Der Sieg Der Liebe

Kapitel 10

Die Stimme In Der Wüste

[AUDIO]

Lukas 1,5-23, 57-80; 3,1-18; Matthäus 3,1-12; Markus 1,1-8.

Aus der Mitte der treuen Gläubigen in Israel, die lange auf das Kommen des Messias gewartet hatten, ging der Vorläufer von Christus hervor. Zacharias, ein betagter Priester, und seine Frau Elisabeth waren "beide fromm vor Gott" (Lukas 1,6). Aus ihrem stillen und frommen Leben leuchtete das Licht des Glaubens wie ein Stern inmitten der Dunkelheit jener bösen Tage. Diesem gottesfürchtigen Paar war ein Sohn verheißen worden. Er sollte "vor dem Herrn hergehen und ihm den Weg bereiten" (Lukas 1,76 NGÜ).

Johannes Wird Angekündigt

Zacharias wohnte im "Bergland von Juda" (Lukas 1,39 NGÜ), aber er war nach Jerusalem hinaufgegangen, um eine Woche lang im Tempel zu dienen. Dieser Dienst wurde von den Priestern jeder Abteilung zweimal im Jahr verlangt. "Es geschah aber, als er in der Ordnung seiner Abteilung den priester- lichen Dienst vor Gott verrichtete, traf ihn nach der Gewohnheit des Priestertums das Los, in den Tempel des Herrn zu gehen, um zu räuchern." (Lukas 1,8.9 Elb.)

Er stand vor dem goldenen Altar im vorderen Innenraum des Tempels, dem "Heiligen". Der Weihrauch stieg mit den Gebeten Israels zu Gott empor. Plötzlich wurde er sich der Gegenwart eines himmlischen Wesens bewusst. "Ein Engel des Herrn ... stand zur Rechten des Räucheraltars." (Lukas 1,11 Elb.) Dass der Engel an dieser Stelle erschien, war ein Zeichen des Wohlwollens, doch Zacharias nahm dies nicht wahr. Seit vielen Jahren hatte er für das Kommen des Erlösers gebetet. Jetzt sandte der Himmel einen Boten, um zu verkünden, dass diese Gebete bald erhört würden. Aber das Erbarmen Gottes erschien Zacharias zu groß, um daran glauben zu können. Stattdessen war er mit Angst erfüllt und sich seiner Schuld bewusst.

Er wurde jedoch mit der freudigen Zusage begrüßt: "›Du brauchst dich nicht zu fürchten, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn schenken; dem sollst du den Namen Johannes geben. Du wirst voller Freude und Jubel sein, und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein in den Augen des Herrn. Er wird keinen Wein und keine starken Getränke zu sich nehmen, und er [wird] mit dem Heiligen Geist erfüllt sein. Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, zurückführen. Erfüllt mit dem Geist und der Kraft des Elia, wird er vor dem Herrn hergehen. Durch ihn werden sich die Herzen der Väter den Kindern zuwenden, und die Ungehorsamen werden ihre Gesinnung ändern und sich nach denen richten, die so leben, wie es Gott gefällt. So wird er dem Herrn ein Volk zuführen, das für ihn bereit ist.‹ Zacharias sagte zu dem Engel: ›Woran soll ich erkennen, dass das alles geschehen wird? Ich bin doch ein alter Mann, und meine Frau ist auch nicht mehr jung.‹" (Lukas 1,13-18 NLB)

Zacharias wusste genau, dass Abraham noch im hohen Alter ein Kind geschenkt worden war, weil er seinem Gott, der es ihm versprochen hatte, vertrauensvoll glaubte. Doch für einen Augenblick schweiften die Gedanken des alten Priesters ab, und er dachte an die Schwachheit der menschlichen Natur. Er vergaß, dass Gott das, was er verheißen hat, auch erfüllen kann. Welch ein Unterschied zwischen dem Unglauben des Zacharias und dem tiefen, kindlichen Glauben von Maria, der jungen Frau aus Nazareth, die dem Engel auf seine wunderbare Ankündigung antwortete: "Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast." (Lukas 1,38)

Die Geburt der Söhne von Zacharias, Abraham und Maria lehren uns eine tiefe geistliche Wahrheit - eine Wahrheit, die wir nur langsam lernen und schnell wieder vergessen: Wir sind nicht in der Lage, irgendeine gute Tat aus uns selbst heraus zu vollbringen; aber das, was wir nicht von uns aus tun können, wird durch die Macht Gottes in jedem demütigen Gläubigen gewirkt. Durch den Glauben wurde das Kind der Verheißung gegeben; durch den Glauben wird auch geistliches Leben geboren und werden wir befähigt, Werke der Gerechtigkeit zu tun.

