Erziehung

Kapitel 16

Beispiele des Vertrauens

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"Weil sie glaubten und Gott vertrauten, konnte er Großes durch sie tun. Sie bezwangen Königreiche, sorgten für Recht und Gerechtigkeit und erlebten, wie sich Gottes Verheißungen erfüllten." Hebräer 11,33.

Biblische Lebensbeschreibungen haben einen hohen erzieherischen Wert. In der Regel unterscheiden sich diese Biographien von allen anderen dadurch, daß sie lebensnah und ungeschönt sind.

Niemand kann in die Seele eines anderen schauen. Deshalb ist es uns Menschen schlechterdings unmöglich, das Wesen eines anderen zutreffend zu beschreiben und seine Beweggründe richtig zu beurteilen. Das kann nur Gott, der das Herz und die Gedanken des Menschen bis in den letzten Winkel kennt. Wenn wir also in seinem Wort Lebensbeschreibungen finden, können wir gewiß sein, daß sie wahr und zuverlässig sind.

Die Bibel lehrt, daß das Handeln des Menschen von seiner Wesensart bestimmt wird. Unsere Lebenserfahrungen sind zum großen Teil eine Folge unseres Denkens und Tuns. "Ein Fluch, der unbegründet ist, wird nicht eintreffen", heißt es in den Sprüchen Salomos.1 Jesaja gibt zu bedenken: "Vergeßt nicht: Wer Gott gehorcht, dem geht es gut; was er erarbeitet, kann er auch genießen. Aber wehe dem, der sich Gott widersetzt! Für seine Bosheit wird er die gerechte Strafe erhalten: Was er anderen zufügt, wird er selbst zu spüren bekommen."2 Oder Gottes Drohung aus dem Munde des Propheten Jeremia: "Die ganze Welt soll es hören: Ich bringe Unglück über dieses Volk; es ist die Folge ihrer eigenen Pläne."1

Das ist eine schreckliche Wahrheit, und sie sollte sich uns tief einprägen: Alles, was wir tun, fällt letztlich auf uns zurück! Was der Mensch sät, wird er auch ernten. Und wer ehrlich ist, weiß, daß vieles von dem, was wir im Leben zu erdulden und zu tragen haben, die Folge unseres eigenen Handelns ist. Allerdings kann dieses Prinzip von Ursache und Wirkung auch durchbrochen werden. Das weckt Hoffnung.

Nehmen wir zum Beispiel das Leben des Urvaters Jakob. Um sich das Erstgeburtsrecht zu sichern, daß Gott ihm längst zugesagt hatte, betrog er seinen Vater, zog sich den Haß seines Bruders Esau zu und mußte Hals über Kopf fliehen. Während der zwanzig Jahre in der Fremde wurde er selbst ungerecht behandelt, hintergangen und betrogen. Zuletzt mußte er wieder fliehen, um sich und die Seinen in Sicherheit zu bringen. Und als er endlich in die Heimat zurückgekehrt war, reifte in der eigenen Familie eine zweite böse Ernte heran, indem er erleben mußte, wie sich all seine Charakterfehler in den eigenen Söhnen wiederfanden. Für ihn mag das ein Beweis dafür gewesen sein, daß sich alles im Leben rächt.

Aber Gott sagt auch: "Ich klage nicht länger an, ich lasse meinem Zorn nicht unbegrenzt freien Lauf. Sonst würde mein Volk, das ich doch geschaffen habe, völlig zugrunde gehen. Ich war zornig und bestrafte sie, weil sie in ihrer Habgier schwere Schuld auf sich geladen hatten. Ich wandte mich von ihnen ab und ließ Unheil über sie hereinbrechen, das sie selbst verschuldet hatten. Denn ich habe genau gesehen, wie sie es trieben. Aber jetzt richte ich sie wieder auf und führe sie. Sie sollen meine Hilfe erfahren; statt zu klagen, werden sie jubeln. Allen schenke ich Glück und Frieden: denen, die in der Nähe leben, und denen, die noch in der Ferne zerstreut sind. Ich mache alles wieder gut. Ich der Herr sage es."2

