------------------------Erziehung (1954) Ez54 7 1 Vorwort Ez54 11 0 Kapitel 1 -- Quelle und Ziel wahrer Erziehung Ez54 17 0 Kapitel 2 -- Die Schule in Eden Ez54 19 0 Kapitel 3 -- Die Erkenntnis des Guten und Bösen Ez54 24 0 Kapitel 4 -- Das Verhältnis der Erziehung zur Erlösung Ez54 29 0 Kapitel 5 -- Die Erziehung Israels Ez54 39 3 Kapitel 6 -- Die Prophetenschulen Ez54 45 0 Kapitel 7 -- Aus dem Leben großer Männer Ez54 67 0 Kapitel 8 -- Der gottgesandte Lehrer Ez54 77 3 Kapitel 9 -- Die Erläuterung seiner Methoden Ez54 91 0 Kapitel 10 -- Gott in der Natur Ez54 93 4 Kapitel 11 -- Lehren des Lebens Ez54 103 1 Kapitel 12 -- Andere Gleichnisse Ez54 113 0 Kapitel 13 -- Bildung des Verstandes und des Herzens Ez54 117 0 Kapitel 14 -- Wissenschaft und Bibel Ez54 124 2 Kapitel 15 -- Grundsätze und Verfahrensweisen im Erwerbsleben Ez54 134 0 Kapitel 16 -- Biblische Lebensbilder Ez54 146 2 Kapitel 17 -- Dichtkunst und Gesang Ez54 156 3 Kapitel 18 -- Geheimnisse der Heiligen Schrift Ez54 160 2 Kapitel 19 -- Geschichte und Weissagung Ez54 171 0 Kapitel 20 -- Bibelunterricht und Bibelstudium Ez54 181 0 Kapitel 21 -- Das Studium der Physiologie Ez54 187 0 Kapitel 22 -- Mäßigkeit und gesunde Lebensweise Ez54 191 4 Kapitel 23 -- Erholung Ez54 198 0 Kapitel 24 -- Ausbildung der Handfertigkeit Ez54 209 0 Kapitel 25 -- Erziehung und Charakter Ez54 213 0 Kapitel 26 -- Lehrverfahren Ez54 221 3 Kapitel 27 -- Gutes Benehmen Ez54 226 3 Kapitel 28 -- Die Rolle der Kleidung in der Erziehung Ez54 230 0 Kapitel 29 -- Der Sabbat Ez54 232 0 Kapitel 30 -- Glaube und Gebet Ez54 240 2 Kapitel 31 -- Die Lebensaufgabe Ez54 253 0 Kapitel 32 -- Vorbereitung Ez54 260 0 Kapitel 33 -- Zusammenarbeit Ez54 263 2 Kapitel 34 -- Rechte Zucht Ez54 275 0 Kapitel 35 -- Die Schule des künftigen Lebens ------------------------Vorwort Ez54 7 1 Selten fürwahr sind die dem Gegenstand "Erziehung" gewidmeten Bücher, die sich so ausgebreiteter Leserschaft erfreuen oder die Proben der Zeit so gut überstanden haben wie das vorliegende Werk, das nun in einer schönen Neuauflage wieder erscheint. Die klaren und richtigen Grundsätze, die in diesem Buche entwickelt werden, haben es während eines Zeitraums von nicht weniger als vier Jahrzehnten zum Handbuch vieler tausend Eltern und Lehrer werden lassen. Ez54 7 2 Jeder junge Mensch sollte darauf vorbereitet werden, der praktischen Wirklichkeit des Lebens -- seinen Gelegenheiten und Verantwortungen, seinen Niederlagen und Erfolgen -- zu begegnen. Wie er sich in diesen Erfahrungen verhalten, ob er die Umstände meistern oder ihr Opfer werden soll, das hängt weitgehend davon ab, wie er darauf vorbereitet wird, mit ihnen fertig zu werden. Ez54 7 3 Wahre Erziehung wird treffend als harmonische Entwicklung aller Fähigkeiten bezeichnet. Die Ausbildung, die man in früher Kindheit im Heime und in den wenigen darauf folgenden Jahren formellen Schulbesuchs erfährt, ist grundlegend für den Erfolg im Leben. Bei solcher Ertüchtigung ist es wesentlich, daß der Verstand entwickelt und der Charakter geformt werde. Ez54 7 4 Indem sie streng unterscheidet zwischen den bedingten und bleibenden Werten dessen, was wahre Erziehung in vollster Bedeutung ausmacht, weist die Verfasserin dieses Buches den Weg zu ihrer Verwirklichung. Eine Erziehung, bei der die geistigen Anlagen entwickelt werden, wird klar umrissen. Es wird Gewicht gelegt auf eine Ausbildung, bei der die Hände handwerkliches Geschick erlangen. Ernstlich wird eine Erziehung empfohlen, die Gott als die Quelle aller Weisheit und Verstandeseinsicht