Auf die Frage von Zacharias erwiderte der Engel: "Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, zu dir zu reden und dir diese gute Botschaft zu verkündigen." (Lukas 1,19 Elb.) 500 Jahre zuvor ließ Gabriel den Propheten Daniel wissen, wie lange der Zeitabschnitt bis zum Kommen des Messias sein werde (vgl. Daniel 9,24-27). Das Wissen um das nahe Ende dieser prophetischen Zeitspanne veranlasste Zacharias, für die Ankunft des Messias zu beten. Nun kam genau derselbe Bote, durch den damals diese Weissagung gegeben worden war, und kündigte deren Erfüllung an.

Die Worte des Engels "Ich bin Gabriel, der vor Gott steht" zeigen, dass er in den himmlischen Höfen eine hohe Stellung innehat. Als er damals mit der Botschaft zu Daniel kam, sagte er: "Es ist keiner, der mir hilft gegen jene, außer eurem Engelfürsten Michael [Christus]" (Daniel 10,21). Von Gabriel sprach Christus in der Offenbarung, als er sagte: "Er hat sie durch seinen Engel gesandt und seinem Knecht Johannes kundgetan." (Offenbarung 1,1) Und zu Johannes sagte der Engel: "Ich bin ein Diener Gottes wie du und deine Brüder, die Propheten." (Offenbarung 22,9 GNB) Welch ein wunderbarer Gedanke - gerade der Engel, der dem Sohn Gottes vom Ansehen her am nächsten stand, wurde dazu berufen, der sündigen Menschheit Gottes Absichten zu offenbaren!

Zacharias Verliert Seine Sprache

Zacharias zweifelte an den Worten des Engels. Nun sollte er nicht mehr reden können, bis sich diese Worte erfüllten. "Und siehe", sagte der Engel, "du wirst stumm werden ... bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die erfüllt werden sollen zu ihrer Zeit." (Lukas 1,20) In diesem Gottesdienst war es die Aufgabe des Priesters, um die Vergebung öffentlicher und nationaler Sünden zu bitten, sowie für das Kommen des Messias zu beten. Doch als Zacharias dies tun wollte, brachte er kein Wort heraus.

Er trat aus dem Tempel, um das Volk zu segnen, "und er winkte ihnen und blieb stumm" (Lukas 1,22). Sie hatten lange gewartet und fürchteten nun, er sei durch ein göttliches Gericht umgekommen. Doch als er aus dem vorderen Raum des Heiligtums trat, leuchtete sein Gesicht von der Herrlichkeit Gottes, "und sie erkannten, dass er im Tempel ein Gesicht gesehen hatte" (Lukas 1,22 Elb.). Zacharias vermittelte ihnen, was er gesehen und gehört hatte, und "als die Zeit seines Dienstes um war, ging er heim in sein Haus" (Lukas 1,23).

Johannes Wird Geboren

Kaum war das verheißene Kind geboren, konnte Zacharias wieder reden, "und er pries Gott. Furcht und Staunen ergriff alle, die in jener Gegend wohnten, und im ganzen Bergland von Judäa sprach sich herum, was geschehen war. Alle, die davon hörten, wurden nachdenklich und fragten sich: Was wird wohl aus diesem Kind einmal werden?" (Lukas 1,64-66 NGÜ) Durch all diese Ereignisse wurde die Aufmerksamkeit auf das Kommen des Messias gelenkt, dessen Wegbereiter Johannes sein würde.