Das hatte auch Jakob erfahren dürfen. Er bereute sein Fehlverhalten und war bestrebt, das Unrecht, das er seinem Bruder angetan hatte, wiedergutzumachen. Und als er bei seiner Rückkehr in die Heimat damit rechnen mußte, daß der immer noch erboste Esau ihn umbringen würde, wandte er sich um Hilfe an Gott: "Er kämpfte mit dem Engel Gottes und besiegte ihn, weil er ihm mit Bitten und Tränen zusetzte."1 Im Bericht über diesen Lebensabschnitt Jakobs heißt es: "Und er segnete ihn."2

Keine Frage, Jakob hatte schwere Schuld auf sich geladen, aber er hatte auch bereut und Vergebung erlangt. Aus dem ehemaligen Betrüger hatte Gott einen Überwinder gemacht. Dadurch wurde Jakob auf zweifache Weise frei. Zum einen waren Schuld und Feindschaft, die ihn von seinem Bruder getrennt hatten, überwunden. Zum andern war die Macht des Bösen in ihm selbst gebrochen, und sein Wesen wurde verändert. Um den Abend wurde es licht in und um Jakob. Rückblickend erkannte er, daß Gott ihm trotz allem immer nahe gewesen war. Am Ende seines Lebens betete Jakob: "Gott, dem meine Väter Abraham und Isaak dienten, hat mein Leben lang für mich gesorgt. Sein Engel hat mich aus vielen Gefahren gerettet."3

Die gleiche Erfahrung wiederholte sich im Leben von Jakobs Söhnen. Ihr Fehlverhalten hatte bittere Folgen, aber ihre Reue bewirkte Rechtfertigung und neues Leben.

Gott hebt seine Gesetze nicht auf. Er läßt sie auch nicht links liegen, wenn es ihm gerade paßt. Er macht die Folgen der Sünde auch nicht ungeschehen, aber er hat die Macht, selbst aus Bösem noch Gutes entstehen zu lassen. Durch seine Gnade bringt sogar ein Fluch noch Segen hervor.

Unter den Söhnen Jakobs tat sich Levi als einer der grausamsten und rachsüchtigsten hervor. Er und sein Bruder Simeon zettelten die hinterhältige Ermordung der Sichemiten an. Levis Wesensart setzte sich auch in seinen Nachkommen fort. Jakob distanzierte sich eindeutig von dem bösen Treiben seiner beiden Söhne: "Ihre Schwerter haben sie zu Mord und Totschlag mißbraucht. Mit ihren finsteren Plänen will ich nichts zu tun haben, von ihren Vorhaben halte ich mich fern." Und im Blick auf die Zukunft prophezeite er: "Weil sie im Zorn so hart und grausam waren, müssen sie die Folgen tragen: Ihre Nachkommen erhalten kein eigenes Gebiet, sondern wohnen verstreut in ganz Israel."1

An dieser Entscheidung Gottes hatte der Stamm Levi lebenslang zu tragen, obwohl die Fehler der Vergangenheit bereut wurden und eine geistliche Erneuerung stattgefunden hatte. Später waren es gerade die Leviten, die Gott treu blieben, als sich alle anderen israelitischen Stämme von Gott abwandten. So verwandelte sich der ursprüngliche Fluch am Ende doch noch in Segen.

"Damals wählte der Herr den Stamm der Leviten für eine besondere Aufgabe aus: Sie sollten den Kasten mit den Steintafeln -- die Bundeslade -- tragen, dem Herrn im Heiligtum dienen und die Israeliten in seinem Namen segnen. So ist es bis heute geblieben."2 Und bei Maleachi heißt es: "Ich versprach ihnen Leben und Wohlergehen und hielt mich an meine Zusage. Damals achteten mich die Leviten und hatten große Ehrfurcht vor mir. Dem Volk gaben sie meine Weisungen unverfälscht weiter. Was sie sagten, entsprach immer dem Recht und der Wahrheit. Sie waren aufrichtig und lebten so, wie es mir gefällt, und vielen halfen sie, von ihren falschen Wegen umzukehren."3

