der Apostel ermahnt uns: "Nach dem, der euch berufen hat und heilig ist, seid auch ihr heilig in allem euren Wandel. Denn es stehet geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig." 1.Petrus 1,15,16. Die Gnade Christi soll das Gemüt und die Stimme beherrschen. Ihr Wirken wird sich in Höflichkeit, in zarter Rücksicht eines Bruders gegen den andern, in gütigen, liebevollen und ermutigenden Worten kundtun. Engel werden in dem Heim weilen, das ganze Leben atmet einen süßen Duft, der als heiliger Weihrauch zu Gott emporsteigt. Die Liebe offenbart sich in Güte, Freundlichkeit, Langmut und Geduld. CGl 100 1 Das ganze Aussehen wird verändert. Christus wohnt in den Herzen derer, die ihn lieben und seine Gebote halten, und spiegelt sich auf ihren Angesichtern wider. Wahrheit steht auf ihnen geschrieben, der süße Friede des Himmels wird offenbar, eine beständige Sanftmut, eine mehr als menschliche Liebe ist auf ihnen ausgedrückt. CGl 100 2 Der Sauerteig der Wahrheit bewirkt eine Veränderung im ganzen Menschen. Er macht die Groben und Unhöflichen zartfühlend, die Rauhen sanft, die Selbstsüchtigen freigebig. Die Unreinen werden durch ihn gereinigt, im Blute des Lammes gewaschen. Durch seine lebengebende Macht bringt er das ganze Gemüt, die ganze Seele und die ganze Kraft in Harmonie mit dem göttlichen Leben. Der Mensch mit seiner menschlichen Natur wird ein Teilhaber der Göttlichkeit. Christus wird durch die Schönheit und Vollkommenheit des Charakters geehrt. Wenn solche Änderungen bewirkt werden, dann stimmen die Engel ein Loblied an und Gott und Christus freuen sich über die Seelen, die nach dem göttlichen Ebenbilde umgebildet sind. ------------------------Kapitel 8 -- Der verborgene Schatz CGl 101 1 Auf der Grundlage von Matthäus 13,44. CGl 101 2 "Abermal ist gleich das Himmelreich einem verborgenen Schatz im Acker, welchen ein Mensch fand und verbarg ihn, und ging hin vor Freuden über denselbigen, und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker." CGl 101 3 In alten Zeiten war es gebräuchlich, daß die Menschen ihre Schätze in der Erde verbargen. Diebstähle und Räubereien waren häufig. Auch konnten unter einem etwaigen Wechsel in der Regierung diejenigen, welche große Besitzungen hatten, gewärtig sein, daß ihnen hohe Steuern auferlegt wurden. Außerdem schwebte das Land beständig in Gefahr, von plündernden Horden heimgesucht zu werden. Infolgedessen bemühten sich die Reichen, ihre Güter zu bewahren, indem sie sie der Erde als dem sichersten Bergungsort anvertrauten. Aber manchmal geriet der Ort, an welchem man die Schätze verborgen hatte, in Vergessenheit; vielleicht starb der Eigentümer, vielleicht trennten ihn Gefängnis oder Verbannung von seinem Schatze, und die erworbenen Güter, um deren Erhaltung er solche Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte, fielen einem glücklichen Finder anheim. Zur Zeit Christi war es durchaus nichts ungewöhnliches, in brachliegenden Ländereien alte Münzen und goldene oder silberne Schmuckgegenstände zu entdecken. CGl 102 1 Jemand pachtet ein Stück Land, um es zu bearbeiten, und indem die Ochsen die Pflugschar durch das Erdreich ziehen, werden die vergrabenen Schätze zutage gefördert. Der Mann sieht, daß hier ein Vermögen zu erlangen ist; er legt das Gold wieder an seinen Bergungsort, kehrt nach Hause zurück und verkauft alles, was er hat, um den Acker, der den Schatz enthält, zu kaufen. Seine Familie und seine Nachbarn denken, er handelt wie ein Wahnsinniger, denn sie erkennen, indem sie den Acker anschauen, keinen Wert in dem vernachlässigten Boden. Aber der Mann weiß wohl, was er tut. Sobald der Acker ihm gehört, durchsucht er einen jeden Teil desselben, um den Schatz zu finden, den er sich gesichert hat. Dies Gleichnis veranschaulicht den Wert des himmlischen Schatzes und die Anstrengungen, die gemacht werden sollten, um denselben zu sichern. Der Finder des Schatzes im Acker war bereit, sich von allem, was er besaß, zu trennen und unermüdlich zu arbeiten, um die verborgenen Reichtümer zu erlangen. So wird auch dem Finder des himmlischen Schatzes keine Arbeit zu schwer und kein Opfer zu groß, um die Schätze der Wahrheit zu gewinnen. CGl 102 2 Im Gleichnis stellt der Acker, welcher den Schatz enthält, die Heilige Schrift dar und das Evangelium ist der Schatz. Die ganze Erde ist nicht von so vielen goldenen Adern durchzogen und mit so vielen köstlichen Dingen angefüllt, wie das Wort Gottes. Wie ist der Schatz verborgen? CGl 102 3 Es wird von den Schätzen des Evangeliums gesagt, daß sie verborgen sind. Die Schönheit, die Kraft und das Geheimnis des Erlösungsplanes werden von denen, die sich selbst für weise halten und durch die Lehren eitler, menschlicher Philosophie aufgeblasen sind, nicht erkannt. Viele haben Augen, aber sie sehen nicht; sie haben Ohren, aber sie hören nicht; sie haben Verstandeskräfte, aber sie erkennen den verborgenen Schatz nicht. CGl 102 4 Ein Mensch konnte über den Platz gehen, wo der Schatz verborgen lag, er konnte sich am Fuße des Baumes niedersetzen, um zu ruhen, ohne es zu wissen, daß bei den Wurzeln desselben Baumes Reichtümer verborgen waren. So war es mit den Juden. Wie ein goldener Schatz war den Hebräern die Wahrheit anvertraut worden. Der das Gepräge des Himmels tragende jüdische Gottesdienst war von Christo selbst eingesetzt worden. In Vorbildern und Symbolen hatten sie, nur noch umflort, die großen Wahrheiten der Erlösung, aber als Christus kam, erkannten sie ihn nicht als den, auf welchen alle diese Symbole und Vorbilder hinwiesen. Sie hatten das Wort Gottes in ihren Händen, aber die Überlieferungen, die von Geschlecht zu Geschlecht auf sie gekommen waren und die menschlichen Auslegungen der heiligen Schriften verbargen ihnen die Wahrheit, wie sie in Jesu ist. Die geistliche Wichtigkeit und Bedeutung der heiligen Schriften war ihnen verloren gegangen. Das Schatzhaus aller Erkenntnis lag offen vor ihnen, aber sie wußten es nicht. CGl 103 1 Gott verbirgt den Menschen seine Wahrheit nicht; wenn sie ihnen verdunkelt wird, ist es eine Folge ihrer eigenen Handlungsweise. Christus gab dem jüdischen Volke genügende Beweise, daß er der Messias sei, aber seine Lehren erforderten eine entschiedene Änderung in ihrem Leben. Sie sahen ein, daß sie, wenn sie Christum annähmen, ihre langgehegten Gewohnheiten und Überlieferungen, ihr selbstsüchtiges, gottloses Wesen aufgeben müßten. Es forderte ein Opfer, die unveränderliche, ewige Wahrheit anzunehmen, und darum verwarfen sie den allerklarsten Beweis, den Gott geben konnte, um den Glauben an Christum zu begründen. Sie behaupteten, den alttestamentlichen Schriften zu glauben und weigerten sich dennoch, das darin enthaltene Zeugnis betreffs des Lebens und Charakters Christi anzunehmen. Sie wollten sich nicht überzeugen lassen, weil sie fürchteten, dann bekehrt zu werden und gezwungen zu sein, ihre vorgefaßten Ansichten aufzugeben. Sie hatten den Schatz des Evangeliums, den Weg, die Wahrheit und das Leben in ihrer Mitte, aber sie verwarfen die größte Gabe, die Gott mitteilen konnte. CGl 104 1 "Doch auch der Obersten glauben viel an ihn," lesen wir, "aber um der Pharisäer willen bekannten sie es nicht, daß sie nicht in den Bann getan würden." Johannes 12,42. Sie waren überzeugt, sie glaubten, daß Jesus der Sohn Gottes sei, aber es entsprach nicht ihren ehrgeizigen Wünschen, ihn zu bekennen. Der Glaube, der ihren himmlischen Schatz gesichert haben würde, fehlte ihnen; sie trachteten nach weltlichen Schätzen. CGl 104 2 In unserer Zeit suchen die Menschen eifrigst nach irdischen Schätzen; sie sind von selbstsüchtigen, ehrgeizigen Gedanken erfüllt. Um weltliche Reichtümer, Ehre oder Macht zu gewinnen, stellen sie die Grundsätze, Überlieferungen und Forderungen der Menschen über die Forderungen Gottes; ihnen sind die Schätze seines Wortes verborgen. CGl 104 3 "Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich gerichtet sein." 1.Korinther 2,14. CGl 104 4 "Ist nun unser Evangelium verdeckt, so ist's in denen, die verloren werden, verdeckt; bei welchen der Gott dieser Welt der Ungläubigen Sinn verblendet hat, daß sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Klarheit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes." 2.Korinther 4,3.4. Der Wert des Schatzes CGl 105 1 Der Heiland sah, daß das ganze Trachten der Menschen nur auf irdischen Gewinn ausging und sie die ewigen Wahrheiten aus den Augen verloren. Er versuchte diesem Übel abzuhelfen, den verblendeten Bann, welcher die Seele lähmte, zu brechen. Er erhob seine Stimme und rief: "Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse?" Matthäus 16,26. Damit die gefallene Welt jene bessere Welt, die sie aus den Augen verloren hat, erkennen möchte, zeigte er ihr die ewigen Wahrheiten; er führte sie an die von der unbeschreiblichen Herrlichkeit Gottes umflossene Schwelle des Unendlichen und zeigte ihr den Schatz, der daselbst ist, dessen Wert den des Goldes und Silbers übersteigt und mit dem irdische Schätze nicht zu vergleichen sind. CGl 105 2 "Die Tiefe spricht: Nicht ist sie in mir! Und das Meer spricht: Nicht weilet sie bei mir. Nicht kann gediegen Gold für sie gegeben, Noch dargewogen werden Silber als ihr Kaufgeld. Nicht wiegt man sie auf mit Ophir-Feingold. Mit kostbarem Beryll und Saphir. Nicht kann man ihr Gold und Glas gleichstellen, Noch als ihren Eintausch Gerät von feinem Gold. Korallen und Krystall sind nicht zu erwähnen, Und der Erwerb von Weisheit ist besser, denn Perlen." Hiob 28,14-18. CGl 105 3 Dies ist der Schatz, der in der Heiligen Schrift gefunden wird. Die Bibel ist Gottes Lehrbuch, sein großer Erzieher. Sie enthält die Grundlage aller wahren Wissenschaft. Jeden Zweig des Wissens kann man finden, wenn man im Worte Gottes forscht und vor allem enthält es die Wissenschaft aller Wissenschaften, die Wissenschaft des Heils. Die Bibel ist die Mine des unerforschlichen Reichtums Christi. CGl 105 4 Die wahre, höhere Bildung erlangt man, indem man das Wort Gottes durchforscht und demselben gehorcht. Wenn aber das Wort Gottes beiseite gelegt wird für Bücher, die nicht zu Gott, nicht zum Himmelreich führen, dann ist die erlangte Bildung eine Verkehrung des Namens -- keine wahre Bildung. CGl 106 1 Es gibt wunderbare Wahrheiten in der Natur. Die Erde, das Meer und der Himmel sind voller Wahrheit; sie sind unsere Lehrer. Die Natur erhebt ihre Stimme in Lehren über himmlische Weisheit und ewige Wahrheit, aber der gefallene Mensch will sie nicht verstehen. Die Sünde hat sein Augenlicht verdunkelt und er kann aus sich selbst die Natur nicht erklären, ohne sie über Gott zu stellen. Selbst richtige Lehren können keinen Eindruck auf das Gemüt derer machen, die das Wort Gottes verwerfen; die Lehren der Natur werden von ihnen so verkehrt, so verfälscht, daß sie das Herz vom Schöpfer abwenden. Viele achten der Menschen Weisheit höher als die Weisheit des göttlichen Lehrers, und Gottes Lehrbuch stellt man als altmodisch, veraltet und reizlos dar. Die aber durch den Heiligen Geist belebt worden sind, sehen es nicht so an. Sie erkennen des köstlichen Schatz und möchten alles verkaufen, um den Acker zu erwerben, der ihn enthält. Anstatt der Bücher, welche die Mutmaßungen berühmter, großer Schriftsteller enthalten, wählen sie das Wort dessen, der der größte Lehrer ist, welchen die Welt je gesehen hat, der sein Leben für uns dahingab, damit wir durch ihn das ewige Leben haben möchten. Die Folgen der Vernachlässigung des Schatzes CGl 106 2 Satan wirkt aufs Gemüt und bringt die Menschen auf den Gedanken, daß sie, getrennt von Gott, eine wunderbare Erkenntnis erlangen können. Durch seine betörenden Trugschlüsse veranlaßte er Adam und Eva, das Wort Gottes zu bezweifeln und anstatt dessen eine Theorie anzunehmen, die damals zum Ungehorsam führte. Aber bis heute bewirken seine Trugschlüsse dasselbe, das sie in Eden taten. Lehrer, die ihrem Unterricht die Ideen ungläubiger Schriftsteller einverleiben, pflanzen in die Gemüter der Jugend Gedanken, die sie dahinbringen werden, Gott zu mißtrauen und, seine Gesetze zu übertreten. Solche Lehrer wissen wenig was sie tun und erkennen nicht die Folge ihres Wirkens. CGl 107 1 Ein Student kann alle Stufen der Schulen und Universitäten durchmachen; er mag alle seine Kräfte anwenden, um Kenntnisse zu erlangen; wenn er aber keine Erkenntnis von Gott hat, wenn er nicht den Gesetzen, denen sein Wesen unterworfen ist, gehorcht, so wird er sich selbst vernichten. Durch verkehrte Gewohnheiten verliert er die Achtung vor sich selbst, verliert die Selbstbeherrschung und kann kein richtiges Urteil über Dinge abgeben, die ihn selbst betreffen. Er wird nachlässig und unvernünftig in der Behandlung seiner Seele und seines Körpers -- er richtet sich durch seine ungezügelten Leidenschaften zugrunde. Wahres Glück bleibt ihm fern, denn weil er es vernachlässigt, nach reinen, gesunden Grundsätzen zu leben, so bringt er sich unter die Herrschaft von Gewohnheiten, die seinen Frieden stören. Seine Studienjahre sind umsonst, denn er hat sich selbst körperlich zugrunde gerichtet. Er hat seine Kräfte mißbraucht und der Tempel des Leibes ist eine Ruine geworden; für dieses und für das zukünftige Leben ist er verloren. Er glaubte, durch Erlangung irdischer Kenntnisse einen Schatz zu gewinnen, aber indem er seine Bibel beiseite legte, gab er den Schatz auf, der mehr wert ist als alles andere. Das Suchen nach dem Schatz CGl 107 2 Das Wort Gottes soll unser Studium sein. Wir sollen unsere Kinder in den darin gefundenen Wahrheiten unterrichten. Es ist ein unerschöpflicher Schatz; aber die Menschen finden diesen Schatz nicht, weil sie nicht darnach suchen, bis er in ihrem Bereich ist. Viele werden sich dann mit einer Voraussetzung betreffs der Wahrheit zufrieden geben, ihnen genügt ein oberflächliches Forschen und sie nehmen an, daß sie alles haben, was notwendig ist. Sie lassen die Aussagen anderer als Wahrheit gelten, weil sie zu träge sind, selbst fleißig und ernstlich zu forschen, wie es im Worte als ein Graben nach einem verborgenen Schatze dargestellt wird. Aber die Erfindungen des Menschen sind nicht nur unzuverlässig, sondern auch gefährlich, denn sie stellen den Menschen dahin, wo Gott sein sollte. Sie bringen die Aussagen von Menschen dahin, wo es "so spricht der Herr" heißen sollte. CGl 108 1 Christus ist die Wahrheit. Seine Worte sind Wahrheit und sie haben eine tiefere Bedeutung als oberflächlich ersichtlich ist. Alle Worte Christi haben einen Wert, der weit über ihr unscheinbares Äußere hinausgeht. Seelen, die durch den Heiligen Geist belehrt worden sind, werden den Wert dieser Worte erfassen; sie werden die köstlichen Edelsteine der Wahrheit erkennen, selbst wenn dieselben vergrabene Schätze sein mögen. CGl 108 2 Menschliche Theorien und Spekulationen werden nie zum Verständnis des Wortes Gottes führen. Wer glaubt die Philosophie zu verstehen, der hält seine Auseinandersetzungen für notwendig, um die Schätze der Erkenntnis zu erschließen und zu verhindern, daß Ketzereien in die Gemeinde hineinkommen. Aber gerade diese Erklärungen haben falsche Theorien und Ketzereien hineingebracht. Männer haben große Anstrengungen gemacht, Schriftstellen, die ihnen dunkel und verwickelt schienen, zu erklären; aber nur zu oft haben ihre Bestrebungen das, was sie zu erklären versuchten, nur noch mehr verdunkelt. CGl 108 3 Die Priester und Pharisäer dachten, daß sie als Lehrer große Dinge täten, wenn sie ihre eigenen Auslegungen des Wortes Gottes brachten; aber Christus sagte von ihnen: "Ihr irret darum, daß ihr nichts wisset von der Schrift, noch von der Kraft Gottes." Markus 12,24. Er beschuldigte sie, daß sie solche Lehre lehrten, die nichts war "denn Menschengebot". Markus 7,7. Obgleich sie die Lehrer der Offenbarung Gottes waren, obgleich von ihnen angenommen wurde, daß sie Gottes Wort verstanden, waren sie doch keine Täter seines Wortes. Satan hatte ihre Augen verblendet, so daß sie die wahre Bedeutung desselben nicht sehen konnten. CGl 108 4 Auch in unserer Zeit wird oft so gehandelt. Viele Gemeinden sind dieser Sünde schuldig. Es ist Gefahr vorhanden und zwar große Gefahr, daß die vermeintlichen Weisen unserer Zeit dasselbe tun, wie damals die jüdischen Lehrer. Sie legen die göttliche Offenbarung falsch aus und Seelen werden durch die falsche Auffassung von göttlichen Wahrheiten in Verwirrung gebracht und in Finsternis gehüllt. CGl 108 5 Die Heilige Schrift braucht nicht bei dem trüben Licht der Überlieferung oder menschlicher Mutmaßung gelesen zu werden. Wir könnten gerade so gut versuchen, der Sonne mit einer Fackel Licht zu geben, als die Schrift durch menschliche Überlieferungen oder Einbildungen zu erklären. Gottes heiliges Wort bedarf des Fackellichts der Erde nicht, um seine Herrlichkeiten erkenntlich zu machen. Es ist Licht in sich selbst. -- Es ist die offenbare Herrlichkeit Gottes, und neben diesem Licht ist alles andere Licht trübe. CGl 109 1 Aber ernstes Studium und genaue Untersuchungen müssen angewandt werden. Eine klare Erkenntnis der Wahrheit wird niemals der Lohn der Trägheit sein. Selbst die irdischen Segnungen können nicht ohne ernstes, geduldiges, andauerndes Streben erlangt werden. Will jemand Erfolg im Geschäft haben, dann muß er mit einem festen Willen daran gehen, etwas schaffen zu wollen, und auch mit dem Vertrauen, daß er Erfolg haben wird. So können wir auch nicht erwarten, geistliche Erkenntnis ohne ernstes Streben zu erlangen. Wer die Schätze der Wahrheit zu finden wünscht, der muß darnach graben, wie der Bergmann nach dem in der Erde verborgenen Schatz gräbt. Halbherzige, gleichgültige Arbeit wird nichts nützen. Jung und alt müssen nicht nur das Wort Gottes lesen, sondern es mit Ernst studieren, darüber beten und nach der Wahrheit forschen, wie nach einem verborgenen Schatz. Die dies tun, werden belohnt werden, denn Christus wird das Verständnis beleben. CGl 109 2 Unser Heil hängt von der Erkenntnis der in der Schrift enthaltenen Wahrheit ab und Gott wünscht, daß wir diese besitzen. Erforscht, o erforscht die köstliche Bibel mit hungrigem Herzen! Sucht im Worte Gottes wie der Bergmann die Erde durchsucht, um Goldadern zu finden. Gebt das Forschen nie auf, bis ihr euer Verhältnis zu Gott und seinen Willen in bezug auf euch erkannt habt. Christus sagte ja: "Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf daß der Vater geehret werde in dem Sohne. Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun." Johannes 14,13.14. CGl 109 3 Fromme und begabte Menschen schauen bisweilen die ewigen Wirklichkeiten, ohne sie zu verstehen, denn die sichtbaren Dinge verdunkeln die Herrlichkeit der unsichtbaren Dinge. Wer nach dem verborgenen Schatz mit Erfolg suchen will, muß höhere Ziele haben als die Dinge dieser Welt. Sein ganzes Streben und alle seine Fähigkeiten müssen dem Forschen geweiht werden. CGl 110 1 Der Ungehorsam hat oft der Erkenntnis, die aus dem Worte Gottes hätte erlangt werden können, die Tür verschlossen. Erkenntnis bedeutet Gehorsam gegen Gottes Gebote. Die Heilige Schrift soll dem Vorurteil und dem Mißtrauen der Menschen nicht angepaßt werden. Sie kann nur von denen verstanden werden, die demütig nach der Erkenntnis der Wahrheit suchen, um derselben gehorchen zu können. CGl 110 2 Fragst du: was muß ich tun, daß ich selig werde? Da mußt du, ehe du mit der Untersuchung beginnst, deine vorher geformten Ansichten, deine angeborenen und anerzogenen Ideen beiseite legen. Wenn du in der Schrift suchst, um deine eigenen Ansichten bestätigt zu finden, so wirst du nie die Wahrheit erfahren. Suche in der Schrift, um zu erfahren, was der Herr sagt. Wenn du während des Suchens überzeugt wirst, wenn du siehst, daß deine bisherigen Ansichten nicht im Einklang mit der Wahrheit sind, dann deute die Wahrheit nicht so, daß sie deinem eigenen Glauben entspricht, sondern nimm das gegebene Licht an. Öffne dein Gemüt und Herz, damit du das Wunderbare im Worte Gottes erkennst. CGl 110 3 Der Glaube an Christum als den Erlöser der Welt kann nur von einem erleuchteten Verständnis, welches von einem Herzen beherrscht wird, das den himmlischen Schatz erkennen und würdigen kann, angenommen werden. Dieser Glaube ist unzertrennlich von Buße und Umbildung des Charakters. Glauben zu haben, heißt, den Evangeliumsschatz mit allen seinen Verpflichtungen zu finden und anzunehmen. CGl 110 4 "Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen." Johannes 3,3. Er kann mutmaßen, kann sich etwas vorstellen, aber er kann ohne das Auge des Glaubens den Schatz nicht sehen. Christus gab sein Leben, um uns diesen unermeßlich großen Schatz zu sichern, aber ohne Wiedergeburt durch Glauben an sein Blut gibt es keine Sündenvergebung, keinen Schatz für irgend eine dem Verderben entgegengehende Seele. CGl 111 1 Wir bedürfen der Erleuchtung des Heiligen Geistes, um die Wahrheiten des Wortes Gottes zu erkennen. Die lieblichen Dinge in der natürlichen Welt werden nicht gesehen, bis die Sonne, indem sie die Dunkelheit vertreibt, sie mit ihrem Lichte überflutet. So werden auch die Schätze des Wortes Gottes nicht gewürdigt, bis sie durch die hellen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit offenbar werden. CGl 111 2 Der durch die Güte der ewigen Liebe vom Himmel gesandte Heilige Geist offenbart einer jeden Seele, die unbedingten Glauben an Christum hat, göttliche Dinge. Durch seine Kraft werden die lebendigen Wahrheiten, von denen das Heil der Seele abhängt, dem Gemüte eingeprägt und der Weg des Lebens so klar gemacht, daß niemand irre zu gehen braucht. Wenn wir die Heilige Schrift studieren, sollten wir um das Licht des Heiligen Geistes Gottes bitten, damit es auf das Wort scheine und wir die Schätze desselben sehen und würdigen können. Der Lohn des Forschens CGl 111 3 Niemand darf annehmen, daß er keine höhere Erkenntnis erlangen könne. Die Tiefe menschlichen Verständnisses kann gemessen, die Werke menschlicher Schriftsteller können übertroffen werden; aber der höchste, tiefste und weiteste Flug unserer Gedanken kann nicht Gott ergründen. Über unsere Begriffe hinaus gibt es eine Unermeßlichkeit. Wir haben nur den Schimmer der göttlichen Herrlichkeit und der unerforschlichen Erkenntnis und Weisheit gesehen; wir haben sozusagen auf der Oberfläche der Mine gearbeitet, während tiefer nach unten reiche Goldadern liegen, um den darnach Grabenden zu belohnen. Der Schacht muß immer tiefer in der Mine abgeteuft werden, um herrliche Schätze zu entdecken. Durch richtigen Glauben wird die göttliche Erkenntnis zur menschlichen Erkenntnis. CGl 111 4 Niemand kann im Geiste Christi die Schrift erforschen und unbelohnt bleiben. Wenn der Mensch willig ist, wie ein kleines Kind belehrt zu werden, wenn er sich gänzlich Gott unterwirft, so wird er die Wahrheit im Worte Gottes finden. Wären die Menschen gehorsam, dann würden sie den Regierungsplan Gottes verstehen und würden die himmlische Welt mit ihren Wohnungen der Schönheit und Herrlichkeit ihren Blicken eröffnet sehen. Sie würden ganz andere Wesen sein als sie jetzt sind, denn durch das Erforschen der Minen der Wahrheit würden sie veredelt werden; das Geheimnis der Erlösung, die Menschwerdung Christi, sein Versöhnungsopfer würden ihnen nicht, wie sie es jetzt sind, unbestimmte Begriffe sein, sondern von ihnen besser verstanden und auch mehr geschätzt werden. CGl 112 1 In seinem Gebet zu seinem Vater gab Christus der Welt eine Lehre, die auf Gemüt und Seele eingegraben werden sollte. "Das ist aber das ewige Leben," sagte er, "daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christ, erkennen." Johannes 17,3. Dies ist wahre Bildung, eine Bildung, die uns Kraft gibt. Die durch Erfahrung erlangte Erkenntnis Gottes und Jesu Christi, den er gesandt hat, bildet den Menschen um in das Ebenbild Gottes; sie gibt ihm die Herrschaft über sich selbst, indem sie alle seine Triebe und niederen Leidenschaften den höheren Geisteskräften unterordnet Sie macht ihren Besitzer zu einem Gotteskind, zu einem Erben des Himmels; sie bringt ihn in Gemeinschaft und Harmonie mit dem ewigen Gott und eröffnet ihm die Schätze des ganzen Weltalls. CGl 112 2 Das ist die Erkenntnis, die durch das Forschen im Worte Gottes erlangt wird, und dieser Schatz kann von irgend einer Seele gefunden werden, die alles aufgeben will, um ihn zu erlangen. CGl 112 3 "So du mit Fleiß darnach rufest und darum betest, so du sie suchest wie Silber und forschest sie wie Schätze: alsdann wirst du die Furcht des Herrn vernehmen und Gottes Erkenntnis finden." Sprüche 2,3-5. ------------------------Kapitel 9 -- Die Perle CGl 113 1 Auf der Grundlage von Matthäus 13,45.46. CGl 113 2 Unser Heiland verglich die Segnungen der erlösenden Liebe mit einer köstlichen Perle. Er veranschaulichte seine Lehre durch das Gleichnis von dem Kaufmann, der gute Perlen suchte, "und da er eine köstliche Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte dieselbige." Christus selbst ist die köstliche Perle. In ihm wohnt alle Herrlichkeit des Vaters, die Fülle der Gottheit leibhaftig. Er ist der Glanz der Herrlichkeit des Vaters und das Ebenbild seines Wesens. Das Erhabene der Eigenschaften Gottes ist in seinem Charakter ausgeprägt. Eine jede Seite der Heiligen Schrift strahlt von seinem Licht. Die Gerechtigkeit Christi, der reinen, weißen Perle gleich, hat keinen Fehler und keinen Flecken. Keine menschliche Hand kann die große und köstliche Gabe Gottes verbessern. Sie ist tadellos. In Christo liegen verborgen "alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis". Er ist uns gemacht "von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung". Kolosser 2,3; 1.Korinther 1,30. Alles, was die Bedürfnisse und das Sehnen der menschlichen Seele in dieser und der zukünftigen Welt befriedigen kann, wird in Christo gefunden. Unser Erlöser ist die Perle, die so köstlich ist, daß im Vergleich mit ihr alles andere als Verlust erachtet werden kann. CGl 113 3 Christus "kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf". Das Licht Gottes schien in die Finsternis der Welt, "und die Finsternis hat's nicht begriffen". Johannes 1,11.5. Aber nicht alle waren gegen die Gabe Gottes gleichgültig. Der Kaufmann im Gleichnis stellt eine Klasse von Menschen dar, die aufrichtig nach Wahrheit verlangte. Unter den verschiedenen Völkern gab es ernste, denkende Männer, die in der Literatur, der Wissenschaft und in der Religion der heidnischen Welt nach dem gesucht hatten, was ihnen als Seelenschatz dienen konnte. CGl 114 1 Auch unter den Juden waren viele, die nach etwas suchten, das sie nicht hatten. Unbefriedigt durch ihre Formenreligion sehnten sie sich nach etwas Geistlichem, etwas Erhebendem. Zu letzteren gehörten die von Jesu erwählten Jünger; Cornelius und der Kämmerer aus dem Mohrenlande zu den ersteren. Sie hatten sich nach dem Licht vom Himmel gesehnt und darum gebeten, und als Christus ihnen offenbart wurde, nahmen sie ihn mit Freuden an. CGl 114 2 Die Perle wird uns im Gleichnis nicht als ein Geschenk dargestellt. Der Kaufmann gab alles, was er hatte, um sie zu kaufen. Viele stellen deshalb die gegebene Deutung in Frage, weil Christus doch in der Schrift als eine Gabe bezeichnet wird. Er ist auch eine Gabe, aber nur für diejenigen, die sich ihm ganz, Seele, Leib und Geist, ohne Rückhalt geben. Wir müssen uns selbst Christo geben, um ein Leben willigen Gehorsams gegen alle seine Forderungen zu führen. Alles, was wir sind, alle Gaben und Fähigkeiten, die wir besitzen, sind des Herrn, um seinem Dienste geweiht zu werden. Wenn wir uns ihm in dieser Weise gänzlich geben, dann gibt sich Christus uns mit allen Schätzen des Himmels, und wir erhalten die köstliche Perle. CGl 114 3 Das Heil in Christo ist eine freie Gabe und doch ist diese zu kaufen und zu verkaufen. Auf dem Markt, wo die göttliche Barmherzigkeit die Leitung hat, kann man die köstliche Perle ohne Geld und ohne Preis erhalten. Das Schatzhaus der Juwelen der Wahrheit steht allen offen. "Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offene Tür," sagt der Herr, "und niemand kann sie zuschließen." Offenbarung 3,8. Kein Schwert bewacht den Eingang durch diese Tür. Stimmen von innerhalb und bei der Tür sagen: Komm! Des Heilandes Stimme ladet ernst und liebevoll ein: "Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist, daß du reich werdest." Offenbarung 3,18. CGl 115 1 Das Evangelium von Christo ist ein Segen, den alle besitzen können. Die ärmsten gerade sowohl wie die reichsten können sich das Heil sichern, das durch keine Menge weltlichen Reichtums, sondern einzig und allein durch willigen Gehorsam, indem wir uns Christo als sein erkauftes Eigentum hingeben, erlangt werden kann. Bildung, selbst der höchsten Art, kann an sich selbst keinen Menschen näher zu Gott bringen. Die Pharisäer genossen viele irdische und geistliche Vorteile, womit sie sich brüsteten und worauf sie stolz waren. Sie sagten: Wir sind "reich und haben gar satt", und dennoch waren sie "elend und jämmerlich, arm, blind und bloß". Offenbarung 3,17. Christus bot ihnen die köstliche Perle an, aber sie verschmähten dieselbe, worauf er sagte: "Die Zöllner und Huren mögen wohl eher ins Himmelreich kommen denn ihr." Matthäus 21,31. CGl 116 1 Wir können unser Heil nicht verdienen, aber wir müssen mit soviel Interesse und Ausdauer darnach trachten, als ob wir alles in der Welt dafür hingeben möchten. CGl 116 2 Wir müssen nach der köstlichen Perle suchen, aber nicht auf weltlichen Märkten oder in weltlicher Art und Weise; auch können wir den Preis dafür nicht in Gold oder Silber bezahlen, denn diese gehören Gott. Gebt den Gedanken auf, daß irdische oder geistliche Vorteile euch das Heil eurer Seele sichern können. Gott verlangt von euch willigen Gehorsam. Er bittet euch, eure Sünden aufzugeben. "Wer überwindet," sagt Christus, "dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl." Offenbarung 3,21. CGl 116 3 Es gibt Menschen, die immer nach der himmlischen Perle zu suchen scheinen, aber ihre verkehrten Gewohnheiten nicht gänzlich aufgeben; sie sterben dem eigenen Ich nicht ab, damit Christus in ihnen leben kann, und deshalb finden sie die köstliche Perle auch nicht. Sie überwinden nicht die unheilige Ehrfurcht und ihre Liebe zu weltlichen Vergnügungen; sie nehmen das Kreuz nicht auf und folgen Christum nicht auf dem Pfade der Selbstverleugnung und Aufopferung. Beinahe, aber nicht ganz, sind sie Christen, scheinen dem Himmelreiche nahe zu sein und können nicht in dasselbe eingehen. Beinahe, aber nicht ganz gerettet, bedeutet: nicht beinahe, sondern ganz verloren sein. CGl 116 4 Das Gleichnis vom Kaufmann, der gute Perlen suchte, hat eine doppelte Bedeutung. Es findet nicht nur Anwendung auf Menschen, die das Himmelreich suchen, sondern auch auf Christum, der sein verlorenes Erbe sucht. Christus, der himmlische Kaufmann, der gute Perlen suchte, sah in der verlorenen Menschheit die köstliche Perle. Er sah in dem durch die Sünde verdorbenen und befleckten Menschen die Möglichkeit einer Erlösung. Herzen, die gleichsam das Schlachtfeld für den Streit mit Satan gewesen sind, aber durch die Macht der Liebe gerettet wurden, sind dem Erlöser köstlicher als diejenigen, welche nie fielen. Gott sah die Menschen nicht als verderbt und wertlos an, er blickte auf sie in Christo und er sah sie, wie sie durch die erlösende Liebe werden könnten. Das, was mehr wert war, als alle Reichtümer des Weltalls gab er hin, um die Perle zu kaufen. Jesus aber, als er sie fand, setzte sie wieder in sein Diadem ein. "Denn Diademsteine sind's, die hervorschimmern auf seinem Lande." "Sie sollen," spricht der Herr Zebaoth, "des Tages, den ich machen will, mein besonderer Schatz sein." Sacharja 9,16; Maleachi 3,17. CGl 117 1 Aber Christus, als die köstliche Perle, und unser Vorrecht, diesen himmlischen Schatz zu besitzen, ist das Thema, mit dem wir uns am meisten beschäftigen sollen. CGl 117 2 Der Heilige Geist offenbart den Menschen den Wert der köstlichen Perle. Die Zeit, da er mit Kraft wirkt, ist gerade die Zeit, da die himmlische Gabe in einem besonderen Sinne gesucht und gefunden wird. Zur Zeit Christi hörten viele das Evangelium, aber ihre Gemüter waren durch falsche Lehren verfinstert und sie erkannten in dem demütigen Lehrer von Galiläa nicht den von Gott Gesandten. Aber nach Christi Himmelfahrt wurde durch die Ausgießung des Heiligen Geistes die Einsetzung in sein Mittleramt gekennzeichnet. Am Tage der Pfingsten wurde der Geist gegeben. Die Zeugen Christi verkündigten die Kraft des auferstandenen Heilandes. Das Licht vom Himmel durchdrang die verfinsterten Gemüter derer, die durch die Feinde Christi getäuscht worden waren. Jetzt sahen sie ihn "erhöhet zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden". Apostelgeschichte 5,31. Sie sahen ihn umgeben von der Herrlichkeit des Himmels mit unermeßlichen Schätzen in seinen Händen, um sie denen zu verleihen, die sich nicht länger gegen ihn auflehnen wollten. Als die Apostel die Herrlichkeit des Eingeborenen des Vaters verkündigten, wurden dreitausend Seelen überzeugt. Sie sahen sich, wie sie wirklich waren, sündig und befleckt, und erkannten Christum, als ihren Freund und Erlöser. Christus wurde durch die auf Menschen ruhende Kraft des Heiligen Geistes erhöht und verherrlicht. Im Glauben sahen diese Gläubigen ihn als den, der Demütigung, Leiden und Tod ertragen und erduldet hatte, damit sie nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben möchten. Indem der Geist ihnen Christum offenbarte, erkannten sie seine Kraft und Majestät, streckten im Glauben ihre Hände nach ihm aus und sagten: Ich glaube. CGl 118 1 Dann wurde die frohe Botschaft von einem auferstandenen Heiland bis zu den Enden der bewohnten Welt getragen. Die Gemeinde sah, wie von allen Richtungen viele Bekehrte zu ihr kamen. Gläubige wurden aufs neue bekehrt. Sünder vereinigten sich mit Christen, um die köstliche Perle zu suchen. Dann wurde die Prophezeiung erfüllt: "Welcher schwach sein wird unter ihnen zu der Zeit, wird sein wie David, und das Haus David ... wie des Herrn Engel." Sacharja 12,8. Ein jeder Christ sah in seinem Bruder gottähnliche Güte und Liebe; ein Interesse beseelte alle, ein Ziel drängte alles andere in den Hintergrund, alle Herzen schlugen in Harmonie. Das einzige Verlangen der Gläubigen war das Ebenbild des Charakters Christi zu offenbaren und zur Vergrößerung seines Reiches beizutragen. "Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele ... Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesu, und war große Gnade bei ihnen allen." "Der Herr aber tat hinzu täglich, die da selig wurden, zu der Gemeinde." Apostelgeschichte 4,32.33; Apostelgeschichte 2,47. Der Geist Christi belebte die ganze Gemeinde, denn sie hatte die köstliche Perle gefunden. CGl 118 2 Diese Szenen sollen sich wiederholen und zwar mit noch größerer Kraft. Die Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingsttage war der Frühregen; der Spätregen wird noch reichlicher fallen. Der Geist Gottes wartet darauf, daß wir nach ihm verlangen und ihn annehmen. Christus soll durch die Kraft des Heiligen Geistes wiederum in seiner Fülle offenbart werden. Menschen werden den Wert der köstlichen Perle erkennen und mit dem Apostel Paulus sagen: "Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. Ja, ich achte es noch alles für Schaden gegen die überschwengliche Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn." Philipper 3,7.8. ------------------------Kapitel 10 -- Das Netz CGl 120 1 Auf der Grundlage von Matthäus 13,47-50. CGl 120 2 "Abermal ist gleich das Himmelreich einem Netze, das ins Meer geworfen ist, damit man allerlei Gattung fängt. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten in ein Gefäß zusammen; aber die faulen werfen sie weg. Also wird es auch am Ende der Welt gehen: die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappen sein." CGl 120 3 Das Auswerfen des Netzes ist das Predigen des Evangeliums. Dadurch werden Gute und Schlechte in die Gemeinde gebracht. Wenn die Aufgabe des Evangeliums vollendet ist, wird das Gericht die Arbeit der Sonderung vollziehen. Christus sah, wie dadurch, daß falsche Brüder zur Gemeinde zählten, der Weg der Wahrheit verlästert werden würde, wie die Welt das Evangelium verwerfen würde wegen des unbeständigen Wandels falscher Christenbekenner; ja wie selbst Christen straucheln würden, wenn sie die vielen sehen, die zwar den Namen Christi tragen, sich aber nicht von seinem Geist regieren lassen wollen. Dadurch, daß solche Sünder in der Gemeinde sein werden würden die Menschen in Gefahr sein zu glauben, daß Gott ihre Sünden nicht ansehe. Deshalb lichtete Christus den Schleier der Zukunft und zeigte allen, daß der Charakter und nicht die Stellung das Schicksal des Menschen entscheidet. CGl 121 1 Sowohl das Gleichnis vom Unkraut als auch das vom Netze lehrt klar, daß es keine Zeit gibt, in welcher sich alle Gottlosen zu Gott bekehren werden. Der Weizen und das Unkraut wachsen zusammen bis zur Ernte. Die guten und die schlechten Fische werden miteinander ans Ufer gezogen, um dort auf immer von einander geschieden zu werden. CGl 121 2 Ferner lehren diese Gleichnisse auch, daß es nach dem Gericht keine Gnadenzeit mehr gibt. Wenn die Aufgabe des Evangeliums vollendet ist, folgt sofort die Scheidung der Guten von den Bösen, und das Schicksal einer jeden Klasse ist auf ewig entschieden. CGl 121 3 Gott wünscht aber nicht, daß irgend ein Mensch umkomme, "So wahr als ich lebe, spricht der Herr, Herr: Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe. So bekehret euch doch nun von eurem bösen Wesen. Warum wollt ihr sterben?" Hesekiel 33,11. Die ganze Gnadenzeit hindurch bittet der Geist Gottes die Menschen, die Gabe des Lebens anzunehmen. Nur diejenigen, welche den Bitten seines Geistes widerstehen, werden umkommen. Gott hat erklärt, daß die Sünde als das Übel, welches das ganze Weltenall verderbt, ausgerottet werden muß. Wer an der Sünde festhält, wird bei deren Ausrottung mit umkommen. ------------------------Kapitel 11 -- "Neues und Altes" CGl 122 1 Auf der Grundlage von Matthäus 13,51.52. CGl 122 2 Während Christus das Volk belehrte, bildete er gleichzeitig seine Jünger für ihr zukünftiges Werk aus. In allen seinen Unterweisungen waren auch Lehren für sie. Nachdem er das Gleichnis vom Netz gegeben hatte, fragte er sie: "Habt ihr das alles verstanden?" Sie antworteten ihm: "Ja, Herr." Dann führte er ihnen in einem anderen Gleichnis ihre Verantwortlichkeit betreffs der empfangenen Wahrheit vor. "Darum," sagte er, "ein jeglicher Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, ist gleich einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorträgt." CGl 122 3 Der Hausvater häuft den von ihm gewonnenen Schatz nicht auf. Er benutzt ihn, um anderen davon mitzuteilen; und durch die Benutzung nimmt der Schatz zu. Der Hausvater hat köstliche Dinge, und zwar Altes und Neues. Jesus will dadurch seine Jünger lehren, die ihnen anvertraute Wahrheit der Welt mitzuteilen, wodurch allein die Erkenntnis der Wahrheit zunehmen wird. CGl 122 4 Alle, welche die Evangeliumsbotschaft mit dem Herzen erfassen, werden darnach verlangen, dieselbe anderen mitzuteilen. Die vom Himmel geborene Liebe muß Ausdruck finden. Diejenigen, welche Christum angezogen haben, fühlen sich gedrungen, ihre Erfahrungen zu erzählen, indem sie Schritt für Schritt die Führung des Heiligen Geistes an sich erkennen -- ihr Hungern und Dürsten nach der Erkenntnis Gottes und Jesu Christi, den er gesandt hat, die Folgen ihres Forschens in der Schrift, ihrer Gebete, ihrer Seelenkämpfe und der Worte Christi an sie: "Deine Sünden sind dir vergeben." Es ist für irgend jemand unnatürlich, diese Dinge für sich zu behalten und diejenigen, die erfüllt sind von der Liebe Christi, können es nicht tun. In dem Verhältnis, wie ihnen von Gott die heilige Wahrheit anvertraut ist, wird auch ihr Wunsch sein, daß andere dieselben Segnungen empfangen möchten, und indem sie die reichen Schätze der Gnade Gottes anderen bekannt machen, wird ihnen selbst immer mehr von der Gnade Christi zuteil werden. Sie werden einfältigen Herzens sein wie ein kleines Kind und rückhaltlosen Gehorsam leisten. Ihre Seelen werden nach der Heiligung verlangen, und damit sie der Welt mitteilen können, werden ihnen immer mehr Schätze der Wahrheit und Gnade geoffenbart. CGl 123 1 Das große Schatzhaus der Wahrheit ist das Wort Gottes -- das geschriebene Wort, das Buch der Natur und das Buch der Erfahrung im Verhalten Gottes gegen die Menschen. Das sind die Schätze, aus denen die Mitarbeiter Christi schöpfen sollen. Im Suchen nach Wahrheit sollen sie sich auf Gott und nicht auf menschliche Wesen verlassen, nicht auf die großen Männer, deren Weisheit Torheit bei Gott ist. Durch die von ihm selbst verordneten Mittel wird der Herr jedem, der sucht, die Erkenntnis seiner Gottheit mitteilen. CGl 123 2 Wenn der Nachfolger Christi seinem Worte glaubt und darnach handelt, wird es keine Wissenschaft in der natürlichen Welt geben, die er nicht erfassen und würdigen kann. In der Tat, es gibt nichts, das ihm nicht behilflich sein könnte, die Wahrheit anderen mitzuteilen. Die Naturwissenschaft ist ein Schatzhaus, aus welchem jeder Schüler in der Schule Christi Erkenntnis schöpfen kann. Indem wir über die Schönheit der Natur nachdenken, mit der Bearbeitung des Bodens bekannt werden, das Wachstum der Bäume betrachten und die vielen Wunder auf Erden, auf dem Meer, und am Himmel sehen, werden wir neue Anschauungen von der Wahrheit bekommen und die Geheimnisse Gottes, die mit seinem Verfahren mit dem Menschen verbunden sind, die Tiefe seiner Weisheit und Einsicht, wie sie im Menschenleben wahrgenommen wird, werden sich als ein Schatzhaus erweisen, welches reiche Schätze birgt. CGl 124 1 Aber im geschriebenen Worte wird die Erkenntnis Gottes dem gefallenen Menschen am klarsten offenbart. Dies ist das Schatzhaus des unerforschlichen Reichtums Christi. CGl 124 2 Das Wort Gottes schließt sowohl die Schriften des Alten wie des Neuen Testaments ein. Das eine ist ohne das andere nicht vollständig. Christus erklärte, daß die Wahrheiten des Alten Testamentes ebenso wertvoll seien, wie die des Neuen. Christus war am Anfang der Welt gerade sowohl der Menschenerlöser, wie er es heute ist. Ehe er seine Gottheit mit der Menschheit bekleidete und auf unsere Welt kam, wurde die Evangeliumsbotschaft von Adam, Seth, Henoch, Methusalah und Noah verbreitet. Abraham in Kanaan und Lot in Sodom trugen die Botschaft, und von Geschlecht zu Geschlecht verkündigten treue Boten den, der da kommen sollte. Die Zeremonien des jüdischen Gottesdienstes waren durch Christum selbst angeordnet worden. Jesus war die Grundlage ihres Opfersystems, das große Gegenbild ihres ganzen Gottesdienstes. Das Blut, welches beim Opfern vergossen wurde, wies hin auf das Opfer des Gotteslammes. Alle vorbildlichen Opfer wurden in ihm erfüllt. CGl 124 3 Christus wie er den Patriarchen kundgetan, durch den Opferdienst versinnbildet, im Gesetze dargestellt und von den Propheten offenbart wurde, ist der Schatz des Alten Testamentes. Christus in seinem Leben, seinem Tode und seiner Auferstehung und offenbart durch den Heilgen Geist ist der Schatz des Neuen Testamentes. Unser Heiland, der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters, ist beides, das Alte und auch das Neue. CGl 124 4 Die Apostel sollten hinausgehen als Augenzeugen von dem Leben, dem Tode und der Fürsprache Christi, die von den Propheten vorausgesagt worden waren. Christus in seiner Demütigung, in seiner Reinheit und Heiligkeit, in seiner unvergleichlichen Liebe sollte ihr Thema sein. Um das Evangelium in seiner Fülle zu predigen, mußten sie den Heiland nicht nur darstellen, wie er sich in seinem Leben und in seinen Lehren offenbart hatte, sondern auch wie er von den Propheten des Alten Testamentes geweissagt und durch den Opferdienst vorgebildet worden war. CGl 125 1 Christus führte in seinen Lehren alte Wahrheiten vor, die ihren Ursprung in ihm selbst hatten, Wahrheiten, die er selbst durch Patriarchen und Propheten gesprochen hatte, die er aber jetzt in einem neuen Lichte darstellen konnte. Wie so ganz anders erschien jetzt ihre Bedeutung! Durch seine Erklärungen wurde Licht und geistliches Leben auf sie ergossen und Christus verhieß, daß der Heilige Geist seine Jünger also erleuchten solle, daß das Wort Gottes sich ihnen beständig mehr und mehr entfalten und sie imstande sein könnten, die Wahrheiten aus demselben in neuer Schönheit vorzuführen. CGl 125 2 Seit der ersten Verheißung der Erlösung in Eden sind das Leben, der Charakter und das Mittleramt Christi Gegenstände des Nachdenkens für die Menschen gewesen und doch hat jeder Einzelne, durch den der Heilige Geist gewirkt hat, diese Dinge so dargestellt, daß sie jedem wieder neu und frisch waren. Die auf die Erlösung bezüglichen Wahrheiten sind beständiger Entwicklung und Ausdehnung fähig. Obgleich alt, sind sie doch immer wieder neu und offenbaren dem, der nach Wahrheit sucht, eine immer größere Herrlichkeit und mächtigere Kraft. CGl 125 3 In jedem Zeitalter gibt es eine neue Entwicklung der Wahrheit, eine besondere Botschaft für das jeweilige Geschlecht. Die alten Wahrheiten sind alle wichtig und bedeutungsvoll, auch sind die neuen nicht unabhängig von den alten, sondern vielmehr eine Entfaltung derselben. Nur wenn die alten Wahrheiten verstanden werden, können wir neue fassen und begreifen. Als Christus seinen Jüngern die Wahrheit betreffs seiner Auferstehung eröffnen wollte, fing er an "von Mose und allen Propheten und legte ihnen alle Schriften aus, die von ihm gesagt waren." Lukas 24,27. Das Licht aber, das beim Entfalten der neuen Wahrheit leuchtet, verherrlicht die alte Wahrheit. Wer die neue Wahrheit verwirft oder vernachlässigt, besitzt in Wirklichkeit auch nicht die alte. Sie verliert für ihn ihre lebengebende Kraft und wird zur leblosen Form. CGl 126 1 Es gibt Menschen, welche bekennen, die Wahrheiten des Alten Testamentes zu glauben und zu lehren, während sie das Neue Testament verwerfen. Indem sie sich aber weigern, die Lehren Christi anzunehmen, zeigen sie, daß sie auch dem nicht glauben, was die Patriarchen und Propheten geredet haben. "Wenn ihr Mose glaubtet," sagte Christus, "so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben." Johannes 5,46. Daher liegt auch selbst in ihren Lehren aus dem Alten Testament keine wirkliche Kraft. CGl 126 2 Viele, welche behaupten, das Evangelium zu glauben und zu lehren, befinden sich in ähnlichem Irrtum. Sie setzen die alttestamentliche Schrift beiseite, von welcher Jesus sagte: "Sie ist's, die von mir zeuget." Johannes 5,39. Indem sie das Alte Testament verwerfen, verwerfen sie tatsächlich auch das Neue, denn beide sind Teile eines unzertrennlichen Ganzen. Niemand kann das Gesetz Gottes richtig darstellen ohne das Evangelium, und wiederum nicht das Evangelium ohne das Gesetz. Das Gesetz ist das verkörperte Evangelium und das Evangelium ist das entfaltete Gesetz. Das Gesetz ist die Wurzel, das Evangelium ist die wohlriechende Blüte und Frucht, die es trägt. CGl 126 3 Das Alte Testament wirft Licht auf das Neue und das Neue wirft Licht auf das Alte. Jedes ist eine Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in Christo. Beide enthalten Wahrheiten, deren tiefere Bedeutungen dem ernsten Forscher beständig mehr erschlossen werden. CGl 126 4 Die Wahrheit in Christo und durch Christum ist unermeßlich. Der Schriftforscher blickt sozusagen in eine Quelle, die tiefer und umfangreicher wird, indem er in sie hinabschaut. Nicht in diesem Leben werden wir das Geheimnis der Liebe Gottes erfassen, die seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden dahingab. Das Werk unseres Erlösers auf dieser Erde ist etwas und wird immer etwas sein, das unser Begriffsvermögen übersteigt. Der Mensch mag alle seine geistigen Kräfte aufs äußerste anstrengen, um dies Geheimnis zu ergründen, aber seine Fassungskraft wird schlaff und matt werden, und der allerfleißigste Forscher wird sich vor einem unbegrenzten, uferlosen Meer sehen. CGl 127 1 Die Wahrheit, wie sie in Jesu ist, kann wohl erfahren, aber nie erklärt werden. Ihre Höhe, Breite und Tiefe übersteigen unsere Erkenntnis. Wir mögen unsere Einbildungskraft aufs äußerste anstrengen und werden selbst dann kaum die Umrisse einer Liebe sehen, die unerklärlich, die so hoch wie der Himmel ist, die sich aber zur Erde niederbeugte, um das Bild Gottes auf das ganze Menschengeschlecht zu prägen. CGl 127 2 Aber soviel wie wir ertragen können, von dem göttlichen Erbarmen zu sehen, wird uns ermöglicht; soviel wird der demütigen, bußfertigen Seele enthüllt. Wir werden Gottes Erbarmen gerade in dem Maße erkennen, wie wir sein für uns dargebrachtes Opfer würdigen. Indem wir in Demut des Herzens im Worte Gottes forschen, wird das große Thema der Erlösung sich uns erschließen. Es wird an Klarheit zunehmen, indem wir darauf blicken und seine Höhe und Tiefe werden beständig wachsen, wenn wir es zu fassen versuchen. CGl 127 3 Unser Leben muß mit dem Leben Jesu verknüpft sein. Wir müssen beständig von ihm nehmen, uns an ihm, dem lebendigen Brot, das vom Himmel gekommen ist, laben, und von ihm, der immer frischen Quelle, deren Schätze ohne Aufhören reichlich ausströmen, schöpfen. Wenn wir immer den Herrn vor Augen haben und unsere Herzen in Dank und Lob zu ihm erheben, wird in unserem religiösen Leben eine ununterbrochene Frische sein. Unsere Gebete werden die Form einer Unterhaltung mit Gott annehmen, als ob wir mit einem vertrauten Freunde sprechen. Er wird uns seine Geheimnisse persönlich mitteilen. Wir werden oft das süße, freudige Bewußtsein von der Gegenwart Jesu haben. Unsere Herzen werden oft in uns brennen, wenn er sich uns nähert, um mit uns zu verkehren, wie er es dereinst mit Henoch tat. Wenn dies in Wahrheit die Erfahrung des Christen ist, dann wird man in seinem Leben eine Einfachheit, eine Sanftmut und eine Herzensdemut sehen, welche allen, mit denen er verkehrt, zeigen, daß er bei Jesu gewesen ist und von ihm gelernt hat. CGl 127 4 In allen, welche die Religion Christi haben, wird sich dieselbe als ein belebender, alles durchdringender Grundsatz, als eine lebendige, wirkende, geistige Kraft offenbaren. Die Frische, die Kraft und Freudigkeit immerwährender Jugend werden sich kund tun. Ein Herz, welches das Wort Gottes aufnimmt, ist nicht wie ein Teich, der verdunstet, nicht wie ein löcheriger Brunnen, dessen Wasser versiegt; es ist wie der Bergstrom, der durch nie versiegende Quellen gespeist wird, dessen kühles, sprudelndes Wasser von Fels zu Fels springt, und die Müden, die Durstigen und die Schwerbeladenen erfrischt. CGl 128 1 Diese Erfahrung gibt einem jeden Lehrer der Wahrheit gerade die Eigenschaften, die ihn zu einem Vertreter Christi machen werden. Der den Lehren Christi innewohnende Geist wird seinen Unterhaltungen und seinen Gebeten eine Kraft, eine Bestimmtheit geben; sein Zeugnis für Christum wird nicht lau und leblos sein. Der Prediger wird nicht dieselben auswendig gelernten Predigten wieder und wieder predigen; sein Gemüt wird der beständigen Erleuchtung des Heiligen Geistes geöffnet sein. CGl 128 2 Christus sagte: "Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben ... Wie mich gesandt hat der lebendige Vater und ich lebe um des Vaters willen, also, wer mich isset, derselbige wird auch leben um meinetwillen ... Der Geist ist's, der da lebendig macht ... Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben." Johannes 6,54-63. CGl 129 1 Wenn wir Christi Fleisch essen und sein Blut trinken, wird die Kraft des ewigen Lebens in dem Gottesdienst gefunden, der frei sein wird von den vielen, alten, oft wiederholten Ideen, von dem matten, langweiligen Predigen. Wohl werden die alten Wahrheiten vorgeführt werden, aber sie werden in einem neuen Licht erscheinen. Eine neue Auffassung von der Wahrheit, eine Klarheit und eine Kraft werden da sein, die von allen erkannt werden wird. Wem es vergönnt ist, einer solchen Predigt zuzuhören, der wird, wenn er dem Einfluß des Heiligen Geistes zugänglich ist, die belebende Kraft eines neuen Lebens fühlen. Das Feuer der Liebe Gottes wird in ihm angezündet, seine Begriffsfähigkeiten werden angeregt, so daß er die Schönheit und die Majestät der Wahrheit erkennen kann. CGl 129 2 Der treue Hausvater stellt das dar, was ein jeder Lehrer der aufwachsenden Jugend sein sollte. Wenn er das Wort Gottes zu seinem Schatz macht, wird er beständig neue Schönheit und neue Wahrheit hervorbringen. Wenn der Lehrer sich mit Gebet auf Gott verläßt, wird der Geist Christi über ihn kommen und Gott wird durch ihn vermittelst des Heiligen Geistes auf die Gemüter anderer einwirken. Der Geist erfüllt sein Gemüt und Herz mit süßer Hoffnung, mit Mut und biblischen Bildern, und befähigt ihn, dies alles auf die seinem Unterricht anvertraute Jugend zu übertragen. CGl 129 3 Die Quellen himmlischen Friedens und himmlischer Freude, die in der Seele des Lehrers durch die Worte des heiligen Bibelbuches entsiegelt sind, werden zum mächtigen Strom, durch dessen Einfluß alle, die mit ihm in Verbindung kommen, gesegnet werden. Die Bibel wird dem Schüler kein langweiliges Buch sein, im Gegenteil, sie wird ihm unter einem weisen Lehrer immer wünschenswerter erscheinen; sie wird ihm das Brot des Lebens sein, das nie veraltet. Die Frische und die Schönheit des Wortes wird die Jugend anziehen und entzücken, der Sonne gleich, die auf die Erde scheint, fortwährend Licht und Wärme mitteilt und doch nie erschöpft wird. CGl 130 1 Gottes heiliger, bildender Geist ist in seinem Worte. Ein Licht, ein neues, köstliches Licht leuchtet aus jeder Seite hervor. Die Wahrheit wird dort offenbart, und Worte und Sätze werden klar und den Bedürfnissen entsprechend, wenn die Stimme Gottes zu der Seele spricht. Der Heilige Geist wendet sich gern an die Jugend, um ihr die Schätze und Schönheiten des Wortes Gottes zu eröffnen. Dann werden die von dem großen Lehrer gegebenen Verheißungen die Sinne gefangen nehmen und die Seele mit einer geistigen Kraft beleben, die göttlich ist. Das empfängliche Gemüt wird ganz vertraut werden mit göttlichen Dingen, wodurch ihm eine Schutzwehr gegen die mannigfaltigen Versuchungen erwächst. CGl 130 2 Die Worte der Wahrheit werden an Wert zunehmen und eine Fülle und Bedeutung gewinnen, wie wir es uns nicht haben träumen lassen. Die Schönheit und der Reichtum des Wortes haben einen umbildenden Einfluß auf Gemüt und Charakter. Das Licht der himmlischen Liebe wird wie eine göttliche Eingebung in das Herz fallen. CGl 130 3 Die Wertschätzung der Bibel wächst mit dem Studium derselben. Wohin sich auch der Forscher wenden mag, wird er immer die ewige Weisheit und Liebe Gottes in ihr entfaltet finden. Die Bedeutung des jüdischen Gottesdienstes ist noch nicht völlig verstanden worden. Tiefe, umfassende Wahrheiten wurden durch die feierlichen Handlungen und Symbole vorgebildet. Das Evangelium ist der Schlüssel, welcher die Geheimnisse derselben erschließt. Durch die Erkenntnis des Erlösungsplanes wird ihre Bedeutung dem Verständnis klar. Es ist unser Vorrecht, viel mehr von diesen wunderbaren Dingen zu verstehen als wir es bis jetzt tun; wir müssen die tiefen Grundgedanken Gottes erfassen. Selbst die Engel wünschen einen Einblick zu tun in die Wahrheiten, welche den Menschen offenbart werden, die mit zerknirschten, bußfertigen Herzen im Worte Gottes forschen und um größere Länge und Breite und Tiefe und Höhe der Erkenntnis bitten, die er allein geben kann. CGl 131 1 Da wir uns dem Schluß der Geschichte dieser Welt nähern, erfordern die Prophezeiungen, die sich auf die letzten Tage beziehen, ganz besonders unsere Aufmerksamkeit. Das letzte Buch der neutestamentlichen Schriften ist voll von Wahrheit, deren Verständnis uns nötig ist. Satan hat den Verstand vieler so verblendet, daß sie freudig irgend eine Entschuldigung ergreifen, um frei zu sein von dem Studium der Offenbarung. Aber Christus, der in diesem Buch durch seinen Knecht Johannes offenbart, was in den letzten Tagen geschehen soll, sagt: "Selig ist, der da lieset und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darinnen geschrieben ist." Offenbarung 1,3. CGl 131 2 "Das ist aber das ewige Leben," sagte Christus, "daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christ, erkennen." Johannes 17,3. Warum schätzen wir den Wert dieser Erkenntnis nicht? Warum glühen diese herrlichen Wahrheiten nicht in unserem Herzen? Warum zittern sie nicht auf unseren Lippen? Warum durchdringen sie nicht unser ganzes Wesen? CGl 131 3 Gott hat uns durch sein Wort in den Besitz einer jeden Wahrheit gesetzt, die zu unserer Seligkeit nötig ist. Tausende haben aus diesem Lebensbrunnen geschöpft, dennoch ist der Vorrat nicht verringert worden. Tausende haben sich den Herrn vor Augen gestellt und sind, weil sie auf ihn schauten, in sein Ebenbild verwandelt worden. Ihre Herzen brennen in ihnen, wenn sie von seinem Charakter reden, wenn sie erzählen, was Christus ihnen ist und was sie Christo sind. Aber diese Forscher haben diese großen und heiligen Dinge nicht erschöpft. Noch Tausende können sich daran machen, die Geheimnisse des Heils in Christo zu erforschen. Indem man über das Leben Christi und über den Charakter seiner Mission nachdenkt, werden bei jedem Versuch, weitere Wahrheiten zu entdecken, die Lichtstrahlen klarer und deutlicher hervorleuchten. Durch jedes erneute Forschen wird etwas von noch größerem Interesse, als man es bis dahin erkannt hatte, offenbar werden. Der Gegenstand ist unerschöpflich. Die Menschwerdung Christi, sein Versöhnungsopfer und sein Mittleramt zu erwägen, wird das Gemüt des fleißigen Bibelforschers beschäftigen solange die Welt steht; und zum Himmel mit seinen ungezählten Jahren emporblickend wird er ausrufen: "Kündlich groß ist das gottselige Geheimnis." CGl 132 1 In der Ewigkeit werden wir das lernen, was uns schon hier, wenn wir die uns angebotene Erleuchtung angenommen hätten, unser Verständnis geöffnet haben würde. Das Thema der Erlösung wird die Herzen, Gemüter und Zungen der Erlösten durch die Zeitalter der Ewigkeit hindurch beschäftigen. Sie werden die Wahrheiten verstehen, die Christus so gern seinen Jüngern eröffnet hätte, denen aber der Glaube fehlte, um sie zu erfassen. Immer und immer wieder werden sich neue Blicke in die Vollkommenheit und Herrlichkeit Christi auftun. Durch endlose Zeitalter hindurch wird der treue Hausvater Neues und Altes aus seinem Schatze hervorbringen. Das Gebet CGl 132 2 "Bittet, so wird euch gegeben." Matthäus 7,7. ------------------------Kapitel 12 -- Bitten, um zu geben CGl 137 1 Auf der Grundlage von Lukas 11,1-13. CGl 137 2 Christus empfing beständig von dem Vater, damit er uns mitteilen möchte. "Das Wort, das ihr höret," sagte er, "ist nicht mein, sondern des Vaters, der mich gesandt hat." "Des Menschen Sohn ist nicht kommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene." Johannes 14,24; Matthäus 20,28. Er lebte, dachte und betete nicht für sich selbst, sondern für andere. Nach Stunden der Gemeinschaft mit Gott kam er Morgen für Morgen hervor, um den Menschen das Licht des Himmels zu bringen. Täglich empfing er wiederum die Taufe des Heiligen Geistes. In den frühen Stunden des neuen Tages weckte der Herr ihn aus seinem Schlummer, und seine Seele und seine Lippen wurden mit Barmherzigkeit gesalbt, um anderen mitzuteilen. Seine Worte wurden ihm frisch von dem himmlischen Throne gegeben -- Worte, die er zu rechter Zeit zu den Mühseligen und Bedrückten reden sollte. "Der Herr, Herr hat mir", sagte er, "eine gelehrte Zunge gegeben, daß ich wisse mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Er wecket mich alle Morgen neu; er wecket mir das Ohr, daß ich höre wie ein Jünger." Jesaja 50,4. CGl 137 3 Die Gebete Christi und seine Gewohnheit, Gemeinschaft mit Gott zu pflegen, machten großen Eindruck auf seine Jünger. Eines Tages fanden sie ihren Herrn nach kurzer Abwesenheit im inbrünstigen Gebet. Er schien sich ihrer Gegenwart nicht bewußt zu sein und fuhr fort laut zu beten. Die Herzen der Jünger wurden tief bewegt. Als er mit dem Beten aufhörte, sagten sie zu ihm! "Herr, lehre uns beten!" CGl 138 1 Als Antwort wiederholte Christus das Vaterunser, wie er es in der Bergpredigt gelehrt hatte. Dann veranschaulichte er die Lehre, die er ihnen zu geben wünschte, durch ein Gleichnis. CGl 138 2 "Welcher ist unter euch," sagte er, "der einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leihe mir drei Brote; denn es ist mein Freund zu mir kommen von der Straße, und ich habe nicht, das ich ihm vorlege; und er drinnen würde antworten und sprechen: Mache mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kindlein sind bei mir in der Kammer; ich kann nicht aufstehen und dir geben! Ich sage euch: und ob er nicht aufstehet und gibt ihm, darum daß er sein Freund ist, so wird er doch um seines unverschämten Geilens willen aufstehen und ihm geben, wieviel er bedarf." CGl 138 3 Hier stellt Christus den Bittenden dar, der um etwas bittet, damit er wiederum geben möge. Er muß Brot erhalten, sonst kann er den Bedürfnissen eines müden, verspäteten Reisenden nicht abhelfen. Obgleich der Nachbar sich nicht stören lassen will, kann er seinen Bitten doch nicht widerstehen; dem Freunde muß geholfen werden, und zuletzt wird dessen anhaltendes Bitten belohnt und sein Wunsch erfüllt. CGl 138 4 In gleicher Weise sollen die Jünger Segnungen von Gott erbitten. Im Speisen der Volksmenge und in der Predigt über das Brot vom Himmel hatte Christus ihnen eröffnet, was ihr Werk als seine Vertreter sein sollte. Sie sollten dem Volke das Brot des Lebens geben. Er, der ihnen ihr Werk bestimmt hatte, sah wie oft ihr Glaube geprüft werden würde. Sie würden oft in unerwartete Lagen kommen und ihr menschliches Unvermögen erkennen. Seelen, die nach dem Brot des Lebens hungerten, würden zu ihnen kommen und sie würden fühlen, daß sie selbst Mangel litten und hilflos seien. Sie mußten geistliche Speise empfangen, sonst würden sie nichts haben, um etwas mitzuteilen; und sie sollten doch nicht eine Seele ungespeist fortschicken. Christus weist sie hin auf die Quelle, von welcher sie ihren Bedarf beziehen können. Der Mann, dessen Freund kam und um Gastfreundschaft bat, wies ihn, obgleich es zur unpassenden Zeit, in der Mitternachtsstunde war, doch nicht ab. Er hatte nichts, was er ihm vorsetzen konnte, aber er ging zu jemand, der Speise hatte und brachte sein Anliegen so dringend vor, daß sein Nachbar ihm schließlich aushalf. Sollte nicht Gott, der seine Knechte ausgesandt hatte, um die Hungrigen zu speisen, ihnen geben, was sie für sein Werk brauchen würden? CGl 139 1 Aber der selbstsüchtige Nachbar im Gleichnis stellt nicht den Charakter Gottes dar. Die Lehre wird nicht aus einer Gleichheit, sondern aus einem Gegensatz gezogen. Ein selbstsüchtiger Mensch wird eine dringende Forderung gewähren, um den los zu werden, der seine Ruhe stört. Aber Gott gibt gern. Er ist voll Erbarmen und ihn verlangt darnach, die Bitten derer zu erfüllen, die im Glauben zu ihm kommen. Er gibt uns, damit wir anderen mitteilen und auf diese Weise ihm gleich werden können. CGl 139 2 Christus sagt: "Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der nimmt; und wer da suchet, der findet; und wer da anklopfet, dem wird aufgetan." CGl 139 3 Der Heiland fährt fort: "Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater ums Brot, der ihm einen Stein dafür biete? Und so er um einen Fisch bittet, der ihm eine Schlange für den Fisch biete? Oder so er um ein Ei bittet, der ihm einen Skorpion dafür biete? So denn ihr, die ihr arg seid, könnet euren Kindern gute Gaben geben, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!" CGl 139 4 Um unser Vertrauen zu Gott zu stärken, lehrt Christus uns, ihn mit einem neuen Namen anzureden, einem Namen, der mit den liebsten Erinnerungen des menschlichen Herzens aufs innigste verknüpft ist. Er gibt uns das Vorrecht, den unermeßlichen Gott unseren Vater zu nennen. Der Gebrauch dieses Namens, wenn wir zu Gott oder von ihm sprechen, ist ein Zeichen unserer Liebe und unseres Vertrauens zu ihm und ein Pfand seiner Beziehung zu uns und seiner Verwandtschaft mit uns. Dieser Name, angewandt, wenn wir Gott um seinen Segen bitten, tönt wie Musik in seinen Ohren. Damit wir es nicht für eine Anmaßung halten, ihn bei diesem Namen zu nennen, hat er es öfters wiederholt. Er wünscht, daß wir uns mit dieser Anrede vertraut machen. CGl 140 1 Gott betrachtet uns als seine Kinder. Er hat uns von der Welt errettet und uns erwählt zu Gliedern der königlichen Familie, zu Söhnen und Töchtern des himmlischen Königs. Er ladet uns ein, ihm ein größeres Vertrauen zu schenken, als ein Kind zu seinem irdischen Vater hat. Eltern lieben ihre Kinder, aber die Liebe Gottes ist größer, breiter und tiefer als menschliche Liebe je sein kann. Sie ist unermeßlich. Wenn also irdische Eltern ihren Kindern gute Gaben geben können, wieviel mehr wird unser Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten! CGl 140 2 Die von Christo betreffs des Gebets gegebenen Lehren sollten sorgfältig erwogen werden. Im Gebet liegt eine göttliche Wissenschaft und Christus veranschaulicht uns die Grundsätze, die alle verstehen sollten. Er zeigt uns, was der Geist des wahren Gebets ist, er lehrt die Notwendigkeit der Ausdauer im Darbringen unserer Bitten vor Gott und versichert uns, daß er bereit sei, auf unsere Gebete zu horchen und sie zu erhören. CGl 140 3 Unsere Gebete sollen kein selbstsüchtiges Bitten sein, nur um uns selbst zu nützen. Wir sollen bitten, damit wir geben können. Der Grundsatz des Lebens Christi muß auch der Grundsatz unseres Lebens sein. "Ich heilige mich selbst für sie," sagte er von seinen Jüngern sprechend, "auf daß auch sie geheiligt seien." Johannes 17,19. Dieselbe Hingabe, dieselbe Selbstaufopferung, dieselbe Unterwerfung unter die Ansprüche des Wortes Gottes, die Christus bekundete, muß auch in seinen Dienern gesehen werden. Unsere Mission in der Welt ist nicht, uns selbst zu dienen oder uns zu Gefallen zu leben, wir sollen Gott verherrlichen, indem wir mit ihm zusammen wirken, um Sünder zu retten. Wir sollen Segnungen von Gott erbitten, um anderen mitteilen zu können. Nur dadurch, daß wir anderen mitteilen, werden wir befähigt, beständig empfangen zu können. Wir können nicht fortfahren, himmlische Schätze in uns aufzunehmen, wenn wir dieselben nicht unserer Umgebung übermitteln. CGl 141 1 In dem Gleichnis wurde der Bittsteller immer wieder abgewiesen, aber er gab seine Absicht nicht auf. So scheinen auch unsere Gebete nicht immer sofort erhört zu werden, aber Christus lehrt uns, daß wir mit dem Beten nicht nachlassen sollen. Zwar soll das Gebet keine Änderung in Gott bewirken, aber es soll uns mit ihm in Harmonie bringen. Gott sieht vielleicht, wenn wir etwas von ihm erbitten, daß es für uns notwendig ist, unsere Herzen zu erforschen und Sünden zu bereuen; deshalb führt er uns durch Schwierigkeiten, Prüfungen und Demütigungen, damit wir erkennen möchten, inwiefern wir dem Wirken seines Heiligen Geistes hinderlich sind. CGl 141 2 Die Erfüllung der Verheißungen Gottes ist an Bedingungen geknüpft, und das Gebet kann niemals die Stelle der Pflicht einnehmen. "Liebet ihr mich," sagte Christus, "so haltet meine Gebote!" "Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist's der mich liebet. Wer mich aber liebet, der wird von meinem Vater geliebet werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren." Johannes 14,15.21. Diejenigen, welche ihre Bitten vor Gott darbringen und seine Verheißung beanspruchen, während sie die Bedingungen nicht erfüllen, beleidigen Jehova. Sie beziehen sich auf den Namen Christi als die Autorität für die Erfüllung der Verheißung, aber sie tun das nicht, wodurch sie ihren Glauben an Christum und ihre Liebe zu ihm beweisen könnten. CGl 141 3 Viele verwirken den Zustand der Annahme beim Vater. Wir müssen die Vollmacht, mit der wir uns zu Gott nahen, genau prüfen. Sind wir ungehorsam, dann legen wir dem Herrn einen Wechsel zur Zahlung vor, ohne den Bedingungen, auf welche hin er zahlbar ist, nachgekommen zu sein. Wir halten Gott seine Verheißungen vor und bitten ihn, dieselben zu erfüllen, obgleich er, wenn er unserem Wunsche nachkäme, seinen Namen dadurch entehren würde. CGl 141 4 Die Verheißung ist: "So ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren." Johannes 15,7. Johannes erklärt: "An dem merken wir, daß wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten. Wer da saget: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit. Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind." 1.Johannes 2,3-5. CGl 142 1 Eins der letzten Gebote Christi an seine Jünger war: "Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebet habe, auf daß auch ihr einander liebhabet." Johannes 13,34. Sind wir diesem Gebot gehorsam, oder begünstigen wir harte, Christo unähnliche Charakterzüge? Wenn wir in irgend einer Weise anderen Schmerz und Kummer bereitet haben, so ist es unsere Pflicht, unsere Schuld zu bekennen und Aussöhnung zu suchen. Dies ist eine notwendige Vorbereitung, um gläubig vor Gott zu treten und um seinen Segen zu bitten. CGl 142 2 Noch etwas anderes wird oft von denen, die Gott im Gebet suchen, vernachlässigt. Bist du ehrlich gewesen gegen deinen Gott? Der Herr sagt durch den Propheten Maleachi: "Ihr seid von eurer Väter Zeit an immerdar abgewichen von meinen Geboten und habt sie nicht gehalten. So bekehret euch nun zu mir, so will ich mich zu euch auch kehren, spricht der Herr Zebaoth. So sprecht ihr: Worin sollen wir uns bekehren? Ist's recht, daß ein Mensch Gott täuscht, wie ihr mich täuschet? So sprecht ihr: Womit täuschen wir dich? Am Zehnten und Hebopfer." Maleachi 3,7.8. CGl 142 3 Als Geber einer jeden Segnung beansprucht Gott einen gewissen Teil von allem, das wir besitzen. Es ist dies eine Vorkehrung, die er getroffen hat, um die Predigt des Evangeliums zu unterstützen, und indem wir Gott diesen Teil geben, bekunden wir, daß wir seine Gaben anerkennen. Wie können wir aber seinen Segen beanspruchen, wenn wir ihm das vorenthalten, was ihm gehört? Wie können wir, wenn wir in irdischen Dingen ungetreue Haushalter sind, erwarten, daß er uns himmlische Dinge anvertraut? Vielleicht liegt gerade hier das Geheimnis unerhörter Gebete. CGl 142 4 Aber der Herr in seiner großen Barmherzigkeit ist bereit, zu vergeben, denn er sagt: "Bringet aber die Zehnten ganz in mein Kornhaus, auf daß in meinem Hause Speise sei; und prüfet mich hierin, ... ob ich euch nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle. Und ich will für euch den Fresser schelten, daß er euch die Frucht auf dem Felde nicht verderben soll und der Weinstock im Acker euch nicht unfruchtbar sei; ... daß euch alle Heiden sollen selig preisen, denn ihr sollet ein wertes Land sein, spricht der Herr Zebaoth." Maleachi 3,10-12. CGl 143 1 So ist es mit allen anderen Forderung Gottes. Alle seine Gaben sind auf die Bedingung des Gehorsams verheißen. Gott hat einen Himmel voll Segnungen für die, welche seine Mitarbeiter sein wollen. Alle, die ihm von Herzen gehorsam sind, können mit voller Zuversicht die Erfüllung seiner Verheißungen erwarten. CGl 143 2 Aber wir müssen ein festes, unerschütterliches Gottvertrauen haben. Oft verzögert er die Erhörung, um unseren Glauben zu prüfen, oder damit wir beweisen, wie ernst und aufrichtig unser Wunsch ist. Wenn wir im Einklang mit seinem Worte beten, sollten wir auch seiner Verheißung glauben und unsere Bitten mit einer Bestimmheit und Ausdauer vorbringen, die sich nicht abweisen läßt. CGl 143 3 Gott sagt nicht: Bittet einmal, so wird euch gegeben. Er fordert uns auf, zu bitten. Haltet unermüdlich an im Gebet. Das andauernde Bitten bringt den Bittsteller in eine ernstere Stellung und vergrößert seinen Wunsch, die Dinge, um die er bittet, zu erhalten. Christus sagte zu Martha am Grabe des Lazarus: "So du glauben würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen." Johannes 11,40. CGl 143 4 Aber viele haben keinen lebendigen Glauben, und deshalb sehen sie so wenig von der Kraft Gottes. Ihre Schwäche ist die Folge ihres Unglaubens. Sie vertrauen mehr auf ihr eigenes Wirken, als auf das Wirken Gottes für sie. Sie sorgen für sich selbst, planen und überlegen, aber beten wenig und haben wenig wirkliches Gottvertrauen. Sie meinen, daß sie Glauben haben, aber es ist nur eine augenblickliche Regung. Da sie ihr eigenes Bedürfnis und Gottes Willigkeit zu geben, nicht kennen, haben sie keine Ausdauer im Darbringen ihrer Bitten vor Gott. CGl 144 1 Unsere Gebete sollen so ernst und beharrlich sein, wie die Bitte des bedürftigen Freundes, der um Mitternacht um die Brote bat. Je ernster und anhaltender wir bitten, desto inniger wird unsere geistliche Verbindung mit Christo sein. Wir werden größere Segnungen empfangen, wenn wir mehr Glauben haben. Wir müssen beten und glauben. Wachet und betet! Wachet und wirkt mit dem Gebete erhörenden Gott. Denkt daran, "wir sind Gottes Mitarbeiter." 1.Korinther 3,9. Sprecht und handelt im Einklang mit euren Gebeten! Es wird einen unendlich großen Unterschied machen, ob in der Prüfung sich euer Glaube als echt erweisen wird, oder ob es sich zeigt, daß eure Gebete nur eine Form sind. CGl 144 2 Wenn Schwierigkeiten aufkommen, wenn Beschwerlichkeiten sich euch in den Weg stellen, dann erwartet keine Hilfe von Menschen; setzt euer ganzes Vertrauen auf Gott. Die Gewohnheit, unsere Schwierigkeiten anderen zu erzählen, schwächt uns und gibt ihnen keine Kraft. Wir legen ihnen die Last unserer geistlichen Schwachheiten auf, die sie doch nicht erleichtern können. Wir verlangen nach der Kraft eines irrenden, sterblichen Menschen, während uns die Kraft des unfehlbaren, ewigen Gottes zur Verfügung steht. CGl 144 3 Ihr braucht nicht an die Enden der Erde zu gehen, um Weisheit zu bekommen, denn Gott ist nahe. Es sind nicht die Fähigkeiten, die ihr jetzt besitzt, oder jemals besitzen werdet, wodurch euch Erfolg erwächst. Dieser kommt nur durch das, was der Herr für euch tun kann. Wir müssen viel weniger Vertrauen in das setzen, was der Mensch tun kann und viel mehr Vertrauen in das, was Gott für eine jede gläubige Seele tun will. Ihn verlangt darnach, daß ihr im Glauben eure Hand nach ihm ausstreckt. Er will, daß ihr große Dinge von ihm erwartet. Er wünscht, euch Verständnis in zeitlichen sowie geistlichen Dingen zu geben. Er kann die Verstandeskraft schärfen, kann Takt und Gewandtheit geben. Wendet eure Gaben im Werke an, bittet Gott um Weisheit und euch wird gegeben werden. CGl 144 4 Nehmet das Wort Christi als eure Versicherung. Hat er euch nicht eingeladen, zu ihm zu kommen? Sprecht niemals in hoffnungsloser, entmutigender Weise. Ihr werdet viel verlieren, wenn ihr das tut. Indem ihr auf die äußeren Umstände blickt, und zu klagen anfangt, wenn Schwierigkeiten und Not kommen, bekundet ihr einen kränklichen, schwächlichen Glauben. Sprecht und handelt, als ob euer Glaube unüberwindlich sei. Der Herr ist reich an Hilfsmitteln; ihm gehört die ganze Welt. Blickt im Glauben himmelwärts. Blickt auf zu ihm, bei ihm ist Licht und Macht und Kraft. CGl 145 1 Im wahren, echten Glauben liegt eine Frische und Freudigkeit, eine Festigkeit im Grundsatz und eine Beharrlichkeit im Vorsatz, die weder durch Zeit, noch Mühsal und Beschwerden geschwächt werden können. "Die Knaben werden müde und matt, und die Jünglinge fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln, und nicht müde werden." Jesaja 40,30.31. CGl 145 2 Es verlangt viele darnach, anderen zu helfen, aber sie fühlen, daß sie keine geistliche Kraft, kein Licht mitzuteilen haben. Solche sollten ihre Bitten vor dem Thron der Gnade darbringen. Bittet um den Heiligen Geist. Gott erfüllt eine jede Verheißung, die er gemacht hat. Mit eurer Bibel in der Hand sagt: Ich habe getan, wie du gesagt hast. Ich halte dir deine Verheißung vor: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan." CGl 145 3 Wir müssen nicht nur im Namen Christi beten, sondern auch unter dem Einfluß des Heiligen Geistes. Dies erklärt, was gemeint ist, wenn gesagt wird: "Der Geist selbst vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen." Römer 8,24. Solche Gebete erhört Gott gern. Wenn wir mit Ernst und Inbrunst im Namen Christi ein Gebet darbringen, so ist gerade diese Inbrunst schon das Pfand von Gott, daß er, "der überschwenglich tun kann über alles, das wir bitten oder verstehen" (Epheser 3,20), bereit ist, unser Gebet zu erhören. CGl 145 4 Christus sagte: "Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr's empfangen werdet, so wird's euch werden." "Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf daß der Vater geehret werde in dem Sohne." Und der geliebte Johannes sagt unter dem Einfluß des Heiligen Geistes mit großer Klarheit und Zuversicht: "So wir etwas bitten nach seinem Willen, so höret er uns. Und so wir wissen, daß er uns höret, was wir bitten, so wissen wir, daß wir die Bitten haben, die wir von ihm gebeten haben." Markus 11,24; Johannes 14,13; 1.Johannes 5,14.15. Also bringt eure Bitten eindringlich im Namen Jesu dem Vater dar. Gott wird jenen Namen ehren. CGl 146 1 Der Regenbogen um den Thron ist eine Versicherung, daß Gott wahr und in ihm keine Veränderung noch Wechsel des Lichts ist. Wir haben gegen ihn gesündigt und verdienen seine Gnade nicht; dennoch hat er selbst jene wunderbarste aller Bitten auf unsere Lippen gelegt: "Um deines Namens willen laß uns nicht geschändet werden; laß den Thron deiner Herrlichkeit nicht verspottet werden; gedenke doch und laß deinen Bund mit uns nicht aufhören." Jeremia 14,21. Wenn wir zu ihm kommen und unsere Unwürdigkeit und unsere Sünde bekennen, so hat er sich verpflichtet, unser Rufen zu erhören. Die Ehre seines Thrones ist für die Erfüllung seines uns gegebenen Wortes als Pfand gegeben. CGl 146 2 Wie Aaron, der Christum versinnbildete, trägt unser Heiland im oberen Heiligtum die Namen aller seiner Nachfolger auf seinem Herzen. Unser großer Hoherpriester gedenkt aller Worte, durch welche er uns ermutigt hat, ihm zu vertrauen. Er ist seines Bundes stetes eingedenk. CGl 146 3 Alle, die suchend sich an ihn wenden, werden finden. Allen denen, die anklopfen, wird die Tür aufgetan. Die Entschuldigung: "Mache mir keine Mühe, die Tür ist geschlossen; ich möchte sie nicht öffnen," wird nicht vorgebracht werden. Niemals wird gesagt: ich kann dir nicht helfen. Selbst denen, die um Mitternacht um Brot bitten, um hungrige Seelen zu speisen, wird ihr Wunsch erfüllt. CGl 146 4 Im Gleichnis erhält der, welcher um Brot für den Fremdling bittet, "wie viel er bedarf." In welchem Maße aber wird Gott uns geben, damit wir anderen mitteilen können? -- "Nach dem Maß der Gabe Christi." Epheser 4,7. CGl 146 5 Die Engel beachten mit regem Anteil, wie ein Mensch seine Mitmenschen behandelt. Sehen sie, daß jemand Christi ähnliches Mitleid mit den Irrenden hat, dann eilen sie an seine Seite und rufen ihm Worte ins Gedächtnis, die der Seele, zu welcher er spricht, Brot des Lebens sein werden. So wird Gott "erfüllen alle eure Notdurft nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit in Christo Jesu." Philipper 4,19. Er wird euer aufrichtiges, wahres Zeugnis bekräftigen mit der Kraft des ewigen Lebens. Das Wort des Herrn wird in eurem Munde sein wie Wahrheit und Gerechtigkeit. Dem persönlichen Wirken für andere sollte viel Beten im Kämmerlein vorangehen, denn es erfordert große Weisheit, die Wissenschaft der Seelenrettung zu verstehen. Ehe wir mit den Menschen sprechen, müssen wir mit Christo verkehren. Am Thron der himmlischen Gnade müssen wir uns vorbereiten auf das Amt, den Menschen zu dienen. CGl 147 1 Laßt euer Herz brechen vor Verlangen nach Gott, dem lebendigen Gott. Das Leben Christi hat gezeigt, was der Mensch tun kann, wenn er Teilhaber der göttlichen Natur wird. Alles, was Christus von Gott empfing, können wir auch haben. Darum bittet und nehmet. Mit dem anhaltenden Glauben Jakobs, mit der Ausdauer Elias, der sich nicht abweisen ließ, beansprucht auch für euch alles, was Gott verheißen hat. CGl 147 2 Laßt die herrlichen Vorstellungen von Gott euer Gemüt erfüllen. Laßt euer Leben durch ein verborgenes Band mit dem Leben Jesu verbunden sein. Er, der das Licht aus der Finsternis hervorleuchten ließ, ist willig, auch in euer Herz hineinzuscheinen, um euch Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi zu geben. Der Heilige Geist wird euch göttliche Dinge offenbaren und sie als eine lebendige Kraft in das gehorsame Herz pflanzen. Christus wird euch an die Schwelle des Ewigen leiten. Ihr dürft die Herrlichkeit hinter dem Vorhang schauen und den Menschen die Vollkommenheit dessen offenbaren, der immerdar lebt, um Fürbitte für uns einzulegen. ------------------------Kapitel 13 -- Zwei Anbeter CGl 148 1 Auf der Grundlage von Lukas 18,9-14. CGl 148 2 Zu "etlichen, die sich selbst vermaßen, daß sie fromm wären, und verachteten die andern," sprach Christus das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner. Der Pharisäer geht in den Tempel um anzubeten, aber nicht, weil er fühlt, daß er ein Sünder ist, und der Vergebung bedarf, sondern weil er sich für gerecht hält und Lob erwartet. Er betrachtet seine Anbetung als eine Handlung die ihn vor Gott angenehm macht und gleichzeitig dem Volke eine hohe Meinung von seiner Frömmigkeit gibt. Er will sich die Gunst Gottes und der Menschen sichern. Sein eigenes Interesse treibt ihn zur Anbetung. CGl 148 3 Er ist voller Selbstlob. Das ist aus seinen Blicken, aus seiner ganzen Haltung und sogar aus seinem Gebet ersichtlich. Sich von den anderen absondernd, als ob er sagen wolle: "komm mir nicht näher, denn heiliger bin ich als du" (Jesaja 65,5), steht er und betet "mit sich selbst". Mit sich selbst vollkommen zufrieden, glaubt er, daß Gott und Menschen ihn auch mit demselben Wohlgefallen betrachten. CGl 148 4 "Ich danke dir, Gott," sagt er, "Daß ich nicht bin wie die andern Leute: Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner." Er beurteilt seinen Charakter nicht nach dem heiligen Charakter Gottes, sondern nach dem Charakter anderer Menschen. Seine Gedanken sind nicht auf Gott, sondern auf Menschen gerichtet. Hier liegt das Geheimnis seiner Selbstzufriedenheit. CGl 149 1 Er zählt seine guten Werke auf: "Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, das ich habe." Die Religion des Pharisäers berührt nicht die Seele, sie strebt nicht nach einem gottähnlichen Charakter und einem von Liebe und Barmherzigkeit erfüllten Herzen. Der Pharisäer gibt sich mit einer Religion zufrieden, die es nur mit dem äußerlichen Leben zu tun hat. Seine Gerechtigkeit ist seine eigene -- die Frucht seiner eigenen Werke, die vom menschlichem Standpunkte aus beurteilt wird. CGl 149 2 Ein jeder, welcher denkt, daß er gerecht ist, wird andere verachten. Wie der Pharisäer sich selbst nach anderen Menschen beurteilt, so beurteilt er andere Menschen nach sich. Seine Gerechtigkeit wird nach der ihrigen abgeschätzt und je schlechter sie sind, desto gerechter erscheint er im Vergleich mit ihnen. Seine Selbstgerechtigkeit führt zum Beschuldigen anderer. "Die andern Leute" verdammt er als Übertreter des Gesetzes Gottes. Dadurch bekundet er den Geist Satans, des Verklägers der Brüder. Mit diesem Geiste aber ist es unmöglich für ihn, in Gemeinschaft mit Gott zu kommen; er geht, des göttlichen Segens bar, hinab in sein Haus. CGl 149 3 Der Zöllner war mit anderen Anbetern zusammen in den Tempel gegangen, hatte sich aber bald von ihnen zurückgezogen, weil er sich unwürdig fühlte, zusammen mit ihnen anzubeten. Von ferne stehend, wollte er "auch seine Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug" in bitterer Reue sich selbst verachtend "an seine Brust". Er fühlte, daß er vor Gott gesündigt habe, daß er unrein und befleckt war. Er konnte von seiner Umgebung nicht einmal Mitleid erwarten, denn alle blickten mit Verachtung auf ihn herab. Er wußte, daß er nichts hatte, wodurch er sich bei Gott angenehm machen konnte, und an sich selbst verzweifelnd, rief er aus: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" Er verglich sich nicht mit anderen. Überwältigt von dem Schuldgefühl stand er, alles um sich vergessend, allein in der Gegenwart Gottes. Sein einziges Verlangen war Vergebung und Frieden zu empfangen, gestützt einzig und allein auf die Gnade Gottes; und er wurde gesegnet. "Ich sage euch," sagte Christus, "dieser ging hinab gerechtfertigt in sein Haus vor jenem." CGl 150 1 Der Pharisäer und der Zöllner stellen zwei große Klassen dar, in welche sich die Anbeter Gottes teilen lassen. Ihre ersten beiden Vertreter werden in den ersten beiden Kindern gefunden, die auf dieser Erde geboren wurden. Kain hielt sich selbst für gerecht und kam nur mit einem Dankopfer zu Gott. Er legte kein Sündenbekenntnis ab und erkannte nicht die Notwendigkeit der Gnade an. Abel dagegen kam mit dem Blut, welches auf das Lamm Gottes hinwies. Er kam als Sünder und bekannte, daß er verloren sei und daß seine einzige Hoffnung in der unverdienten Liebe Gottes lag. Der Herr sah sein Opfer gnädig an, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Das Gefühl unserer Bedürftigkeit, die Erkenntnis unserer Armut und unserer Sünde sind die ersten Bedingungen zu unserer Annahme bei Gott. "Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr." Matthäus 5,3. CGl 150 2 In der Geschichte des Apostels Petrus findet sich eine Lehre für jede der beiden Klassen, die durch den Pharisäer und Zöllner dargestellt werden. In der ersten Zeit seiner Jüngerschaft hielt Petrus sich für stark. Gleich dem Pharisäer war er in seinen Augen nicht "wie die andern Leute". Als Christus am Abend, ehe er verraten wurde, seinen Jüngern sagte: "Ihr werdet euch in dieser Nacht alle an mir ärgern", da erklärte Petrus zuversichtlich: "Und wenn sie sich alle ärgerten, so wollte doch ich mich nicht ärgern." Markus 14,27.29. Petrus kannte seine eigene Gefahr nicht. Sein Selbstvertrauen führte ihn irre. Er glaubte imstande zu sein, der Versuchung zu widerstehen; aber nur wenige kurze Stunden darauf kam die Prüfung, und mit Fluchen und Schwören verleugnete er seinen Meister. CGl 150 3 Als das Krähen des Hahnes ihn an die Worte Christi erinnerte, wandte er sich, erstaunt und erschrocken über das, was er eben getan hatte, um und blickte seinen Meister an. In demselben Augenblick richtete auch Christus seine Augen auf Petrus, und unter jenem bekümmerten Blick, in welchem Mitleid und Liebe zu ihm vermischt waren, erkannte Petrus sich selbst. Er ging hinaus und weinte bitterlich. Jener Blick Christi brach sein Herz. Petrus war zum Wendepunkt gekommen und beweinte seine Sünde bitterlich. Er war dem Zöllner gleich in seiner Buße und Reue, und auch er fand Gnade. Der Blick Christi sicherte ihm Vergebung zu. CGl 152 1 Jetzt war sein Selbstvertrauen dahin und nie wieder wurden die alten prahlerischen Behauptungen wiederholt. Nach seiner Auferstehung prüfte Christus den Petrus dreimal. "Simon Jona," sagte er, "hast du mich lieber, denn mich diese haben?" Petrus erhob sich jetzt nicht über seine Brüder. Er wandte sich zu dem Einen, der sein Herz lesen konnte. "Herr," sagte er, "du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich liebhabe." Johannes 21,15.17. CGl 152 2 Daraufhin erhielt er seinen Auftrag vom Herrn. Es wurde ihm ein größeres und köstlicheres Werk aufgetragen, als er bisher gehabt hatte. Christus gebot ihm, die Schafe und die Lämmer zu weiden. Indem er seiner Fürsorge die Seelen anvertraute, für welche er sein Leben dahingegeben hatte, gab Christus dem Petrus den stärksten Beweis, daß er von seiner aufrichtigen Reue und seiner Umkehr überzeugt sei. Der einstmals so ruhelose, prahlerische, sich selbst vertrauende Jünger war unterwürfig und bußfertig geworden. Hinfort folgte er seinem Herrn in Selbstverleugnung und Aufopferung. Er war ein Teilhaber der Leiden Christi; und wenn Christus auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen wird, dann wird Petrus auch ein Teilhaber seiner Herrlichkeit sein. CGl 152 3 Dasselbe Übel, welches Petrus zum Fall führte und den Pharisäer von der Gemeinschaft mit Gott ausschloß, erweist sich auch heute als das Verderben von Tausenden. Nichts ist Gott so mißfällig oder der menschlichen Seele so gefährlich, als Stolz und Eigendünkel. Dies ist von allen Sünden die hoffnungsloseste und unheilbarste. CGl 152 4 Der Fall Petri war kein plötzlicher; er ging allmählich vor sich. Selbstvertrauen hatte Petrus zu dem Glauben verleitet, daß er gerettet sei, und Schritt für Schritt ging er den abwärtsführenden Pfad hinab, bis er seinen Meister verleugnen konnte. Wir können niemals mit Sicherheit Vertrauen in uns selbst setzen, oder diesseits des Himmels fühlen, daß wir gegen Versuchungen sicher sind. Man sollte niemals die, welche den Heiland annehmen, gleichviel wie aufrichtig ihre Bekehrung auch sein mag, lehren, zu sagen oder zu fühlen, daß sie gerettet sind. Dies ist irreführend. Sicherlich sollte jeder gelehrt werden, Hoffnung und Glauben zu nähren; aber selbst, wenn wir uns Christo übergeben haben und wissen, daß er uns angenommen hat, sind wir nicht außer dem Bereich der Versuchung. Das Wort Gottes sagt: "Viele werden gereinigt, geläutert und bewährt werden." Daniel 12,10. Nur der, "der die Anfechtung erduldet", wird "die Krone des Lebens empfahen". Jakobus 1,12. CGl 153 1 Die, welche Christum annehmen und in ihrer ersten Zuversicht sagen: ich bin gerettet, sind in Gefahr, ihr Vertrauen auf sich selbst zu setzen. Sie verlieren das Bewußtsein ihrer Schwäche und ihr beständiges Bedürfnis göttlicher Kraft aus den Augen. Sie sind unvorbereitet auf die Kunstgriffe Satans und viele fallen gleich wie Petrus in den Versuchungen in die tiefsten Tiefen der Sünde. Wir werden ermahnt: "Wer sich lässet dünken, er stehe, mag wohl zusehen, daß er nicht falle." 1.Korinther 10,12. Unsere einzige Sicherheit liegt in einem beständigen Mißtrauen des eigenen Ich und der völligen Abhängigkeit von Christo. CGl 153 2 Es war für Petrus notwendig, seine eigenen Charaktermängel und sein Bedürfnis der Kraft und Gnade Christi kennen zu lernen. Der Herr konnte ihn nicht vor Versuchungen bewahren, aber er hätte ihn vor dem Unterliegen bewahren können. Hätte Petrus die Warnung Christi angenommen, so hätte er gewacht und gebetet, wäre mit Furcht und Zittern gewandelt, auf daß seine Füße nicht straucheln möchten und würde göttliche Hilfe erhalten haben, so daß Satan den Sieg nicht hätte gewinnen können. CGl 153 3 Petrus fiel infolge seines übergroßen Selbstvertrauens, seines Eigendünkels; aber durch Reue und Demütigung wurden seine Füße wieder aufgerichtet. In dem Bericht von seiner Erfahrung kann jeder bußfertige Sünder Ermutigung finden. Obgleich Petrus schwer gesündigt hatte, wurde er doch nicht sich selbst überlassen. Die Worte Christi: "Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre" (Lukas 22,32), standen ihm vor der Seele. CGl 153 4 In seiner quälenden Reue und Gewissensangst gaben dies Gebet und die Erinnerung an den Blick Christi so voller Liebe und Mitleid ihm Hoffnung. Nach seiner Auferstehung gedachte Christus an Petrus und gab dem Engel die Botschaft für die Frauen: "Gehet aber hin und sagt's seinen Jüngern und Petrus, daß er vor euch hingehen wird nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen." Markus 16,7. Petri Reue und Buße waren von dem sündenvergebenden Heiland angenommen worden. CGl 154 1 Dasselbe Mitleid, welches die Hand ausstreckte, um Petrus zu retten, wird einer jeden Seele, die in der Versuchung gefallen ist, angeboten. Satan legt seine Pläne, bringt den Menschen in die Sünde und läßt ihn dann in einem hilflosen, zagenden Zustand, in dem er sich fürchtet, um Vergebung zu flehen. Aber warum sollten wir uns fürchten, da doch Gott gesagt hat, daß er uns bei unserer Kraft erhalten und uns Frieden schaffen wird? Jesaja 27,5. Es sind alle möglichen Vorkehrungen getroffen, und wir werden in jeder Weise ermutigt, zu Christo zu kommen. CGl 154 2 Christus bot seinen gebrochenen Leib dar, um das Erbteil Gottes zurück zu kaufen, und dem Menschen eine weitere Prüfungszeit zu geben. "Daher er auch selig machen kann immerdar die durch ihn zu Gott kommen, und lebet immerdar und bittet für sie." Hebräer 7,25. Durch sein fleckenloses Leben, seinen Gehorsam, seinen Tod am Kreuze auf Golgatha trat Christus für das verlorene Geschlecht ein und auch jetzt noch verwendet er, der Herzog unserer Seligkeit, sich für uns, nicht nur als Bittender, sondern als Sieger, der Anspruch macht auf das, was er errungen hat. Sein Opfer ist ein vollkommenes und als unser Vermittler führt er sein sich selbst auferlegtes Werk aus und hält das Räuchfaß mit seinen eigenen tadellosen Verdiensten und mit den Gebeten, Bekenntnissen und Danksagungen seiner Nachfolger vor Gott dar. Mit dem Weihrauch seiner Gerechtigkeit erfüllt steigen sie wie ein süßer Geruch zu Gott empor. Das Opfer ist in jeder Beziehung dem Herrn angenehm und er deckt alle Übertretungen mit Vergebung. CGl 154 3 Christus hat es auf sich genommen, unser Stellvertreter und Bürge zu sein und er vernachlässigt niemand. Er, der es nicht ertragen konnte, menschliche Wesen dem ewigen Verderben ausgesetzt zu sehen, sondern seine Seele für sie in den Tod gab, wird mit Mitleid und Erbarmen auf jede Seele blicken, die erkennt, daß sie sich nicht selbst retten kann. Er wird keinen Zagenden, der bittend zu ihm kommt, ansehen, ohne ihn aufzurichten. Er, der durch seine Versöhnung den Menschen einen reichen Schatz geistiger Kraft zur Verfügung stellte, wird es nicht unterlassen, diese Kraft zu ihren Gunsten anzuwenden. Wir dürfen unsere Sünden und Sorgen zu seinen Füßen legen, denn er liebt uns. Sein ganzer Blick und jedes seiner Worte erwecken unser Vertrauen. Er wird unsere Charaktere nach seinem Willen bilden und formen. In der ganzen satanischen Macht ist nicht Kraft genug, eine einzige Seele zu überwinden, die sich vertrauensvoll auf Christum wirft. "Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden." Jesaja 40,29. CGl 155 1 "So wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt, und reiniget uns von aller Untugend." Der Herr sagt: "Allein erkenne deine Missetat, daß du wider den Herrn, deinen Gott, gesündiget hast." "Und will rein Wasser über euch sprengen, daß ihr rein werdet; von all eurer Unreinigkeit und von allen euren Götzen will ich euch reinigen." Römer 8,26. CGl 156 1 Aber ehe wir Vergebung und Frieden finden können, müssen wir Selbsterkenntnis besitzen, eine Erkenntnis, die Reue in uns schafft. Der Pharisäer fühlte nicht, daß er sündig sei. Der Heilige Geist konnte nicht an ihm wirken. Seine Seele war umschlossen von einem Panzer der Selbstgerechtigkeit, den die Pfeile Gottes, von Engeln gespitzt und gut gezielt, nicht durchdringen konnten. Christus kann nur den retten, der weiß, daß er ein Sünder ist. Er kam, "zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, daß sie los sein sollen, und den Blinden das Gesicht, und den Zerschlagenen, daß sie frei und ledig sein sollen." Aber "die Gesunden bedürfen des Arztes nicht." Lukas 4,18; Lukas 5,31. Wir müssen unseren wahren Zustand verstehen, sonst werden wir nicht das Bedürfnis der Hilfe Christi fühlen. Wir müssen unsere Gefahr erkennen, sonst werden wir nicht nach der Zufluchtsstätte eilen. Wir müssen den Schmerz unserer Wunden fühlen, sonst werden wir nicht nach Heilung verlangen. CGl 156 2 Der Herr sagt: "Du sprichst: Ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts; und weißt nicht, daß du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß. Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist, daß du reich werdest; und weiße Kleider, daß du dich antust, und nicht offenbaret werde die Schande deiner Blöße; und salbe deine Augen mit Augensalbe, daß du sehen mögest." Offenbarung 3,17.18. Das im Feuer durchläuterte Gold ist der Glaube, der durch die Liebe tätig ist. Nur durch ihn können wir in Harmonie mit Gott gebracht werden. Wir mögen tätig sein, mögen viel Arbeit verrichten; aber ohne Liebe, solche Liebe, wie sie in dem Herzen Christi wohnte, können wir nie zu der himmlischen Familie gezählt werden. CGl 156 3 Kein Mensch kann aus sich selbst seinen Irrtum erkennen. "Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?" Jeremia 17,9. Die Lippen können eine Seelenarmut ausdrücken, ohne daß das Herz eine solche anerkennt. Während wir zu Gott von unserer Geistesarmut reden, kann das Herz sich überheben in Dünkel und Betrug über seine höhere Demut und Gerechtigkeit. Nur auf eine Weise kann wahre Selbsterkenntnis erlangt werden. Wir müssen auf Christum blicken. Die Unkenntnis über Christum ist es, wodurch die Menschen eine so hohe Meinung von ihrer eigenen Gerechtigkeit haben. Wenn wir über seine Reinheit und über seine Vorzüge nachdenken, dann werden wir unsere Schwäche, unsere Armut und unsere Mängel erkennen, wie sie wirklich sind. Wir werden sehen, daß wir verloren und hoffnungslos mit den Gewändern der Selbstgerechtigkeit bekleidet sind, wie alle anderen Sünder. Wir werden sehen, daß, wenn wir jemals selig werden, es nicht durch unser eigenes Gutsein, sondern durch Gottes unendliche Gnade geschieht. CGl 157 1 Das Gebet des Zöllners wurde erhört, weil es zeigte, daß der Beter sich ganz auf den Allmächtigen verließ. An sich selbst sah der Zöllner nichts Gutes. So müssen sich alle ansehen, die Gott suchen. Im Glauben -- einem Glauben, der alles Selbstvertrauen aufgibt -- muß der hilfsbedürftige Bittsteller die göttliche Kraft ergreifen. CGl 157 2 Keine äußerliche Form kann die Stelle einfältigen Glaubens und vollständiger Selbstübergabe einnehmen. Aber kein Mensch kann sich selbst des eigenen Ichs entleeren; er kann nur einwilligen, daß Christus das für ihn tut. Dann wird die Sprache der Seele sein: Herr nimm mein Herz, denn ich kann es nicht geben. Es ist dein Eigentum. Halte es rein, denn ich kann es nicht rein halten für dich. Rette mich trotz meines eigenen, schwachen, Christo so unähnlichen Ichs. Bilde mich, forme mich, erhebe mich in eine reine und heilige Atmosphäre, wo der volle Strom deiner Liebe durch meine Seele fließen kann. CGl 157 3 Es ist nicht genug, daß diese Übergabe des eigenen Ich nur am Anfang des christlichen Lebens gemacht werde. Sie muß bei einem jeden weiteren, himmelwärts genommenen Schritt erneuert werden. Alle unsere guten Werke entspringen einer Kraft, die nicht in uns ist. Deshalb muß das Herz beständig nach Gott verlangen, und ein ernstes von Herzen kommendes Bekenntnis der Sünde und eine Seelendemütigung vor ihm muß stattfinden. Nur durch beständiges Verleugnen des eigenen Ich und Vertrauen auf Christum können wir sicher wandeln. CGl 158 1 Je näher wir zu Jesu kommen und je klarer wir die Reinheit seines Charakters erkennen, desto klarer werden wir die außerordentliche Sündigkeit der Sünde begreifen und um so weniger werden wir geneigt sein, uns zu erheben. Die, welche der Himmel als heilig stempelt, sind die letzten, die mit ihrer eigenen Güte prahlen. Der Apostel Petrus war ein treuer Diener Christi, er wurde hoch geehrt durch die Mitteilung göttlichen Lichtes und göttlicher Kraft. Er nahm tätigen Anteil am Aufbau der Gemeinde Christi, aber er vergaß nie die furchtbare Erfahrung seiner Demütigung; seine Sünde war zwar vergeben, aber er wußte, daß nur durch die Gnade Christi jene Charakterschwäche, die seinen Fall verursacht hatte, geheilt werden konnte. In sich selbst fand er nichts, dessen er sich hätte rühmen können. CGl 158 2 Keiner der Apostel oder Propheten hat jemals behauptet, ohne Sünde zu sein. Menschen, die Gott am nächsten lebten, die lieber ihr Leben opferten, als wissentlich eine ungerechte Handlung zu begehen, Menschen, die Gott durch Mitteilung seiner Kraft geehrt hat, haben die Sündigkeit ihrer eigenen Natur bekannt. Sie haben kein Vertrauen in Fleisch gesetzt, haben keine eigene Gerechtigkeit beansprucht, sondern sich einzig und allein auf die Gerechtigkeit Christi verlassen. So wird es mit allen sein, die auf Christum blicken. CGl 158 3 Bei jedem weiteren Schritt in unserer Erfahrung wird unsere Buße eine tiefere. Solchen, denen der Herr vergeben hat und die er als die Seinen anerkennt, sagt er: "Alsdann werdet ihr an euer böses Wesen gedenken und eures Tuns, das nicht gut war, und wird euch eure Sünde und Abgötterei gereuen." Hesekiel 36,31. Wiederum sagt er: "Ich will meinen Bund mit dir aufrichten, daß du erfahren sollst, daß ich der Herr sei, auf daß du dran gedenkest und dich schämest, und vor Schande nicht mehr deinen Mund auftun dürfest, wenn ich dir alles vergeben werde, was du getan hast, spricht der Herr, Herr." Hesekiel 16,62.63. Dann werden unsere Lippen sich nicht zur Selbstverherrlichung öffnen. Wir werden wissen, daß wir nur in Christo volle Genüge haben. Wir werden des Apostels Bekenntnis: "Ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnet nichts Gutes"; "es sei aber ferne von mir, rühmen, denn allein von dem Kreuz unsers Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt" (Römer 7,8; Galater 6,14), zu dem unsrigen machen. CGl 159 1 Im Einklang mit dieser Erfahrung ist die Mahnung: "Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist's, der in euch wirket beide, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen." Philipper 2,12.13. Gott will nicht, daß ihr fürchtet, er werde es unterlassen, seine Verheißungen zu erfüllen, oder seine Geduld werde ermüden, oder sein Mitleid nachlassen. Aber fürchtet, daß euer Wille dem Willen Christi nicht untertan bleibe, daß eure angeerbten, eure anerzogenen und von euch genährten Charakterzüge euer Leben beherrschen. "Denn Gott ist's der in euch wirket beide, das Wollen und das Vollbringen." Fürchtet, daß das eigene Ich sich zwischen eure Seele und den großen Meister dränge, fürchtet, daß das eigene Ich den hohen Zweck vereitle, den Gott durch euch zu erreichen wünscht. Fürchtet, eurer eigenen Kraft zu vertrauen; fürchtet, eure Hand der Hand Christi zu entziehen und zu versuchen, den Pfad des Lebens ohne seine stetige Gegenwart zu wandeln. CGl 159 2 Wir sollten alles meiden, was den Stolz und übergroßes Selbstvertrauen ermutigen kann, sollten uns deshalb in acht nehmen, Schmeicheleien oder Lobpreisungen anzunehmen oder zu geben. Das Schmeicheln ist Satans Werk. Er schmeichelt, er beschuldigt und verdammt. Auf diese Weise versucht er das Verderben der Seele herbeizuführen. Wer Menschen schmeichelt, wird von Satan als sein Werkzeug benutzt. Die Arbeiter Christi sollten jede Lobeserhebung von sich abweisen; das eigene Ich sollte aus den Augen verloren werden. Christus allein soll erhöht werden. Auf ihn, "der uns geliebet hat und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut" (Offenbarung 1,5), werde ein jedes Auge gewiesen und ein jedes Herz lobe ihn. CGl 159 3 Das Leben, in welchem die Furcht des Herrn genährt wird, wird kein Leben der Traurigkeit und des Trübsinns sein. Nur die Abwesenheit Christi macht den Gesichtsausdruck traurig und das Leben zu einer Pilgerfahrt mit Seufzen. Menschen, die voller Überhebung und Selbstliebe sind, fühlen das Bedürfnis nach einer lebendigen, persönlichen Verbindung mit Christo nicht. Das Herz, welches nicht auf den Felsen gefallen ist, brüstet sich mit seiner eigenen Güte. Die Menschen verlangen nach einer Religion, die ihnen Würde verleiht. Sie wünschen auf einem Pfade zu wandeln, der breit genug ist, um allen ihren eigenen Neigungen und Eigenschaften Raum zu lassen. Ihre Liebe zum eigenen Ich, ihre Sucht beliebt zu sein und Menschenlob zu erhaschen, schließen den Heiland aus ihren Herzen aus, und ohne ihn ist nur Traurigkeit und Trübsinn da. Wenn aber Christus in der Seele wohnt, so ist eine Quelle der Freude daselbst. Allen, die ihn annehmen, ist das Wort Gottes eine beständige Quelle der Freude. CGl 160 1 "Denn also spricht der Hohe und Erhabene, der ewiglich wohnet, des Name heilig ist: Der ich in der Höhe und im Heiligtum wohne, und bei denen, so zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf daß ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen." Jesaja 57,15. CGl 160 2 Als Moses in der Felsenkluft verborgen war, da sah er die Herrlichkeit Gottes und wenn wir uns in der Felsspalte des Heils verbergen, wird Christus uns mit seiner durchbohrten Hand bedecken und wir werden hören, was der Herr seinen Knechten sagt. Unser Gott wird sich uns, wie ehemals Moses offenbaren, als "barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue. Der da bewahret Gnade in tausend Glieder und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde." 2.Mose 34,6.7. Das Erlösungswerk zieht Folgen nach sich, von denen der Mensch sich nur sehr schwer einen Begriff machen kann. "Das kein Auge gesehen hat, und kein Ohr gehöret hat, und in keines Menschen Herz kommen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben." 1.Korinther 2,9. Indem der Sünder, durch die Kraft Christi gezogen, sich dem aufgerichteten Kreuze naht und sich vor demselben anbetend demütigt, wird er neu geboren. Ein neues Herz wird ihm gegeben. Er wird eine neue Kreatur in Christo Jesu. Die Heiligkeit hat nichts mehr zu fordern. Gott selbst macht gerecht "den, der da ist des Glaubens an Jesum"; und "welche er aber hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht". Römer 3,26; Römer 8,30. So groß auch die durch die Sünde verursachte Schande und Entartung sein mag, so wird doch die durch die erlösende Liebe gegebene Ehre und Erhöhung noch größer sein. Menschliche Wesen, die darnach streben, dem göttlichen Ebenbilde ähnlich zu werden, werden aus der Schatzkammer des Himmels mit einer Kraft ausgestattet, welche sie noch höher stellen wird, als selbst die Engel, die nie gefallen sind. CGl 161 1 "So spricht der Herr, der Erlöser Israels, sein Heiliger, zu der verachteten Seele, zu dem Volk, des man Greuel hat ... Könige sollen sehen und aufstehen, und Fürsten sollen niederfallen um des Herrn willen, der treu ist, um des Heiligen in Israel willen, der dich erwählet hat." Jesaja 49,7. CGl 161 2 "Denn wer sich selbst erhöhet, der wird erniedriget werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöhet werden." ------------------------Kapitel 14 -- "Sollte aber Gott nicht auch retten seine Auserwählten?" CGl 162 1 Auf der Grundlage von Lukas 18,1-8. CGl 162 2 Christus hatte von der Zeit gesprochen, welche seiner Wiederkunft gerade vorhergeht und von den Gefahren, welche seine Nachfolger durchmachen müssen. Mit besonderer Bezugnahme darauf erzählte er ihnen "ein Gleichnis davon, daß man allezeit beten und nicht laß werden solle". "Es war ein Richter in einer Stadt," sagte er, "der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Rette mich von meinem Widersacher! Und er wollte lange nicht. Darnach aber dachte er bei sich selbst: Ob ich mich schon vor Gott nicht fürchte, noch vor keinem Menschen scheue, dieweil aber mir diese Witwe so viel Mühe machet, will ich sie retten, auf daß sie nicht zuletzt komme und betäube mich. Da sprach der Herr: Höret hier, was der ungerechte Richter saget! Sollte aber Gott nicht auch retten seine Auserwähleten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's mit ihnen verziehen? Ich sage euch: Er wird sie erretten in einer Kürze." CGl 162 3 Der Richter, der uns hier vorgeführt wird, hatte weder Achtung vor dem Recht, nach Mitleid mit den Leidenden. Die Witwe, die ihm ihre Sache so eindrücklich vorlegte, wurde beharrlich abgewiesen. Immer wieder kam sie zu ihm, aber nur, um mit Verachtung behandelt und von dem Richtstuhl vertrieben zu werden. Der Richter wußte, daß sie eine gerechte Sache hatte, und er hätte ihr sofort helfen können, aber er wollte nicht. Er wollte seine willkürliche Macht zeigen, und es befriedigte ihn, sie vergeblich bitten und flehen zu lassen. Aber sie ließ sich nicht abweisen, noch entmutigen. Ungeachtet seiner Gleichgültigkeit und Hartherzigkeit brachte sie ihre Bitte immer wieder aufs neue vor, so daß der Richter zuletzt einwilligte, sich ihrer Sache anzunehmen. "Ob ich mich schon vor Gott nicht fürchte, noch vor keinem Menschen scheue," sagte er, "dieweil aber diese Witwe mir soviel Mühe machet, will ich sie retten, auf daß sie nicht zuletzt komme und betäube mich." Um seinen Ruf zu retten, um es zu vermeiden, daß sein parteiisches, einseitiges Urteil bekannt werde, half er der ihn mit solcher Beharrlichkeit bittenden Frau. CGl 163 1 "Da sprach der Herr: Höret hier, was der ungerechte Richter saget! Sollte aber Gott nicht auch retten seine Auserwähleten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's mit ihnen verziehen? Ich sage euch: er wird sie erretten in einer Kürze" Christus zieht hier einen Vergleich zwischen dem ungerechten Richter und Gott. Der Richter gab der Bitte der Witwe nur aus Selbstsucht nach, um weiteren Belästigungen zu entgehen. Er hatte kein Mitleid, kein Erbarmen mit ihr, ihr Elend war ihm gleichgültig. Wie so ganz anders verhält sich Gott gegen die, die ihn bitten! Mit unendlichem Mitleid achtet er auf das Bitten und Flehen der Bedürftigen und Bekümmerten. CGl 163 2 Die Frau, welche den Richter um Recht und Gerechtigkeit bat, hatte ihren Mann verloren; arm und freundlos, hatte sie keine Mittel, um ihr verloren gegangenes Vermögen wieder zu gewinnen. So hat der Mensch durch die Sünde seine Verbindung mit Gott verloren und ist aus sich selbst nicht imstande, das Heil zu erlangen. In Christo aber werden wir dem Vater nahe gebracht. Die Auserwählten Gottes sind seinem Herzen teuer; er hat sie aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen, damit sie seine Tugenden verkündigen und als Lichter inmitten der Finsternis dieser Welt leuchten sollen. CGl 164 1 Der ungerechte Richter hatte kein besonderes Interesse an der Witwe, die ihn um Rettung bat; um aber ihrem kläglichen Flehen zu entgehen, erhörte er ihre Bitte und rettete sie von ihrem Widersacher. Gott aber liebt seine Kinder mit einer unendlichen Liebe. Das Teuerste auf Erden ist ihm seine Gemeinde. CGl 164 2 "Denn des Herrn Teil ist sein Volk, Jakob ist die Schnur seines Erbes. Er fand ihn in der Wüste, in der dürren Einöde, da es heulet. Er umfing ihn und hatte acht auf ihn; er behütete ihn wie seinen Augapfel." "Denn so spricht der Herr Zebaoth: Er hat mich gesandt nach Ehre zu den Heiden, die euch beraubt haben; denn wer euch antastet, der tastet seinen Augapfel an." 5.Mose 32,9.10. Sacharja 2,12. CGl 164 3 Die Bitte der Witwe: "Rette mich von meinem Widersacher", stellt das Gebet der Kinder Gottes dar. Satan ist ihr großer Widersacher. Er ist der "Verkläger unserer Brüder", der sie Tag und Nacht vor Gott verklagt. Offenbarung 12,10. Er ist beständig darauf bedacht, die Kinder Gottes falsch darzustellen, sie zu verklagen, zu betrügen und zu vernichten; und deshalb lehrt Christus seine Jünger in diesem Gleichnis, um Erlösung von der Macht Satans und seiner Werkzeuge zu bitten. CGl 164 4 In der Prophezeiung Sacharjas wird veranschaulicht, wie Satan verklagt und wie Christus dem Feinde seiner Jünger widersteht. Der Prophet sagt: "Und mir ward gezeigt der Hohepriester Josua, stehend vor dem Engel des Herrn; und der Satan stand zu seiner Rechten, daß er ihm widerstünde. Und der Herr sprach zu dem Satan: Der Herr schelte dich, du Satan; ja, der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählet hat! Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer errettet ist? Und Josua hatte unreine Kleider an und stand vor dem Engel." Sacharja 3,1-3. CGl 164 5 Die Kinder Gottes werden hier dem Verbrecher, der verhört wird, verglichen. Josua als Hoherpriester bittet um einen Segen für sein Volk, welches in großer Trübsal ist. Während er es vor Gott vertritt, steht Satan als sein Widersacher zu seiner Rechten. Er beschuldigt die Kinder Gottes und läßt ihre Missetaten so abscheulich wie nur möglich erscheinen. Er hält dem Herrn ihre Übeltaten und ihre Mängel vor. Er weist hin auf ihre Fehler und Unterlassungssünden, indem er hofft, daß sie in den Augen Christi so groß erscheinen werden, daß er ihnen in ihrer großen Not keine Hilfe leisten will. Josua als der Vertreter der Kinder Gottes, steht unter dem Verdammungsurteil, angetan mit unreinen Kleidern. Sich der Sünde seines Volkes bewußt, ist er von Entmutigung niedergedrückt. Satan belastet seine Seele mit einem Schuldgefühl, das ihm fast alle Hoffnung nimmt. Er steht da als ein Bittender und Satan widersteht ihm. CGl 165 1 Das Werk Satans als Verkläger begann im Himmel, und seit dem Sündenfalle der Menschen ist dies auch sein Werk auf Erden gewesen und wird es in ganz besonderem Sinne sein, je mehr wir uns dem Abschluß der Geschichte dieser Welt nähern. Da er sieht, daß seine Zeit kurz ist, wird er mit größerem Ernst arbeiten, um zu betrügen und zu vernichten. Er ist zornig, wenn er hier auf Erden Menschen sieht, die selbst in ihrer Schwäche und Sündigkeit dem Gesetze Jehovas Achtung erzeigen. Er will nicht, daß sie Gott gehorchen sollen. Er freut sich über ihre Unwürdigkeit und hat für eine jede Seele Schlingen gelegt, damit alle gefangen und von Gott abwendig gemacht werden möchten. Er trachtet darnach, Gott und alle, die dessen Pläne und Absichten in dieser Welt in Barmherzigkeit, Liebe, Mitleid und einem vergebenden Geist ausführen wollen, zu beschuldigen und zu verdammen. CGl 166 1 Eine jede Offenbarung der Kraft Gottes zugunsten seines Volkes erregt die Feindschaft Satans. Jedesmal, wenn Gott für seine Kinder wirkt, wirken auch Satan und seine Engel mit erneuter Kraft, um ihr Verderben herbeizuführen. Er ist eifersüchtig auf alle, die Christum zu ihrer Stärke machen. Er stachelt zum Bösen auf, um dann, wenn er erfolgreich gewesen ist, die ganze Schuld auf die Versuchten zu werfen. Er weist hin auf ihre unreinen Kleider, ihre mangelhaften Charaktere; er zeigt ihnen ihre Schwäche und Torheit, ihre Undankbarkeit und ihr Christo so unähnliches Wesen, wodurch sie ihren Erlöser entehrt haben. Alles dies benutzt er als Beweisführung, um sein Recht zu behaupten, sie zu verderben. Er versucht ihre Seelen durch den Gedanken zu erschrecken, daß ihr Fall hoffnungslos ist und sie nie von ihrer Befleckung gereinigt werden können. Er will ihren Glauben so sehr zerstören, daß sie seinen Versuchungen willig nachgeben und sich von Gott gänzlich abwenden. CGl 166 2 Die Kinder Gottes können in sich selbst den Beschuldigungen Satans nicht entgegentreten, noch sie in Abrede stellen. Wenn sie auf sich selbst blicken, können sie nur verzweifeln. Aber sie wenden sich an den göttlichen Fürsprecher. Sie klammern sich an die Verdienste des Erlösers. Gott kann gerecht machen "den, der da ist des Glaubens an Jesum". Römer 3,26. Mit Vertrauen schreien sie zu Gott und bitten ihn, Satan mit seinen Beschuldigungen zum Stillschweigen zu bringen und seine Pläne zu vereiteln. "Rette mich von meinem Widersacher," beten sie und durch die mächtigen Beweise des Kreuzes bringt Christus den zudringlichen Verkläger zum Stillschweigen. CGl 166 3 "Und der Herr sprach zu dem Satan: Der Herr schelte dich, du Satan; ja, der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählet hat! Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer errettet ist?" Wenn Satan es versucht, die Kinder Gottes anzuschwärzen und sie zu verderben, so tritt Christus ins Mittel. Obgleich sie gesündigt haben, hat Christus die Schuld ihrer Sünden auf seine eigene Seele genommen. Er hat das Menschengeschlecht wie einen Brand aus dem Feuer gerissen. Durch seine menschliche Natur ist er mit dem Menschen verbunden, während er durch seine göttliche Natur eins ist mit dem unendlichen Gott. Auf diese Weise wird den Seelen, die dem Verderben entgegengehen, Hilfe gebracht. Der Widersacher ist abgewiesen. CGl 167 1 "Und Josua hatte unreine Kleider an und stand vor dem Engel, welcher antwortete und sprach zu denen, die vor ihm standen: Tut die unreinen Kleider von ihm! Und er sprach zu ihm: Siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen und habe dich mit Feierkleidern angezogen. Und er sprach: Setzt einen reinen Hut auf sein Haupt! Und sie setzten einen reinen Hut auf sein Haupt, und zogen ihm Kleider an." Dann machte der mit der Autorität des Herrn der Heerscharen bekleidete Engel dem Josua, dem Vertreter des Volkes, ein feierliches Versprechen. "Wirst du in meinen Wegen wandeln und meiner Hut warten, so sollst du regieren mein Haus und meine Höfe bewahren; und ich will dir geben von diesen, die hier stehen, daß sie dich geleiten sollen" (Sacharja 3,3-7) -- nämlich von den Engeln, die um den Thron Gottes stehen. CGl 167 2 Ungeachtet der Mängel des Volkes Gottes wendet Christus sich nicht ab von den Gegenständen seiner Fürsorge. Er ist imstande ihr Gewand zu ändern. Er entfernt die unreinen Kleider, bekleidet die reumütigen, gläubigen Seelen mit dem Gewande seiner eigenen Gerechtigkeit und schreibt Vergebung gegenüber ihren Namen in den Büchern des Himmels. Er bekennt sie als die Seinen vor dem himmlischen Weltall, und Satan, ihr Widersacher, wird als ein Verkläger und Betrüger bloßgestellt. Gott wird seinen Erwählten Recht verschaffen. CGl 167 3 Die Bitte: "Rette mich von meinem Widersacher!" bezieht sich nicht nur auf Satan, sondern auch auf alle Werkzeuge, die sich gebrauchen lassen, um die Kinder Gottes falsch darzustellen, zu versuchen und zu vernichten. Die sich entschieden haben, den Geboten Gottes Gehorsam zu leisten, werden aus Erfahrung wissen, daß sie Widersacher haben, die durch eine von unten aus dem Abgrund kommende Macht beherrscht werden. Solche Widersacher verfolgten Christum auf jedem Schritt; wie beständig und entschlossen sie dabei vorgingen, kann kein Mensch verstehen. Christi Jünger sind, ihrem Meister gleich, fortwährend Versuchungen ausgesetzt. CGl 168 1 Die Heilige Schrift beschreibt den Zustand der Welt, wie er gerade vor der Wiederkunft Christi sein wird. Der Apostel Jakobus zeigt uns die Habsucht und die Unterdrückung, die dann vorherrschen werden. Er sagt: "Wohlan nun, ihr Reichen, ... ihr habt euch Schätze gesammelt in den letzten Tagen. Siehe, der Arbeiter Lohn, die euer Land eingeerntet haben, der von euch abgebrochen ist, der schreiet, und das Rufen der Ernter ist kommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth. Ihr habt wohlgelebet auf Erden und eure Wollust gehabt und eure Herzen geweidet auf den Schlachttag. Ihr habt verurteilt den Gerechten und getötet und er hat euch nicht widerstanden." Jakobus 5,1-6. Dies ist ein Bild der heutigen Zustände. Indem die Menschen auf allerlei Art und Weise Bedrückung und Erpressung ausüben, häufen sie sich kolossale Schätze an, während die Klagerufe der darbenden Menschheit zu Gott aufsteigen. CGl 168 2 "Das Recht ist zurückgewichen und Gerechtigkeit ferne getreten; denn die Wahrheit fällt auf der Gasse, und Recht kann nicht einhergehen, und die Wahrheit ist dahin; und wer vom Bösen weichet, der muß jedermanns Raub sein." Jesaja 59,14.15. Dies wurde im Leben Christi auf Erden erfüllt. Er gehorchte den Geboten Gottes und verachtete menschliche Überlieferungen und Forderungen, welche die Stelle ersterer eingenommen hatten. Aus diesem Grunde wurde er gehaßt und verfolgt. Die Sache wiederholt sich. Menschensatzungen und Überlieferungen werden über das Gesetz Gottes gestellt und wer sich an den Geboten Gottes hält, leidet Schmach und Verfolgung. CGl 168 3 Christus wurde wegen seiner Treue gegen Gott beschuldigt, ein Sabbatbrecher und Lästerer zu sein. Man erklärte, daß er vom Teufel besessen sei, ja, er wurde sogar als Beelzebub selbst hingestellt. In gleicher Weise werden seine Nachfolger beschuldigt und in ein falsches Licht gebracht. Satan will sie dadurch zur Sünde verleiten und sie veranlassen, Gott zu entehren. CGl 169 1 Der Charakter des Richters im Gleichnis, der Gott nicht fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute, wurde von Christo vorgeführt, um zu zeigen, wie damals Gericht gehalten wurde und wie es auch bald bei seinem Verhör zugehen würde. Christus möchte, daß die Seinen allezeit erkennen, wie wenig sie sich zur Zeit der Trübsal und Not auf irdische Herrscher und Richter verlassen können. Die Erwählten Gottes müssen oft vor Männern in amtlichen Stellungen stehen, die das Wort Gottes nicht zu ihrem Führer und Ratgeber machen, sondern ihren eigenen ungeheiligten und Gott nicht unterstellten Trieben folgen. CGl 170 1 In dem Gleichnis vom ungerechten Richter hat Christus gezeigt, was wir tun sollen. "Sollte aber Gott nicht auch retten seine Auserwähleten, die zu ihm Tag und Nacht rufen?" Christus, unser Vorbild und Muster, tat nichts, um sich zu rechtfertigen oder zu befreien. Er überließ seine Sache Gott. So sollen auch seine Nachfolger, um sich zu befreien, nicht verklagen oder verurteilen, noch zur Gewalt ihre Zuflucht nehmen. CGl 170 2 Wenn Prüfungen kommen, die uns unerklärlich scheinen, so sollten wir uns doch unseren Frieden nicht stören lassen. Wie ungerecht wir auch behandelt werden mögen, sollte doch keine Leidenschaft in uns aufkommen. Indem wir den Geist der Wiedervergeltung nähren, schaden wir uns selbst. Wir zerstören unser Gottvertrauen und betrüben den Heiligen Geist. Uns zur Seite steht ein Zeuge, ein himmlischer Bote, der für uns eine Standarte gegen den Feind erheben wird. Er wird uns mit den hellen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit umhüllen. Dahindurch kann Satan nicht dringen; an diesem Schild heiligen Lichtes kann er sich nicht vorbeidrängen. CGl 170 3 Während die Welt in ihrer Gottlosigkeit fortschreitet, braucht keiner von uns zu denken, daß wir keine Schwierigkeiten haben werden. Aber gerade diese Schwierigkeiten sind es, die uns in das Audienzzimmer des Allerhöchsten bringen. Wir können Rat erbitten von einem, dessen Weisheit unendlich ist. CGl 170 4 Der Herr sagt: "Rufe mich an in der Not." Psalm 50,15. Er ladet uns ein, unsere Schwierigkeiten, Bedürfnisse und die Notwendigkeit göttlicher Hilfe ihm vorzulegen. Er fordert uns auf, anzuhalten im Gebet. Sobald sich Schwierigkeiten erheben, sollen wir ernstlich und aufrichtig zu ihm beten. Durch unsere inbrünstigen Gebete beweisen wir unser starkes Gottvertrauen. Das Gefühl unserer Bedürftigkeit veranlaßt uns, ernstlich zu beten, und unser himmlischer Vater wird durch unser Flehen und Bitten bewegt. CGl 170 5 Oft werden solche, die um ihres Glaubens willen Schmach und Verfolgung leiden, versucht zu denken, daß sie von Gott verlassen seien. In den Augen der Menschen werden sie gering geachtet. Allem Anschein nach triumphieren ihre Feinde über sie. Dennoch sollten sie nicht gegen ihr Gewissen handeln. Er, der für sie gelitten, der ihren Kummer und ihre Trübsal getragen hat, hat sie nicht verlassen. CGl 171 1 Die Kinder Gottes werden nicht allein und verteidigungslos gelassen. Das Gebet bewegt den Arm der Allmacht. Das Gebet hat "Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirket, Verheißungen erlanget, der Löwen Rachen verstopfet, des Feuers Kraft ausgelöscht" -- wir werden begreifen, was dies bedeutet, wenn wir die Berichte von den Märtyrern hören, die um ihres Glaubens willen gestorben sind -- "der Fremden Heere darniedergelegt." Hebräer 11,33.34. CGl 171 2 Wenn wir unser Leben seinem Dienste weihen, können wir niemals in eine Lage kommen, für welche Gott keine Vorkehrung getroffen hat. CGl 171 3 Was auch unsere Lage sein mag, wir haben stets einen Führer, der uns den Weg zeigt; welcher Art auch unsere Schwierigkeiten sein mögen, wir haben doch einen sicheren Ratgeber; worin auch unser Kummer und unsere Sorge bestehen mag, oder wie einsam wir auch sein mögen, wir haben stets einen mitfühlenden Freund! Wenn wir in unserer Unwissenheit Fehltritte tun, so verläßt uns Christus nicht. Wir werden seine Stimme klar und deutlich hören: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben." Johannes 14,6. "Er wird den Armen erretten, der da schreiet, und den Elenden, der keinen Helfer hat." Psalm 72,12. CGl 171 4 Der Herr erklärt, daß er durch die, welche sich ihm nahen und ihm treu dienen, geehrt wird. "Du erhältst stets Frieden nach gewisser Zusage; denn man verlässet sich auf dich." Jesaja 26,3. Der Arm der Allmacht ist ausgestreckt, um uns vorwärts und immer weiter vorwärts zu führen. Geht vorwärts! Sagt der Herr, ich will euch Hilfe schicken. Ihr bittet, damit mein Name verherrlicht werde, ihr sollt empfangen. Ich will vor denen geehrt werden, die auf euer Mißlingen, euren Untergang warten; sie sollen sehen, daß mein Wort herrlich triumphiert. "Alles, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet, werdet ihr's empfangen." Matthäus 21,22. CGl 172 1 Alle, die ihr in Trübsal seid oder ungerecht behandelt werdet, ruft Gott an. Wendet euch ab von denen, deren Herzen wie Stahl sind und bringt eure Bitten eurem Schöpfer vor! Niemals wird einer, der mit zerbrochenem Herzen zu ihm kommt, abgewiesen. Nicht ein aufrichtiges Gebet geht verloren. Inmitten der Gesänge des himmlischen Chores hört Gott das Rufen des schwächsten menschlichen Wesens. Wir schütten im Kämmerlein unser Herz vor Gott aus, wir lispeln ein Gebet, während wir unseres Weges gehen, und unsere Worte steigen empor zum Throne des Weltenherrschers. Wohl mögen sie von keinem menschlichen Ohr gehört werden, aber sie können nicht im Stillschweigen ersterben, noch im Geschäftsgetriebe um uns verloren gehen. Nichts kann das Verlangen der Seele ersticken; es steigt über das Getöse der Straßen, über das Gewirre der Menge zu den Himmelshallen empor. Gott ist es, zu dem wir sprechen, und von ihm wird unser Gebet gehört. CGl 172 2 Du, der du dich am unwürdigsten fühlst, fürchte dich nicht, deine Sache Gott anzuvertrauen. Als er sich selbst in Christo für die Sünden der Welt dahingab, übernahm er den Fall einer jeden Seele. "Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?" Römer 8,32. Wird er diese gnadenvolle Verheißung, die er zu unserer Ermutigung und Stärkung gegeben hat, nicht auch erfüllen? CGl 172 3 Christus wünscht nichts sehnlicher, als sein Erbteil von der Herrschaft Satans zu erlösen. Ehe wir aber äußerlich von Satans Macht erlöst werden, müssen wir innerlich von seiner Macht frei sein. Der Herr läßt Prüfungen zu, damit wir von irdischer Gesinnung, von Selbstsucht, von strengen, Christo unähnlichen Charakterzügen gereinigt werden. Er läßt die tiefen Wasser der Trübsal über unsere Seele gehen, damit wir ihn und Jesum Christum, den er gesandt hat, erkennen, damit wir ein herzliches Verlangen bekommen, von aller Befleckung gereinigt zu werden und reiner, heiliger und glücklicher aus der Trübsal hervorgehen möchten. Oft, wenn Trübsal über uns kommt, sind unsere Seelen durch Selbstsucht verfinstert; bleiben wir aber geduldig unter der Prüfung, dann werden wir nach derselben den göttlichen Charakter widerstrahlen. Wenn Gott seinen Zweck durch die Trübsal erreicht hat, wird er "deine Gerechtigkeit hervorbringen, wie das Licht, und dein Recht, wie den Mittag." Psalm 37,6. CGl 173 1 Wir brauchen nicht zu befürchten, daß der Herr die Gebete seiner Kinder unbeachtet läßt; aber die Gefahr ist vorhanden, daß sie in der Versuchung und Prüfung entmutigt werden und es unterlassen, im Gebet anzuhalten. CGl 173 2 Der Heiland bekundete göttliches Mitleid gegen das syrisch-phönizische Weib. Sein Herz wurde gerührt, als er ihren Kummer sah. Es verlangte ihn darnach, ihr die sofortige Versicherung zu geben, daß ihr Gebet erhört sei; aber er wollte seinen Jüngern eine Lehre geben und ließ deshalb das Rufen ihres gequälten Herzens eine Zeitlang unbeachtet erscheinen. Als aber ihr Glaube offenbar geworden war, redete er Worte des Trostes zu ihr und ließ sie von sich, nachdem er ihre Bitte gewährt hatte. Die Jünger vergaßen diese Lehre nie, und sie ist verzeichnet worden, um das Ergebnis eines anhaltenden Gebetes zu zeigen. CGl 173 3 Christus selbst war es, der diese Beharrlichkeit, die sich nicht abweisen ließ, in das Herz jener Mutter legte. Christus war es auch, der jener bittenden Witwe Mut und Entschlossenheit vor dem Richter gab. Es war Christus, welcher Jahrhunderte vorher in jenem geheimnisvollen Ringen am Jabok dem Jakob den ausharrenden Glauben verlieh, und er unterließ es nicht, das Vertrauen, welches er selbst eingepflanzt hatte, zu belohnen. CGl 173 4 Er, der im himmlischen Heiligtum wohnt, richtet recht. Er hat mehr Wohlgefallen an seinen Kindern, die mit den Versuchungen in einer Welt der Sünde kämpfen, als an den Scharen der Engel, die seinen Thron umgeben. CGl 173 5 An dieser kleinen Erde nimmt das himmlische Weltall den tiefsten Anteil, denn Christus hat einen unendlich großen Preis für die Seelen ihrer Bewohner bezahlt. Der Erlöser der Welt hat diese Erde mit dem Himmel verbunden, denn die Erlösten des Herrn sind hier. Himmlische Wesen besuchen noch immer die Erde, wie in den Tagen, da sie mit Abraham und Moses wandelten und sprachen. Inmitten des geschäftigen Getriebes unserer großen Städte, inmitten der Massen, welche die Verkehrswege und die Handelsmärkte füllen, wo die Menschen vom Morgen bis zum Abend handeln, als ob Geschäft und Vergnügen alles wäre, wonach in diesem Leben zu trachten sei, wo so wenige über die ungesehenen wirklichen Dinge nachdenken -- selbst hier hat der Himmel noch seine Wächter und Heiligen. Unsichtbare Wesen beobachten ein jedes Wort und eine jede Handlung der menschlichen Wesen. In jeder Zusammenkunft, sei es des Geschäfts oder des Vergnügens wegen, in jeder gottesdienstlichen Versammlung sind mehr Hörer, als mit dem natürlichen Auge gesehen werden können. Manchmal ziehen die himmlischen Wesen den Schleier, welcher die ungesehene Welt verhüllt, beiseite, damit unsere Gedanken von dem Getriebe des Lebens abgezogen werden und wir daran denken möchten, daß ungesehene Zeugen zugegen sind bei allem, was wir tun oder sagen. CGl 174 1 Wir sollten die Aufgabe der himmlischen Besucher besser verstehen. Wir würden wohl tun, daran zu denken, daß wir in all unserer Arbeit die Mitwirkung und Fürsorge himmlischer Wesen haben. Unsichtbare Scharen des Lichts und der Kraft begleiten die Sanftmütigen und Demütigen, die den Verheißungen Gottes glauben und sich daran anklammern. Cherubim, Seraphim und starke Engel -- zehntausendmal zehntausend und tausendmal tausend an der Zahl -- stehen zu seiner Rechten und sind "allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit." Hebräer 1,14. CGl 174 2 Diese Engelsboten führen genauen Bericht über die Worte und Handlungen der Menschenkinder. Jede grausame oder ungerechte Handlung gegen Gottes Volk, alles, was es von seiten der Bösen leiden muß, wird im Himmel verzeichnet. CGl 174 3 "Sollte aber Gott nicht auch retten seine Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's mit ihnen verziehen? Ich sage euch: Er wird sie erretten in einer Kürze." CGl 174 4 "Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber ist euch not, auf daß ihr den Willen Gottes tut und die Verheißung empfahet. Denn noch über eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und nicht verziehen." Hebräer 10,35-37. "Siehe, ein Ackermann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und ist geduldig darüber, bis sie empfahe den Frühregen und Spatregen. Seid ihr auch geduldig und stärket eure Herzen; denn die Zukunft des Herrn ist nahe." Jakobus 5,7-8. CGl 175 1 Die Langmut Gottes ist wirklich wunderbar. Die Gerechtigkeit wartet lange, während die Gnade den Sünder bittet und mahnt. Aber "Gerechtigkeit und Gericht ist seines Stuhls Festung." Psalm 97,2. "Der Herr ist geduldig"; aber er ist "von großer Kraft, vor welchem niemand unschuldig ist; er ist der Herr, des Weg in Wetter und Sturm ist, und Gewölke der Staub unter seinen Füßen." Nahum 1,3. CGl 175 2 Die Welt ist in der Übertretung des Gesetzes Gottes kühn geworden. Weil er so langmütig ist, haben die Menschen seine Autorität mit Füßen getreten. Sie haben sich gegenseitig bestärkt in der Bedrückung und Grausamkeit gegen sein Erbteil und gesagt: "Was sollte Gott nach jenen fragen? Was sollte der Höchste ihrer achten?" Psalm 73,11. Aber es gibt eine Linie, die sie nicht überschreiten können, und die Zeit ist nahe, da sie die festgesetzte Grenze der Langmut Gottes, die Grenzen seiner Gnade und Barmherzigkeit fast überschritten. Der Herr wird einschreiten, um seine Ehre zu rechtfertigen, um die Seinen zu befreien und um dem Brüsten der Ungerechtigkeit Einhalt zu tun. Zu Noahs Zeiten hatten die Menschen das Gesetz Gottes mißachtet, bis fast alle Erinnerung an den Schöpfer von der Erde verschwunden war. Ihre Missetat war so groß geworden, daß der Herr eine Wasserflut über die Erde kommen ließ und alle ihre gottlosen Einwohner dahinraffte. CGl 175 3 Von Zeit zu Zeit hat der Herr die Art und Weise seines Wirkens bekannt gemacht. Wenn eine Krisis kam, hat er sich offenbart und sich ins Mittel gelegt, um die Ausführung der Pläne Satans zu verhindern. Er hat es oft zugelassen, daß für Völker, Familien und einzelne Personen eine Krisis gekommen ist, damit sein Dazwischentreten bemerkbar werden möchte. Dann hat er es kund gemacht, daß ein Gott in Israel ist, der sein Gesetz behauptet und die Seinen rechtfertigt und schützt. In dieser Zeit, da die Missetat überhand nimmt, können wir wissen, daß die letzte große Krisis vor der Tür ist. Wenn dem Gesetze Gottes beinahe auf der ganzen Welt Hohn gesprochen wird, wenn die Seinen von ihren Mitmenschen bedrückt und geplagt werden, dann wird der Herr sich ins Mittel legen. CGl 176 1 Die Zeit ist nahe, wenn er sagen wird: "Gehe hin, mein Volk, in deine Kammer, und schließ die Tür nach dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorüber gehe. Denn siehe, der Herr wird ausgehen von seinem Ort, heimzusuchen die Bosheit der Einwohner des Landes über sie, daß das Land wird offenbaren ihr Blut, und nicht mehr weiter verhehlen, die drinnen erwürget sind." Jesaja 26,20.21. Vorgebliche Christenbekenner mögen jetzt die Armen betrügen und unterdrücken, mögen die Witwen und Waisen berauben, mögen ihrem satanischen Haß die Zügel schießen lassen, weil sie das Gewissen der Kinder Gottes nicht beherrschen können; aber Gott wird sie für dies alles ins Gericht bringen. "Es wird aber ein unbarmherzig Gericht über den gehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat." Jakobus 2,13. Sie werden in Kürze vor dem Richter der ganzen Welt stehen, um Rechenschaft zu geben für die Schmerzen, welche sie den Leibern und Seelen seines Erbteils verursacht haben. Sie mögen sich jetzt in falschen Beschuldigungen ergehen, mögen die, welche Gott zu seinem Werk berufen hat, verspotten und schmähen, mögen seine Gläubigen ins Gefängnis werfen, mit Ketten belasten, sie verbannen oder zum Tode verurteilen; aber jedes erduldeten Schmerzes, jeder vergossenen Träne wegen werden sie zur Verantwortung gezogen. Gott wird sie zwiefältig bezahlen für ihre Sünden. Betreffs Babylons, des Symbols der abgefallenen Gemeinde, sagt er seinen Dienern, die sein Urteil ausführen: "Denn ihre Sünden reichen bis in den Himmel, und Gott denkt an ihren Frevel. Bezahlet sie, wie sie bezahlet hat, und macht's ihr zwiefältig nach ihren Werken; und in welchem Kelch sie eingeschenkt hat, schenket ihr zwiefältig ein." Offenbarung 18,5.6. CGl 176 2 Von Indien, von Afrika, von China, von den Inseln des Meeres, von den mit Füßen getretenen Millionen in sogenannten christlichen Ländern steigt der Schrei menschlichen Wehes zu Gott empor. Dieser Schrei, dieser Ruf, wird nicht lange unerhört bleiben. Gott wird die Erde von ihrer sittlichen Verderbtheit reinigen, nicht durch eine Wasserflut, wie zur Zeit Noahs, sondern durch ein Feuermeer, welches durch keine menschlichen Erfindungen gelöscht werden kann. CGl 177 1 "Es wird eine solche trübselige Zeit sein, als sie nicht gewesen ist, seit daß Leute gewesen sind, bis auf dieselbige Zeit. Zur selbigen Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen." Daniel 12,1. CGl 177 2 Aus elenden Dachzimmern, aus ärmlichen Hütten, aus Gefängnissen, von Schafotten, von Bergen und Wüsten, aus den Höhlen der Erde und den Felsklüften wird Christus die Seinen zu sich sammeln. Auf Erden haben sie Mangel gelitten und sind geplagt und gequält worden. Millionen sind unter Schimpf und Schande ins Grab gegangen, weil sie sich weigerten, den trügerischen Ansprüchen Satans Folge zu leisten. Von menschlichen Gerichtshöfen sind die Kinder Gottes als die gemeinsten Verbrecher verurteilt worden. Aber der Tag ist nahe, an welchem Gott selbst Richter sein wird. Psalm 50,6. Dann werden die auf Erden gefällten Urteilssprüche umgestoßen werden. Dann wird Gott "aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen". Ein jedes seiner Kinder wird dann ein weißes Gewand erhalten. "Man wird sie nennen das heilige Volk, die Erlösten des Herrn." Jeremia 25,8; Offenbarung 6,11; Jesaja 62,12. CGl 177 3 Welcherlei Kreuz sie auch haben tragen müssen, welche Verluste sie auch erlitten und welche Verfolgung sie auch erduldet haben, selbst der Verlust des zeitlichen Lebens -- alles wird den Kindern Gottes reichlich wiedererstattet werden. Sie "sehen sein Angesicht, und sein Name wird an ihren Stirnen sein". Offenbarung 22,4. CGl 177 4 "Gott ist unserer Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben." Psalm 46,2-6. CGl 178 1 "Jauchze, du Tochter Zion! Rufe, Israel! Freue dich und sei fröhlich von ganzem Herzen, du Tochter Jerusalem! Denn der Herr hat deine Strafe weggenommen und deine Feinde abgewendet. Der Herr, der König Israels, ist bei dir, daß du dich vor keinem Unglück mehr fürchten darfst. Zur selbigen Zeit wird man sprechen zu Jerusalem: Fürchte dich nicht! Und zu Zion: Laß deine Hände nicht laß werden! Denn der Herr, dein Gott, ist bei dir, ein starker Heiland; er wird sich über dich freuen und dir freundlich sein und vergeben und wird über dir mit Schall fröhlich sein. Die Geängsteten, so auf kein Fest kommen, will ich zusammenbringen; denn sie gehören dir zu und müssen Schmach tragen. Siehe, ich will's mit allen denen ausmachen zur selbigen Zeit, die dich beleidigen, und will den Hinkenden helfen und die Verstoßenen sammeln und will sie zu Lob und Ehren machen in allen Landen, darin man sie verachtet. Zur selbigen Zeit will ich euch hereinbringen und euch zur selbigen Zeit versammeln. Denn ich will euch zu Lob und Ehren machen unter allen Völkern auf Erden, wenn ich euer Gefängnis wenden werde vor euren Augen, spricht der Herr." Zephanja 3,14-18. Das Ziehen der göttlichen Liebe CGl 178 2 "Ich ließ sie ein menschliches Joch ziehen und in Seilen der Liebe gehen." Hosea 11,4. ------------------------Kapitel 15 -- "Dieser nimmt die Sünder an" CGl 183 1 Auf der Grundlage von Lukas 15,1-10. CGl 183 2 Als die "Zöllner und Sünder" sich um Christum versammelten, drückten die Rabbiner ihr Mißfallen aus. "Dieser nimmt die Sünder an", sagten sie, "und isset mit ihnen." CGl 183 3 Durch diese Beschuldigung deuteten sie an, daß Christus gern mit den Sündhaften und Gemeinen verkehre und ihre Gottlosigkeit ihm kein Anstoß sei. Die Rabbiner waren enttäuscht. Wie kam es, daß jemand, der einen so hohen Charakter bekundete, nicht mit ihnen verkehrte und ihre Lehrmethoden nicht befolgte? Warum