Der Heilige Geist ruhte auf Zacharias. Mit diesen wunderbaren Worten sagte er die Aufgabe seines Sohnes voraus:

"Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten genannt werden. Denn du wirst vor dem Herrn hergehen und ihm den Weg bereiten. Du wirst sein Volk zu der Erkenntnis führen, dass es durch die Vergebung seiner Sünden gerettet wird; denn unser Gott ist voll Erbarmen. Darum wird auch der helle Morgenglanz aus der Höhe zu uns kommen, um denen Licht zu bringen, die in der Finsternis und im Schatten des Todes leben, und um unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken." (Lukas 1,76-79 NGÜ)

"Johannes wuchs heran und wurde stark im Geist. Er lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er öffentlich in Israel auftrat." (Lukas 1,80 NGÜ) Vor der Geburt des Johannes hatte der Engel gesagt: "Denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken und ... vom Heiligen Geist erfüllt sein." (Lukas 1,15 EÜ) Gott hatte den Sohn von Zacharias zu einer großen Aufgabe berufen, zur größten, die je einem Menschen anvertraut wurde. Für deren Erfüllung war er auf die Hilfe des Herrn angewiesen. Gottes Geist würde bei ihm sein, wenn er die Anweisungen des Engels beachtete.

Der Wegbereiter Des Herrn

Johannes hatte die Aufgabe, als Bote Gottes das göttliche Licht zu den Menschen zu bringen. Es galt, ihren Gedanken eine neue Ausrichtung zu geben. Er sollte ihnen die Heiligkeit der Gebote Gottes einprägen und ihnen bewusst machen, wie nötig sie die vollkommene Gerechtigkeit Gottes hatten. Ein solcher Bote musste selbst heilig und ein Tempel des Heiligen Geistes sein. Um seinen Auftrag erfüllen zu können, brauchte er einen starken, gesunden Körper und große geistige und seelische Stärke. Deshalb war es für ihn wichtig, seinen Appetit und seine Leidenschaften unter Kontrolle zu halten. Er musste in der Lage sein, alle seine Kräfte so zu beherrschen, dass er unter den Menschen standhaft bleiben konnte - unverrückbar durch äußere Umstände wie die Felsen und Berge der Wüste.

Zur Zeit Johannes des Täufers waren Gier nach Reichtum und die Liebe zu Luxus und Prunk weit verbreitet. Sinnliche Vergnügungen, Ausschweifungen und Trinkgelage verursachten körperliche Krankheiten und Entartung, trübten die geistliche Wahrnehmung und verminderten das Empfindungsvermögen gegenüber der Sünde. Johannes sollte als Reformer auftreten. Durch sein bescheidenes Leben und seine schlichte Kleidung tadelte er die Ausschweifungen seiner Zeit. Deshalb wurden den Eltern von Johannes diese Anordnungen gegeben - eine Lektion über Mäßigkeit, übermittelt durch einen Engel vom Thron des Himmels.

Während der Kindheit und der Jugendzeit ist der Charakter am empfänglichsten. Die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung sollte da erlernt werden. Der Einfluss, der vom Zuhause und vom Familientisch ausgeht, zeigt Auswirkungen, die bis in die Ewigkeit reichen. Mehr als jede natürliche Begabung entscheiden die in der frühen Kindheit angenommenen Gewohnheiten darüber, ob ein Mensch im Lebenskampf siegen oder unterliegen wird. Die Jugendzeit ist die Zeit der Saat. Sie entscheidet darüber, wie die Ernte für dieses und das zukünftige Leben aussehen wird.

Als Prophet sollte Johannes "mit der Kraft des Elia dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen" (Lukas 1,17 EÜ). Dadurch, dass Johannes den Weg für das erste Kommen von Christus ebnete, wurde er für all jene zum Vorbild, die die Menschen auf das zweite Kommen unseres Herrn vorbereiten. Die Welt verliert sich in Maßlosigkeit; Irrtümer und Unwahrheiten sind weit verbreitet. Satans Täuschungen, mit denen er Menschen zugrunde richten will, sind vielfältig. Alle Menschen, die ihre Heiligkeit in der Furcht Gottes vervollkommnen möchten, müssen Mäßigkeit und Selbstbeherrschung lernen (vgl. 2. Korinther 7,1). Die Begierden und die Leidenschaften müssen den höheren Kräften des Geistes untergeordnet werden. Diese Selbstdisziplin ist unentbehrlich für die geistige Kraft und die geistliche Erkenntnis, die wir benötigen, um die heiligen Wahrheiten des Wortes Gottes zu verstehen und in die Tat umzusetzen. Aus diesem Grund ist die Mäßigkeit ein Teil der Vorbereitung auf die Wiederkunft von Christus.