Zum Dienst am Heiligtum bestimmt, erhielten die Leviten keinen Grundbesitz, sondern wohnten in den Städten, die Gott für sie ausgewählt hatte. Dort sollten sie ihren Dienst versehen und ihren Lebensunterhalt aus den Zehnten, Gaben und Opfern, die für Gottes Werk gegeben wurden, bestreiten. Sie erfreuten sich großer Wertschätzung und wurden als Diener Gottes zu allen Festen eingeladen. Gott verbürgte sich unmißverständlich für die Leviten: "Der Herr selbst ist ihr Anteil und Erbe; er sorgt für sie, wie er es ihnen versprochen hat."4 Deshalb wurde dem Volk geboten: "Achtet darauf, daß ihr die Leviten mit versorgt, solange ihr in eurem Lande lebt."5

Durch Glauben zum Sieg

"Wie ein Mensch denkt in seinem Herzen, so ist er!" Das ist eine Regel, die sich im Leben der Israeliten immer wieder bewahrheitete. Bevor Israel in das verheißene Land einzog, wurden Kundschafter ausgeschickt, um sich ein Bild von der Beschaffenheit des Landes und den strategischen Gegebenheiten machen zu können. Als die Späher zurückkehrten, rühmten sie zwar die Schönheit und Fruchtbarkeit des Landes, aber diese positiven Aspekte wurden überlagert von endlosen Befürchtungen. Sie schürten die Angst, indem sie das Hauptaugenmerk auf die uneinnehmbaren Städte, die kampfgestählten Krieger und eisernen Streitwagen lenkten. Das Fazit lautete: "Gegen diese Völker können wir auf keinen Fall antreten. Sie sind viel stärker als wir."1 Gott wurde in die Überlegungen gar nicht erst einbezogen.

Zwei der Zwölf, die das Land gesehen hatten, waren anderer Meinung, weil sie mit Gott rechneten. Kaleb versuchte, dem Volk Mut zu machen: "Wir sind stark genug, das Land zu erobern. Wir müssen nur losziehen und es in Besitz nehmen!"2 Er und Josua waren davon überzeugt, daß Gottes Schutz mehr zählt als scheinbar uneinnehmbare Städte und militärische Überlegenheit. Und was sie geglaubt hatten, bewahrheitete sich für sie.

Während die anderen zehn Späher in der Wüste den Tod fanden, durften Josua und Kaleb ins verheißene Land einziehen. Und bezeichnend für das Gottvertrauen dieser beiden Männer: Als später das Land aufgeteilt wurde, erbat sich Kaleb gerade die Gegend, in der die sogenannten Anakiter lebten, das heißt die "Riesen", vor denen sich die anderen so gefürchtet hatten. Im Vertrauen auf Gottes Zusagen nahm er gerade die Weinberge und Ölhaine in Besitz, die er damals als Späher erkundet hatte. Die Rebellen und Feiglinge fielen der Wüste zum Opfer, während die Männer des Glaubens die Trauben von Eschkol aßen.

Die Bibel weist immer wieder darauf hin, wie gefährlich schon der erste Schritt ist, mit dem man sich vom richtigen Weg entfernt. Und zwar nicht nur für den, der vom Weg abweicht, sondern auch für diejenigen, die mit ihm in Berührung kommen. Wenn einmal die niederen Triebe im Menschen geweckt sind, kann man dem Hang zum Bösen kaum widerstehen. Das Laster findet am ehesten dort Eingang, wo in einem Leben, das sonst tugendhaft, ehrbar und edel erscheint, heimlich Sünde genährt wird. Wie oft sind gerade solche Leute anderen, die gegen eine Versuchung ankämpfen oder Rat suchen, zum Fallstrick geworden.

Bei Menschen, die einerseits Wahrheit und Ehrbarkeit hochhalten, andererseits aber bewußt göttliche Ordnungen übertreten, verkehren sich die guten Eigenschaften nicht selten zu Ködern der Sünde. Auf diese Weise können Klugheit, Begabung, sympathisches Auftreten und sogar gute Taten zu Schlingen Satans werden, durch die er andere Menschen ins Verderben reißt.