ging er so anspruchslos umher und wirkte unter allen Klassen? Wenn er ein wahrer Prophet wäre, sagten sie, so würde er im Einklang mit ihnen sein und die Zöllner und Sünder mit Gleichgültigkeit behandeln, wie sie es verdienten. Es ärgerte diese Hüter der menschlichen Gesellschaft, daß er, mit dem sie beständig Streitfragen hatten, dessen lauterer Lebenswandel sie aber verdammte, mit dem Auswurf der Menschheit anscheinend so teilnehmend verkehrte. Sie billigten seine Methoden durchaus nicht. Sie hielten sich für gebildet, feinfühlend und außerordentlich religiös, aber das Beispiel Christi legte ihre Selbstsucht bloß. CGl 183 4 Es ärgerte sie auch, daß die, welche den Rabbinern nur Verachtung bezeigten und nie in den Synagogen gesehen wurden, sich um Jesum scharten und seinen Worten mit solcher Aufmerksamkeit lauschten. Die Schriftgelehrten und Pharisäer fühlten sich in der Gegenwart dieses Reinen und Edlen verdammt; wie kam es denn aber, daß die Zöllner und Sünder sich zu Jesu hingezogen fühlten? CGl 184 1 Sie wußten es nicht, daß die Erklärung gerade in den Worten lag, die sie als Beschuldigung ausgesprochen hatten: "Dieser nimmt die Sünder an." Die Seelen, die zu Jesu kamen, empfanden in seiner Gegenwart, daß es selbst für sie noch Rettung aus dem Abgrund der Sünde gebe. Die Pharisäer hatten nur Hohn und Verachtung für sie; Christus aber begrüßte sie als Kinder Gottes, die zwar dem Vaterhause entfremdet, aber vom Vaterherzen nicht vergessen worden waren, desto ernster war sein Verlangen und desto größer seine Opferwilligkeit, sie zu retten. CGl 184 2 Dies alles hätten die Lehrer Israels aus den heiligen Schriftenrollen lernen können, deren Bewahrer und Ausleger zu sein sie sich rühmten. Hatte nicht David -- David, der doch in eine Todsünde gefallen war -- geschrieben: "Ich bin wie ein verirret und verloren Schaf; suche deinen Knecht"? Psalm 119,176. Und hatte nicht Micha die Liebe Gottes für den Sünder offenbart, indem er sagte: "Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässet die Missetat den Übrigen seines Erbteils; der seinen Zorn nicht ewiglich behält, denn er ist barmherzig"? Micha 7,18. Das verlorene Schaf CGl 184 3 Christus erinnerte diesmal seine Zuhörer nicht an die Worte der Schrift. Er berief sich auf das Zeugnis ihrer eigenen Erfahrung. Das sich weithin ausdehnende Tafelland östlich vom Jordan bot reichliche Weide für die Herden dar und manches von der Herde entlaufene Schaf hatte sich in den Schluchten und auf den bewaldeten Hügeln verirrt und mußte dann vom Hirten gesucht und zurückgebracht werden. Unter der Schar, die Jesum umgab, waren Hirten und auch Männer, die ihr Geld in Schaf- und Viehherden angelegt hatten, und sie alle konnten das von ihm benutzte Bild gut verstehen. "Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat, und so er der eines verlieret, der nicht lasse die neunundneunzig in der Wüste und hingehe nach dem verlornen, bis daß er's finde?" CGl 185 1 Diese Seelen, die ihr verachtet, sagte Jesus, sind das Eigentum Gottes. Sie gehören ihm durch die Schöpfung und durch die Erlösung und sind in seinen Augen von großem Wert. Wie der Hirte seine Schafe liebt und nicht ruhen kann, wenn ihm auch nur eines fehlt, so liebt Gott, in einem noch viel höheren Grade, eine jede verlorene Seele. Menschen mögen die Ansprüche seiner Liebe in Abrede stellen, mögen ihn verlassen und einen anderen Herrn gewählt haben; aber sie gehören dennoch Gott, und er sehnt sich darnach, sein Eigentum wiederzuerlangen. Er sagt: "Wie ein Hirte seine Schafe suchet, wenn sie von seiner Herde verirret sind, also will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Örtern, dahin sie zerstreut waren zur Zeit, da es trüb und finster war." Hesekiel 34,12. CGl 185 2 Im Gleichnis geht der Hirte aus, um nach einem Schaf zu suchen -- die geringste Anzahl, die überhaupt in Betracht kommen kann. Wenn es also nur eine verlorene Seele gegeben hätte, so würde Christus für diese eine Seele gestorben sein. CGl 185 3 Das von der Herde verirrte Schaf ist das hilfloseste aller Geschöpfe. Es muß von dem Hirten gesucht werden, denn es kann seinen Weg nicht allein zur Herde zurück finden. So ist es auch mit der Seele, die von Gott fortgegangen ist; sie ist so hilflos wie das verlorene Schaf, und wenn die göttliche Liebe ihr nicht nachginge, um sie zu retten, so könnte sie niemals ihren Weg zu Gott wieder finden. CGl 185 4 Der Hirte, wenn er bemerkt, daß eins seiner Schafe fehlt, blickt nicht gleichgültig auf die Herde, die sicher in der Hürde ist und sagt: Ich habe neunundneunzig und es macht mir zu viel Mühe, das eine verirrte Schaf zu suchen. Wenn es zurückkommt, werde ich die Tür der Schafhürde öffnen und es hereinlassen. Nein, sobald er entdeckt, daß ein Schaf fehlt, erfüllt ihn Kummer und Besorgnis. Er zählt die Herde, zählt sie abermals, und wenn er sicher ist, daß wirklich ein Schaf verloren ist, dann ruht er nicht. Er läßt die neunundneunzig in der Hürde und geht hinaus, um das verirrte Schaf zu suchen. Je dunkler und stürmischer die Nacht und je gefährlicher der Weg ist, desto größer ist seine Besorgnis und desto ernstlicher sucht er. Er macht die äußersten Anstrengungen, um das eine verlorne Schaf zu finden. CGl 186 1 Welche Erleichterung gewährt es ihm, wenn er in der Ferne die ersten schwachen Hilferufe desselben vernimmt! Dem Klange folgend erklettert er die steilsten Höhen, geht unter Gefahr seines eigenen Lebens bis an den Rand des Abgrunds. In dieser Weise sucht er, während das immer schwächer werdende Blöken ihm sagt, daß sein Schaf dem Tode nahe ist. Endlich werden seine Bemühungen belohnt; das verlorene Schaf ist gefunden. Nun schilt er dasselbe nicht, weil es ihm so viel Mühe verursacht hat, er treibt es nicht mit der Peitsche vor sich her, er versucht nicht einmal, es nach Hause zu leiten. In seiner Freude nimmt er das zitternde Geschöpf auf seine Schultern; wenn es zerschlagen und verwundet ist, nimmt er es in seine Arme und drückt es an seine Brust, damit die Wärme seines eigenen Herzens ihm wohltun möchte. Mit innigem Dank, daß sein Suchen nicht vergeblich gewesen ist, trägt er es zur Herde zurück. CGl 186 2 Gott sei Dank, daß Jesus unseren Augen kein Bild vorführte von einem ohne das Schaf zurückkehrenden, kummererfüllten Hirten. Das Gleichnis spricht nicht von einem Mißlingen, sondern von Erfolg und großer Freude über die Wiedererlangung des Verlorenen. Darin liegt für uns die göttliche Versicherung, daß nicht eins der verirrten Schafe aus der Hürde Gottes übersehen, nicht eins ohne Hilfe gelassen wird. Einen jeden, der sich erlösen lassen will aus dem Abgrund der Verderbnis und von den Dornen der Sünde, wird Christus erretten. CGl 186 3 Verzweifelnde Seele, fasse Mut, obgleich du gottlos gehandelt hast. Denke nicht, daß Gott deine Übertretungen vielleicht vergeben und dir erlauben wird, in seine Gegenwart zu kommen. Gott hat den ersten Schritt getan. Während du in Empörung gegen ihn warst, ging er hinaus, um dich zu suchen. Mit dem liebenden Herzen des Hirten ließ er die neunundneunzig und ging in die Wüste, um zu suchen, was verloren war. Er umfaßt die zerschlagene und verwundete, dem Umkommen nahe Seele mit seinen Liebesarmen und trägt sie mit Freuden in die sichere Hürde. CGl 187 1 Die Juden lehrten, daß ein Sünder erst Buße tun müsse, ehe ihm die Liebe Gottes angeboten werde. Nach ihrer Ansicht war die Buße ein Werk, durch welches die Menschen sich die Gunst Gottes verdienten. Dieser Gedanke war es auch, der die Pharisäer veranlaßte, erstaunt und ärgerlich auszurufen: "Dieser nimmt die Sünder an!" Nach ihren Ansichten sollte er nur denen erlauben, sich ihm zu nahen, die Buße getan hatten. Aber im Gleichnis vom verlornen Schaf lehrt Christus, daß das Heil nicht dadurch erlangt wird, daß wir Gott suchen, sondern dadurch, daß Gott uns sucht. "Da ist nicht, der verständig sei; da ist nicht, der nach Gott frage; sie sind alle abgewichen." Römer 3,11.12. Wir tun nicht Buße, damit Gott uns lieben möge, sondern er offenbart uns seine Liebe, damit wir Buße tun möchten. CGl 187 2 Wenn das verirrte Schaf endlich heimgebracht ist, dann findet des Hirten Dankbarkeit Ausdruck in melodischen Freudengesängen. Er ruft seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: "Freuet euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war." So vereinigen sich auch, wenn ein verlorner Sünder vom großen Hirten der Schafe gefunden wird, Himmel und Erde in Danksagungen und Freudenbezeugungen. CGl 187 3 "Also wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen." Ihr Pharisäer, sagte Christus, betrachtet euch als Günstlinge des Himmels. Ihr glaubt euch sicher in eurer eigenen Gerechtigkeit. Wisset aber, daß, wenn ihr der Buße nicht bedürft, meine Mission nicht für euch ist. Diese armen Seelen, die ihre Armut und Sündhaftigkeit fühlen, sind gerade die, zu deren Rettung ich gekommen bin. Die Engel des Himmels nehmen Anteil an den Verlornen, die ihr verachtet. Ihr murrt und spöttelt, wenn eine dieser Seelen zu mir kommt, wisset aber, daß die Engel sich freuen und daß in den Himmelshallen dort droben Triumphlieder erschallen. CGl 187 4 Die Rabbiner hatten die Behauptung aufgestellt, daß Freude im Himmel sei, wenn jemand, der gegen Gott gesündigt hat, vernichtet werde; Jesus aber lehrte, daß das Zerstören ein unserem Gott fremdes Werk ist. Worüber der ganze Himmel sich freut, ist, wenn das Ebenbild Gottes in den von ihm geschaffenen Seelen wieder hergestellt wird. CGl 188 1 Wenn jemand, der lange Zeit ein Sündenleben geführt hat, sich wieder zu Gott wenden will, dann ist er dem Mißtrauen und Kritisieren ausgesetzt. Einige bezweifeln, daß seine Buße echt ist. Andere flüstern sich zu: Der hat keine Standhaftigkeit; ich glaube nicht, daß er aushalten wird. Solche Personen tun nicht das Werk Gottes, sondern das Werk Satans, welcher der Verkläger der Brüder ist. Durch das Kritisieren hofft der Böse, jene Seele zu entmutigen, ihr alle Hoffnung zu nehmen und sie noch weiter von Gott fortzutreiben. Möchte der bußfertige Sünder doch an die Freude denken, die im Himmel ist über die Rückkehr des einen, der verloren war! Möchte er doch ruhen in der Liebe Gottes und sich nicht entmutigen lassen durch das Mißtrauen und den Argwohn der Pharisäer. CGl 188 2 Die Rabbiner begriffen es, daß das Gleichnis Christi auf die Zöllner und Sünder Anwendung fand, aber es hatte noch eine weitere Bedeutung. Durch das verlorene Schaf stellte Christus nicht nur den einzelnen Sünder dar, sondern auch die eine Welt, die abgefallen und durch die Sünde verdorben worden ist. Diese Welt ist nur ein winziges Teilchen des großen Weltalls, über welches unser Gott herrscht; dennoch ist diese gefallene kleine Welt -- das eine verlorene Schaf -- in seinen Augen köstlicher geachtet, als die neunundneunzig, die sich nicht von der Hürde verirrt haben. Christus, der geliebte Befehlshaber in den himmlischen Höfen, stieg von seiner hohen Stellung herunter, legte die Herrlichkeit, die er bei dem Vater hatte, beiseite, um die eine verlorene Welt zu retten. Er verließ die sündenlosen Welten in der Höhe, die neunundneunzig, die ihn liebten, und kam auf diese Erde, um hier "um unserer Missetat willen verwundet, und um unserer Sünde willen zerschlagen" (Jesaja 53,5) zu werden. Gott gab sich selbst in seinem Sohne, damit er die Freude haben möchte, das Schaf, welches verloren war, zurück zu erhalten. CGl 189 1 "Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen." Und Christus sagt: "Gleichwie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt" -- um zu erstatten, "was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde." 1.Johannes 1,3. Eine jede Seele, die Christus gerettet hat, ist berufen, in seinem Namen zur Rettung der Verlorenen zu wirken. Dies Werk war in Israel vernachlässigt worden. Wird es nicht auch heute vernachlässigt von denen, die da bekennen, Christi Nachfolger zu sein? CGl 189 2 Wie viele der Verirrten hast du, lieber Leser, gesucht und zur Hürde zurückgebracht? Erkennst du, daß du, wenn du dich von solchen abwendest, die nichts Anziehendes haben und nicht viel zu versprechen scheinen, Seelen vernachlässigst, nach welchen Christus sucht? Gerade dann, wenn du dich von ihnen abwendest, mögen sie deines Mitleids am allerbedürftigsten sein. In jeder gottesdienstlichen Versammlung sind Seelen, die nach Ruhe und Frieden verlangen. Es mag den Anschein haben, als ob sie unbekümmert dahinleben, aber sie sind abgestumpft gegen den Einfluß des Heiligen Geistes. Viele von ihnen könnten für Christum gewonnen werden. CGl 189 3 Wenn das verlorene Schaf nicht zur Hürde zurückgebracht wird, so irrt es umher, bis es umkommt. So gehen auch viele Seelen ins Verderben, weil sich ihnen keine Hand entgegenstreckt, um sie zu retten. Diese Irrenden mögen verhärtet und gleichgültig zu sein scheinen, wenn sie aber dieselben Vorteile genossen hätten, die andere gehabt haben, so hätten sie vielleicht viel edlere Charakterzüge und größere Gaben zum Nützlichsein offenbart. Engel bemitleiden diese Irrenden. Engel weinen, während menschliche Augen trocken sind und menschliche Herzen sich dem Mitleid verschließen. CGl 189 4 O, welch ein Mangel an tiefem, die Seele berührendem Mitleid ist da! O, daß mehr vom Geiste Christi und weniger, viel weniger vom eigenen Ich da wäre! CGl 189 5 Die Pharisäer faßten das Gleichnis Christi als eine auf sie gemünzte Strafpredigt auf. Anstatt ihre Kritik über sein Tun und Treiben anzunehmen, hatte er ihre Vernachlässigung der Zöllner und Sünder getadelt. Er hatte dies nicht öffentlich getan, damit ihre Herzen gegen ihn nicht verschlossen würden, aber er veranschaulichte ihnen gerade dadurch das Werk, welches Gott von ihnen forderte und welches sie zu tun unterlassen hatten. Wären diese Leiter in Israel wahre Hirten gewesen, dann hätten sie das Amt eines Hirten treu verrichtet. Sie hätten die Barmherzigkeit und Liebe Christi bekundet und sich mit ihm in seiner Mission vereinigt. Ihre Weigerung, dies zu tun, hatte ihre Ansprüche auf Frömmigkeit als falsch erwiesen. Viele verwarfen den von Christo ausgesprochenen Tadel, doch einige wurden durch seine Worte überzeugt. Auf diese kam nach der Himmelfahrt Christi der Heilige Geist, und sie verbanden sich mit seinen Jüngern gerade in dem Werke, welches durch das Gleichnis vom verlorenen Schaf vorgeführt wurde. Der verlorene Groschen CGl 190 1 Nachdem Christus das Gleichnis vom verlorenen Schaf gegeben hatte, gab er noch ein anderes. Er sagte: "Welch Weib ist, die zehn Groschen hat, so sie der einen verliert, die nicht ein Licht anzünde, und kehre das Haus, und suche mit Fleiß, bis daß sie ihn finde?" CGl 190 2 Im Orient hatten die Häuser der Armen gewöhnlich nur ein Zimmer und dieses war oft ohne Fenster und daher dunkel. Das Zimmer wurde nur selten gekehrt, und ein auf den Boden fallendes Geldstück wurde leicht durch den Staub und Unrat verdeckt. Um es zu finden, mußte selbst zur Tageszeit ein Licht angezündet und das Haus gründlich gekehrt werden. CGl 190 3 Das Heiratsgut der Frau bestand gewöhnlich aus Geldstücken, die sie sorgfältig als ihren größten Schatz bewahrte, um ihn ihren Töchtern zu vererben. Der Verlust eines dieser Geldstücke wurde als ein ernstliches Unglück betrachtet, und das Wiederfinden desselben war die Ursache großer Freude, an welcher die Nachbarsfrauen sich gern beteiligten. CGl 190 4 "Und wenn sie ihn gefunden hat," sagte Christus, "rufet sie ihren Freundinnen und Nachbarinnen, und spricht: Freuet euch mit mir, denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte. Also auch, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut." CGl 191 1 Dieses Gleichnis gleich dem vorhergehenden, beschreibt den Verlust von etwas, das durch fleißiges Suchen wieder erlangt werden kann und dann große Freude verursacht. Aber die zwei Gleichnisse stellen zwei verschiedene Klassen dar. Das verlorene Schaf weiß, daß es verloren ist. Es hat die Herde verlassen und kann sich nicht selber retten. Es stellt diejenigen dar, welche erkennen, daß sie von Gott getrennt und von Schwierigkeiten, Demütigungen und schweren Versuchungen umgeben sind. Der verlorene Groschen dagegen stellt solche dar, die in Missetaten und Sünden tot und sich ihres Zustandes nicht bewußt sind. Sie sind von Gott entfremdet, aber sie wissen es nicht. Ihre Seelen sind in Gefahr, aber sie sind sich dessen nicht bewußt und daher ganz unbekümmert. In diesem Gleichnis lehrt Christus, daß Gott selbst solche, die sich gleichgültig gegen seine Ansprüche verhalten, bemitleidet und liebt. Man sollte sie aufsuchen, damit sie zu Gott zurückgebracht werden könnten. CGl 191 2 Das Schaf lief von der Hürde fort, es verirrte sich in der Wüste oder auf den Bergen. Der Groschen ging im Hause verloren. Er war ganz in der Nähe, konnte aber dennoch nur durch fleißiges Suchen gefunden werden. CGl 192 1 In dem Gleichnis liegt eine Lehre für Familien. Oft herrscht in einem Haushalt große Gleichgültigkeit mit Bezug auf das Seelenheil der verschiedenen Familienglieder. Es mag unter ihrer Zahl eins sein, das Gott entfremdet ist, und doch wie wenig Besorgnis wird in der Familie gehegt, damit nicht eins der ihr von Gott Anvertrauten verloren gehe. CGl 192 2 Der Groschen, selbst wenn er unter Staub und Unrat liegt, ist immer noch ein Stück Silber. Sein Eigentümer sucht ihn seines Wertes wegen. So ist auch eine jede Seele, gleichviel wie entartet sie durch die Sünde auch sein mag, in den Augen Gottes köstlich erachtet. Wie der Groschen das Bild und die Inschrift der regierenden Macht trägt, so trug der Mensch, als er geschaffen wurde, das Bild und die Inschrift Gottes; und obgleich die Seele jetzt durch den Einfluß der Sünde entstellt und unkenntlich geworden ist, sind dennoch die Spuren dieser Inschrift bei jeder einzelnen vorhanden. Gott wünscht diese Seele zu erretten und ihr sein eigenes Ebenbild in Gerechtigkeit und Heiligkeit neu aufzuprägen. CGl 192 3 Das Weib im Gleichnis sucht fleißig nach dem verlorenen Groschen. Sie zündet das Licht an und kehrt das Haus. Sie entfernt alles, was ihr beim Suchen hinderlich ist. Obgleich nur ein Groschen verloren ist, will sie doch ihre Anstrengungen nicht aufgeben, bis sie denselben gefunden hat. So sollen auch in der Familie, wenn ein Glied sich von Gott abgewandt hat, alle nur möglichen Mittel angewandt werden, um es wieder zurückzubringen. Alle anderen sollten eine ernste, sorgfältige Selbstprüfung vornehmen, ihre Lebensgewohnheiten untersuchen, und forschen, ob nicht irgend ein Fehler, ein Irrtum in denselben begangen ist, wodurch jene Seele in ihrer Unbußfertigkeit gestärkt wurde. CGl 193 1 Wenn in der Familie ein Kind ist, welches sich seines sündigen Zustandes nicht bewußt ist, so sollten die Eltern nicht ruhen. Zündet das Licht an! Durchforscht das Wort Gottes und laßt im Lichte desselbigen alles, was im Hause ist, aufs fleißigste durchsucht werden, um zu sehen, warum dies Kind verloren geht. Eltern sollten ihre eigenen Herzen erforschen und ihre Gewohnheiten und Gebräuche einer genauen Prüfung unterziehen. Kinder sind das Erbteil des Herrn, und wir müssen ihm Rechenschaft darüber ablegen, wie wir sein Eigentum verwalten. CGl 193 2 Es gibt Väter und Mütter, die darnach verlangen, in irgend einem auswärtigen Missionsfelde zu wirken; es gibt viele die außerhalb der Familie in christlichen Werken tätig sind, während ihre eigenen Kinder den Heiland und seine Liebe nicht kennen. Viele Eltern überlassen es dem Prediger oder Sabbatschullehrer, ihre Kinder für Christum zu gewinnen; aber indem sie das tun, vernachlässigen sie das ihnen von Gott auferlegte Amt. Die Erziehung und Heranbildung der Kinder zu Christen ist der höchste Dienst, den Eltern Gott leisten können. Es ist eine Aufgabe, welche geduldiges Wirken und lebenslängliches, fleißiges und andauerndes Streben erfordert. Durch Vernachlässigung dieser uns anvertrauten Aufgabe erweisen wir uns als ungetreue Haushalter, und Gott wird keine Entschuldigung für solche Vernachlässigung annehmen. CGl 193 3 Doch brauchen die, welche sich eine Vernachlässigung dieser Art haben zu schulden kommen lassen, nicht zu verzweifeln. Das Weib, dessen Groschen verloren war, suchte bis es ihn fand. So sollen auch die Eltern in Liebe, Glauben und Gebet für ihre Familien wirken, bis sie mit Freuden vor Gott kommen und sagen können: "Siehe, hier bin ich und die Kinder, die mir der Herr gegeben hat." Jesaja 8,18. CGl 193 4 Dies ist wahre Missionsarbeit im Familienkreise, und sie nützt denen, die sie tun, gerade soviel, als denen, für die sie geschieht. Durch treues Wirken im Familienkreise werden wir geschickt, für die Glieder der Familie Gottes zu wirken, mit denen wir, wenn wir Christo treu bleiben, die ganze Ewigkeit hindurch zusammen leben werden. Wir sollen für unsere Brüder und Schwestern in Christo dieselbe Teilnahme zeigen, wie wir als Glieder einer Familie für einander haben. CGl 194 1 Es ist der Plan Gottes, daß dies alles uns geschickt machen soll, für andere zu wirken. Indem unser Mitgefühl für andere wächst und unsere Liebe zunimmt, werden wir überall ein Werk zu tun finden. Gottes große menschliche Familie umfaßt die ganze Welt und keins ihrer Glieder soll vernachlässigt oder übergangen werden. CGl 194 2 Wo wir auch sein mögen, überall wartet der verlorene Groschen unseres Suchens. Suchen wir nach ihm? Tag für Tag treffen wir mit Menschen zusammen, die keinen Anteil an religiösen Dingen nehmen; wir sprechen mit ihnen, wir besuchen sie, zeigen wir aber ein Interesse an ihrem geistlichen Wohlergehen? Führen wir ihnen Christum als einen sündenvergebenden Heiland vor Augen? Erzählen wir ihnen von der Liebe Christi, indem unsere eigenen Herzen von dieser Liebe brennen? Wenn wir das nicht tun, wie sollen wir dann diesen Seelen -- verloren, auf ewig verloren -- entgegentreten, wenn wir mit ihnen vor dem Throne Gottes stehen? CGl 194 3 Wer kann den Wert einer Seele schätzen? Wenn du den Wert derselben erkennen willst, dann gehe nach Gethsemane und wache dort mit Christo in jenen Stunden des bitteren Seelenkampfes, da sein Schweiß wie große Blutstropfen floß. Blicke auf den am Kreuze erhöhten Heiland. Höre den Ruf der Verzweiflung: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Markus 15,34. Blicke auf das verwundete Haupt, die durchstochene Seite, die durchbohrten Füße. Bedenke, daß Christus alles daran setzte! Um unserer Erlösung willen wurde selbst der Himmel gefährdet. Wenn du am Fuße des Kreuzes bedenkst, daß Christus für nur einen Sünder sein Leben dahingegeben haben würde, dann kannst du den Wert einer Seele schätzen. CGl 194 4 Wenn du mit Christo in Verbindung stehst, wirst du ein jedes menschliche Wesen so schätzen, wie er es schätzt. Du wirst dieselbe tiefe Liebe für andere empfinden, die Christus für dich fühlte. Dann wirst du imstande sein, Seelen, für die er starb, zu gewinnen und nicht zu vertreiben, sie anzuziehen und nicht abzustoßen. Niemand wäre jemals zu Gott zurückgebracht worden, wenn Christus sich nicht persönlich um ihn bemüht hätte, und es ist wiederum durch persönliche Arbeit, daß wir Seelen retten können. Wenn du Menschen siehst, die dem Tode entgegengehen, wirst du nicht in Ruhe und Gleichgültigkeit müßig zusehen. Je größer ihre Sünde und je tiefer ihr Elend, desto ernster und liebevoller werden deine Bemühungen zu ihrer Rettung sein. Du wirst die Bedürfnisse derer, die da leiden, die gegen Gott gesündigt haben und von dem Gewicht ihrer Sündenschuld niedergedrückt sind, erkennen. Du wirst herzliches Mitleid mit ihnen haben und wirst ihnen eine hilfreiche Hand entgegenstrecken. In den Armen deines Glaubens und deiner Liebe wirst du sie zu Christo bringen; dann wirst du über sie wachen und sie ermutigen und dein Mitgefühl und Vertrauen werden sie stärken, daß sie nicht wieder zurückfallen. CGl 195 1 Alle Engel im Himmel stehen bereit, in dieser Arbeit mitzuwirken. Alle Hilfsquellen des Himmels stehen denen zu Gebote, welche die Verlorenen zu retten versuchen. Engel werden uns helfen, die Gleichgültigsten und Verhärtetsten zu erreichen und wenn eine Seele zu Gott zurückgebracht wird, dann freut sich der ganze Himmel. Seraphim und Cherubim greifen in ihre goldenen Harfen und bringen Gott und dem Lamme Loblieder dar für ihre, den Menschenkindern erwiesene Liebe und Gnade. ------------------------Kapitel 16 -- "Verloren und ist gefunden worden" CGl 196 1 Auf der Grundlage von Lukas 15,11-32. CGl 196 2 Die Gleichnisse vom verlorenen Schaf, vom verlorenen Groschen und vom verlorenen Sohn führen uns in deutlichen Zügen Gottes Mitleid und Liebe für diejenigen, die sich von ihm abgewandt haben, vor Augen. Obgleich sie ihn verlassen haben, verläßt er sie doch nicht in ihrem Elend. Er ist voll Liebe und zarten Mitleids für alle, die den Versuchungen des listigen Feindes ausgesetzt sind. CGl 196 3 Im Gleichnis vom verlorenen Sohn wird uns des Herrn Verfahrungsweise mit solchen dargestellt, die einmal des Vaters Liebe erkannt, aber dem Versucher gestattet haben, sie nach seinem Willen gefangen zu führen. CGl 196 4 "Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. Und er teilte ihnen das Gut. Und nicht lange darnach sammelte der jüngste Sohn alles zusammen, und zog ferne über Land." CGl 196 5 Der jüngere Sohn war der ihm im Vaterhause auferlegten Schranken überdrüssig geworden. Er glaubte, daß seine Freiheit beschränkt werde. Seines Vaters Liebe und Fürsorge wurden von ihm falsch gedeutet, und er beschloß, seinen eigenen Neigungen zu folgen. CGl 197 1 Dieser Jüngling fühlt keinerlei Verpflichtung seinem Vater gegenüber und zeigt ihm keine Dankbarkeit. Dennoch beansprucht er das Vorrecht eines Kindes, einen Teil des Besitztums seines Vaters. Er wünscht das ihm beim Todes seines Vaters zufallende Erbe jetzt zu erhalten. Er denkt nur an gegenwärtigen Genuß und bekümmert sich nicht um die Zukunft. CGl 197 2 Nachdem er seinen Anteil bekommen hat, verläßt er seines Vaters Haus und zieht "ferne über Land". Da er Geld die Fülle hat und tun kann, was ihm gefällt, so schmeichelt er sich mit dem Gedanken, daß sein Herzenswunsch jetzt erfüllt ist. Es gibt niemand, der sagt: Tue dies nicht, denn es wird dir schaden; oder: Tue das, weil es recht ist. Verderbte Kameraden helfen ihm, immer tiefer in Sünde zu geraten und er bringt "sein Gut um mit Prassen". CGl 197 3 Die Bibel sagt von gewissen Menschen: "Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden" (Römer 1,22), und dies ist auch die Erfahrung des jungen Mannes im Gleichnis. Den Reichtum, den er in selbstsüchtiger Weise von seinem Vater beansprucht hatte, verschwendete er mit Huren. Der Schatz seiner Manneskraft wird vergeudet. Die köstlichen Jahre des Lebens, die Verstandeskräfte, die glänzenden Erwartungen der Jugend, das geistige Emporstreben -- alles wird vom Feuer der Lust verzehrt. CGl 198 1 Es kommt eine große Teurung über das Land; er fängt an zu darben und hängt sich an einen Bürger des Landes, der ihn auf seinen Acker schickt, die Säue zu hüten. Für einen Juden war dies die gemeinste und erniedrigendste Beschäftigung. Der Jüngling, der sich seiner Freiheit gerühmt hatte, sieht sich jetzt als Sklave. Er ist in der allerschlimmsten Sklaverei -- "er wird mit dem Strick seiner Sünde gehalten." Sprüche 5,22. Der Flitter, der Tand, der ihn verlockte, ist verschwunden; er fühlt die Last seiner Kette. In jenem öden, von Hungersnot heimgesuchten Lande sitzt er auf dem kahlen Erdboden, nur die Schweine sind seine Gesellschafter, und in seinem Hunger begehrt er sich zu sättigen an den Trebern, womit die Schweine gefüttert wurden. Von all den lustigen Kameraden und Freunden, die sich in den Tagen seines Wohlstandes um ihn scharten und auf seine Kosten schwelgten, ist auch nicht ein einziger da, der ihn unterstützen möchte. Wo ist jetzt die beim Prassen empfundene Freude? Indem er sein Gewissen beschwichtigte und sein Gefühl betäubte, hielt er sich für glücklich; aber jetzt, ohne Vermögen, mit ungestilltem Hunger, mit gedemütigtem Stolze und sittlich heruntergekommen, ist sein Wille geschwächt und unzuverlässig und seine feineren und edleren Gefühle scheinen abgestorben; er ist der elendeste aller Sterblichen. CGl 199 1 Welch ein Bild wird hier von dem Zustande des Sünders entworfen! Umgeben von den Segnungen der göttlichen Liebe wünscht der auf Befriedigung des eigenen Ich und unrechte Vergnügungen bedachte Sünder nichts so sehr, als von Gott getrennt zu sein. Gleich dem undankbaren Sohn beansprucht er die guten Dinge Gottes als ihm rechtmäßigerweise zukommend. Er nimmt sie als eine ganz selbstverständliche Sache an, spricht keinen Dank dafür aus und leistet keinen Liebesdienst dafür. Wie Kain vom Angesicht des Herrn ausging, um ein Heim zu suchen, wie der verlorene Sohn "ferne über Land" zog, so suchen Sünder ihr Glück im Vergessen Gottes. Römer 1,28. CGl 199 2 Gleichviel was auch der Anschein sein mag, so ist doch ein jedes Leben, dessen Mittelpunkt das eigene Ich ist, ein vergeudetes. Wer es versucht, getrennt von Gott zu leben, verpraßt sein Gut. Er verschwendet die köstlichen Jahre, vergeudet die Kräfte des Verstandes, des Herzens und der Seele, und richtet sich für immer zugrunde. Ein Mensch, der sich von Gott trennt, um sich selbst zu dienen, wird zum Sklaven des Mammons. Die Seele, die Gott für die Gesellschaft von Engeln schuf, wird zu irdischem, tierischem Dienst herabgewürdigt. Das ist das Ende von dem Dienen des eigenen Ich. CGl 199 3 Wenn du ein solches Leben gewählt hast, so weißt du, daß du Geld darzählst für etwas, das nicht Brot ist, und Arbeit tust, von der du nicht satt werden kannst. Es kommen für dich Stunden, in denen du deine Entwürdigung erkennst. Allein, im fernen Lande, fühlst du dein Elend und rufst in Verzweiflung aus: "Ich elender Mensch! wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?" Römer 7,24. In den Worten des Propheten wird eine allgemeine Wahrheit ausgesprochen: "Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt, und hält Fleisch für seinen Arm, und mit seinem Herzen vom Herrn weicht. Der wird sein wie die Heide in der Wüste, und wird nicht sehen den zukünftigen Trost, sondern wird bleiben in der Dürre, in der Wüste, in einem unfruchtbaren Lande, da niemand wohnet." Jeremia 17,5.6. Gott "läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte" (Matthäus 5,45), aber es steht in der Menschen Macht, sich von Sonnenschein und Regen abzuschließen. So können auch wir, während die Sonne der Gerechtigkeit leuchtet und Ströme der Gnade reichlich frei für uns alle fließen, "sein wie die Heide in der Wüste", wenn wir uns von Gott trennen. CGl 200 1 Die Liebe Gottes sehnt sich immer noch nach dem, der sich von ihm getrennt hat, und läßt nichts unversucht, um ihn zum Vaterhause zurückzubringen. Der verlorene Sohn in seinem Elend schlug in sich. Die betörende Macht, die Satan über ihn ausgeübt hatte, war gebrochen. Er sah, daß sein Leiden die Folge seiner Torheit war und sprach: "Wieviel Taglöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen." So elend der verlorene Sohn auch war, fand er doch Hoffnung in der Überzeugung, daß sein Vater ihn liebe. Diese Liebe zog ihn heimwärts. So ist es auch die Versicherung der Liebe Gottes, die den Sünder bewegt, zu Gott zurückzukehren. "Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet?" Römer 2,4. Eine goldene Kette, die Gnade und das Mitleid göttlicher Liebe wird um eine jede gefährdete Seele gelegt. Der Herr sagt: "Ich habe dich je und je geliebet, darum hab ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte." Jeremia 31,3. CGl 200 2 Der Sohn entschließt sich, seine Schuld zu bekennen. Er will zu seinem Vater gehen und ihm sagen: "Ich sündigte gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen." (Parallelbibel). Eine wie sehr beschränkte Auffassung er aber noch von der Liebe seines Vaters hatte, zeigt sich, wenn er hinzufügt: "Mache mich als einen deiner Taglöhner." CGl 200 3 Der junge Mann wendet den Schweineherden und den Trebern den Rücken und richtet sein Angesicht heimwärts. Zitternd vor Schwäche und matt vor Hunger dringt er mühsam voran. Er kann seine Lumpen nicht verbergen, aber sein Elend hat seinen Stolz besiegt und er eilt weiter, um die Stellung eines Knechts zu erbitten, da, wo er einstmals ein Kind war. CGl 201 1 Als der frohe, unbekümmerte Jüngling sein Vaterhaus verließ, hatte er kein Verständnis von dem Schmerz und dem Sehnen, die in des Vaters Brust zurückblieben. Als er mit seinen wilden Genossen tanzte und praßte, dachte er nicht an den Schatten, der auf sein Vaterhaus gefallen war. Und jetzt, da er mit müden und schweren Schritten den Heimweg verfolgt, weiß er nicht, daß einer auf seine Rückkehr wartet. Aber "da er noch ferne" ist, erkennt der Vater seine Gestalt. Die Liebe hat ein gutes Auge. Selbst die durch jahrelanges Sündenleben verursachte Entartung kann den Sohn dem Vaterauge nicht verbergen. "Es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals" und hielt ihn lange und zärtlich umarmt. CGl 201 2 Der Vater will nicht, daß über seines Sohnes Elend und Lumpen gespottet werde. Er nimmt den weiten, kostbaren Mantel von seinen eigenen Schultern und hüllt des Sohnes abgezehrte Gestalt damit ein; der Jüngling aber schluchzt sein reumütiges Bekenntnis und sagt: "Vater, ich sündigte gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen." Der Vater hält ihn nahe an seiner Seite und bringt ihn heim. Es wird ihm gar keine Gelegenheit gegeben, um die Stellung eines Taglöhners zu bitten. Er ist der Sohn, der mit dem Besten, was das Vaterhaus zu bieten vermag, geehrt werden, dem von den aufwartenden Männern und Frauen Achtung gezollt, dem gedient werden soll. CGl 202 1 Der Vater sagte zu seinen Knechten: "Bringet das beste Kleid hervor und tut ihn an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße; und bringet ein gemästet Kalb her und schlachtet's; lasset uns essen und fröhlich sein; denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig worden; er war verloren und ist gefunden worden. Und fingen an, fröhlich zu sein." CGl 202 2 In seinen ruhelosen Jugendjahren hielt der verlorene Sohn seinen Vater für streng und hart. Wie so ganz anders ist aber jetzt seine Ansicht über ihn! So halten auch die von Satan Betörten Gott für hart und strenge. Sie betrachten ihn als einen, der sie beobachtet, um sie zu rügen und zu verdammen, der nicht willig ist, den Sünder anzunehmen, solange er noch irgend eine Entschuldigung finden kann, um ihm nicht zu helfen. Sein Gesetz betrachten sie als eine Beschränkung der Glückseligkeit der Menschen, ein drückendes Joch, dem sie gern entfliehen möchten. Ein Mensch aber, dessen Augen durch die Liebe Christi geöffnet sind, erkennt Gott als den, der voll Erbarmen ist. Ihm erscheint er nicht als ein tyrannisches und hartherziges Wesen, sondern als ein Vater, den darnach verlangt, seinen reumütigen Sohn zu umarmen. Der Sünder wird mit dem Psalmisten ausrufen: "Wie sich ein Vater über Kinder erbarmet, so erbarmet sich der Herr über die, so ihn fürchten." Psalm 103,13. CGl 202 3 Im Gleichnis wird dem verlorenen Sohn sein schlechter Lebenswandel nicht vorgeworfen. Der Sohn fühlt, daß das Vergangene vergeben und vergessen und auf ewig ausgelöscht ist. So sagt auch Gott zu dem Sünder: "Ich vertilge deine Missetaten wie eine Wolke, und deine Sünden wie den Nebel." Jesaja 44,22. "Ich will ihnen ihre Missetat vergeben, und ihrer Sünde nimmermehr gedenken." Jeremia 31,34. "Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter seine Gedanken, und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich sein erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung." "Zur selbigen Zeit und in denselbigen Tagen wird man die Missetat Israels suchen, spricht der Herr, aber es wird keine da sein, und die Sünden Judas, aber es wird keine gefunden werden." Jesaja 55,7; Jeremia 50,20. CGl 203 1 Welch eine Versicherung von der Willigkeit Gottes, den bußfertigen Sünder anzunehmen! Hast du, lieber Leser, deinen eigenen Weg gewählt? Hast du dich entfernt von Gott? Hast du versucht, dich an den Früchten der Übertretung zu ergötzen und hast gefunden, daß sie auf deinen Lippen zu Asche wurden? Und jetzt, da dein Gut verpraßt ist, deine Lebenspläne vereitelt, und deine Hoffnungen geschwunden sind, sitzest du einsam und verlassen da? Jetzt hörst du jene Stimme, die so lange zu deinem Herzen gesprochen hat, der du aber kein Gehör schenken wolltest, klar und deutlich sagen: "Darum macht euch auf! Ihr müsset davon, ihr sollt hier nicht bleiben; um ihrer Unreinigkeit willen müssen sie unsanft zerstört werden." Micha 2,10. Kehre zu deines Vaters Haus zurück. Er ladet dich ein und sagt: "Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich." Jesaja 44,22. CGl 203 2 Schenke der Einflüsterung des Feindes, von Christo fortzubleiben, bis du dich selbst besser gemacht hast, bis du gut genug bist, zu Gott zu kommen, kein Gehör. Wenn du bis dahin wartest, wirst du nie zu ihm kommen. Wenn Satan auf deine unreinen Gewänder hinweist, so wiederhole die Verheißung Jesu: "Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen." Johannes 6,37. Sage dem Feinde, daß das Blut Jesu Christi rein macht von aller Sünde. Bete mit David: "Entsündige mich mit Ysop, daß ich rein werde; wasche mich, daß ich schneeweiß werde." Psalm 51,9. CGl 204 1 Mache dich auf und gehe zu deinem Vater. Er wird dir entgegengehen, wenn du noch ferne bist. Wenn du auch nur einen Schritt nimmst, um dich ihm in Reue und Buße zu nähern, wird er zu dir eilen und dich mit Armen ewiger Liebe umfassen. Sein Ohr ist dem Schreien der bußfertigen Seele geöffnet. Das erste Sehnen des Herzens nach Gott ist ihm bekannt. Nie wird ein Gebet dargebracht, einerlei wie stammelnd, nie eine Träne vergossen, gleichviel wie verborgen, nie ein aufrichtiges Verlangen nach Gott genährt, wie schwach es auch sein möge, ohne daß der Geist Gottes es wahrnimmt und dem betreffenden Herzen entgegenkommt. Ja, ehe noch das Gebet gesprochen, oder das Sehnen des Herzens kundgegeben wird, unterstützt die Gnade Christi die Kraft, die an der menschlichen Seele wirkt. CGl 204 2 Dein himmlischer Vater wird die mit Sünden befleckten Gewänder von dir nehmen. In der herrlichen parabolischen Weissagung Sacharjas stellt der Hohepriester Josua, der in unreinen Gewändern vor dem Engel des Herrn steht, den Sünder dar. Und der Herr spricht das Wort: "Tut die unreinen Kleider von ihm! Und er sprach zu ihm: Siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen, und habe dich mit Feierkleidern angezogen ... Und sie setzten einen reinen Hut auf sein Haupt und zogen ihm Kleider an." Sacharja 3,4.5. So wird Gott dich mit "Kleidern des Heils" anziehen und dich bedecken mit "dem Rock der Gerechtigkeit". "Wenn ihr zwischen den Hürden laget, so glänzte es als der Taube Flügel, die wie Silber und Gold schimmern." Jesaja 61,10; Psalm 68,14. CGl 204 3 "Er wird dich in seinen Festsaal führen, und seine Liebe wird sein Panier über dir sein." Hohelied 2,4. "Wirst du in meinen Wegen wandeln," sagt er, so will ich "dir geben von diesen, die hier stehen, daß sie dich geleiten sollen" (Sacharja 3,7), -- nämlich von den heiligen Engeln, die seinen Thron umgeben. CGl 204 4 "Wie sich ein Bräutigam freuet über der Braut, so wird sich dein Gott über dir freuen." "Er wird sich über dich freuen und dir freundlich sein und vergeben, und wird über dir mit Schall fröhlich sein." Jesaja 62,5; Zephanja 3,17. Und Himmel und Erde werden sich mit des Vaters Freudengesang vereinen: "Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig worden; er war verloren und ist wieder gefunden." CGl 205 1 Bis so weit ist im Gleichnis des Heilandes kein Mißklang, um die Harmonie der Freudenszene zu stören; aber jetzt führt Christus ein anderes Element ein. Als der verlorene Sohn heimkam, war der älteste Sohn "auf dem Felde. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er das Gesänge und den Reigen; und rief zu sich der Knechte einen und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist kommen, und dein Vater hat ein gemästet Kalb geschlachtet, daß er ihn gesund wieder hat. Da wird er zornig und wollte nicht hineingehen." Dieser älteste Bruder hatte nicht teilgenommen an des Vaters Sorge um den einen, der verloren war. Er nimmt deshalb auch keinen Anteil an des Vaters Freude über die Rückkehr des Verirrten. Der Freudengesang erweckt keine Freude in seinem Herzen. Er fragt einen Knecht um den Grund der Festlichkeit, und die erhaltene Antwort erregt seine Eifersucht. Er will nicht hineingehen, um seinen verlorenen Bruder zu bewillkommnen. Die dem Verlorenen bezeigte Liebe und Güte betrachtet er als eine Beleidigung seiner selbst. CGl 205 2 Als der Vater hinauskommt, um mit ihm darüber zu sprechen, da werden der Stolz und die Bosheit seiner Natur so recht offenbar. CGl 205 3 Er betrachtet sein Leben im Vaterhause als eine Runde unbelohnten Dienstes und vergleicht dann in verächtlicher Weise damit die dem eben zurückgekehrten Sohne gewordene gute Aufnahme. Er macht sich klar, daß sein eigener Dienst eher der eines Knechts, als der eines Sohnes gewesen ist. Während er sich beständig hätte freuen sollen, bei seinem Vater zu sein, waren seine Gedanken auf den Vorteil gerichtet gewesen, der ihm durch sein behutsames Leben erwachsen könne. Seine Worte zeigen, daß er aus diesem Grunde den Freuden der Sünde entsagt hat. Wenn jetzt dieser Bruder an des Vaters Gaben teilnehmen soll, dann meint der älteste Sohn, geschehe ihm Unrecht. Er mißgönnt seinem Bruder die ihm gewordene freundliche Aufnahme. Er zeigt deutlich, daß, wenn er an des Vaters Stelle gewesen wäre, er den Verlorenen nicht aufgenommen haben würde. Er erkennt ihn nicht einmal als seinen Bruder an, sondern spricht in kalter Weise von ihm als "dein Sohn". CGl 206 1 Dennoch behandelt der Vater ihn liebevoll. "Mein Sohn," sagt er, "du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein." Ist es dir nicht in allen diesen Jahren, in denen dein Bruder ein elendes Leben geführt, vergönnt gewesen, bei mir zu sein? CGl 206 2 Alles, was zum Glück seiner Kinder beitragen konnte, wurde ihnen freudig gegeben. Der Sohn braucht nicht um eine Belohnung oder Gabe zu bitten. "Alles, was mein ist, das ist dein." Du brauchst nur meiner Liebe zu vertrauen und die Gaben anzunehmen, die so reichlich dargeboten werden. CGl 206 3 Der eine Sohn hatte sich eine Zeitlang von der Familie getrennt, weil er des Vaters Liebe nicht erkannte. Jetzt aber ist er zurückgekehrt, und vor der Flut der Freude weicht jeder störende Gedanke. "Dieser, dein Bruder war tot und ist wieder lebendig worden; er war verloren und ist wieder gefunden." CGl 207 1 Erkannte der älteste Bruder seine niederträchtige, undankbare Gesinnung? Begriff er, daß, obgleich sein Bruder gottlos gehandelt hatte, er dennoch sein Bruder war? Bereute er seine Eifersucht und seine Hartherzigkeit? Christus schwieg hierüber. Die hier dargestellte Handlungsweise wurde noch ausgeübt und seine Zuhörer konnten selbst vermuten, was das schließliche Ende sein würde. CGl 207 2 Durch den ältesten Sohn wurden die zur Zeit Christi lebenden unbußfertigen Juden dargestellt, sowie auch die Pharisäer eines jeden Zeitalters, welche mit Verachtung auf solche blicken, die ihnen als Zöllner und Sünder gelten. Weil sie selbst nicht in die tiefsten Laster gefallen sind, sind sie von Selbstgerechtigkeit erfüllt. Jesus traf diese Wortklauber auf ihrem eigenen Boden. Gleich dem ältesten Sohn im Gleichnis hatten sie besondere, ihnen von Gott gegebene Vorrechte genossen. Sie behaupteten, Söhne im Hause Gottes zu sein, aber sie hatten den Geist eines Mietlings. Sie arbeiteten nicht aus Liebe, sondern getrieben durch die Hoffnung auf Belohnung. In ihren Augen war Gott ein harter, strenger Meister. Sie sahen, wie Christus Zöllner und Sünder einlud, um die große Gabe seiner Gnade frei anzunehmen -- die Gabe, welche die Rabbiner sich durch harte Arbeit und Bußübungen zu sichern hofften -- und sie ärgerten sich. Die Rückkehr des verlorenen Sohnes, welche das Vaterherz mit Freude erfüllte, erweckte in ihnen Neid und Eifersucht. CGl 207 3 Die Vorstellungen, welche der Vater im Gleichnis dem ältesten Sohne machte, waren Gottes zärtliche Bitten an die Pharisäer. "Alles, was mein ist, das ist dein" -- nicht als Lohn, sondern als Gabe. Wie der verlorene Sohn, so könnt auch ihr dies nur als unverdientes Geschenk der väterlichen Liebe erhalten. CGl 207 4 Selbstgerechtigkeit verleitet die Menschen nicht nur dazu, Gott falsch darzustellen, sondern macht sie auch kaltherzig und tadelsüchtig gegen ihre Brüder. Der älteste Sohn war in seiner Selbstsucht und seinem Neide bereit, seinen Bruder zu beobachten, jede seiner Handlungen zu kritisieren und ihn wegen des geringsten Mangels zu verklagen. Er machte jeden Fehler ausfindig und stellte jede unrechte Handlung so groß wie möglich hin. In dieser Weise versuchte er seinen unversöhnlichen Geist zu rechtfertigen. Viele tun heute ganz dasselbe. Während die Seele ihre ersten Kämpfe gegen eine Flut von Versuchungen kämpft, stehen sie trotzig, eigenwillig, fehlerfindend und beschuldigend dabei. Sie mögen behaupten, Kinder Gottes zu sein, aber sie bekunden den Geist Satans in ihren Handlungen. Durch ihre Handlungsweise gegen ihre Brüder nehmen diese Beschuldiger eine Stellung ein, in welcher Gott das Licht seines Angesichts nicht über ihnen leuchten lassen kann. CGl 208 1 Viele fragen beständig: "Womit soll ich den Herrn versöhnen, mich bücken vor dem hohen Gott? Soll ich mit Brandopfern und jährigen Kälbern ihn versöhnen? Wird wohl der Herr Gefallen haben an viel tausend Widdern, an unzähligen Strömen Öls? ... Aber es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott." Micha 6,6-8. CGl 208 2 Dies ist der Dienst, den Gott erwählet hat: "Laß los, welche du mit Unrecht gebunden hast; laß ledig, welche du beschwerest; gib frei, welche du drängest; reiß weg allerlei Last; ... und entzeuch dich nicht von deinem Fleisch." Jesaja 58,6.7. CGl 208 3 Wer sich als Sünder erkennt, der nur durch die Liebe seines himmlischen Vaters gerettet ist, der wird auch Liebe und Mitleid für andere haben, die infolge der Sünde leiden; der wird dem Elend und der Reue nicht mit Eifersucht und Tadel entgegentreten. Wenn das Eis der Selbstsucht von unseren Herzen geschmolzen ist, dann werden wir in Harmonie mit Gott sein und werden mit ihm die Freude teilen über die Rettung Verlorener. CGl 208 4 Wohl behauptest du mit Recht ein Kind Gottes zu sein, aber wenn diese Behauptung wahr ist, dann ist der "dein Bruder", welcher "tot" war "und ist wieder lebendig worden"; welcher "verloren" war, "und ist wieder lebendig worden"; welcher "verloren" war "und ist wiedergefunden". Er ist durch die zartesten Bande mit dir verbunden, denn Gott erkennt ihn als seinen Sohn an. Verleugnest du aber deine Verwandtschaft mit ihm, dann zeigst du, daß du nur ein Mietling im Haushalte, aber nicht ein Kind in der Familie Gottes bist. CGl 209 1 Obgleich du dich der Begrüßung des Verlorenen nicht anschließen willst, wird doch der Freude kein Einhalt getan werden. Der Wiedergefundene wird seinen Platz an des Vaters Seite und in des Vaters Werk einnehmen. Wem viel vergeben ist, der liebt auch viel. Du aber wirst draußen in der Finsternis sein, denn "wer nicht liebhat, der kennet Gott nicht; denn Gott ist Liebe". 1.Johannes 4,8. ------------------------Kapitel 17 -- "Laß ihn noch dies Jahr" CGl 210 1 Auf der Grundlage von Lukas 13,1-9. CGl 210 2 Warnte Christus in seinen Lehren vor dem Gericht, so verband er damit die Einladung, seine Gnade anzunehmen. "Des Menschen Sohn ist nicht kommen," sagte er, "der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erhalten." "Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde." Lukas 9,56; Johannes 3,17. Seine gnadenvolle Mission in ihrer Beziehung zur Gerechtigkeit und zum Gericht wird durch das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum veranschaulicht. CGl 210 3 Christus hatte die Menschen darauf hingewiesen, daß das Reich Gottes kommen werde und er hatte ihre Unwissenheit und ihre Gleichgültigkeit scharf getadelt. Die Zeichen am Himmel, welche auf das Wetter schließen ließen, konnten sie mit Leichtigkeit erkennen, aber die Zeichen der Zeit, die so klar auf seine Mission hinwiesen, wurden nicht erkannt. CGl 210 4 Die Menschen waren damals ebenso geneigt, wie sie es jetzt sind, sich als von Gott begünstigt zu betrachten und zu glauben, daß die Botschaft des Tadels für andere sei. Die Zuhörer erzählten Jesu ein Vorkommnis, welches gerade große Aufregung verursacht hatte. Einige der von Pontius Pilatus, dem Landpfleger in Judäa, getroffenen Maßregeln hatten dem Volke Ärgernis gegeben. In Jerusalem war ein Volksaufstand gewesen und Pilatus hatte versucht, ihn durch Gewaltanwendungen zu unterdrücken. Bei einer Gelegenheit waren seine Soldaten sogar in die Tempelräume gedrungen und hatten einige galiläische Pilgrime, die gerade ihre Opfertiere schlachteten, niedergehauen. Die Juden betrachteten Trübsal als ein Gericht wegen der Sünden des Betroffenen und die, welche diese Gewalttat erzählten, taten es mit geheimer Befriedigung. Nach ihrer Ansicht wurde durch ihr glücklicheres Schicksal bewiesen, daß sie viel besser und deshalb Gott angenehmer seien, als diese Galiläer es waren. Sie erwarteten, daß Jesus diese Männer, die ohne Zweifel ihre Bestrafung reichlich verdient hatten, verdammen würde. CGl 211 1 Die Jünger Jesu wagten nicht, ihre Meinungen auszusprechen, bis sie die Ansicht ihres Meisters gehört hatten. Er hatte ihnen strenge Verweise gegeben, über die Charaktere anderer Menschen zu richten und die entsprechende Vergeltung mit ihrem beschränkten Verstande beurteilen zu wollen. Dennoch erwarteten sie, daß Christus diese Männer als solche bezeichnen werde, die vor allen anderen Sünder seien. Groß war daher ihre Überraschung über seine Antwort. CGl 211 2 Indem der Heiland sich zu der Menge wandte, sagte er: "Meinet ihr, daß diese Galiläer vor allen Galiläern Sünder gewesen sind, dieweil sie das erlitten haben? Ich sage: Nein; sondern so ihr euch nicht bessert, werdet ihr alle auch also umkommen." Diese erschreckenden Heimsuchungen sollten sie dahinbringen, daß sie ihre Herzen demütigten und ihre Sünden bereuten. Der Sturm der Rache, der bald über alle, die nicht in Christo Jesu Zuflucht gefunden hatten, losbrechen sollte, bereitete sich vor. CGl 211 3 Indem Jesus mit den Jüngern und der Volksmenge sprach, blickte er mit prophetischem Blick in die Zukunft und sah Jerusalem von Heerscharen belagert. Er hörte die fremden Heere gegen die erwählte Stadt heranmarschieren und sah die Tausende und Abertausende in der Belagerung umkommen. Viele der Juden wurden dann gleich den Galiläern in den Vorhöfen des Tempels erschlagen, während sie ihre Opfer darbrachten. Die Heimsuchungen, die über einzelne Personen gekommen waren, waren Warnungen Gottes an eine gleich schuldige Nation. "So ihr euch nicht bessert," sagte Jesus, "werdet ihr alle auch also umkommen." Eine kleine Zeit dauerte die Gnadenzeit noch für sie. Jetzt war noch Zeit, zu wissen, was zu ihrem Frieden diente. CGl 212 1 "Es hatte einer", fuhr er fort, "einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberge; und kam und suchte Frucht darauf, und fand sie nicht. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre kommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum, und finde sie nicht. Haue ihn ab! Was hindert er das Land?" CGl 212 2 Die Zuhörer Christi konnten die Anwendung seiner Worte nicht mißverstehen. David hatte von Israel als von einem aus Ägypten gebrachten Weinstock gesungen. Jesaja hatte geschrieben: "Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel, und die Männer Judas seine Pflanzung, daran er Lust hatte." Jesaja 5,7. Das Geschlecht, zu welchem der Heiland gekommen war, wurde durch den Feigenbaum im Weinberg des Herrn dargestellt -- im Bereich seiner besonderen Fürsorge und seines besonderen Segens. CGl 212 3 Gottes Absicht mit seinen Kindern und das herrliche Ziel vor ihnen war in folgenden Worten geschildert worden: "Daß sie genannt werden Bäume der Gerechtigkeit, Pflanzen des Herrn zum Preise." Jesaja 61,3. Der sterbende Jakob hatte unter der Eingebung des Geistes von seinem am meisten geliebten Sohne gesagt: "Joseph wird wachsen, er wird wachsen wie ein Baum an der Quelle, daß die Zweige emporsteigen über die Mauer." Ferner sagte er: "Von deines Vaters Gott ist dir geholfen, und von dem Allmächtigen wirst du gesegnet mit Segen oben vom Himmel herab, mit Segen von der Tiefe, die unten liegt." 1.Mose 49,22.25. So hatte Gott Israel als einen blühenden Weinstock an der Quelle des Lebens gepflanzt. Er hatte seinen "Weinberg an einem fetten Ort". Er hatte ihn "verzäunet und mit Steinhaufen verwahret und edle Reben drein gesenkt". CGl 213 1 "Und wartete, daß er Trauben brächte; aber er brachte Herlinge." Jesaja 5,1.2. Die zur Zeit Christi lebenden Menschen trugen ihre Frömmigkeit mehr zur Schau, als die Juden früherer Zeitalter es getan hatten; aber sie ermangelten der Gnadengaben des Geistes Gottes viel mehr als jene. Die köstlichen Charakterfrüchte, die Josephs Leben zu einem so wahrhaft edlen und schönen gestalteten, zeigten sich nicht im jüdischen Volke. CGl 213 2 Gott hatte durch seinen Sohn Frucht gesucht, aber keine gefunden. Israel hinderte nur das Land. Sein Dasein an sich war ein Fluch; denn es nahm im Weinberge einen Platz in Anspruch, auf dem ein fruchtbarer Baum hätte stehen können. Es beraubte die Welt der Segnungen, die Gott derselben zu geben beabsichtigte. Die Israeliten hatten Gott vor den Völkern falsch dargestellt. Sie waren nicht nur nutzlos, sondern ein entschiedenes Hindernis. Ihr religiöses Leben war in hohem Grade irreleitend und brachte Verderben, anstatt Heil und Seligkeit. CGl 213 3 Im Gleichnis widerspricht der Weingärtner nicht dem Urteil, daß der Baum, wenn er unfruchtbar bleibe, abgehauen werden sollte; aber er weiß wohl, welch ein Interesse der Eigentümer an dem unfruchtbaren Baum hat, er weiß, daß ihm nichts eine größere Freude bereiten könnte, als denselben wachsen und Frucht bringen zu sehen, und da er dieses Verlangen mit ihm teilt, so antwortet er dem Wunsche des Eigentümers entsprechend: "Herr, laß ihn noch dies Jahr, bis daß ich um ihn grabe und bedünge ihn, ob er wollte Frucht bringen." CGl 213 4 Der Gärtner weigert sich nicht an einer so wenig versprechenden Pflanze zu arbeiten; er ist bereit, ihr noch größere Sorge angedeihen zu lassen. Er will ihre Umgebung zu der allergünstigsten gestalten und ihr alle mögliche Aufmerksamkeit schenken. CGl 214 1 Der Eigner und der Gärtner des Weinberges sind eins in ihrem Interesse für den Feigenbaum. So waren auch der Vater und der Sohn eins in ihrer Liebe zu dem erwählten Volk. Christus sagte zu seinen Zuhörern, daß ihnen noch günstigere Gelegenheiten geboten werden sollten. Alle Mittel, welche die Liebe Gottes ersinnen könnte, würden angewandt werden, damit sie Bäume der Gerechtigkeit werden und zum Segen der Welt Frucht bringen möchten. CGl 214 2 Jesus sagte im Gleichnis nicht, was das Ergebnis der Arbeit des Gärtners war. Hier schnitt er seine Erzählung ab. Wie der Schluß sein würde, hing von denen ab, die seine Worte hörten. Ihnen wurde die ernste Warnung gegeben: "Wo nicht, so haue ihn ab." Es hing von ihnen ab, ob diese unwiderruflichen Worte gesprochen werden würden. Der Tag des Zorns war nahe. Durch die Heimsuchungen, die Israel schon befallen hatten, wies der Eigentümer des Weinbergs sie in gnadenvoller Weise hin auf die Vernichtung des unfruchtbaren Baumes. CGl 214 3 Diese Warnung tönt bis in unser Geschlecht hinein. Bist du, o gleichgültiges Herz, ein unfruchtbarer Baum in des Herrn Weinberg? Soll dieser Urteilsspruch dereinst auch dir gelten? Wie lange hast du seine Gnadengaben angenommen? Wie lange hat er darauf gewartet, daß du ihm seine Liebe erwiderst? Welche Vorrechte hast du doch, der du in seinem Weinberg gepflanzt und unter der Obhut des Gärtners bist! Wie oft hat die zärtliche Botschaft des Evangeliums dein Herz ergriffen! Du hast den Namen Christi angenommen, bist äußerlich ein Glied der Gemeinde, welche sein Leib ist und dennoch bist du dir keiner lebendigen Verbindung mit dem großen Herzen der Liebe bewußt. Der Strom seines Lebens fließt nicht für dich. Die süßen Gnadengaben seines Charakters, "die Früchte des Geistes", werden nicht in deinem Leben gesehen! CGl 214 4 Dem unfruchtbaren Baum wird der Regen und der Sonnenschein sowie auch die Fürsorge des Gärtners zuteil. Er zieht seine Nahrung aus der Erde, aber seine unfruchtbaren Zweige verdunkeln so den Boden, daß fruchtbringende Pflanzen in seinem Schatten nicht gedeihen können. So gereichen auch die dir von Gott so freigebig und reichlich mitgeteilten Gaben der Welt nicht zum Segen; du beraubst andere der Vorrechte, die sie, wäre es nicht deinetwegen, erhalten hätten. CGl 215 1 Du erkennst, obgleich vielleicht nur trübe, daß du nur eine Pflanze bist, die das Land hindert. Dennoch hat Gott in seiner großen Barmherzigkeit dich nicht abgehauen. Er blickt nicht kalt auf dich herab. Er wendet sich nicht in Gleichgültigkeit von dir ab, und überläßt dich nicht dem Verderben. Er ruft vielmehr auf dich blickend, wie er vor vielen Jahrhunderten über Israel rief: "Was soll ich aus dir machen, Ephraim? Soll ich dich schützen, Israel? ... Aber mein Herz ist anderen Sinnes, meine Barmherzigkeit ist zu brünstig, daß ich nicht tun will nach meinem grimmigen Zorn, noch mich kehren, Ephraim gar zu verderben. Denn ich bin Gott und nicht ein Mensch." Hosea 11,8.9. Der mitleidsvolle Heiland sagt betreffs deiner: "Laß ihn noch dies Jahr, bis daß ich um ihn grabe und bedünge ihn." CGl 216 1 Mit welcher unermüdlicher Liebe hat Christus dem Volke Israel während der für sie verlängerten Gnadenzeit gedient. Am Kreuze betete er: "Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun." Lukas 23,34. Nach seiner Himmelfahrt wurde das Evangelium zuerst in Jerusalem gepredigt. Dort wurde der Heilige Geist ausgegossen. Dort offenbarte die erste Evangeliumsgemeinde die Kraft des auferstandenen Heilandes. Dort legte Stephanus -- mit einem "Angesicht wie eines Engels Angesicht" (Apostelgeschichte 6,15) -- sein Zeugnis ab und gab sein Leben dahin. Alles, was Gott geben konnte, wurde dargereicht. "Was sollte man doch mehr tun an meinem Weinberge," sagte Christus, "das ich nicht getan habe an ihm?" Jesaja 5,4. So ist auch seine Sorge und Arbeit um dich durchaus nicht verringert, sondern noch erhöht und vermehrt. Immer noch sagt er: "Ich, der Herr, behüte ihn, und feuchte ihn bald, daß man seiner Blätter nicht vermisse; ich will ihn Tag und Nacht behüten." Jesaja 27,3. CGl 216 2 "Ob er wollte Frucht bringen; wo nicht, so" - CGl 216 3 Das Herz, welches dem göttlichen Ziehen und Rufen nicht Folge leistet, wird verhärtet, bis es den Einflüssen des Heiligen Geistes nicht mehr zugänglich ist. Dann wird das Wort gesprochen: "Haue ihn ab! Was hindert er das Land?" CGl 216 4 Heute ladet er dich noch ein: "Bekehre dich, Israel, zu dem Herrn, deinem Gottes; ... so will ich ihr Abtreten wieder heilen; gerne will ich sie lieben ... Ich will Israel wie ein Tau sein, daß er soll blühen wie eine Rose, und seine Wurzeln sollen ausschlagen wie der Libanon ... Und sie sollen wieder unter seinem Schatten sitzen; von Korn sollen sie sich nähren und blühen wie ein Weinstock ... An mir soll man deine Frucht finden." Hosea 14,2-9. ------------------------Kapitel 18 -- "Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune" CGl 217 1 Auf der Grundlage von Lukas 14,1.12-24. CGl 217 2 Bei einem Feste im Hause eines Pharisäers war der Heiland zu Gaste. Er ließ sich von den Reichen sowie auch von den Armen einladen und benutzte seiner Gewohnheit gemäß jede ihm dadurch gebotene Gelegenheit, um Heilswahrheiten vorzuführen. Bei den Juden waren alle nationalen und religiösen Freudentage mit einem festlichen Gastmahle verbunden. Dies war ihnen ein Vorbild der Segnungen des ewigen Lebens. Das große Festmahl, an welchem sie sich mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische setzen, während die Heiden draußen bleiben und mit sehnsüchtigen Augen zusehen würden, war ihr Lieblingsthema. Die Warnung und Lehre, welche Christus zu geben wünschte, veranschaulichte er dementsprechend durch das Gleichnis von einem großen Abendmahl. Die Juden wollten die Segnungen Gottes für das gegenwärtige sowohl, wie für das zukünftige Leben für sich allein beanspruchen. Sie stellten in Abrede, daß Gott auch den Heiden gnädig sei. Aber Christus zeigte ihnen durch das Gleichnis, daß sie selbst die gnadenvolle Einladung, den Ruf, in das Reich Gottes einzugehen, verwarfen. Er zeigte, daß die Einladung, welche sie gering schätzten, nun an die ergehen würde, welche sie verachteten -- an die, von denen sie sich zurückgezogen hatten, als ob sie Aussätzige seien, die man zu meiden habe. CGl 218 1 Der Pharisäer hatte bei der Auswahl der Gäste, die er zu seinem Feste einlud, sein eigenes, selbstsüchtiges Interesse zu Rate gezogen. Christus sagte ihm nun: "Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machest, so lade nicht deine Freunde, noch deine Brüder, noch deine Gefreundten (Verwandten), noch deine Nachbarn, die da reich sind, auf daß sie dich nicht etwa wieder laden, und dir vergolten werde. Sondern wenn du ein Mahl machest, so lade die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden, so bist du selig; denn sie haben's dir nicht zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden in der Auferstehung der Gerechten." CGl 218 2 Christus wiederholte hier die Unterweisung, die er dem Volke Israel durch Mose gegeben hatte. Bei ihren heiligen Festen sollten "der Fremdling und der Waise und die Witwe, die in deinem Tore sind," kommen und essen und sich sättigen. 