Eigentlich wäre der Sohn von Zacharias als Priester ausgebildet worden. Aber die Erziehung in den rabbinischen Schulen hätte ihn für seine Aufgabe untauglich gemacht. Gott sandte ihn nicht zu den Theologen, um zu lernen, wie man die heiligen Schriften auslegt. Er rief ihn in die Wüste, um von der Natur und ihrem Schöpfer zu lernen.

In einer einsamen Gegend inmitten von kahlen Hügeln, wilden Schluchten und felsigen Höhlen fand Johannes sein Zuhause. Es war seine Entscheidung, die Freuden und den Luxus des Lebens aufzugeben und gegen die harte Schule in der Wüste einzutauschen. Dort begünstigte die Umgebung das einfache Leben und die Selbstverleugnung. Ungestört vom Lärm der Welt konnte er hier über die Lehren der Natur, der Offenbarung und der göttlichen Vorsehung nachdenken. Die Worte des Engels an Zacharias waren von den gottesfürchtigen Eltern des Johannes oft wiederholt worden. Von Kindheit an war er sich seiner Sendung bewusst gewesen und hatte den heiligen Auftrag angenommen. Die Abgeschiedenheit der Wüste war für ihn eine Zuflucht vor einer Gesellschaft, die fast gänzlich von Misstrauen, Unglauben und Unmoral beherrscht war. Er vertraute nicht auf seine eigene Kraft, der Versuchung widerstehen zu können, und schreckte deshalb vom ständigen Umgang mit der Sünde zurück, um nicht das Empfinden für ihr überaus großes Unrecht zu verlieren.

Johannes war von Geburt an ein gottgeweihter "Nasiräer"23 und nahm diese Berufung durch ein Leben der Hingabe persönlich an. Seine Kleidung war wie die eines Propheten aus alter Zeit: ein Gewand aus Kamelhaar, das von einem Ledergürtel zusammengehalten wurde. "Er ernährte sich von Heuschrecken24 und wildem Honig" (Matthäus 3,4 NLB), die er in der Wildnis fand. Dazu trank er das klare Wasser von den Hügeln.

Johannes Wird Auf Seine Aufgabe Vorbereitet

Doch Johannes war nicht untätig und führte kein Leben in asketischer Schwermut oder egoistischer Abschottung. Von Zeit zu Zeit ging er hinaus, um sich mit Menschen zu treffen. Stets war er ein aufmerksamer Beobachter dessen, was in der Welt vor sich ging. Von seinem stillen Zufluchtsort aus beobachtete er, wie sich die Ereignisse entwickelten. Vom Heiligen Geist erleuchtet, studierte er den Charakter der Menschen. Er wollte verstehen, wie ihr Herz mit der Botschaft des Himmels erreicht werden konnte. Er spürte die Last seines Auftrags und wollte sich in der Abgeschiedenheit durch Andacht und Gebet auf sein zukünftiges Lebenswerk vorbereiten.

Obwohl er in der Wüste lebte, blieb er nicht frei von Versuchungen. So weit wie möglich verwehrte er Satan jeden Zugang; dennoch wurde er vom Versucher angegriffen, doch seine geistliche Wahrnehmung war klar. Er hatte Charakterstärke und Entscheidungskraft gelernt und war imstande, mit Hilfe des Heiligen Geistes die Annäherungsversuche Satans zu durchschauen und dessen Macht zu widerstehen.

Die Wüste war für Johannes zur Schule und zum Heiligtum geworden. Wie einst Mose inmitten der Hügel von Midian war Johannes von Gottes Gegenwart und den Beweisen seiner Macht umgeben. Er konnte zwar nicht wie Israels großer Führer in der Einsamkeit majestätischer Berge wohnen. Doch vor Johannes lagen die Höhen Moabs jenseits des Jordan, die von jenem Gott erzählten, der die Berge fest gegründet und mit Kraft umgürtet hatte. Die düsteren und schrecklichen Seiten seiner Wüstenheimat veranschaulichten auf lebendige Weise den Zustand Israels. Der fruchtbare Weinberg des Herrn war zu einer trostlosen Einöde verkommen. Aber über der Wüste breitete sich der herrlich leuchtende Himmel aus. So wie sich über die dunklen zusammengeballten Gewitterwolken der Bogen der Verheißung wölbte, so leuchtete über dem zerfallenen Israel die versprochene Herrlichkeit der Herrschaft des Messias auf. Über die Wolken des Zorns spannte sich der Regenbogen seiner Bundesgnade.