Vielleicht bietet die Bibel deshalb eine ganze Reihe von Beispielen, die zeigen, welch fatale Folgen eine einzige sündige Tat haben kann. Etwa der Griff zur verbotenen Frucht, die Tod und Leid in unsere Welt brachte. Oder die verruchte Tat des Judas Iskariot, der Jesus für dreißig Silberstücke verriet. Diese und andere Beispiele sollten uns davon abhalten, von Gottes Weg abzuweichen -- und sei es nur ein einziger Schritt.

Besonders tragisch ist es, wenn gläubige Menschen aus Mangel an Vertrauen schwach werden. Elia beispielsweise konnte eine ihm von Gott übertragene Aufgabe nicht zu Ende führen, weil sein Glaube wankte. Die Last, die er für Israel auf sich genommen hatte, war riesengroß, aber er war gewillt, sie zu tragen. Unablässig warnte er die Israeliten vor dem Götzendienst und rief zur Umkehr auf. Er hatte den langen Atem, während einer dreieinhalbjährigen Dürre und Hungersnot, darauf zu warten, daß Israel sich bekehrte.

Auf dem Berg Karmel stand er ganz allein auf Gottes Seite und bezwang doch in der Kraft des Glaubens die Götzenanbeter. Als es nach langer Trockenheit endlich wieder regnete, war das zugleich ein Zeichen dafür, daß Gott sein Volk wieder segnen würde. Da aber floh Elia in seiner Müdigkeit und Schwachheit vor den Drohungen der Isebel und betete verzweifelt in der Wüste, Gott möge ihn sterben lassen. Sein Glaube hatte versagt. Er konnte die Aufgabe, die er begonnen hatte, nicht zu Ende führen. Gott gebot ihm, einen anderen zu salben, der an seiner Stelle das Prophetenamt übernehmen sollte.

Trotz allem überging Gott den hingebungsvollen Einsatz seines Dieners nicht einfach, weil er an einer Stelle versagt hatte. Elia sollte nicht entmutigt und einsam in der Wüste sterben. Ihm blieb auch das Grab erspart, denn Engel holten ihn von der Erde ab und geleiteten ihn in die Herrlichkeit Gottes, ohne daß er den Tod gesehen hätte.

Diese Lebensberichte zeigen, daß Sünde nur Schande und Verlust nach sich zieht, daß aber Gottes Gnade bis in die tiefsten Tiefen reicht und den bußfertigen Sünder emporzieht, damit er der Kindschaft Gottes teilhaftig werde.

Die Schule des Leidens

Wer einen Dienst für Gott übernehmen möchte, wird in der Schule des Leidens darauf vorbereitet. Je wichtiger die Vertrauensstellung und je verantwortungsvoller der Dienst, desto härter wird auch die Prüfung, desto strenger die Zucht sein. Das läßt sich an den Lebenswegen von Mose, Josef, Daniel und David ablesen -- oder indem man die Jugendjahre Davids mit denen seines Sohnes Salomo vergleicht und auf die unterschiedlichen Ergebnisse achtet.

David war in seiner Jugend eng mit Saul verbunden gewesen. Sein Aufenthalt am Hof und seine Zugehörigkeit zum königlichen Haushalt gaben ihm einen Einblick in die Sorgen und Schwierigkeiten, die hinter der glanzvollen Fassade auch zu finden waren. Er sah, daß irdischer Glanz keine Gewähr dafür ist, daß der Mensch auch zum Frieden der Seele findet. Und er war erleichtert, als er den Königshof verlassen und zu seinen Schafen zurückkehren konnte.

Als Sauls krankhafte Eifersucht ihn zur Flucht trieb, lernte David, sich ganz auf Gott zu verlassen. Die Unsicherheit und das rastlose Leben in der Wüste, die ständig drohende Gefahr -- nicht zuletzt der stetige Umgang mit Männern, von denen es heißt: "Menschen, die sich in einer ausweglosen Lage befanden, die Schulden hatten oder verbittert waren"1 -- verlangten ihm ein hohes Maß an Selbstkontrolle ab. Diese Erfahrungen weckten und entwickelten bei David die Fähigkeit, mit Menschen aller Art umgehen zu können, den Unterdrückten Mitgefühl entgegenzubringen und Ungerechtigkeit zu verabscheuen.

