Erziehung

Kapitel 12

Andere Gleichnisse

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"Wer verständig ist ... wird erkennen, daß der Herr auf vielfache Weise zeigt, wie gnädig er ist!" Psalm 107,43.

Überall in der Natur stoßen wir auf die heilende Kraft Gottes. Ob die Rinde eines Baums beschädigt oder ein Mensch verletzt wird, sofort setzt ein natürlicher Heilungsprozeß ein.

Im weitesten Sinne gilt das auch für das geistliche Leben. Wer sündigt, lädt damit nicht nur Schuld auf sich, sondern verletzt auch sein Gewissen und seine Seele. Aber Gott hat von Anfang an dafür gesorgt, daß es auch ein Heilmittel gegen die Sünde gibt. Christus sagte von sich: Gott "hat mich beauftragt, den Armen die frohe Botschaft zu bringen. Den Gefangenen soll ich die Freiheit verkünden, den Blinden sagen, daß sie sehen werden und den Unterdrückten, daß sie bald von jeder Gewalt befreit sein sollen. Jetzt erläßt Gott alle Schuld."1

Nachfolger Jesu sind berufen, ihren Herrn in dieser Aufgabe zu unterstützen. Der Apostel Paulus drückt das so aus: "Wenn sich aber einer von euch etwas zuschulden kommen läßt und sündigt, dann sollt ihr ihn als Menschen, die Gottes Geist leitet, verständnisvoll wieder zurechtbringen."2 Was hier mit "zurechtbringen" übersetzt wird, bedeutet eigentlich, ein ausgerenktes Gelenk oder einen gebrochenen Knochen wieder einrichten. Ein treffender Vergleich!

Durch die Sünde werden Beziehungen überstrapaziert oder gar zerstört. Selbst wenn jemand erkennt, daß er gesündigt hat -- und das auch bitter bereut --, kann er das allein nicht wieder "einrenken". Er ist bestürzt über sein Verhalten, fühlt sich anderen gegenüber schuldig und ganz allgemein gehemmt. Wir müssen ihn zurückholen, zurechtbringen und dazu beitragen, daß die Verletzungen, die er sich und anderen beigebracht hat, wieder heilen. Voraussetzung für diesen Dienst der Versöhnung ist natürlich eine geistliche Gesinnung. Deshalb wendet sich Paulus auch an Menschen, "die Gottes Geist leitet". Liebe heilt, vor allem die Liebe Christi. Sie durchströmt den Menschen wie der Saft den Baum oder das Blut den Körper. Von ihr geht auch für die verwundete Seele heilende Kraft aus.

In der Liebe stecken wunderbare Kräfte, denn sie ist ein göttliches Prinzip. Die gütige Antwort, die den Zorn stillt, die freundliche Zuwendung, die den anderen nicht bloßzustellen, sondern ihm zu helfen versucht, die Großmut, die auch einmal über einen Fehler hinwegsehen kann1 -- wären das unsere Verhaltensmuster im Umgang mit anderen Menschen, würde unser eigenes Leben total verändert, und auch das anderer. Das könnte schon jetzt ein Vorgeschmack dessen werden, was wir vom kommenden Gottesreich erwarten.

All das ist so einleuchtend und leicht zu verstehen -- wenn auch nicht einfach zu praktizieren --, daß selbst kleine Kinder es begreifen. Kinderherzen sind noch empfindsam genug und deshalb leicht zu beeinflussen -- im guten wie im schlechten Sinn. Wenn wir Älteren "so werden wie die Kinder",2 wenn wir von Christus schlichtes Vertrauen, Sanftmut, Herzensgüte und Liebe lernen, wird es uns nicht schwer fallen, das auch an unsere Kinder weiterzugeben.

Die Botschaft des Unscheinbaren

Alles, was Gott geschaffen hat, trägt das Prädikat: Vollkommen. Dieselbe Hand, die den Welten im Universum ihren Platz zugewiesen hat, gestaltete auch die Blumen auf der Wiese. Selbst das unscheinbarste Blümchen am Wegesrand ist nicht nur perfekt entworfen, sondern auch noch schön. Man muß es nur einmal genau unter die Lupe nehmen.

Selbst in den kleinsten Dingen, die Gott geschaffen hat, läßt sich noch die Verbindung von Zweckmäßigkeit, Schönheit und Vollkommenheit entdecken. Das sollte uns dazu anregen, auch die unscheinbaren und einfachen Aufgaben ernst zu nehmen und gewissenhaft zu erfüllen. Wenn Gott sieht, daß wir im Kleinen treu sind, kann er uns auch zu Größerem gebrauchen.