Ganz allein in der Stille der Nacht las Johannes die Verheißung Gottes an Abraham, dass dessen Nachkommen so zahlreich sein sollten wie die Sterne (vgl. 1. Mose 15,5; 22,17). Und wenn das Licht des anbrechenden Morgens das Gebirge Moabs vergoldete, erzählte es von dem, der "wie das Licht des Morgens [ist], wenn die Sonne aufgeht am Morgen ohne Wolken" (2. Samuel

23.4) . Der helle Mittag verkündigte ihm den Glanz der Offenbarung Gottes, "denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen" (Jesaja 40,5).

In ehrfurchtsvoller, aber doch froher Stimmung suchte er in den prophetischen Schriften nach den Offenbarungen über das Kommen des Messias, dieses verheißenen Nachkommens, welcher der Schlange den Kopf zertreten sollte (vgl. 1. Mose 3,15). Dieser "Schilo, ›der Ruhebringer‹" (1. Mose 49,10 Schl.), 25 sollte auftreten, bevor ein König aufhört, auf dem Thron Davids zu sitzen. Jetzt war diese Zeit gekommen. Im Palast auf dem Berg Zion regierte ein römischer Herrscher. 26 Durch das zuverlässige Wort des Herrn wusste er, dass Christus bereits geboren war.

Johannes studierte die spannenden Schilderungen Jesajas von der Herrlichkeit des Messias Tag und Nacht. Er las von diesem "Spross ... aus dem Baumstumpf Isai" (Jesaja 11,1 GNB), vom König, der in Gerechtigkeit regieren und ein "rechtes Urteil den Elenden im Lande" sprechen würde (Jesaja 11.4), der "wie ein schützender Raum vor dem Sturm ... oder wie der Schatten eines gigantischen Felsens in einem vom Durst erschlafften Land" (Jesaja 32,2 NLB) sein würde. Israel sollte nicht länger "Verlassene" heißen, noch sein Land "Einsame", sondern es sollte vom Herrn genannt werden "meine Lust" und sein Land "liebe Frau" (Jesaja 62,4). Das Herz des einsamen Johannes war von dieser herrlichen Vorstellung erfüllt.

Er blickte auf diesen König in seiner Pracht und vergaß sich dabei selbst. Er sah die majestätische Heiligkeit und fühlte sich selbst schwach und unwürdig. Er war bereit, als Bote des Himmels hinauszugehen, ohne Scheu vor den Menschen, denn er hatte den Göttlichen geschaut. Mit erhobenem Haupt und furchtlos konnte er vor weltlichen Herrschern stehen, denn er hatte sich völlig dem König aller Könige unterworfen.

Verlangen Nach Befreiung

Johannes verstand das Wesen des messianischen Reiches nicht völlig. Er erwartete, dass Israel als Nation von seinen Feinden befreit würde. Doch das große Ziel seiner Hoffnung war das Kommen eines Königs, der mit Gerechtigkeit regieren und Israel als heiliges Volk aufrichten würde. Er glaubte, dass auf diese Weise die Prophezeiung, die bei seiner Geburt gegeben worden war, Erfüllung fände: "Er vergisst seinen heiligen Bund nicht; er denkt an den Eid ... dass er uns aus den Händen unserer Feinde befreien wird und wir ihm unser ganzes Leben lang ohne Furcht in Heiligkeit und Gerechtigkeit in seiner Gegenwart dienen werden." (Lukas 1,68-75 NGÜ)

Johannes sah sein Volk betrogen, selbstzufrieden und durch seine Sünden gelähmt. Er sehnte sich danach, es zu einem heiligeren Leben zu ermutigen. Die Botschaft, die ihm Gott aufgetragen hatte, sollte die Israeliten aus ihrer Trägheit aufrütteln und sie wegen ihrer großen Bosheit erzittern lassen. Bevor der Same des Evangeliums ausgestreut werden konnte, musste der Herzensboden aufgebrochen werden. Bevor sie bei Jesus Heilung suchten, musste ihnen bewusst werden, wie gefährlich für sie die Verletzungen der Sünde waren.