5.Mose 14,29. CGl 218 3 Diese Zusammenkünfte sollten den Kindern Israel als Anschauungsunterricht dienen und wenn sie so die Freude wahrer Gastfreundschaft kennen gelernt hatten, sollten sie das ganze Jahr hindurch für die Armen und Bedürftigen sorgen. Aber diese Feste enthielten noch eine weitere Lehre. Die geistlichen Segnungen, die den Kindern Israel gegeben worden waren, waren nicht für sie allein; Gott hatte ihnen das Brot des Lebens gegeben, um es der Welt mitzuteilen. CGl 218 4 Diese Aufgabe hatten sie nicht erfüllt. Die Worte Christi waren daher ein Tadel ihrer Selbstsucht. Sie paßten den Pharisäern durchaus nicht. Hoffend, der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben rief einer von ihnen in scheinheiliger Weise: "Selig ist, der das Brot isset im Reich Gottes." Dieser Mann sprach mit großer Zuversicht, als ob er selbst eines Platzes im Himmelreiche gewiß sei. Seine Stellung war der Stellung derer ähnlich, die sich freuen, von Christo gerettet zu sein und doch den Bedingungen nicht nachkommen, auf welche hin die Seligkeit verheißen ist. Sein Geist war dem des Bileam gleich, als er betete: "Meine Seele müsse sterben des Todes der Gerechten, und mein Ende werde wie dieser Ende." 4.Mose 23,10. Der Pharisäer dachte nicht darüber nach, ob er auch für den Himmel geschickt sei, sondern freute sich nur auf das, was er im Himmel zu genießen hoffte. Er beabsichtigte durch seine Bemerkung, die Gedanken der beim Feste anwesenden Gäste von dem Thema ihrer praktischen Pflicht abzulenken und sie über dies gegenwärtige Leben hinaus auf die in der fernen Zukunft liegende Zeit der Auferstehung der Gerechten zu führen. CGl 219 1 Christus las das Herz dieses anmaßenden Menschen, und sein Augen auf ihn heftend, zeigte er der Gesellschaft den Charakter und den Wert ihrer gegenwärtigen Vorrechte. Er führte ihnen vor, daß sie jetzt, gerade jetzt etwas tun müßten, um an den Segnungen der Zukunft teilnehmen zu können. CGl 219 2 "Es war ein Mensch," sagte er, "der machte ein groß Abendmahl und lud viele dazu." Als die zum Feste anberaumte Zeit kam, sandte der Gastgeber seinen Knecht mit einer zweiten Botschaft an die Geladenen und ließ ihnen sagen: "Kommt, denn es ist alles bereit!" Doch alle legten eine seltsame Gleichgültigkeit an den Tag. "Sie fingen an alle nacheinander sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm. Ich habe einen Acker gekauft und muß hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der andere sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft, und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe ein Weib genommen, darum kann ich nicht kommen." CGl 219 3 Keiner der vorgebrachten Entschuldigen lag eine wirklich dringende Pflicht zugrunde. Der Mann, der hinausgehen mußte, um seinen Acker zu besehen, hatte ihn schon gekauft. Seine Eile hinzugehen und ihn zu besehen, war der Tatsache zuzuschreiben, daß sein ganzes Interesse dem Einkauf galt. Auch die Ochsen waren gekauft worden. Das Besehen derselben sollte nur ein Verlangen des Käufers befriedigen. Auch die dritte Entschuldigung hatte keinen triftigen Grund. Die Tatsache, daß der geladene Gast ein Weib genommen hatte, brauchte seine Gegenwart beim Feste nicht zu verhindern. Sein Weib wäre auch willkommen gewesen. Aber er hatte seine eigenen Pläne gelegt, um sich Freude zu machen und diese schienen ihm wünschenswerter, als dem Feste beizuwohnen, wie er versprochen hatte. Er hatte größere Freude an der Gesellschaft anderer als an der seines Gastgebers. Er bat nicht um Entschuldigung und war beim Geben seiner abschlägigen Antwort nicht einmal höflich. Das "darum kann ich nicht kommen" verschleierte nur die Wahrheit: es ist mir nichts daran gelegen. CGl 220 1 Alle diese Entschuldigungen verrieten, daß die Gedanken anderweitig beschäftigt waren, daß die geladenen Gäste von anderen Dingen vollkommen in Anspruch genommen wurden. Die von ihnen angenommene Einladung wurde beiseite gesetzt und der freigebige Freund durch ihre Gleichgültigkeit beleidigt. CGl 220 2 In dem großen Abendmahl zeigt uns Christus die durch das Evangelium angebotenen Segnungen, die nichts weniger sind, als Christus selbst. Er ist das Brot, das vom Himmel kommt, und von ihm fließen die Ströme des Heils. Die Boten des Herrn hatten den Juden das Kommen des Heilandes verkündigt. Sie hatten auf Christum hingewiesen, als auf "Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt". Johannes 1,29. In dem von Gott veranstalteten Fest bot er ihnen die größte Gabe an, die er geben kann -- eine Gabe, die alle Berechnung übersteigt. Die Liebe Gottes hatte das köstliche Festmahl bereitet und in demselben unerschöpfliche Gaben angeboten. "Wer von diesem Brot essen wird," sagte Christus, "der wird leben in Ewigkeit." Johannes 6,51. CGl 221 1 Um aber der Einladung zum Evangeliumsfeste Folge zu leisten, müssen alle weltlichen Interessen dem einen Zweck, Christum und seine Gerechtigkeit anzunehmen, untergeordnet werden. Gott gab alles für den Menschen und er verlangt von ihm seinen, das ist des Herrn Dienst, über alle irdischen und selbstsüchtigen Erwägungen zu stellen. Er kann kein geteiltes Herz annehmen. Ein Herz, das von irdischen Neigungen beherrscht wird, kann sich nicht Gott ergeben. Diese Lehre gilt für alle Zeit. Wir sollen dem Lamme Gottes folgen, wohin es geht. Seine Führung muß gewählt und seine Gemeinschaft mehr als die Gemeinschaft irgend welcher irdischen Freunde geschätzt werden. Christus sagt: "Wer Vater oder Mutter mehr liebet denn mich, der ist mein nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebet denn mich, der ist mein nicht wert." Matthäus 10,37. CGl 221 2 Zu Christi Zeiten wiederholten viele am Familientisch, wenn sie ihr tägliches Brot brachen, die Worte: "Selig ist, der das Brot isset im Reiche Gottes." Aber Christus zeigte, wie schwer es ist, Gäste für die Tafel zu finden, die unter so unendlich großen Kosten bereitet ist. Diejenigen, die seinen Worten lauschten, wußten, daß sie die gnadenvolle Einladung gering geschätzt hatten. Irdische Besitzungen, Reichtümer und Vergnügen beanspruchten ihre ganze Aufmerksamkeit. Alle nacheinander hatten sie sich entschuldigt. CGl 221 3 So ist es auch jetzt. Die Entschuldigungen, auf Grund derer die Einladungen zum Feste abgelehnt wurden, umfassen alle Entschuldigungen, die für die Ablehnung der Evangeliumseinladung vorgebracht werden. Die Menschen sagen, daß sie ihre weltlichen Aussichten nicht dadurch gefährden können, indem sie die Ansprüche des Evangeliums beachten. Sie halten ihre irdischen Interessen von größerem Wert als die Dinge der Ewigkeit. Gerade die Segnungen, die sie von Gott empfangen haben, werden ihnen zu Schranken, die ihre Seelen von ihrem Schöpfer und Erlöser scheiden. Sie wollen sich in ihrem weltlichen Streben nicht stören lassen und sagen deshalb zu dem Boten, der ihnen die gnadenvolle Einladung bringt: "Gehe hinauf diesmal; wenn ich gelegene Zeit habe, will ich dich her lassen rufen." Apostelgeschichte 24,25. Andere schützen die Schwierigkeiten vor, die im gesellschaftlichen Verkehr aufkommen würden, wenn sie dem Rufe Gottes Folge leisten wollten. Sie sagen, daß sie mit ihren Verwandten und Bekannten nicht uneins sein wollen und so bekunden sie, daß sie es gerade so machen, wie jene, welche im Gleichnis beschrieben sind. Der Festgeber betrachtet ihre nichtigen Entschuldigungen als eine Verachtung seiner Einladung. CGl 222 1 Der Mann, welcher sagte: "Ich habe ein Weib genommen, darum kann ich nicht kommen," stellte eine große Klasse dar. Es gibt viele, die sich durch ihre Frauen oder ihre Männer davon abhalten lassen, dem Rufe Gottes zu folgen. Der Ehemann sagt: Ich kann nicht nach meiner Überzeugung leben, während meine Frau so sehr dagegen ist; ihr Einfluß würde es außerordentlich schwer für mich machen. Die Frau hört den gnadenvollen Ruf: "Kommt, denn es ist alles bereit!" Aber sie sagt: Ich bitte dich, entschuldige mich; mein Mann schlägt die gnadenvolle Einladung ab; er sagt, sein Geschäft steht im Wege, und ich muß mit meinem Manne gehen und deshalb kann ich nicht kommen. Die Herzen der Kinder sind bewegt worden, sie möchten kommen, aber sie lieben ihren Vater und ihre Mutter, und da diese dem Rufe des Evangeliums nicht folgen, so glauben die Kinder, daß es von ihnen nicht erwartet werden kann, zu kommen. Auch sie sagen: entschuldige mich. CGl 222 2 Diese alle folgen dem Rufe des Heilandes nicht, weil sie fürchten, Zwiespalt in der Familie zu erregen. Sie meinen, daß sie, indem sie sich weigern, Gott zu gehorchen, den Frieden und das Glück der Familie sichern, aber dies ist eine Täuschung. Menschen, die Selbstsucht säen, werden Selbstsucht ernten. Indem sie die Liebe Christi verwerfen, verwerfen sie das, was einzig und allein der menschlichen Liebe Reinheit und Beständigkeit verleihen kann. Sie werden nicht nur des Himmels verlustig gehen, sondern werden auch hier den wahren Genuß an dem verfehlen, wofür der Himmel aufgegeben wurde. CGl 223 1 Im Gleichnis erfuhr der Gastgeber, wie seine Einladungen aufgenommen worden waren. "Da ward der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knechte: Gehe aus schnell auf die Straßen und Gassen der Stadt, und führe die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden herein." CGl 223 2 Der Gastgeber wandte sich ab von denen, die seine Güte verschmähten und lud eine Klasse ein, die nicht volles Genüge hatte, die keine Häuser und Ländereien besaß. Er lud solche ein, die arm und hungrig waren und das ihnen dargebotene Mahl schätzen würden. "Die Zöllner und Huren", sagte Christus, "mögen wohl eher ins Himmelreich kommen denn ihr." Matthäus 21,31. Wie elend auch jene Menschen sein mögen, von denen sich andere mit Verachtung abwenden, so sind sie doch nicht zu niedrig, nicht zu elend, um von Gott beachtet und geliebt zu werden. Es verlangt Christum darnach, daß die von Sorge und Kummer Niedergebeugten und Bedrückten zu ihm kommen möchten; er sehnt sich darnach, ihnen das Licht, die Freude und den Frieden zu geben, die nirgends sonst gefunden werden. Die ärgsten Sünder sind die Gegenstände seines tiefen Mitleids und seiner inbrünstigen Liebe. Er sendet seinen Heiligen Geist, ihnen in Liebe nachzugehen und zu versuchen, sie zu sich zu ziehen. CGl 224 1 Der Knecht, als er die Armen und Blinden hereingeführt hatte, berichtete seinem Meister: "Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knechte: Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune, und nötige sie, hereinzukommen, auf daß mein Haus voll werde." Hier wies Christus auf das Werk des Evangeliums außerhalb der Grenzen des Judaismus, an den Landstraßen und den Zäunen der Welt hin. CGl 224 2 Diesem Gebote gehorsam, erklärten Paulus und Barnabas den Juden: "Euch mußte zuerst das Wort Gottes gesagt werden; nun ihr es aber von euch stoßet und achtet euch selbst nicht wert des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden. Denn also hat uns der Herr geboten: Ich habe dich den Heiden zum Licht gesetzt, daß du das Heil seiest bis an das Ende der Erde. Da es aber die Heiden hörten, wurden sie froh, und priesen das Wort des Herrn, und wurden gläubig, wieviel ihrer zum ewigen Leben verordnet waren." Apostelgeschichte 13,46-48. CGl 224 3 Die von Christi Jüngern gepredigte Evangeliumsbotschaft kündigte sein erstes Kommen in die Welt an. Sie brachte den Menschen die frohe Botschaft vom Heil durch den Glauben an ihn. Sie wies hin auf seine Wiederkunft in Herrlichkeit, um die Seinen zu erlösen, und gab den Menschen, wenn sie glaubten und gehorchten, die Hoffnung, am Erbteil der Heiligen im Licht teilzunehmen. Diese Botschaft wird den Menschen auch heute gegeben und zwar ist sie mit der Ankündigung verbunden, daß die Wiederkunft Christi nahe ist. Die von Christo selbst angegebenen Zeichen von der Nähe seiner Wiederkunft haben stattgefunden und aus den Lehren des Wortes Gottes können wir wissen, daß der Herr vor der Tür ist. CGl 224 4 Johannes weissagt in der Offenbarung eine allgemeine Verkündigung der Evangeliumsbotschaft gerade vor der Wiederkunft Christi. Er sieht "einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewig Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden wohnen, und allen Heiden und Geschlechtern und Sprachen und Völkern, und sprach mit großer Stimme: Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre; denn die Zeit seines Gerichts ist kommen." Offenbarung 14,6.7. CGl 225 1 In der Prophezeiung folgt dieser Warnung und den mit ihr verbundenen Botschaften das Kommen des Menschensohnes in den Wolken des Himmels. Die Verkündigung des Gerichts ist eine Ankündigung der nahen Wiederkunft Christi, und diese Verkündigung wird das ewige Evangelium genannt. So ist also die Predigt von der Wiederkunft Christi und die Ankündigung ihrer Nähe ein wesentlicher Teil der Evangeliumsbotschaft. CGl 225 2 Die Bibel weissagt, daß die Menschen in den letzten Tagen ganz und gar von weltlichen Beschäftigungen, von Vergnügungen und dem Jagen nach dem Reichtum in Anspruch genommen sein werden. Sie werden gegen ewige Wahrheiten blind sein. CGl 225 3 Christus sagt: "Gleich aber wie es zu der Zeit Noahs war, also wird auch sein die Zukunft des Menschensohns. Denn gleich wie sie waren in den Tagen vor der Sintflut? Sie aßen, sie tranken, sie freiten und ließen sich freien, bis an den Tag, da Noah zu der Arche einging; und sie achteten's nicht, bis die Sintflut kam, und nahm sie alle dahin: also wird auch sein die Zukunft des Menschensohns." Matthäus 24,37-39. CGl 226 1 So ist es auch heute. Die Menschen stürzen vorwärts in der Jagd nach Gewinn und selbstsüchtiger Befriedigung, als ob es keinen Gott, keinen Himmel und kein zukünftiges Leben gäbe. In den Tagen Noahs wurde die Warnung vor der kommenden Flut gegeben, um die Menschen aus ihrer Gottlosigkeit aufzurütteln und sie zur Buße zu rufen. So soll auch die Botschaft von der baldigen Wiederkunft Christi die Menschen aus ihrem Vertieftsein in weltlichen Dingen aufwecken und soll sie zu einem Verständnis ewiger Wahrheiten bringen, damit sie der Einladung zum Abendmahl des Herrn Beachtung schenken. CGl 226 2 Die Evangeliumseinladung soll der ganzen Welt gegeben werden -- "allen Heiden und Geschlechtern und Sprachen und Völkern." Offenbarung 14,6. Die letzte Warnungs- und Gnadenbotschaft soll die ganze Erde mit ihrer Klarheit erleuchten. Sie soll alle Menschenklassen, reich und arm, hoch und niedrig, erreichen. "Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune," sagt Christus, "und nötige sie, hereinzukommen, auf daß mein Haus voll werde." CGl 226 3 Die Welt kommt um wegen Mangel am Evangelium. Es ist ein Hungern nach dem Worte Gottes da. Es gibt nur wenige, die das Wort, unverfälscht durch menschliche Überlieferungen, predigen. Obgleich die Menschen die Bibel in ihren Händen haben, empfangen sie doch nicht den Segen, den Gott für sie da hinein gelegt hat. Der Herr beruft seine Knechte, um dem Volke seine Botschaft zugehen zu lassen. Das Wort des ewigen Lebens muß solchen gegeben werden, die in ihren Sünden umkommen. CGl 226 4 In dem Gebot, auf die Landstraßen und an die Zäune zu gehen, führt Christus die Aufgabe aller derer vor, die er beruft, in seinem Namen zu wirken. Die ganze Welt ist das Arbeitsfeld für die Diener Christi. Die ganze menschliche Familie bildet ihre Zuhörerschaft. Der Herr wünscht, daß sein gnadenvolles Wort einer jeden Seele nahe gebracht werde. CGl 227 1 Dies muß in einem hohen Grade durch persönliches Wirken geschehen. Das war auch Christi Methode. Sein Wirken bestand zum größten Teil in persönlichen Unterredungen. Er wirkte treulich, wenn er auch nur eine Seele vor sich hatte. Durch eine solche Seele wurde die Botschaft oft Tausenden gebracht. CGl 227 2 Wir sollen nicht darauf warten, daß Seelen zu uns kommen; wir müssen sie aufsuchen, wo sie sind, Wenn das Wort vom Predigtstuhl verkündigt worden ist, dann hat die Arbeit erst begonnen. Es gibt Scharen von Menschen, die niemals durch das Evangelium erreicht werden, wenn es ihnen nicht persönlich gebracht wird. CGl 227 3 Die Einladung zum Feste wurde zuerst dem jüdischen Volke gegeben -- dem Volke, welches berufen war, als Lehrer und Leiter unter den Menschen dazustehen, dem Volke, in dessen Händen die prophetischen Schriften waren, die das Kommen Christi voraussagten, dem Volke, dem der sinnbildliche Gottesdienst, welcher auf Christi Mission hinwies, anvertraut worden war. Hätten Priester und Volk die Einladung beachtet, so würden sie sich mit den Boten Christi vereinigt haben, um der Welt die Evangeliumsbotschaft zu bringen. Die Wahrheit wurde ihnen gegeben, damit sie dieselbe anderen mitteilen möchten. Als sie sich jedoch weigerten, dem Rufe Folge zu leisten, da erging die Einladung an die Armen, die Krüppel, die Lahmen und die Blinden. Zöllner und Sünder erhielten die Einladung. Wenn der Ruf des Evangeliums an die Heiden ergeht, so wird nach demselben Plane gearbeitet. Die Botschaft soll zuerst auf die "Landstraßen" gehen -- an Menschen, die tätigen Anteil an der Arbeit für die Welt nehmen, an die Lehrer und Leiter des Volkes. CGl 227 4 Die Boten des Herrn müssen dies beachten. Es sollte den Hirten der Herde, den göttlich ernannten Lehrern, als ein Warnungsruf kommen. Die, welche den höheren Gesellschaftsständen angehören, sollten mit inbrünstiger Liebe und brüderlicher Achtung aufgesucht werden. Männer im Geschäftsleben, in hohen Vertrauensstellungen, Männer mit Erfindungsgabe und wissenschaftlicher Einsicht, Männer mit Talent, Lehrer des Evangeliums, deren Aufmerksamkeit noch nicht auf die besonderen Wahrheiten für diese Zeit gelenkt worden ist -- diese sollten die ersten sein, die den Ruf hören. Ihnen muß die Einladung gegeben werden. CGl 228 1 Für die Wohlhabenden muß etwas getan werden. Sie müssen dahin gebracht werden, daß sie ihre Verantwortlichkeit als solche, denen Himmelsgaben anvertraut worden sind, erkennen. Sie müssen daran erinnert werden, daß sie dem, der die Lebendigen und die Toten richten wird, Rechenschaft ablegen müssen. Der reiche Mann bedarf eurer Arbeit in der Liebe und in der Furcht Gottes. Nur zu oft vertraut er auf seine Reichtümer; er kennt seine Gefahr nicht. Die Augen seines Verständnisses sollten auf Dinge gerichtet werden, die dauernden Wert haben. Ihm tut es not, die Autorität der wahren Güte anzuerkennen, welche sagt: "Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." Matthäus 11,28-30. CGl 228 2 An solche, die infolge ihrer Bildung, ihres Reichtums, oder ihres Berufs eine hohe Stellung in der Welt einnehmen, wendet man sich selten persönlich, um mit ihnen über ihr Seelenheil zu sprechen. Viele christliche Arbeiter scheuen sich davor, sich diesen Klassen zu nähern. Aber das sollte nicht so sein. Wenn ein Mensch am Ertrinken wäre, so würden wir nicht ruhig dabei stehen und ihn umkommen lassen, weil er ein Rechtsanwalt, ein Kaufmann oder ein Richter ist. Würden wir sehen, wie Personen einem steilen Abhang zueilen, so würden wir nicht zögern, sie zurückzuhalten, ganz einerlei, was ihre Stellung oder ihr Beruf auch sein möchte. So sollten wir auch nicht zaudern, Menschen vor der Gefahr zu warnen, welche ihrer Seele droht. CGl 228 3 Keiner sollte vernachlässigt werden, weil sein Herz anscheinend an weltlichen Dingen hängt. Viele, die hohe gesellschaftliche Stellungen einnehmen, haben ein krankes Herz und sind des eitlen Treibens überdrüssig; sie sehnen sich nach einem Frieden, der ihnen fehlt. In den höchsten Gesellschaftsklassen gibt es Menschen, die hungern und dürsten nach der Seligkeit. Viele würden die Hilfe annehmen, wenn die Arbeiter des Herrn sich ihnen in freundlicher Weise mit einem von der Liebe Christi durchdrungenen Herzen nahen würden. CGl 229 1 Der Erfolg der Evangeliumsbotschaft hängt nicht von gelehrten Ansprachen, beredten Zeugnissen oder tiefen Beweisgründen ab. Er hängt davon ab, ob die Botschaft einfach und klar verkündigt wird und dem Verständnis der Seelen angepaßt ist, die nach dem Brot des Lebens hungern. "Was muß ich tun, daß ich selig werde?" -- das ist das Bedürfnis der Seele. CGl 230 1 Tausende können in der einfachsten und bescheidensten Weise erreicht werden. Die Verständigen, die als die begabtesten Männer und Frauen der Welt betrachtet werden, werden oft erquickt durch die einfachen Worte eines Menschen, der Gott liebt und von Gottes Liebe so natürlich sprechen kann, wie der Weltling von den Dingen, die ihn am meisten interessieren. CGl 230 2 Oft machen gut vorbereitete und einstudierte Worte wenig Eindruck. Aber die aufrichtige, ehrliche Äußerung eines Sohnes oder einer Tochter Gottes in natürlicher Einfachheit gesprochen, hat die Kraft, die Tür solcher Herzen zu entriegeln, die lange gegen Christum und seine Liebe verschlossen waren. CGl 230 3 Der Arbeiter für Christum sollte bedenken, daß er nicht in seiner eigenen Kraft sich abzumühen hat. Er muß sich an den Thron Gottes klammern, im festen Glauben, daß Gott die Kraft hat zu retten. Er muß im Gebet mit Gott ringen und dann mit allen ihm von Gott gegebenen Fähigkeiten ans Werk gehen. Der Heilige Geist gibt ihm die Tüchtigkeit. Dienende Engel werden an seiner Seite sein, um auf die Herzen einzuwirken. CGl 230 4 Was für ein Missionszentrum hätte Jerusalem sein können, wenn die Leiter und Lehrer dort die von Christo gebrachte Wahrheit angenommen hätten! Das abtrünnige Israel würde bekehrt worden sein. Eine große Schar wäre für den Herrn gesammelt und schnell hätte das Evangelium nach allen Teilen der Welt getragen werden können! So ist es auch jetzt. Wenn einflußreiche und fähige Personen für Christum gewonnen würden, dann könnte durch sie ein großes Werk getan werden, indem die Gefallenen aufgerichtet, die Ausgestoßenen wieder aufgenommen und die frohe Botschaft vom Heil weit und breit verkündigt werden könnte. Die Einladung könne schnell ergehen und die Gäste für des Herrn Tisch gesammelt werden. CGl 230 5 Doch sollen wir nicht nur an die großen und begabten Menschen denken und die ärmeren Klassen vernachlässigen. Christus gibt seinen Boten die Weisung, auch an die Zäune und Hecken, zu den Armen und Niedrigen der Erde zu gehen. In den Höfen und Gassen der großen Städte, an den einsamen Wegen auf dem Lande sind Familien und einzelne Personen -- vielleicht Fremdlinge in einem fremden Lande -- die keiner Gemeinde angehören und in ihrer Einsamkeit denken, daß Gott sie vergessen hat. Sie wissen nicht, was sie tun müssen, um selig zu werden. Viele sind in Sünde versunken; viele sind in Elend und Not. Sie werden von Leiden, Mangel, Unglauben und Verzweiflung niedergedrückt oder von Krankheiten aller Art an Leib und Seele heimgesucht. Sie sehnen sich nach Trost in ihrer Trübsal und Satan versucht sie, denselben in den Lüsten und Vergnügungen zu suchen, die zum Verderben und zum Tode führen. Er bietet ihnen Sodomsäpfel an, die auf ihren Lippen zu Asche werden. Sie zählen ihr Geld dar, für etwas, das kein Brot ist, und arbeiten für etwas, davon sie nicht satt werden können. CGl 231 1 In diesen Leidenden sollen wir Seelen sehen, zu deren Rettung Christus kam. Seine Einladung an sie ist: "Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser! Und die ihr nicht Geld habt, kommet her, kaufet und esset; kommt her und kauft ohne Geld und umsonst beide, Wein und Milch! ... Höret mir doch zu und esset das Gute, so wird eure Seele am Fetten ihre Lust haben. Neiget eure Ohren her und kommt her zu mir; höret, so wird eure Seele leben." Jesaja 55,1-3. CGl 231 2 Gott hat ein besonderes Gebot gegeben, daß wir den Fremdling, den Ausgestoßenen und die armen Seelen, die schwach an sittlicher Kraft sind, mit Liebe und Rücksicht behandeln sollen. Viele, die ganz und gar gleichgültig gegen religiöse Dinge zu sein scheinen, sehnen sich in ihrem Herzen nach Ruhe und Frieden. Obgleich sie in die tiefsten Tiefen der Sünde versunken sein mögen, ist es doch noch möglich, sie zu retten. CGl 231 3 Die Knechte Christi sollen seinem Beispiel folgen. Indem er von Ort zu Ort ging, tröstete er die Leidenden und heilte die Kranken. Dann führte er ihnen die großen Wahrheiten in bezug auf sein Reich vor. Dies ist auch die Aufgabe seiner Nachfolger. Indem ihr die Leiden des Körpers lindert, werdet ihr auch Mittel und Wege finden, den Bedürfnissen der Seele abzuhelfen. Ihr könnt auf den erhöhten Heiland hinweisen und von der Liebe des großen Arztes erzählen, der allein die Macht hat, Kranke wieder herzustellen. CGl 232 1 Sagt den armen Verzweifelnden, die in die Irre gegangen sind, daß sie nicht zu verzweifeln brauchen. Obgleich sie geirrt und nicht den rechten Charakter entwickelt haben, hat Gott doch Freude daran, sie wieder zurückzubringen und ihnen die Freude seines Heils zu geben. Er nimmt gern anscheinend hoffnungsloses Material -- Seelen, durch welche Satan gewirkt hat -- und macht es zum Gegenstand seiner Gnade. Er hat Freude daran, die Menschen von dem Zorn zu erlösen, der über die Ungehorsamen kommen wird. Sagt ihnen, daß es eine Reinigung, eine Heilung für jede Seele gibt. Da ist ein Platz für sie am Tische des Herrn, und er wartet darauf, sie willkommen zu heißen. CGl 232 2 Diejenigen, die hinausgehen an die Landstraßen und Zäune, werden noch ganz andere Charaktere finden, die ihrer Hilfe bedürfen. Es gibt Menschen, die im vollen Einklang mit dem Lichte leben, das sie haben und Gott nach bestem Wissen dienen. Dennoch erkennen sie, daß an ihnen selbst und auch an ihrer Umgebung noch ein großes Werk getan werden muß. Sie verlangen nach größerer Erkenntnis Gottes, obgleich sie nur erst begonnen haben, den Schimmer größeren Lichtes zu sehen. Sie beten unter Tränen, daß Gott ihnen den Segen geben möge, den sie im Glauben von ferne sehen. Inmitten der Gottlosigkeit der großen Städte sind viele dieser Seelen zu finden. Viele von ihnen leben in sehr beschränkten Verhältnissen und werden aus diesem Grunde von der Welt nicht beachtet. Es gibt viele, von denen Prediger und Gemeinden nichts wissen; dennoch sind sie an den niedrigen elenden Örtern des Herrn Zeugen. Sie mögen nur wenig Licht erhalten und wenige Gelegenheiten zur Erlangung christlicher Erziehung gehabt haben, aber inmitten von Blöße, Hunger und Kälte versuchen sie anderen zu dienen. Die Haushalter der mannigfaltigen Gnade Gottes sollten diese Seelen ausfindig machen, sie in ihren Häusern besuchen und durch die Kraft des Heiligen Geistes für ihre Bedürfnisse sorgen. Forscht in der Bibel mit ihnen und betet mit ihnen in der Einfachheit, die der Heilige Geist eingibt. Christus wird seinen Dienern eine Botschaft geben, die den Seelen wie Brot vom Himmel sein wird. Der köstliche Segen wird von Herz zu Herz und von Familie zu Familie gehen. CGl 233 1 Der im Gleichnis gegebene Auftrag: "Nötige sie, hereinzukommen," ist oft falsch gedeutet worden. Man hat daraus die Schlußfolgerung gezogen, daß wir die Menschen zur Annahme des Evangeliums zwingen sollten. Doch wird hiermit nur die Dringlichkeit der Einladung und die Wirksamkeit der vorgebrachten Gründe gezeigt. Das Evangelium wendet niemals Gewalt an, um Menschen zu Christo zu bringen. Seine Botschaft ist: "Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser!" "Der Geist und die Braut sprechen: Komm! ... und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst!" Jesaja 55,1; Offenbarung 22,17. CGl 233 2 Der Heiland sagt: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir." Offenbarung 3,20. Er läßt sich weder durch Hohn und Verachtung, noch durch Drohungen abweisen, sondern sucht beständig die Verlorenen und sagt: "Wie sollte ich dich hingeben?" Hosea 11,8 (EB). Obgleich seine Liebe von dem harten Herzen zurückgewiesen wird, kommt er doch wieder und bittet eindringlicher: "Siehe, ich stehe vor der Tür, und klopfe an." Die gewinnende Macht seiner Liebe nötigt die Seele, zu ihm zu kommen und sie sagt zu Christo: "Deine Güte erhob mich." Psalm 18,36. CGl 233 3 Christus will seinen Boten dieselbe verlangende Liebe einpflanzen, die er selbst beim Suchen der Verlorenen hat. Wir sollen nicht nur sagen: Komm! Es gibt Menschen, die den Ruf hören, aber ihre Ohren sind zu taub, um die Bedeutung desselben zu fassen. Ihre Augen sind zu blind, um das Gute, das für sie in Aussicht steht, zu sehen. Viele erkennen ihre große Verkommenheit. Sie sagen: Mir kann nicht mehr geholfen werden; laßt mich nur gehen. Aber die Arbeiter dürfen nicht davon abstehen. Nahet euch den Entmutigten und Hilflosen in herzlicher, mitleidsvoller Liebe. Gebt ihnen euren Mut, eure Hoffnung, eure Kraft. Nötigt sie durch eure Güte zu kommen. "Und haltet diesen Unterschied, daß ihr euch etlicher erbarmet, etliche aber mit Furcht selig machet und rücket sie aus dem Feuer." Judas 22-23. CGl 234 1 Wenn die Knechte Gottes im Glauben mit ihm wandeln, wird er ihrer Botschaft Kraft verleihen. Sie werden imstande sein, seine Liebe und die in Verwerfung der Gnade Gottes liegende Gefahr so zu schildern, daß die Menschen sich zur Annahme des Evangeliums gedrungen fühlen. Christus wird große Wunder verrichten, wenn die Menschen nur den ihnen von Gott aufgetragenen Teil tun wollen. Auch heute noch kann in menschlichen Herzen eine ebenso große Umbildung bewirkt werden wie sie jemals in vergangenen Geschlechtern bewirkt worden ist. John Bunyan, der früher fluchte und ein liederliches Leben führte, John Newton, der zuvor mit Sklaven handelte, beide wurden von dem allen frei und schließlich dahingebracht, einen erhöhten Heiland zu verkündigen. Ein Bunyan und ein Newton kann auch heute noch unter den Menschen erlöst werden. Durch menschliche Werkzeuge, die mit den göttlichen zusammenwirken, kann mancher Ausgestoßene wieder gewonnen werden, der dann seinerseits versuchen wird, das Ebenbild Gottes in dem Menschen wieder herzustellen. Auch solchen, die nur wenig Gelegenheiten hatten, und die auf verkehrten Pfaden gewandelt haben, weil sie von keinem besseren Wege wußten, werden Lichtstrahlen gebracht werden. Wie das Wort Christi: "Ich muß heute zu deinem Hause einkehren" (Lukas 19,5), an Zachäus erging, so wird es auch an sie ergehen und man wird finden, daß Menschen, die man für verhärtete Sünder hielt, Herzen haben, die so zart wie die der Kinder sind, weil Christus sich herabgelassen hat, ihnen Beachtung zu schenken. Viele werden aus den gröbsten Irrtümern und Sünden herauskommen und die Stelle solcher einnehmen, die mehr Gelegenheiten und größere Vorrechte hatten, aber sie nicht schätzten. Sie werden zu den Erwählten des Herrn gehören, die ihm teuer sind und wenn Christus in seinem Reiche kommen wird, werden sie seinem Throne am nächsten stehen. CGl 235 1 Aber "sehet zu, daß ihr euch des nicht weigert, der da redet." Hebräer 12,25. Jesus sagte: "Ich sage euch aber, daß der Männer keiner, die geladen sind, mein Abendmahl schmecken wird." Sie hatten die Einladung verworfen und keiner von ihnen sollte wieder eingeladen werden. Indem die Juden Christum verwarfen, verhärteten sie ihre Herzen und gaben sich in die Macht des Satans, so daß es ihnen unmöglich wurde, seine Gnade anzunehmen. So ist es auch jetzt. Wenn die Liebe Gottes nicht gewürdigt und nicht eine bleibende Grundkraft wird, welche die Seele weich macht und sie überwindet, so sind wir gänzlich verloren. Der Herr kann keine größere Offenbarung seiner Liebe geben, als er gegeben hat. Wenn die Liebe Jesu das Herz nicht beugt, dann gibt es kein anderes Mittel, durch welches wir erreicht werden können. CGl 235 2 Jedesmal, wenn du dich weigerst, der Gnadenbotschaft Gehör zu schenken, bestärkst du dich in deinem Unglauben. Jedesmal, wenn du es unterläßt, die Tür deines Herzens Christo zu öffnen, wirst du mehr abgeneigt werden, auf die Stimme dessen zu achten, der da redet. Du verringerst deine Aussicht, dem letzten Gnadenruf Gehör zu schenken. Laß nicht von dir geschrieben werden, wie von Israel vor alters: "Ephraim hat sich zu den Götzen gesellet; so laß ihn hinfahren." Hosea 4,17. Lasse Christum nicht über dich weinen, wie er über Jerusalem weinte, als er sage: "Wie oft habe ich wollen deine Kinder versammeln, wie eine Henne ihr Nest unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt. Sehet, euer Haus soll euch wüste gelassen werden." Lukas 13,34.35. CGl 235 3 Wir leben in der Zeit, in welcher die letzte Gnadenbotschaft, die letzte Einladung an die Menschen ergeht. Der Befehl: "Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune," wird bald ganz ausgeführt sein. Einer jeden Seele wird die Einladung Christi zugehen. Die Boten sagten: "Kommt, denn es ist alles bereit!" Himmlische Engel wirken immer noch mit menschlichen Werkzeugen zusammen. Der Heilige Geist lockt dich auf alle mögliche Art und Weise, damit du kommen möchtest. Christus wartet auf irgend ein Anzeichen, daß die Riegel entfernt sind und die Tür deines Herzens ihm offen steht. Engel warten darauf, die frohe Botschaft gen Himmel zu tragen, daß ein anderer verlorener Sünder gefunden ist. Die himmlischen Scharen warten und stehen bereit, in ihre Harfen zu greifen und einen Freudengesang anzustimmen, weil eine andere Seele die Einladung zum Evangeliumsfestmahl angenommen hat. Warnungen CGl 235 4 "Israel, du bringst dich ins Unglück; denn dein Heil steht allein bei mir." Hosea 13,9. ------------------------Kapitel 19 -- Das Maß der Vergebung CGl 241 1 Auf der Grundlage von Matthäus 18,21-35. CGl 241 2 Petrus war zu Christo gekommen mit der Frage: "Wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sündiget, vergeben? Ist's genug siebenmal?" Die Rabbiner beschränkten die Ausübung der Vergebung auf drei Vergehen. Petrus, in der Meinung die Lehren Christi zu befolgen, wollte diese Zahl auf sieben, die Zahl der Vollkommenheit ausdehnen. Aber Christus lehrte, daß wir niemals des Vergebens überdrüssig werden sollen. "Nicht siebenmal" sagte er, "Sondern siebenzigmal siebenmal." CGl 241 3 Dann zeigte er den wahren Grund, auf welchen hin Vergebung gewährt werden sollte, und die Gefahr, einen unversöhnlichen Geist zu nähren. In einem Gleichnis erzählte er von dem Verfahren eines Königs mit den Beamten, welche seine Regierungsgeschäfte besorgten. Einige dieser Beamten nahmen große, dem Staat gehörige Summen Geldes in Empfang. Als der König die Führung des ihnen anvertrauten Amtes untersuchte, fand er einen Mann, dessen Bericht zeigte, daß er seinem Herrn die große Summe von zehntausend Pfund schuldig war. Er hatte nichts, womit er dieselbe hätte bezahlen können, und dem Landesbrauche gemäß wollte der König ihn mit allem, was er hatte, verkaufen lassen, damit seine Schuld getilgt werden könne. Aber der erschrockene Mann fiel vor ihm nieder, flehte ihn an und sagte: "Habe Geduld mit mir, ich will dir's bezahlen! Da jammerte den Herrn desselbigen Knechts und ließ ihn los, und die Schuld erließ er ihm auch." CGl 243 1 "Da ging derselbige Knecht hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Groschen schuldig; und er griff ihn an und würgte ihn und sprach: Bezahle mir, was du mir schuldig bist! Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir, ich will dir's alles bezahlen! Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis daß er bezahlte, was er schuldig war. Da aber seine Mitknechte solches sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten vor ihren Herrn alles, das sich begeben hatte. Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du Schalksknecht, alle diese Schuld habe ich dir erlassen, dieweil du mich batest; solltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe? Und sein Herr ward zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis daß er bezahlte alles, was er ihm schuldig war." CGl 243 2 Dies Gleichnis führt uns Einzelheiten vor, die zur Darstellung des Bildes notwendig sind, die aber in seiner geistlichen Bedeutung kein Gegenstück finden. Die Aufmerksamkeit sollte deshalb auch nicht auf sie gelenkt werden. Das Gleichnis veranschaulicht gewisse große Wahrheiten und auf diese sollten wir unsere Gedanken richten. CGl 243 3 Die von diesem Könige gewährte Verzeihung veranschaulicht die göttliche Vergebung aller Sünde. Christus wird durch den König dargestellt, der, von Mitleid bewegt, seinem Knechte die Schuld erließ. Der Mensch war unter dem Fluch des übertretenen Gesetzes. Er konnte sich selbst nicht retten, und deshalb kam Christus auf diese Welt, bekleidete seine Gottheit mit der Menschheit und gab sein Leben dahin, der Gerechte für die Ungerechten. Er gab sich selbst für unsere Sünden, und bietet jetzt einer jeden Seele die durch sein Blut erkaufte Vergebung an. "Bei dem Herrn ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm." Psalm 130,7. CGl 243 4 Hier liegt der Grund, auf welchen hin wir Mitleid gegen unsere Mitsünder bekunden sollten. "Hat uns Gott also geliebet, so sollen wir uns auch untereinander lieben." "Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebet es auch." 1.Johannes 4,11; Matthäus 10,8. CGl 244 1 Als der Schuldner im Gleichnis um Aufschub bat, indem er sagte: "Herr, habe Geduld mit mir," und das Versprechen gab: "ich will dir's alles bezahlen," da wurde der Urteilsspruch aufgehoben. Die ganze Schuld wurde ihm erlassen; und es wurde ihm bald Gelegenheit gegeben, dem Beispiel seines Herrn, der ihm vergeben hatte, zu folgen. Als er hinausging, fand er einen Mitknecht, der ihm eine kleine Summe schuldete. Ihm waren zehntausend Pfund erlassen worden; sein Schuldner dagegen schuldete ihm nur hundert Groschen. Aber er, mit dem so barmherzig verfahren worden war, behandelte seinen Mitarbeiter in einer ganz anderen Weise. Sein Schuldner richtete eine ähnliche Bitte an ihn, wie die, welche er selbst an den König gerichtet hatte, erzielte aber kein ähnliches Ergebnis. Er, dem erst eben so viel vergeben wurde, war nicht weichherzig und liebevoll. Die ihm erwiesene Barmherzigkeit übte er nicht in der Behandlung seines Mitknechts. Er schenkte der Bitte um Geduld kein Gehör. Dieser undankbare Knecht dachte nur an die kleine Summe, die jener ihm schuldete. Er verlangte alles, was er als ihm zukommend ansah und ließ ein Urteil vollziehen, das jenem ähnlich war, welches zu seinen Gunsten so gnädiglich aufgehoben wurde. CGl 244 2 Wie viele bekunden heutzutage denselben Geist? Als der Schuldner seinen Herrn um Gnade bat, hatte er kein rechtes Verständnis von der Größe seiner Schuld. Er erkannte seine Hilflosigkeit nicht. Er hoffte, sich selbst zu erlösen. "Habe Geduld mit mir," sagte er, "ich will dir's bezahlen." So gibt es viele, welche durch ihre eigenen Werke Gottes Gnade zu verdienen hoffen. Sie erkennen ihre Hilflosigkeit nicht. Sie nehmen die Gnade Gottes nicht als eine freie Gabe an, sondern versuchen, sich durch ihre eigene Gerechtigkeit aufzubauen. Ihre Herzen sind nicht durch die Erkenntnis der Sünde gebrochen und gedemütigt, sie sind streng und unversöhnlich gegen andere. Ihre eigenen Sünden gegen Gott sind im Vergleich mit denen ihres Bruders gegen sie, wie zehntausend Pfund gegen hundert Groschen -- etwa wie eine Million sich zu Eins verhält -- aber dennoch wagen sie es, unversöhnlich und streng zu sein. CGl 245 1 Im Gleichnis ließ der Herr den unbarmherzigen Schuldner vor sich fordern und sprach zu ihm: "Du Schalksknecht, alle diese Schuld habe ich dir erlassen, dieweil du mich batest; solltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe? Und sein Herr ward zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis daß er bezahlte alles, was er ihm schuldig war." "Also," sagte Jesus, "wird euch mein himmlischer Vater auch tun, so ihr nicht vergebet von eurem Herzen, ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler." Ein Mensch, welcher sich weigert, zu vergeben, wirft dadurch seine eigene Hoffnung auf Vergebung fort. CGl 245 2 Aber die in diesem Gleichnis liegende Lehre sollte nicht falsch angewandt werden. Die uns von Gott zuteil werdende Vergebung verringert in keiner Weise unsere Pflicht, ihm zu gehorchen. So hebt auch der gegen unsere Mitmenschen bekundete Geist der Vergebung nicht die gerechten Verpflichtungen auf. In dem Gebet, welches Jesus seine Jünger lehrte, sagte er: "Vergib uns unsere Schulden, wie wir unsern Schuldigern vergeben." Matthäus 6,12. Er wollte hierdurch keineswegs sagen, daß wir, um die Vergebung unserer Sünden zu erlangen, das, was uns rechtmäßig gehört, von unsern Schuldnern nicht fordern dürfen. Wenn sie nicht bezahlen können, selbst wenn es die Folge unweiser Wirtschaft ist, sollen wir sie nicht ins Gefängnis werfen und bedrücken lassen oder sie auch nur hart behandeln; das Gleichnis lehrt uns aber nicht, die Trägheit zu ermutigen. Im Worte Gottes steht geschrieben: "So jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen." 2.Thessalonicher 3,10. Der Herr verlangt von dem schwer arbeitenden Menschen nicht, andere in ihrer Trägheit zu unterstützen. Viele geraten infolge von Zeitverschwendung oder Mangel an Strebsamkeit in Armut und Not. Wenn diese Fehler nicht abgelegt werden, so wird alles, was für solche Personen getan wird, doch nur so sein, als ob man einen Schatz in einen löcherigen Sack täte. Doch gibt es auch eine unvermeidliche Armut und wir sollen Liebe und Mitleid gegen Unglückliche bekunden. Wir sollen andere so behandeln, wie wir unter gleichen Umständen behandelt werden möchten. CGl 246 1 Der Heilige Geist legt uns durch den Apostel Paulus folgendes ans Herz: "Ist nun bei euch Ermahnung in Christo, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, so erfüllet meine Freude, daß ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einhellig seid, nichts tut durch Zank oder eitle Ehre, sondern durch Demut achte einer den andern höher denn sich selbst; und ein jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was des anderen ist. Ein jeglicher sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war." Philipper 2,1-5. CGl 246 2 Aber wir sollen es in keine Weise leicht mit der Sünde nehmen. Der Herr hat uns geboten, nicht zu dulden, daß unser Bruder unrecht tue. Er sagt: "So dein Bruder an dir sündiget, so strafe ihn." Lukas 17,3. Die Sünde soll bei ihrem rechten Namen genannt und dem, der sie begeht, klar vorgehalten werden. CGl 246 3 In seiner Mahnung an Timotheus sagt Paulus, durch Eingebung des Heiligen Geistes schreibend: "Predige das Wort, halte an, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit; strafe, dräue, ermahne mit aller Geduld und Lehre." Und an Titus schreibt er: "Es sind viel freche und unnütze Schwätzer und Verführer ... Strafe sie scharf, auf daß sie gesund seien im Glauben." 2.Timotheus 4,2; Titus 1,10-13. CGl 247 1 "Sündiget aber dein Bruder an dir," sagte Christus, "so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm allein. Höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Höret er dich nicht, so nimm noch einen oder zwei zu dir, auf daß alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen Munde. Höret er die nicht, so sage es der Gemeinde. Höret er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner." Matthäus 18,15-17. CGl 247 2 Unser Herr lehrt, daß, wenn sich Mißhelligkeiten zwischen Christen erheben, solche in der Gemeinde geschlichtet werden sollen. Sie sollten nicht vor Menschen gebracht werden, die Gott nicht fürchten. Wenn einem Christen von seinem Bruder unrecht getan wird, so sollte er sich nicht an Ungläubige in einem Gerichtshof wenden. Er sollte der von Christo gegebenen Unterweisung folgen. Anstatt zu versuchen, sich zu rächen, sollte er darnach trachten, seinen Bruder zu retten. Gott wird die Angelegenheiten derer schützen, die ihn lieben und fürchten, und wir können in voller Zuversicht unsere Fälle dem anheimstellen, der recht richtet. CGl 247 3 Nur zu oft glaubt der Geschädigte, wenn ihm wieder und wieder Unrecht zugefügt wird, selbst wenn der Betreffende seine Schuld bekennt, daß er doch jetzt genug vergeben habe. Aber der Heiland hat uns klar und deutlich gesagt, wie wir mit den Irrenden verfahren sollen: "So dein Bruder an dir sündiget, so strafe ihn; und so es ihn reuet, vergib ihm." Lukas 17,3. Stoße ihn nicht weg von dir und betrachte ihn nicht als deines Vertrauens unwürdig. "Siehe auf dich selbst, daß du nicht auch versuchet werdest." Galater 6,1. CGl 247 4 Wenn deine Brüder irren, so sollst du ihnen vergeben. Wenn sie zu dir kommen und bekennen, so sollst du nicht sagen: "Ich glaube nicht, daß sie demütig genug sind, ich glaube nicht, daß sie es mit ihrem Bekenntnis aufrichtig meinen." Was für ein Recht hast du, sie zu richten, als ob du das Herz lesen könntest? Das Wort Gottes sagt: "So es ihn reuet, vergib ihm. Und wenn er siebenmal des Tages an dir sündigen würde und siebenmal des Tages wiederkäme zu dir und spräche: Es reuet mich! so sollst du ihm vergeben." Lukas 17,3.4. Und nicht nur siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal -- gerade so oft wie Gott dir vergibt. CGl 248 1 Wir selbst schulden alles der freien Gnade Gottes. Die Gnade im Bunde Gottes macht uns zu Kindern Gottes. Die Gnade unseres Heilandes bewirkte unsere Erlösung, unsere Wiedergeburt und unsere Erhebung zu Miterben Christi. Laßt diese Gnade auch anderen kundgetan werden. CGl 248 2 Gebt dem Irrenden keinen Anlaß, entmutigt zu sein. Laßt keine pharisäische Härte aufkommen und eurem Bruder wehe tun. Nehmt euch in acht, damit nicht etwa ein bitteres Gefühl in eurem Herzen aufsteige. Laßt auch nicht eine Spur von Hohn durch eure Stimme bekundet werden. Es mag der Seele zum Verderben gereichen, wenn ihr ein Wort aus euch selbst sprecht, wenn ihr eine gleichgültige Stellung einnehmt, oder Mißtrauen oder Argwohn zeigt. Sie bedarf eines Bruders mit dem mitleidsvollen Herzen unseres älteren Bruders, um ihr menschliches Herz zu rühren. Laßt sie den festen Druck einer teilnehmenden Hand fühlen und die sanften Worte hören: Lass uns beten! Gott wird euch beiden eine herrliche Erfahrung geben. Das Gebet verbindet uns miteinander und mit Gott. Das Gebet bringt Jesum an unsere Seite und gibt der schwachen, durch Sorgen und Schwierigkeiten niedergedrückten Seele Kraft, die Welt, das Fleisch und den Teufel zu überwinden. Das Gebet wendet die Angriffe Satans ab. CGl 248 3 Wenn man sich von menschlicher Unvollkommenheit abwendet, um Jesum zu sehen, findet eine göttliche Umbildung des Charakters statt. Der auf das Herz einwirkende Geist Christi verwandelt es in sein Ebenbild. Laßt also euer Bestreben sein, Jesum zu erheben und das Glaubensauge auf "Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt" (Johannes 1,29), zu richten. Indem ihr das tut, bedenkt, "daß wer den Sünder bekehret hat von dem Irrtum seines Weges, der hat einer Seele vom Tode geholfen und wird bedecken die Menge der Sünden." Jakobus 5,20. CGl 248 4 "Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben." Matthäus 6,15. Nichts kann einen unversöhnlichen Geist rechtfertigen. Wer unbarmherzig gegen andere ist, zeigt dadurch, daß ihm selbst die vergebende Gnade Gottes nicht zuteil geworden ist. Durch Gottes Vergebung wird das Herz des Irrenden fest an das große Herz der ewigen Liebe gezogen. Die Flut göttlichen Erbarmens fließt in des Sünders Seele und von ihm zu den Seelen anderer. Die Liebe, die Barmherzigkeit, welche Christus in seinem köstlichen Leben offenbarte, wird auch in denen gesehen werden, die seiner Gnade teilhaftig geworden sind. "Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein." Römer 8,9. Er ist von Gott getrennt und wird auf ewig von ihm getrennt bleiben. CGl 249 1 Er mag vielleicht einmal Vergebung empfangen haben, aber seine Unbarmherzigkeit zeigt, daß er jetzt Gottes vergebende Liebe verwirft. Er hat sich von Gott getrennt und ist deshalb in demselben Zustande, in dem er war, ehe ihm vergeben wurde. Er hat seine Reue verleugnet und seine Sünden sind auf ihm, als ob er sie nie bereut hätte. CGl 249 2 Aber die in diesem Gleichnis enthaltene große Lehre liegt in dem Gegensatz des Erbarmens Gottes zu der Hartherzigkeit des Menschen -- in der Tatsache, daß Gottes vergebende Gnade für uns das Maß ist, wie wir vergeben sollen. "Solltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe?" CGl 249 3 Uns wird nicht vergeben, weil wir vergeben, sondern wie wir vergeben. Der Grund aller Vergebung liegt in der unverdienten Liebe Gottes; aber durch unsere Handlungsweise gegen andere zeigen wir, ob wir uns jene Liebe angeeignet haben. Deshalb sagt Christus: "Mit welcherlei Gerichte ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden." Matthäus 7,2. ------------------------Kapitel 20 -- Ein Gewinn, der Verlust ist CGl 250 1 Auf der Grundlage von Lukas 12,13-21. CGl 250 2 Christus lehrte; und wie gewöhnlich hatten sich außer seinen Jüngern auch noch andere um ihn geschart. Er hatte zu den Jüngern von den Begebenheiten gesprochen, an denen sie bald einen tätigen Anteil nehmen sollten. Sie sollten die ihnen anvertrauten Wahrheiten verbreiten und würden in Schwierigkeiten geraten mit den Herrschern dieser Welt. Um seinetwillen würden sie vor Obrigkeiten und Gewaltige geführt werden. Er hatte ihnen eine Weisheit verheißen, der niemand widersprechen konnte und durch seine Worte, welche die Herzen der Menge bewegten und seine verschmitzten Feinde in Verwirrung brachten, bezeugte er die Kraft jenes innewohnenden Geistes, welchen er seinen Nachfolgern verheißen hatte. CGl 250 3 Aber es waren viele dort, welche Gottes Gnade nur zu haben wünschten, um ihren selbstsüchtigen Zwecken zu dienen. Sie erkannten die wunderbare Kraft Christi an, wenn er die Wahrheit in einem so klaren Lichte vorführte. Sie hörten die Verheißungen, seinen Nachfolgern Weisheit zu verleihen, um vor Obrigkeiten und Gewaltigen reden zu können. Würde er seine Kraft nicht auch zu ihrem irdischen Nutzen verwenden? CGl 251 1 "Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, daß er mit mir das Erbe teile." Gott hatte durch Moses Anweisungen über das Erbrecht gegeben. Der älteste Sohn erhielt einen doppelten Anteil von allem Besitztum des Vaters (5.Mose 21,17), während die jüngeren Brüder gleiche Teile bekamen. Dieser Mann glaubt, daß sein Bruder ihn um sein Erbteil betrogen habe. Seine eigenen Bestrebungen, das zu erlangen, was ihm nach seiner Meinung gebührt, sind fruchtlos geblieben; wenn Christus sich für die Sache verwenden will, so wird er seine Absicht sicherlich erreichen. Er hat Christi anregende Aufforderungen und seine gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten erhobenen ernsten Androhungen gehört. Wenn seinem Bruder solche gebietende Worte gesagt würden, dann würde er es nicht wagen, ihm, dem beeinträchtigten Mann, seinen Anteil vorzuenthalten. CGl 251 2 Inmitten der von Christo gegebenen feierlichen Mahnungen offenbarte dieser Mann seine selbstsüchtige Gesinnung. Er kannte wohl die Fähigkeit des Herrn an, seine zeitlichen Angelegenheiten fördern zu können, aber geistliche Wahrheiten hatten keinen Eindruck auf sein Herz und Gemüt gemacht. Die Erlangung des Erbteils war der eine, seine Aufmerksamkeit völlig in Anspruch nehmende und alles andere in den Hintergrund stellende Gedanke. Jesus, der König der Herrlichkeit, der reich war, aber um unseretwillen arm wurde, eröffnete ihm die Schätze göttlicher Liebe. Der Heilige Geist wirkte an ihm und versuchte ihn dahin zu bringen, doch vor allem ein Erbe jenes "unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbes, das behalten wird im Himmel", zu werden. 1.Petrus 1,4. Er hatte den Beweis der Kraft Christi gesehen und hatte jetzt die Gelegenheit, zu dem großen Lehrer zu sprechen und ihm seinen innigsten Herzenswunsch auszudrücken. Aber wie der Mann mit dem Rechen in Bunyans Allegorie nach unten blickte, so waren auch seine Augen auf die Erde gerichtet. Er sah nicht die über seinem Haupte befindliche Krone. Wie Simon Magus, hielt auch er die Gabe Gottes für ein Mittel zur Erlangung irdischen Gewinnes. CGl 251 3 Des Heilandes Mission auf Erden näherte sich schnell ihrem Abschluss. Es blieben ihm nur noch wenige Monate, um das zu vollenden, wozu er gekommen war, nämlich das Reich seiner Gnade zu begründen; aber menschliche Habgier wollte ihn jetzt von seinem Werke abhalten, dadurch daß er den Streit über ein Stück Land entscheiden sollte. Jesus jedoch ließ sich nicht von seiner Mission abbringen. Seine Antwort war: "Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt?" CGl 252 1 Jesus könnte diesem Manne gesagt haben, was recht war. Er wußte, wer in diesem Fall recht hatte; aber diese Brüder waren im Streit, weil sie habsüchtig waren. Christus sagte deutlich: Es ist nicht meine Aufgabe, Streitfragen dieser Art zu schlichten. Er kam zu einem anderen Zwecke, nämlich das Evangelium zu predigen, und dadurch die Menschen für ewige Wirklichkeiten empfänglich zu machen. CGl 252 2 In der Art und Weise, wie Christus diesen Fall behandelte, liegt eine Lehre für alle, die in seinem Namen wirken. Als er die Zwölfe aussandte, sagte er: "Gehet aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeikommen. Machet die Kranken gesund, reiniget die Aussätzigen, wecket die Toten auf, treibet die Teufel aus. Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebet es auch." Matthäus 10,7.8. Sie sollten nicht die irdischen Angelegenheiten der Menschen schlichten; ihre Aufgabe bestand darin, die Menschen dahin zu bringen, sich mit Gott versöhnen zu lassen. Hierdurch konnten sie der Menschheit zum Segen gereichen. Das einzige Heilmittel gegen die Sünden und Leiden der Menschen ist Christus. Das Evangelium von seiner Gnade allein kann die Übel heilen, die der Fluch der menschlichen Gesellschaft sind. Die Ungerechtigkeit der Reichen gegen die Armen, und auch der Haß der Armen gegen die Reichen haben ihre Wurzel in der Selbstsucht; und diese kann nur durch Hingabe an Christum ausgerottet werden. Er allein kann an die Stelle des selbstsüchtigen, sündigen Herzens das neue, liebende Herz geben. Die Diener Christi sollten das Evangelium durch den vom Himmel gesandten Geist predigen und, wie Christus tat, zum Wohl der Menschen wirken. Dann werden sich solche Ergebnisse zeigen und die Menschen so gesegnet und erhoben werden, wie es durch menschliche Macht unmöglich erreicht und getan werden kann. CGl 253 1 Unser Herr berührte die Wurzel der Sache, die diesen Fragesteller beunruhigte, sowie aller ähnlichen Streitfragen, indem er sagte: "Sehet zu und hütet euch vor dem Geiz; denn niemand lebet davon, daß er viele Güter hat." CGl 254 2 "Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, des Feld hatte wohl getragen, Und er gedachte bei ihm selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nicht, da ich meine Früchte hinsammle. Und sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will drein sammeln alles, was mir gewachsen ist, und meine Güter; und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viel Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut. Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wes wird's sein, das du bereitet hast? Also gehet es, wer sich Schätze sammelt und ist nicht reich in Gott." CGl 254 1 Durch das Gleichnis vom törichten, reichen Menschen zeigte Christus die Torheit derer, welche einzig und allein für diese Welt leben. Dieser Mann hatte alles von Gott empfangen. Die Sonne hatte auf sein Land geschienen, denn ihre Strahlen fallen auf die Gerechten und die Ungerechten. Den Regen sendet Gott ebensowohl auf die Bösen als auch auf die Guten herab. Der Herr hatte den Pflanzen Gedeihen geschenkt und das Feld wohl tragen lassen. Der reiche Mann war in Verlegenheit und wußte nicht recht, was er mit seinem Getreide tun sollte. Seine Scheunen waren überfüllt und er hatte keinen Platz, wo er den übrigen Teil der Ernte hätte aufbewahren können. Er dachte nicht an Gott, dem er alle diese Gnadengaben zu verdanken hatte. Er erkannte nicht, daß Gott ihn zu einem Haushalter seiner Güter gemacht habe, damit er den Bedürftigen helfen möge. Er hatte eine herrliche Gelegenheit, Gottes Almosenpfleger zu sein, aber er war darauf bedacht, sich selbst gütlich zu tun. CGl 255 1 Die Lage des Armen, des Waisen, der Witwe, des Leidenden, des Betrübten war diesem reichen Manne nicht unbekannt; es gab viele Plätze, an denen er guten Gebrauch von seinen Gütern hätte machen können. Er hätte sich leicht eines Teils seines Überflusses entledigen können und viele Familien wären dadurch des Mangels enthoben, viele Hungrige gespeist, viele Nackte gekleidet, viele Herzen erfreut, viele Gebete um Brot und Kleidung erhört worden und Loblieder wären zum Himmel gestiegen. Der Herr hatte die Gebete der Bedürftigen gehört und mit seinen Gütern für die Armen gesorgt. Reichliche Vorkehrungen, um den Bedürfnissen vieler abzuhelfen, waren durch die Segnungen, die dem reichen Manne gegeben waren, getroffen worden, aber er verschloß sein Herz gegen das Rufen der Bedürftigen und sagte zu seinen Knechten: "Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will drein sammeln alles, was mir gewachsen ist, und meine Güter, und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viel Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut." CGl 255 2 Die Ziele dieses Mannes waren nicht höher, als die der Tiere, welche vergehen und umkommen. Er lebte, als ob es keinen Gott, keinen Himmel und kein zukünftiges Leben gäbe -- als ob alles, was er besaß sein Eigentum sei, und er weder Gott noch Menschen etwas schulde. Der Psalmist beschrieb diesen Menschen also: "Die Toren sprechen in ihrem Herzen: es ist kein Gott." Psalm 14,1. CGl 256 1 Dieser Mann hat für sich selbst gelebt und geplant. Er sieht jetzt, daß auch für die Zukunft reichlich vorhanden ist; es bleibt ihm nichts anderes zu tun übrig, als die Früchte seiner Arbeit zu bewahren und zu genießen. Er hält sich für begünstigt vor anderen Menschen und schreibt das seiner weisen Verwaltung zu. Er wird von seinen Mitbürgern als ein Mann von gesundem Urteil und als wohlhabender Bürger geehrt; "man preiset's wenn einer sich gütlich tut." Psalm 49,19. CGl 256 2 Aber "dieser Welt Weisheit ist Torheit bei Gott." 1.Korinther 3,19. Während der reiche Mann Jahren des Genusses und der Freude entgegensieht, hat der Herr ganz andere Pläne. An den ungetreuen Haushalter ergeht die Botschaft: "Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern." Hier ist eine Forderung, die durch Geld nicht befriedigt werden kann. Der von ihm aufgehäufte Schatz kann ihm keine Frist erkaufen. In einem Augenblick wird das, was er durch lebenslange Arbeit erzielt hat, für ihn wertlos. "Und wes wird's sein, das du bereitet hast?" Seine weiten Felder und gefüllten Kornhäuser werden seinem Besitz entrückt. "Sie sammeln und wissen nicht, wer es einnehmen wird." Psalm 39,7. CGl 256 3 Das einzige, das ihm jetzt von Wert sein würde, hat er sich nicht gesichert. Indem er für das eigene Ich lebte, hat er jene göttliche Liebe, die sich in Barmherzigkeit gegen seine Mitmenschen offenbart, verworfen. Dadurch hat er das Leben verworfen. Denn Gott ist Liebe, und Liebe ist Leben. Dieser Mann hat das Irdische dem Geistlichen vorgezogen und muß mit dem Irdischen dahinfahren. "Wenn ein Mensch in Ansehen ist und hat keinen Verstand, so fähret er davon wie ein Vieh." Psalm 49,21. CGl 256 4 "Also gehet es, wer sich Schätze sammelt und ist nicht reich in Gott." Das Bild ist ein treffendes für alle Zeit. Du magst Pläne zur Befriedigung deines selbstsüchtigen Strebens legen, du magst Schätze sammeln, du magst große und hohe Häuser bauen, wie der Erbauer des alten Babylon; aber du kannst keine so hohe Mauer, kein so starkes Tor bauen, daß die Boten des Verderbens dadurch ausgeschlossen werden können. Der König Belsazer machte ein herrlich Mahl mit seinen Gewaltigen und sie lobten "die silbernen, güldnen, ehernen, eisernen, hölzernen und steinernen Götter". Aber die Hand eines Unsichtbaren schrieb auf die Wand jene verhängnisvollen Worte, und das Herannahen feindlicher Truppen wurde an den Toren seines Palastes gehört. "In derselbigen Nacht ward der Chaldäer König Belsazer getötet" (Daniel 5,30), und ein fremder Monarch kam auf den Thron. CGl 257 1 Für sich selbst leben heißt vergehen. Der Geiz, das Verlangen, es dem eigenen Ich bequem zu machen, schneidet die Seele vom Leben ab. Der Geist Satans bekundet sich durch das Verlangen, etwas zu erhalten, etwas an sich zu ziehen; der Geist Christi jedoch bekundet sich im Geben und Aufopfern zum Besten anderer. "Und das ist das Zeugnis, daß uns Gott das ewige Leben hat gegeben; und solches Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht." 1.Johannes 5,11.12. CGl 257 2 Deshalb sagt er: "Sehet zu und hütet euch vor dem Geiz; denn niemand lebet davon, daß er viel Güter hat." ------------------------Kapitel 21 -- "Eine große Kluft befestiget" CGl 258 1 Auf der Grundlage von Lukas 16,19-31. CGl 258 2 Im Gleichnis von dem reichen Mann und dem armen Lazarus zeigt Christus, daß die Menschen in diesem Leben über ihr ewiges Schicksal entscheiden. Während der Prüfungszeit dieses kargen Erdenlebens wird Gottes Gnade einer jeden Seele angeboten; aber wenn die Menschen die ihnen gebotenen Gelegenheiten in ihrer Selbstbefriedigung vergeuden, dann schneiden sie sich vom ewigen Leben ab. Keine zweite Gnadenzeit wird ihnen gewährt werden. Durch ihre eigene Wahl haben sie eine unübersteigbare Kluft zwischen sich und Gott geschaffen. CGl 258 3 Dies Gleichnis legt den Unterschied klar zwischen den Reichen, die Gott nicht vertrauen, und den Armen, die ihr Vertrauen auf Gott setzen. Christus zeigt, daß die Zeit kommen wird, in welcher die Lage der zwei Klassen eine umgekehrte sein wird. Wer arm an Gütern dieser Welt ist, aber dennoch Gott vertraut und in seinem Leiden geduldig ist, wird eines Tages weit über diejenigen erhöht werden, die jetzt die höchsten Stellungen einnehmen, welche die Welt bieten kann, aber ihr Leben nicht Gott geweiht haben. CGl 258 4 "Es war aber ein reicher Mann," sagte Christus, "der kleidete sich mit Purpur und köstlicher Leinwand, und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber ein Armer, mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voller Schwären, und begehrte, sich zu sättigen von den Brosamen, die von des Reichen Tische fielen." CGl 259 1 Der reiche Mann gehörte nicht zu der Klasse, die durch den ungerechten Richter dargestellt wird, welcher offen erklärte, daß er Gott nicht fürchte und sich vor keinem Menschen scheue. Er behauptete, ein Sohn Abrahams zu sein; er mißhandelte den Bettler nicht und forderte auch nicht von ihm, daß er fortgehe, weil sein Anblick ihm unangenehm sei. Wenn dieser arme, ekelerregende Mensch dadurch getröstet werden könnte, daß er ihn anblickte, wenn er aus- und einging, so war der reiche Mann vollkommen willens, daß er da verbleibe. Aber seine Selbstsucht machte ihn gleichgültig gegen die Bedürfnisse seines leidenden Bruders. CGl 259 2 Es gab damals keine Hospitäler, in welchen die Kranken versorgt werden konnten. Leidende und Bedürftige wurden unter die Beachtung solcher gebracht, denen der Herr Güter anvertraut hatte, damit ihnen Hilfe und Teilnahme erwiesen werde. Dies war auch mit dem armen Mann der Fall. Lazarus war der Hilfe sehr bedürftig, denn er war ohne Freunde, ohne Heim, ohne Geld und ohne Nahrung. Er mußte Tag für Tag in diesem Zustande bleiben, während dem reichen Edelmann alle Bedürfnisse befriedigt wurden. Er, dem es doch leicht geworden wäre, die Leiden seines Mitmenschen zu lindern, lebte für sich selbst, wie es heutzutage so viele tun. CGl 259 3 In unserer allernächsten Umgebung gibt es auch heute viele, die hungrig, nackt und heimatlos sind. Wenn wir es vernachlässigen diesen Bedürftigen und Leidenden von unsern Mitteln mitzuteilen, so laden wir auf uns eine Schuld, für welche wir eines Tages Rechenschaft ablegen müssen. Aller Geiz ist als Abgötterei verdammt. Alle selbstsüchtige Befriedigung ist in Gottes Augen ein Verbrechen. CGl 259 4 Gott hatte den reichen Mann zu einem Haushalter seiner Güter gemacht und es war seine Pflicht, für solche Leute, wie gerade jener Arme war, zu sorgen. Der Herr hatte das Gebot gegeben: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem Vermögen," und "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." 5.Mose 6,5; 3.Mose 19,18. Der reiche Mann war ein Jude und als solcher mit dem Befehl Gottes bekannt. Aber er vergaß, daß er für die Verwendung der ihm anvertrauten Mittel und Fähigkeiten verantwortlich war. Der Herr hatte ihn reichlich gesegnet, aber er benutzte die Gaben in selbstsüchtiger Weise, um sich selbst zu ehren und nicht seinen Schöpfer. Nach dem Maße, wie der Herr ihn gesegnet hatte, lag auch die Verpflichtung auf ihm, seine Gaben zum Nutzen und Segen der Menschheit anzuwenden. Dies war des Herrn Gebot, aber der reiche Mann dachte gar nicht an seine Pflicht gegen Gott. Er lieh Geld aus und nahm Zinsen für das Ausgeliehene; aber er gab keine Zinsen für das, was Gott ihm geliehen hatte. Er besaß Kenntnisse und hatte Gaben, benutzte sie aber nicht. Seine Verantwortlichkeit gegen Gott vergessend, weihte er alle seine Kräfte der Selbstbefriedigung. Seine ganze Umgebung, die ganze Runde von Vergnügungen, die Lobeserhebungen und Schmeicheleien seiner Freunde erhöhten seine selbstsüchtige Freude. Die Gesellschaft seiner Freunde nahm ihn so sehr in Anspruch, daß er alles Verständnis für die ihm anvertraute Aufgabe, als Mitarbeiter Gottes den Leidenden zu dienen, verlor. Er hatte Gelegenheit gehabt, das Wort Gottes zu verstehen und dessen Lehren zu befolgen, aber die von ihm gewählte, vergnügungssüchtige Gesellschaft beschäftigte ihn so sehr, daß er des ewigen Gottes vergaß. CGl 260 1 Es kam die Zeit, in welcher eine Änderung in den Verhältnissen der zwei Männer eintrat. Der Arme hatte Tag für Tag gelitten, aber sein Leiden ruhig und geduldig ertragen. Er starb und wurde begraben. Niemand trauerte um ihn, aber durch seine im Leiden bewiesene Geduld hatte er für Christum gezeugt, hatte er die Prüfung seines Glaubens bestanden, und nach seinem Tode wird er uns dargestellt als von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. CGl 260 2 Lazarus stellt die an Christum glaubenden, leidenden Armen dar. Wenn die Posaune erschallt und alle, die in den Gräbern sind, die Stimme Christi hören und hervorkommen, werden sie ihre Belohnung erhalten, denn ihr Glaube an Gott war ihnen nicht nur eine Lehre, sondern eine Wirklichkeit. CGl 261 1 "Der Reiche aber starb auch und ward begraben. Als er nun in der Hölle und in der Qual war, hub er seine Augen auf und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich mein und sende Lazarus, daß er das Äußerste seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme." CGl 261 2 In diesem Gleichnis nahm Jesus Rücksicht auf eine unter dem Volke herrschende Ansicht. Viele der Zuhörer Christi hingen der Lehre von einem bewußten Zustande zwischen dem Tode und der Auferstehung an. Der Heiland war mit ihren Ansichten bekannt und kleidete deshalb sein Gleichnis so ein, daß es diesen Leuten vermittels ihrer vorgefaßten Ansichten wichtige Wahrheiten vorführen konnte. Er hielt seinen Zuhörern einen Spiegel vor, in dem sie sich in ihrem wahren Verhältnis zu Gott sehen konnten. Er benutzte die vorherrschende Ansicht, um den einen Gedanken, den er besonders hervorzuheben wünschte, klar zu machen -- daß nämlich kein Mensch nach seinen Besitztümern geschätzt wird, weil alles, was er hat, ihm nur vom Herrn geliehen ist. Der Mißbrauch dieser Gaben stellt ihn niedriger als den ärmsten und elendesten Menschen, der Gott liebt und ihm vertraut. CGl 261 3 Christus wollte es seinen Zuhörern verständlich machen, daß es den Menschen unmöglich ist, nach dem Tode ihr Seelenheil zu sichern. Das Gleichnis läßt Abraham antworten: "Gedenke, Sohn, daß du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, und Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun aber wird er getröstet, und du wirst gepeiniget. Und über das alles ist zwischen uns und euch eine große Kluft befestiget, daß, die da wollten von hinnen hinabfahren zu euch, könnten nicht, und auch nicht von dannen zu uns herüberfahren." Auf diese Weise zeigte Christus, wie hoffnungslos die Aussicht auf eine zweite Gnadenzeit ist. Dies Leben ist die einzige Zeit, die den Menschen gegeben wird, um sich für die Ewigkeit vorzubereiten. CGl 261 4 Der reiche Mann hatte den Gedanken nicht aufgegeben, ein Kind Abrahams zu sein und wird dargestellt, wie er in seiner Not ihn um Hilfe anruft. "Vater Abraham," bat er, "erbarme dich mein." Er richtete seine Bitte nicht an Gott, sondern an Abraham. Dadurch zeigte er, daß er Abraham über Gott stellte und durch sein Verhältnis zu Abraham selig zu werden glaubte. CGl 262 1 Der Schächer am Kreuz richtete seine Bitte an Christum. "Gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst" (Lukas 23,42), sagte er; und sofort kam die Antwort: Wahrlich, ich sage dir heute (da ich in Demütigung und Leiden am Kreuze hänge), du wirst mit mir im Paradiese sein. Aber der reiche Mann richtete seine Bitte an Abraham, und sie wurde nicht erhört. Christus allein ist "erhöhet zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden;" "und ist in keinem andern Heil." Apostelgeschichte 5,31; Apostelgeschichte 4,12. CGl 262 2 Der reiche Mann hatte sein ganzes Leben hindurch darnach getrachtet, sich selbst zu befriedigen und sah jetzt zu spät, daß er keine Vorkehrung für die Ewigkeit getroffen hatte. Er erkannte seine Torheit und dachte an seine Brüder, die fortfahren würden, ihren Lüsten zu leben, wie er es getan hatte. Deshalb stellte er die Forderung: "So bitte ich dich, Vater, daß du ihn (Lazarus) sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, daß er ihnen bezeuge, auf daß sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual." Aber "Abraham sprach zu ihm: Sie haben Mose und die Propheten; laß sie dieselbigen hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham; sondern, wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, ob jemand von den Toten aufstünde." CGl 262 3 Als der reiche Mann darum bat, seinen Brüdern noch weitere Beweise zugehen zu lassen, da wurde ihm klar gesagt, daß, selbst wenn dieser Beweis ihnen gegeben würde, sie doch nicht überzeugt werden würden. Seine Forderung belastete Gott. Es war, als ob der reiche Mann gesagt hätte: wenn du mich mehr und gründlicher gewarnt hättest, so würde ich jetzt nicht hier sein. Abraham wird dargestellt, als ob er in seiner Antwort auf diese Bitte sagte: Deine Brüder sind genügend gewarnt worden, es ist ihnen Licht gegeben worden, aber sie wollten nicht sehen; die Wahrheit ist ihnen gebracht worden, aber sie wollten nicht hören. CGl 263 1 "Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, ob jemand von den Toten aufstünde." Diese Worte haben sich in der Geschichte des jüdischen Volkes bewahrheitet. Das letzte Wunder Christi, wodurch er sozusagen allen von ihm verrichteten Wundern die Krone aufsetzte war die Auferweckung des Lazarus von Bethanien, der schon vier Tage tot gewesen war. Dieser wunderbare Beweis für die Gottheit des Heilandes wurde den Juden gegeben, aber sie verwarfen ihn. Lazarus stand von den Toten auf und legte sein Zeugnis vor ihnen ab; aber sie verhärteten ihre Herzen gegen allen und jeden Beweis und trachteten sogar darnach, ihn zu töten. Johannes 12,9-11. CGl 263 2 Das Gesetz und die Propheten sind die von Gott bestimmten Werkzeuge zur Rettung der Menschen. Christus sagte: Laßt sie diesen Beachtung schenken. Wenn sie auf die Stimme Gottes in seinem Worte nicht achteten, so würde das Zeugnis eines von den Toten auferstandenen Zeugen auch nicht beachtet werden. CGl 263 3 Die Menschen, die auf Moses und die Propheten achten und ihren Lehren folgen, werden nicht mehr Licht verlangen als Gott gegeben hat; aber die, welche das Licht verwerfen und die ihnen gegebenen Gelegenheiten nicht schätzen, werden auch nicht hören, wenn einer von den Toten mit einer Botschaft zu ihnen kommen würde. Sie würden selbst durch diesen Beweis nicht überzeugt werden; denn Menschen, welche das Gesetz und die Propheten verwerfen, verhärten ihre Herzen derart, daß sie alles Licht verwerfen. CGl 263 4 Die Unterhaltung zwischen Abraham und dem bei Lebzeiten so reichen Manne ist bildlich zu nehmen. Die daraus zu ziehende Lehre ist, daß einem jeden Menschen genügend Licht zur Erfüllung der von ihm geforderten Pflicht gegeben wird. Die Verantwortlichkeiten des Menschen stehen im Verhältnis zu seinen Gelegenheiten und Vorrechten. Gott gibt einem jeden genügend Licht und Gnade, das Werk zu verrichten, das er ihm zu tun gegeben hat. Wenn ein Mensch es versäumt, das, was ihm ein kleines Licht als Pflicht zeigt, zu tun, so würde ein größeres Licht nur Untreue und Nachlässigkeit im Ausnützen der erhaltenen Segnungen offenbaren. "Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten unrecht ist, der ist auch im Großen unrecht." Lukas 16,10. Die Menschen, die sich weigern, sich durch Moses und die Propheten erleuchten zu lassen, und um Verrichtung irgend eines Wunders bitten, würden nicht überzeugt werden, wenn ihr Wunsch erfüllt würde. CGl 264 1 Das Gleichnis von dem reichen Mann und dem armen Lazarus zeigt, wie die durch diese Männer dargestellten zwei Klassen in der ungesehenen Welt geschätzt werden. Es ist keine Sünde, reich zu sein, wenn der Reichtum nicht durch Ungerechtigkeit erlangt worden ist. Ein reicher Mann wird nicht verdammt, weil er Reichtümer hat; aber die Verdammnis kommt über ihn, wenn er die ihm anvertrauten Mittel in selbstsüchtiger Weise verausgabt. CGl 264 2 Weit besser wäre es, wenn er sein Geld neben dem Throne Gottes aufhäufen würde dadurch, daß er es benutzt, um Gutes zu tun. Der Tod kann keinen Menschen arm machen, der nach ewigen Reichtümern trachtet. Aber ein Mensch, der Schätze für sich selbst aufhäuft, kann nichts davon in den Himmel nehmen. Er hat sich als ein ungetreuer Haushalter erwiesen. Während seiner Lebenszeit hat er sein Gutes gehabt, aber er hat seine Pflicht gegen Gott vergessen und hat es vernachlässigt, sich den himmlischen Schatz zu sichern. CGl 264 3 Der reiche Mann, der so viele Vorrechte genossen hatte, wird uns dargestellt als einer, der seine Gaben hätte ausbilden sollen, so daß seine Werke bis ans Jenseits gereicht und vergrößerten geistlichen Gewinn mit sich gebracht hätten. Es ist der Zweck der Erlösung, nicht nur die Sünde auszurotten, sondern auch den Menschen jene geistlichen Gaben zurückzugeben, die er infolge der alles verkrüppelnden Macht der Sünde verloren hat. Geld kann nicht mitgenommen werden ins zukünftige Leben, es wird dort auch nicht gebraucht; aber die guten Taten, die geschehen sind, um Seelen für Christum zu gewinnen, gehen in die himmlischen Höfe. Wer des Herrn Gaben in selbstsüchtiger Weise für sich verwendet, seine bedürftigen Mitgeschöpfe ohne Hilfe läßt und nichts tut, um das Werk Gottes in der Welt zu fördern, entehrt seinen Schöpfer. Seinem Namen gegenüber in den Büchern des Himmels steht geschrieben: Beraubung Gottes. CGl 265 1 Der reiche Mann hatte alles, was durch Geld erlangt werden konnte; aber er besaß nicht die Reichtümer, die seine Rechnung mit Gott begleichen konnten. Er hatte gelebt, als ob alles, was er besaß, ihm gehöre. Er hatte den Ruf Gottes und die Ansprüche der leidenden Armen vernachlässigt. Aber zuletzt kommt ein Ruf, den er nicht vernachlässigen kann. Durch eine Macht, die er nicht in Frage stellen und der er nicht widerstehen kann, wird ihm geboten, die Güter, über welche er nicht länger Haushalter ist, zu verlassen. Der einstmals so reiche Mann gerät in hoffnungslose Armut. Das Kleid der Gerechtigkeit Christi, gewoben am himmlischen Webstuhl, kann ihn niemals bedecken. Er, der einstmals den reichsten Purpur und die feinste Leinwand trug, steht jetzt nackt und bloß da. Seine Gnadenzeit ist zu Ende. Er hat nichts in die Welt hineingebracht und kann auch nichts aus derselben herausnehmen. CGl 265 2 Christus hob den Vorhang und führte dieses Bild den Priestern und Obersten, Schriftgelehrten und Pharisäern vor Augen. Seht es euch an, ihr, die ihr reich seid an Gütern dieser Welt, aber nicht in Gott! Wollt ihr nicht über diese Szene nachdenken? Was unter den Menschen am höchsten geschätzt wird, ist in den Augen Gottes ein Greuel. Christus sagt: "Was hülfe es den Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele löse?" Markus 8,36.37. Die Anwendung auf das jüdische Volk CGl 265 3 Als Jesus das Gleichnis von dem reichen Mann und dem armen Lazarus gab, waren unter den Juden viele in dem bedauernswerten Zustand des reichen Mannes; sie benutzten des Herrn Güter zur Befriedigung selbstsüchtiger Gelüste und brachten dadurch den Urteilsspruch über sich: "Man hat dich in einer Waage gewogen und zu leicht gefunden." Daniel 5,27. Der reiche Mann war mit allen zeitlichen und geistlichen Segnungen überschüttet worden, aber er weigerte sich, in der Benutzung dieser Segnungen ein Mitarbeiter Gottes zu sein. So war es auch mit dem jüdischen Volke. Der Herr hatte die Juden zu Verwahrern seiner Wahrheiten gemacht. Er hatte sie zu Haushaltern seiner Gnade ernannt. Er hatte ihnen geistliche und zeitliche Vorzüge gegeben und sie berufen, diese Segnungen anderen mitzuteilen. Besondere Anweisungen waren ihnen betreffs der Behandlung ihrer verarmten Brüder und der Fremdlinge, die in ihren Toren waren, gegeben. Sie sollten nicht ihren ganzen Gewinn zu ihrem eigenen Vorteil benutzen, sondern