In den Jahren des Wartens und der Gefahr lernte David, bei Gott Trost zu suchen und sich auf den Herrn zu verlassen. Er begriff, daß nur Gott ihm die zugesagte Herrschaft über Israel geben, und daß er als König nur dann weise und gerecht herrschen konnte, wenn er sich vom Herrn leiten lassen würde. Dank seiner Erziehung in der Schule des Leids und der Entbehrung konnte später von David gesagt werden: "Als König über ganz Israel sorgte David in seinem ganzen Volk für Recht und Gerechtigkeit."1 Leider wurde dieses positive Bild später durch eine schlimme Sünde stark beschädigt.

Die schweren Erfahrungen der Jugendjahre, die David zeitlebens prägten, fehlten Salomo. Dessen Stellung als Thronfolger, seine außergewöhnliche Begabung und die Lebensumstände bei Hofe sicherten ihm von Anfang an eine Sonderstellung. Er war rein in seiner Jugend, edelmütig im Mannesalter, und er stand bei Gott in hohem Ansehen. So ausgestattet trat Salomo seine Herrschaft an und konnte mit Ehre und Erfolg rechnen. Und tatsächlich drang sein Ruhm und die Kunde von seiner Weisheit weit über die Grenzen hinaus. Aber gerade das, was ihn in aller Welt berühmt machte, wurde ihm zum Verhängnis. Der Stolz auf seine Erfolge führte ihn immer weiter von Gott weg. Während er früher Freude in der Gemeinschaft mit Gott gefunden hatte, suchte er nun Befriedigung durch Sinnenfreuden und Vergnügungen. Später schrieb er selbst über diesen Lebensabschnitt:

"Ich vollbrachte große Dinge: Ich baute mir Häuser und pflanzte Weinberge. Ich legte Obstgärten an und pflanzte darin alle Arten von Fruchtbäumen ... Ich kaufte mir zahlreiche Sklaven und Sklavinnen ... Ich füllte meine Vorratskammern mit Silber und Gold aus den Schätzen der unterworfenen Könige und Länder. Ich hielt mir Sänger und Sängerinnen und nahm mir so viele Frauen, wie ein Mann nur wünschen kann. So wurde ich mächtiger und reicher als alle, die vor mir in Jerusalem regiert hatten. Weil ich ein so großes Wissen besaß, konnte ich mir alles verschaffen, worauf ich Lust hatte, und ich versagte mir keine Freude. Mit all meiner Mühe hatte ich es so weit gebracht, daß ich tatsächlich glücklich war. Doch dann dachte ich über alles nach, was ich getan und erreicht hatte, und kam zu dem Ergebnis: Alles ist sinnlos; man könnte genausogut mit der Hand nach dem Wind greifen. Letztlich kommt bei aller Mühe nichts heraus. Über zwei Dinge habe ich nachgedacht: Was hat der Gebildete dem Ungebildeten voraus? Und was wird der Mann tun, der mir auf den Thron folgt? Das was man schon immer getan hat? ... Da war mir das ganze Leben verleidet. Man kann tun was man will auf dieser Erde -- es ist doch alles sinnlos und führt zu nichts. Auch der ganze Ertrag meiner Mühe war mir verleidet. Ich muß ja doch alles einem anderen überlassen, der nach mir kommt."1

Durch eigene bittere Erfahrung lernte Salomo die Leere eines Lebens kennen, das seine Befriedigung nur im Irdischen sucht. Er errichtete heidnischen Göttern Altäre und mußte letztlich doch feststellen, daß sie seiner Seele keine Ruhe zu bringen vermochten.