Gott sendet seine Boten nicht, um dem Sünder zu schmeicheln. Er überbringt keine Friedensbotschaft, um Unheilige in falscher Sicherheit zu wiegen. Er legt schwere Lasten auf das Gewissen des Übeltäters und durchdringt die Seele mit Pfeilen der Selbsterkenntnis. Die dienstbereiten Engel weisen ihn auf die furchterregenden Urteile Gottes hin, um ihm seine Hilflosigkeit bewusst zu machen, damit er ausruft: "Was muss ich tun, um gerettet zu werden?" (Apostelgeschichte 16,30) Dann wird ihn die Hand aufrichten, die ihn tief gedemütigt hat. Dieselbe Stimme, die die Sünde gerügt und Stolz und Ehrgeiz an den Pranger gestellt hat, fragt mit liebevollster Anteilnahme: "Was willst du, dass ich dir tun soll?" (Lukas 18,41)

Als Johannes seinen Dienst begann, war die Nation unzufrieden, aufgewühlt und einem Aufstand nahe. Mit der Amtsenthebung von Archelaus war Judäa unmittelbar der Herrschaft Roms unterstellt worden. Die Tyrannei und Erpressung vonseiten der römischen Statthalter und deren feste Entschlossenheit, dem Volk heidnische Symbole und Sitten aufzuzwingen, lösten Revolten aus. Diese wurden blutig niedergeschlagen. Dabei fanden Tausende der tapfersten Israeliten den Tod. All dies schürte den Hass des Volkes Rom gegenüber, und das Verlangen wuchs, von der Gewalt der Römer befreit zu werden.

Aufruf Zur Umkehr

Inmitten von Kampf und Streit vernahm man eine Stimme aus der Wüste. Sie klang ernst und aufrüttelnd, aber doch hoffnungsfroh: "Kehrt um und wendet euch Gott zu, denn das Himmelreich ist nahe!" (Matthäus 3,2 NLB) Mit einer neuen, außergewöhnlichen27 Kraft bewegte sie die Menschen. Propheten hatten das Kommen des Messias als ein Ereignis in ferner Zukunft angekündigt. Nun aber hörte man, dass das große Ereignis nahe bevorstand. Die ungewöhnliche Erscheinung von Johannes erinnerte seine Zuhörer an die alten Seher. Sein Auftreten und seine Kleidung ähnelten denen des Propheten Elia. Im Geist und in der Kraft Elias verurteilte er den sittlichen Niedergang der Nation und tadelte die weitverbreiteten Sünden. Seine Worte waren deutlich, gezielt und überzeugend. Viele glaubten, er sei ein vom Tod auferstandener Prophet. Das ganze Volk war tief berührt. Scharenweise zogen die Menschen hinaus in die Wüste.

Johannes verkündete das Kommen des Messias und rief die Menschen zur Sinnesänderung auf. Als Zeichen für die Reinigung von der Sünde taufte er sie im Wasser des Jordan. Auf diese Weise machte er durch eine bedeutsame und anschauliche Handlung klar, dass diejenigen, die sich Gottes auserwähltes Volk nannten, mit Sünde verunreinigt waren. Ohne Reinigung ihres Herzens und ohne Umkehr in ihrem Leben würden sie keinen Teil am Königreich des Messias haben.

Fürsten und Rabbiner, Soldaten, Zöllner und Bauern kamen, um den Propheten zu hören. Eine Zeitlang waren sie durch die ernste Warnungsbotschaft Gottes aufgerüttelt. Viele bereuten ihre Sünden und ließen sich taufen. Menschen aus allen Schichten folgten den Anweisungen des Täufers, um am Königreich, das er ankündigte, teilzuhaben.

Viele Pharisäer und Schriftgelehrte bekannten ihre Sünden und wollten getauft werden. Sie hatten sich für besser gehalten als andere Menschen und das Volk dazu gebracht, eine hohe Meinung von ihrer Frömmigkeit zu haben. Jetzt aber wurde die geheime Schuld ihres Lebens aufgedeckt. Der Heilige Geist zeigte Johannes, dass viele von diesen Männern ihre Sünden nicht wirklich bereuten. Sie waren nur Mitläufer, die hofften, als Freunde des Propheten beim kommenden Fürsten gut dazustehen. Und sie dachten, sie würden ihren Einfluss auf das Volk verstärken, wenn sie sich von diesem beliebten jungen Lehrer taufen ließen.