auch der Bedürftigen gedenken und ihre Segnungen mit ihnen teilen. Gott hatte verheißen, sie ihrer Liebeswerke und Barmherzigkeit gemäß zu segnen. Aber dem reichen Manne gleich streckten sie keine helfende Hand aus, um den zeitlichen oder geistlichen Bedürfnissen der leidenden Menschheit abzuhelfen. Von Stolz erfüllt hielten sie sich für das erwählte und besonders begünstigte Volk Gottes; dennoch dienten sie Gott nicht und beteten ihn nicht an. Sie verließen sich auf die Tatsache, daß sie Kinder Abrahams waren. "Wir sind Abrahams Samen" (Johannes 8,33), sagten sie stolz. Als die Krisis kam, da wurde es offenbar, daß sie sich von Gott geschieden und ihr Vertrauen auf Abraham gesetzt hatten, als ob er Gott sei. Christus sehnte sich darnach, die verfinsterten Gemüter des jüdischen Volkes zu erleuchten. Er sagte ihnen: "Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so tätet ihr Abrahams Werke. Nun aber suchet ihr, mich zu töten, einen solchen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt habe, die ich von Gott gehört habe. Das hat Abraham nicht getan." Johannes 8,39.40. CGl 266 1 Christus sah in der Abstammung keine Tugend. Er lehrte, daß die geistliche Verbindung alle natürliche Verbindung ungültig mache. Die Juden behaupteten von Abraham abzustammen, aber, da sie es unterließen, die Werke Abrahams zu tun, bewiesen sie, daß sie nicht seine wahren Kinder waren. Nur diejenigen, welche sich geistlich in Harmonie mit Abraham erwiesen, indem sie der Stimme Gottes gehorchen, werden als wahre Nachkommen desselben angesehen. Obgleich der Arme zu der Klasse gehörte, die von den Manschen als niedrig stehend angesehen wird, erkannte Christus ihn doch als einen an, mit dem Abraham ein inniges Freundschaftsverhältnis anknüpfen würde. CGl 266 2 Obgleich der reiche Mann von aller Üppigkeit des Lebens umgeben war, war er doch so unwissend, daß er Abraham an die Stelle Gottes setzte. Wenn er seine erhabenen Vorrechte gewürdigt und dem Geiste Gottes zugelassen hätte, sein Gemüt und sein Herz umzubilden, so würde er eine ganz andere Stellung eingenommen haben. So war es auch mit dem Volk, welches er darstellte. Wenn die Juden dem göttlichen Rufe Folge geleistet hätten, so wäre ihre Zukunft eine ganz andere gewesen. Sie hätten eine wahre geistliche Unterscheidungsgabe bekundet. Gott würde ihre Mittel vervielfältigt haben, bis sie hinreichend gewesen wären, um die ganze Welt zu segnen und zu erleuchten. Aber sie waren so weit von den Anordnungen des Herrn abgewichen, daß ihr ganzes Leben ein verkehrtes geworden war. Sie unterließen es, ihre Gaben als Haushalter Gottes im Einklang mit Wahrheit und Gerechtigkeit zu benutzen. Sie ließen die Ewigkeit ganz und gar aus ihrer Rechnung, und ihre Untreue verursachte das Verderben des ganzen Volkes. CGl 267 1 Christus wußte, daß die Juden bei der Zerstörung Jerusalems an seine Warnung denken würden, und dies war auch der Fall. Als jene Heimsuchung über Jerusalem kam, als das Volk Hungersnot und Leiden aller Art durchzumachen hatte, da erinnerte es sich an die Worte Christi und verstand das Gleichnis. Es hatte seine Leiden über sich selbst gebracht, indem es vernachlässigte, das ihm von Gott gegebene Licht in die Welt hinausleuchten zu lassen. In den letzten Tagen CGl 267 2 Die Schlußszenen der Geschichte dieser Welt sind uns im Schluß der Geschichte des reichen Mannes vorgeführt. Der reiche Mann behauptete, ein Sohn Abrahams zu sein, wurde aber durch eine nicht zu überschreitende Kluft -- einem unrichtig entwickelten Charakter -- von Abraham geschieden. Abraham diente Gott und befolgte im Glauben und Gehorsam sein Wort. Aber der reiche Mann achtete weder auf Gott noch auf die Bedürfnisse der leidenden Menschheit. Die große zwischen ihm und Abraham befestigte Kluft war die Kluft des Ungehorsams. Es gibt auch heute viele, die so leben wie der reiche Mann. Obgleich Gemeindeglieder, sind sie doch unbekehrt. Sie nehmen wohl teil am Gottesdienst und singen den Psalm: "Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir" (Psalm 42,2), aber sie legen ein falsches Zeugnis ab. Sie sind ebensowenig gerecht in den Augen Gottes, wie der größte Sünder. CGl 268 1 Die Seele, welche nach aufregenden, weltlichen Vergnügungen verlangt, das Gemüt, welches Schaustellung und Gepränge liebt, kann Gott nicht dienen. Gleich dem reichen Mann im Gleichnis, hat auch ein solcher keine Neigung, gegen die Fleischeslust zu kämpfen. Ihn verlangt darnach, den Appetit zu befriedigen; er wählt die Atmosphäre der Sünde. Er wird plötzlich vom Tode dahingerafft und sinkt hinab ins Grab mit dem Charakter, den er während seiner Lebzeit im Verein mit satanischen Werkzeugen gebildet hat. Im Grabe hat er keine Macht, irgend etwas zu wählen, sei es gut oder böse; denn wenn ein Mensch stirbt, "sind verloren alle seine Anschläge." Psalm 146,4. CGl 268 2 Wenn die Stimme Gottes solchen Toten auferweckt, wird er mit denselben Lüsten und Leidenschaften, denselben Neigungen und Abneigungen, die er nährte als er lebte, aus dem Grabe hervorkommen. Gott tut kein Wunder, um einen Menschen neu zu schaffen, der sich nicht neu schaffen lassen wollte, als ihm alle Gelegenheit dazu geboten wurde und alle Vorkehrungen getroffen waren, es ihm leicht zu machen. Er fand während seiner Lebzeit keine Freude an Gott und keinen Gefallen an seinem Dienst. Sein Charakter ist nicht in Harmonie mit Gott, und er könnte in der himmlischen Familie nicht glücklich sein. CGl 268 3 Es gibt auch heute in der Welt eine Klasse von Menschen, die selbstgerecht sind. Sie sind keine Schlemmer und Prasser, sie sind keine Trunkenbolde, keine Ungläubigen, aber sie wünschen, für sich selbst zu leben und nicht für Gott. Sie haben ihn nicht in ihren Gedanken und in ihrem Sinn, deshalb werden sie zu den Ungläubigen gerechnet. Wenn es ihnen möglich wäre, durch die Tore in die Stadt Gottes einzugehen, dann könnten sie kein Anrecht auf den Baum des Lebens haben; denn als ihnen die Gebote Gottes mit ihren bindenden Ansprüchen vorgelegt wurden, sagten sie: Nein! Sie haben Gott hier auf Erden nicht gedient; darum würden sie ihm auch hernach nicht dienen. Sie könnten in seiner Gegenwart nicht leben und würden fühlen, daß irgend ein anderer Platz dem Himmel vorzuziehen sei. CGl 269 1 Von Christo lernen bedeutet, seine Gnade, das heißt seinen Charakter annehmen. Aber die, welche die ihnen hier auf Erden angebotenen köstlichen Gelegenheiten und heiligenden Einflüsse nicht schätzen und benutzen, sind nicht geschickt, an der reinen Anbetung im Himmel teilzunehmen. Ihre Charaktere sind nicht nach dem göttlichen Ebenbilde umgebildet worden. Durch ihre eigene Vernachlässigung haben sie eine Schlucht gebildet, die durch nichts überbrückt werden kann. Zwischen ihnen und den Gerechten ist eine große Kluft befestigt. ------------------------Kapitel 22 -- Sagen und Tun CGl 270 1 Auf der Grundlage von Matthäus 21,23-32. CGl 270 2 "Es hatte ein Mann zwei Söhne, und ging zu dem ersten und sprach: Mein Sohn, gehe hin und arbeite heute in meinem Weinberge. Er antwortete aber und sprach: Ich will's nicht tun. Darnach reute es ihn, und ging hin. Und er ging zum andern und sprach gleich also. Er antwortete aber und sprach: Herr, ja! Und ging nicht hin. Welcher unter den zweien hat des Vaters Willen getan? Sie sprachen zu ihm: Der erste." CGl 270 3 In der Bergpredigt sagte Christus: "Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel." Matthäus 7,21. Der Beweis der Redlichkeit liegt nicht in Worten, sondern in Taten. Christus sagt nicht zu den Menschen: Was sagt ihr Sonderliches, sondern: "Was tut ihr Sonderliches?" Matthäus 5,47. Seine Worte: "So ihr solches wisset, selig seid ihr, so ihr's tut" (Johannes 13,17), sind voll von Bedeutung. Worte sind von keinem Werte, wenn sie nicht von angemessenen Handlungen begleitet werden. Das ist die Lehre, die uns in dem Gleichnis von den zwei Söhnen gegeben wird. CGl 270 4 Dies Gleichnis wurde bei dem letzten Besuch, den Christus vor seinem Tode in Jerusalem machte, gesprochen. Er hatte die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel getrieben; seine Stimme hatte in der Kraft Gottes zu ihren Herzen gesprochen. Bestürzt und erschreckt hatten sie seinem Gebot ohne Entschuldigung oder Widerstand gehorcht. CGl 271 1 Als die Priester und Ältesten sich von ihrem Schreck erholt hatten, waren sie wieder nach dem Tempel zurückgekehrt und hatten dort Christum gefunden, wie er die Kranken und Sterbenden heilte. Sie hatten Freudenstimmen und Lobpreisungen gehört. Im Tempel selbst schwenkten Kinder, die er geheilt hatte, Palmzweige und sangen dem Sohne Davids Hosianna. Kleine Kinder lispelten das Lob des starken und mächtigen Arztes. Doch den Priestern und Ältesten genügte alles dieses nicht, um ihr Vorurteil und ihre Eifersucht zu überwinden. CGl 271 2 Als Christus am nächsten Tage im Tempel lehrte, traten die Hohenpriester und Ältesten im Volk zu ihm und sagten: "Aus was für Macht tust du das? Und wer hat dir die Macht gegeben?" CGl 271 3 Die Priester und Ältesten hatten unverkennbare Beweise von der Macht Christi gehabt. Sie hatten bei der Reinigung des Tempels die Autorität Gottes aus seinem Angesicht strahlen gesehen. Sie konnten der Kraft, mit welcher er sprach, nicht widerstehen. Auch in den wunderbaren, von ihm verrichteten Heilungen hatte er ihre Fragen beantwortet. Er hatte ihnen Beweise für seine Autorität gegeben, die sie nicht in Abrede stellen konnten. Aber sie wollten keinen Beweis. Sie wollten Jesum veranlassen, sich als den Messias auszugeben, damit sie seine Worte mißdeuten und das Volk gegen ihn erregen könnten. Sie wünschten seinen Einfluß zu vernichten um ihn zu töten. CGl 271 4 Jesus wußte, daß, wenn sie Gott nicht in ihm erkennen oder den Beweis seines göttlichen Charakters nicht in seinen Werken sehen konnten, sie auch seinem eigenen Zeugnis, daß er der Messias sei, nicht glauben würden. Er wich deshalb der Antwort aus, zu der sie ihn zu veranlassen hofften und drehte den Spieß gegen sie. CGl 271 5 "Ich will euch auch ein Wort fragen," sagte er, "so ihr mir das saget, so will ich euch auch sagen, aus was für Macht ich das tue. Woher war die Taufe des Johannes? War sie vom Himmel oder von den Menschen?" CGl 272 1 Die Priester und Obersten waren in Verlegenheit. "Da gedachten sie bei sich selbst und sprachen: Sagen wir, sie sei vom Himmel gewesen, so wird er zu uns sagen: Warum glaubtet ihr ihm denn nicht? Sagen wir aber, sie sei von Menschen gewesen, so müssen wir uns vor dem Volk fürchten; denn sie halten alle Johannes für einen Propheten. Und sie antworteten Jesu und sprachen: Wir wissen's nicht. Da sprach er zu ihnen: so sage ich euch auch nicht, aus was für Macht ich das tue." CGl 272 2 "Wir wissen's nicht." Diese Antwort war eine Lüge. Aber die Priester sahen recht gut ein, in welcher Lage sie sich befanden, und nahmen ihre Zuflucht zur Lüge, um sich zu schützen. Johannes der Täufer war gekommen und hatte Zeugnis betreffs desjenigen abgelegt, dessen Autorität sie jetzt in Frage stellten. Er hatte auf ihn hingewiesen und gesagt: "Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt." Johannes 1,29. Er hatte ihn getauft, und als Christus nach der Taufe betete, hatte sich der Himmel geöffnet und der Geist Gottes hatte gleich einer Taube auf ihm geruht während man eine Stimme vom Himmel sagen hörte: "Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe." Matthäus 3,17. CGl 273 1 Eingedenk dessen, wie Johannes die auf den Messias bezüglichen Prophezeiungen wiederholt hatte, eingedenk jener Szene bei der Taufe Jesu, wagten die Priester und Obersten nicht zu sagen, daß die Taufe des Johannes vom Himmel sei. Wenn sie Johannes als einen Propheten anerkennen würden, wofür sie selbst ihn hielten, wie könnten sie dann sein Zeugnis, daß Jesus von Nazareth der Sohn Gottes sei, in Abrede stellen? Sie wagten aber auch nicht zu sagen, daß die Taufe des Johannes von Menschen sei, weil das Volk glaubte, daß Johannes ein Prophet war. So sagten sie denn: "Wir wissen's nicht." CGl 273 2 Darauf gab Christus das Gleichnis von dem Vater und den zwei Söhnen. Als der Vater zu dem ersten Sohne ging und zu ihm sagte: "Gehe hin und arbeite heute in meinem Weinberge," da antwortete der Sohn ohne weiteres Nachdenken: "Ich will's nicht tun." Er weigerte sich zu gehorchen, weil er sich gottlosem Wesen und schlechten Gesellschaften hingegeben hatte; aber später reute es ihn und der kam dem Wunsche seines Vaters nach. CGl 273 3 Der Vater ging zum zweiten Sohn und gab ihm dasselbe Gebot: "Gehe hin und arbeite heute in meinem Weinberge!" Dieser Sohn antwortete: "Herr, ja," ging aber nicht hin. CGl 273 4 In diesem Gleichnis stellt der Vater Gott und der Weinberg die Gemeinde dar. Durch die beiden Söhne werden zwei Klassen von Menschen veranschaulicht. Der Sohn, der sich weigert, dem Gebot zu gehorchen und seinem Vater antwortete: "Ich will's nicht tun," stellte diejenigen dar, welche in offener Übertretung lebten, ohne vorzugeben, fromm zu sein, und sich offen weigerten, sich unter das Joch des Gehorsams und der Einschränkung ihrer natürlichen Neigungen zu begeben, welche das Gesetz Gottes auferlegt. Aber viele von diesen bereuten es später und gehorchten dem Rufe Gottes. Als ihnen das Evangelium gepredigt wurde in der Botschaft Johannes des Täufers: "Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeikommen" (Matthäus 3,2), da bereuten viele und bekannten ihre Sünden. CGl 274 1 In dem Sohne, welcher sagte: "Herr, ja", aber nicht ging, wurde der Charakter der Pharisäer offenbart. Diesem Sohne gleich waren die jüdischen Leiter unbußfertig und dünkelhaft. Das religiöse Leben des jüdischen Volkes war zur bloßen Form geworden. Als auf dem Berge Sinai durch die Stimme Gottes das Gesetz verkündigt wurde, da gelobte das ganze Volk, gehorchen zu wollen. Sie sagten: "Herr, ja," gingen aber nicht. Als Jesus persönlich kam, um ihnen die Grundsätze des Gesetzes vorzuführen, da verwarfen sie ihn. Christus hatte den jüdischen Leitern seiner Zeit reichliche Beweise seiner Autorität und göttlichen Macht gegeben; aber obgleich sie überzeugt waren, wollten sie doch die Beweise nicht annehmen. Christus hatte ihnen gezeigt, daß sie im Unglauben beharrten, weil sie nicht den Geist hatten, der zum Gehorsam führt. Er hatte ihnen gesagt: "Und habt also Gottes Gebot aufgehoben um eurer Aufsätze willen ... Aber vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschengebote sind." Matthäus 15,6.9. CGl 275 1 In der Schar, die vor Christo stand, waren Schriftgelehrte und Pharisäer, Priester und Oberste; und nachdem Christus das Gleichnis von den zwei Söhnen gegeben hatte, richtete er an seine Zuhörer die Frage: "Welcher unter den zweien hat des Vaters Willen getan?" Sich selbst vergessend antworteten die Pharisäer: "Der erste." Sie sagten dies, ohne zu erkennen, daß sie sich hiermit selbst das Urteil sprachen. Dann kam von den Lippen Jesu die Drohung: "Wahrlich, ich sage euch: die Zöllner und Huren mögen wohl eher ins Himmelreich kommen denn ihr. Johannes kam zu euch, und lehrte euch den rechten Weg, und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und ob ihr's wohl sahet, tatet ihr dennoch nicht Buße, daß ihr ihm darnach auch geglaubt hättet." CGl 275 2 Johannes der Täufer kam und predigte die Wahrheit und durch sein Predigen wurden Sünder überzeugt und bekehrt. Diese würden eher in das Himmelreich kommen, als jene, die in Selbstgerechtigkeit der feierlich-ernsten Warnung widerstanden. Die Zöllner und Huren waren unwissend, aber diese gelehrten Männer kannten den Weg der Wahrheit. Dennoch weigerten sie sich, auf dem Pfade zu wandeln, der zum Paradiese Gottes führt. Die Wahrheit, die ihnen ein Geruch des Lebens zum Leben hätte sein sollen, wurde ihnen ein Geruch des Todes zum Tode. Offenkundige Sünder, die sich selbst verabscheuten, hatten von Johannes dem Täufer die Taufe empfangen; aber diese Lehrer waren Heuchler. Ihre eigenen verstockten Herzen hielten sie von der Annahme der Wahrheit zurück. Sie widerstrebten dem Geiste Gottes, der sie überführen wollte. Sie weigerten sich, den Geboten Gottes zu gehorchen. CGl 275 3 Christus sagte ihnen nicht: Ihr könnt nicht in das Himmelreich eingehen; aber er zeigte, daß das Hindernis, welches sie davon abhielt, in ihnen selbst lag. Die Tür stand diesen jüdischen Leitern noch immer offen; ihnen galt die Einladung immer noch. Es verlangte Christus darnach, sie überzeugt und bekehrt zu sehen. CGl 275 4 Die Priester und Ältesten Israels brachten ihr Leben mit religiösen Zeremonien zu, die sie als zu heilig betrachteten, um sie mit weltlichen Geschäften zu verbinden. Deshalb glaubte man, daß ihr Leben ein durchaus religiöses sei. Aber sie verrichteten diese Zeremonien, um von Menschen gesehen zu werden, damit sie von der Welt für fromm und gottesfürchtig gehalten würden. Während sie vorgaben, zu gehorchen, weigerten sie sich, Gott Gehorsam zu leisten. Sie waren nicht Täter der Wahrheit, die sie vorgaben zu lehren. CGl 276 1 Christus erklärte, daß Johannes der Täufer einer der größten Propheten sei und zeigte seinen Zuhörern, daß sie genügend Beweise dafür gehabt hätten, daß Johannes ein von Gott gesandter Bote sei. Die Worte des Predigers in der Wüste waren gewaltig. Furchtlos verkündigte er seine Botschaft, rügte die Sünden der Priester und Obersten und machte es ihnen zur Pflicht, für das Reich Gottes zu wirken. Er zeigte ihnen ihre sündige Mißachtung der Autorität des Vaters, wenn sie sich weigerten, das ihnen aufgetragene Werk zu tun; er ließ sich in keinen Ausgleich mit der Sünde ein und viele wandten sich von ihrer Ungerechtigkeit. CGl 276 2 Wäre das Bekenntnis der jüdischen Leiter wahr und echt gewesen, so würden sie das Zeugnis des Johannes nicht verworfen, sondern Jesum als den Messias angenommen haben. Aber sie zeigten keine Früchte der Buße und Gerechtigkeit. Gerade die, welche sie verachteten, drangen vor ihnen ins Reich Gottes ein. CGl 276 3 Im Gleichnis stellt der Sohn, welcher sagte: "Herr, ja," sich als treu und gehorsam hin; aber die Zeit offenbarte, daß dies Bekenntnis nicht aufrichtig war. Er hatte keine wahre Liebe zu seinem Vater. So brüsteten sich auch die Pharisäer mit ihrer Heiligkeit, aber in der Prüfung stellte es sich heraus, daß sie derselben ermangelten. Wenn es zu ihrem Nutzen war, nahmen sie es mit den Forderungen des Gesetzes sehr genau, wenn aber von ihnen selbst Gehorsam verlangt wurde, dann wußten sie durch listige Trugschlüsse den Vorschriften Gottes alle Kraft abzusprechen. Deshalb sagt Christus von ihnen: "Nach ihren Werken sollt ihr nicht tun; sie sagen's wohl, und tun's nicht." Matthäus 23,3. Sie hatten keine wahre Liebe zu Gott oder Menschen. Gott berief sie zu seinen Mitarbeitern, der Welt zum Segen, aber, während sie scheinbar dem Rufe folgten, verweigerten sie in ihren Taten den Gehorsam. Sie vertrauten auf sich selbst und brüsteten sich mit ihren guten Eigenschaften, setzten aber die Gebote Gottes beiseite. Sie weigerten sich, das Werk zu verrichten, zu welchem Gott sie berufen hatte und ihrer Übertretung wegen war der Herr im Begriff, sich von dem ungehorsamen Volk zu trennen. CGl 277 1 Selbstgerechtigkeit ist keine wahre Gerechtigkeit und wer daran festhält, wird die Folgen tragen müssen, welche das Festhalten an einer Täuschung mit sich bringt. Es gibt auch heutzutage viele, die vorgeben, den Geboten Gottes zu gehorchen, die aber nicht die Liebe Gottes in ihren Herzen haben, um sie andern wieder mitzuteilen. Christus beruft sie, sich mit ihm in seinem Werke zur Rettung der Welt zu vereinigen, doch sie geben sich damit zufrieden, daß sie sagen: "Herr, ja." Sie gehen aber nicht. Sie arbeiten nicht mit denen, die das Werk Gottes betreiben. Sie sind Müßiggänger. Dem ungetreuen Sohne gleich machen sie Gott falsche Versprechungen. Als sie sich durch das feierliche Bündnis der Gemeinde anschlossen, gelobten sie, das Wort Gottes anzunehmen, demselben zu gehorchen und sich dem Dienste Gottes zu weihen, aber sie tun dies nicht. In ihrem Bekenntnis geben sie vor, Kinder Gottes zu sein, aber im Leben und Charakter verleugnen sie diese Verwandtschaft. Sie übergeben Gott nicht ihren Willen. Ihr Leben ist eine Lüge. CGl 277 2 Sie scheinen das Versprechen des Gehorsams zu erfüllen, wenn dies kein Opfer bedingt; wenn aber Selbstverleugnung und Selbstaufopferung gefordert werden, wenn sie sehen, daß es gilt das Kreuz zu tragen, dann ziehen sie sich zurück. Auf diese Weise schwindet das Pflichtgefühl und eine wissentliche Übertretung der Gebote Gottes wird zur Gewohnheit. Das Ohr mag Gottes Wort hören, aber die geistige Auffassungskraft ist geschwunden. Das Herz ist verhärtet, das Gewissen abgestumpft. CGl 277 3 Denke nicht, daß du schon dem Herrn Christo dienst, wenn du keine entschiedene Feindschaft gegen ihn zeigst. Auf diese Weise betrügen wir unsere eigenen Seelen. Wenn wir unserem Gott das vorenthalten, was er uns zur Benutzung in seinem Dienste gegeben hat, sei es Zeit, seien es Geldmittel, oder irgend andere uns anvertraute Gaben, so arbeiten wir gegen ihn. CGl 278 1 Satan benutzt die gleichgültige, schläfrige Trägheit vorgeblicher Christen, um seine Streitmächte zu stärken und Seelen für sich zu gewinnen. Viele, welche glauben, daß sie, wenngleich sie nicht direkt für Christum wirken, doch auf seiner Seite sind, geben dem Feind Gelegenheit Fuß zu fassen und Vorteile zu gewinnen. Indem sie es unterlassen, fleißig für den Meister zu wirken, indem sie Pflichten ungetan und Worte ungesprochen lassen, erlauben sie Satan die Herrschaft über Seelen zu gewinnen, welche für Christum hätten gewonnen werden können. CGl 278 2 So lange wir träge und untätig sind, können wir niemals gerettet werden. Eine wahrhaft bekehrte Person kann kein nutzloses Leben führen; sie wird versuchen, andern zu nützen und zu helfen. Es ist nicht möglich, sich gemächlich in den Himmel tragen zu lassen. Kein Faulenzer kann dort Zutritt finden. Wenn wir nicht darnach ringen, Zutritt zum Reiche zu bekommen, wenn wir nicht ernstlich suchen, um zu erfahren, was seine Gesetze sind, sind wir nicht zur Teilnahme am Reiche geschickt. Menschen, die sich weigern, auf Erden Mitarbeiter Gottes zu sein, würden auch im Himmel nicht mit ihm zusammenwirken. Es würde nicht ratsam sein, sie in den Himmel zu nehmen. CGl 278 3 Es ist mehr Hoffnung für Zöllner und Sünder vorhanden, als für solche, die das Wort Gottes wissen, sich aber weigern, demselben zu gehorchen. Ein Mensch, der sich selbst als Sünder sieht, dessen Sünden nicht versteckt werden können, der weiß, daß er an Seele, Körper und Geist verdorben vor Gott steht, wird von Furcht ergriffen, auf ewig vom Himmelreiche ausgeschlossen zu werden. Er erkennt seinen kranken Zustand an und sucht Heilung bei dem großen Arzt, der gesagt hat: "Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen." Johannes 6,37. Solche Seelen kann der Herr als Arbeiter in seinem Weinberge benutzen. CGl 278 4 Der Sohn, der sich eine Zeitlang weigerte, seines Vaters Gebot zu gehorchen, wurde nicht von Christo verdammt, aber auch nicht als Vorbild hingestellt. Die Klasse von Menschen, welche so handelt wie der erste Sohn, und sich weigert Gehorsam zu leisten, verdient kein Lob für ihre Handlungsweise. Ihre Offenheit darf nicht als eine Tugend angesehen werden. Geheiligt durch Wahrheit und Heiligkeit, würde sie die Menschen zu kühnen Zeugen für Christum machen, aber in der Art und Weise, wie sie von dem Sünder benutzt wird, ist sie beleidigend und herausfordernd, und grenzt an Lästerung. Ein Mensch, der kein Heuchler ist, ist dadurch noch nicht ohne Sünde. Wenn die Stimme des Heiligen Geistes zu unserem Herzen spricht, dann gibt es für uns nur die einzige Sicherheit, ihr ohne Zögern Gehör zu schenken. Wenn dir der Ruf kommt: "Gehe hin und arbeite heute in meinem Weinberge," so weise die Einladung nicht ab. "Heute, so ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht." Hebräer 4,7. Es ist gefährlich, den Gehorsam aufzuschieben. Vielleicht hört man die Einladung nie wieder. CGl 279 1 Niemand schmeichle sich, daß Sünden, denen man sich eine Zeitlang hingibt, später so nach und nach leicht aufgegeben werden können. Dem ist nicht so. Eine jede Sünde schwächt den Charakter und stärkt die Gewohnheit, und körperliche, geistige und sittliche Entartung ist die Folge. Ihr mögt das Unrecht, das ihr getan habt, bereuen und eure Füße auf rechte Pfade setzen; aber die eurem Gemüte gegebene Richtung und eure Vertrautheit mit dem Bösen werden es schwierig für euch machen, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Durch die eingewurzelten, unrechten Gewohnheiten wird Satan euch immer wieder angreifen. CGl 279 2 Durch das Gebot: "Gehe hin und arbeite heute in meinem Weinberge," wird die Aufrichtigkeit einer jeden Seele geprüft. Werden dort ebensowohl Handlungen als auch Worte sein? Wird der Berufene alle seine Kenntnisse benutzen und treu und selbstlos für den Eigentümer des Weinberges arbeiten? CGl 279 3 Der Apostel Petrus belehrt uns betreffs des Planes, nach welchem wir wirken müssen. "Gott gebe euch viel Gnade und Frieden," sagt er, "durch die Erkenntnis Gottes und Jesu Christi, unsers Herrn! Nachdem allerlei seiner göttlichen Kraft, was zum Leben und göttlichen Wandel dienet, uns geschenkt ist durch die Erkenntnis des, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Tugend, durch welche uns die teuren und allergrößesten Verheißungen geschenkt sind, nämlich, daß ihr dadurch teilhaftig werdet der göttlichen Natur, so ihr fliehet die vergängliche Lust der Welt: so wendet allen euren Fleiß daran, und reichet dar in eurem Glauben Tugend, und in der Tugend Erkenntnis, und in der Erkenntnis Mäßigkeit, und in der Mäßigkeit Geduld, und in der Geduld Gottseligkeit, und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe gemeine Liebe." 2.Petrus 1,2-7. CGl 280 1 Wenn du den Weinberg deiner Seele treulich bearbeitest, so macht Gott dich zu seinem Mitarbeiter, und du wirst nicht nur für dich selbst, sondern auch für andere ein Werk zu tun haben. Indem Christus die Gemeinde als den Weinberg darstellt, lehrt er nicht, daß wir unser Mitgefühl und unser Wirken auf unsere eigenen Glieder beschränken sollen. Der Weinberg des Herrn soll vergrößert werden. Gott wünscht, daß er nach allen Teilen der Erde ausgedehnt werde. Indem wir von Gott belehrt werden und Gnade von ihm empfangen, sollten wir andere lehren, wie die köstlichen Pflanzen zu behandeln sind. In der Weise können wir den Weinberg des Herrn ausdehnen. Gott wartet auf Beweise unseres Glaubens, unserer Liebe und unserer Geduld. Er beobachtet, ob wir alle uns gewordenen geistlichen Vorteile benutzen, um tüchtige Arbeiter in seinem Weinberge hier auf Erden zu werden, damit wir in das Paradies Gottes, jenes Heim in Eden, aus welchem Adam und Eva um ihrer Übertretung willen ausgeschlossen wurden, eingehen können. CGl 280 2 Gott nimmt seinem Volke gegenüber die Stellung eines Vaters ein, und als solcher hat er Ansprüche auf unsere treuen Dienste. Betrachten wir das Leben Christi! Er, der an der Spitze der Menschheit steht und seinem Vater dient, gibt uns ein Beispiel davon, was ein jeder Sohn sein sollte und auch sein kann. Der Gehorsam, den Christus leistet, fordert Gott auch heute von den Menschen. Christus diente seinem Vater in Liebe, mit willigem Herzen. "Deinen Willen, mein Gott, tu ich gerne," sagte er, "und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen." Psalm 40,9. Ihm war kein Opfer zu groß, keine Arbeit zu schwer, um das Werk aufzurichten, wozu er gekommen war. Im Alter von zwölf Jahren sagte er: "Wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, das meines Vaters ist?" Lukas 2,49. Er hatte den Ruf gehört und das Werk unternommen. "Meine Speise," sagte er "ist die, daß ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk." Johannes 4,34. CGl 281 1 So sollen auch wir Gott dienen. Der allein dient, der in vollkommenem Gehorsam handelt. Alle, die Söhne und Töchter Gottes sein wollen, müssen sich als Mitarbeiter Gottes und Christi und der himmlischen Engel erweisen. Hiernach wird eine jede Seele geprüft werden. Von denen, die ihm treu dienen, sagt der Herr: "Sie sollen ... des Tages, den ich machen will, mein Eigentum sein; und ich will ihrer schonen, wie ein Mann seines Sohnes schonet, der ihm dienet." Maleachi 3,17. CGl 281 2 Der im Ratschluß Gottes liegende große Zweck ist, die Menschen zu prüfen und ihnen Gelegenheit zu geben, einen Charakter zu entwickeln. Er prüft, ob sie seinen Geboten gehorchen wollen oder nicht. Gute Werke erkaufen uns nicht die Liebe Gottes; aber sie offenbaren, daß wir diese Liebe besitzen. Wenn wir unsern Willen Gott übergeben, werden wir nicht wirken, um die Liebe Gottes zu verdienen. Seine Liebe wird als eine freie Gabe in die Seele aufgenommen und, gedrungen von dieser Liebe, werden wir seinen Geboten gern gehorsam sein. CGl 281 3 Es gibt heute nur zwei Klassen in der Welt, und auch im Gericht werden nur zwei Klassen anerkannt werden -- die, welche Gottes Gesetz übertreten, und die, welche demselben gehorchen. Christus sagt uns, woran wir unsere Treue oder unsere Untreue erkennen können. "Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote ... Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist's, der mich liebet. Wer mich nicht liebet, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr höret, ist nicht mein, sondern des Vaters, der mich gesandt hat." "So ihr meine Gebote haltet, so bleibet ihr in meiner Liebe, gleichwie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe." Johannes 14,15-24; Johannes 15,10. ------------------------Kapitel 23 -- Des Herrn Weinberg CGl 282 1 Auf der Grundlage von Matthäus 21,33-44. Das jüdische Volk CGl 282 2 Dem Gleichnis von den zwei Söhnen folgte das Gleichnis vom Weinberge. In dem einen hatte Christus den jüdischen Leitern die Wichtigkeit des Gehorsams vorgeführt. In dem andern wies er auf die Segnungen hin, die Israel zuteil geworden waren, und zeigte dadurch, daß Gott Anspruch auf ihren Gehorsam habe. Er führte ihnen die Herrlichkeit der Absichten Gottes vor, die sie durch Gehorsam hätten erfüllen können. Indem er den Zukunftsschleier lüftete, zeigte er, wie das ganze Volk dadurch, daß es Gottes Absichten nicht erfüllte, seiner Segnungen verloren ging und Verderben über sich selbst brachte. CGl 282 3 "Es war ein Hausvater," sagte Christus, "der pflanzte einen Weinberg und führte einen Zaun drum, und grub eine Kelter drinnen, und baute einen Turm, und tat ihn den Weingärtnern aus, und zog über Land." CGl 282 4 Eine Beschreibung dieses Weinberges wird vom Propheten Jesaja gegeben: "Wohlan, ich will meinen Lieben singen, ein Lied meines Geliebten von seinem Weinberge: Mein Lieber hat einen Weinberg an einem fetten Ort. Und er hat ihn verzäunet und mit Steinhaufen verwahret und edle Reben drein gesenkt. Er baute auch einen Turm drinnen und grub eine Kelter drein und wartete, daß er Trauben brächte." Jesaja 5,1.2. CGl 283 1 Der Landmann wählt ein Stück Land in der Wildnis, er umzäunt dasselbe, reinigt es von Steinen, pflügt es, bepflanzt es dann mit den auserwähltesten Weinreben und erwartet eine reiche Ernte. Er erwartet, daß dieses Stück Land, nachdem es so viel besser ist, als die unbearbeitet daliegende Wildnis, ihm für seine Arbeit und Fürsorge Ehre machen werden. So hatte Gott auch ein Volk aus der Welt erwählt, das von Christo erzogen und ausgebildet werden sollte. Der Prophet sagt: "Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel, und die Männer Judas seine Pflanzung." Jesaja 5,7. Diesem Volke hatte Gott große Vorrechte zuteil werden lassen und es nach dem Reichtum seiner Güte gesegnet. Dann erwartete er aber auch, daß es ihn durch Fruchttragen ehren werde. Es sollte die Grundsätze seines Reiches offenbaren. Inmitten einer gefallenen, gottlosen Welt sollte es den Charakter Gottes darstellen. CGl 283 2 Als der Weinberg des Herrn Zebaoth sollte es ganz andere Früchte bringen als die heidnischen Völker. Diese götzendienerischen Völker hatten sich der Gottlosigkeit ganz und gar hingegeben. Gewalttaten und Verbrechen, Habgier, Unterdrückung und die lasterhaftetesten Gebräuche wurden ohne Zurückhaltung ausgeübt. Bosheit, Entartung und Elend waren die Früchte des verderbten Baumes. In einem entschiedenen Gegensatz dazu sollten die Früchte in dem von Gott gepflanzten Weinberge sein. CGl 283 3 Es war das Vorrecht des jüdischen Volkes, den Charakter Gottes darzustellen, wie er dem Moses offenbart worden war. In Erhörung des Gebetes Moses: "So laß mich deine Herrlichkeit sehen," verhieß der Herr: "Ich will vor deinem Angesicht alle meine Güte vorübergehen lassen." "Und der Herr ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue! Der da bewahret Gnade in tausend Glieder, und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde." 2.Mose 33,18.19; 2.Mose 34,6.7. Dies war die Frucht, welche Gott von seinem Volke zu bekommen wünschte. In der Reinheit ihres Charakters, in der Heiligkeit ihres Lebens, in ihrer Barmherzigkeit, ihrer Liebe und ihrem Mitleid sollten sie zeigen, daß das Gesetz vollkommen ist, und die Seele erquickt. Psalm 19,8. CGl 284 1 Gott beabsichtigte durch das jüdische Volk allen Völkern reiche Segnungen mitzuteilen. Durch Israel sollte der Weg vorbereitet werden, daß sein Licht sich über die ganze Erde ausbreite. Die Völker der Welt hatten infolge ihrer verderblichen Gebräuche die Erkenntnis Gottes verloren. Dennoch raffte Gott in seiner Barmherzigkeit sie nicht hinweg. Er wollte ihnen durch seine Gemeinde eine Gelegenheit geben, mit ihm bekannt zu werden. Er beabsichtigte, daß die durch sein Volk geoffenbarten Grundsätze das Mittel sein sollten, um das moralische Ebenbild Gottes im Menschen wieder herzustellen. CGl 284 2 Um diesen Zweck zu erreichen, rief Gott den Abraham aus seiner götzendienerischen Verwandtschaft heraus und gebot ihm, im Lande Kanaan zu wohnen. "Ich will dich zum großen Volk machen," sagte er, "und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und sollst ein Segen sein." 1.Mose 12,2. CGl 284 3 Die Nachkommen Abrahams, Jakob und seine Söhne wurden nach Ägypten gebracht, damit sie inmitten jenes großen und gottlosen Volkes die Grundsätze des Reiches Gottes offenbaren möchten. Die Treue Josephs und seine wunderbare Einrichtung, durch welche dem ganzen ägyptischen Volke das Leben erhalten wurde, war eine Darstellung des Lebens Christi. Moses und viele andere waren Zeugen für Gott. CGl 284 4 Indem der Herr die Kinder Israel aus Ägypten führte, offenbarte er wiederum seine Macht und seine Barmherzigkeit. Seine wunderbaren Taten bei ihrer Erlösung aus der Knechtschaft und sein Verfahren mit ihnen während ihrer Reisen in der Wüste geschah nicht nur ihretwegen. Sie sollten den sie umgebenden Völkern als Anschauungsunterricht dienen. Der Herr offenbarte sich als ein Gott, der höher ist, als alle menschliche Autorität und menschliche Größe. Die Zeichen und Wunder, die er für sein Volk wirkte, offenbarten seine Macht über die Natur und über die Größten von denen, welche die Natur anbeteten. Gott ging durch das stolze Ägypten, wie er in den letzten Tagen durch die ganze Erde gehen wird. Mittels Feuer und Sturm, Erdbeben und Tod erlöste der große "Ich bin" (2.Mose 3,14, EB) sein von den Ägyptern geknechtetes Volk. Er führte sie aus dem Lande der Knechtschaft heraus. Er führte sie "durch die große und grausame Wüste, da feurige Schlangen und Skorpione und eitel Dürre und kein Wasser war". Er ließ "Wasser aus dem harten Felsen gehen" "und gab ihnen Himmelsbrot." 5.Mose 8,15; Psalm 78,24. "Denn," sagt Moses, "des Herrn Teil ist sein Volk, Jakob ist die Schnur seines Erbes. Er fand ihn in der Wüste, in der dürren Einöde, da es heulet. Er umfing ihn und hatte acht auf ihn; er behütete ihn wie seinen Augapfel. Wie ein Adler ausführet seine Jungen und über ihnen schwebet, breitete er seine Fittiche aus und nahm ihn und trug ihn auf seinen Flügeln. Der Herr allein leitete ihn, und war kein fremder Gott mit ihm." 5.Mose 32,9-12. Auf diese Weise zog er die Seinen zu sich, damit sie unter dem Schatten des Höchsten wohnen möchten. CGl 285 1 Christus war der Führer der Kinder Israel auf ihren Wanderungen in der Wüste. Eingehüllt in die Wolkensäule bei Tage und die Feuersäule bei Nacht, leitete und führte er sie. Er bewahrte sie vor den Gefahren der Wüste; er brachte sie in das Land der Verheißung; und angesichts aller Völker, die Gott nicht anerkannten, pflanzte er Israel als sein eigenes, erwähltes Besitztum, als des Herrn Weinberg. CGl 285 2 Diesem Volke wurde das Wort Gottes anvertraut. Es wurde gleichsam durch die Vorschriften seines Gesetzes, die ewigen Grundsätze der Wahrheit, Gerechtigkeit und Reinheit eingehegt. Im Gehorsam gegen diese Grundsätze sollte sein Schutz liegen, denn der Gehorsam würde es davor bewahren, sich selbst durch sündige Gewohnheiten zu zerstören. Und wie den Turm in den Weinberg, so setzte Gott seinen heiligen Tempel inmitten des Landes. CGl 285 3 Christus war der Lehrer der Israeliten. Wie er in der Wüste bei ihnen gewesen war, so sollte er auch ferner ihr Lehrer und Führer sein. In der Stiftshütte und im Tempel thronte seine Herrlichkeit in der Schechinah über der Bundeslade. Um ihretwillen offenbarte er beständig den Reichtum seiner Liebe und Geduld. CGl 286 1 Gott wünschte, sein Volk Israel herrlich und lobenswert zu machen. Er gab ihm alle nur möglichen, geistlichen Vorrechte. Er enthielt ihm nichts vor, das zur Bildung des Charakters, durch den er dargestellt würde, dienlich sein könnte. CGl 286 2 Infolge ihres Gehorsams gegen das Gesetz Gottes sollten die Kinder Israel so gedeihen, daß sie den Völkern der Welt als ein Wunder dastehen würden. Er, der ihnen Weisheit und Gewandtheit in allerlei künstlichen Arbeiten geben konnte, wollte auch fernerhin ihr Lehrer sein und sie durch Gehorsam gegen seine Gesetze veredeln und erheben. Wenn sie gehorsam waren, sollten sie bewahrt werden vor den Krankheiten, die andere Völker heimsuchten und sollten mit Verstandeskraft gesegnet werden. Die Herrlichkeit Gottes, seine Majestät und Macht sollte sich in ihrem Wohlergehen offenbaren. Sie sollten ein Königreich von Priestern und Fürsten sein. Gott stellte ihnen alle Mittel zur Verfügung, die beitragen konnten, sie zum größten Volk auf Erden zu machen. CGl 286 3 Christus hatte ihnen durch Moses in der bestimmtesten Weise Gottes Absicht dargelegt und ihnen die Bedingungen zu ihrem Wohlergehen klar gemacht. "Du bist ein heilig Volk, dem Herrn, deinem Gott," sagte er. "Dich hat der Herr, dein Gott, erwählet zum Volk es Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind." "So sollst du nun wissen, daß der Herr, dein Gott, ein Gott ist, ein treuer Gott, der den Bund und Barmherzigkeit hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, in tausend Glieder." "so halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, daß du darnach tust. Und wenn ihr diese Rechte höret und haltet sie und darnach tut, so wird der Her, dein Gott, auch halten den Bund und Barmherzigkeit, die er deinen Vätern geschworen hat, und wird dich lieben und segnen und mehren; und wird die Frucht deines Leibes segnen, und die Frucht deines Landes, dein Getreide, Most und Öl, die Früchte deiner Kühe und die Früchte deiner Schafe auf dem Lande, das er deinen Vätern geschworen hat dir zu geben. Gesegnet wirst du sein über allen Völkern ... Der Herr wird von dir tun alle Krankheit, und wird keine böse Seuche der Ägypter dir auflegen, die du erfahren hast." 5.Mose 7,6.9.11-15. CGl 287 1 Wenn sie seine Gebote halten würden, verhieß Gott, ihnen den schönsten Weizen zu geben und Honig aus dem Felsen zu bringen. Er würde sie sättigen mit langem Leben und ihnen zeigen sein Heil. CGl 287 2 Durch den Ungehorsam gegen Gott hatten Adam und Eva Eden verloren, und wegen der Sünde wurde die ganze Erde verflucht. Wenn aber das Volk Gottes seiner Weisung folgen würde, dann sollte ihr Land seine frühere Fruchtbarkeit und Schönheit wieder erlangen. Gott selbst gab ihnen Anweisungen, wie sie den Boden bearbeiten sollten; er wollte, daß sie mit ihm in der Wiederherstellung desselben zusammenwirkten. Auf diese Weise sollte das ganze Land unter der Aufsicht Gottes ein Anschauungsunterricht in geistlicher Wahrheit sein. Wie die Erde im Gehorsam gegen die göttlichen Naturgesetze ihre Schätze hervorbringen sollte, so sollten die Herzen der Menschen im Gehorsam gegen sein Sittengesetz seine Charaktereigenschaften widerstrahlen. Selbst die Heiden würden die Erhabenheit derer anerkennen, die den lebendigen Gott anbeteten und ihm dienen. CGl 287 3 "Siehe," sagte Moses, "ich habe euch gelehret Gebote und Rechte, wie mir der Herr, mein Gott, geboten hat, daß ihr also tun sollt im Lande, darein ihr kommen werdet, daß ihr's einnehmet. So behaltet's nun und tut's. Denn das wird eure Weisheit und Verstand sein bei allen Völkern, wenn sie hören werden alle diese Gebote, daß sie müssen sagen: Ei, welch weise und verständige Leute sind das und ein herrlich Volk! Denn wo ist so ein herrlich Volk, das so gerechte Sitten und Gebote habe als all dies Gesetz, das ich euch heutigentags vorlege?" 5.Mose 4,5-8. CGl 287 4 Die Kinder Israel sollten alles Gebiet einnehmen, welches Gott ihnen anwies. Jenen Völkern, welche die Anbetung und den Dienst des wahren Gottes verwarfen, sollte ihr Land genommen werden. Aber es war Gottes Absicht, daß durch die Offenbarung seines Charakters seitens Israels die Menschen zu ihm gezogen werden sollten. Der ganzen Welt sollte die Evangeliumseinladung gegeben werden. Durch den vorbildlichen Opferdienst sollte Christus vor den Völkern erhöht werden, und alle, die auf ihn blicken würden, sollten leben. Alle, welche sich, wie Rahab, die Kanaanitin, und Ruth, die Moabitin, von dem Götzendienst zur Anbetung des wahren Gottes wandten, sollten sich seinem erwählten Volke anschließen. Wenn im Laufe der Zeit die Gliederzahl Israels zunehmen würde, sollte es seine Grenzen ausdehnen, bis sein Reich die ganze Welt umfassen würde. CGl 288 1 Gott wünschte alle Völker unter seine gnädige Regierung zu bringen. Er wünschte, daß die Erde voller Freude und Friede sein möchte. Er schuf den Menschen, damit er glücklich sein möchte, und er sehnt sich darnach, menschliche Herzen mit Himmelsfrieden zu erfüllen. Er wünscht, daß die Familien hier auf Erden ein Sinnbild der großen Familie dort droben sein sollen. CGl 288 2 Aber Israel erfüllte Gottes Absicht nicht. Der Herr erklärte: "Ich aber hatte dich gepflanzt zu einem süßen Weinstock, einen ganz rechtschaffenen Samen. Wie bist du mir denn geraten zu einem bittern, wilden Weinstock?" "Israel ist ein ausgebreiteter Weinstock, der seine Frucht trägt; aber so viel Früchte er hatte, so viel Altäre hatte er gemacht; wo das Land am besten war, da stifteten sie die schönsten Bildsäulen." Jeremia 2,21; Hosea 10,1. "Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberge. Was sollte man doch mehr tun an meinem Weinberge, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn Herlinge gebracht, da ich wartete, daß er Trauben brächte? Wohlan, ich will euch zeigen, was ich meinem Weinberge tun will. Seine Wand soll weggenommen werden, daß er verwüstet werde, und sein Zaun soll zerrissen werden, daß er zertreten werde. Ich will ihn wüste liegen lassen, daß er nicht geschnitten, noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen drauf wachsen, und will den Wolken gebieten, daß sie nicht drauf regnen ... (Denn) Er wartet auf Recht, siehe, so ist's Schinderei; auf Gerechtigkeit, siehe, so ist's Klage." Jesaja 5,3-7. CGl 289 1 Der Herr hatte durch Moses seinem Volke die Folgen der Untreue vorführen lassen. Würden sie sich weigern, seinen Bund zu halten, so würden sie sich dadurch von dem Leben Gottes abschneiden, und sein Segen könnte nicht über sie kommen. "So hüte dich nun," sagte Moses, "daß du des Herrn, deines Gottes, nicht vergessest, damit daß du seine Gebote und seine Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, nicht hältst; daß, wenn du nun gegessen hast und satt bist, und schöne Häuser erbauest und drinnen wohnest, und deine Kinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehret, daß dann dein Herz sich nicht erhebe, und vergessest des Herrn, deines Gottes." "Du möchtest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir dies Vermögen ausgerichtet." "Wirst du aber des Herrn, deines Gottes, vergessen und andern Göttern nachfolgen und ihnen dienen und sie anbeten, so bezeuge ich heute über euch, daß ihr umkommen werdet; eben wie die Heiden, die der Herr umbringet vor eurem Angesicht, so werdet ihr auch umkommen, darum, daß ihr nicht gehorsam seid der Stimme des Herrn, eures Gottes." 5.Mose 8,11-14.17.19.20. CGl 289 2 Die Warnung wurde von den Juden mißachtet. Sie vergaßen Gottes und verloren ihr hohes Vorrecht, seine Stellvertreter zu sein, aus den Augen; die Segnungen, die sie erhalten hatten, brachten der Welt keinen Segen. Sie benutzten alle ihre Vorrechte zur Selbstverherrlichung. Sie enthielten Gott den Dienst vor, den er von ihnen forderte und beraubten ihre Mitmenschen der religiösen Leitung und eines heiligen Vorbildes. Gleich den Bewohnern der vorsintflutlichen Welt war das Dichten und Trachten ihres Herzens böse immerdar. Sie ließen heilige Dinge als ein Possenspiel erscheinen und sagten: "Hier ist des Herrn Tempel, hier ist des Herrn Tempel, hier ist des Herrn Tempel!" (Jeremia 7,4) während sie gleichzeitig den Charakter Gottes entstellten, seinen Namen entehrten und sein Heiligtum befleckten. CGl 289 3 Die Weingärtner, denen der Herr die Aufsicht über seinen Weinberg übertragen hatte, kamen ihrer hehren Pflicht nicht nach. Die Priester und Lehrer unterwiesen das Volk nicht getreulich. Sie zeigten ihm nicht die Güte und Barmherzigkeit Gottes und sein Anrecht auf dessen Liebe und Dienst. Diese Weingärtner suchten ihre eigene Ehre; sie wünschten die Früchte des Weinberges sich selber zuzueignen. Sie dachten beständig darüber nach, wie sie die Aufmerksamkeit und die Ehrenbezeigungen auf sich selbst lenken könnten. CGl 290 1 Die Schuld dieser Leiter in Israel war nicht wie die Schuld des gewöhnlichen Sünders. Diese Männer standen unter der heiligsten Verpflichtung Gott gegenüber. Sie hatten gelobt, ein "So spricht der Herr" zu lehren und dem Herrn in ihrem täglichen Leben selbst aufs genaueste zu gehorchen. Anstatt dessen verdrehten sieh die Schrift. Sie legten den Menschen schwere Lasten auf, indem sie Zeremonien einführten, die sich auf jeden Schritt im Leben erstreckten. Die Menschen lebten in beständiger Unruhe, weil sie die von den Rabbinern gestellten Forderungen nicht erfüllen konnten. Als sie dann die Unmöglichkeit sahen, diese Menschensatzungen zu halten, mißachteten sie auch die Gebote Gottes. CGl 290 2 Der Herr hatte sein Volk gelehrt, daß er der Eigentümer des Weinbergs sei und daß alle ihre Besitzungen ihnen nur anvertraut worden seien, um sie für den Herrn zu verwerten. Aber die Priester und Lehrer verrichteten die Pflichten ihres heiligen Amts nicht, als ob sie das Eigentum Gottes handhabten. Sie beraubten ihn systematisch der Mittel und Wege, die ihnen zur Förderung seines Werkes anvertraut waren. Ihre Selbstsucht und Habgier verursachten, daß sie selbst von den Heiden verachtet wurden. In dieser Weise wurde der heidnischen Welt Veranlassung gegeben, den Charakter Gottes und die Gesetze seines Reiches falsch auszulegen. CGl 290 3 Gott trug sein Volk mit Vaterliebe. Er suchte es zu gewinnen, sei es durch Spenden seiner Gnade oder durch Entziehung derselben. Geduldig hielt er ihm seine Sünden vor und wartete in Langmut, daß es dieselben bekennen möchte. Propheten und Boten wurden gesandt, um den Weingärtnern Gottes Anrechte klar zu machen, aber anstatt sie freundlich aufzunehmen, wurden sie als Feinde behandelt. Die Weingärtner verfolgten und töteten sie. Gott sandte noch andere Boten, aber ihnen wurde dieselbe Behandlung zuteil wie den ersten, nur daß die Weingärtner noch größeren Haß offenbaren. CGl 291 1 Als letztes Mittel sandte Gott seinen Sohn und sagte: "Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen." Aber ihr Widerstand hatte sie rachsüchtig gemacht, und sie sprachen untereinander: "Das ist der Erbe, kommt, laßt uns ihn töten, und sein Erbgut an uns bringen!" Dann werden wir uns des Weinberges erfreuen und mit der Frucht tun können, was wir wollen. CGl 291 2 Die jüdischen Obersten liebten Gott nicht, deshalb trennten sie sich von ihm und verwarfen alle seine Vorschläge betreffs eines gerechten Ausgleichs. Christus, der Geliebte Gottes, kam, um seine Ansprüche als Eigentümer des Weinbergs zu behaupten; aber die Weingärtner behandelten ihn mit der größten Verachtung und sagten: Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche. Sie beneideten Christum seines edlen Charakters wegen. Seine Art und Weise des Lehrens war der ihrigen weit überlegen und sie fürchteten seinen Erfolg. Er machte ihnen Vorstellungen, legte ihre Heuchelei bloß und zeigte ihnen, was die sichere Folge ihrer Handlungsweise sein werde. Dies erregte ihren Zorn aufs höchste. Seine Zurechtweisungen, deren Richtigkeit sie nicht in Abrede stellen konnten, kränkten sie. Sie haßten den hohen Maßstab der Gerechtigkeit, worauf Christus sie beständig hinwies. Sie sahen, daß seine Lehren ihre Selbstsucht bloßstellten, und sie beschlossen, ihn zu töten. Sie haßten das von ihm gegebene Beispiel der Wahrheitsliebe und Frömmigkeit und jene erhabene geistliche Gesinnung, die in allem, was er tat, offenbar wurde. Sein ganzes Leben war ein Tadel ihrer Selbstsucht, und als die schließliche Prüfung kam, die Prüfung, welche Gehorsam zum ewigen Leben, oder Ungehorsam zum ewigen Tode bedeutete, da verwarfen sie den Heiligen Israels. Als ihnen die Wahl zwischen Christo und Barabbas gestellt wurde, da riefen sie: "Gib uns Barabbas los!" Und als Pilatus fragte: "Was soll ich denn machen mit Jesu?" Da schrien sie: "Laß ihn kreuzigen!" "Soll ich euren König kreuzigen?" fragte Pilatus; und von den Priestern und Obersten kam die Antwort: "Wir haben keinen König denn den Kaiser." Als Pilatus seine Hände wusch und sagte: "Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten," da schlossen sich die Priester der leidenschaftlichen Erklärung der Menge an: "Sein Blut komme über uns und unsre Kinder!" Lukas 23,18; Matthäus 27,22; Johannes 19,15; Matthäus 27,24.25. CGl 292 2 {CGl 292.1 Die Juden hegten die Idee, daß sie die Günstlinge des Himmels seien und immer als die Gemeinde Gottes über alle anderen emporragen sollten, Nach ihrer Auffassung waren sie die Kinder Abrahams, und zwar schien ihnen die Grundlage ihres Wohlergehens so fest zu stehen, daß sie Himmel und Erde herausforderten, ihnen ihr Recht streitig zu machen. Indem sie aber so treulos wandelten, bereiteten sie selbst den Tag vor, da der Himmel sie verwarf und Gott sich von ihnen trennte. CGl 292 3 Im Gleichnis vom Weinberg veranschaulichte Christus den Priestern die krönende Handlung ihrer Gottlosigkeit und stellte dann die Frage an sie: "Wenn nun der Her des Weinberges kommen wird, was wird er diesen Weingärtnern tun?" Die Priester waren seiner Erzählung mit großem Interesse gefolgt und ohne dieselbe auf sich selbst anzuwenden, schlossen sie sich der Antwort des Volkes an: "Er wird die Bösewichter übel umbringen und seinen Weinberg andern Weingärtnern austun, die ihm die Früchte zu rechter Zeit geben." CGl 292 4 Ohne es zu wissen, hatten sie ihr eigenes Urteil gesprochen. Jesus blickte sie an und unter seinem forschenden Blick wußten sie, daß er die Geheimnisse ihres Herzens las. Seine Gottheit strahlte von ihm in unverkennbarer Kraft vor ihnen aus. Sie sahen in den Weingärtnern ihr eigenes Bild und riefen unwillkürlich aus: "Das sei ferne!" Lukas 20,16. CGl 292 5 Feierlich und mit Bedauern sagte Christus: "Habt ihr nie gelesen in der Schrift: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein worden. Von dem Herrn ist das geschehen, und es ist wunderbarlich vor unsern Augen? Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volke gegeben werden, das seine Früchte bringt. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf welchen aber er fällt, den wird er zermalmen." CGl 292 6 Christus würde das Schicksal des jüdischen Volkes abgewandt haben, wenn die Leute ihn angenommen hätten. Aber Neid und Eifersucht machten sie unversöhnlich. Sie beschlossen, Jesum von Nazareth nicht als den Messias anzunehmen. Sie verwarfen das Licht der Welt, und hinfort war ihr Leben von einer Finsternis, so dicht wie die Finsternis der Mitternacht umgeben. Das vorausgesagte Verhängnis kam über die Juden. Ihre eigenen unbezähmten, wilden Leidenschaften hatten ihr Verderben zur Folge. In blinder Wut vernichteten sie einander. Durch den empörerischen, hartnäckigen Stolz zogen sie sich den Zorn der römischen Besieger zu. Jerusalem wurde zerstört, der Tempel zur Ruine gemacht und der Platz, wo er gestanden, wie ein Feld gepflügt. Die Kinder Judas kamen auf die schrecklichsten Weisen um. Millionen wurden verkauft, um in heidnischen Ländern als Sklaven zu dienen. CGl 293 1 Als Volk hatten die Juden die Absicht Gottes nicht erfüllt und der Weinberg wurde von ihnen genommen. Die Vorrechte, die sie mißbraucht, das Werk, welches sie vernachlässigt hatten, wurde anderen anvertraut. Die Gemeinde der Jetztzeit CGl 294 1 Das Gleichnis vom Weinberg findet nicht nur auf das jüdische Volk Anwendung; es enthält auch eine Lehre für uns. Der Gemeinde des gegenwärtigen Geschlechts hat Gott große Vorrechte und Segnungen zuteil werden lassen und er erwartet auch, demgemäß Früchte zu sehen. CGl 294 2 Wir sind durch ein hohes Lösegeld erlöst worden. Nur wenn wir die Größe dieses Lösegeldes erkennen, können wir uns von dem Ergebnis desselben einen Begriff machen. Auf dieser Erde, der Erde, deren Boden durch die Tränen und das Blut des Sohnes Gottes befeuchtet worden ist, sollen die köstlichen Früchte des Paradieses hervorgebracht werden. Im Leben der Kinder Gottes sollen sich die Wahrheiten seines Wortes in ihrer Herrlichkeit und Vortrefflichkeit offenbaren. Durch seine Gemeinde wird Christus seinen Charakter und die Grundsätze seines Reiches kundtun. CGl 294 3 Satan versucht dem Werke Gottes entgegenzuwirken und er dringt beständig auf die Menschen ein, seine Grundsätze anzunehmen. Er stellt das erwählte Volk Gottes als betörte Menschen dar. Er ist ein Verkläger der Brüder und richtet seine Anklagen und Beschuldigungen gegen die, welche Gerechtigkeit wirken. Der Herr will durch die Seinen die Anklagen Satans beantworten, indem er die Folgen des Gehorsams gegen rechte Grundsätze zeigt. CGl 294 4 Diese Grundsätze sollen im einzelnen Christen, in der Familie und der Gemeinde und in jeder zur Förderung des Werkes Gottes begründeten Anstalt offenbart werden. Alle sollen Erkennungszeichen sein, was für die Welt getan werden kann. Sie sollen Vorbilder sein von der rettenden Kraft des Evangeliums. Alle sind Werkzeuge zur Erfüllung der großen Absicht Gottes mit dem Menschengeschlecht. CGl 294 5 Die jüdischen Leiter blickten mit Stolz auf ihren großartigen herrlichen Tempel und die feierlichen Gebräuche ihres Gottesdienstes; aber Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und die Liebe Gottes mangelten ihnen. Die Herrlichkeit des Tempels und der Glanz ihres Gottesdienstes konnten sie vor Gott nicht angenehm machen, denn das, was in seinen Augen allein von Wert ist, brachten sie ihm nicht dar. Sie brachten ihm nicht das Opfer eines demütigen und zerschlagenen Geistes. Wenn die lebengebenden Grundsätze des Reiches Gottes aus den Augen verloren werden, dann häufen sich die Zeremonien und der Prunk mehrt sich. Wenn wir den Aufbau des Charakters vernachlässigen, wenn der Schmuck der Seele mangelt, wenn die Einfältigkeit der Gottseligkeit aus den Augen verloren wird, dann verlangen der Stolz und die Liebe zu äußerlichem Schaugepränge großartige Kirchen, kostbare Ausschmückungen und Achtung einflößende Zeremonien. Aber durch alles dieses wird Gott nicht geehrt. Eine Religion, die sich dem herrschenden Geschmack anpaßt, die aus Zeremonien, Schein und äußerlichem Gepränge besteht, nimmt er nicht an. An solchen Gottesdiensten nehmen die himmlischen Boten keinen Anteil. CGl 295 1 Die Gemeinde ist in den Augen Gottes köstlich geachtet. Er schätzt sie nicht ihrer äußerlichen Vorteile wegen, sondern wegen der aufrichtigen Frömmigkeit, durch welche sie sich von der Welt unterscheidet. Er schätzt sie nach dem Wachstum der Glieder in der Erkenntnis Christi, nach ihrem Fortschritt in geistlicher Erfahrung. CGl 295 2 Christus verlangt darnach, von seinem Weinberg die Frucht der Heiligkeit und Selbstlosigkeit zu bekommen. Er sucht nach den Grundsätzen der Liebe und Güte. Alle Schönheit der Kunst hält keinen Vergleich aus mit der Schönheit des Gemüts und des Charakters, die sich in Christi Nachfolger offenbaren soll. Die ganze Umgebung des Gläubigen atmet Gnade, der Heilige Geist wirkt auf Gemüt und Herz, so daß er ein Geruch des Lebens zum Leben wird und Gott sein Wirken segnen kann. CGl 295 3 Eine Gemeinde mag die ärmste im Lande sein, sie mag in ihrem Äußeren nichts Anziehendes haben, wenn aber die Glieder die Grundsätze des Charakters Christi besitzen, dann wird auch seine Freude ihre Seelen füllen. Engel werden sich mit ihnen vereinen, wenn sie anbeten. Lob- und Danksagungen von dankerfüllten Herzen werden als ein süßer Weihrauch zu Gott aufsteigen. CGl 296 1 Der Herr wünscht, daß wir seiner Güte gedenken und von seiner Macht erzählen. Er wird durch unser Lob und unsern Dank geehrt. Sagt er doch: "Wer Dank opfert, der preiset mich." Psalm 50,23. Als das Volk Israel durch die Wüste zog, pries es Gott in heiligen Liedern. Die Gebote und Verheißungen des Herrn wurden in Musik gesetzt und die ganze Reise hindurch von den Pilgrimen gesungen. Und wenn sie sich in Kanaan zu ihren heiligen Festen versammelten, sollten sie der wunderbaren Werke Gottes gedenken und seinem Namen Dank opfern. Gott wünschte, daß das ganze Leben der Seinen ein Leben des Lobes und Preises sein sollte. Dadurch sollten die Menschen auf Erden seinen Weg erkennen und sein Heil unter allen Heiden oder Völkern gesehen werden. Psalm 67,3. CGl 296 2 So sollte es auch jetzt sein. Die Weltmenschen beten falsche Götter an. Sie müssen von ihrer falschen Anbetung abgebracht werden und zwar nicht, indem man gegen ihre Götter spricht, sondern indem sie etwas Besseres sehen. Die Güte und Liebe Gottes soll bekannt gemacht werden. "Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr; so bin ich Gott." Jesaja 43,12. CGl 296 3 Der Herr wünscht, daß wir den großen Erlösungsplan recht schätzen und würdigen, das uns als Gottes Kindern angebotene Vorrecht erkennen und mit dankbarem Herzen im Gehorsam vor ihm wandeln. Er wünscht, daß wir ihm in einem neuen Leben jeden Tag mit Freuden dienen. Er sehnt sich darnach, unsere Herzen in Dankbarkeit überwallen zu sehen, weil unsere Namen im Lebensbuch des Lammes geschrieben sind. Und weil wir alle unsere Sorgen auf ihn werfen können, der für uns sorgt. Er will, daß wir uns freuen, weil wir das Erbteil des Herrn sind, weil die Gerechtigkeit Christi das weiße Gewand seiner Heiligen ist, weil wir die selige Hoffnung der baldigen Wiederkunft unseres Heilandes haben. CGl 296 4 Gott mit aufrichtigem Herzen zu loben und zu preisen, ist ebensowohl eine Pflicht als das Gebet. Wir sollen der Welt und allen himmlischen Wesen zeigen, daß wir die wunderbare Liebe Gottes zu dem gefallenen Menschengeschlecht schätzen und daß wir größere und wiederum größere Segnungen aus seiner unendlichen Fülle erwarten. Wir müssen viel mehr, als wir es tun, von unsern köstlichen Erfahrungen im Herrn reden. Nach einer besonderen Ausgießung des Heiligen Geistes würde unsere Freude im Herrn und unsere Wirksamkeit in seinem Dienste bedeutend zunehmen, wenn wir von seiner Liebe und seinem wunderbaren Wirken für seine Kinder erzählten. CGl 297 1 Dadurch wird die Macht Satans zurückgetrieben. Der Geist des Murrens und Klagens schwindet, der Versucher verliert den Boden unter den Füßen, und Charaktereigenschaften, welche die Erdbewohner für die himmlischen Wohnungen geschickt machen, werden gestärkt. CGl 297 2 Ein solches Zeugnis wird einen Einfluß auf andere haben. Es kann kein wirksameres Mittel benutzt werden, um Seelen für Christum zu gewinnen. CGl 297 3 Wir sollen Gott durch einen wirklichen Dienst loben, indem wir alles tun, was in unserer Macht steht, um seinen Namen zu verherrlichen. Gott teilt uns seine Gaben mit, damit wir auch anderen geben und dadurch seinen Charakter der Welt bekannt machen können. Unter den göttlichen Einrichtungen für die Juden bildeten Gaben und Opfer einen wesentlichen Teil des Gottesdienstes. Die Israeliten wurden gelehrt, den Zehnten von ihrem ganzen Einkommen dem Dienste im Heiligtum zu weihen. Außerdem mußten sie Sündopfer, freiwillige Gaben und Dankopfer darbringen. Dies waren die Mittel, durch welche zu jener Zeit die Prediger des Evangeliums unterhalten wurden. Gott erwartet nicht weniger von uns, als er vor alters von seinem Volk erwartete. Das große Werk der Seelenrettung muß vorangehen. Durch Anordnung des Zehnten, sowie des Darbringens von Gaben und Opfern, hat er Vorkehrungen zur Förderung diese Werkes getroffen. Er will, daß auf diese Weise das Predigen des Evangeliums unterstützt werden soll. Er beansprucht den Zehnten als sein Eigentum und wir sollten ihn auch als heilig betrachten und ihn zurücklegen in die Schatzkammer des Herrn, um seine Sache zu fördern. Er ersucht uns auch um freiwillige Gaben und Dankopfer. Alles soll dazu verwandt werden, damit das Evangelium nach den entlegensten Teilen der Erde getragen werde. CGl 298 1 Dem Herrn dienen, schließt eine persönliche Arbeit ein. Durch persönliches Wirken sollen wir seine Mitarbeiter in der Errettung der Welt sein. Der Auftrag Christi: "Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Kreatur" (Markus 16,15), ist an einen jeden seiner Nachfolger gerichtet. Alle, welche zum Leben in Christo berufen sind, sind auch berufen, für das Heil ihrer Mitmenschen zu wirken. Ihre Herzen werden in Harmonie mit dem Herzen Christi sein. Dasselbe Verlangen, welches er hatte, Seelen gerettet zu sehen, wird auch von ihnen bekundet werden. Nicht alle können dieselbe Stellung im Werke ausfüllen, aber es gibt einen Platz und eine Arbeit für jeden. CGl 298 2 Vor alters standen Abraham, Isaak, Jakob, Moses mit seiner Sanftmut und Weisheit und Josua mit seinen verschiedenen Fähigkeiten im Dienste Gottes. Die Musik Mirjams, der Mut und die Frömmigkeit Deboras, die kindliche Anhänglichkeit Ruts, der Gehorsam und die Treue Samuels, die strenge Gewissenhaftigkeit Elias, der besänftigende Einfluß Elisas -- sie alle waren notwendig. So sollten auch jetzt alle, denen der Segen Gottes zuteil geworden ist, ihre Dankbarkeit durch tätiges Dienen bekunden; eine jede empfangene Gabe soll zur Förderung seines Reiches und zur Verherrlichung seines Namens benutzt werden. CGl 298 3 Alle, die Christum als einen persönlichen Heiland annehmen, sollen die Wahrheit des Evangeliums und seine errettende Kraft in ihrem Leben offenbaren. Gott stellt keine Forderung, ohne auch Vorkehrungen zu ihrer Erfüllung zu treffen. Durch die Gnade Christi können wir alles ausrichten, was Gott von uns fordert. Alle Schätze des Himmels sollen durch Gottes Volk offenbart werden. "Darinnen wird mein Vater geehret," sagt Christus, "daß ihr viel Frucht bringet und werdet meine Jünger." Johannes 15,8. CGl 298 4 Gott beansprucht die ganze Erde als seinen Weinberg. Obgleich sie jetzt in den Händen des Thronräubers ist, gehört sie doch Gott. Sie ist durch die Erlösung nichts weniger sein, als durch die Schöpfung; denn das Opfer Christi wurde für die ganze Welt dargebracht. "Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingebornen Sohn gab." Johannes 3,16. Durch diese eine Gabe werden den Menschen alle anderen Gaben mitgeteilt. Die ganze Welt empfängt täglich Segnungen von Gott. Jeder Regentropfen, jeder Lichtstrahl, der auf unser undankbares Geschlecht fällt, jedes Blatt, jede Blume und eine jede Frucht bezeugt die Langmut Gottes und seine große Liebe. CGl 299 1 Welcher Dank aber wird dem großen Geber dafür? Wie nehmen die Menschen die Ansprüche Gottes auf? Wem weihen die großen Massen des Menschengeschlechts ihr ganzes Leben hindurch ihren Dienst? Sie dienen dem Mammon. Reichtum, Stellung, Vergnügen in der Welt ist ihr Ziel. Sie verschaffen sich Reichtum durch Raub, indem sie nicht nur Menschen, sondern auch Gott berauben. Sie benutzen seine Gaben, um ihre selbstsüchtigen Gelüste zu befriedigen. Alles, was sie nur erhaschen können, muß ihrer Habsucht und ihrer selbstsüchtigen Vergnügungsliebe dienen. CGl 299 2 Die Sünde der Welt ist heute dieselbe, welche das Verderben über Israel brachte. Undankbarkeit gegen Gott, die Vernachlässigung von Gelegenheiten und Segnungen, die selbstsüchtige Verwendung der Gaben Gottes -- diese alle waren in der Sünde einbegriffen, welche den Zorn Gottes über Israel brachte. Sie bringen auch heute noch Verderben über die Welt. CGl 299 3 Die Tränen, welche Christus auf dem Ölberge vergoß, als er auf die erwählte Stadt blickte, wurden nicht über Jerusalem allein vergossen. Im Schicksal Jerusalems schaute er die Zerstörung der Welt. CGl 299 4 "Wenn doch auch du erkennetest zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet! Aber nun ist's vor deinen Augen verborgen." Lukas 19,42. CGl 299 5 "Zu dieser deiner Zeit." Die Zeit nähert sich ihrem Abschluß. Die Zeit der Gnade und der angebotenen Vorrechte ist beinahe dahin. Die Wolken der Rache sammeln sich. Die Verächter der Gnade Gottes stehen im Begriff von dem schnell eilenden, unvermeidlichen Verderben verschlungen zu werden. CGl 299 6 Dennoch schläft die Welt. Die Menschen erkennen die Zeit ihrer Heimsuchung nicht. CGl 299 7 Wo befindet sich in dieser Zeit der Krisis die Gemeinde? Entsprechen ihre Glieder den Anforderungen Gottes? Erfüllen sie seine Aufträge und stellen sie seinen Charakter der Welt dar? Lenken sie die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen auf die letzte gnadenvolle Botschaft? CGl 300 1 Den Menschen droht Gefahr. Große Scharen kommen um. Aber wie wenige derer, die sich für Nachfolger Christi ausgeben, fühlen eine Last für diese Seelen! Das Schicksal einer Welt liegt auf der Waagschale, aber das bewegt selbst diejenigen kaum, welche vorgeben, die weitreichendste Wahrheit, die je an Sterbliche ergangen ist, zu glauben. Es mangelt ihnen jene Liebe, die Christum trieb, sein himmlisches Heim zu verlassen und die Natur des Menschen anzunehmen, auf daß das Menschliche die Menschheit berühren und sie zur Gottheit hinziehen könnte. Es ist eine Lähmung, eine Betäubung über die Kinder Gottes gekommen, wodurch sie gehindert werden, ihre gegenwärtige Pflicht zu erkennen. CGl 300 2 Als die Israeliten ins Land Kanaan hineingingen, erfüllten sie nicht die Absicht Gottes, Besitz von dem ganzen Lande zu nehmen; sondern nachdem sie es teilweise eingenommen hatten, ließen sie sich nieder, um die Früchte ihrer Siege zu genießen. In ihrem Unglauben und in ihrer Liebe zur Bequemlichkeit sammelten sie sich in den schon unterworfenen Teilen an, anstatt vorwärts zu dringen und neues Gebiet einzunehmen. Auf diese Weise fingen sie an von Gott abzuweichen und indem sie es unterließen, seine Absicht auszuführen, machten sie es ihm unmöglich, ihnen den verheißenen Segen zu geben. Tut nicht die Gemeinde der Jetztzeit ganz dasselbe? Mit der ganzen Welt, die doch des Evangeliums so dringend bedarf, vor sich, lassen vorgebliche Christen sich da nieder, wo sie sich zusammen des Evangeliums erfreuen können. Sie fühlen nicht die Notwendigkeit, ein neues Gebiet einzunehmen und die Botschaft des Heils nach entfernten Gegenden zu tragen. Sie weigern sich, den Auftrag Christi zu erfüllen: "Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur." Markus 16,15. Sind sie weniger schuldig als die jüdische Gemeinde es war? CGl 300 3 Die vorgeblichen Nachfolger Christi werden vor dem ganzen Weltall geprüft, aber ihr Mangel an Eifer und die Lauheit ihrer Bestrebungen im Dienste Gottes, kennzeichnen sie als untreu. Wenn das, was sie tun, das Beste wäre, das sie tun können, dann würde keine Verdammnis auf ihnen ruhen; aber sie könnten viel mehr tun, wenn ihre Herzen im Werke wären. Sie wissen und die Welt weiß es, daß sie in einem hohen Grade den Geist der Selbstverleugnung und des Kreuztragens verloren haben. Es gibt viele, gegenüber deren Namen in den Büchern des Himmels geschrieben steht: Kein Sammler, sondern ein Zerstreuer. Viele, die den Namen Christi tragen, verdunkeln seine Herrlichkeit, verschleiern seine Schönheit und enthalten ihm die ihm gebührende Ehre vor. CGl 301 1 Es gibt viele, deren Namen wohl in den Gemeindebüchern, die aber selbst nicht unter der Herrschaft Christi stehen. Sie mißachten seine Lehren und tun seinen Willen nicht. Darum sind sie unter der Herrschaft des Feindes. Sie tun nichts ausdrücklich Gutes und darum tun sie unberechenbaren Schaden. Weil ihr Einfluß kein Geruch des Lebens zum Leben ist. So ist er ein Geruch des Todes zum Tode. CGl 301 2 Der Herr sagt: "Und ich sollte sie um solches nicht heimsuchen?" Jeremia 5,9. Weil die Kinder Israel Gottes Absicht nicht ausführten, wurden sie beiseite gesetzt und der Ruf Gottes erging an andere Völker. Wenn diese sich auch als untreu erweisen, werden sie dann nicht in gleicher Weise verworfen werden? CGl 301 3 Im Gleichnis vom Weinberg waren es die Weingärtner, die von Christo als schuldig bezeichnet wurden. Sie waren es, die sich geweigert hatten, ihrem Herrn die Frucht seines Weinberges zu geben. Im jüdischen Volke waren es die Priester und Lehrer, welche, indem sie das Volk irreleiteten, Gott des Dienstes beraubt hatten, den er beanspruchte. Sie waren es, die das Volk von Christo abwendig machten. CGl 301 4 Das Gesetz Gottes, frei von menschlichen Überlieferungen, wurde von Christo als die große Richtschnur des Gehorsams hingestellt. Dies erregte die Feindschaft der Rabbiner. Sie hatten menschliche Lehren über Gottes Wort gestellt und das Volk von seinen Vorschriften abgebracht. Sie wollten ihre Menschensatzungen nicht aufgeben, um den Forderungen des Wortes Gottes nachzukommen. Sie wollten um der Wahrheit willen den Eigenstolz und das Lob der Menschen nicht preisgeben. Als Christus kam und dem Volke die Ansprüche Gottes vorhielt, da versagten die Priester und Ältesten ihm das Recht, sich zwischen sie und das Volk zu stellen. Sie wollten seine Zurechtweisungen und Warnungen nicht annehmen und bemühten sich, das Volk gegen ihn aufzustacheln und seinen Tod herbeizuführen. CGl 302 1 Sie waren verantwortlich für die Verwerfung Christi und die daraus entstandenen Folgen. Die Sünde eines ganzen Volkes und das Verderben eines ganzen Volkes waren den religiösen Leitern zuzuschreiben. CGl 302 2 Sind nicht in unserer Zeit dieselben Einflüsse am Wirken? Folgen nicht viele Weingärtner im Weinberge des Herrn den Fußtapfen der jüdischen Leiter? Bringen nicht viele Religionslehrer die Menschen von den klaren Forderungen des Wortes Gottes ab? Veranlassen sie dieselben nicht zur Übertretung, anstatt sie zum Gehorsam gegen das Gesetz Gottes anzuleiten? Von vielen Kanzeln in den Kirchen wird das Volk gelehrt, daß das Gesetz Gottes nicht bindend für sie ist. Menschliche Überlieferungen, Satzungen und Gebräuche werden erhoben. Stolz und Selbstzufriedenheit wegen der Gaben Gottes werden genährt, während Gottes Ansprüche unbeachtet bleiben. CGl 302 3 Wenn die Menschen das Gesetz Gottes beiseite setzen, wissen sie nicht, was sie tun. Gottes Gesetz ist der Ausdruck seines Charakters. Es verkörpert die Grundsätze seines Reiches. Wer sich weigert, diese Grundsätze anzunehmen, bringt sich selbst in eine Verfassung, in der ihm der Segen Gottes nicht zufließen kann. CGl 302 4 Die großen Herrlichkeiten, die Israel gezeigt wurden, konnten nur durch Gehorsam gegen Gottes Gebote erkannt werden. So können auch wir nur durch Gehorsam denselben edlen Charakter, dieselbe Fülle der Segnungen -- Segen an Seele, Körper und Geist, Segen auf Haus und Feld, Segen für dieses und das zukünftige Leben -- erhalten. CGl 302 5 In der geistlichen, wie auch in der natürlichen Welt wird das Hervorsprießen der Frucht durch den Gehorsam gegen die Gesetze Gottes bedingt. Wenn Menschen lehren, Gottes Gebote zu mißachten, so hindern sie andere daran, zu seiner Ehre Frucht zu bringen. Sie laden dann die Schuld auf sich, dem Herrn die Früchte seines Weinberges vorzuenthalten. CGl 303 1 Die Boten Gottes kommen auf das Gebot des Meisters zu uns. Sie kommen und fordern, wie Christus es tat, Gehorsam gegen das Wort Gottes. Sie begründen seinen gerechten Anspruch auf die Früchte des Weinberges, Früchte der Liebe und Demut und des selbstaufopfernden Dienstes. Werden nicht viele Weingärtner des Weinberges, wie jene jüdischen Leiter, zornig, und benutzen, wenn die Ansprüche des göttlichen Gesetzes dem Volke vorgelegt werden, ihren Einfluß, um die Menschen zu veranlassen, es zu verwerfen? Solche Lehrer nennt Gott untreue Knechte. CGl 303 2 Die Worte Gottes an das alte Israel enthalten eine ernste, feierliche Mahnung an die Gemeinde dieser Zeit und ihre Lehrer. Von Israel sagte der Herr: "Wenn ich ihm gleich viel tausend Gebote meines Gesetzes schreibe, so wird's geachtet wie eine fremde Lehre." Hosea 8,12. Und den Priestern und Lehrern erklärte er: "Mein Volk ist dahin, darum daß es nicht lernen will. Denn du verwirfest Gottes Wort, darum will ich dich auch verwerfen ... Du vergißest des Gesetzes deines Gottes, darum will ich auch deiner Kinder vergessen." Hosea 4,6. CGl 303 3 Sollen die Warnungen Gottes unbeachtet bleiben? Sollen die Gelegenheiten, ihm zu dienen, unbenutzt bleiben? Sollen der Hohn der Welt, das Brüsten mit dem eigenen Wissen, das Sichanpassen an die menschlichen Gebräuche und Überlieferungen die bekenntlichen Nachfolger Christi davon abhalten, Gott zu dienen? Werden sie das Wort Gottes verwerfen, wie die jüdischen Leiter Christum verwarfen? Die Folgen der Sünde Israels sind längst offenbar. Wird die Gemeinde der Jetztzeit sich dadurch warnen lassen? CGl 303 4 "Ob aber nun etliche von den Zweigen ausgebrochen sind und du, da du ein wilder Ölbaum warest, bist unter sie gepfropfet und teilhaftig worden der Wurzel und des Saftes im Ölbaum, so rühme dich nicht ... Sie sind ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du stehest aber durch den Glauben. Sei nicht stolz, sondern fürchte dich. Hat Gott der natürlichen Zweige nicht verschonet, daß er vielleicht dein auch nicht verschone." Römer 11,17-21. ------------------------Kapitel 24 -- Ohne hochzeitlich Kleid CGl 304 1 Auf der Grundlage von Matthäus 22,1-14. CGl 304 2 Das Gleichnis vom hochzeitlichen Kleide enthält eine Lehre von größter Wichtigkeit. Durch die Hochzeit wird die Vereinigung der Menschheit mit der Gottheit dargestellt; das hochzeitliche Gewand stellt den Charakter dar, den alle haben müssen, die als geeignete Gäste für die Hochzeit erfunden werden. CGl 304 3 In diesem Gleichnis sowohl, wie in jenem vom großen Abendmahl, werden die Evangeliumseinladung, ihre Verwerfung durch das jüdische Volk und der gnadenvolle Ruf an die Heiden geschildert. Aber betreffs derer, welche die Einladung verwerfen, zeigt dies Gleichnis eine noch größere Beleidigung und eine noch schrecklichere Bestrafung. Die Einladung zum Feste ist eines Königs Einladung. Sie wird von jemand gegeben, der Macht hat zu gebieten. Durch sie wird dem Geladenen eine große Ehre erwiesen. Aber die Ehre wird nicht geschätzt. Die Autorität des Königs wird verachtet. Während die Einladung des Hausvaters mit Gleichgültigkeit aufgenommen wurde, hat die des Königs sogar die Beleidigung und Ermordung seiner Knechte zur Folge. Sie behandelten seine Knechte mit Verachtung, höhnten und töteten sie. CGl 304 4 Als der Hausvater sah, wie seine Einladung abgewiesen wurde, erklärte er, daß keiner der Geladenen sein Mahl schmecken solle. Aber denen, welche den König derart geschmäht hatten, wurde eine größere Strafe auferlegt, als die Verbannung von seiner Gegenwart. Er "schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an." CGl 305 1 In beiden Gleichnissen wird das Fest mit Gästen versehen, aber das zweite zeigt, daß alle, die dem Feste beiwohnen, eine Vorbereitung für dasselbe treffen müssen. Wer diese Vorbereitung unterläßt, wird ausgestoßen. "Da ging der König hinein, die Gäste zu besehen, und sah allda einen Menschen, der hatte kein hochzeitlich Kleid an, und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hereinkommen und hast doch kein hochzeitlich Kleid an? Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße, und werfet ihn in die Finsternis hinaus! da wird sein Heulen und Zähneklappen." CGl 305 2 Die Einladung zum Feste war von Christi Jüngern gegeben worden. Unser Herr hatte die Zwölfe und später die Siebzig ausgesandt, um zu verkündigen, daß das Reich Gottes nahe sei, und die Menschen aufzufordern, Buße zu tun und dem Evangelium zu glauben. Aber die Einladung wurde nicht beachtet. Die zum Feste Geladenen kamen nicht. Später wurden die Knechte ausgesandt mit der Botschaft: "Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles bereit, kommt zur Hochzeit!" Dies war die Botschaft, die den Juden nach der Kreuzigung Christi gebracht wurde; aber das Volk, das doch behauptete, das Besondere Volk Gottes zu sein, verwarf das ihm in der Kraft des Heiligen Geistes gebrachte Evangelium. Viele taten dies in einer höchst spöttischen Weise. Andere wurden, weil sie den Herrn der Herrlichkeit verwarfen, über das Anerbieten des Heils und das Anerbieten der Vergebung so erbittert, daß sie sich gegen die Träger der Botschaft wandten. Es fand "eine große Verfolgung" statt. Apostelgeschichte 8,1. Viele Männer und Frauen wurden ins Gefängnis geworfen und einige der Boten des Herrn, wie Stephanus und Jakobus, wurden getötet. CGl 305 3 So besiegelte das jüdische Volk seine Verwerfung der Gnade Gottes. Die Folge davon hatte Christus in diesem Gleichnis vorausgesagt. Der König "schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an." Das über die Juden ausgesprochene Urteil kam über sie in der Zerstörung Jerusalems und in der Zerstreuung des Volkes. CGl 306 1 Die dritte Einladung zum Feste stellt das Predigen des Evangeliums an die Heiden dar. Der König sagte: "Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren's nicht wert. Darum gehet hin auf die Straßen und ladet zur Hochzeit, wen ihr findet." CGl 306 2 Die Knechte des Königs gingen dann hinaus "auf die Straßen und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute". Es war eine gemischte Gesellschaft. Einige von ihnen hatten nicht mehr wirkliche Achtung vor dem Gastgeber als die, welche die Einladung gar nicht angenommen hatten. Die zuerst geladene Klasse konnte, wie sie dachte, ihre weltlichen Vorteile nicht opfern, um dem Feste des Königs beizuwohnen. Und unter denen, welche die Einladung angenommen hatten, waren einige, welche nur darauf bedacht waren, sich selbst dadurch zu nützen. Sie kamen, um an den Genüssen des Festes teilzunehmen, wünschten aber durchaus nicht, den König zu ehren. CGl 306 3 Als der König hinein ging, um die Gäste zu besehen, wurde der wirkliche Charakter aller offenbar. Für einen jeden der zum Feste geladenen Gäste wurde ein hochzeitliches Gewand bereit gehalten. Dieses Gewand war eine Gabe des Königs. Durch das Tragen desselben bezeigten die Gäste ihre Achtung vor dem Gastgeber. Ein Mann war aber in seinen gewöhnlichen Kleidern erschienen. Er hatte sich geweigert, die vom König geforderte Vorbereitung zu treffen. Er verschmähte es, das mit großen Kosten für ihr beschaffte Gewand zu tragen. Dadurch beleidigte er seinen Herrn. Auf des Königs Frage: "Wie bist du hereinkommen und hast doch kein hochzeitlich Kleid an?" konnte er nichts antworten. Er war durch sich selbst verdammt. Dann sagte der König: "Bindet ihm Hände und Füße und werfet ihn in die Finsternis hinaus." CGl 306 4 Durch das Prüfen der Gäste, welches der König auf dem Feste vornimmt, wird das Untersuchungsgericht dargestellt. Die Gäste beim Evangeliumsfeste sind die, welche bekennen, Gott zu dienen, es sind die, deren Namen im Buche des Lebens geschrieben stehen. Aber nicht alle, die bekennen Christen zu sein, sind wahre Jünger. Ehe die Belohnung gegeben wird, muß entschieden sein, wer geschickt ist, am Erbteil der Gerechten teilzunehmen. Diese Entscheidung muß vor der Wiederkunft Christi in den Wolken des Himmels getroffen werden, denn wenn er kommt, ist sein Lohn mit ihm, "zu geben einem jeglichen, wie seine Werke sein werden." Offenbarung 22,12. Vor seinem Kommen wird demnach der Charakter der Werke eines jeden Menschen festgestellt und einem jeden der Nachfolger Christi der Lohn nach seinen Werken zuerkannt worden sein. CGl 308 1 Während die Menschen noch hier auf Erden leben, findet das Untersuchungsgericht im himmlischen Gerichtshof statt. Das Leben aller, die da bekennen, seine Nachfolger zu sein, wird von Gott einer Untersuchung unterworfen; alle werden nach den Berichten in den Büchern des Himmels geprüft, und das Schicksal eines jeden wird nach seinen Werken auf ewig festgestellt. CGl 308 2 Durch das hochzeitliche Kleid, von welchem im Gleichnis die Rede ist, wird der reine, fleckenlose Charakter, welchen die wahren Nachfolger Christi besitzen werden, dargestellt. Es wird der Gemeinde gegeben, "sich anzutun mit reiner und schöner Leinwand," auf daß sie sei "eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder des etwas". "Die köstliche Leinwand aber," sagt die Schrift, "ist die Gerechtigkeit der Heiligen." Offenbarung 19,8; Epheser 5,27. Es ist die Gerechtigkeit Christi -- sein fleckenloser Charakter -- die durch den Glauben aller mitgeteilt wird, die ihn als ihren persönlichen Heiland annehmen. CGl 308 3 Das weiße Gewand der Unschuld wurde von unsern Stammeltern getragen, als sie von Gott in das heilige Eden gesetzt wurden. Sie lebten in vollkommener Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Alle ihre Liebe konzentrierte sich auf ihren himmlischen Vater. Ein schönes, weiches Licht, das Licht Gottes, umhüllte das heilige Paar. Dies Lichtgewand war ein Sinnbild ihrer geistlichen Gewänder himmlischer Unschuld. Wären sie Gott treu geblieben, so würde es sie beständig eingehüllt haben; als aber die Sünde Eingang fand, schnitten sie ihre Verbindung mit Gott ab, und das Licht, welches sie umgeben hatte, schwand. Nackt und beschämt versuchten sie das himmlische Gewand dadurch zu ersetzen, daß sie Feigenblätter zu einer Decke zusammenflochten. CGl 308 4 Dies haben die Übertreter des Gesetzes Gottes getan, seit dem Tage, da Adam und Eva in Ungehorsam fielen. Sie haben Feigenblätter zusammengeflochten, um die durch Übertretung verursachte Blöße zu decken. Sie haben die von ihnen selbst gemachten Kleider getragen; sie haben versucht, durch ihre eigenen Werke ihre Sünden zu bedecken und sich vor Gott angenehm zu machen. CGl 309 1 Aber dies kann nie geschehen. Der Mensch kann nichts erfinden oder herstellen, was die Stelle seines verlorenen Gewandes der Unschuld einnehmen könnte. Keine Decke aus Feigenblättern, kein irdisches Gewand kann von denen getragen werden, die sich mit Christo und den Engeln zum Abendmahl des Lammes niedersetzen. Nur das Gewand, das Christus selbst für uns vorgesehen hat, kann uns geschickt machen, in der Gegenwart Gottes zu erscheinen. Diese Decke, dies Gewand seiner eigenen Gerechtigkeit wird Christus einer jeden gläubigen, bußfertigen Seele geben. "Ich rate dir," sagt er, "daß du ... von mir kaufest ... weiße Kleider, daß du dich antust und nicht offenbart werde die Schande deiner Blöße." Offenbarung 3,18. CGl 309 2 Dieses auf dem himmlischen Webstuhl gewobene Gewand enthält nicht einen Faden menschlicher Erfindung. Christus hat in seiner Menschheit einen vollkommenen Charakter entwickelt und diesen Charakter will er uns mitteilen. "Alle unsre Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid." Jesaja 64,5. Alles was wir in eigener Kraft tun, ist von Sünde befleckt. Aber der Sohn Gottes "ist erschienen, auf daß er unsere Sünden wegnähme, und ist keine Sünde in ihm." Die Sünde besteht in der "Übertretung des Gesetzes" (1.Johannes 3,5.4, EB), aber Christus kam allen Ansprüchen des Gesetzes nach. Er sagte von sich selbst: "Deinen Willen, mein Gott, tu ich gerne, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen." Psalm 40,9. Als er auf Erden war, sagte er seinen Jüngern, daß er seines Vaters Gebote halte. Johannes 15,10. Durch seinen vollkommenen Gehorsam hat er es jedem Menschen ermöglicht, Gottes Geboten zu gehorchen. Wenn wir uns Christo unterwerfen, so wird unser Herz mit seinem Herzen vereint, unser Wille geht in seinem Willen auf, unsere Gesinnung wird eins mit seiner Gesinnung, unsere Gedanken werden alle unter seine Herrschaft gebracht; wir leben sein Leben. Dies bedeutet, mit dem Kleide seiner Gerechtigkeit bekleidet zu sein. Wenn der Herr dann auf uns blickt, so sieht er nicht das aus Feigenblättern hergestellte Gewand, nicht die Blöße und Häßlichkeit der Sünde, sondern sein eigenes Gewand der Gerechtigkeit, die ja vollkommener Gehorsam gegen das Gesetz Jehovas ist. CGl 309 3 Die zum Hochzeitsmahl erschienenen Gäste wurden vom König einer genauen Prüfung unterzogen. Nur die, welche seinen Forderungen nachgekommen waren und das hochzeitliche Gewand angelegt hatten, wurden angenommen. So ist es auch mit den Gästen beim Evangeliumsfeste, beim Abendmahl des Lammes. Alle müssen sich der genauen Untersuchung des großen Königs unterwerfen und nur die, welche das Gewand der Gerechtigkeit Christi tragen, werden angenommen. CGl 310 1 Gerechtigkeit ist Rechttun; und nach ihren Taten werden alle gerichtet werden. Unsere Charaktere werden offenbar durch das, was wir tun. Die Werke zeigen, ob der Glaube echt ist. CGl 310 2 Es genügt nicht, daß wir glauben, daß Jesus kein Betrüger, und die Religion der Bibel keine schlau ersonnene Fabel ist. Wir können glauben, daß der Name Jesus der einzige Name unter dem Himmel ist, wodurch der Mensch selig werden kann, und dennoch ihn nicht im Glauben zu unserem persönlichen Heiland machen. Es genügt nicht, die Theorie der Wahrheit zu glauben. Es genügt nicht, unsern Glauben an Christum mit dem Munde zu bekennen und unsere Namen im Gemeindebuch eingetragen zu haben. "Wer seine Gebote hält, der bleibet in ihm und er in ihm. Und darum erkennen wir, daß er in uns bleibet, an dem Geist, den er uns gegeben hat." "Und an dem merken wir, daß wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten." 1.Johannes 3,24; 1.Johannes 2,3. Dies ist der Beweis wahrer Bekehrung. Was auch unser Bekenntnis sein mag, es ist von keinem Nutzen, wenn Christus nicht durch Werke der Gerechtigkeit offenbart wird. CGl 310 3 Die Wahrheit muß in das Herz gepflanzt werden. Sie muß das Gemüt beeinflussen und unsere Neigungen beherrschen. Der ganze Charakter muß das Gepräge des Göttlichen haben. Ein jedes Pünktchen, ein jeder Tüttel des Wortes Gottes muß in unser tägliches Leben hineingebracht werden. CGl 310 4 Der Mensch, der Teilhaber der göttlichen Natur wird, wird auch im Einklang mit Gottes großem Maßstab der Gerechtigkeit, seinem heiligen Gesetze, sein. Dies ist die Richtschnur, mit welcher Gott die Handlungen der Menschen mißt, und wird auch der Prüfstein sein, nach welchem die Charaktere im Gericht geprüft werden. CGl 311 1 Es gibt viele, die behaupten, daß das Gesetz durch den Tod Christi abgetan ist, aber durch diese Behauptung widersprechen sie Christi eigenen Worten: "Ihr sollt nicht wähnen, daß ich kommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen ... Bis daß Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe, noch ein Tüttel vom Gesetze." Matthäus 5,17.18. Um die Übertretung des Gesetzes seitens des Menschen zu versöhnen, gab Christus sein Leben dahin. Hätte das Gesetz verändert oder beiseite gesetzt werden können, dann hätte Christus nicht zu sterben brauchen. Durch sein Leben auf Erden ehrte er das Gesetz Gottes. Durch seinen Tod richtete er es auf. Er gab sein Leben als Opfer hin, nicht um das Gesetz Gottes aufzuheben oder einen niedrigeren Maßstab des Rechts einzuführen, sondern damit Gerechtigkeit aufrecht erhalten und die Unveränderlichkeit des Gesetzes gezeigt werden und dieses ewiglich bestehen möge. CGl 311 2 Satan hatte behauptet, daß es dem Menschen unmöglich sei, den Geboten Gottes zu gehorchen; und es ist auch wahr, daß wir dieses in unserer eigenen Kraft nicht tun können. Aber Christus kam in Menschengestalt und beweis durch seinen vollkommenen Gehorsam, daß der Mensch mit Gott verbunden einem jeden Gebote Gottes gehorsam sein kann. CGl 311 3 "Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen Glauben." Johannes 1,12. Diese Macht liegt nicht im Menschen. Es ist die Kraft Gottes. Wenn eine Seele Christum annimmt, dann empfängt sie Kraft, das Leben Christi leben zu können. CGl 311 4 Gott fordert Vollkommenheit von seinen Kindern. Sein Gesetz ist der Ausdruck seines Charakters, und ist das Richtmaß für einen jeden Charakter. Dies göttliche Richtmaß wird allen gegeben, damit niemand eine irrige Ansicht haben möchte betreffs des Charakters der Menschen, aus denen Gott sein Reich aufbauen will. Das Leben Christi auf Erden war ein vollkommener Ausdruck des Gesetzes Gottes, und wenn die, welche beanspruchen, Gottes Kinder zu sein, einen Christo ähnlichen Charakter bekommen, werden sie allen Geboten Gottes gehorchen. Dann kann der Herr sie aufnehmen in die Zahl derer, die einst die himmlische Familie bilden werden. Mit dem herrlichen Gewande der Gerechtigkeit Christi bekleidet, haben sie einen Platz beim Festmahl des Königs. Sie haben ein Recht, sich der im Blute gewaschenen Schar anzuschließen. CGl 312 1 Der Mensch, welcher ohne das hochzeitliche Kleid zum Feste kam, stellt den Zustand vieler dar, die heute in unserer Welt sind. Sie bekennen Christen zu sein und beanspruchen die Segnungen und Vorrechte des Evangeliums, fühlen aber nicht die Notwendigkeit der Ausbildung ihres Charakters. Sie haben niemals wahre Reue über ihre Sünden gehabt. Sie erkennen nicht, wie notwendig sie einen Heiland brauchen; sie üben sich nicht im Vertrauen auf ihn. Sie haben ihre ererbten oder genährten Neigungen zum Unrechttun nicht überwunden. Dennoch halten sie sich selbst für gut genug und verlassen sich auf ihre eigenen Verdienste, anstatt Christo zu vertrauen. Als Hörer des Wortes kommen sie zum Festmahl, aber sie haben das Kleid der Gerechtigkeit Christi nicht angezogen. CGl 312 2 Viele, die sich Christen nennen, sind nur moralisch gute Menschen. Sie haben die Annahme der Gabe verweigert, die allein sie befähigen konnte, Christum dadurch zu ehren, daß sie ihn der Welt darstellten. Das Wirken des Heiligen Geistes ist ihnen fremd geblieben. Sie sind nicht Täter des Wortes. Die himmlischen Grundsätze, welche diejenigen, die eins mit Christo sind, von denen, die eins mit der Welt sind, unterscheiden, sind beinahe unkenntlich geworden. Die vorgeblichen Nachfolger Christi sind nicht mehr ein abgesondertes und besonderes Volk. Die Scheidelinie ist undeutlich. Die Christen passen sich der Welt, ihren Gebräuchen, ihren Gewohnheiten, ihrer Selbstsucht an. Die Gemeinde ist durch die Übertretung des Gesetzes zur Welt übergegangen, wogegen die Welt im Gehorsam gegen das Gesetz zur Gemeinde übergegangen sein sollte. Täglich wendet sich die Gemeinde mehr der Welt zu. CGl 312 3 Alle diese erwarten durch den Tod Christi selig zu werden, während sie sich weigern, sein selbstaufopferndes Leben zu führen. Sie preisen die Reichtümer der freien Gnade und versuchen sich mit einem Anschein der Gerechtigkeit zu bedecken, hoffend, ihre Charaktermängel dadurch zu verbergen, aber ihre Bestrebungen werden ihnen am Tage Gottes von keinem Nutzen sein. CGl 313 1 Die Gerechtigkeit Christi wird auch nicht eine gehegte Sünde bedecken. Ein Mensch mag in seinem Herzen ein Gesetzesübertreter sein; wenn er sich aber keine sichtbare Übertretung zuschulden kommen läßt, so kann er vor der Welt als ein Mann von großer Rechtschaffenheit gelten. Aber das Gesetz Gottes erforscht die Geheimnisse des Herzens. Eine jede Handlung wird nach den Beweggründen, die sie veranlaßten, gerichtet. Nur das, was im Einklang mit den Grundsätzen des Gesetzes Gottes ist, wird im Gericht bestehen. CGl 313 2 Gott ist Liebe. Er hat seine Liebe in der Dahingabe Christi gezeigt. Als "er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben" (Johannes 3,16), da enthielt er seinem erkauften Eigentum nichts vor. Er gab uns den ganzen Himmel, aus dem wir Kraft und Tüchtigkeit ziehen können, um nicht von dem großen, starken Widersacher zurückgetrieben oder überwunden zu werden. Aber seine Liebe läßt ihn nicht die Sünde entschuldigen. Er entschuldigte sie nicht in Satan; er entschuldigte sie nicht in Adam oder Kain und er wird sie auch nicht in irgend einem andern der Menschenkinder entschuldigen. Er wird unsere Sünden nicht unbeachtet lassen und unsere Charaktermängel nicht übersehen. Er erwartet, daß wir in seinem Namen überwinden. CGl 313 3 Die, welche die Gabe der Gerechtigkeit Christi verwerfen, verwerfen die Charaktereigenschaften, die sie zu Söhnen und Töchtern Gottes machen würden. Sie verwerfen das, was allein sie für einen Platz am Hochzeitsfeste zubereiten kann. CGl 313 4 Als der König im Gleichnis fragte: "Wie bist du hereinkommen und hast doch kein hochzeitlich Kleid an?" da verstummte der Mann. So wird es auch an dem großen Gerichtstage sein. Die Menschen mögen jetzt die Mängel in ihrem Charakter entschuldigen, aber an jenem Tage werden sie keine Entschuldigung hervorbringen. CGl 313 5 Die sich zu Christo bekennenden Gemeinschaften in diesem Geschlecht genießen die höchsten Vorrechte. Der Herr hat sich uns im beständig zunehmenden Licht offenbart. Unsere Vorrechte sind viel größer, als die Vorrechte des Volkes Gottes vor alters waren. Wir haben nicht nur das große, dem Volk Israel gegebene Licht, sondern wir haben auch die vermehrten und verstärkten Beweise von dem großen Heil, das Christus uns gebracht hat. Was den Juden Vor- und Sinnbild war, das ist uns Wirklichkeit. Jene hatten die alttestamentliche Geschichte; wir haben diese und das Neue Testament dazu. Wir haben die Gewißheit eines Heilandes, der gekommen ist, eines Heilandes, der gekreuzigt worden und auferstanden ist und der über dem geöffneten Grabe Josephs verkündigt hat: "Ich bin die Auferstehung und das Leben." Durch die Erkenntnis Christi und seiner Liebe ist das Reich Gottes mitten unter uns aufgerichtet. Christus wird in Predigten offenbart und in Liedern besungen. Das geistliche Festmahl ist in reicher Fülle vor uns aufgetragen. Das mit so unendlich großen Kosten beschaffte hochzeitliche Kleid wird einer jeden Seele frei angeboten. Durch die Boten Gottes werden uns die Gerechtigkeit Christi, die Rechtfertigung durch den Glauben, die allergrößten und teuersten Verheißungen des Wortes Gottes, der freie Zutritt zum Vater durch Christum, der Trost des Heiligen Geistes und die auf festem Grunde stehende Versicherung des ewigen Lebens im Reiche Gottes gezeigt. Was könnte Gott für uns tun, das er noch nicht getan hätte, indem er das große Abendmahl, das himmlische Festmahl, für uns bereitete? CGl 314 1 Im Himmel sagen die dienenden Engel: Wir haben den Dienst, zu dem wir ausgesandt wurden, verrichtet. Wir haben die Schar böser Engel zurückgedrängt. Wir haben Licht und Klarheit in die Seelen der Menschen gebracht und ihre Erinnerung an die in Jesu ausgedrückte Liebe Gottes neu belebt. Wir haben ihre Augen auf das Kreuz Christi gelenkt. Ihre Herzen waren durch das Bewußtsein der Sünde, die den Sohn Gottes ans Kreuz brachte, tief bewegt. Sie waren überzeugt. Sie sahen die Schritte, die sie zur Bekehrung tun mußten. Sie fühlten die Kraft des Evangeliums; ihre Herzen wurden weich, als sie die unendliche Liebe Gottes sahen. Sie erkannten die Schönheit des Charakters Christi. Aber bei den meisten war alles vergebens. Sie wollten ihre Gewohnheiten nicht aufgeben und ihren Charakter nicht ändern. Sie wollten die Gewänder der Erde nicht ablegen, um mit dem Gewande des Himmels bekleidet zu werden. Ihre Herzen waren der Habsucht ergeben. Sie liebten die Gesellschaft der Welt mehr als ihren Gott. CGl 315 1 Feierlich-ernst wird der Tag der schließlichen Entscheidung sein. Im prophetischen Gesichte beschreibt der Apostel Johannes ihn folgendermaßen: "Ich sah einen großen, weißen Stuhl und den, der drauf saß; vor des Angesicht floh die Erde und der Himmel, und ihnen ward keine Stätte erfunden. Und ich sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott, und Bücher wurden aufgetan. Und ein ander Buch ward aufgetan, welches ist des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern, nach ihren Werken." Offenbarung 20,11.12. CGl 315 2 Traurig wird an jenem Tage, wenn der Mensch der Ewigkeit gegenüber steht, der Rückblick sein. Das ganze Leben wird, gerade wie es gewesen ist, an ihm vorüberziehen. Die Freuden dieser Welt, die Reichtümer und Ehren werden dann nicht so wichtig erscheinen. Die Menschen werden dann sehen, daß die von ihnen verachtete Gerechtigkeit allein Wert hat. Sie werden sehen, daß sie ihre Charaktere unter den trügerischen Lockungen Satans gebildet haben. Die Kleider, die sie gewählt haben, sind das Abzeichen ihrer Treue gegen den großen, ersten Abgefallenen. Dann werden sie die Folgen ihrer Wahl sehen. Dann werden sie erkennen, was es bedeutet, die Gebote Gottes zu übertreten. CGl 315 3 Es wird keine zukünftige Gnadenzeit geben, in welcher man sich für die Ewigkeit vorbereiten kann. Schon in diesem Leben müssen wir das Gewand der Gerechtigkeit Christi anlegen. Hier ist unsere einzige Gelegenheit, Charaktere zu bilden für das Heim, welches Christus bereitet hat denen, die seine Gebote halten. CGl 315 4 Unsere Gnadenzeit nähert sich schnell ihrem Abschluß. Das Ende ist nahe. Uns wird die Warnung gegeben: "Hütet euch aber, daß eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch." Lukas 21,34. Sehet euch vor, damit er euch nicht unvorbereitet finde. Seid vorsichtig, damit ihr beim Feste des Königs nicht ohne hochzeitlich Kleid gefunden werdet. CGl 316 1 "Des Menschen Sohn wird kommen zu einer Stunde, da ihr nicht meinet," "Selig ist, der da wachet und hält seine Kleider, daß er nicht bloß wandle und man nicht seine Schande sehe." Matthäus 24,44; Offenbarung 16,15. Dienen CGl 316 2 "Nicht sich dienen zu lassen, sondern zu dienen." Matthäus 20,28. ------------------------Kapitel 25 -- Die Zentner CGl 321 1 Auf der Grundlage von Matthäus 25,15-30. CGl 321 2 Christus hatte auf dem Ölberge zu seinen Jüngern von seiner Wiederkunft auf diese Erde gesprochen. Er hatte gewisse Zeichen angegeben, an welchen die Nähe seines Kommens zu erkennen war, und seinen Jüngern geboten, zu wachen und bereit zu sein. Wiederum wiederholte er die Warnung: "Darum wachet; denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird." CGl 321 3 Dann zeigte er, was es bedeutet, auf seine Wiederkunft zu warten, und wollte durch das Gleichnis von den Zentnern lehren, daß die Zeit nicht in müßigem Warten, sondern in fleißigem Arbeiten verbracht werden soll. CGl 321 4 "Gleichwie ein Mensch," sagte er, "der über Land zog, rief seine Knechte und tat ihnen seine Güter aus; und einem gab er fünf Zentner, dem andern zwei, dem dritten einen, einem jeden nach seinem Vermögen, und zog bald hinweg." CGl 321 5 Der Mensch, der über Land zog, stellt Christum dar, der, als er dies Gleichnis sprach, bald von dieser Erde in den Himmel gehen sollte. Die Knechte, von denen im Gleichnis die Rede ist veranschaulichen die Nachfolger Christi. Wir sind nicht unser eigen. Wir sind "teuer erkauft", "nicht mit vergänglichem Silber oder Gold, ... sondern mit dem teuren Blut Christi," "auf daß die, so da leben, hinfort nicht ihnen selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist." 1.Korinther 6,20; 1.Petrus 1,18.19; 2.Korinther 5,15. CGl 322 1 Alle Menschen sind mit diesem so unendlich großen Preise erkauft. Indem Gott alle Schätze des Himmels über diese Welt ausschüttete, indem er uns in Christo den ganzen Himmel gab, hat er den Willen, die Zuneigungen, das Gemüt, die Seele eines jeden menschlichen Wesens erkauft. Ob Gläubige oder Ungläubige, alle Menschen sind das Eigentum des Herrn. Alle sind berufen, ihm zu dienen und von allen wird am großen Gerichtstage Rechenschaft gefordert über die Art und Weise, wie sie Gottes Forderungen nachgekommen sind. CGl 322 2 Aber die Ansprüche Gottes werden nicht von allen anerkannt. Im vorliegenden Gleichnis werden diejenigen, welche vorgeben, in dem Dienst Christi zu stehen, als seine Knechte dargestellt. CGl 322 3 Christi Nachfolger sind erlöst worden, um zu dienen. Unser Herr lehrt, daß Dienen der wahre Lebenszweck ist. Christus selbst war ein Arbeiter und er fordert von allen seinen Nachfolgern, daß sie dienen -- und zwar Gott und ihren Mitmenschen. Christus hat hier der Welt eine höhere Auffassung vom Leben gezeigt, als sie jemals gehabt hatte. Indem der Mensch lebt, um anderen zu dienen und zu nützen, wird er in Verbindung mit Christo gebracht. Das Gesetz des Dienens verbindet uns mit Gott und unseren Mitmenschen. CGl 322 4 Christus tut seinen Knechten "seine Güter" aus -- etwas, das sie treu für ihn benutzen sollen. Er gibt "einem jeglichen sein Werk". Ein jeder hat im ewigen Plane Gottes seinen Platz. Ein jeder soll in Gemeinschaft mit Christo zum Heil von Seelen wirken. Daß uns ein Platz in den himmlischen Wohnungen bereitet ist, ist nicht sicherer, als daß uns hier auf Erden ein besonderer Platz bestimmt ist, in welchem wir für Gott wirken sollen. Die Gaben des Heiligen Geistes CGl 322 5 Die Zentner, welche Christus seiner Gemeinde anvertraut, beziehen sich besonders auf die durch den Heiligen Geist mitgeteilten Gaben und Segnungen. "Einem wird gegeben durch den Geist zu reden von der Weisheit; dem andern wird gegeben, zu reden vor der Erkenntnis nach demselbigen Geist; einem andern der Glaube in demselbigen Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in demselbigen Geist; einem andern, Wunder zu tun; einem andern Weissagung; einem andern, Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Sprachen; einem andern, die Sprachen auszulegen. Dies aber alles wirket derselbige einige Geist, und teilet einem jeglichen seines zu, nach dem er will." 1.Korinther 12,8-11. Alle Menschen erhalten nicht dieselben Gaben; aber einem jeden Knechte des Meisters ist irgend eine Gabe des Geistes verheißen. CGl 323 1 Ehe Christus seine Jünger verließ, "blies er sie an" und sprach zu ihnen: "Nehmet hin den Heiligen Geist!" Ferner sagte er ihnen: "Siehe, ich will auf euch senden die Verheißung meines Vaters." Johannes 20,22; Lukas 24,49. Aber erst nach seiner Himmelfahrt wurde die Gabe in ihrer Fülle empfangen. Erst als die Jünger im Glauben und im Gebet sich dem Wirken des Heiligen Geistes hingegeben hatten, wurde derselbe über sie ausgegossen. Dann wurden in besonderem Sinne den Nachfolgern Christi die Himmelsgüter mitgeteilt. "Er ist aufgefahren in die Höhe und hat das Gefängnis gefangen geführet, und hat den Menschen Gaben gegeben." "Einem jeglichen aber unter uns ist gegeben die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi," der Geist, welcher "teilet einem jeglichen seines zu, nach dem er will." Epheser 4,8.7; 1.Korinther 12,11. Diese Gaben gehören uns schon jetzt in Christo aber ihr tatsächlicher Besitz hängt von unserer Annahme des Geistes Gottes ab. CGl 324 1 Die Verheißung des Geistes wird nicht geschätzt, wie sie geschätzt werden sollte; sie erfüllt sich nicht wirklich, wie es der Fall sein könnte. Es ist die Abwesenheit des Geistes, durch die die Predigt des Evangeliums so kraftlos bleibt. Man mag Gelehrsamkeit, Talent, Beredsamkeit und alle möglichen, natürlichen oder angeeigneten Fähigkeiten besitzen; aber ohne die Gegenwart des Geistes Gottes wird kein Herz ergriffen, kein Sünder für Christum gewonnen werden. Wenn dagegen der ärmste und unwissendste Jünger Christi mit dem Herrn verbunden ist und die Gaben des Geistes besitzt, wird er eine Kraft haben, deren Wirkung auf die Herzen nicht ausbleiben wird. Gott macht solche Menschen zu Kanälen, durch welche die edelsten Einflüsse auf das Weltall sich ergießen. Andere Gaben CGl 324 2 Die besonderen Gaben des Geistes sind nicht die einzigen Gaben, die im Gleichnis durch Zentner oder Pfunde dargestellt werden. Hierin sind alle Gaben und Fähigkeiten, ob natürliche oder angeeignete, körperliche oder geistige eingeschlossen. Alle sollen im Dienste Christi benutzt werden. Wenn wir seine Jünger werden, übergeben wir uns ihm mit allem was wir sind und haben. Unsere Gaben gibt er uns gereinigt und veredelt zurück, damit wir sie zu seiner Ehre, zum Segen unserer Mitmenschen benutzen. CGl 324 3 Gott hat "einem jeden nach seinem Vermögen" gegeben. Er hat die Zentner nicht nach seiner Laune bemessen. Wer imstande ist, fünf Zentner zu benutzen, empfängt fünf. Wer nur zwei verwerten kann, empfängt zwei. Wer weislich nur einen verwenden kann, erhält einen. Niemand braucht sich zu beklagen, daß er nicht mehr Gaben erhalten hat; denn er, der einem jeden das Seine zugeteilt hat, wird durch die Nutzanwendung der Güter geehrt, gleichviel ob dieselben klein oder groß sind. Der, dem fünf Zentner anvertraut worden sind, muß treu mit den fünfen handeln; wem nur ein Zentner gegeben ist, der hat nur den einen nützlich anzuwenden. Gott erwartet Früchte, nach dem ein Mensch hat, "nicht, nach dem er nicht hat." 2.Korinther 8,12. Die Benutzung der Zentner CGl 325 1 Im Gleichnis "ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit denselbigen, und gewann andere fünf Zentner. Desgleichen auch, der zwei Zentner empfangen hatte, gewann auch zwei andere." CGl 325 2 Die Gaben, wie wenige ihrer auch sein mögen, sollen benutzt werden. Die Frage von größter Wichtigkeit für uns ist nicht: wieviel habe ich empfangen? Sondern: was tue ich mit dem, das ich empfangen habe? Die Entwicklung aller unserer Kräfte und Gaben ist die erste Pflicht, die wir Gott und unseren Mitmenschen schulden. Wer nicht täglich fähiger und nützlicher wird, erfüllt seinen Lebenszweck nicht. Indem wir bekennen, an Christum zu glauben, verpflichten wir uns, unser möglichstes zu tun, um nützliche Arbeiter für den Meister zu werden; und wir sollten alle unsere Fähigkeiten bis zum höchsten Grade der Vollkommenheit ausbilden, damit wir möglichst viel Gutes tun können. CGl 325 3 Der Herr hat ein großes Werk, das getan werden muß, und er wird im zukünftigen Leben dem das meiste geben, der hier in diesem Leben am treuesten und willigsten diente. Der Herr wählt seine Werkzeuge und gibt ihnen an jedem Tage unter verschiedenen Umständen Gelegenheit, etwas in seinem Werke zu tun. Auf Grund eines jeden von Herzen kommenden Bestrebens, Gottes Plan auszuführen, wählt der Herr seine Werkzeuge, nicht weil dieselben vollkommen sind, sondern weil sie durch die Verbindung mit ihm Vollkommenheit erlangen können. CGl 326 1 Gott wird sich nur derer annehmen, die entschlossen sind, nach einem hohen Ziele zu streben. Er legt einem jeden menschlichen Werkzeuge die Pflicht auf, das Beste zu tun, was es tun kann. Sittliche Vollkommenheit verlangt er von allen. Wir sollten niemals den Maßstab der Gerechtigkeit herabsetzen, um ihn unseren ererbten oder genährten Neigungen zum Unrechttun anzupassen. Wir müssen erkennen, daß Unvollkommenheit des Charakters Sünde ist. Alle gerechten Charaktereigenschaften sind als ein vollkommenes, harmonisches Ganzes in Gott vereinigt und jeder, der Christum als einen persönlichen Heiland annimmt, hat das Vorrecht, diese Eigenschaften zu besitzen. CGl 326 2 Alle die Gottes Mitarbeiter sein wollen, müssen nach Vollkommenheit eines jeden Organs des Körpers, einer jeden Eigenschaft der Seele streben. Die wahre Erziehung ist eine Vorbereitung der körperlichen, geistigen und sittlichen Kräfte zur Verrichtung einer jeden Pflicht; sie besteht in der Ausbildung des Körpers, des Geistes und der Seele für den göttlichen Dienst. Dies ist die Ausbildung, die bis ins ewige Leben reicht. CGl 326 3 Der Herr fordert von einem jeden Christen, daß seine Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit in allen Zweigen zunehme. Christus hat mit seinem Blut und Leiden uns unseren Sold bezahlt, um sich unseren willigen Dienst zu sichern. Er kam auf unsere Welt, um uns ein Vorbild zu sein, wie wir wirken und mit welchem Geist wir an unsere Arbeit gehen sollten. Er will, daß wir darüber nachdenken sollen, wie wir sein Werk am besten fördern, seinen Namen in der Welt verherrlichen und dem Vater, der die Welt also geliebet hat, "daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben" (Johannes 3,16), mit Ehre krönen und ihm die größte Liebe und Hingabe bezeigen können. CGl 326 4 Aber Christus hat uns keine Versicherung gegeben, daß es eine leichte Sache ist, Vollkommenheit des Charakters zu erreichen. Ein edler, vollkommener Charakter wird nicht ererbt; wir erhalten ihn nicht durch Zufall. Ein edler Charakter wird durch persönliches Streben mittels der Verdienste und Gnade Christi erlangt. Gott gibt die Zentner, die Verstandeskräfte; wir bilden den Charakter. Er wird durch harte, ernste Kämpfe mit dem eigenen Ich gebildet. Ein Kampf nach dem andern muß gegen ererbte Neigungen ausgefochten werden. Wir müssen uns selbst aufs genaueste kritisieren und dürfen nicht einen einzigen ungünstigen Charakterzug unberichtigt lassen. CGl 328 1 Niemand sage: ich kann meine Charakterfehler nicht ablegen. Wer zu dieser Entscheidung kommt, wird sicherlich des ewigen Lebens verlustig gehen. Die Unmöglichkeit liegt im eigenen Willen. Wer nicht will, der kann nicht überwinden. Die wirkliche Schwierigkeit entsteht durch die Verderbtheit eines ungeheiligten Herzens und die Unwilligkeit, sich der Herrschaft Gottes zu unterwerfen. CGl 328 2 Viele, die Gott befähigt hat, vortreffliche Arbeit zu tun, richten wenig aus, weil sie wenig versuchen. Tausende gehen durch dies Leben, als ob sie keinen bestimmten Lebenszweck und kein Ziel zu erreichen hätten. Solche werden eine ihren Werken angemessene Belohnung erhalten. CGl 328 3 Bedenkt, daß ihr niemals ein höheres Ziel erreicht, als ihr euch selbst steckt. Darum setzt euch ein hohes Ziel und dann steigt Schritt für Schritt, selbst wenn es durch schmerzliche Anstrengungen, durch Selbstverleugnung und Selbstaufopferung führt, die ganze Stufenleiter hinauf. Laßt euch durch nichts hindern. Das Schicksal hat seine Maschen um kein menschliches Wesen so fest gewoben, daß es hilflos und in Ungewißheit bleiben muß. Schwierige Umstände sollten euch zu dem festen Entschluß bringen, sie zu überwinden. Das Wegräumen eines Hindernisses wird größere Fähigkeit und neuen Mut geben, vorwärts zu gehen. Dringt mit Entschlossenheit in der rechten Richtung voran, dann werden die Umstände eure Gehilfen und keine Hindernisse sein. CGl 328 4 Strebt ernstlich darnach, zu des Meisters Verherrlichung eine jede edle Charaktereigenschaft zu nähren. Ihr sollt zu jeder Zeit in eurem Charakteraufbau Gott gefallen. Das könnt ihr tun; auch Henoch gefiel Gott, obgleich er in einem entarteten Zeitalter lebte -- und in unsrer Zeit gibt es auch noch hier und da einen Henoch. CGl 328 5 Steht fest wie Daniel, jener treue Staatsmann, ein Mann, den keine Versuchung beirren konnte. Enttäuscht ihn nicht, der euch so liebte, daß er sein eigenes Leben gab, um eure Sünden auszutilgen. Er sagt: "Ohne mich könnt ihr nichts tun." Johannes 15,5. Bedenkt dies! Wenn ihr Fehler gemacht habt, könnt ihr sicherlich den Sieg gewinnen, wenn ihr diese Fehler erkennt und sie euch als Warnungslichter dienen laßt. So könnt ihr eure Niederlage in einen Sieg verwandeln, den Feind enttäuschen und euren Erlöser ehren. CGl 329 1 Ein nach dem göttlichen Bilde gestalteter Charakter ist der einzige Schatz, den wir von dieser Welt in die zukünftige mitnehmen können. Wer sich in diesem Leben unter die Lehren Christi stellt, wird das Göttliche, das er sich dadurch aneignet, in die himmlischen Wohnungen mitnehmen und wird im Himmel beständig vollkommener werden. Wie mächtig also ist die Entwicklung des Charakters in diesem Leben! CGl 329 2 Die himmlischen Wesen werden mit dem Menschen zusammenwirken, der mit festem Glauben nach jener Vollkommenheit des Charakters trachtet, die in Vollkommenheit der Handlungen zum Ausdruck kommt. Zu einem jeden, der sich an diese Aufgabe macht, sagt Christus: Ich bin zu deiner Rechten, um dir zu helfen. CGl 329 3 Indem der Wille des Menschen mit dem Willen Gottes zusammenwirkt, vermag er alles. Alles, was auf Gottes Befehl getan werden soll, kann auch in seiner Kraft getan werden. Alle seine Gebote sind auch Befähigungen. Geistige Fähigkeiten CGl 329 4 Gott verlangt, daß die geistigen Fähigkeiten ausgebildet werden. Er will, daß seine Knechte mehr Verstand und klarere Unterscheidungskraft haben, als der Weltmensch. Ihm mißfallen die, welche zu achtlos oder zu träge sind, um fähige, gutunterrichtete Arbeiter zu werden. Er gebietet uns, ihn von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit allen Kräften und dem ganzen Gemüt zu lieben. Dadurch wird uns die Verpflichtung auferlegt, die Verstandeskraft zu ihrer vollsten Entwicklung zu bringen, damit wir unseren Schöpfer recht erkennen und mit ganzer Seele lieben können. CGl 330 1 Je gründlicher unsere Verstandeskraft entwickelt wird, wenn sie unter den Einfluß des Geistes Gottes gebracht ist, um so wirksamer kann sie im Dienste Gottes benutzt werden. Der ungebildete Mann, der sich Gott geweiht hat und den darnach verlangt, anderen zum Segen zu werden, kann und wird auch vom Herrn in seinem Dienste benutzt werden. Die aber, welche außer diesem Geist der Hingabe das Vorrecht einer gründlichen Ausbildung gehabt haben, können ein viel größeres Werk für Christum tun. Sie nehmen eine vorteilhaftere Stellung ein. CGl 330 2 Der Herr wünscht, daß wir unsere Kenntnisse soviel wie möglich erweitern, und zwar mit dem Ziel vor Augen, sie anderen mitteilen zu können. Niemand kann wissen, wo oder wie Gott ihn beruft, für ihn zu wirken oder zu sprechen. Unser himmlischer Vater allein sieht, was er aus dem Menschen machen kann. Oft liegen Möglichkeiten vor uns, die unser schwacher Glaube nicht erkennt. Wir sollten aber so ausgebildet sein, daß wir, wenn es sein muß, die Wahrheit des Wortes Gottes vor den höchsten irdischen Autoritäten in einer solchen Weise vorführen können, daß sein Name dadurch verherrlicht wird. Wir sollten auch nicht eine Gelegenheit unbenutzt vorübergehen lassen, um für das Werk Gottes geistig befähigt zu werden. CGl 330 3 Die Jugend, welche einer Ausbildung bedarf, sollte mit Entschlossenheit darangehen, sie zu erlangen. Wartet nicht, bis sich euch eine Gelegenheit bietet, schafft euch selbst eine. Ergreift jede kleine Gelegenheit, die sich euch darbietet, etwas zu lernen. Übt Sparsamkeit, gebt euer Geld nicht für die Befriedigung des Appetits oder für Vergnügungen aus. Seid entschlossen, so nützlich und tüchtig zu werden, wie Gott euch beruft zu sein. Seid gründlich und treu in allem, das ihr unternehmt. Ergreift alle in eurem Bereich liegenden Vorteile, um euren Geist auszubilden. Vereinigt das Studium von Büchern mit nützlicher, körperlicher Arbeit und sichert euch durch treues Streben, durch Wachsamkeit und Gebet die Weisheit, die von oben kommt. Dies wird euch eine vielseitige Ausbildung geben. Auf diese Weise werdet ihr euren Charakter entwickeln und einen Einfluß über andere gewinnen, der euch befähigen wird, sie auf den Pfad der Gerechtigkeit und Heiligkeit zu führen. CGl 331 1 Es könnte viel mehr Erfolg in der Selbstbildung erzielt werden, wenn wir unsere Gelegenheiten und Vorrechte erkennen und benutzen würden. Wahre Bildung umfaßt mehr als die Hochschulen geben können. Obgleich das Studium der Wissenschaften nicht vernachlässigt werden sollte, so gibt es doch eine höhere Bildung, die nur durch eine lebendige Verbindung mit Gott zu erlangen ist; deshalb nehme ein jeder Schüler seine Bibel und verkehre mit dem großen Lehrer und lasse seinen Geist so ausgebildet, so erzogen werden, daß er es mit den Schwierigkeiten im Forschen nach göttlicher Wahrheit aufnehmen kann. CGl 331 2 Die, welche nach Erkenntnis hungern, um ihren Mitmenschen zum Segen sein zu können, werden selbst Segen von Gott empfangen. Durch das Studium seines Wortes werden ihre geistigen Kräfte zu ernster Tätigkeit angeregt. Ihre Fähigkeiten werden sich entwickeln und erweitern, und die geistige Fassungskraft wird an Stärke und Tüchtigkeit zunehmen. CGl 331 3 Selbstzucht muß von einem jeden, der für Gott arbeiten will, geübt werden. Dies wird mehr ausrichten, als Beredsamkeit, oder selbst die glänzendsten Talente. Durch einen gewöhnlichen, aber gut in Zucht gehaltenen Verstand wird ein Mensch mehr und bessere Arbeit verrichten, als wenn er die beste Erziehung genossen und die größten Gaben hat, aber keine Selbstbeherrschung besitzt. Die Sprache CGl 331 4 Das Sprachvermögen ist eine Gabe, die sorgfältig ausgebildet werden sollte. Von allen Gaben, die wir von Gott empfangen haben, kann keine zu einem größeren Segen werden, als gerade diese. Mit der Stimme können wir überzeugen und überreden; mit ihr bringen wir Gott Gebete und Lobpreisungen dar, mit ihr erzählen wir anderen von der Liebe des Erlösers. Wie wichtig ist es also, sie so auszubilden, daß sie die höchste Wirkung zum Guten ausübt. CGl 332 1 Die Ausbildung und der richtige Gebrauch der Stimme werden sehr vernachlässigt, sogar von Personen, die einsichtsvoll und für Christum tätig sind. Viele sprechen entweder so leise oder so schnell, daß sie nicht leicht verstanden werden können. Einige haben eine schwere, undeutliche Aussprache; andere sprechen in scharfen, schrillen Tönen, die den Hörern unangenehm sind. Schriftstellen, Lieder, Berichte und andere Notizen, die in öffentlichen Versammlungen vorgelesen werden, werden oft so gelesen, daß sie nicht verstanden werden können, und oft so, daß die ganze Kraft und Nachdrücklichkeit derselben verloren gehen. CGl 332 2 Dies ist ein Übel, dem abgeholfen werden kann und sollte. Die Bibel gibt uns eine Anweisung betreffs dieses Punktes. Von den Leviten, die in den Tagen Esras die heiligen Schriften dem Volke vorlasen, wird gesagt: "Und sie lasen im Gesetzbuch Gottes klar und verständlich, daß man verstand, was gelesen ward." Nehemia 8,8. CGl 332 3 Durch Fleiß und Anstrengung können alle die Fähigkeit erlangen, verständlich zu lesen und in einem vollen, klaren Ton, in deutlicher und eindrucksvoller Weise zu sprechen. Wenn wir uns darin üben, können wir unsere Tüchtigkeit als Arbeiter für Christum ganz bedeutend erhöhen. CGl 332 4 Ein jeder Christ ist berufen, andere mit den unerforschlichen Reichtümern Christi bekannt zu machen; deshalb sollte er nach Vollkommenheit im Sprechen trachten. Er sollte das Wort Gottes in einer Weise vortragen, die es den Zuhörern angenehm macht. Gott will nicht, daß seine menschlichen Werkzeuge rauh und grob sein sollen. Es ist nicht sein Wille, daß der Mensch den himmlischen Strom, der durch ihn in die Welt fließt, verringern oder herabwürdigen soll. CGl 332 5 Wir müssen auf Jesum, das vollkommene Muster, blicken, um die Hilfe des Heiligen Geistes bitten und in seiner Kraft darnach trachten, ein jedes Organ so auszubilden, daß es seine Aufgabe in vollkommener Weise erfüllen kann. CGl 332 6 Ganz besonders gilt dies denen, die zum öffentlichen Dienst berufen sind. Prediger und Lehrer sollten bedenken, daß sie dem Volke eine Botschaft geben, die ewige Angelegenheiten einschließt. Die von ihnen verkündigte Wahrheit wird sie am jüngsten Tage richten und für einige Seelen wird die Art und Weise, wie sie die Botschaft verkündigen, ihre Annahme oder ihre Verwerfung bestimmen. Möge das Wort deshalb so gesprochen werden, daß es das Verständnis ergreift und Eindruck auf das Herz macht. Es sollte langsam, deutlich, feierlich und mit allem Ernst, den die Wichtigkeit der Botschaft verlangt, gesprochen werden. CGl 333 1 Die richtige Ausbildung und Benutzung des Sprachvermögens kommt in allen Zweigen christlichen Wirkens zur Geltung; Sie macht sich bemerkbar im Familienleben und in unserem Verkehr miteinander. Wir sollten uns daran gewöhnen, im angenehmen Ton zu sprechen, reine und richtige Ausdrücke und gütige, liebevolle Worte zu gebrauchen. Liebliche, gütige Worte sind der Seele wie ein Tau und sanfter Regen. Die Schrift sagt von Christo, daß seine Lippen holdselig waren, daß er "wisse, mit dem Müden zu rechter Zeit zu reden." Psalm 45,3; Jesaja 60,4. Und der Herr gebietet uns: "Eure Rede sei allezeit lieblich," "daß es holdselig sei zu hören." Kolosser 4,6; Epheser 4,29. CGl 333 2 Indem wir versuchen, andere dahin zu bringen, daß sie unrichtige Gewohnheiten ablegen, sollten wir in der Benutzung unserer Worte sehr sorgfältig sein. Sie werden ein Geruch des Lebens zum Leben, oder ein Geruch des Todes zum Tode sein. Viele bedienen sich, wenn sie tadeln oder einen Rat geben, scharfer, harter Ausdrücke, Worte, die nicht geeignet sind, die verwundete Seele zu heilen. Durch solche unüberlegten Ausdrücke wird der Geist gereizt und oft werden die Irrenden zur Widerspenstigkeit angeregt. Alle, die für die Grundsätze der Wahrheit eintreten wollen, müssen das himmlische Öl der Liebe empfangen. Unter allen Umständen sollten tadelnde Worte liebreich gesprochen werden. Dann werden unsere Worte bessernd und nicht erbitternd wirken. Christus wird durch seinen Heiligen Geist die Kraft, die Macht geben. Dies ist sein Werk. CGl 333 3 Nicht ein Wort darf unbedacht gesprochen werden. Kein Afterreden, kein leichtfertiges Gespräch, kein verdrießliches Murren, keine unreine Andeutung wird den Lippen derer entweichen, die Christum nachfolgen. Der Apostel Paulus sagt durch die Eingebung des Heiligen Geistes: "Lasset kein faul Geschwätz aus eurem Munde gehen." Epheser 4,29. Mit faulem Geschwätz sind nicht nur ruchlose Worte gemeint, sondern irgend ein Ausdruck, der gegen heilige Grundsätze und reine, unbefleckte Religion ist, der unreine Andeutungen und verdeckte, auf Böses hinzielende Anspielungen enthält. Wenn solchem Geschwätz nicht sofort widerstanden wird, kann es die Ursache zu großer Sünde werden. CGl 334 1 Jeder Familie, jedem Christen obliegt die Pflicht, gemeiner, verderbter Sprache den Weg zu versperren. Wenn wir in Gesellschaft solcher sind, die sich törichtem Geschwätz hingeben, so ist es unsere Pflicht, wenn möglich, das Thema der Unterhaltung zu ändern. Durch die Gnade Gottes sollten wir ruhig ein paar Worte einschalten, oder durch irgend einen Gegenstand die Unterhaltung auf ein nützlicheres Gebiet lenken. CGl 334 2 Es ist die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu richtigen Gewohnheiten in der Redeweise anzuleiten. Die allerbeste Schule hierzu ist das Familienleben. Von frühester Jugend an sollten die Kinder gelehrt werden, achtungsvoll und in Liebe zu ihren Eltern und zueinander zu sprechen. Man sollte sie lehren, daß nur sanfte, wahre und reine Worte über ihre Lippen kommen dürfen. Die Eltern selbst sollten täglich in der Schule Christi lernen. Dann können sie durch Wort und Beispiel ihre Kinder lehren, wie man ehrbarlich und "mit heilsamem und untadeligem Wort" (Titus 2,7.8) redet. Dies ist eine ihrer größten und verantwortlichsten Pflichten. CGl 334 3 Als Nachfolger Christi sollten unsere Worte derart sein, daß sie anderen zur Hilfe und zur Ermutigung im christlichen Leben dienen. Wir müssen weit mehr als wir es tun, von unseren köstlichen Erfahrungen reden. Wir müssen von der Barmherzigkeit und Güte unseres Gottes, von der unvergleichlichen Tiefe der Heilandsliebe zeugen. Unsere Worte sollten Worte des Lobes und des Dankes sein. Wenn Gemüt und Herz von der Liebe Gottes erfüllt sind, wird sich dies in unserer Unterhaltung offenbaren. Es wird nicht schwierig sein, etwas mitzuteilen, was unser geistliches Leben durchdrungen hat. Große Gedanken, edles Streben, klare Begriffe von der Wahrheit, selbstlose Absichten, das Verlangen und Sehnen nach Frömmigkeit und Heiligkeit werden sich in Worten kundtun, aus denen die Natur des Schatzes, den wir im Herzen haben, ersichtlich ist. Wenn Christus so in unseren Worten offenbart wird, dann werden sie auch Macht haben, Seelen für ihn zu gewinnen. CGl 335 1 Wir sollten von Christo reden zu denen, die ihn nicht kennen. Wir sollten handeln, wie er handelte. Wo er auch war, in der Synagoge, auf der Landstraße, in dem vom Ufer abgestoßenen Schiff, beim Gastmahl des Pharisäers oder am Tische des Zöllners: überall sprach er zu den Menschen von den Dingen des höheren Lebens. Die Dinge in der Natur, die Vorkommnisse des täglichen Lebens wurden von ihm mit dem Worte der Wahrheit in Verbindung gebracht. Die Herzen seiner Zuhörer wurden zu ihm hingezogen; denn er hatte ihre Kranken geheilt, die Betrübten unter ihnen getröstet, ihre Kinder in seine Arme genommen und gesegnet. Wenn er seine Lippen öffnete, um zu sprechen, war ihre Aufmerksamkeit gefesselt und jedes Wort wurde irgend einer Seele ein Geruch des Lebens zum Leben. CGl 335 2 So sollte es auch mit uns sein. Wo wir auch sind, sollten wir uns nach Gelegenheiten umschauen, zu anderen vom Heilande zu sprechen. Wenn wir Christi Beispiel folgen und anderen Gutes tun, dann werden sich auch uns die Herzen erschließen, wie sie sich ihm erschlossen. Nicht hastig, sondern mit von göttlicher Liebe geborner Anmut können wir ihnen von dem erzählen, der "auserkoren unter vielen Tausenden" und "ganz lieblich" (Hohelied 5,10.16) ist. Auf diese Weise können wir in dem höchsten, edelsten Werk die uns verliehene Gabe der Sprache benutzen. Sie wurde uns gegeben, um Christum als den sündenvergebenden Heiland darstellen zu können. Einfluß CGl 335 3 Das Leben Christi übte einen sich beständig erweiternden, unbegrenzten Einfluß aus, einen Einfluß, der ihn mit Gott und der ganzen menschlichen Familie verband. Gott hat den Menschen durch Christum mit einem Einfluß ausgestattet, der es ihm unmöglich macht, für sich selbst zu leben. Wir sind als einzelne Personen mit unseren Mitmenschen, einem Teil der großen Familie Gottes, verbunden und stehen unter gegenseitigen Verpflichtungen. Keiner kann gänzlich unabhängig von seinen Mitmenschen sein, denn das Wohlbefinden des Einzelnen übt seine Wirkung auf andere aus. Nach dem Plane Gottes soll ein jeder fühlen, daß er zur Wohlfahrt anderer notwendig ist und darnach zu trachten hat, deren Glück zu fördern. CGl 336 1 Eine jede Seele ist von einer ihr eigenen Atmosphäre umgeben, einer Atmosphäre, die erfüllt sein kann mit der lebengebenden Kraft des Glaubens, des Mutes und der Hoffnung und mit dem süßen Duft der Liebe, oder die schwer und drückend sein kann durch düstere Unzufriedenheit und Selbstsucht, oder vergiftet mit tödlicher Ansteckung von gehegten Sünden. Durch die uns umgebende Atmosphäre wird jede Person, mit der wir in Berührung kommen, bewußt oder unbewußt beeinflußt. CGl 336 2 Dies ist eine Verantwortlichkeit, der wir uns nicht entziehen können. Unsere Worte, unsere Handlungen, unsere Kleidung, unsere Haltung, ja selbst unser Gesichtsausdruck üben einen Einfluß aus; und von dem in dieser Weise gemachten Eindruck hängen Folgen entweder zum Guten oder zum Bösen ab, die kein Mensch ermessen kann. Ein jeder auf diese Weise mitgeteilter Antrieb ist ein Same, der seine Ernte bringen wird. Er ist ein Glied in der langen Kette menschlicher Ereignisse, von denen wir nicht wissen, wie weitreichend sie sein mögen. Wenn wir durch unser Beispiel anderen in der Entwicklung guter Grundsätze helfen, so stärken wir in ihnen die Kraft, Gutes zu tun. Sie üben ihrerseits wieder denselben Einfluß auf andere aus und jene wieder auf noch andere und so können unbewußterweise durch den von uns ausgehenden Einfluß Tausende gesegnet werden. CGl 336 3 Wenn man einen Kiesel in den See wirft, so bildet sich ein Ring und innerhalb desselben noch einer und wieder einer, und während die Zahl zunimmt, erweitern sich die Kreise, bis der erste das Ufer erreicht. So ist es auch mit unserem Einfluß. Weit über unsere Kenntnisse und unsere Herrschaft hinaus wirkt er auf andere, ihnen entweder zum Segen oder zum Fluch. CGl 337 1 Der Charakter ist eine Macht. Das stille Zeugnis eines treuen, selbstlosen, gottseligen Lebens hat einen beinahe unwiderstehlichen Einfluß. Indem wir den Charakter Christi in unserem eigenen Leben offenbaren, arbeiten wir mit dem Herrn am Werke der Seelenrettung. Nur dadurch, daß wir in unserem Leben seinen Charakter offenbaren, können wir mit ihm zusammen wirken und je größer der Bereich unseres Einflusses ist, desto mehr Gutes können wir tun. Wenn die, welche bekennen Gott zu dienen, Christi Beispiel folgen und die Grundsätze des Gesetzes in ihrem täglichen Leben ausführen, wenn jede Handlung Zeugnis davon ablegt, daß sie Gott über alles lieben und ihren Nächsten wie sich selbst, dann wird die Gemeinde Macht haben, die Welt zu bewegen. CGl 337 2 Doch es sollte nie vergessen werden, daß der Einfluß nicht weniger eine Macht zum Bösen sein kann. Es ist schrecklich, die eigene Seele zu verlieren, aber es ist weit schrecklicher, die Ursache zu sein, daß andere Seelen verloren gehen. Daß unser Einfluß ein Geruch des Todes zum Tode sein sollte, ist ein furchtbarer Gedanke; dennoch ist dies möglich. Viele, die bekennen, mit Christo zu sammeln, zerstreuen und treiben die Menschen von ihm fort; deshalb ist die Gemeinde so schwach. Viele erlauben es sich, zu kritisieren und zu beschuldigen und lassen sich, indem sie Verdächtigungen, neidischen Gefühlen und der Unzufriedenheit Ausdruck geben, von Satan als seine Werkzeuge benutzen. Ehe sie erkennen, was sie tun, hat der Widersacher seinen Zweck durch sie erreicht. Der schlechte Eindruck ist gemacht, der Schatten ist geworfen worden, die Pfeile Satans haben ihr Ziel getroffen. Mißtrauen, Zweifel, ja krasser Unglaube haben von denen Besitz ergriffen, die sonst vielleicht Christum angenommen hätten. Mittlerweile blicken die Werkzeuge Satans selbstzufrieden auf die, welche sie zum Unglauben getrieben haben und die jetzt gegen alle Bitten und Ermahnungen verhärtet sind. Sie schmeicheln sich, daß sie im Vergleich zu diesen Seelen tugendhaft und gerecht sind. Sie erkennen nicht, daß diese zugrunde gehenden Charaktere das Werk ihrer ungezügelten Zungen und empörerischen Herzen sind. Durch ihren Einfluß sind diese Versuchten gefallen. CGl 338 1 In dieser Weise wenden sich durch Leichtfertigkeit, Sichgehenlassen und Gleichgültigkeit seitens bekenntlicher Christen viele Seelen vom Pfade des Lebens ab. Es gibt viele, die sich fürchten werden, vor dem Richterstuhl Gottes den Folgen ihres Einflusses zu begegnen. CGl 338 2 Einzig und allein durch die Gnade Gottes können wir den rechten Gebrauch von unserem Einfluß machen. Aus uns selbst haben wir nichts, womit wir andere zum Guten beeinflussen können. Wenn wir unsere Hilflosigkeit und unser Bedürfnis der göttlichen Kraft erkennen, werden wir nicht auf uns selbst vertrauen. Wir kennen nicht die Folgen, die ein Tag, eine Stunde oder ein Augenblick haben mögen, und wir sollten nie den Tag beginnen, ohne unsere Wege unserem himmlischen Vater anzubefehlen. Seine Engel haben den Auftrag, über uns zu wachen und wenn wir uns ihrer Hut anvertrauen, werden sie in jeder Zeit der Gefahr uns zur Rechten stehen. Wenn wir unbewußt in Gefahr stehen, einen schlechten Einfluß auszuüben, werden die Engel an unserer Seite sein und uns veranlassen, eine bessere Richtung einzuschlagen; sie werden unsere Worte für uns wählen und unsere Handlungen beeinflussen. So kann unser Einfluß eine stille uns selbst unbewußte, aber dennoch starke Macht sein, andere Seelen zu Christo und der himmlischen Welt zu ziehen. Die Zeit CGl 338 3 Unsere Zeit gehört Gott. Ein jeder Augenblick gehört ihm und es ist unsere heilige Pflicht, ihn auch zu seiner Verherrlichung zu benutzen. Von keinem uns anvertrauten Zentner fordert er genauere Rechenschaft, als von unserer Zeit. CGl 338 4 Der Wert der Zeit übersteigt alle Berechnung. Christus betrachtete jeden Augenblick als köstlich und so sollten auch wir die Zeit betrachten. Das Leben ist zu kurz, um mit Kleinigkeiten zugebracht zu werden. Wir haben nur eine kurze Probezeit, um uns für die Ewigkeit vorzubereiten. Wir haben keine Zeit zu vergeuden, keine Zeit für selbstsüchtige Vergnügungen, keine Zeit uns dem Dienst der Sünde hinzugeben. Jetzt ist die Zeit, in der wir Charaktere für das zukünftige, das unvergängliche Leben bilden sollen. Jetzt müssen wir uns vorbereiten auf das Untersuchungsgericht. CGl 339 1 Die menschliche Familie hat kaum zu leben begonnen, wenn sie schon wieder anfängt zu sterben und die unaufhörliche Arbeit der Welt endet in Nichts; es sei denn, daß eine rechte Erkenntnis betreffs des ewigen Lebens erlangt wird. Der Mensch, der die Zeit als seine Arbeitszeit schätzt, wird sie dazu anwenden, sich für eine unvergängliche Wohnung und ein ewiges Leben geschickt zu machen. Für ihn ist es ein Glück, geboren zu sein. CGl 339 2 Wir werden ermahnt, die Zeit auszukaufen; vergeudete Zeit kann nie eingeholt werden. Wir können auch nicht einen Augenblick zurückrufen. Die einzige Art und Weise, wie wir unsere Zeit auskaufen können, ist durch treue Benutzung der uns noch bleibenden, indem wir Mitarbeiter Gottes in seinem großen Erlösungsplane sind. CGl 339 3 In einem Menschen, der dieses tut, findet eine Umbildung des Charakters statt. Er wird ein Kind Gottes, ein Glied der königlichen Familie, ein Kind des himmlischen Königs; er wird geschickt, ein Gesellschafter der Engel zu sein. CGl 339 4 Jetzt ist unsere Zeit, für das Heil unserer Mitmenschen zu wirken. Es gibt Menschen, welche glauben, daß, wenn sie Geld zur Förderung der Sache Christi geben, sie alles tun, was von ihnen gefordert wird; die köstliche Zeit, in der sie persönlich für ihn wirken könnten, lassen sie unbenutzt an sich vorübergehen. Aber es ist das Vorrecht und die Pflicht aller, die Gesundheit und Kraft haben, Gott einen tätigen Dienst zu leisten. Alle sollen wirken, um Seelen für Christum zu gewinnen. Gaben an Geld können nie und nimmer die Stelle des persönlichen Wirkens einnehmen. CGl 339 5 Ein jeder Augenblick trägt ewige Folgen. Wir sollten deshalb immer bereit stehen, um bei jeder Aufforderung sofort Dienste leisten zu können. Die Gelegenheit, die wir jetzt haben, einer bedürftigen Seele Worte des Lebens zu bringen, mag sich nie wieder bieten. Gott könnte sagen: "Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern" und sie möchte infolge unserer Vernachlässigung nicht bereit sein. Wie werden wir am großen Gerichtstage unserem Gott Rechnung ablegen können? CGl 340 1 Das Leben ist zu feierlich, um ganz und gar von zeitlichen und irdischen Dingen in Anspruch genommen zu werden. Um sozusagen immer in Angst und Sorge betreffs der Dinge zu sein, die doch nur wie ein Stäubchen sind im Vergleich mit Dingen von ewigem Interesse. Dennoch hat Gott uns berufen, ihm in den zeitlichen Angelegenheiten des Lebens zu dienen. Fleiß in dieser Arbeit ist gerade soviel ein Teil wahrer Religion als Andacht. In der Bibel wird der Müßiggang nicht geduldet. Er ist der größte Fluch der Welt. Jeder wahrhaft Bekehrte wird ein fleißiger Arbeiter sein. CGl 340 2 Von der richtigen Benutzung unserer Zeit hängt unser Erfolg ab, Kenntnisse und geistige Ausbildung zu erlangen. Die Ausbildung des Geistes braucht nicht durch Armut, geringe Herkunft oder ungünstige Umgebung gehindert zu werden. Man muß nur die Augenblicke auskaufen. Ein paar Augenblicke hier und dort in nutzlosem Geschwätz vergeudet, die so oft im Bett verschwendeten Morgenstunden, die Zeit, die man beim Reisen, auf Straßen- oder Eisenbahnen oder im Warten auf der Station zubringt, die Augenblicke, indem man auf Mahlzeiten wartet, oder auf Leute, die bei einer verabredeten Zusammenkunft unpünktlich sind -- wenn man darüber ein Buch führen und diese Bruchstücke der Zeit zum Studium, zum Lesen oder sorgfältigen Nachdenken benutzen würde, wieviel Gutes könnte dann nicht ausgerichtet werden! Ein fester Entschluß, ausdauernder Fleiß und sorgfältige Benutzung der Zeit werden die Menschen instand setzen, genügend Kenntnisse und geistige Bildung zu erlangen, um für irgend eine einflußreiche und nützliche Stellung fähig zu sein. CGl 340 3 Es ist die Pflicht eines jeden Christen, sich Ordnung, Gründlichkeit und Schnelligkeit in der Arbeit anzugewöhnen. Es gibt keine Entschuldigung für langsame, stümperhafte Arbeit irgendwelcher Art. Wenn jemand immer an der Arbeit ist und die Arbeit doch nie getan wird, so liegt die Ursache darin, daß Gemüt und Herz nicht in der Arbeit sind. Jemand, der langsam ist oder keine Vorteile von seiner Arbeit hat, sollte es sich klar machen, daß hier Fehler vorliegen, die abgelegt werden müssen. Er sollte darüber nachdenken und Pläne machen, wie er seine Zeit ausnutzen kann, um die besten Erfolge zu erzielen. Durch richtige Methode werden einige in fünf Stunden ebensoviel Arbeit tun, als andere in zehn. Einige, die Hausarbeit zu verrichten haben, sind immer an der Arbeit, nicht weil sie so viel zu tun haben, sondern weil sie nicht planen und nachdenken, wie sie Zeit sparen können. Durch ihre Langsamkeit und Saumseligkeit machen sie sich selbst viel Arbeit, wo nur wenig ist. Aber alle, die ernstlich wollen, können diese Gewohnheiten überwinden. Sie müssen sich in ihrer Arbeit ein bestimmtes Ziel stellen, müssen überlegen, eine wie lange Zeit für eine bestimmte Aufgabe notwendig ist und dann alle Kräfte anstrengen, um die Arbeit in der festgesetzten Zeit zu verrichten. Die Ausübung der Willenskraft wird die Hände flinker und gewandter machen. CGl 341 1 Durch Mangel an Entschlossenheit, daran zu gehen und sich gründlich zu ändern, können die Menschen in ihrer unrechten Gewohnheit unverbesserlich werden, wohingegen sie durch Ausbildung ihrer Gaben die Fähigkeit erlangen können, die besten Dienste zu leisten, so daß sie überall verlangt und nach dem vollen Maß ihrer Gaben gewürdigt und geschätzt werden. CGl 341 2 Von vielen Kindern und jungen Leuten wird Zeit verschwendet, die damit hätte zugebracht werden können, häusliche Pflichten zu verrichten und dadurch ein liebendes Interesse für Vater und Mutter zu bekunden. Die Jugend könnte viele Verantwortlichkeiten auf ihre starken, jungen Schultern nehmen, die irgend jemand doch tragen muß. CGl 341 3 Das Leben Christi war von seiner frühesten Kindheit an ein Leben ernster Tätigkeit. Er lebte nicht, um sich selbst zu befriedigen. Er war der Sohn des ewigen Gottes, dennoch arbeitete er mit seinem Vater Joseph als Zimmermann. Sein Handwerk war bedeutungsvoll. Er war in diese Welt gekommen als der Baumeister des Charakters und als solcher war all seine Arbeit vollkommen. Er legte dieselbe Vollkommenheit in seine weltliche Arbeit hinein, wie in die Charaktere, die er durch seine göttliche Kraft umbildete. Er ist unser Muster und Vorbild. CGl 342 1 Eltern sollten ihren Kindern den Wert und die rechte Benutzung der Zeit lehren. Lehrt sie, daß es der Mühe wert ist, darnach zu streben, etwas zu tun, das Gott verherrlicht und der Menschheit zum Segen gereicht. Schon in früher Jugend können sie Missionsarbeiter sein und für Gott wirken. CGl 342 2 Eltern können keine größere Sünde begehen, als wenn sie ihren Kindern erlauben, nichts zu tun. Die Kinder gewinnen bald den Müßiggang lieb und wachsen heran zu hilflosen, nutzlosen Männern und Frauen. Wenn sie alt genug sind, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und Beschäftigung finden, dann arbeiten sie in einer langweiligen, trägen Weise, erwarten aber, so bezahlt zu werden, als ob sie treu und fleißig wären. Es ist ein großer Unterschied zwischen dieser Weise von Arbeitern und denen, die erkennen, daß sie treue Haushalter sein müssen. CGl 342 3 Wer in seiner weltlichen Arbeit träge und nachlässig ist, wird diese Gewohnheit auch ins religiöse Leben hineinbringen und wird daher nicht geschickt sein, in fähiger, erfolgreicher Weise für Gott zu wirken. Viele, die durch fleißige Arbeit der Welt hätten zum Segen gereichen können, sind durch Müßiggang verdorben worden. Mangel an Beschäftigung oder einem bestimmten Ziel in derselben öffnen tausend Versuchungen die Tür. Böse Gesellschaften und lasterhafte Gewohnheiten verderben das Gemüt und die Seele und die Folge ist das Verderben sowohl für dieses wie für das zukünftige Leben. CGl 342 4 In welchem Arbeitszweig wir auch tätig sein mögen, das Wort Gottes lehrt uns: "Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brünstig im Geiste. Schicket euch in die Zeit." Römer 12,11. "Alles was dir vor Händen kommt zu tun, das tue frisch," "und wisset, daß ihr von dem Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dienet dem Herrn Christo." Prediger 9,10; Kolosser 3,24. Gesundheit CGl 343 1 Die Gesundheit ist ein Segen, dessen Wert nur wenige schätzen, dennoch hängt die Wirksamkeit unserer geistigen und körperlichen Kräfte zum großen Teil davon ab. Unsere Triebe und Leidenschaften haben ihren Sitz im Körper und derselbe muß im besten Zustande und unter den günstigsten Einflüssen gehalten werden, wenn unsere Talente am besten verwertet werden sollen. Alles, was die körperliche Kraft verringert, schwächt den Geist und macht ihn weniger fähig, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Unsere Fähigkeit, das Gute zu wählen, wird verringert und wir haben weniger Willenskraft, das zu tun, was wir als Recht erkennen. CGl 343 2 Der Mißbrauch unserer körperlichen Kräfte verkürzt die Zeit, in der unser Leben zur Ehre und Verherrlichung Gottes benutzt werden könnte, und macht uns untüchtig das Werk zu verrichten, das Gott uns aufgetragen hat. Indem wir schlechte Gewohnheiten pflegen, spät zur Ruhe gehen und den Appetit auf Kosten der Gesundheit befriedigen, legen wir den Grund zur Schwäche. Indem wir körperliche Bewegung vernachlässigen oder Körper und Geist überarbeiten, bringen wir unser Nervensystem aus dem Gleichgewicht. Menschen, die in dieser Weise ihr Leben verkürzen und sich für den Dienst Gottes untüchtig machen, weil sie die Naturgesetze mißbrauchen, berauben Gott und auch ihre Mitmenschen. Die Gelegenheit, anderen zum Segen zu werden, gerade das Werk, wozu Gott sie in die Welt gesandt hat, geht durch ihre eigene Handlungsweise verloren und sie haben sich selbst untüchtig gemacht, das zu tun, was sie in einer kürzeren Zeit hätten verrichten können. Der Herr hält uns für strafbar, wenn wir durch unsere schädigenden Gewohnheiten auf diese Weise der Welt das Gute vorenthalten. CGl 343 3 Die Übertretung des Gesetzes, dem unser Körper unterworfen ist, ist auch eine Übertretung des Sittengesetzes, denn Gott ist gerade so gut der Urheber der physischen Gesetze, wie er der Urheber des Sittengesetzes ist. Sein Gesetz steht, von seinem eigenen Finger geschrieben, auf einem jeden Nerven, einem jeden Muskel, auf jeder Fähigkeit, die dem Menschen gegeben ist; und ein jeder Mißbrauch irgend eines Teiles unseres Organismus ist eine Übertretung jenes Gesetzes. CGl 344 1 Alle sollten mit dem Bau des menschlichen Körpers bekannt sein, damit letzterer in einem solchen Zustande erhalten werden kann, wie er zum Werk des Herrn erforderlich ist. Das leibliche Wohl muß sorgfältig bewahret und entwickelt werden, damit die göttliche Natur in ihrer Fülle in der Menschheit offenbar werde. Die Lehre über das Verhältnis des leiblichen Organismus zum geistlichen Leben ist einer der wichtigsten Zweige der Erziehung, dem in der Familie und auch in der Schule sorgfältige Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Alle müssen mit ihrem Körperbau und den Gesetzen, die das natürliche Leben regieren, bekannt gemacht werden. Wer freiwillig in Unwissenheit betreffs solcher Gesetze bleibt und dieselben aus Unkenntnis übertritt, sündigt gegen Gott. Alle sollten, soviel sie irgend können, darnach trachten, gesundheitsgemäß zu leben. Unsere Gewohnheiten müssen unter die Leitung des Verstandes gebracht werden, der selbst unter der Herrschaft Gottes steht. CGl 344 2 "Wisset ihr nicht,", sagt der Apostel Paulus, "daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst? Denn ihr seid teuer erkauft; darum so preiset Gott an eurem Leibe und in eurem Geiste, welche sind Gottes." 