Im Alter wandte sich Salomo überdrüssig von den löchrigen irdischen Brunnen ab, um wieder vom reinen Quell des Lebens zu trinken. Vom Geist Gottes getrieben, schrieb er die Geschichte seiner vergeudeten Jahre mit den daraus erwachsenden Lehren als Warnung für nachfolgende Geschlechter auf. Wie ganz anders hätte sein Leben nach den vielversprechenden Anfängen verlaufen können, wenn er selbst auch aus den leidvollen Erfahrungen anderer gelernt hätte!

Ein Mann wird auf die Probe gestellt

Für alle, die Gott lieben, enthalten die biblischen Lebensbeschreibungen noch eine tiefere Lehre vom Sinn des Leides. Im Alten Testament heißt es: "Ihr sollt bezeugen können, daß ich Gott bin. Ich habe euch schon früher gerettet, und das werde ich auch in Zukunft tun."1 Und im Neuen Testament lesen wir: "Ein Schauspiel sind wir, für die ganze Welt, für Engel und Menschen."2

Nichts verabscheut Satan mehr als Selbstlosigkeit, diese Grundregel in der Welt Gottes. Sie ist ihm so verhaßt, daß er ihre Notwendigkeit rundweg leugnet. Von Anfang an war ihm daran gelegen, alles, was Gott tut, als selbstsüchtig und eigennützig hinzustellen. Und mit denen, die sich zu Gott halten und ihm dienen, verfährt er ebenso. Christus hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, diese Unterstellungen zu widerlegen -- sowohl in bezug auf Gott als auch auf diejenigen, die sich zu ihm bekennen. Er wurde Mensch, um in seinem irdischen Leben Gottes Aufopferung ganz praktisch zu bezeugen. Und in gewissem Sinne ist das auch ein Teil unserer Lebensaufgabe.

Sich für das Recht zu entscheiden, weil es ums Recht geht, für die Wahrheit einzutreten, selbst wenn wir deshalb leiden und Opfer bringen müssen -- "das gilt für alle, die in meinem Dienst stehen".3

Aus sehr früher Zeit ist die Lebensgeschichte eines Mannes überliefert, an dem sich zeigen sollte, ob Satan mit der Behauptung recht hatte, selbst der Frömmste könne Gott nicht selbstlos und ohne Hintergedanken dienen. Gottes Zeugnis über Hiob, den Patriarchen von Uz, lautete: "Ich kenne keinen zweiten auf der Erde, der so rechtschaffen und aufrichtig ist wie er, der mich achtet und sich nichts zuschulden kommen läßt."

Das wollte und konnte Satan nicht so stehen lassen, deshalb hielt er dagegen: "Überrascht dich das? ... Er tut's doch nicht umsonst! Du hast ihn, seine Familie und seinen ganzen Besitz stets bewahrt. Seine Arbeit war erfolgreich, und seine Herden haben sich gewaltig vermehrt. Aber -- versuch es doch einmal und laß ihn Hab und Gut verlieren, dann wird er dich ganz sicher vor allen Leuten verfluchen." Gott nahm die Herausforderung an und sagte: "Gut ... mach mit seinem Besitz, was du willst, nur ihn selbst taste nicht an!"4

Auf diese Erlaubnis hin vernichtete Satan alles, was Hiob besaß -- Rinder- und Schafherden, Knechte und Mägde, Söhne und Töchter -- und schlug ihn selbst mit einer widerlichen Krankheit.

Und dann wurde noch ein weiterer Tropfen der Bitternis in den Lebenskelch dieses frommen Mannes gegossen. Seine Freunde, die eigentlich gekommen waren, um ihn zu trösten, machten das Maß mit Verdächtigungen, Unterstellungen und unerträglicher Rechthaberei voll, weil sie sicher waren, dieses Ausmaß an Unglück könne nur die Folge geheimer Sünden sein.