Johannes empfing sie mit der schonungslosen Frage: "Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch auf den Gedanken gebracht, ihr könntet dem kommenden Gericht entgehen? Bringt Frucht, die zeigt, dass es euch mit der Umkehr ernst ist, und meint nicht, ihr könntet euch darauf berufen, dass ihr Abraham zum Vater habt. Ich sage euch: Gott kann Abraham aus diesen Steinen hier Kinder erwecken." (Matthäus 3,7-9 NGÜ)

Das Gericht Über Israel

Die Juden hatten Gottes Verheißung der ewigen Gunst für Israel missverstanden: "So spricht der Herr, der die Sonne gesetzt hat zum Licht für den Tag, die Ordnungen des Mondes und der Sterne zum Licht für die Nacht, der das Meer erregt, dass seine Wogen brausen, Herr der Heerscharen ist sein Name: Wenn diese Ordnungen vor meinem Angesicht weichen, spricht der Herr, dann soll auch die Nachkommenschaft Israels aufhören, eine Nation zu sein vor meinem Angesicht alle Tage. So spricht der Herr: Wenn der Himmel oben gemessen werden kann und die Grundfesten der Erde unten erforscht werden können, dann will ich auch die ganze Nachkommenschaft Israels verwerfen wegen all dessen, was sie getan haben, spricht der Herr." (Jeremia 31,35-37 Elb.) Die Juden betrachteten ihre natürliche Abstammung von Abraham als Anrecht auf diese Verheißung. Doch sie übersahen die Bedingungen, die Gott gestellt hatte. Bevor er ihnen die Verheißung gab, hatte er gesagt: "Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein ... Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken." (Jeremia 31,33.34)

Die Menschen, denen das göttliche Gesetz ins Herz geschrieben ist (vgl. Römer 2,15), dürfen sich der Gunst Gottes sicher sein. Sie sind eins mit ihm. Die Juden aber hatten sich von Gott getrennt und litten wegen ihrer Sünden unter dem göttlichen Gericht. Deshalb befanden sie sich unter der Herrschaft einer heidnischen Nation. Ihr Verstand war durch die Sünde getrübt, und weil ihnen der Herr in der Vergangenheit so große Gunst erwiesen hatte, entschuldigten sie ihre Verfehlungen. Sie bildeten sich ein, besser zu sein als andere Menschen, und erhoben Anspruch auf Gottes Segnungen

"Uns zur Warnung wurde es aufgeschrieben, uns, die das Ende der Zeiten erreicht hat." (1. Korinther 10,11 EÜ). Wie oft legen wir die Segnungen Gottes falsch aus und bilden uns ein, dass wir wegen einer unserer Tugenden bevorzugt würden! Gott kann für uns nicht das tun, was er gerne tun möchte. Seine Gaben würden unsere Selbstgefälligkeit steigern und unsere Herzen durch Unglauben und Sünde verhärten.

Johannes erklärte den Lehrern Israels, dass ihr Stolz, ihre Selbstsucht und ihre Grausamkeit sie als Schlangenbrut ausweisen würden und dass sie - anstatt Kinder des gerechten und gehorsamen Abrahams zu sein - zum tödlichen Fluch für das Volk geworden seien. Gemessen an der Erkenntnis, die sie von Gott empfangen hatten, waren sie noch schlimmer als die Heiden, über die sie sich so erhaben fühlten. Sie hatten vergessen, auf den Felsen zu schauen, aus dem sie gehauen waren, und auf den Brunnenschacht, aus dem sie gegraben wurden (vgl. Jesaja 51,1). Gott war nicht auf sie angewiesen, um seine Pläne zu verwirklichen. Wie er Abraham aus einem heidnischen Volk herausgerufen hatte, so konnte er auch andere zu seinem Dienst berufen. Deren Herzen mochten jetzt noch so leblos erscheinen wie die Steine in der Wüste, aber Gottes Geist konnte sie dazu befähigen, seinen Willen zu tun und die Erfüllung seiner Verheißung zu empfangen.

"Die Axt ist schon angelegt, um die Bäume an der Wurzel abzuschlagen", sagte Johannes, der Prophet. "Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen." (Matthäus 3,10 GNB) Der Wert eines Baumes wird nicht nach seinem Namen bestimmt, sondern nach seinen Früchten. Wenn die Früchte nichts wert sind, kann ihn der Name des Baumes nicht davor bewahren, gefällt zu werden. Johannes machte den Juden klar, dass ihr Charakter und ihr Leben darüber entscheiden werden, ob sie vor Gott bestehen können. Nur ein Lippenbekenntnis ist wertlos. Wenn ihr Leben und ihr Charakter nicht mit Gottes Gesetz übereinstimmten, würden sie nicht mehr sein Volk sein.