1.Korinther 6,19-20. Kraft CGl 344 3 Wir sollen Gott nicht nur von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von ganzer Seele, sondern auch von allen Kräften lieben. Dies schließt die vollständige, einsichtsvolle Benutzung der körperlichen Kräfte ein. CGl 344 4 Christus war ein treuer Arbeiter sowohl in zeitlichen, als auch in geistlichen Dingen, und alle seine Werke zeugten von einem festen Entschluß, des Vaters Willen zu tun. Irdische und himmlische Dinge sind enger verbunden und stehen direkter unter Christi Aufsicht, als viele glauben. Es war Christus, der die Einrichtung des ersten irdischen Heiligtums, der Stiftshütte, plante. Er gab all die genauen Vorschriften betreffs des Baues des salomonischen Tempels. Er, der in seinem Leben hier auf Erden in dem Dörfchen Nazareth als Zimmermann arbeitete, war der himmlische Architekt, der den Plan des heiligen Gebäudes entwarf, in welchem sein Name geehrt werden sollte. CGl 345 1 Christus war es auch, der den Erbauern der Stiftshütte Weisheit gab, die geschicktesten und schönsten Arbeiten zu verrichten. Er sagte: "Siehe, ich habe mit Namen berufen Bezaleel, den Sohn Uris, des Sohns Hurs, vom Stamm Juda, und habe ihn erfüllet mit dem Geist Gottes, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit allerlei Geschicklichkeit, künstlich zu arbeiten am Gold, Silber, Erz, künstlich Steine zu schneiden und einzusetzen, und künstlich zu zimmern am Holz, zu machen allerlei Werk. Und siehe, ich habe ihm zugegeben Oholiab, den Sohn Ahisamachs, vom Stamm Dan; und habe allerlei Weisen die Weisheit ins Herz gegeben, daß sie machen sollen alles, was ich dir geboten habe." 2.Mose 31,2-6. CGl 345 2 Gott will, daß seine Arbeiter in einem jeden Zweige des Werkes zu ihm aufblicken, als zu dem Geber alles dessen, das sie besitzen. Alle guten Erfindungen und Verbesserungen haben ihre Quelle in ihm, dessen Rat wunderbarlich ist und der alles herrlich hinausführt. Die geschickte Hand des Arztes, seine Kraft über Nerven und Muskel, seine Vertrautheit mit dem zarten Organismus des Körpers ist die Weisheit göttlicher Kraft, die zum Heil der Leidenden benutzt werden soll. Die Gewandtheit, mit welcher der Zimmermann den Hammer benutzt, die Kraft, mit welcher der Schmied den Amboß erklingen macht, kommt von Gott. Er hat den Menschen Gaben anvertraut und er erwartet, daß sie zu ihm aufblicken, um Rat und Weisheit zu bekommen. Was wir auch tun, mit welcher Arbeit wir uns auch befassen, er will uns ganz regieren, damit unser Werk vollkommen sein möge. CGl 345 3 Religion und Geschäft sind nicht zwei voneinander unabhängige Dinge; sie gehören zusammen. Die Religion der Bibel soll mit allem, was wir tun oder sagen, verwoben werden. Göttliche und menschliche Kräfte sollen sich in zeitlichen sowohl wie in geistlichen Bestrebungen vereinen. Sie sollen in allen menschlichen Beschäftigungen, in mechanischen und landwirtschaftlichen Arbeiten, in kaufmännischen und wissenschaftlichen Unternehmungen verbunden sein. In allen Zweigen christlicher Tätigkeit muß sich dies Zusammenwirken zeigen. CGl 346 1 Gott hat die Grundsätze, nach welchen allein dies Zusammenwirken möglich ist, uns kundgetan. Seine Verherrlichung muß der Beweggrund aller seiner Mitarbeiter sein. Alles, was wir tun, muß aus Liebe zu Gott geschehen und im Einklang mit seinem Willen sein. CGl 346 2 Es ist gerade so wesentlich, den Willen Gottes zu tun, wenn wir ein Gebäude errichten, als wenn wir am Gottesdienst teilnehmen. Und wenn die Arbeiter die rechten Grundsätze beim Aufbau ihres eigenen Charakters verfolgen, dann werden sie beim Errichten eines jeden Gebäudes an Gnade und Erkenntnis zunehmen. CGl 346 3 Aber Gott wird die größte Gabe oder die großartigste Huldigung nicht annehmen, wenn das eigene Ich nicht als ein lebendiges Opfer auf seinen Altar gelegt wird. Die Wurzel muß heilig sein, sonst kann die Frucht keine dem Herrn angenehme sein. Der Herr machte Daniel und Joseph zu scharfsichtigen Verwaltern. Er konnte durch sie wirken, weil sie nicht lebten, um ihre eigenen Neigungen zu befriedigen, sondern um Gott zu gefallen. CGl 346 4 Daniels Fall enthält für uns eine Lehre. Er offenbart die Tatsache, daß ein Geschäftsmann nicht notwendigerweise ein spitzfindiger, schlauer Mann sein muß. Er kann bei einem jeden Schritt von Gott unterwiesen werden. Daniel war als erster Minister des babylonischen Reiches ein Prophet des Herrn und empfing das Licht der göttlichen Eingebung. Weltliche, ehrgeizige Staatsmänner werden im Worte Gottes als Gras, das da frühe blühet und bald welk wird, hingestellt. Dennoch wünscht der Herr in seinem Dienst intelligente Männer zu haben, Männer, die zu verschiedenen Zweigen des Werkes fähig sind. Er bedarf Geschäftsmänner, welche die großen Grundsätze der Wahrheit in allen ihren Handlungen ausleben. Sie sollten ihre Gaben durch das gründlichste Studium und die bestmögliche Ausbildung vervollkommnen. Wenn Männer in irgend einem Beruf die Gelegenheiten, weise und tüchtig zu werden, auskaufen sollten, so sind es die, welche ihre Fähigkeiten zum Aufbau des Reiches Gottes in dieser Welt benutzen. Von Daniel wissen wir, daß in allen seinen Geschäftshandlungen, obgleich sie der genauesten Prüfung unterzogen wurden, nicht ein einziger Fehler gefunden werden konnte. Er war ein Muster davon, was ein jeder Geschäftsmann sein kann. Seine Geschichte zeigt, was von einem Menschen, der seine Verstandes- und Muskelkraft, sein Herz und Leben dem Dienste Gottes weiht, ausgerichtet werden kann. Geld CGl 347 1 Gott vertraut den Menschen auch Mittel an. Er gibt ihnen die Kraft, Reichtümer zu erwerben. Er feuchtet die Erde mit dem Tau des Himmels und mit erquickendem Regen. Er gibt das Sonnenlicht, welches die Erde erwärmt, die Natur zu neuem Leben erweckt, die Blüten hervorruft und die Früchte reift. Er fordert aber auch, daß wir ihm von dem Seinen etwas wiedergeben. CGl 347 2 Unser Geld ist uns nicht gegeben worden, damit wir uns selbst ehren und verherrlichen. Wir sollten es vielmehr als getreue Haushalter zur Ehre und zur Verherrlichung Gottes benutzen. Etliche meinen, daß nur ein Teil ihrer Mittel Gott gehört. Wenn sie diesen für religiöse und Wohltätigkeitszwecke beiseite gelegt haben, dann betrachten sie das übrige als ihr Eigentum, das sie nach ihrem Belieben benutzen können. Das ist aber ein Irrtum. Alles, was wir besitzen, gehört dem Herrn und wir müssen vor ihm Rechenschaft ablegen über die Verwendung seiner Gaben. In der Benutzung auch des kleinsten Geldstücks zeigen wir, ob wir Gott über alles und unseren Nächsten wie uns selbst lieben. CGl 347 3 Geld hat großen Wert, weil viel Gutes damit getan werden kann. In den Händen der Kinder Gottes ist es Speise für die Hungrigen, Trank für die Durstigen und Kleidung für die Nackten. Es ist eine Verteidigung für die Unterdrückten und ein Mittel, den Kranken zu helfen. An sich aber hat das Geld nicht mehr Wert als Sand; es wird für uns erst wertvoll, wenn wir unsere Lebensbedürfnisse dadurch erlangen, oder anderen zum Segen gereichen, oder Christi Sache fördern können. CGl 347 4 Aufgehäufter Reichtum ist nicht nur nutzlos, er ist ein Fluch. In diesem Leben ist er der Seele ein Fallstrick, der die Liebe zum himmlischen Schatze verdunkelt, und am großen Tage Gottes wird er, als Zeugnis von unbenutzten Gaben und vernachlässigten Gelegenheiten, seinen Besitzer verdammen. CGl 348 1 Die Schrift sagt: "Wohlan nun, ihr Reichen, weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommen wird! Euer Reichtum ist verfaulet, eure Kleider sind mottenfräßig worden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und sein Rost wird euch zum Zeugnis sein und wird euer Fleisch fressen wie ein Feuer. Ihr habt euch Schätze gesammelt in den letzten Tagen. Siehe, der Arbeiter Lohn, die euer Land eingeerntet haben, der von euch abgebrochen ist, der schreiet, und das Rufen der Ernter ist kommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth." Jakobus 5,1-4. CGl 348 2 Christus billigt keine verschwenderische oder achtlose Benutzung der Mittel. Die von ihm betreffs der Sparsamkeit und des Haushaltens gegebene Lehre: "Sammelt die übrigen Brocken, daß nichts umkomme" (Johannes 6,12), gilt allen seinen Nachfolgern. Wer erkennt, daß sein Geld ein ihm von Gott anvertrautes Pfund ist, wird sorgfältig damit haushalten und wird es sich zur Pflicht machen, zu sparen, um geben zu können. CGl 348 3 Je mehr Geld wir für äußeres Gepränge und für die Befriedigung selbstsüchtiger Gelüste ausgeben, desto weniger werden wir haben, um Hungrige zu speisen und Nackte zu kleiden. Durch ein jedes unnötig ausgegebene Geldstück verringert der Betreffende die köstlichen Gelegenheiten, Gutes zu tun. Er beraubt Gott der Ehre und der Verherrlichung, die durch die richtige Benutzung der den Menschen anvertrauten Gaben ihm hätten zuteil werden können. Freundliches Entgegenkommen und Herzlichkeit CGl 348 4 Freundlichkeit, edle Triebe und schnelles Erfassen geistlicher Dinge sind köstliche Gaben und legen ihrem Besitzer eine schwere Verantwortung auf. Alle diese Eigenschaften sollten im Dienst Gottes benutzt werden. Aber hier begehen viele einen Fehler. Zufrieden im Besitz dieser Eigenschaften versäumen sie es, dieselben im täglichen Dienst für andere zu verwerten. Sie schmeicheln sich, daß sie, wenn sich Gelegenheiten bieten sollten, wenn die Umstände günstig wären, ein großes und gutes Werk tun würden. Aber sie warten immer auf solche Gelegenheiten. Sie verachten die Engherzigkeit des knickerigen Geizhalses, welcher den Bedürftigen selbst die kleinste Gabe mißgönnt. Sie sehen, daß er nur für sich selbst lebt und wissen, daß er für seine mißbrauchten Gaben Rechenschaft ablegen muß. Mit großer Selbstgefälligkeit ziehen sie einen Vergleich zwischen sich selbst und solchen engherzigen Menschen und halten ihren eigenen Zustand für viel besser, als den von solch unedel denkenden Nachbarn. Aber sie betrügen sich selbst. Das alleinige Besitzen unbenutzter Eigenschaften und Gaben erhöht nur noch die Verantwortung. Menschen, die von Natur aus freundlich sind, stehen Gott gegenüber unter der Verpflichtung, diese Herzlichkeit nicht nur ihren Freunden zuteil werden zu lassen, sondern allen, die ihrer Hilfe bedürfen. Angenehm im gesellschaftlichen Verkehr zu sein, ist auch eine Gabe, die zum Nutzen aller derer, die unter ihren Einfluß kommen, angewandt werden sollte. Die Liebe, die nur gegen einige gütig ist, ist keine Liebe, sondern Selbstsucht. Sie wird in keiner Weise Seelen nützen, noch zur Verherrlichung Gottes beitragen. Menschen, die auf diese Weise die ihnen von ihrem Meister anvertrauten Gaben unbenutzt lassen, werden schuldiger dastehen, als die, gegen welche sie eine solche Verachtung fühlten; zu ihnen wird dereinst gesagt werden: ihr wußtet eures Meisters Willen, tatet ihn aber nicht. Die Zentner werden durch Benutzung vervielfältigt CGl 349 1 Benutzte Zentner oder Gaben sind vervielfältigte Zentner. Erfolg wird nicht erzielt durch Zufall oder Schicksal, sondern er ist die Ausarbeitung der göttlichen Vorsehung, die Belohnung des Glaubens und sorgfältigen Handelns, der Tugend und ausdauernden Strebens. Der Her will, daß wir eine jede Gabe, die wir besitzen, benutzen und wenn wir dies tun, werden wir größere Gaben empfangen, um auch sie zu benutzen. Er stattet uns nicht in einer übernatürlichen Weise mit den Eigenschaften aus, die uns mangeln, sondern während wir das benutzen, was wir haben, will er uns helfen und dadurch eine jede Geistesfähigkeit kräftigen und vergrößern. Durch jedes aufrichtige, ernste Opfer, um dem Meister dienen zu können, werden unsere Kräfte zunehmen. Wenn wir uns zu Werkzeugen des Heiligen Geistes hingeben, dann wird die Gnade Gottes in uns bewirken, daß wir alten Neigungen entsagen, starke, natürliche Lüste überwinden und neue Gewohnheiten bilden. Indem wir das Mahnen des Heiligen Geistes lieben und ihm gehorchen, werden unsere Herzen erweitert, um immer mehr von seiner Kraft in uns aufzunehmen und größere und bessere Arbeit tun zu können; unbenutzte, ruhende Kräfte werden erweckt und angeregt, und gelähmte Geistesfähigkeiten erhalten neues Leben. CGl 350 1 Der demütige Arbeiter, der dem Rufe Gottes gehorsam ist, kann des göttlichen Beistandes sicher sein. Eine so große und heilige Verpflichtung anzunehmen, erhebt an sich selbst schon den Charakter, setzt die höchsten Verstandes- und Geisteskräfte in Tätigkeit und stärkt und reinigt Gemüt und Herz. Es ist wunderbar, wie stark ein schwacher Mann durch den Glauben an die Kraft Gottes werden kann, wie entschieden in seinen Bemühungen, wie reich an großen Erfolgen! Wer mit geringer Erkenntnis in einer einfachen Weise anfängt und mitteilt, was er weiß, während er fleißig nach weiterer Erkenntnis sucht, der wird finden, daß der ganze himmlische Schatz ihm zur Verfügung steht. Je mehr er darnach trachtet, Licht mitzuteilen, desto mehr Licht wird er selbst empfangen. Je mehr jemand aus Nächstenliebe anderen das Wort Gottes zu erklären versucht, desto klarer wird es ihm selbst werden. Je mehr wir unsere Erkenntnis benutzen und unsere Kräfte anwenden, desto mehr Erkenntnis und Kraft werden wir haben. CGl 350 2 Eine jede Anstrengung um Christi willen wird uns selbst zum Segen. Wenn wir unsere Mittel zu seiner Verherrlichung benutzen, wird er uns mehr geben. Indem wir darnach trachten, Seelen für Christum zu gewinnen, und sie mit vielem Flehen vor Gott bringen, werden unsere eigenen Herzen von dem belebenden Einfluß der Gnade Gottes ergriffen werden. Unsere eigene Zuneigung wird in göttlicher Inbrunst erglühen, unser ganzes christliches Leben wird mehr Wirklichkeit, wird ernster und gebetsvoller werden. CGl 351 1 Der Wert des Menschen wird im Himmel darnach geschätzt, wie fähig das Herz ist, Gott zu erkennen. Diese Erkenntnis ist die Quelle, der alle Kraft entspringt. Gott schuf den Menschen, damit eine jede Fähigkeit die Fähigkeit des göttlichen Geistes sein möge, und er trachtet beständig darnach, den menschlichen Geist in Gemeinschaft mit dem göttlichen zu bringen. Er bietet uns das Vorrecht an, Mitarbeiter Christi zu sein, dadurch, daß wir seine Gnade der Welt offenbaren, damit wir ein größeres Maß der Erkenntnis himmlischer Dinge empfangen möchten. Hinblickend auf Jesum erhalten wir einen klaren und deutlichen Begriff von Gott und durch das Schauen werden wir verändert. Güte, Liebe zu unseren Mitmenschen, wird ein Teil unserer Natur. Wir entwickeln einen Charakter, der dem göttlichen Charakter ähnlich ist und indem wir zu seinem Ebenbilde heranwachsen, erweitert sich unsere Fähigkeit Gott zu erkennen. Immer mehr treten wir in Gemeinschaft mit der himmlischen Welt und haben eine fortwährend wachsende Kraft, die Reichtümer der Erkenntnis und der ewigen Weisheit in uns aufzunehmen. Der eine Zentner CGl 351 2 Der Mensch, der den einen Zentner erhielt, "ging hin und machte eine Grube in die Erde und verbarg seines Herrn Geld." CGl 351 3 Es war der, welcher die kleinste Gabe erhalten hatte, der dieselbe unbenutzt ließ. Hierin liegt für alle, die meinen, daß die Geringfügigkeit ihrer Gaben sie von der Teilnahme am Werke Christi entschuldigt, eine Warnung. Könnten sie etwas Großes tun, würden sie es gern unternehmen, aber weil sie nur in kleinen Dingen dienen können, halten sie es für gerechtfertigt, nichts zu tun. Aber sie irren sich. Der Herr prüft durch die Verteilung seiner Gaben den Charakter. Der Mann, der es unterließ, seinen einen Zentner zu benutzen, erwies sich als ein untreuer Knecht. Hätte er fünf Zentner empfangen, so würde er sie alle in die Erde vergraben haben, wie er den einen vergrub. Die Nichtanwendung des einen Zentners zeigte, daß er die himmlischen Gaben verachtete. CGl 352 4 "Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu." Lukas 16,10. Die Wichtigkeit der kleinen Dinge wird oft unterschätzt, weil diese eben klein sind, und dennoch erhalten wir gerade durch sie viel wirkliche Erziehung im Leben. Sie sind im Leben des Christen durchaus nicht unwichtig und unbedeutend. Beim Bilden unseres Charakters werden wir auf viele Gefahren stoßen, wenn wir die Wichtigkeit der kleinen Dinge unterschätzen. CGl 352 1 "Wer im Geringsten unrecht ist, der ist auch im Großen unrecht." Durch Untreue selbst in den kleinsten Pflichten beraubt der Mensch seinen Schöpfer des Dienstes, den er ihm schuldig ist. Diese Untreue schädigt ihn selbst. Er kann nicht die Gnade, die Kraft und die Charakterstärke erhalten, die durch rückhaltslose Übergabe an Gott erlangt werden können. Von Christo getrennt ist er den Versuchungen Satans ausgesetzt und er begeht in seinem Wirken für den Meister Mißgriffe. Weil er sich nicht in kleinen Dingen von den rechten Grundsätzen leiten läßt, wird er verfehlen, in großen Dingen, die er als seine besondere Aufgabe betrachtet, Gott zu gehorchen. Die Fehler, die er in den kleinen Dingen des Lebens nährt, machen sich dann auch in wichtigeren Angelegenheiten geltend. Er handelt nach den Grundsätzen, an welche er sich gewöhnt hat. So entstehen aus den wiederholten Handlungen Gewohnheiten; Gewohnheiten bilden den Charakter und durch den Charakter wird das Schicksal für Zeit und Ewigkeit entschieden CGl 352 2 Nur durch Treue in kleinen Dingen kann die Seele dahingebracht werden, auch unter größeren Verantwortlichkeiten Treue zu üben. Gott führte Daniel und seine drei Freunde mit den Großen des babylonischen Reiches zusammen, damit diese heidnischen Männer mit den Grundsätzen der wahren Religion bekannt werden möchten. Inmitten eines götzendienerischen Volkes sollte Daniel den Charakter Gottes darstellen. Wie wurde er befähigt eine so große Vertrauensstellung, ein solches Ehrenamt zu bekleiden? Seine Treue in kleinen Dingen war es, die sein ganzes Leben und alle seine Handlungen kennzeichnete. Er ehrte Gott in den allerkleinsten Pflichten und der Herr wirkte mit ihm. Dem Daniel und seinen Gefährten "gab Gott Kunst und Verstand in allerlei Schrift und Weisheit; Daniel aber gab er Verstand in allen Gesichten und Träumen." Daniel 1,17. CGl 353 1 Wie Gott den Daniel berief, um für ihn in Babylon zu zeugen, so beruft er auch uns heute in der Welt seine Zeugen zu sein. Sowohl in den geringfügigsten als auch in den größten Angelegenheiten des Lebens sollen wir den Menschen die Grundsätze seines Reiches offenbaren. CGl 353 2 Christus lehrte uns in seinem Leben hier auf Erden, den kleinen Dingen sorgfältige Beachtung zu schenken. Das große Erlösungswerk lastete beständig auf seiner Seele. Während er lehrte und heilte, wurden alle seine körperlichen und geistigen Kräfte aufs äußerste in Anspruch genommen; dennoch beachtete er die einfachsten Dinge im Leben und in der Natur. Seine lehrreichsten Unterweisungen waren die, in denen er durch die einfachsten Dinge in der Natur die großen Wahrheiten des Reiches Gottes veranschaulichte. Er übersah nicht die Bedürfnisse des niedrigsten seiner Knechte. Sein Ohr hörte jeden Hilferuf; er fühlte die Berührung jenes von Krankheit geplagten Weibes selbst in der Volksmenge, die allerleiseste Berührung im Glauben wurde erwidert. Als er die Tochter des Jairus von den Toten auferweckte, erinnerte er ihre Eltern daran, daß sie etwas zu essen haben müsse. Als er durch seine eigene mächtige Kraft aus dem Grabe erstand, hielt er es nicht unter seiner Würde, die Grabtücher, in welche man ihn gelegt hatte, zusammen zu falten und sorgfältig beiseite zu legen. CGl 354 1 Das Werk, zu welchem wir als Christen berufen sind, besteht darin, mit Christo für die Errettung von Seelen zu wirken. Um dies Werk zu tun, haben wir einen Bund mit ihm gemacht; vernachlässigen wir es, so erweisen wir uns untreu gegen Christum. Um aber dies Werk auszuführen, müssen wir seinem Beispiele folgen, müssen den kleinen Dingen treue und gewissenhafte Aufmerksamkeit schenken. Hierin liegt das Geheimnis des Erfolges allen christlichen Wirkens und Einflusses. CGl 354 2 Der Herr wünscht, daß seine Nachfolger die höchste Stufe der Leiter erreichen, und ihn dadurch verherrlichen, daß sie die Fähigkeiten besitzen, die er ihnen so gern geben möchte. Durch die Gnade Gottes sind alle Vorkehrungen getroffen, die es uns ermöglichen, kundzutun, daß wir nach besseren Plänen handeln, als die Welt zum Muster hat. Wir sollen eine Überlegenheit im Verständnis, in Geschicklichkeit und Erkenntnis bekunden, weil wir an Gott und seine Macht, auf Menschenherzen einzuwirken, glauben. CGl 354 3 Doch brauchen solche, die keine großen Gaben besitzen, nicht entmutigt zu werden. Sie sollen nur das, was sie haben, benutzen, sollen genau auf jeden schwachen Punkt in ihrem Charakter acht geben und versuchen, ihn durch göttliche Gnade stark zu machen. Wir sollten in allen Handlungen Genauigkeit und Treue üben und die Eigenschaften entwickeln, die uns befähigen werden, das Werk auszuführen. CGl 354 4 Gewohnheiten der Nachlässigkeit sollten mit Entschiedenheit überwunden werden. Viele glauben, daß Vergeßlichkeit eine genügende Entschuldigung für die gröbsten Irrtümer ist. Besitzen sie aber nicht so gut wie andere Verstandesgaben und Denkvermögen? Dann sollten sie ihr Gedächtnis so schulen, daß es Kraft bekommt, etwas zu behalten. Es ist eine Sünde zu vergessen und es ist eine Sünde nachlässig zu sein. Wenn ihr euch gewöhnt, nachlässig zu sein, dann möchtet ihr eurer eigenen Seelen Seligkeit vernachlässigen. Und zuletzt finden, daß ihr nicht bereit seid für das Reich Gottes. CGl 355 1 Große Wahrheiten müssen auf kleine Dinge übertragen werden. Praktische Religion muß in den kleinen Pflichten des täglichen Lebens bekundet werden. Die höchste Befähigung irgend eines Menschen liegt in dem unbedingten Gehorsam gegen das Wort Gottes. CGl 355 2 Viele glauben, daß ihr Leben, weil sie nicht direkt irgendwie in Gottes Werk angestellt sind, nutzlos ist -- daß sie nichts zur Förderung des Reiches Gottes tun. Aber das ist ein Irrtum. Wenn sie etwas tun, das von irgend jemand getan werden muß, dann sollten sie sich nicht den Vorwurf machen, im großen Haushalte Gottes nutzlos zu sein. Die geringsten Pflichten sollten nicht unbeachtet gelassen werden. Jede ehrliche Arbeit ist ein Segen und durch Treue in derselben können wir zu höheren Pflichten geschickt werden. CGl 355 3 Wie gering auch irgend eine Arbeit sein mag, so ist sie doch, wenn sie für Gott und mit voller Übergabe des eignen Ichs getan wird, dem Herrn gerade so angenehm, als der höchste und größte Dienst. Keine Gabe, die mit aufrichtigem Herzen und freudiger Seele dargebracht wird, ist klein zu nennen. CGl 355 4 Christus gebietet uns, wo wir auch sein mögen, die uns sich darbietende Pflicht aufzunehmen. Bist du in der Familie, so gehe willig und mit rechtem Ernst daran, das Heim zu einem angenehmen Aufenthaltsort zu machen. Bist du eine Mutter, so erziehe deine Kinder für Christum. Dadurch wirkst du gerade so gut für Gott wie der Prediger auf der Kanzel. Liegt deine Pflicht in der Küche, dann versuche dort vollkommen in deiner Arbeit zu werden; bereite Speisen, die gesund, nahrhaft und appetitlich sind und indem du beim Bereiten dieser Speisen die besten Zutaten benutzt, denke daran, daß du auf gleiche Weise dein Gemüt mit den besten Gedanken beschäftigen sollst. Ist es deine Arbeit den Acker zu pflügen, oder irgend einem anderen Geschäft oder Handwerk obzuliegen, so erfülle die vorliegende Pflicht voll und ganz. Verwende deine ganze Kraft auf deine Arbeit. In allem was du tust, stelle Christum dar. Handle so, wie er an deiner Stelle handeln würde. CGl 356 1 Wie klein auch die dir verliehene Gabe sein mag, Gott will sie verwenden. Der eine Zentner, weislich benutzt, wird das ausrichten, wozu er gegeben wurde. Durch Treue in kleinen Pflichten wird unsere Gabe wachsen und Gott wird sie für uns vervielfältigen. Diese geringen Gaben üben oft die köstlichsten Einflüsse in seinem Werke aus. CGl 356 2 Laß den lebendigen Glauben gleich Goldfäden die Verrichtung aller, selbst der kleinsten Pflichten durchziehen. Dann wird unser tägliches Wirken das christliche Wachstum fördern. Wir werden beständig aufblicken auf Jesum. Die Liebe zu ihm wird in allem, was wir unternehmen, die leitende Kraft sein. Auf diese Weise werden wir durch die richtige Benutzung unserer Gaben wie durch eine goldene Kette mit der höheren Welt verbunden. Dies ist wahre Heiligung; denn Heiligung besteht in der freudigen Verrichtung unserer täglichen Pflichten in vollkommenem Gehorsam gegen den Willen Gottes. CGl 356 3 Aber viele Christen warten darauf, daß ihnen ein großes Werk übertragen werde. Weil sie keinen Platz finden können, der hoch genug wäre, um ihren Ehrgeiz zu befriedigen, so unterlassen sie es, die gewöhnlichen Pflichten des Lebens treu zu erfüllen. Diese erscheinen ihnen uninteressant. Tag für Tag lassen sie die Gelegenheiten, ihre Treue gegen Gott zu bekunden, unbenutzt vorübergehen. Während sie auf irgend ein großes Werk warten, eilt ihr Leben dahin, sein Zweck bleibt unerfüllt und sein Werk unverrichtet. Das Zurückgeben der Zentner CGl 356 4 "Über eine lange Zeit kam der Herr dieser Knechte und hielt Rechenschaft mit ihnen." Wenn der Herr Abrechnung mit seinen Knechten hält, wird das, was mit einem jeden Zentner gewonnen wurde, einer genauen Prüfung unterworfen. Die Arbeit des betreffenden Knechtes offenbart seinen Charakter. CGl 357 1 Die, welche die fünf oder zwei Zentner empfangen haben, geben dem Herrn die anvertrauten Gaben mit dem durch sie erworbenen Gewinn zurück, indem sie selbst keinen Verdienst beanspruchen. Die Zentner sind ihnen übergeben worden; wohl haben sie damit andere gewonnen, aber ohne die ihnen anvertrauten Zentner hätten sie auch nichts gewinnen können. Sie sehen, daß sie nur ihre Pflicht getan haben. Das Kapital gehörte dem Herrn und das, was mit demselben gewonnen ist, gehört ihm auch. Hätte der Heiland ihnen nicht seine Liebe und Gnade zuteil werden lassen, so würden sie für die ganze Ewigkeit verloren gewesen sein. CGl 357 2 Aber wenn der Meister die Zentner in Empfang nimmt, lobt und belohnt er die Knechte, als ob das Verdienst ihnen gebühre. Sein Antlitz ist voller Freude und Befriedigung. Es freut ihn, daß er ihnen Segnungen zuteil werden lassen kann. Für einen jeden Dienst, für jedes gebrachte Opfer belohnt er sie, nicht weil es eine Schuld ist, die er ihnen abtragen muß, sondern weil sein Herz von Liebe und Güte überfließt. CGl 357 3 "Ei, du frommer und getreuer Knecht," sagt er, "du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude!" CGl 357 4 Es ist die Treue gegen Gott und der aus Liebe geleistete Dienst, wodurch die göttliche Anerkennung erworben wird. Jedes Wirken des Heiligen Geistes, wodurch die Menschen zum Guten und zu Gott geleitet werden, steht in den Himmelsbüchern verzeichnet und am Tage Gottes werden die, die ihn durch sich haben wirken lassen, gelobt werden. CGl 357 5 Sie werden in die Freude des Herrn einstimmen, wenn sie in seinem Reiche jene sehen, die zu erretten sie ein Werkzeug gewesen sind. Es wird ihnen dann vergönnt werden, an seinem Werke dort teilzunehmen, weil sie dazu fähig geworden sind, durch ihre Teilnahme an seinem Werke hier auf Erden. Was wir im Himmel sein werden, ist nur der Abglanz von dem, was wir jetzt im Charakter und im heiligen Dienen sind. Christus sagte von sich selbst: "Des Menschen Sohn ist nicht kommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene." Matthäus 20,28. Dies, sein Werk auf Erden, ist auch sein Werk im Himmel. Und die Belohnung, die uns zuteil wird, daß wir in dieser Welt Christi Mitarbeiter gewesen sind, besteht in der größeren Kraft und dem erweiterten Vorrecht, in der zukünftigen Welt seine Mitarbeiter zu sein. CGl 358 1 "Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist: du schneidest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, da du nicht gestreut hast; und fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in die Erde. Siehe, da hast du das Deine." CGl 358 2 In der Weise entschuldigen die Menschen ihre Vernachlässigung der Gaben Gottes. Sie blicken auf Gott als einen strengen und tyrannischen Meister, der darauf wartet, ihre Fehler ausfindig zu machen und sie mit seinen Gerichten heimzusuchen. Sie beschuldigen ihn, daß er etwas fordert, was er nie gegeben, und daß er schneidet, wo er nicht gesät hat. CGl 358 3 Es gibt viele, die Gott in ihrem Herzen beschuldigen, daß er ein harter Meister ist, weil er ihre Besitzungen und ihren Dienst beansprucht. Aber wir können Gott nichts bringen, was ihm nicht schon gehört. "Denn von dir ist's alles kommen," sagte der König David, "und von deiner Hand haben wir dir's gegeben." 1.Chronik 29,14. Alle Dinge gehören Gott, und zwar nicht nur durch die Schöpfung, sondern auch durch die Erlösung. Alle Segnungen, die wir empfangen, ob in diesem oder im zukünftigen Leben, tragen den Stempel des Kreuzes auf Golgatha. Deshalb ist die Beschuldigung, daß Gott ein harter Meister sei, da er schneide, wo er nicht gesät habe, falsch. CGl 358 4 Der Herr stellt die Beschuldigung des Schalksknechtes, so unrecht sie auch ist, nicht in Abrede, sondern zeigt ihm auf Grund seiner eigenen Darstellungsweise, daß seine Handlungsweise nicht gerechtfertigt werden kann. Es waren Mittel und Wege vorgesehen worden, mittels welcher der Zentner zum Besten des Eigentümers hätte verwandt werden können. "So solltest du," sagte er, "mein Geld zu den Wechslern getan haben, und wenn ich kommen wäre, hätte ich das Meine zu mir genommen mit Wucher." CGl 358 5 Unser himmlischer Vater verlangt nicht mehr und nicht weniger von uns, als wir durch die uns von ihm gegebene Fähigkeit imstande sind zu tun. Er legt seinen Knechten keine Last auf, die sie nicht tragen können; "denn er kennet was für ein Gewächs wir sind; er gedenket daran, daß wir Staub sind." Psalm 103,14. Alles, was er von uns verlangt, können wir durch die göttliche Gnade ihm auch geben. CGl 359 1 "Welchem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen." Lukas 12,48. Ein jeder von uns wird, wenn er auch nur um ein geringes weniger tut als er fähig ist zu tun, persönlich dafür verantwortlich gehalten. Der Herr beachtet genau jede Möglichkeit, die sich uns zum Dienste bietet. Die unbenutzt gebliebenen Fähigkeiten werden bei der Abrechnung gerade sowohl in Betracht gezogen, als die, mit denen wir gewuchert haben. Für alles, was wir durch die richtige Anwendung unserer Gaben hätten werden und tun können, hält Gott uns verantwortlich. Wir werden gerichtet nach dem, was wir hätten tun sollen, aber nicht getan haben, weil wir unsere Kräfte nicht zur Verherrlichung Gottes benutzten. Selbst wenn wir nicht unsere Seelen verlieren, werden wir doch in der Ewigkeit die Folgen von der Nichtbenutzung der uns verliehenen Gaben erkennen. Ewiger Verlust wird an Stelle der Erkenntnis und Fähigkeiten sein, die wir hätten bekommen können. CGl 359 2 Wenn wir uns aber gänzlich Gott übergeben und in unserer Arbeit seinen Anweisungen folgen, nimmt er die ganze Verantwortlichkeit auf sich selbst. Er will nicht, daß wir betreffs des Erfolges unserer aufrichtigen Bestrebungen zweifeln sollen. Wir sollen nicht einmal an ein Mißlingen denken. Wir sollen Mitarbeiter dessen sein, der keinen Mißerfolg kennt. CGl 359 3 Wir dürfen nicht von unserer eigenen Schwäche und Unfähigkeit reden, das ist ein offenbares Mißtrauen gegen Gott, ein Verleugnen seines Wortes. Wenn wir wegen der uns auferlegten Lasten murren oder uns weigern, die von uns verlangten Verantwortlichkeiten zu tragen, dann sagen wir tatsächlich, daß er ein harter Meister ist und daß er von uns etwas fordert, wozu er uns nicht die Kraft gegeben hat. CGl 359 4 Wir sind oft geneigt, den Geist des trägen Knechtes als einen demütigen zu bezeichnen. Aber wahre Demut ist etwas ganz anderes. Demütig sein bedeutet nicht, daß wir nicht vorwärtsstreben, oder geistig zurück und Feiglinge in unserem Leben sein sollen, oder daß wir Lasten scheuen, weil wir fürchten, sie nicht tragen zu können, wirkliche, wahre Demut führt die Absicht Gottes aus, indem sie sich auf seine Kraft verläßt. CGl 360 1 Gott wirkt durch den er will. Manchmal wählt er das geringste Werkzeug für das größte Werk, denn seine Kraft wird durch die Schwachheit der Menschen offenbar. Wir haben unseren Maßstab und darnach sagen wir, ein Ding ist groß und das andere klein; aber Gott mißt nicht nach unserem Maßstab. Wir dürfen nicht glauben, daß das, was uns groß scheint, auch vor Gott groß ist, oder daß das, was uns klein dünkt, auch vor ihm klein sein muß. Es steht uns nicht zu, über unsere Zentner zu urteilen, oder unsere Arbeit zu wählen. Wir sollen die Lasten tragen, die Gott uns auferlegt. Sollen sie um seinetwillen tragen und zu ihm gehen, um Ruhe zu finden. Was auch unsere Arbeit sein mag, Gott wird durch freudigen, ungeteilten Dienst geehrt. Es freut ihn, wenn wir mit Dankbarkeit an die Erfüllung unserer Pflichten gehen und uns freuen, daß wir würdig erachtet werden, seine Mitarbeiter zu sein. Der Zentner wird fortgenommen CGl 360 2 Das über den trägen Knecht gesprochene Urteil lautete: "Darum nehmet von ihm den Zentner und gebet's dem, der zehn Zentner hat." Hier, wie in der Belohnung der treuen Knechte, wird nicht nur die Belohnung am schließlichen Gericht, sondern auch der allmähliche Vergeltungsvorgang in diesem Leben angedeutet. Wie es in der natürlich Welt ist, so ist es auch in der geistlichen: eine jede unbenutzt bleibende Kraft wird schwach und vergeht: Tätigkeit ist das Gesetz des Lebens; Müßiggang ist Tod. "In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutz." 1.Korinther 12,7. Gaben, die zum Segen anderer angewandt werden, nehmen beständig zu; werden sie aber dazu benutzt, um dem eigenen Ich zu dienen, dann nehmen sie ab und werden schließlich ganz entzogen. Wer sich weigert, das, was er empfangen hat, mitzuteilen, wird schließlich finden, daß er nichts zu geben hat. Er überläßt sich einem Verfahren, durch welches die Fähigkeiten und Gaben der Seele verkümmern und schließlich ganz vernichtet werden. CGl 361 1 Möchte doch niemand glauben, daß er hier ein Leben der Selbstsucht führen und dann, nachdem er seinen eigenen Interessen gedient hat, zu seines Herrn Freude eingehen kann. Solche Menschen könnten an der Freude selbstloser Liebe überhaupt nicht teilnehmen. Sie würden für die himmlischen Wohnungen nicht passend sein. Sie könnten die reine Atmosphäre der Liebe, die den ganzen Himmel durchdringt, nicht schätzen. Die Stimmen der Engel und die Musik ihrer Harfen könnten sie nicht befriedigen. Ihnen würde die Wissenschaft des Himmels ein ungelöstes Rätsel sein. CGl 361 2 Am großen Gerichtstage werden die, welche nicht für Christum gewirkt, die, welche mit dem Strom gegangen und keine Verantwortlichkeit getragen, die nur an sich selbst gedacht und sich selbst zu Gefallen gelebt haben, vom Richter der ganzen Erde denen gleichgestellt, die Böses getan haben. Sie werden dieselbe Verdammnis empfangen. CGl 361 3 Viele, die bekennen Christen zu sein, vernachlässigen Gottes Ansprüche an sie und empfinden es nicht, daß sie damit Unrecht tun. Sie wissen wohl, daß der Lästerer, der Mörder, der Ehebrecher Bestrafung verdienen, aber sie erfreuen sich des Gottesdienstes. Sie hören es gern, wenn das Evangelium gepredigt wird und halten sich deshalb für Christen. Obgleich sie ihr ganzes Leben damit zugebracht haben, für sich selbst zu sorgen, werden sie gerade so sehr überrascht sein, wie der ungetreue Knecht im Gleichnis es war, den Urteilsspruch zu hören: "Nehmet von ihm den Zentner." Wie die Juden begehen auch sie den Irrtum, die Freude der Segnungen allein zu genießen, anstatt sie zum Wohl anderer zu verwenden. CGl 361 4 Viele, die nicht für Christum wirken, bringen ihre Unfähigkeit zu dieser Arbeit als Entschuldigung vor. Hat Gott sie aber so untüchtig gemacht? Nein, sicherlich nicht. Die Unfähigkeit ist durch ihre Untätigkeit verursacht worden und sie sind aus freier Wahl untüchtig geblieben. Sie erkennen schon jetzt in ihren eigenen Charakteren die Folgen des Urteilsspruchs: "Nehmet von ihm den Zentner." Der beständige Mißbrauch ihrer Gaben wird das Wirken des Heiligen Geistes, der doch das einzige Licht ist, für sie dämpfen. Der Urteilsspruch: "den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus," setzt das Siegel des Himmels auf die Wahl, die sie selbst für die Ewigkeit getroffen haben. ------------------------Kapitel 26 -- "Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon" CGl 363 1 Auf der Grundlage von Lukas 16,1-9. CGl 363 2 Christus kam auf diese Erde zu einer Zeit, da man sehr weltlich gesinnt war. Die Menschen hatten das Ewige dem Zeitlichen und das Trachten nach dem Zukünftigen den gegenwärtigen Angelegenheiten untergeordnet. Sie hielten Trugbilder für Wirklichkeiten und Wirklichkeiten für Trugbilder. Sie sahen nicht im Glauben die unsichtbare Welt. Satan stellte ihnen die Dinge dieses Lebens als viel anziehender denn alles andere dar und sie schenkten seinen Versuchungen Gehör. Christus kam, um die Sachlage zu ändern. Er versuchte es, den Zauber, der die Menschen betörte und gefangen hielt, zu brechen. Er versuchte in seinen Lehren die Ansprüche des Himmels und die der Erde wieder in die gehörige Stellung zu bringen, die Gedanken der Menschen von der Gegenwart auf die Zukunft zu lenken. Er rief sie zurück von dem Streben nach vergänglichen Dingen und ermahnte sie, Vorkehrungen für die Ewigkeit zu treffen. CGl 363 3 "Es war ein reicher Mann," sagte er, "der hatte einen Haushalter; der ward vor ihm berüchtiget, als hätte er ihm seine Güter umgebracht." Der reiche Mann hatte alle seine Besitzungen in den Händen dieses Dieners gelassen, aber der Diener war untreu und sein Her war davon überzeugt, daß er systematisch beraubt wurde. Er beschloß, ihn nicht länger in seinem Dienst zu behalten und verlangte deshalb seine Rechnungsführung zu untersuchen. "wie," sagte er, "höre ich das von dir? Tu Rechnung von deinem Haushalten, denn du kannst hinfort nicht Haushalter sein!" CGl 364 1 Im Hinblick auf seine Entlassung sah der Haushalter drei Wege, von denen er einen wählen mußte. CGl 364 2 Er mußte arbeiten, betteln oder verhungern. Und er sprach bei sich selbst: "Was soll ich tun? Mein Herr nimmt das Amt von mir; graben kann ich nicht, so schäme ich mich zu betteln. Ich weiß wohl, was ich tun will, wenn ich nun von dem Amt gesetzt werde, daß sie mich in ihre Häuser nehmen. Und er rief zu sich alle Schuldner seines Herrn, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er sprach: Hundert Tonnen Öls. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Brief, setze dich und schreibe flugs 50. Darnach sprach er zu dem andern: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Malter Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Brief und schreib achtzig." CGl 364 3 Der untreue Knecht zog andere mit hinein in seine Unehrlichkeit. Er betrog seinen Herrn zu ihrem Vorteil und indem sie diesen Vorteil annahmen, stellten sie sich unter die Verpflichtung, ihn als ihren Freund aufzunehmen. CGl 364 4 "Und der Herr lobte den ungerechten Haushalter, daß er klüglich getan hatte." Der weltliche Mann lobte die Scharfsichtigkeit des Mannes, der ihn betrogen hatte. Aber des reichen Mannes Lob war nicht das Lob Gottes. CGl 364 5 Christus lobte den ungerechten Haushalter nicht, sondern er benutzte nur dieses wohlbekannte Verfahren, um die Lehre zu veranschaulichen, die er geben wollte. "Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon," sagte er, "auf daß, wenn er zu Ende gehet, ihr aufgenommen werdet in die ewigen Hütten." Lukas 16,9 (EB). CGl 364 6 Der Heiland war von den Pharisäern getadelt worden, weil er mit den Zöllnern und Sündern verkehrte; das hatte aber weder sein Interesse, noch seine Bemühungen für sie verringert. Er sah, daß ihre Beschäftigung sie in Versuchung brachte. Sie waren von Verlockungen zur Sünde umgeben. Der erste unrechte Schritt war leicht und dann ging es auf dem betretenen Pfade schnell bergab zu größerer Unehrlichkeit und größeren Verbrechen. Christus versuchte auf alle nur möglichen Weisen sie auf höhere Ziele und edlere Grundsätze zu lenken. Diesen Zweck hatte er im Gleichnis vom untreuen Haushalter im Auge. Es hatte unter den Zöllnern gerade ein solcher Fall, wie der im Gleichnis vorgeführte, stattgefunden und sie erkannten in der von Christo gegebenen Beschreibung ihre eigene Handlungsweise. Ihre Aufmerksamkeit wurde gefesselt und aus dem Bilde ihrer eigenen unehrlichen Handlungsweise zogen viele eine Lehre voll himmlischer Wahrheit. CGl 365 1 Das Gleichnis war jedoch direkt an die Jünger gerichtet. Ihnen wurde der Sauerteig der Wahrheit zuerst gegeben und durch sie sollten andere erreicht werden. Viele der Lehren Christi wurden von den Jüngern zuerst nicht verstanden und schienen oft beinahe vergessen zu sein. Aber unter dem Einfluß des Heiligen Geistes gewannen diese Wahrheiten später an Klarheit und wurden den Neubekehrten, die der Gemeinde hinzugetan wurden, durch die Jünger in lebendiger Weise veranschaulicht. CGl 365 2 Der Heiland sprach auch zu den Pharisäern. Er gab die Hoffnung nicht auf, daß auch sie die überzeugende Kraft seiner Worte erkennen würden. Viele waren schon überführt worden und indem diese die Wahrheit unter der Eingebung des Heiligen Geistes hörten, wurden etliche von ihnen an Christum gläubig. CGl 366 1 Die Pharisäer hatten es versucht, Christum in einen schlechten Ruf zu bringen, indem sie ihn beschuldigten, mit Zöllnern und Sündern zu verkehren. Jetzt wandte Jesus den Tadel gegen diese Beschuldiger. Die Sache, die sich unter den Zöllnern zugetragen hatte, führte er den Pharisäern so vor, daß ihre Handlungsweise dargestellt und auch die einzige Art und Weise, wie sie ihren Irrtum gut machen konnten, ihnen gezeigt wurde. CGl 366 2 Dem ungetreuen Haushalter waren die Güter seines Herrn zu wohltätigen Zwecken anvertraut worden, aber er hatte sie für sich selbst benutzt. So war es auch mit Israel. Gott hatte die Nachkommen Abrahams erwählt. Mit starkem Arm hatte er sie aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst. Er hatte sie als Bewahrer seiner Heiligen Wahrheit erkoren, die der ganzen Welt zum Segen gereichen sollte. Er hatte ihnen sein lebendiges Wort anvertraut, damit sie anderen das Licht mitteilen möchten; aber seine Haushalter hatten seine Gaben benutzt, um sich selbst zu bereichern und sich zu erhöhen. CGl 366 3 Die von Selbstgerechtigkeit und dem Gefühl ihrer eigenen Wichtigkeit erfüllten Pharisäer hatten die ihnen von Gott zu seiner Verherrlichung geliehenen Güter nicht richtig angewandt. CGl 366 4 Der Haushalter im Gleichnis hatte keine Vorkehrung für die Zukunft getroffen, er hatte die ihm zum Besten anderer anvertrauten Güter für sich selbst benutzt, hatte aber nur an die Gegenwart gedacht. Wenn ihm jetzt sein Haushalteramt genommen würde, so hatte er nichts, das er sein Eigen nennen konnte. Aber seines Herrn Güter waren noch in seinen Händen und er beschloß sie so zu benutzen, daß er selbst vor zukünftigem Mangel geschützt sein möchte. Zu diesem Zwecke mußte er nach einem neuen Plan arbeiten. Anstatt für sich selbst zu sammeln, mußte er anderen mitteilen. Vielleicht konnte er auf diese Weise sich Freunde sichern, die, wenn er sein Amt verlieren sollte, ihn aufnehmen würden. So war es auch mit den Pharisäern. Das Haushalteramt sollte ihnen bald genommen werden und sie mußten für die Zukunft sorgen. Nur indem sie darnach trachteten, anderen Gutes zu tun, konnten sie sich selber nützen. Nur indem sie Gottes Gaben in diesem Leben anderen mitteilten, konnten sie Vorkehrungen für die Ewigkeit treffen. CGl 367 1 Nachdem Christus das Gleichnis erzählt hatte, sagte er: "Die Kinder dieser Welt sind klüger, denn die Kinder des Lichtes in ihrem Geschlechte." Das heißt, die Weltweisen bekunden mehr Weisheit und Ernst in ihrer Arbeit für sich selbst, als die vorgeblichen Gotteskinder im Dienste des Herrn an den Tag legen. So war es zur Zeit Christi und so ist es jetzt. Sehen wir uns einmal das Leben vieler an, die behaupten Christen zu sein. Der Herr hat sie mit Fähigkeiten, mit Kraft und Einfluß ausgerüstet und ihnen Geld anvertraut, damit sie seine Mitarbeiter im großen Erlösungsplan sein möchten. Alle Gaben Gottes sollten zum Heil der Menschheit, zur Hilfe der Leidenden und Bedürftigen benutzt werden. Die Hungrigen müssen gespeist, die Nackten bekleidet, die Witwen und Waisen versorgt und den Betrübten und Bedrückten geholfen und gedient werden. Es war nie Gottes Wille, daß in der Welt ein so verbreitetes Elend sein sollte. Er wollte nicht, daß ein Mensch alle möglichen Luxusgegenstände im Überfluß haben sollte, während die Kinder eines anderen nach Brot schreien. Alle Mittel, die nicht für den Lebensunterhalt benötigt sind, sind den Menschen anvertraut, um damit Gutes zu tun und dadurch anderen zum Segen zu gereichen. Der Herr sagt: "Verkaufet, was ihr habt, und gebt Almosen." Seid bereit, Gutes zu tun, reich zu werden an guten Werken, gern zu geben und behilflich zu sein. "Wenn du ein Mahl machest, so lade die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden." Lukas 12,33; 1.Timotheus 6,18. "Laß los, welche du mit Unrecht gebunden hast; laß ledig, welche du beschwerest; gib frei, welche du drängest; reiß weg allerlei Last; brich dem Hungrigen dein Brot, und die, so im Elend sind, führe ins Haus; so du einen nackt siehest, so kleide ihn." Sättige "die elende Seele". "Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur." Jesaja 58,6.7.10; Markus 16,15. Dies sind des Herrn Gebote. Kommt die große Menge derer, die sich Christen nennen, denselben nach? CGl 368 1 Ach, wie viele verwenden die Gaben Gottes für sich selbst! Wie viele kaufen ein Haus nach dem andern und fügen ihren Ländereien ein Stück nach dem anderen hinzu! Wie viele geben ihr Geld für Vergnügungen, zur Befriedigung des Appetits, für köstliche ausgestattete Häuser, für Möbel und Kleider aus! Ihre Mitmenschen werden dem Elend, dem Verbrechen, der Krankheit und dem Tode überlassen. Viele, viele kommen um, ohne daß ein mitleidsvoller Blick, ein Wort der Teilnahme, oder eine liebevolle Handlung sie erquickt. CGl 368 2 Die Menschen machen sich der Beraubung Gottes schuldig. Durch ihre selbstsüchtige Verwendung von Mitteln wird der Herr der Ehre beraubt, die durch die Linderung der menschlichen Leiden und durch die Rettung von Seelen auf ihn zurückstrahlen würde. Sie veruntreuen die ihnen anvertrauten Güter. Der Herr erklärt: "Und ich will zu euch kommen, und euch strafen, und will ein schneller Zeuge sein wider die ... so Gewalt und Unrecht tun den Taglöhnern, Witwen und Waisen, und den Fremdling drücken." "Ist's recht, daß ein Mensch Gott täuscht, wie ihr mich täuschet? So sprecht ihr: Womit täuschen wir dich? Am Zehnten und Hebopfer. Darum seid ihr auch verflucht, daß euch alles unter den Händen zerrinnet; denn ihr täuschet mich allesamt." "Wohlan nun, ihr Reichen, ... euer Reichtum ist verfaulet, eure Kleider sind mottenfräßig worden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und sein Rost wird euch zum Zeugnis sein ... Ihr habt euch Schätze gesammelt in den letzten Tagen." "Ihr habt wohlgelebet auf Erden und eure Wollust gehabt." "Siehe, der Arbeiter Lohn, die euer Land eingeerntet haben, der von euch abgebrochen ist, der schreiet, und das Rufen der Ernter ist kommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth." Maleachi 3,5.8.9; Jakobus 5,1-3.5.4. CGl 369 1 Von einem jeden wird gefordert werden, daß er die ihm anvertrauten Gaben zurückgibt. Am Gerichtstage werden die aufgehäuften Schätze der Menschen wertlos sein; letztere haben dann nichts, was sie ihr eigen nennen können. CGl 369 2 Menschen, die es sich zur Hauptaufgabe ihres Lebens machen, weltliche Schätze anzuhäufen, zeigen weniger Weisheit, weniger Nachdenken und weniger Sorge um ihre ewige Wohlfahrt, als der ungerechte Haushalter betreffs seiner irdischen Unterkunft an den Tag legte. Weniger weise als die Kinder dieser Welt in ihrem Geschlecht sind diese vorgeblichen Kinder des Lichts. Diese sind es, von denen der Prophet in seinem Gesicht vom großen Gerichtstage sagte: "Zu der Zeit wird jedermann wegwerfen seine silbernen und güldnen Götzen, die er sich hatte machen lassen, anzubeten, in die Löcher der Maulwürfe und der Fledermäuse, auf daß er möge in die Steinritzen und Felsklüfte kriechen vor der Furcht des Herrn und vor seiner herrlichen Majestät, wenn er sich aufmachen wird, zu schrecken die Erde." Jesaja 2,20.21. CGl 369 3 "Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon," sagte Christus, "auf daß, wenn es zu Ende geht, ihr aufgenommen werdet in die ewigen Hütten." Lukas 16,9 (EB). Gott, Christus und die Engel dienen alle den Betrübten, den Leidenden und den mit Sünden Beladenen. Übergebt euch Gott zu gleichem Werke, benutzt seine Gaben zu diesem Zwecke und ihr werdet Teilhaber in der Arbeit mit himmlischen Wesen. Eure Herzen werden im Einklang mit den ihrigen schlagen. Ihr werdet ihnen im Charakter ähnlich werden. Euch werden diese Bewohner der ewigen Hütten keine Fremden sein. Wenn die irdischen Dinge vergangen sind, dann werden die Hüter an den himmlischen Pforten euch willkommen heißen. CGl 369 4 Die Mittel, welche anderen zum Segen benutzt worden sind, werden Zinsen tragen. Die in tüchtiger Weise angewandten Reichtümer werden viel Gutes ausrichten. Seelen werden für Christum gewonnen werden. Die, welche den Plan, wie Christus ihn fürs Leben niedergelegt hat, befolgen, werden jene am Hofe Gottes sehen, für die sie auf Erden gewirkt und Opfer gebracht haben, und mit dankbaren Herzen werden die Erlösten sich derer erinnern, die Werkzeuge zu ihrer Rettung gewesen sind. Köstlich wird der Himmel denen sein, die im Werke der Seelenrettung treu gewesen sind! CGl 370 1 Die in diesem Gleichnis liegende Lehre gilt allen. Ein jeder wird für die ihm von Christo gegebene Gnade verantwortlich gehalten werden. Das Leben ist zu ernst, um ganz von zeitlichen oder irdischen Dingen in Anspruch genommen zu werden. Der Herr wünscht, daß wir anderen das mitteilen, was uns von dem, das ewig und unsichtbar ist, mitgeteilt wird. In jedem Jahr gehen Millionen und aber Millionen Menschenseelen ungewarnt und ungerettet in die Ewigkeit. Von Stunde zu Stunde werden uns in unseren verschiedenen Lebensverhältnissen Gelegenheiten geboten, Seelen zu erreichen und zu retten. Diese Gelegenheiten kommen und gehen beständig. Gott wünscht, daß wir sie auskaufen. Tage, Wochen und Monate gehen vorüber; wir haben einen Tag, eine Woche, einen Monat weniger, um unsere Arbeit zu verrichten. Es wird höchstens nur noch wenige, kurze Jahre dauern und die Stimme, der wir die Antwort nicht verweigern könne, wird gehöret werden: "Tu Rechnung von deinem Haushalten." CGl 370 2 Christus fordert einen jeden auf, diese Dinge zu bedenken. Berechnet die Sache genau und ehrlich. Legt in die eine Schale der Waage Jesum, das heißt den ewigen Schatz, das Leben, die Wahrheit, den Himmel und die Christo ähnliche Freude an erlösten Seelen und in die andere Schale alles Anziehende, das die Welt bieten kann. Legt in die eine Schale den Verlust eurer eigenen Seele und der Seelen derer, die durch euch hätten gerettet werden können; in die andere legt für euch und für sie ein Leben, welches nach dem Leben Gottes gemessen wird. Wiegt für Zeit und Ewigkeit. Während ihr hiermit beschäftigt seid, spricht Christus: "Was hülfe es den Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden?" Markus 8,36. CGl 371 1 Gott wünscht, daß wir das Himmlische anstatt des Irdischen wählen. Er ermöglicht es uns, einen Schatz im Himmel anzulegen. Er möchte uns ermutigen, dem höchsten Ziele nachzustreben und uns den größten Schatz zu sichern. Er erklärt, "daß ein Mann teurer sein soll denn fein Gold, und ein Mensch werter denn Goldes Stücke aus Ophir." Jesaja 13,12. Wenn die Reichtümer, welche die Motten fressen und der Rost verzehrt, vergehen, dann werden sich die Nachfolger Christi ihres himmlischen Schatzes, der unvergänglichen Reichtümer, erfreuen. CGl 371 2 Besser als alle Freundschaft der Welt ist die Freundschaft der von Christo Erlösten. Besser als das Anrecht auf den schönsten Palast auf Erden ist das Anrecht auf die Wohnungen, die unser Heiland uns bereitet. Und besser als alle irdischen Lobesworte werden des Heilandes Worte an seine getreuen Diener sein: "Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt." Matthäus 25,34. CGl 371 3 Denen, die Gottes Güter verschleudert und verschwendet haben, gibt Christus noch Gelegenheit, sich ewige und unvergängliche Reichtümer zu sichern. Er sagt: "Gebt, so wird euch gegeben." "Machet euch Säckel, die nicht veralten, einen Schatz, der nimmer abnimmt, im Himmel, da kein Dieb zukommt, und den keine Motten fressen." "Der Reichen von dieser Welt gebiete, ... daß sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, Schätze sammeln, ihnen selbst einen guten Grund aufs Zukünftige, daß sie ergreifen das wahre Leben." Lukas 6,38; Lukas 12,33; 1.Timotheus 6,17-19. CGl 371 4 Laßt also euer Besitztum euch in den Himmel vorausgehen. Häuft euch einen Schatz an neben dem Throne Gottes. Macht euer Anrecht auf den unerforschlichen Reichtum Christi sicher. "Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn er zu Ende geht, ihr aufgenommen werdet in die ewigen Hütten." Lukas 16,9 (EB). ------------------------Kapitel 27 -- "Wer ist denn mein Nächster?" CGl 372 1 Auf der Grundlage von Lukas 10,25-27. CGl 372 2 Unter den Juden verursachte die Frage: "Wer ist denn mein Nächster?" endlose Erörterungen. Sie hegten keinen Zweifel betreffs der Heiden und der Samariter. Diese waren Fremdlinge und Feinde. Aber wo sollte die Scheidelinie unter den Angehörigen ihres eigenen Volkes, wo unter den verschiedenen Gesellschaftsklassen gezogen werden? Wen sollte der Priester, der Rabbiner, der Älteste als Nächsten betrachten? Sie brachten ihr Leben in einer Runde von Zeremonien zu, um sich rein zu machen. Die Berührung mit der unwisssenden und achtlosen Menge würde, so lehrten sie, eine Befleckung verursachen, die schwer zu beseitigen sei. Sollten sie die "Unreinen" als ihre Nächsten betrachten? CGl 372 3 Diese Frage beantwortete Christus im Gleichnis von dem barmherzigen Samariter. Er zeigte, daß mit unserem Nächsten nicht nur jemand gemeint ist, der mit uns derselben Gemeinde angehört, oder denselben Glauben hat, den wir haben. Es ist hier keine Rede von einem Rassen-, Farben- oder Klassenunterschied; sondern eine jede Person, die unserer Hilfe bedarf, ist unser Nächster. Eine jede vom Widersacher verwundete und zerschlagene Seele ist unser Nächster. Unser Nächster ist ein jeder, der Gottes Eigentum ist. CGl 372 4 Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter wurde durch eine Frage veranlaßt, welche ein Schriftgelehrter an Christum richtete. Als der Heiland lehrte, "stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe?" Die Pharisäer hatten den Schriftgelehrten veranlaßt, diese Frage zu stellen und zwar in der Hoffnung, daß sie Christum in seinen Worten fangen möchten, und so lauschten sie denn begierig seiner Antwort. Aber der Heiland ließ sich in keine Streitfrage mit ihnen ein. Er ließ sich die Antwort von dem Fragesteller selbst geben. "Wie stehet im Gesetz geschrieben?" fragte er, "wie liesest du?" Die Juden beschuldigten Jesum immer noch, es mit dem auf Sinai gegebenen Gesetz leicht zu nehmen; Jesus aber machte die Frage der Seligkeit vom Halten der Gebote abhängig. CGl 373 1 Der Schriftgelehrte sagte: "Du sollst Gott, deinen Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte, und deinen Nächsten als dich selbst." "Du hast recht geantwortet," sagte Christus, "tue das, so wirst du leben." CGl 374 1 Der Schriftgelehrte war mit der Stellungnahme und den Werken der Pharisäer nicht zufrieden. Er hatte in der Schrift mit dem Wunsche geforscht, die wirkliche Bedeutung derselben kennen zu lernen. Es lag ihm am Herzen und deshalb fragte er in voller Aufrichtigkeit: "Was muß ich tun?" In seiner Antwort betreffs der Anforderungen, die das Gesetz stellt, überging er die vielen zeremoniellen und rituellen Vorschriften. Diesen legte er keinen Wert bei, sondern führte die zwei großen Grundsätze an, in denen das ganze Gesetz und die Propheten zusammengefaßt sind. Durch die Billigung dieser Antwort gewann der Heiland einen Vorteil bei den Rabbinern. Sie konnten ihn nicht tadeln, weil er etwas billigte, was von einem Ausleger des Gesetzes gesagt worden war. CGl 374 2 "Tue das, so wirst du leben," sagte Christus. Er stellte in seinen Lehren das Gesetz immer als ein göttliches Ganzes hin und zeigte, daß es unmöglich sei, ein Gebot desselben zu halten und ein anderes zu übertreten, weil alle von demselben Grundsatze ausgehen. Des Menschen Schicksal wird durch seinen Gehorsam gegen das ganze Gesetz bestimmt. CGl 374 3 Christus wußte, daß niemand das Gesetz in seiner eigenen Kraft erfüllen konnte. Er wünschte den Schriftgelehrten zu einem eingehenden und genauen Forschen anzuregen, damit er die Wahrheit finden möchte. Nur indem wir die Kraft und Gnade Christi annehmen, können wir das Gesetz halten. Der Glaube an die Versöhnung für die Sünde befähigt den gefallenen Menschen, Gott von ganzem Herzen und seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben. CGl 374 4 Der Schriftgelehrte wußte, daß er weder die ersten vier noch die letzten sechs Gebote gehalten hatte. Er wurde durch die Worte Christi überführt; aber anstatt seine Sünde zu bekennen, suchte er sich zu entschuldigen. Lieber als die Wahrheit anzuerkennen, versuchte er zu zeigen, wie schwierig die Erfüllung des Gesetzes sei. In dieser Weise hoffte er, der Überführung auszuweichen und sich in den Augen des Volkes zu rechtfertigen. Des Heilandes Worte hatten ihm gezeigt, daß seine Frage nutzlos war, da er sie ja selbst beantworten konnte. Dennoch richtete er eine andere Frage an ihn und sagte; "Wer ist denn mein Nächster?" CGl 375 1 Wiederum weigerte sich Christus, in eine Streitfrage hineingezogen zu werden. Er beantwortete die Frage, indem er ein Vorkommnis erzählte, das noch frisch im Gedächtnis seiner Zuhörer war. "Es war ein Mensch," sagte er, "der ging von Jerusalem hinab gen Jericho und fiel unter die Mörder; die zogen ihn aus und schlugen ihn und gingen davon, und ließen ihn halbtot liegen." CGl 375 2 Der von Jerusalem nach Jericho Reisende mußte einen Teil der Wüste Judäas durchwandern. Der Weg führte durch eine wilde, felsige Bergschlucht, in welcher Räuber hausten, und die oft der Schauplatz von Gewalttaten war. Hier wurde der Reisende angegriffen, aller seiner Wertsachen beraubt und halbtot am Wege liegen gelassen. Während er in dieser Verfassung dalag, kam ein Priester des Weges; er sah den Mann verwundet daliegen und sich in seinem Blute wälzen, aber er ließ ihn liegen, ohne ihm Hilfe zu leisten. "Da er ihn sah, ging er vorüber." Dann kam ein Levit des Weges. Neugierig zu erfahren, was geschehen sei, hielt er an und blickte auf den Leidenden. Er wußte recht gut, was er tun sollte, aber es war keine angenehme Pflicht. Er wünschte, daß er nicht des Weges gekommen wäre und den verwundeten, mißhandelten Mann nicht gesehen hätte. Er redete sich selbst ein, daß die Sache ihn nichts angehe und "ging vorüber". CGl 375 3 Aber jetzt kam ein Samariter desselben Weges entlang und als er den Leidenden sah, verrichtete er das Werk, welches die anderen nicht hatten tun wollen. In Liebe und Güte diente er dem verwundeten Manne. "Da er ihn sah, jammerte ihn sein, ging zu ihm, verband ihm seine Wunden und goß drein Öl und Wein und hob ihn auf sein Tier und führte ihn in die Herberge und pflegte sein. Des andern Tages reiste er und zog heraus zwei Groschen und gab sie dem Wirte und sprach zu ihm: Pflege sein; und so du was mehr wirst dartun, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme." Der Priester und der Levit gaben sich beide für fromm aus; aber der Samariter zeigte, daß er wahrhaft bekehrt war. Es war für ihn nicht angenehmer, den Dienst auszuüben als für den Priester und den Leviten, aber er bewies in Sinn und Tat, daß er im Einklang mit Gott war. CGl 376 1 Jesus führte hier die Grundsätze des Gesetzes in einer direkten kraftvollen Weise vor und zeigte seinen Zuhörern, daß sie es vernachlässigt hatten, diese Grundsätze auszuleben. Seine Worte waren so bestimmt und treffend, daß die Zuhörer keine Gelegenheit fanden, verfängliche Einwürfe zu machen. Der Schriftgelehrte fand an dem Gesagten nichts auszusetzen. Sein Vorurteil in bezug auf Christum war beseitigt. Aber er hatte seine nationale Abneigung noch nicht genügend überwunden, um freimütig zu erklären, daß der Samariter am edelsten gehandelt habe. Als Christus ihn fragte: "Welcher dünkt dich, der unter diesen dreien der Nächste sei gewesen dem, der unter die Mörder gefallen war?" Da antwortete er: "Der die Barmherzigkeit an ihm tat." CGl 376 2 "Da sprach Jesus zu ihm: So gehe hin und tu desgleichen." Zeige denen, die in Not sind, gleiche Liebe und Güte. Dadurch wirst du den Beweis geben, daß du das ganze Gesetz hältst. CGl 377 1 Der große Unterschied zwischen den Juden und den Samaritern war ein Unterschied in ihrem Glauben, nämlich betreffs der Frage, worin die wahre Anbetung Gottes bestehe. Die Pharisäer sagten nichts Gutes über die Samariter, sondern überhäuften sie mit den bittersten Flüchen. So groß war die gegenseitige Abneigung zwischen den Juden und den Samaritern, daß es dem samaritischen Weibe befremdlich schien, daß Christus sie um einen Trunk Wassers bat. "Wie bittest du von mir zu trinken," sagte sie, "so du ein Jude bist, und ich ein samaritisch Weib?" "Denn," fügt der Evangelist hinzu, "die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern." Johannes 4,9. Und als die Juden so mit tödlichem Haß gegen Christum erfüllt waren, daß sie sich im Tempel erhoben, um ihn zu steinigen, da konnten sie keine passenderen Worte finden, um ihren Haß auszudrücken, als: "Sagen wir nicht recht, daß du ein Samariter bist, und hast den Teufel?" Johannes 8,48. Dennoch vernachlässigten der Priester und der Levit gerade das Werk, welches Gott ihnen aufgetragen hatte, und überließen es einem gehaßten und verachteten Samariter, einem ihrer eigenen Landsleute zu dienen. CGl 377 2 Der Samariter hatte das Gebot erfüllt: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst," und dadurch gezeigt, daß er gerechter war als jene, die ihn verdammten. Sein eigenes Leben wagend, hatte er den verwundeten Mann wie seinen Bruder behandelt. Dieser Samariter stellt Christum dar. Unser Heiland hat für uns eine solche Liebe offenbart, der die Liebe eines Menschen nie gleich kommen kann. Als wir zerschlagen und am Sterben waren, hatte er Mitleid mit uns. Er ging nicht an uns vorüber und ließ uns nicht hilflos und hoffnungslos umkommen. Er blieb nicht in seinem heiligen, glücklichen Heim, wo er von allen himmlischen Heerscharen geliebt wurde. Er sah unsere große Not, nahm sich unserer Sache an und verband sein eigenes Wohl eng mit dem der Menschheit. Er starb, um seine Feinde zu retten. Er betete für seine Mörder und auf sein eigenes Beispiel hinweisend, sagte er zu seinen Nachfolgern: "Das gebiete ich euch, daß ihr euch untereinander liebet." Johannes 15,17. CGl 377 3 Der Priester und der Levit waren der Anordnung Gottes gemäß im Tempel gewesen, um dort anzubeten. An diesem Dienst teilzunehmen, war ein großes und erhabenes Vorrecht, und der Priester und der Levit fühlten, daß, wenn Gott sie in dieser Weise ehrte, es unter ihrer Würde sei, einem unbekannten Leidenden am Wege zu dienen. So kam es, daß sie die besondere Gelegenheit, die Gott ihnen als seinen Werkzeugen gab, einem Mitmenschen zum Segen zu sein, vernachlässigten. CGl 378 1 Viele machen auch heute einen ähnlichen Fehler. Sie teilen ihre Pflichten in zwei verschiedene Klassen ein; die eine Klasse enthält große Pflichten, die im Gehorsam gegen das Gesetz Gottes getan werden müssen; die andere Klasse besteht aus sogenannten kleinen Dingen, unter denen das Gebot "du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst," ganz übersehen wird. Die Erfüllung dieser Pflichten hängt von der Laune ab, die wiederum den Neigungen und Antrieben unterworfen ist. Dadurch leidet der Charakter Schaden und die Religion Christi wird falsch dargestellt. CGl 