Der Regenbogen am Himmel gilt seit uralten Zeiten als Zeichen dafür, daß Gott treu zu seinen Geschöpfen steht. Gottes Zusage nach der Sintflut lautete: "Nie wieder eine Wasserflut! Nie wieder soll das Leben vernichtet werden! Diese Zusage bleibt für alle Zeiten bestehen, der Regenbogen ist das Erinnerungszeichen. Wenn er zu sehen ist, werde ich daran denken."1 Und der Regenbogen, der den Thron Gottes umgibt,2 ist für die Gläubigen ebenfalls ein Zeichen dafür, daß der Herr in unverbrüchlicher Treue zu den Seinen steht.

Wie der Bogen in den Wolken durch das Zusammenspiel von Regen und Licht entsteht, stellt der Bogen über Gottes Thron die Verbindung von Gottes Gnade und Gerechtigkeit dar. Wer seine Schuld bereut und sie zu Gott bringt, dem sagt er zu: "Du sollst leben, denn ‚ich habe Lösegeld für dich bekommen'!"3 Und im Buch des Propheten Jesaja heißt es: "Zur Zeit Noahs schwor ich: ‚Nie mehr soll das Wasser die Erde überfluten!' So schwöre ich jetzt: ‚Nie mehr werde ich zornig auf dich sein und nie mehr dir drohen! Berge mögen von ihrer Stelle weichen und Hügel wanken, aber meine Liebe zu dir kann durch nichts erschüttert werden, und meine Friedenszusage wird niemals hinfällig. Das sage ich, der Herr, der dich liebt.'"4

Die Botschaft der Sterne

Auch die Sterne können daran erinnern, daß Gott es gut mit uns meint. Jeder von uns kennt Stunden, in denen er traurig und bedrückt ist.

Vielleicht haben wir uns mit Versuchungen herumzuschlagen, sehen uns scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten gegenüber oder müssen erfahren, daß sich Hoffnungen nicht erfüllen. Dann könnte uns wohl dadurch geholfen werden, daß wir alles einmal aus einer anderen Blickrichtung sehen. Jesaja jedenfalls ermutigt dazu: "Seht nur in die Höhe! Wer hat die Sterne da oben geschaffen? Er, der Herr läßt sie alle aufmarschieren, das ganze unermeßliche Heer. Jeden von ihnen ruft er einzeln mit Namen, und keiner bleibt fern, wenn er, der Mächtige und Gewaltige, ruft. Ihr Israeliten, Nachkommen Jakobs, warum klagt ihr: ‚Der Herr kümmert sich nicht um uns; unser Gott läßt es zu, daß uns Unrecht geschieht?' Habt ihr denn nicht gehört? Habt ihr nicht begriffen? Der Herr, unser Gott hat die ganze Erde geschaffen, und er regiert sie für alle Zeiten. Er wird nicht müde, seine Kraft läßt nicht nach; seine Weisheit ist tief und unerschöpflich. Er gibt den Müden Kraft, und die Schwachen macht er stark." Und einige Verse weiter: "Fürchte dich nicht, ich stehe dir bei! Hab keine Angst, ich bin dein Gott! Ich mache dich stark, ich helfe dir, ich schütze dich mit meiner siegreichen Hand ... Denn ich bin der Herr, dein Gott, ich fasse dich bei der Hand und sage zu dir: Fürchte dich nicht! Ich selbst, ich helfe dir."1

Die Botschaft der Palme

Überall Wüste, soweit das Auge reicht. Doch nein, mitten in der sandigen Einöde eine Gruppe von Palmen, trotz sengender Sonne und Sandstürmen frisch und fruchtbeladen. Kein Wunder, ihre Wurzeln reichen bis zu einer lebendigen Wasserquelle. Ihre grünen Wipfel sind schon von weitem zu sehen und signalisieren dem Reisenden: Hier ist Schatten, hier findest du Wasser!

Kinder Gottes sollen in dieser Welt sein wie die Palmen in der Wüste. Gibt es nicht genügend Menschen, die das Leben müde gemacht hat, die nicht wissen, wie es weitergehen soll, die in die Irre gegangen und am Ende ihrer Kräfte sind? Sie brauchen jemanden, der ihnen sagt: Kommt her, hier gibt es Schatten zum Ausruhen und Wasser für eure Seele. Eigentlich brauchen wir nicht mehr zu tun, als das weiterzugeben, was Jesus schon den Menschen seiner Zeit angeboten hat: "Wer Durst hat, der soll zu mir kommen und trinken."1

Die Botschaft des Flüßchens

Die großen Ströme und Flüsse der Erde kennt fast jeder. Als Verkehrs- und Handelsrouten, die ganzen Landstrichen Wohlstand brachten, wurden sie berühmt. Aber wer fragt schon nach den vielen kleinen Quell- und Nebenflüssen, denen die riesigen Ströme der Erde ihr Wasser verdanken? Gäbe es diese Wasserläufe nicht, wären auch die großen Flüsse nicht da.