Doch Hiob hielt unbeirrt an Gott fest. Aber weil er sich keiner Schuld bewußt war, rief er in seiner Not und Ratlosigkeit aus:

"Mein Leben ekelt mich an! Darum will ich der Klage freien Lauf lassen und mir die Bitterkeit von der Seele reden."1

"O Gott, verstecke mich doch bei den Toten! Schließ mich für eine Weile dort ein, bis dein Zorn verflogen ist! Aber setz dir eine Frist und denk dann wieder an mich."2

"Ich schreie: ‚Hilfe!', aber niemand hört mich. Ich rufe aus Leibeskräften - aber keiner verschafft mir Recht ... Ich war angesehen und geachtet, aber er hat meine Krone weggerissen. Zerschmettert hat er mich, bald muß ich gehen; meine Hoffnung riß er aus wie einen Baum ... Meine Brüder hat Gott mir entfremdet; die Verwandten wollen nichts mehr von mir wissen. Meine Nachbarn haben sich zurückgezogen, alte Bekannte kennen mich nicht mehr ... Barmherzigkeit! Habt doch Mitleid, meine Freunde! Gottes Hand hat mich geschlagen!"3

"Wenn ich doch wüßte, wo ich ihn finden könnte und wie ich zu seinem Thron gelange! Ich würde ihm meinen Fall darlegen und alle Gründe nennen, die zu meinen Gunsten sprechen! ... Doch ich kann ihn nirgends finden! Ich habe ihn im Osten gesucht -- er ist nicht dort, und auch im Westen entdeckte ich ihn nicht. Wirkt er im Norden, oder wendet er sich zum Süden hin, sehe ich doch keine Spur von ihm; nirgends ist er zu erblicken! Doch er kennt meinen Weg genau; wenn er mich prüfte, wäre ich rein wie Gold."1

"Gewiß wird Gott mich töten, dennoch vertraue ich auf ihn; denn ich will mein Leben vor ihm verantworten."2

"Doch eins weiß ich: Mein Erlöser lebt; auf dieser todgeweihten Erde spricht er das letzte Wort! Auch wenn meine Haut in Fetzen an mir hängt und mein Leib zerfressen ist, ich werde doch Gott sehen! Ja, ihn werde ich anschauen; mit eigenen Augen werde ich ihn sehen ..."3

Hiob hatte sich gewünscht, Gott möge seinen Fall prüfen und seine Schuldlosigkeit ans Licht bringen. So kam es dann auch. Er hatte alles Leid geduldig ertragen, und dadurch seine Lauterkeit unter Beweis gestellt. Zugleich erwies sich, daß Gottes Einschätzung zutraf, die Anschuldigungen Satans dagegen falsch gewesen waren. Am Ende der Geschichte heißt es: "... da wandte der Herr für ihn alles zum Guten. Er gab ihm doppelt so viel, wie er früher besessen hatte ... Der Herr segnete Hiob von jetzt an mehr als zuvor."4

Edelmut und Selbstlosigkeit

Zu denen, die durch Selbstverleugnung gleichsam in die Leidensgemeinschaft mit Christus eingetreten sind, gehören auch Jonatan und Johannes der Täufer.

Jonatan war Kronprinz und Anwärter auf den israelitischen Königsthron. Doch er wußte, daß Gott in Sachen Thronfolge anders entschieden hatte. Normalerweise hätte er David als Rivalen bekämpfen müssen, denn der stand ihm auf dem Weg zur Königsherrschaft im Weg. Tatsächlich verband ihn aber mit seinem "Rivalen" eine tiefe und unverbrüchliche Freundschaft. Mehrfach schützte er David unter Einsatz des eigenen Lebens vor den Nachstellungen Sauls. Andererseits erwies er sich auch seinem Vater gegenüber trotz allem treu. Standhaft hielt er an seiner Seite aus, als es mit Saul immer mehr bergab ging, bis er zuletzt an seiner Seite im Kampf fiel. Jonatan gilt im Himmel als einer der ganz Großen, und auf Erden zeugt seine Lebensgeschichte von der Kraft selbstloser Liebe.