378 2 Viele glauben, daß ihrer Würde Abbruch getan würde, wenn sie der leidenden Menschheit dienten. Viele blicken mit Gleichgültigkeit und Verachtung auf solche, die den Seelentempel ruiniert haben. Andere vernachlässigen die Armen aus anderen Beweggründen. Sie sind, wie sie glauben, im Werke Christi tätig und versuchen irgend ein würdiges Unternehmen aufzubauen. Sie meinen, daß sie ein großes Werk tun und deshalb nicht innehalten können, um den Armen und Bedürftigen Beachtung zu schenken. Ja, es mag sogar vorkommen, daß sie in der Förderung ihres vorgeblichen großen Werkes die Armen unterdrücken. Sie bringen sie vielleicht in schwierige Verhältnisse, berauben sie ihrer Rechte oder vernachlässigen ihre Bedürfnisse. Dennoch glauben sie, daß alles dies zu rechtfertigen ist, weil sie ja, wie sie behaupten, das Werk Christi fördern. CGl 379 1 Viele lassen einen Bruder oder Nachbar gegen widrige Umstände ankämpfen, ohne ihm zu helfen. Weil sie behaupten, Christen zu sein, mag dieser veranlaßt werden zu denken, daß sie in ihrer kalten Selbstsucht Christum darstellen. Weil vorgebliche Knechte des Herrn nicht seine Mitarbeiter sind, wird die Liebe Gottes, die von ihnen ausfließen sollte, in einem hohen Grade von ihren Mitmenschen ferngehalten und viele Lob- und Danksagungen, die von Menschenherzen und -lippen zu Gott emporsteigen sollten, werden im Keim erstickt. Gott wird der Ehre und Verherrlichung, die seinem heiligen Namen gebühren, beraubt. Er wird der Seelen beraubt, für die Christus starb, Seelen, die er gern in sein Reich bringen möchte, um dort durch die endlosen Zeitalter der Ewigkeit hindurch in seiner Gegenwart zu wohnen. CGl 379 2 Die göttliche Wahrheit hat wenig Einfluß auf die Welt, und sollte doch, wenn sie praktisch in unserem Leben verwertet wird, viel Einfluß ausüben. Allenthalben bekennt man die Religion dem Namen nach, aber sie hat wenig Wert. Wir mögen vorgeben, Nachfolger Christi zu sein, mögen behaupten, eine jede im Worte Gottes enthaltene Wahrheit zu glauben, aber das wird unserem Nächsten nichts nützen, wenn unser Glaube nicht in unser tägliches Leben hineingebracht wird. Unser Bekenntnis mag himmelhoch sein, aber es wird weder uns, noch unsere Mitmenschen selig machen, wenn wir nicht Christen sind. Ein richtiges Beispiel wird der Welt mehr nützen als alle unsere Bekenntnisse. CGl 379 3 Christi Sache kann durch kein selbstsüchtiges Leben gefördert werden. Seine Sache ist die Sache der Bedrückten und der Armen. In den Herzen seiner vorgeblichen Nachfolger muß mehr von dem innigen Mitgefühl Christi sein -- eine tiefere Liebe für die, welche er so hoch geschätzt hat, daß er sein eigenes Leben zu ihrer Rettung dahingab. Diese Seelen sind köstlich, unendlich viel köstlicher als irgend eine andere Opfergabe, die wir Gott darbringen können. Alle Kraft auf irgend ein anscheinend großes Werk zu verwenden und dabei die Bedürftigen vernachlässigen oder dem Fremdling sein Recht schmälern, ist ein Dienst, der nicht das Wohlgefallen Gottes hat. CGl 380 1 Die Heiligung der Seele durch das Wirken des Heiligen Geistes ist das Einpflanzen der Natur Christi in die Menschheit. Die Evangeliumsreligion ist Christus im Leben -- ein tätiges Lebenselement. Es ist die im Charakter und in guten Werken offenbarte Gnade Christi. Die Grundsätze des Evangeliums können von keinem Teil des täglichen Lebens getrennt werden. Ein jeder Zweig christlicher Erfahrung und christlichen Wirkens soll eine Darstellung des Lebens Christi sein. CGl 380 2 Die Liebe ist die Grundlage der Gottseligkeit. Was auch das Bekenntnis sein mag, so hat doch niemand reine, wahre Liebe zu Gott, wenn er nicht eine selbstlose Liebe zu seinem Bruder hat. Aber diese Liebe können wir niemals dadurch erlangen, daß wir versuchen, andere zu lieben. Was uns not tut, ist die Liebe Christi im Herzen zu haben. Wenn das eigene Ich in Christo aufgeht, dann fließt die Liebe Christi von selbst unwillkürlich hervor. Die Vollkommenheit des christlichen Charakters wird erreicht, wenn das Verlangen, anderen zu helfen und ihnen zum Segen zu sein, beständig in uns wach ist, wenn der Sonnenschein des Himmels das Herz erfüllt und in unserem Antlitz sich offenbart. CGl 380 3 Es ist nicht möglich, daß ein Herz, in dem Christus wohnt, liebeleer ist. Wenn wir Gott lieben, weil er uns zuerst geliebt hat, werden wir alle lieben, für die Christus gestorben ist. Wir können nicht in Berührung mit der Gottheit kommen, ohne gleichzeitig in Berührung mit der Menschheit zu kommen, denn in ihm, der auf dem Throne des Weltalls sitzt, sind Gottheit und Menschheit vereint. Sind wir mit Christo verbunden, so sind wir auch durch die goldenen Glieder der Liebeskette mit unseren Mitmenschen verbunden. Dann werden das Mitleid und die Barmherzigkeit Christi sich in unserem Leben bekunden. Wir werden nicht warten, bis die Bedürftigen und Unglücklichen zu uns gebracht werden; man braucht nicht erst unser Herz weich zu stimmen für das Leid anderer. Es wird ebenso natürlich für uns sein, den Bedürftigen und Leidenden zu dienen, wie es für Christum war, umherzugehen und Gutes zu tun. CGl 381 1 Überall wo Liebe und Mitleid sich kundtun, wo das Herz anderen zum Segen wird und sie beglückt, offenbart sich das Wirken des Geistes Gottes. Inmitten der Tiefen des Heidentums sind Menschen, die nichts vom geschriebenen Gesetze Gottes wußten und selbst den Namen Christi nie gehört hatten, freundlich und liebevoll gegen Christi Jünger gewesen und haben sie mit Gefahr ihres eignen Lebens beschützt. Solche Handlungen bekunden das Wirken göttlicher Kraft. Der Heilige Geist hat die Gnade Christi in das Herz der Wilden gepflanzt und -- gegen ihre Natur und die ihnen zuteil gewordene Erziehung -- ihr Mitgefühl erweckt. Das "wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in die Welt kommen" (Johannes 1,9), scheint in ihre Seele hinein, und dies Licht wird, wenn sie demselben folgen, ihre Füße zum Reiche Gottes führen. CGl 381 2 Die Herrlichkeit des Himmels zeigt sich in dem Bestreben, den Gefallenen aufzuhelfen und die Betrübten zu trösten; und wo Christus in menschlichen Herzen wohnt, da wird er in derselben Weise offenbar werden. Überall, wo die Religion Christi tätig ist, da wird sie Segen bringen; überall wo sie wirkt, wird sie Licht verbreiten. CGl 381 3 Vor Gott gilt kein Unterschied der Nationalität, Rasse oder Klasse. Er ist der Schöpfer des ganzen Menschengeschlechts. Alle Menschen bilden durch die Schöpfung eine Familie und sind eins durch die Erlösung. Christus kam, um jeden trennenden Zaun, jede Scheidewand fortzunehmen und eine jede Abteilung des Tempels zu öffnen, so daß eine jede Seele freien Zutritt zu Gott haben kann. Seine Liebe ist so weitgehend, so tief, so umfassend, daß sie alles durchdringt. Sie hebt die armen Seelen, die durch Satans Täuschungen betört worden sind, außerhalb dessen Bereich und bringt sie in eine erreichbare Nähe des Thrones Gottes, des Thrones, der von dem Bogen der Verheißung umgeben ist. CGl 382 1 In Christo ist weder Jude noch Grieche, Knecht oder Freier. Alle sind durch sein teures Blut nahegebracht. Galater 3,28. CGl 382 2 Welcher Religionsunterschied auch bestehen mag, ein Ruf von der leidenden Menschheit muß stets gehört und beachtet werden. Wo wegen Religionsverschiedenheiten bittere Gefühle bestehen, kann durch persönliche Dienstleistung viel Gutes getan werden. Liebendes Dienen wird das Vorurteil wegnehmen und Seelen für Gott gewinnen. CGl 382 3 Wir sollten ein Herz für die Sorgen, Schwierigkeiten und Kümmernisse anderer haben. Wir sollten an den Freuden und Leiden von hoch und niedrig, reich und arm teilnehmen. "Umsonst habt ihr's empfangen," sagte Christus, "umsonst gebt es auch." Matthäus 10,8. Überall um uns herum sind arme, bedrückte Seelen, die mitfühlender Worte und hilfreicher Handlungen bedürfen. Es gibt Witwen, die der Teilnahme, des Beistandes bedürfen; Waisenkinder, die nach dem Gebot des Meisters von den Nachfolgern Christi als ein von Gott anvertrautes Vermächtnis in Obhut genommen werden sollen. Nur zu oft werden sie unbeachtet gelassen. Sie mögen zerlumpt, roh und anscheinend in jeder Hinsicht wenig versprechend sein, aber dennoch sind sie das Eigentum Gottes. Sie sind mit einem großen Preis erkauft und in seinen Augen so köstlich wie wir. Sie sind Glieder der großen Familie Gottes, und Christen sind als seine Haushalter verantwortlich für sie. "Ihre Seelen," sagt er, "will ich von deiner Hand fordern." CGl 382 4 Die Sünde ist das größte aller Übel und wir sollten den Sünder bemitleiden und ihm helfen. Alle können natürlich nicht in derselben Weise erreicht werden. Es gibt viele, die ihren Seelenhunger verbergen. Ihnen würde ein liebevolles Wort, oder eine Tat, die ihnen zeigt, daß man ihrer gedenkt, eine große Hilfe sein. Andere sind in der größten Bedrängnis, ohne es zu wissen; sie erkennen ihren schrecklichen Seelenzustand nicht. Viele sind so tief in Sünde versunken, daß sie alles Gefühl und Verständnis für ewige Dinge, daß sie die Gottähnlichkeit verloren haben und kaum wissen, ob sie Seelen haben, die errettet werden können oder nicht. Sie haben weder Glauben an Gott, noch Zutrauen zu Menschen. Viele von diesen können nur durch selbstlose, liebevolle Handlungen erreicht werden; für ihre leiblichen Bedürfnisse muß zuerst gesorgt werden. Sie müssen gespeist, gereinigt und anständig gekleidet werden. Wenn sie die Beweise der selbstlosen Liebe sehen, wird es ihnen leichter sein, an die Liebe Christi zu glauben. CGl 383 1 Es gibt viele, die fehlen und ihre Schande und ihre Torheit fühlen. Sie blicken auf ihre Fehler und Mißgriffe, bis sie an den Rand der Verzweiflung getrieben werden. Solche Seelen dürfen wir nicht vernachlässigen. Wenn jemand gegen den Strom schwimmen muß, so drängt ihn die ganze Kraft des Stromes zurück. Man sollte ihm eine hilfreiche Hand entgegenstrecken, wie dem sinkenden Petrus die Hand des älteren Bruders -- die Hand Christi -- dargereicht wurde. Redet hoffnungsvolle, aufmunternde Worte -- Worte, die Zuversicht und Vertrauen anfachen und Liebe erwecken. CGl 383 2 Dein geistlich leidender, kranker Bruder bedarf deiner, wie du selbst eines Bruders Liebe bedürftig warst. Er bedarf jemandes Erfahrung, der so schwach gewesen ist, wie er es jetzt ist; er bedarf jemand, der mit ihm fühlen und ihm helfen kann. Die Erkenntnis unserer eigenen Schwäche sollte uns veranlassen, einem anderen in seiner bitteren Not zu helfen. Wir sollten niemals an einer leidenden Seele vorübergehen, ohne zu versuchen, ihr den Trost zu geben, mit dem wir selbst von Gott getröstet worden sind. CGl 383 3 Gemeinschaft mit Christo, persönliche Berührung mit einem lebendigen Heiland, befähigt Gemüt, Herz und Seele, über die niedrige Natur zu triumphieren. Erzählt dem verirrten Wanderer von einer allmächtigen Hand, die ihn aufrecht erhalten wird, von der unendlichen Menschenliebe Christi, die auch mit ihm fühlt. Es genügt nicht, daß er an das Dasein eines Gesetzes und einer Gewalt glaubt, an etwas, das kein Mitleid mit ihm haben und den Hilferuf der menschlichen Seele nicht hören kann. Er muß eine warme Hand drücken, einem liebevollen Herzen vertrauen können. Helft ihm an dem Gedanken festzuhalten, daß Gott ihm immer zur Seite ist und immer mit mitleidsvoller Liebe auf ihn blickt. Lehrt ihn an ein Vaterherz zu denken, das immer über Sünde trauert; an eine Vaterhand, die sich beständig nach ihm ausstreckt; an eines Vaters Stimme, die versichert, daß er ihn bei seiner Kraft erhalten und ihm Frieden schaffen wird. Jesaja 27,5. CGl 384 1 Wenn ihr so wirkt, dann habt ihr Begleiter, die von menschlichen Augen nicht gesehen werden. Engel vom Himmel waren an der Seite des Samariters, der für den mißhandelten, verwundeten Fremdling sorgte, und Boten aus den himmlischen Höfen stehen allen zur Seite, die Gott dadurch dienen, daß sie ihren Mitmenschen helfen; Christus selbst ist ihr Mitarbeiter. Er ist der Heiler und unter seiner Leitung werdet ihr große Resultate erzielen. CGl 384 2 Von der Treue in diesem Werke hängt nicht nur die Wohlfahrt anderer, sondern auch unser eignes, ewiges Schicksal ab. Christus versucht alle zur Gemeinschaft mit sich zu erheben, damit sie eins mit ihm sein möchten, wie er eins mit dem Vater ist. Er läßt uns mit Leiden und Unglück in Berührung kommen, um uns aus unserer Selbstsucht aufzurütteln. Er will seine Charaktereigenschaften -- Mitleid, Erbarmen und Liebe -- in uns entwickeln. Indem wir, wie er, anderen dienen, begeben wir uns in seine Schule, um für das Himmelreich geschickt gemacht zu werden; unterlassen wir aber dies Werk, so verwerfen wir seine Belehrungen und wählen die ewige Trennung von seiner Gegenwart. CGl 384 3 "Wirst du in meinen Wegen wandeln und meiner Hut warten," erklärt der Herr, so will ich "dir geben von diesen, die hier stehen, daß sie dich geleiten sollen" (Sacharja 3,7), -- nämlich von den Engeln, die seinen Thron umgeben. Indem wir die Mitarbeiter himmlischer Wesen in ihrem Werke auf Erden werden, bereiten wir uns vor für ihre Gesellschaft im Himmel. Als "dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit" (Hebräer 1,14), werden Engel im Himmel diejenigen bewillkommnen, die auf Erden nicht gelebt haben, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen. Matthäus 20,28. In dieser seligen Gemeinschaft werden wir zu unsrer ewigen Freude erfahren, was alles in der Frage eingeschlossen ist: "Wer ist denn mein Nächster?" ------------------------Kapitel 28 -- Der Gnadenlohn CGl 385 1 Auf der Grundlage von Matthäus 19,16-30; Matthäus 20,1-16; Matthäus 10,17-31; Lukas 18,18-30. CGl 385 2 Die Juden hatten die Wahrheit über die freie Gnade Gottes beinahe ganz aus den Augen verloren. Die Rabbiner lehrten, daß die Gunst Gottes verdient werden müsse, und hofften die Belohnung der Gerechten durch ihre eigenen Werke zu gewinnen. Daher herrschte in ihrem ganzen Gottesdienst ein gieriger, lohnsüchtiger Geist. Selbst die Jünger Christi waren nicht gänzlich frei von diesem Geist und der Heiland benutzte jede Gelegenheit, um ihnen ihren Irrtum zu zeigen. Gerade ehe er das Gleichnis von den Arbeitern gab, fand ein Ereignis statt, das ihm Gelegenheit bot, ihnen die richtigen Grundsätze klarzulegen. CGl 385 3 Als er seines Weges ging, trat ein Oberster zu ihm und grüßte ihn ehrfurchtsvoll, vor ihm knieend. "Guter Meister," sagte er, "was soll ich Gutes tun, daß ich das ewige Leben möge haben?" CGl 385 4 Der Oberste hatte Christum einfach als einen geehrten Rabbiner angeredet und in ihm nicht den Sohn Gottes erkannt. Der Heiland antwortete: "Was heißest du mich gut? Niemand ist gut, denn der einige Gott." Auf welchen Grund hin nennst du mich gut? Gott allein ist gut, wenn du erkennst, daß ich gut bin, mußt du mich als Gottes Sohn und Vertreter annehmen. CGl 386 1 "Willst du aber zum Leben eingehen," fügte er hinzu, "so halte die Gebote." Der Charakter Gottes ist in seinem Gesetz ausgedrückt und wenn du in Harmonie mit Gott sein willst, so müssen die seinem Gesetze unterliegenden Grundsätze die Quelle aller deiner Handlungen sein. CGl 386 2 Christus verringert die Ansprüche des Gesetzes nicht. In unverkennbarer Sprache stellt er den Gehorsam gegen dasselbe als die Bedingung zum ewigen Leben hin -- dieselbe Bedingung, die dem Adam vor seinem Fall gestellt wurde. Der Herr erwartet jetzt von einer Seele nichts weniger, als ehemals vom Menschen im Paradiese -- einen vollkommenen Gehorsam und eine unbefleckte Gerechtigkeit. Die unter dem Gnadenbunde gestellte Forderung ist gerade so groß, wie die in Eden gestellte -- Harmonie mit dem Gesetze Gottes, welches heilig, gut und gerecht ist. CGl 386 3 Auf die Worte: "So halte die Gebote," fragte der junge Mann: "Welche?" Er dachte, daß irgend eine zeremonielle Vorschrift gemeint sei, aber Christus sprach von dem auf Sinai gegebenen Gesetze. Er führte mehrere Gebote von der zweiten Gesetzestafel an und faßte sie dann alle in die eine Vorschrift zusammen: "Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst." CGl 386 4 Der junge Mann antwortete ohne Zögern: "Das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf; was fehlt mir noch?" Sein Begriff vom Gesetz war nur die äußere Form und daher oberflächlich. Nach menschlichem Maßstabe beurteilt, hatte er einen tadellosen Charakter bewahrt. Sein äußerliches Leben war in hohem Grade frei von Schuld gewesen; ja, er dachte sogar, daß sein Gehorsam ohne Tadel gewesen sei. Dennoch hatte er eine geheime Furcht, daß zwischen seiner Seele und Gott nicht alles in Ordnung sei. Dies veranlaßte die Frage: "Was fehlt mir noch?" CGl 386 5 "Willst du vollkommen sein," sagte Christus, "so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, und folge mir nach. Da der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt von ihm; denn er hatte viel Güter." CGl 387 1 Ein Mensch, der sein eigenes Ich liebt, ist ein Übertreter des Gesetzes. Dies wünschte Jesus dem jungen Manne begreiflich zu machen und er prüfte ihn auf eine Weise, durch welche die in seinem Herzen wohnende Selbstsucht offenbar wurde. Er zeigte ihm den wunden Punkt in seinem Charakter. Der junge Mann wünschte keine fernere Aufklärung. Er hegte einen Götzen in der Seele; die Welt war sein Gott. Er behauptete, die Gebote gehalten zu haben, kannte jedoch nicht den Grundsatz, welcher der Geist und das Leben aller Gebote ist. Er hatte keine wahre Liebe zu Gott oder Menschen und deshalb mangelte ihm auch alles, was ihn befähigen könnte, Zutritt zum Himmelreiche zu haben. Durch seine Selbstliebe und sein Trachten nach weltlichem Gewinn war er mit den Grundsätzen des Himmels nicht in Harmonie. CGl 387 2 Als dieser junge Mann zu Jesu kam, da gewannen seine Aufrichtigkeit und sein Ernst ihm des Heilandes Herz. Er "sah ihn an und liebte ihn". Er sah in diesem jungen Manne einen Menschen, der ihm als Prediger der Gerechtigkeit dienen könnte. Er würde diesen begabten und edlen Jüngling ebenso bereitwillig angenommen haben, wie er die armen Fischer annahm, die ihm nachfolgten. Hätte dieser junge Mann seine Fähigkeit dem Werke der Seelenrettung gewidmet, dann hätte er ein fleißiger und erfolgreicher Arbeiter für Christum werden können. CGl 388 1 Aber erst mußte er die Bedingungen der Jüngerschaft annehmen und sich ohne irgend welchen Vorbehalt Gott hingeben. Auf des Heilandes Ruf verließen Johannes, Petrus und ihre Genossen alles, standen auf und folgten ihm nach. Lukas 5,28. Dieselbe Hingabe wurde von diesem jungen Mann gefordert und Jesus verlangte von ihm kein größeres Opfer, als er selbst gebracht hatte. "Ob er wohl reich ist, ward er doch arm um euretwillen, auf daß ihr durch seine Armut reich würdet." 2.Korinther 8,9. Der junge Mann sollte denselben Weg verfolgen, den Jesus genommen hatte. CGl 388 2 Christus blickte auf den Jüngling und sehnte sich nach seiner Seele. Ihn verlangte darnach, ihn als Boten zum Segen der Menschen hinauszusenden. Anstatt dessen, was er um Christi willen aufgeben sollte, bot er ihm das Vorrecht der Gemeinschaft mit ihm selbst an. "Folge mir nach," sagte er. Dieses Vorrecht war von Petrus, Jakobus und Johannes mit Freuden angenommen worden. Der Jüngling blickte mit Bewunderung zu Christo auf. Sein Herz fühlte sich zum Heilande hingezogen. Aber er war nicht bereit, des Heilandes Grundsatz der Selbstaufopferung anzunehmen. Er zog seine Reichtümer Jesu vor. Er wollte wohl das ewige Leben haben, wollte aber nicht jene selbstlose Liebe, die allein Leben ist, in seiner Seele herrschen lassen, und mit einem traurigen Herzen wandte er sich von Christo ab. CGl 389 1 Als der junge Mann fortging, sagte Jesus zu seinen Jüngern: "Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!" Diese Worte überraschten die Jünger. Sie waren gelehrt worden, die Reichen als von Gott begünstigt anzusehen; sie selbst hofften, im Reiche des Messias weltliche Macht und Reichtümer zu empfangen. Wenn aber die Reichen nicht in das Reich Gottes eingehen könnten, welche Hoffnung gäbe es dann für die übrigen Menschen? CGl 389 2 "Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist's, daß die, so ihr Vertauen auf Reichtum setzen, ins Reich Gottes kommen! Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme. Sie entsetzten sich aber noch viel mehr." Jetzt erkannten sie, daß die ernste Warnung auch ihnen gelte. Im Lichte der Worte des Heilandes wurde ihnen ihr eigenes Verlangen nach Macht und Reichtümern offenbart. In banger Besorgnis betreffs ihrer selbst riefen sie aus: "Wer kann denn selig werden?" CGl 389 3 "Jesus aber sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist's unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott." CGl 389 4 Ein reicher Mann geht nicht um seines Reichtums willen in den Himmel ein. Sein Reichtum gibt ihm kein Anrecht auf das Erbteil der Heiligen im Licht. Nur durch die unverdiente Gnade Christi kann irgend ein Mensch Zutritt zu der Stadt Gottes haben. CGl 389 5 An die Reichen nicht weniger als an die Armen sind die durch den Heiligen Geist eingegebenen Worte gerichtet: Ihr "seid nicht euer selbst; denn ihr seid teuer erkauft". 1.Korinther 6,19.20. Wenn die Menschen dies glauben, dann werden sie ihre Besitzungen als ein ihnen von Gott anvertrautes Gut betrachten, das sie, wie er will, zur Rettung der Verlorenen und zum Besten der Leidenden und Armen benutzen werden. Dem Menschen ist dies unmöglich, denn sein Herz klammert sich an seinen irdischen Schatz. Seine Seele, die an den Dienst des Mammons gebunden ist, ist taub gegen den Ruf menschlicher Not. Aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Indem das selbstsüchtige Herz auf die Liebe Christi blickt, wird es schmelzen und erweichen. Der Reiche wird dahin kommen, daß er sagt, wie dereinst Saulus, der Pharisäer, sagte: "Was mir Gewinn war, das hab ich um Christi willen für Schaden geachtet. Ja, ich achte es noch alles für Schaden gegen die überschwengliche Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn." Philipper 3,7.8. Dann wird er nichts als sein Eigentum ansehen; er wird sich mit Freuden als Haushalter der mannigfachen Gnade Gottes betrachten und um seinetwillen gern der Knecht aller sein. CGl 390 1 Petrus war der erste der Jünger, der sich, nachdem des Heilandes Worte sie ihres innern Zustandes überführt hatten, wieder faßte. Er dachte mit Befriedigung an das, was er und seine Brüder für Christum aufgegeben hatten. "Siehe," sagte er, "wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolget," und der dem jungen Manne gemachten Verheißung: "So wirst du einen Schatz im Himmel haben," gedenkend, fragte er, welche Belohnung er und seine Genossen für die von ihnen gebrachten Opfer erhalten würden? CGl 390 2 Des Heilandes Antwort erfüllte die Herzen jener galiläischen Fischer mit Wonne. Sie führte ihnen Ehren vor Augen, die ihre höchsten Träume erfüllten: "Wahrlich, ich sage euch, daß ihr, die ihr mir seid nachgefolget, -- in der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit, werdet ihr auch sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels." Und er fügte hinzu: "Es ist niemand, so er verläßt Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfältig empfahe; jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker, mit Verfolgungen, und in der zukünftigen Welt das ewige Leben." CGl 391 1 Aber Petri Frage: "Was wird uns dafür?" hatte eine Gesinnung offenbart, die wenn nicht verändert, die Jünger ungeeignet gemacht haben würde, Christi Boten zu sein, denn sie war der Geist eines Mietlings. Obgleich die Jünger durch die Liebe Jesu angezogen worden waren, waren sie doch nicht gänzlich frei von Pharisäismus. Sie wirkten immer noch mit dem Gedanken, eine Belohnung zu verdienen, die im Verhältnis zu ihrer Arbeit stehen würde. Sie nährten einen Geist der Selbsterhebung mit Selbstzufriedenheit und stellten Vergleiche untereinander an. Wenn einer von ihnen in irgend einer besonderen Sache Mißerfolg hatte, so gaben sich die andern dem Gefühl der Überlegenheit hin. CGl 391 2 Damit die Jünger die Grundsätze des Evangeliums nicht aus den Augen verlieren möchten, erzählt Christus ihnen ein Gleichnis, welches die Art und Weise, in der Gott mit seinen Knechten verfährt, und den Geist, in welchem sie für ihn wirken sollten, veranschaulicht. CGl 391 3 "Das Himmelreich," sagte er, "ist gleich einem Hausvater, der am Morgen ausging, Arbeiter zu mieten in seinen Weinberg." Es war gebräuchlich, daß Männer, die Arbeit suchten, an den Marktplätzen warteten, wohin die Arbeitgeber gingen, um Knechte zu mieten. Der Mann im Gleichnis wird dargestellt als zu verschiedenen Stunden ausgehend, um Arbeiter zu dingen. Die in den frühesten Tagesstunden gemieteten Arbeiter willigen ein, für eine gewisse Summe zu arbeiten; und die später gemieteten überlassen die Bestimmung des Lohnes dem Arbeitgeber. CGl 391 4 "Da es nun Abend ward, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Schaffner: Rufe den Arbeitern und gib ihnen den Lohn, und heb an an den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde gedinget waren, und empfing ein jeglicher seinen Groschen. Da aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeglicher seinen Groschen." CGl 391 5 Des Hausvaters Verfahren mit den Arbeitern in seinem Weinberge stellt Gottes Verfahren mit der menschlichen Familie dar. Es ist den unter Menschen üblichen Gebräuchen entgegen. In weltlichen Geschäften richtet sich die Vergütung nach der geleisteten Arbeit. Der Arbeiter erwartet, daß ihm nur das bezahlt wird, was er verdient hat. Aber Jesus veranschaulichte in dem Gleichnis die Grundsätze seines Reiches -- eines Reiches, das nicht von dieser Welt ist. Er richtet sich nicht nach menschlichen Gebräuchen. Der Herr sagt: "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege: ... sondern soviel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken denn eure Gedanken." Jesaja 55,8.9. CGl 392 1 Im Gleichnis willigten die zuerst gedungenen Arbeiter ein, für eine bestimmte Summe zu arbeiten, und sie empfingen den festgesetzen Betrag, nichts mehr. Die später gemieteten Arbeiter glaubten dem Worte des Hausvaters: "Ich will euch geben, was recht ist." Sie zeigten, daß sie ihm vertrauten, indem sie keine Frage betreffs des Lohnes an ihn richteten. Sie wurden nicht nach der von ihnen geleisteten Arbeit belohnt, sondern nach der Freigebigkeit des Hausvaters. CGl 392 2 So wünscht auch Gott, daß wir ihm vertrauen, der den Gottlosen gerecht macht. Seine Belohnung wird nicht nach unserem Verdienst gegeben, sondern nach seinem Willen oder Vorsatz, "den er ausgeführt hat durch Christum Jesum, unsern Herrn." "Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig." Epheser 3,11 (v. Eß). Für alle, die ihm vertrauen, wird er überschwenglich tun "über alles, das wir bitten oder verstehen." Titus 3,5. CGl 392 3 Es ist nicht die Größe der Arbeit, die verrichtet wird, oder das sichtbare Resultat derselben, wodurch sie irgend einen Wert vor Gott erhält, sondern es kommt auf den Geist an, in dem die Arbeit getan wird. Die, welche um die elfte Stunde in den Weinberg kamen, waren dankbar für die Gelegenheit arbeiten zu können. Ihre Herzen waren voller Dankbarkeit gegen den, der sie angenommen hatte; und als der Hausvater ihnen am Schluß des Tages einen vollen Tagelohn auszahlte, da waren sie sehr überrascht. Sie wußten, daß sie nicht so viel Lohn verdient hatten, und die im Angesicht ihres Arbeitgebers ausgedrückte Güte erfüllte sie mit Freude. Sie vergaßen nie die Güte des Hausvaters, und die großmütige Vergütung, die er ihnen für ihre Arbeit gab. So ist es auch mit dem Sünder, der seine Unwürdigkeit erkennend, um die elfte Stunde in den Weinberg des Meisters gegangen ist. Seine Dienstzeit scheint kurz, und er fühlt, daß er keine Belohnung verdient hat; aber er ist voller Freude darüber, daß Gott ihn überhaupt angenommen hat. Er wirkt in Demut und vertrauensvoll und ist dankbar für das ihm zuteil gewordene Vorrecht, ein Mitarbeiter Christi zu sein. Solch einen Geist ehrt Gott gern. CGl 393 1 Der Herr wünscht, daß wir ihm vertrauen ohne eine Frage betreffs unserer Belohnung zu stellen. Wenn Christus in der Seele wohnt, dann kommt der Gedanke an die Belohnung nicht in erster Reihe. Er ist nicht der Beweggrund, der unserer Arbeit zugrunde liegt. Es ist wahr, daß wir in einem untergeordneten Sinne auch auf die uns verheißene Belohnung blicken sollen. Gott wünscht, daß wir seine uns verheißenen Segnungen schätzen. Aber er möchte nicht, daß wir nach Belohnung streben oder denken, daß wir für jede Pflichterfüllung eine Vergütung erhalten müssen. Wir sollen nicht so drauf bedacht sein, die Belohnung zu gewinnen, als das zu tun, was recht ist, ohne Rücksicht auf Gewinn und Belohnung. Die Liebe zu Gott und zu unsern Mitmenschen sollte unser Beweggrund sein. CGl 394 1 Dies Gleichnis entschuldigt diejenigen nicht, welche den ersten Ruf zur Arbeit hören, es aber unterlassen, in den Weinberg des Herrn zu gehen. Als der Hausvater um die elfte Stunde an den Markt ging und Leute unbeschäftigt fand, sagte er: "Was stehet ihr hier den ganzen Tag müßig?" Die Antwort war: "Es hat uns niemand gedinget." Keiner von denen, die später am Tage gedungen wurden, war am Morgen da. Sie hatten sich nicht geweigert, dem Rufe Folge zu leisten. Die, welche sich anfänglich weigern, dann aber ihr Unrecht einsehen und bereuen, tun wohl daran; aber es ist nie sicher, es mit dem ersten Ruf der Gnade leicht zu nehmen. CGl 394 2 Als die Arbeiter im Weinberge ihren Lohn empfingen, "ein jeglicher seinen Groschen," da murrten jene, die früh am Morgen mit ihrer Arbeit begonnen hatten. Hatten sie nicht zwölf lange Stunden gearbeitet? dachten sie, und wäre es nicht recht, daß sie mehr empfingen als die, welche nur eine Stunde zur kühleren Zeit des Tages gearbeitet hatten? "Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet," sagten sie, "und du hast sie uns gleich gemacht, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben." CGl 394 3 "Freund," antwortete der Hausvater einem derselben, "ich tue dir nicht unrecht. Bist du nicht mit mir eins worden um einen Groschen? Nimm, was dein ist, und gehe hin! Ich will aber diesem Letzten geben gleich wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem Meinen? Siehst du darum scheel, daß ich so gütig bin?" CGl 394 4 "Also werden die Letzten die Ersten, und die Ersten die Letzten sein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt." CGl 394 5 Die im Gleichnis erwähnten ersten Arbeiter stellen die dar, welche wegen ihrer Dienstleistungen einen Vorzug vor anderen beanspruchen. Sie gehen in einem leichten, in sich selbst Genüge findenden Geiste an die Arbeit und üben keine Selbstverleugnung und Selbstaufopferung. Vielleicht erklärten sie, Gott ihr ganzes Leben hindurch dienen zu wollen, haben auch wohl schon Schwierigkeiten, Entbehrungen und Prüfungen erduldet und halten sich deshalb zu einer großen Belohnung berechtigt. Sie denken mehr an die Belohnung, als an das Vorrecht, Knechte Christi sein zu dürfen. Nach ihrer Ansicht sind sie durch ihre Arbeit und die von ihnen dargebrachten Opfer zu größeren Ehren berechtigt als andere, und weil dieser Anspruch nicht anerkannt wird, sind sie beleidigt. Hätten sie in einem liebenden, vertrauenden Geist gearbeitet, so würden sie auch fernerhin die Ersten sein, aber ihr zänkisches, mürrisches Wesen ist Christo unähnlich und zeigt, daß sie des Vertrauens unwürdig sind. Es offenbart ihren Wunsch, das eigene Ich zu erheben, zeigt Mißtrauen gegen Gott und einen eifersüchtigen, mißgünstigen Geist gegen ihre Brüder. Die Güte und Freigebigkeit des Herrn gibt ihnen nur Veranlassung zum Murren, und so zeigen sie, daß zwischen ihren Seelen und Gott keine Verbindung ist. Sie kennen nicht die Freude, Mitarbeiter des Meisters zu sein. CGl 395 1 Nichts ist Gott mißfälliger als dieser engherzige, nur für das eigene Ich sorgende Geist. Er kann nicht mit denen wirken, welche diese Eigenschaft bekunden. Sie sind dem Wirken seines Geistes nicht zugänglich. CGl 395 2 Die Juden waren zuerst in den Weinberg des Herrn berufen worden und waren aus diesem Grunde stolz und selbstgerecht. Sie dachten, daß ihre langjährige Dienstzeit sie zu einer größeren Belohnung berechtige, als andere empfangen würden. Nichts erbitterte sie mehr als eine Andeutung, daß die Heiden die gleichen Vorrechte in bezug auf göttliche Dinge genießen würden, wie sie selbst. CGl 395 3 Christus warnte die Jünger, die zuerst zu seiner Nachfolge berufen worden waren, damit nicht dasselbe Übel unter ihnen genährt werde. Er sah, daß der Geist der Selbstgerechtigkeit die Ursache der Schwäche und der Fluch der Gemeinde sein werde. Die Menschen würden denken, daß sie etwas tun könnten, um sich einen Platz im Himmelreiche zu verdienen. Sie würden sich einbilden, daß wenn sie gewisse Fortschritte gemacht hätten, der Herr ihnen zu Hilfe kommen würde, und so würde dann viel vom eigenen Ich und wenig von Jesu da sein. Viele, die geringe Fortschritte gemacht hätten, würden aufgeblasen sein und sich für höher und besser als andere halten. Sie würden sich gern schmeicheln lassen und eifersüchtig und neidisch sein, wenn man sie nicht für die Wichtigsten hielt. Vor dieser Gefahr suchte Jesus seine Jünger zu warnen. CGl 396 1 Es ist nicht recht, uns irgend eines Verdienstes zu rühmen, als wäre es in uns selbst. "Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums; sondern wer sich rühmen will, der rühme sich des, daß er mich wisse und kenne, daß ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übet auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr." Jeremia 9,23.24. CGl 396 2 Die Belohnung wird uns nicht wegen unserer Werke zuteil, damit sich nicht jemand rühme, sondern sie wird uns einzig und allein aus Gnade gegeben. "Was sagen wir denn von unserm Vater Abraham, daß er gefunden habe nach dem Fleisch? Das sagen wir: Ist Abraham durch die Werke gerecht, so hat er wohl Ruhm, aber nicht vor Gott. Was saget denn die Schrift? Abraham hat Gott geglaubet und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Dem aber, der mit Werken umgehet, wird der Lohn nicht aus Gnade zugerechnet, sondern aus Pflicht. Dem aber, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit." Römer 4,1-5. Deshalb hat niemand Ursache sich über einen anderen zu erheben, oder irgend jemand etwas zu mißgönnen. Keiner hat ein größeres Vorrecht als ein anderer und niemand kann die Belohnung als ein ihm zukommendes Recht beanspruchen. CGl 396 3 Die Ersten und die Letzten sollen Teilnehmer an der großen ewigen Belohnung sein und die Ersten sollen die Letzten freudig bewillkommnen. Ein Mensch, der einem anderen die Belohnung mißgönnt, vergißt, daß er selbst einzig und allein aus Gnade gerettet wird. Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberge werden Eifersucht und alles Argwöhnen getadelt. Die Liebe freut sich der Wahrheit und stellt keine neidischen Vergleiche an. Wer Liebe hat, stellt nur zwischen seinem unvollkommenen Charakter und der großen Liebe Christi einen Vergleich an. CGl 397 1 Dies Gleichnis enthält eine Warnung für alle Arbeiter, gleichviel wie lange sie gedient und wieviel sie gearbeitet haben, daß sie ohne Liebe zu ihren Brüdern und ohne wahre Demut vor Gott nichts sind. Die Selbsterhebung ist keine Religion. Ein Mensch, dessen Ziel und Zweck Selbstverherrlichung ist, wird jene Gnade ermangeln, die allein ihn im Dienst Christi erfolgreich und wirksam machen kann. Wo Stolz und Selbstgefälligkeit genährt werden, da leidet das Werk. CGl 397 2 Nicht die Länge der Arbeitszeit, sondern die Willigkeit und Treue im Werk sieht Gott an. In all unserem Dienen fordert er eine völlige Übergabe des eigenen Ich. Die kleinste in Aufrichtigkeit, in Selbstvergessenheit verrichtete Pflicht ist Gott angenehmer als das größte Werk, wenn Spuren der Selbstsucht darin zu entdecken sind. Er sieht darnach, ob wir auf den Geist Christi achten und wieviel Ähnlichkeit mit Christo wir in unserem Wirken offenbaren. Er sieht mehr auf die Liebe und Treue, mit der wir arbeiten, als darauf, wieviel wir tun. CGl 397 3 Nur dann, wenn die Selbstsucht tot und das Streben nach Oberherrschaft gänzlich verdrängt ist, wenn Dankbarkeit das Herz erfüllt und die Liebe das Leben würzt, nur dann wohnt Christus in der Seele und wir werden als Mitarbeiter Gottes anerkannt. CGl 397 4 Wie anstrengend die Arbeit auch sein mag, so betrachten die wahren Arbeiter sie nicht als eine schwere Plackerei. Sie sind bereit, zu geben, ja sich selbst aufzuopfern, aber alles mit einem frohen, freudigen Herzen. Die Freude in Gott wird durch Jesum Christum ausgedrückt. Ihre Freude ist die Freude, die Christus hatte -- "daß ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk." Johannes 4,34. Sie sind Mitarbeiter des Herrn der Herrlichkeit. Dieser Gedanke versüßt alle Arbeit, stärkt den Willen und kräftigt den Geist für alles, was hereinbrechen mag. Dadurch, daß sie mit selbstlosem Herzen wirken, als Teilnehmer der Leiden Christi veredelt werden, sein Mitgefühl mit ihm teilen und mit ihm zusammen arbeiten, tragen sie dazu bei, seine Freude zu erhöhen und seinem hehren Namen Ehre und Preis darzubringen. CGl 398 1 Dies ist der Geist, der allem wahren Dienst für Gott zugrunde liegt. In der Ermangelung dieses Geistes werden viele, welche die Ersten zu sein scheinen, die Letzten werden, wogegen die, welche ihn besitzen, obgleich als die Letzten betrachtet, die Ersten sein werden. CGl 398 2 Es gibt viele Menschen, die sich Christo geweiht haben und dennoch keine Gelegenheit finden, ein großes Werk zu tun oder in seinem Dienst große Opfer zu bringen. Diese mögen Trost finden in dem Gedanken, daß man nicht notwendigerweise ein Märtyrer zu sein braucht, um Gott am meisten zu gefallen; es ist nicht gesagt, daß der Missionar, der täglich der Gefahr und dem Tode ausgesetzt war, den besten Bericht in den Himmelsbüchern hat. Der Christ, der sich als solcher beweist in seinem Privatleben, in der täglichen Übergabe des eigenen Ich, in der Aufrichtigkeit seiner Absichten und der Reinheit der Gedanken, in Sanftmut, wenn er gereizt wird, in Glauben und Frömmigkeit, in Treue im Geringsten, der im Familienleben den Charakter Christi darstellt -- der mag in den Augen Gottes köstlicher sein, als der viel gerühmte Missionar oder der Märtyrer. CGl 398 3 O, wie verschieden ist doch der Maßstab, nach welchem Gott den Charakter mißt, von dem, nach dem wir messen! Gott sieht, wie vielen Versuchungen widerstanden wird, von denen die Welt und selbst nahe Freunde nichts wissen, Versuchungen in der Familie und im Herzen. Er sieht die Demütigung der Seele angesichts ihrer eigenen Schwäche, die aufrichtige Reue, die selbst über einen bösen Gedanken gefühlt wird. Er sieht die volle Hingabe des Herzens zu seinem Dienst. Er hat die Stunden der schweren Kämpfe mit dem eigenen Ich beachtet -- Kämpfe, die den Sieg davontrugen. Alles dies wissen Gott und die Engel. Ein Denkzettel oder Gedächtnisbuch ist vor ihm geschrieben für alle, die den Herrn fürchten und an seinen Namen gedenken. CGl 399 1 Das Geheimnis des Erfolges liegt nicht in unserer Gelehrsamkeit, nicht in unserer Stellung, nicht in unserer Anzahl oder in den uns anvertrauten Talenten, nicht im Willen der Menschen. Wenn wir unsere Unfähigkeit fühlen, müssen wir auf Christum schauen und durch ihn, der die Kraft aller Kräfte, der Gedanke aller Gedanken ist, wird der Willige und Gehorsame Sieg auf Sieg gewinnen. CGl 399 2 Wie kurz auch unsere Dienstzeit, oder wie gering auch unsere Arbeit sein mag, so werden wir, wenn wir im einfältigen Glauben Christo folgen, die Belohnung nicht verlieren. Das, was selbst die Größten und Weisesten nicht verdienen können, kann der Schwächste und Geringste erhalten. Die goldene Pforte des Himmels öffnet sich nicht für die, die sich selbst erhöhen; den Stolzen gewährt sie keinen Zutritt. Aber die ewigen Portale werden sich bei der zitternden Berührung eines kleinen Kindes weit öffnen. Herrlich wird der Gnadenlohn derer sein, die in der Einfältigkeit des Glaubens und der Liebe für Gott gewirkt haben. ------------------------Kapitel 29 -- Dem Bräutigam entgegengehen CGl 400 1 Auf der Grundlage von Matthäus 25,1-13. CGl 400 2 Christus sitzt mit seinen Jüngern auf dem Ölberge. Die Sonne ist hinter den Bergen verschwunden und die Abendschatten lagern sich über die Erde. Ein hell erleuchtetes, wie zu einem Feste hergerichtetes Wohnhaus liegt vor ihnen. Der von demselben ausgehende Lichtglanz und eine erwartungsvolle Gesellschaft lassen erkennen, daß bald ein Hochzeitszug kommen wird. In vielen Teilen des Orients werden Hochzeitsfestlichkeiten am Abend abgehalten. Der Bräutigam holt seine Braut und führt sie in sein Heim. Bei Fackellicht bewegt sich der Brautzug von des Vaters Haus zu dem des Bräutigams, wo für die geladenen Gäste ein Gastmahl bereitet ist. In der Szene, auf welche Christus blickt, erwartet eine Schar die Ankunft der Braut und ihres Gefolges, in der Absicht, sich dem Zuge anzuschließen. CGl 400 3 In der Nähe des Hauses der Braut stehen zehn in Weiß gekleidete Jungfrauen. Jede trägt eine angezündete Lampe und ein kleines Ölfläschchen. Alle warten sehnsüchtig auf das Erscheinen des Bräutigams. Aber dasselbe verzögert sich. Stunde auf Stunde verstreicht; die Wartenden werden müde und schlafen ein. Um Mitternacht aber wird ein Geschrei gehört: "Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus, ihm entgegen!" Die Jungfrauen, plötzlich erwachend, springen auf. Sie sehen, wie sich der von Fackeln erhellte Zug unter dem Klange fröhlicher Musik in Bewegung setzt. Sie hören die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut. Sie ergreifen ihre Lampen und putzen dieselben eiligst, um dann mitzugehen. Aber fünf der Jungfrauen haben es versäumt, ihre Ölgefäße zu füllen. Sie hatten eine so lange Verzögerung nicht erwartet und sich nicht für einen Notfall vorbereitet. In ihrer Verlegenheit wenden sie sich an ihre weiseren Gefährtinnen und sagen: "Gebt uns von eurem Öle, denn unsre Lampen verlöschen." Aber die wartenden Fünf mit ihren frisch gefüllten und geputzten Lampen haben ihre Ölgefäße geleert. Sie haben kein Öl übrig und deshalb antworten sie: "Nicht also, auf daß nicht uns und euch gebreche; gehet aber hin zu den Krämern und kaufet für euch selbst." CGl 401 1 Während sie hingingen, um Öl zu kaufen, ging der Brautzug vorüber und sie blieben zurück. Die fünf Jungfrauen mit den brennenden Lampen schlossen sich dem Zuge an und betraten mit dem Gefolge das Haus und die Tür wurde verschlossen. Als die törichten Jungfrauen den Festsaal erreichten, wurde ihnen eine unerwartete Abweisung zuteil. Der Gastgeber erklärte: "Ich kenne euer nicht." Man ließ sie draußen stehen, auf der leeren Straße, im Dunkel der Nacht. CGl 401 2 Während Christus auf die auf den Bräutigam wartende Gesellschaft blickte, erzählte er seinen Jüngern das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, indem er durch ihre Erfahrung die Erfahrung der Gemeinde veranschaulichte, die gerade vor seiner Wiederkunft leben wird. CGl 401 3 Die zwei Arten der Wartenden stellen die zwei Klassen dar, welche behaupten, auf ihren Herrn zu warten. Sie werden Jungfrauen genannt, weil sie sich zu einem reinen Glauben bekennen. Durch die Lampen wird das Wort Gottes dargestellt. Der Psalmist sagt: "Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege." Psalm 119,105. Das Öl ist das Sinnbild des heiligen Geistes. In dieser Weise wird der Geist in der Prophezeiung Sacharjas dargestellt. CGl 402 1 "Der Engel, der mit mir redete, kam wieder," sagte er, "und weckte mich auf, wie einer vom Schlaf erweckt wird, und sprach zu mir: Was siehest du? Ich aber sprach: ich sehe; und siehe, da stand ein Leuchter, ganz gülden, mit einer Schale obendrauf, daran sieben Lampen waren, und je sieben Röhren an einer Lampe; und zwei Ölbäume dabei, einer zur Rechten der Schale, der andre zur Linken. Und ich antwortete und sprach zu dem Engel, der mit mir redete: Mein Herr, was ist das? ... Und er antwortete und sprach zu mir: Das ist das Wort des Herrn an Serubabel: es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth ... Und ich antwortet zum andernmale und sprach zu ihm: Was sind die zwei Zweige der Ölbäume, welche stehen bei den zwei güldenen Rinnen, daraus das güldne Öl herabfließt? ... Und er sprach: Es sind die zwei Ölkinder (‚die zwei Gesalbten', laut v. Eß), welche stehen bei dem Herrscher aller Lande." Sacharja 4,1-14. CGl 402 2 Von den zwei Ölbäumen floß das goldene Öl durch die goldenen Röhren in die Schale des Leuchters und dann weiter in die goldenen Lampen, die das Heiligtum erleuchteten. So wird auch durch die heiligen Wesen, die in der Gegenwart Gottes stehen, sein Geist den menschlichen Werkzeugen, die seinem Dienste geweiht sind, mitgeteilt. Es ist die Aufgabe der zwei Gesalbten, dem Volke Gottes jene himmlische Gnade mitzuteilen, die allein sein Wort zu einer Leuchte unserer Füße und einem Licht auf unserem Pfade machen kann. "Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth." CGl 403 1 In dem Gleichnis gingen alle zehn Jungfrauen aus, um dem Bräutigam zu begegnen. Alle hatten Lampen und auch Ölbehälter. Eine Zeitlang konnte man keinen Unterschied zwischen ihnen sehen. So ist es auch mit der Gemeinde, die gerade vor der Wiederkunft Christi lebt. Alle haben Schriftkenntnis. Alle haben die Botschaft gehört, daß das Kommen Christi nahe ist, und warten zuversichtlich auf sein Erscheinen. Wie es aber im Gleichnis war, so ist es auch jetzt. Es tritt eine Wartezeit ein; der Glaube wird geprüft, und wenn das Geschrei gehört wird: "Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus, ihm entgegen!" so sind viele nicht bereit. Sie haben kein Öl in ihren Ölbehältern und in ihren Lampen. Sie ermangeln des Heiligen Geistes. CGl 403 2 Ohne den Geist Gottes nützt uns das Bekanntsein mit seinem Worte nichts. Die Theorie der Wahrheit ohne den Heiligen Geist kann die Seele nicht beleben und das Herz nicht heiligen. Man mag mit den Geboten und Verheißungen der Bibel bekannt sein; wenn aber der Geist Gottes die Wahrheit nicht ins Herz prägt, wird der Charakter nicht verändert werden. Ohne die Erleuchtung des Heiligen Geistes werden die Menschen nicht die Wahrheit vom Irrtum unterscheiden können und werden unter den meisterhaften Versuchungen Satans fallen. CGl 403 3 Die durch die törichten Jungfrauen dargestellten Menschen sind keine Heuchler. Sie haben Achtung für die Wahrheit, befürworten dieselbe, fühlen sich hingezogen zu denen, welche die Wahrheit bekennen; aber sie haben sich nicht dem Wirken des Heiligen Geistes hingegeben. Sie sind nicht auf den Felsen Jesum Christum gefallen und haben ihre alte Natur nicht zerbrechen lassen. Diese Klasse wird auch durch die mit dem steinigen Boden verglichenen Hörer dargestellt. Sie nehmen das Wort bereitwillig an, aber sie unterlassen es, die Grundsätze desselben in die Tat umzusetzen. Der Einfluß ist kein bleibender. Der Geist wirkt nach dem Maße an dem Herzen, wie der Mensch es verlangt und sich ihm hingibt, er bewirkt in ihm eine neue Natur; aber die durch die törichten Jungfrauen dargestellten Menschen sind mit einem oberflächlichen Wirken zufrieden. CGl 404 1 Sie kennen Gott nicht, sie haben über seinen Charakter nicht nachgedacht, haben keine Gemeinschaft mit ihm gehabt und wissen deshalb nicht, wie sie ihm vertrauen, zu ihm aufblicken und leben sollen. Ihr Gottesdienst wird zu einer bloßen Form herabgewürdigt. "Sie werden zu dir kommen in die Versammlung, und vor dir sitzen als mein Volk, und werden deine Worte hören, aber nichts darnach tun; sondern sie werden sie gern in ihrem Munde haben, und gleichwohl fortleben nach ihrem Geiz." Hesekiel 33,31. Der Apostel Paulus weist darauf hin, daß dies besonders bei denen der Fall sein wird, die gerade vor der Wiederkunft Christi leben. Er sagt: "Das sollst du aber wissen, daß in den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen. Denn es werden Menschen sein, die von sich selbst halten, ... die mehr lieben Wollust denn Gott, die da haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie." 2.Timotheus 3,1-5. CGl 404 2 Dies ist die Klasse von Menschen, die in der Zeit der Gefahr sagen werden: "Es ist Friede, es hat keine Gefahr." Sie wiegen ihre Herzen in Sicherheit und träumen von keiner Gefahr. Wenn sie aus ihrem Schlaf aufgerüttelt werden, erkennen sie, was ihnen mangelt, und bitten andere, ihrem Mangel abzuhelfen; aber in geistlichen Dingen kann niemand anderer Mängel ersetzen. Die Gnade Gottes ist jeder Seele reichlich angeboten worden. Die Evangeliumsbotschaft: "Wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst" (Offenbarung 22,17), ist laut verkündigt worden. Der Charakter kann nicht übertragen werden. Keiner kann für einen anderen glauben. Keiner kann für einen anderen den Geist empfangen. Keiner kann einem anderen den Charakter mitteilen, der die Frucht des Geistes ist. Und wenn auch "Noah, Daniel und Hiob wären drinnen (im Lande); so wahr ich lebe, spricht der Herr, Herr, würden sie weder Söhne noch Töchter, sondern allein ihre eigne Seele durch ihre Gerechtigkeit erretten." Hesekiel 14,20. CGl 406 1 In einem Entscheidungspunkt (engl.: einer Krise) offenbart sich der Charakter. Als die ernste Stimme um Mitternacht verkündigte: "Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus, ihm entgegen!" und die schlafenden Jungfrauen aus ihrem Schlummer aufgeweckt wurden, da zeigte es sich, wer Vorbereitungen für dieses Ereignis getroffen hatte. Beide Parteien wurden überrascht, aber eine war auf die Überraschung vorbereitet und die andere war unvorbereitet. So wird auch jetzt eine plötzliche unerwartete Heimsuchung, etwas, was die Seele dem Tode ins Angesicht schauen läßt, zeigen, ob wirklicher Glaube an die Verheißungen Gottes vorhanden ist. Es wird sich zeigen, ob die Seele sich allein auf die Gnade verläßt. Die letzte große Prüfung kommt am Schluß der dem Menschengeschlecht gegebenen Gnadenzeit, wenn es zu spät sein wird für das, was die Seelen gebrauchen, zu sorgen. CGl 406 2 Die zehn Jungfrauen warten am Abend der Geschichte dieser Welt, Alle behaupten Christen zu sein. Alle wurden berufen, alle haben einen Namen, eine Lampe, und alle behaupten, Gott zu dienen. Alle warten anscheinend auf das Kommen Christi. Aber fünf sind nicht bereit; fünf werden erschreckt und verwirrt außerhalb des Festsaals gefunden. CGl 406 3 An dem letzten großen Tage werden viele Zutritt zum Reiche Christi verlangen und sagen: "Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf den Gassen hast du uns gelehret." "Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viel Taten getan?" Aber die Antwort wird sein: "Ich sage euch: Ich kenne euer nicht, wo ihr her seid; weichet alle von mir." Lukas 13,26.27. Sie haben in diesem Leben keine Gemeinschaft mit Christo gehabt, deshalb kennen sie die Sprache des Himmels nicht; sie sind unbekannt mit der Freude desselben. "Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, ohne der Geist des Menschen, der in ihm ist? Also auch weiß niemand, was in Gott ist, ohne der Geist Gottes." 1.Korinther 2,11. CGl 407 1 Die traurigsten Worte, die jemals an die Ohren sterblicher Menschen drangen, sind die jenes Urteil enthaltenden Worte: "Ich kenne euer nicht." Die Gemeinschaft des Geistes allein, die ihr vernachlässigt habt, könnte euch mit der freudigen Gesellschaft beim Hochzeitsmahl vereint haben. Ihr könnt an jenem Feste nicht teilnehmen. Das Licht desselben würde auf geblendete Augen und die Festklänge würden auf taube Ohren fallen. Die bei demselben bekundete Liebe und Wonne würden in dem von der Welt betäubten Herzen keine Freude erwecken. Ihr seid vom Himmel ausgeschlossen, weil ihr für die Gesellschaft desselben nicht paßt. CGl 407 2 Wir werden dadurch nicht bereit, dem Herrn zu begegnen, indem wir einfach, wenn der Ruf gehört wird: Siehe, der Bräutigam kommt! aufwachen, und dann unsere leeren Lampen nehmen, um sie füllen zu lassen. Wir können nicht hier ein Leben ohne Christum führen und dennoch zubereitet sein für seine Gemeinschaft im Himmel. CGl 407 3 Im Gleichnis hatten die klugen Jungfrauen Öl in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. Ihr Licht brannte mit unverminderter Flamme die ganze Nacht des Wachens hindurch. Es vergrößerte die zu Ehren des Bräutigams veranstaltete Illumination. In die Finsternis hinausleuchtend, trug es dazu bei, den Weg zum Hause des Bräutigams, zum Hochzeitsfeste zu erleuchten. CGl 408 1 So sollen auch die Nachfolger Christi Licht in die Finsternis der Welt werfen. Durch den Heiligen Geist wirkt das Wort Gottes wie ein Licht und wird im Leben dessen, der es annimmt, eine umbildende Kraft. Indem der Heilige Geist die Grundsätze des Wortes Gottes in die Herzen der Menschen einpflanzt, entwickelt er in ihnen die Eigenschaften Gottes. Das Licht seiner Herrlichkeit -- sein Charakter -- soll aus seinen Nachfolgern herausstrahlen. So sollen sie Gott verherrlichen, den Pfad zur Wohnung des Bräutigams, zur Stadt Gottes, zum Hochzeitsmahl des Lammes erhellen. CGl 408 2 Der Bräutigam kam um Mitternacht, um die dunkelste Stunde. So wird auch das Kommen Christi in der dunkelsten Zeit der Geschichte dieser Welt stattfinden. Die Tage Noahs und Lots geben uns ein Bild von dem Zustand der Welt, wie er gerade vor der Wiederkunft des Menschensohnes sein wird. Die Heilige Schrift erklärt betreffs dieser Zeit, daß Satan mit allen Kräften "und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit" (2.Thessalonicher 2,9.10) wirken wird. Sein Wirken zeigt sich klar durch die schnell zunehmende Finsternis, die zahlreichen Irrtümer, Ketzereien und Verführungen dieser letzen Tage. Satan nimmt nicht nur die Welt gefangen, sondern seine Täuschungen und Verführungen durchsäuern sogar die sich zu unserem Herrn Jesu Christo bekennenden Gemeinden. Der große Abfall wird sich zu einer Finsternis entwickeln, die so dunkel sein wird, wie die Mitternacht, so undurchdringlich, wie ein härener Sack. Diese Zeit wird für das Volk Gottes eine Nacht der Prüfung, eine Nacht des Weinens, eine Nacht der Verfolgung um der Wahrheit willen sein, aber aus jener Nacht der Finsternis wird das Licht Gottes hervorleuchten. CGl 408 3 Er läßt "das Licht aus der Finsternis hervorleuchten". 2.Korinther 4,6. "Die Erde war wüste und leer, und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht." 1.Mose 1,2.3. So erklingt auch in der Nacht geistlicher Finsternis das Wort Gottes: "Es werde Licht." Zu seinem Volke sagt er: "Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn gehet auf über dir." Jesaja 60,1. CGl 408 4 "Denn siehe," sagt die Schrift, "Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir gehet auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheinet über dir." Jesaja 60,2. CGl 409 1 Es ist die Verkennung Gottes, welche die Welt in Finsternis einhüllt. Die Menschen verlieren ihre Kenntnisse über Gottes Charakter. Derselbe wird mißverstanden und fälschlich gedeutet. Zu dieser Zeit soll eine Botschaft von Gott verkündigt werden, eine Botschaft, die einen erleuchtenden Einfluß und eine errettende Kraft hat. Gottes Charakter soll bekannt gemacht werden. In die Finsternis dieser Welt soll das Licht seiner Herrlichkeit, das Licht seiner Güte, Barmherzigkeit und Wahrheit leuchten. CGl 409 2 Dies Werk beschreibt der Prophet Jesaja: "Jerusalem, du Predigerin, heb deine Stimme auf mit Macht, heb auf, und fürchte dich nicht; sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott! Denn siehe, der Herr, Herr kommt gewaltiglich, und sein Arm wird herrschen. Siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Vergeltung ist vor ihm." Jesaja 40,9.10. CGl 409 3 Die auf das Kommen des Bräutigams warten, sollen dem Volke sagen: "Sehet euren Gott!" Die letzten Strahlen des Gnadenlichtes, die letzte Botschaft der Barmherzigkeit, die der Welt gegeben werden sollen, sind eine Offenbarung seines Charakters, der Liebe ist. Die Kinder Gottes sollen seine Herrlichkeit kundtun. In ihrem Leben und ihrem Charakter sollen sie offenbaren, was die Gnade Gottes für sie getan hat. CGl 409 4 Das Licht der Sonne der Gerechtigkeit soll in guten Werken ausstrahlen -- in Worten der Wahrheit und heiligen Handlungen. CGl 409 5 Christus, der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters, kam als das Licht der Welt auf diese Erde. Er kam, um Gott den Menschen darzustellen, und von ihm steht geschrieben, daß er gesalbt wurde "mit dem Heiligen Geiste und Kraft" und "umhergezogen ist, und hat wohlgetan". Apostelgeschichte 10,38. In der Schule zu Nazareth sagte er: "Der Geist des Herrn ist bei mir, darum daß er mich gesalbet hat; er hat mich gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, daß sie los sein sollen, und den Blinden das Gesicht, und den Zerschlagenen, daß sie frei und ledig sein sollen, und zu verkündigen das angenehme Jahr des Herrn." Lukas 4,18.19. Dies war das Werk, das er seinen Jüngern auftrug. "Ihr seid das Licht der Welt," sagte er. "Also laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen, und euren Vater im Himmel preisen." Matthäus 5,14.16. CGl 411 1 Dies ist das Werk, welches der Prophet Jesaja beschreibt, wenn er sagt: "Brich dem Hungrigen dein Brot, und die, so im Elend sind, führe ins Haus; so du einen nackt siehest, so kleide ihn, und entzieh dich nicht von deinem Fleisch. Alsdann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Besserung wird schnell wachsen, und deine Gerechtigkeit wird vor dir her gehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird dich zu sich nehmen." Jesaja 58,7.8. CGl 411 2 Also soll in der Nacht geistlicher Finsternis die Herrlichkeit Gottes durch seine Gemeinde ausgestrahlt werden, indem sie die Niedergebeugten emporhebt und die Trauernden tröstet. CGl 411 3 Überall um uns herum hören wir Wehklagen über das Elend dieser Erde. Auf allen Seiten gibt es Bedürftige und Notleidende. Es ist unsere Pflicht, dazu beizutragen, daß das Elend und die Not dieses Lebens gelindert werden. CGl 411 4 Praktische Hilfe wird viel wirksamer sein als das bloße Predigen. Wir sollen den Hungrigen Speise geben, die Nackten bekleiden und die Heimatlosen beherbergen. Ja, wir sind berufen, noch mehr als dies zu tun. Die Bedürfnisse der Seele können nur durch die Liebe Christi befriedigt werden. Wenn Christus in uns wohnt, werden unsere Herzen voll göttlichen Mitleids sein; die versiegelten Quellen ernster, Christi ähnlicher Liebe werden entsiegelt werden. CGl 411 5 Gott verlangt nicht nur, daß wir den Bedürftigen unsere Gaben geben, sondern auch, daß wir ihnen ein fröhliches Antlitz zeigen, hoffnungsvolle Worte zu ihnen reden und ihnen liebevoll und warm die Hand drücken. Als Christus die Kranken heilte, legte er seine Hände auf sie. So sollten auch wir in nahe Berührung mit denen kommen, denen wir nützen wollen. CGl 411 6 Es gibt viele, die keine Hoffnung mehr haben; bringt ihnen wiederum Sonnenschein. Viele haben den Mut verloren; redet tröstende, aufmunternde Worte zu ihnen, betet für sie. Andere haben das Brot des Lebens nötig; lest ihnen aus dem Worte Gottes vor. Viele leiden an einer Seelenkrankheit, für die es keinen irdischen Balsam gibt, und die keine ärztliche Heilkunst erreichen kann; betet für diese Seelen, bringt sie zu Jesu! Sagt ihnen, daß es einen Balsam in Gilead und einen Arzt gibt, der heilen kann. CGl 412 1 Das Licht ist ein über das ganze Weltall sich erstreckender Segen, der seine Schätze auf eine undankbare, unheilige und entartete Welt ausgießt. So ist es auch mit dem Licht der Sonne der Gerechtigkeit. Die ganze Erde, die in der Finsternis der Sünde, in Kummer und Schmerz eingehüllt ist, soll durch die Erkenntnis der Liebe Gottes erleuchtet werden. Das vom Throne Gottes scheinende Licht soll keiner Sekte, keinem Range, keiner Klasse der Bevölkerung vorenthalten werden. CGl 412 2 Die Botschaft der Gnade und der Hoffnung soll bis an die Enden der Erde getragen werden. Wer da will, kann seine Hand ausstrecken, die Kraft Gottes ergreifen und Frieden mit ihm machen und er wird Frieden haben. Die Heiden sollen nicht länger in mitternächtlicher Finsternis eingehüllt sein. Das Dunkel soll vor den hellen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit verschwinden. Die Macht der Hölle ist überwunden worden. CGl 412 3 Aber niemand kann etwas mitteilen, was er selbst noch nicht empfangen hat. Im Werke Gottes vermag das Menschliche nichts. Kein Mensch kann sich durch seine eigenen Anstrengungen zu einem Lichtträger Gottes machen. Durch das goldene Öl, welches von den himmlischen Boten in die goldenen Röhren gegossen wurde, um von der goldenen Schale in die Lampen des Heiligtums geleitet zu werden, entstand ein beständiges, hell leuchtendes Licht. Es ist die dem Menschen beständig zuteil werdende Liebe Gottes, die ihn befähigt, anderen Licht mitzuteilen. In den Herzen aller, die durch den Glauben mit Gott verbunden sind, fließt beständig das goldene Öl der Liebe, um dann in guten Werken und in einem wirklichen von Herzen kommenden Dienst für Gott offenbar zu werden. CGl 412 4 In der großen, unermeßlichen Gabe des Heiligen Geistes sind alle Hilfsquellen des Himmels enthalten. Es liegt nicht an Gott, daß die Reichtümer seiner Gnade nicht zu den Menschen auf diese Erde herniederfließen. Wären alle willig, den Geist Gottes anzunehmen, so würden alle mit demselben erfüllt werden. CGl 412 5 Es ist das Vorrecht einer jeden Seele, ein lebendiger Kanal zu sein, durch welchen Gott der Welt die Schätze seiner Gnade, den unerforschlichen Reichtum Christi, mitteilen kann. Christus wünscht nichts so sehr, als Werkzeuge zu haben, die der Welt seinen Geist und seinen Charakter darstellen; und es gibt nichts, dessen die Welt so sehr bedarf, als einer Offenbarung der Liebe des Heilandes durch Menschen. Der ganze Himmel verlangt nach Kanälen, durch welche das heilige Öl fließen könne, um menschlichen Herzen zur Freude und zum Segen zu gereichen. CGl 413 1 Christus hat alle möglichen Vorkehrungen getroffen, seine Gemeinde zu einem Leib umzugestalten, der erleuchtet durch das Licht der Welt die Herrlichkeit Immanuels besitzt. Es ist seine Absicht, daß ein jeder Christ von einer geistlichen Atmosphäre des Lichtes und des Friedens umgeben sein soll. Er wünscht, daß seine eigene Freude sich in unserem Leben offenbaren möchte. CGl 413 2 Das Innewohnen des Geistes wird durch das Ausfließen himmlischer Liebe bekundet werden. Die göttliche Fülle wird durch das Gott geweihte, menschliche Werkzeug strömen, um anderen mitgeteilt zu werden. CGl 413 3 Die Sonne der Gerechtigkeit hat "Heil unter ihren Flügeln". Also wird von einem jeden wahren Jünger ein Einfluß zum Leben, Mut, Nützlichsein und zur wahren Heilung ausgehen. CGl 413 4 Die Religion Christi bedeutet mehr als Vergebung der Sünden; sie bedeutet ein Hinwegnehmen unserer Sünden und ein Erfülltwerden mit den Gnadengaben des Heiligen Geistes. Sie bedeutet göttliche Erleuchtung, Freude in Gott. Sie bedeutet ein vom eigenen Ich entleertes Herz, das mit der bleibenden Gegenwart Christi gesegnet ist. Wenn Christus in der Seele herrscht, dann ist dort Reinheit und Freiheit von Sünde. Die Herrlichkeit, die Fülle, die Vollkommenheit des Evangeliumsplanes wird im Leben bekundet. Die Annahme des Heilandes bringt vollkommenen Frieden, vollkommene Liebe und eine vollkommene Sicherheit. Die im Leben offenbarte Schönheit und der süße Duft des Charakters Christi bezeugen, daß Gott in der Tat seinen Sohn in diese Welt gesandt hat, um ihr Heiland zu sein. CGl 413 5 Jesus gebietet seinen Nachfolgern nicht, darnach zu streben, daß sie leuchten möchten. Er sagt: Laßt euer Licht leuchten. Wenn ihr die Gnade Gottes angenommen habt, so ist das Licht in euch. Entfernt die Hindernisse, und die Herrlichkeit des Herrn wird offenbar werden. Das Licht wird hervorbrechen, um die Finsternis zu durchdringen und zu zerstreuen und ihr werdet innerhalb des Bereiches eures Einflusses leuchten. CGl 414 1 Die in Menschengestalt geoffenbarte Herrlichkeit Gottes wird die Menschen so eng mit dem Himmel verbinden, daß die den inneren Tempel schmückende Schönheit in einer jeden Seele gesehen werden wird, in welcher der Heiland wohnt. Die Menschen werden durch die Herrlichkeit eines innewohnenden Christus gefesselt werden, und in Strömen von Lob- und Danksagungen seitens der vielen Seelen, die in dieser Weise für Gott gewonnen wurden, wird die Herrlichkeit des großen Gebers erhöht werden. CGl 414 2 "Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn gehet auf über dir." Jesaja 60,1. Diese Botschaft wird denen gegeben, die ausgehen, dem Bräutigam zu begegnen. Christus kommt in Kraft und großer Herrlichkeit. Er kommt in seiner eigenen Herrlichkeit und in der Herrlichkeit seines Vaters. Er kommt und alle heiligen Engel mit ihm. Während die ganze Welt in Finsternis liegt, wird in einer jeden Wohnung der Heiligen Licht sein. Die ersten Lichtstrahlen bei seinem zweiten Erscheinen werden auf sie fallen. Das reine, lautere Licht wird von seiner Herrlichkeit ausstrahlen, und Christus, der Erlöser, wird von allen, die ihm gedient haben, bewundert werden. Während die Gottlosen von seiner Gegenwart fliehen, werden seine Nachfolger sich freuen. Der Patriarch Hiob, mit seinem Glaubensauge die Zeit der Wiederkunft Christi erblickend, sagte: "Denselben werde ich mir sehen, und meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder." Hiob 19,27. Seinen getreuen Nachfolgern ist Christus ein täglicher Begleiter und vertrauter Freund gewesen. Sie haben in innigstem Verkehr, in beständiger Gemeinschaft mit Gott gelebt. Über ihnen ist die Herrlichkeit des Herrn aufgegangen. In ihnen hat sich das Licht der Erkenntnis, der Herrlichkeit Gottes im Angesichte Jesu Christi widergespiegelt. Jetzt erfreuen sie sich der ungetrübten Strahlen der Klarheit und der Herrlichkeit des Königs in seiner Majestät. Sie sind vorbereitet für die Gemeinschaft des Himmels; denn sie haben den Himmel in ihren Herzen. CGl 415 1 Mit erhobenen Häuptern, mit den hellen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit über ihnen leuchtend, sich freuend, daß ihre Erlösung sich naht, gehen sie aus, dem Bräutigam entgegen, und sagen: "Siehe, das ist unser Gott, auf den wir harren, und er wird uns helfen." Jesaja 25,9. CGl 415 2 "Und ich hörte als eine Stimme einer großen Schar und als eine Stimme großer Wasser und als eine Stimme starker Donner, die sprachen: Halleluja! denn der allmächtige Gott hat das Reich eingenommen. Lasset uns freuen und fröhlich sein, und ihm die Ehre geben! denn die Hochzeit des Lammes ist kommen, und sein Weib hat sich bereitet. Und er sprach zu mir: Schreibe: Selig sind, die zum Abendmahl des Lammes berufen sind." "Es ist der Herr aller Herren, und der König aller Könige, und mit ihm die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen." Offenbarung 19,6-9; Offenbarung 17,14. ------------------------Kapitel 30 -- Die Hochzeit des Lammes CGl 416 1 Erhebe dich Geliebte aus dem Staube, Schwing' dich verklärt empor zur Gottesstadt; Nun triumphiert, o Königsbraut, dein Glaube, Der Welt und Satan überwunden hat. Schmück', Zion, dich im lichten Hochzeitkleide Und gehe ein zu deines Heilands Freude! CGl 416 2 Von ferne schimmert schon die Jaspismauer Und offenbart der Seligen Gebiet; Doch unbeschreiblich ist der Wonneschauer Der Schar, die durch die perlentore zieht. Denn was nie drang in eines Herzens Falten, Das hat Gott seinem Volke vorbehalten. CGl 416 3 Gigantisch wölben sich die Festeshallen, Durch die, in weißem Kleid und Diadem, Die Auserwählten vollberechtigt wallen, Im neuen, himmlischen Jerusalem. Vom Riesendom ein Lichtermeer sich verbreitet, Die irdische Begriffe überschreitet. CGl 416 4 Und hundertvierundvierzigtausend singen Das Lied, das niemand anders lernen kann; Die sind's, so durch die letzte Trübsal gingen, Doch tasteten die Plagen sie nicht an. Sie haben nicht den Tod geschmeckt und stehen Mit Siegespalmen nun auf Zions Höhen. CGl 416 5 Und alle Ohren hören mit Entzücken Das Harfenspiel und holden Saitenklang; Zehntausen Enhgel jedes Ohr erquicken, Dem Lamm zum Preis, mit einem Lobgesang. Dann hört vom Thron man eine Stimme rufen: "O selig, die zum Abendmahl berufen!" Lobt unsern Herrn, die ihr ihn fürchtet, alle, Ihr kneschte Gottes, beide groß und klein. Wie Sturmesbrausen, gleich dem Donnerschalle, Von Myriaden Zungen im Verein, Die Wasserwogen Jubelrufe kommen: "Das Reich hat der Allmächt'ge eingenommen!" CGl 417 1 Dies ist der Tag, den die Propheten priesen, Der ewig bindet, was der Tod getrennt; Daß hinfort nicht mehr bittre Tränen fließen; Schmerz, Krankheit, Leid und Sorge hat ein End. Lobsingt dem Lamme, ihr erlösten Frommen, Die ihr den grimm'gen letzten Feind entkommen. CGl 417 2 In Himmelsordnung reihen sich die Gäste An Silbertafeln, viele Meilen lang -- Trotzdem erkennen alle sich aufs beste; Auch eifert völl'ge Liebe nicht um Rang. -- Zwar viel Geringe, die als "Letzte" galten, Im Reich des Lichts als "Erste" sich entfalten. CGl 417 3 Die gold'nen Schalen zum Genusse laden Die Früchte Edens und das Himmelsbrot; Die Blicke in der Farbenpracht sich baden Der Blumen, denen kein Verwelken droht. Doch was den höchsten Glanz verleit dem Feste -- Der König schürzt sich -- und bedient die Gäste. CGl 417 4 Mein Jesus singt inmitten der Gemeinde, Die er mit seinem teuren Blut erwarb, Als er den Kopf zertrat dem alten feinde, Für mich -- als Gotteslamm -- am Kreuze starb. Dies ewig seine Wundenmal' beweisen, Drum soll mein Mund auch ewig ihn lobpreisen. CGl 417 5 Halleluja! Amen! F. F. Schöllhorn