In der menschlichen Gesellschaft ist es ähnlich. Die Namen von Menschen, die Großes leisten oder im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, sind in aller Munde. Sie haben Erfolg, werden geehrt und genießen hohes Ansehen. Wer denkt da schon an die vielen unbekannten Mitarbeiter, durch deren Fleiß und Geschick der Erfolg überhaupt erst möglich geworden ist? Von ihnen nimmt niemand Notiz, mitunter nicht einmal diejenigen, denen sie zugearbeitet haben -- von Dank und Anerkennung ganz zu schweigen.

Kaum jemand, der diese Erfahrung nicht schon am eigenen Leibe gemacht hätte. Meist ist man dann enttäuscht, fühlt sich übergangen, ausgenutzt oder überflüssig. Wem das so geht, der sollte auf die Botschaft der kleinen Flüsse hören. Ohne sie gäbe es den großen Strom auch nicht. Und noch etwas: Was würde aus den Wiesen, Feldern und Auen, wenn sich nicht das Bächlein durch sie hindurchschlängelte und Gesundheit, Schönheit und Fruchtbarkeit mit sich führte?

Die Lehre aus diesem Vergleich liegt auf der Hand. Für viele zählt nur hohe Begabung, Spitzenleistung und eine angesehene Stellung. Etwas anderes wird gar nicht erst in Betracht gezogen. Zu viele Menschen wollen sich nur noch dann rückhaltlos einsetzen, wenn es sich finanziell oder gesellschaftlich lohnt. Und wenn sie etwas tun, dann erwarten sie von allen Seiten Anerkennung und Lob. Wir müssen es wohl erst wieder lernen, bewußt und treu das zu tun, was jeweils nötig ist -- unabhängig davon, ob es Ansehen und Erfolg bringt. Einfach nur, weil es uns als Teil unseres Lebenswerkes von Gott aufgetragen ist. Auch das gehört zu einem erfüllten Leben und kann glücklich und zufrieden machen.

Die Botschaft der Tiere

"Seht euch die Vögel an! ..." "Seht euch die Raben an! ..."1 Es ist schön und hilfreich, Kindern etwas über Tiere zu erzählen. Nur eins ist noch besser: sie dazu anzuleiten, selbst Tiere zu beobachten.

Tiere sind zwar nicht wie wir Menschen, dennoch lassen sich aus dem Tierreich Erkenntnisse gewinnen, die auch für uns nützlich sind. Die Bibel fordert mehrfach dazu auf, sich an ihnen zu orientieren. Hier einige Beispiele: "Du kannst die Tiere und die Vögel fragen, du würdest einiges von ihnen lernen ... die Fische wüßten vieles zu erzählen."2 "Beobachte die Ameisen, du Faulpelz! Nimm dir ein Beispiel an ihnen: Kein Vorgesetzter treibt sie an; trotzdem arbeiten sie den ganzen Sommer über fleißig, und im Herbst haben sie einen Vorrat für den Winter angelegt."3 "Seht euch die Vögel an ... Euer Vater im Himmel versorgt sie. Meint ihr nicht, daß er sich um euch noch viel mehr kümmert?"4

Von den Ameisen können wir Fleiß, Gemeinsinn, Zielstrebigkeit und Vorsorge lernen. Die Vögel lehren uns Vertrauen auf Gott. Daß Gott für sie sorgt, heißt nicht, daß sie sich nicht selbst um ihr Futter kümmern müßten, aber ihre Hauptaufgabe besteht nicht darin, Vorräte anzuhäufen, sondern Nester zu bauen und Junge aufzuziehen. Obwohl sie überall von Feinden bedroht sind, singen sie bei der Arbeit ihre fröhlichen Lieder.

In einem Psalm beschreibt der Dichter mit poetischen Worten, wie Gott seinen Geschöpfen den Lebensraum und die Sicherheit schafft, die ihrer Lebensweise angemessen ist. Dort heißt es: "Du läßt Quellen sprudeln und als Bäche in die Täler fließen ... An ihren Ufern nisten die Vögel in dichtem Laub, singen sie ihre Lieder."1 "In den hohen Bergen hat der Steinbock sein Revier, und das Murmeltier findet in den Felsen Zuflucht."2 Und nicht zuletzt: "Du öffnest deine Hand und sättigst deine Geschöpfe; allen gibst du, was sie brauchen."3

Vom Adler lernen

Der majestätische Adler wird manchmal vom Gewitter in die engen Bergschluchten hinabgedrückt. Der Sturm wirft ihn hin und her, und die dunklen Wolken versperren ihm den Blick auf seinen Horst, den er sich in luftiger Höhe gebaut hat.