Viele Lassen Sich Taufen

Die eindringlichen Worte von Johannes überzeugten seine Zuhörer. Sie kamen zu ihm und fragten: "Was sollen wir denn tun?" (Lukas 3,10) Er antwortete: "Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso." (Lukas 3,10.11) Und er warnte die Zöllner davor, ungerecht zu handeln, und die Soldaten, gewalttätig zu sein.

Johannes erklärte, dass alle, die Untertanen des messianischen Königreichs werden wollten, sich durch Glauben und Reue ausweisen müssten. Güte, Aufrichtigkeit und Treue würden in ihrem Leben sichtbar. Sie helfen den Bedürftigen und bringen Gott ihre Gaben dar. Sie beschützen die Wehrlosen und sind ein lebendiges Beispiel für Tugend und Mitgefühl. Die Nachfolger von Christus geben so Zeugnis von der verändernden Macht des Heiligen Geistes. In ihrem täglichen Leben zeigen sich Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Gottes Liebe. Andernfalls glichen sie der Spreu, die im Feuer verbrannt wird.

Johannes sagte: "Ich taufe euch mit Wasser ›als Bestätigung‹ für eure Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich; ich bin es nicht einmal wert, ihm die Sandalen auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen." (Matthäus 3,11 NGÜ) Der Prophet Jesaja hatte erklärt, der Herr werde sein Volk "durch den Geist des Gerichts und durch den Geist des Niederbrennens" (Jesaja 4,4 Elb. Fußnote) von den Übertretungen reinigen. Das Wort des Herrn an Israel lautete: "Ich werde meine Hand gegen dich erheben. Ich werde alle Schlacke wie mit Lauge aus dir ausschmelzen und alles Blei aus dir entfernen." (Jesaja 1,25 NLB) Für die Sünde ist "unser Gott ... ein verzehrendes Feuer" (Hebräer 12,29), ganz gleich, wo sie gefunden wird. In allen Menschen, die sich der Macht Gottes unterordnen, wird der Heilige Geist die Sünde verzehren. Doch wer an der Sünde festhält, bekennt sich zu ihr. Dann wird die Herrlichkeit Gottes, welche die Sünde vernichtet, auch sie vernichten müssen. Nachdem Jakob eine ganze Nacht mit dem Engel des Herrn gerungen hatte, rief er aus: "Ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet." (1. Mose 32,31) Jakob hatte sich an Esau schwer versündigt, doch er bereute es. Seine Übertretung wurde ihm vergeben, und von seiner Sünde war er rein geworden. Darum konnte er die Offenbarung der Gegenwart Gottes ertragen. Aber immer, wenn Menschen vor Gott traten und bewusst am Bösen festhielten, mussten sie sterben. Wenn Christus wiederkommt, werden diese sündigen Menschen "mit dem Hauch seines Mundes" vernichtet werden, und Jesus wird ihnen "ein Ende machen durch seine Erscheinung, wenn er kommt" (2. Thessalonicher 2,8). Das Licht der göttlichen Herrlichkeit, das den Gerechten ewiges Leben gibt, wird die Boshaften umbringen.

Zur Zeit Johannes des Täufers stand Christus kurz davor, als der zu erscheinen, der das Wesen Gottes offenbart. Schon allein seine Gegenwart machte den Menschen ihre Sünde bewusst. Aber nur wer bereit war, sich von den Sünden reinigen zu lassen, konnte in die Gemeinschaft mit ihm aufgenommen werden. Nur wer reinen Herzens war, konnte in seiner Gegenwart bleiben.

So verkündigte der Täufer die Botschaft Gottes an Israel. Viele nahmen sich seine Lehren zu Herzen und gaben alles auf, um gehorsam zu sein. In Scharen folgten sie diesem neuen Lehrer von Ort zu Ort. Es waren nicht wenige unter ihnen, die hofften, dass er der Messias sei. Als Johannes aber merkte, dass sich seine Zuhörer ihm zuwandten, nutzte er jede Gelegenheit, um ihren Glauben auf den zu lenken, der kommen sollte.