Johannes der Täufer rüttelte als Vorläufer des Messias das jüdische Volk auf. Durch seine Predigten zog er Menschen aus allen Bevölkerungsschichten an. Aber als Jesus Christus auftrat, dem er den Weg bereitet hatte, wurde alles anders. Plötzlich war der Rabbi aus Nazareth in aller Munde, von Johannes aber sprach kaum noch jemand. Seinen Glauben erschütterte das nicht, im Gegenteil. Als einige seiner Anhänger ihn auf die veränderte Situation hin ansprachen, antwortete der Täufer: "Ich habe doch immer wieder erklärt, daß ich nicht Christus bin, der von Gott gesandte Retter. Habt ihr das vergessen? Ich sollte ihn nur ankündigen, mehr nicht. Die Braut wird dahin gehen, wo der Bräutigam ist. Der Freund des Bräutigams freut sich mit den beiden, auch wenn er nur daneben steht. So geht es mir jetzt. Meine Freude ist grenzenlos. Immer mehr Menschen sollen zu Christus kommen, und ich will immer mehr in den Hintergrund treten."1

Selbst als Christus kein irdisches Königreich aufrichtete, wie Johannes es erwartet hatte, als er selbst ins Gefängnis geworfen wurde, ohne daß der Messias ihn herausgeholt hätte, verlor er den Glauben nicht. Als er hörte, daß Jesus Kranke heilte und die Botschaft vom Reich Gottes predigte, daß Menschen an Leib und Seele gesund wurden, da begriff er, daß die Aufgabe des Messias ganz anderer Art war, als er sich das vorgestellt hatte. Deshalb nahm er sein schweres Schicksal willig aus Gottes Hand, denn er wußte, daß der Herr ihn zur Gemeinschaft mit Christus in der Selbstaufopferung bestimmt hatte.

In den folgenden Jahrhunderten haben sich Menschen, die um ihres Glaubens willen verfolgt wurden, in Gefängnissen schmachten mußten, aufs Schafott geschleppt oder auf Scheiterhaufen verbrannt wurden am Beispiel des Johannes aufgerichtet. Kein Wunder, daß Jesus versicherte: "Von allen Menschen, die je geboren wurden, ist keiner bedeutender als Johannes der Täufer."1

Und Johannes war nur einer der vielen, die sich selbstlos für die Sache Gottes eingesetzt haben. Deshalb heißt es auch im Hebräerbrief: "Es wären noch viele andere zu nennen. Nur würde die Zeit wohl nicht ausreichen, wollte ich sie alle aufzählen: Gideon und Barak, Simson, Jephta, David, Samuel und die Propheten. Weil sie glaubten und Gott vertrauten, konnte er Großes durch sie tun. Sie bezwangen Königreiche, sorgten für Recht und Gerechtigkeit und erlebten, wie sich Gottes Verheißungen erfüllten. Vor dem Rachen der Löwen wurden sie bewahrt, und die Glut des Feuers konnte ihnen nichts anhaben. Sie entgingen dem Schwert des Henkers. Sie waren todkrank und wurden doch wieder gesund. Weil sie sich auf Gott verließen, vollbrachten sie Heldentaten und schlugen die Feinde in die Flucht. Und Frauen erlebten, wie ihre Angehörigen von Gott auferweckt wurden. Andere, die auch Gott vertrauten, wurden gequält und zu Tode gefoltert. Sie verzichteten lieber auf ihre Freiheit, als ihren Glauben zu verraten. Die Hoffnung auf ihre Auferstehung gab ihnen Kraft. Wieder andere wurden verhöhnt und gefoltert, weil sie an Gott festhielten. Man legte sie in Ketten und warf sie ins Gefängnis. Sie wurden gesteinigt, als Ketzer verbrannt, auf qualvolle Weise getötet oder mit dem Schwert hingerichtet. Heimatlos, nur mit einem Schafpelz oder Ziegenfell bekleidet, zogen sie umher, hungrig, verfolgt und mißhandelt. Sie irrten in Wüsten und im Gebirge umher und mußten sich in einsamen Tälern und Höhlen verstecken; Menschen, zu schade für die Welt. Sie alle haben durch den Glauben die Anerkennung Gottes gefunden. Und doch warteten sie vergeblich darauf, daß sich die Verheißung Gottes noch zu ihren Lebzeiten erfüllte. Denn Gott hatte einen besseren Plan: Sie sollten mit uns zusammen ans Ziel kommen, in sein Reich."1