Der König der Lüfte schießt mit den starken Flügeln in die Luft und weckt mit seinem Geschrei das Echo der Berge. Es scheint so, als müsse er an den Felsen zerschellen. Doch dann schießt er triumphierend nach oben, durchbricht die Wolkendecke und befindet sich endlich wieder im klaren Licht der Sonne -- Sturm und Finsternis hinter sich lassend.

Auch in unserem Leben geht es mitunter stürmisch zu. Wir geraten in dunkle Täler, sind umgeben von Elend und Ungerechtigkeit, müssen Rückschläge hinnehmen und sind entmutigt. Überall Wolken, die wir nicht vertreiben können, scheinbar endlose Schwierigkeiten und Kampf. Es gibt nur eine Möglichkeit, da wieder herauszukommen: Wir müssen uns mit den Flügeln des Glaubens aufschwingen bis zum hellen Licht der Gegenwart Gottes.

Andere Bilder und Vergleiche

Aus solchen und anderen Bildern können wir einiges lernen. Zum Beispiel Selbständigkeit von dem Baum, der ganz allein am Berghang wächst und seine Wurzeln tief ins Erdreich treibt, um dem Sturm trotzen zu können.

Weil der Kampf gegen die Naturgewalten schon sehr früh begonnen hat, sind Stamm und Geäst knorrig und krumm geworden, und keine Macht der Welt kann sie wieder gerade biegen. Die Wasserlilie ist ein gutes Beispiel für ein geheiligtes Leben. Sie blüht an der Oberfläche eines morastigen Teichs, ist umgeben von Schlingpflanzen und Müll, aber ihr Wurzelstamm reicht hinunter bis in den sauberen Boden. Von dort nimmt sie ihre Lebenskraft und kann so oben im Licht ihre makellose Blüte entfalten.

Einen großen Teil ihres Sachwissens beziehen Kinder und Jugendliche von ihren Eltern und Lehrern oder aus Schulbüchern. Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, daß sie die Dinge selbst beobachten und Erfahrungen machen, aus denen sie eigene Schlüsse ziehen können. Erziehung heißt, sie auch darauf vorzubereiten.

Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, daß man sie bei gemeinsamer Gartenarbeit danach fragt, was sie aus der Pflege der Pflanzen lernen. Beim Betrachten von Naturschönheiten könnte man mit ihnen über die erstaunliche Vielfalt der Schöpfung ins Gespräch kommen. Sie sollten darauf aufmerksam gemacht werden, daß Gottes Werke nicht nur zweckmäßig, sondern auch schön sind: saftige Weiden und Wiesen, grüne Wälder, das Blau des Himmels und die Farbenpracht der Tierwelt. Lehrt sie, überall in der Natur die Beweise dafür zu erkennen, daß Gott uns liebt, daß er an uns denkt, für unsere Bedürfnisse sorgt und uns glücklich sehen möchte.

Die Verfasser der Bibel benutzten häufig Bilder aus der Natur, um geistliche Wahrheiten anschaulich zu machen. Und bis heute ist es so, daß sich dem, der sehenden Auges durch die Schöpfung geht und sich dabei dem Wirken des Heiligen Geistes öffnet, die Lehren des Wortes Gottes besser erschließen. Die Natur ist sozusagen der Schlüssel zur Schatzkammer des Wortes Gottes.

Kinder sollten dazu angeregt werden, auf die Dinge in der Natur zu achten, die biblische Lehren verstehbar machen. Oder anders herum: Sie sollten den Bildern und Vergleichen, die Jesus benutzt hat, um geistliche Wahrheiten darzustellen, in der Natur nachspüren. Auf diese Weise lernen sie es, an ihn zu denken, wenn sie einen Baum, einen Weinstock, Lilien oder Rosen sehen, das Licht der Sonne genießen oder zu den Sternen aufschauen. Wer will, kann nämlich im Gesang der Vögel, im Rauschen der Bäume, im Grollen des Donners und im Tosen des Meeres Gottes Stimme hören.

Wer Christus auf diese Weise kennenlernt, dem wird die Welt niemals als einsamer trostloser Ort erscheinen, weil sie seines Vaters Haus ist und er darin gegenwärtig ist, so wie er einst bei den Menschen wohnte.

Die Bibel als Erzieher

"Tag und Nacht sollen sie dich begleiten und dein Denken und Handeln bestimmen." Sprüche 6,22.