anerkennt. Das Ziel, das der Verfasserin bei ihren umfangreichen schriftstellerischen Arbeiten über das Thema "Erziehung" vorschwebte, war, junge Menschen möchten an der Schwelle des Lebens gewappnet sein, als gute Staatsbürger ihren Mann zu stellen. Für die praktischen Anforderungen des Lebens sollten sie wohlvorbereitet, in körperlicher Hinsicht völlig entwickelt sein. Gottesfürchtig, mit unbeflecktem Charakter und grundsatztreuer Gesinnung sollten sie dastehen. Dieses Buch nun ist das krönende Werk jener Reihe von Schriften, in denen Grundsätze niedergelegt sind, die zu verstehen für alle Erzieher der Jugend in Heim und Schule unerläßlich ist. Ez54 8 1 Die Schreiberin dieser Seiten kannte die Probleme der Mutter aus persönlicher Erfahrung. Als Freundin junger Menschen, die viele Jahre mit Lehranstalten eng verbunden war, war sie mit den Fragen der Jugend bei der Vorbereitung auf ihre Lebensaufgaben wohlvertraut. Vor allem aber ist sie als Schriftstellerin und Rednerin mit mehr als alltäglichem Wissen und Geschick begabt gewesen. Ez54 8 2 Der Einfluß dieses Buches blieb nicht auf Nordamerika beschränkt; es wurden Ausgaben in mehreren führenden Sprachen Europas, Asiens und Südamerikas veröffentlicht. Daß dieser Neudruck die hohen Grundsätze der Charakterbildung noch weiter ausbreiten möge, wünschen von Herzen die Herausgeber und die Treuhänder der E. G. White-Veröffentlichungen. Ez54 8 3 "Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der anderen" 2.Korinther 3,18. ------------------------Kapitel 1: Quelle und Ziel wahrer Erziehung Ez54 11 0 "Den Heiligen erkennen ist Verstand" "Befreunde dich doch mit ihm." Ez54 11 1 Unsere Vorstellungen über Erziehung bewegen sich in einem zu engen und niederen Bereich. Wir bedürfen eines weiteren Gesichtskreises, einer höheren Zielsetzung. Wahre Erziehung heißt mehr als ein gewisses Studium verfolgen. Sie bedeutet Höheres als sich für das jetzige Leben vorbereiten. Mit der gesamten Wesenheit des Menschen befaßt sie sich und mit der ganzen Dauer des ihm ermöglichten Daseins. Sie besteht in der harmonischen Entwicklung seiner körperlichen, geistigen und geistlichen Kräfte. Sie bereitet den Lernenden für ein freudiges Dienen in dieser Welt und für die höhere Freude eines umfassenderen Dienstes in der zukünftigen vor. Ez54 11 2 Die Quelle einer solchen Erziehung wird sichtbar in den Worten der Heiligen Schrift, die auf den Unendlichen hinweisen, "in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit". Kolosser 2,3. "Bei ihm ist ... Rat und Verstand." Hiob 12,13. Ez54 11 3 Die Welt hat ihre großen Lehrmeister gehabt, Männer von überragendem Verstand, die ausgedehnte Forschungen betrieben, Männer, deren Aussprüche das Denken anregten und dem Blicke weite Wissensgebiete erschlossen. Diese Menschen hat man als Führer und Wohltäter ihrer Zeit geehrt; aber es gibt Einen, der höher steht als sie. Wir können die Reihe der Lehrer der Welt so weit zurückverfolgen, wie menschliche Berichte reichen: das göttliche Licht war vor ihnen da. Der Mond und die Sterne unseres Sonnensystems erhalten ihren Schein durch Zurückwerfung des Sonnenlichtes. Ebenso spiegeln sich in den Denkern der Erde, sofern ihre Lehren richtig sind, die Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit. Jeder Gedankenschimmer, jeder Geistesblitz stammt von dem Lichte der Welt. Ez54 12 1 Heutzutage redet man viel über Wesen und Wichtigkeit "höherer Bildung". Wahre "höhere Bildung" wird nur durch den vermittelt, bei dem "ist Weisheit und Stärke" (Hiob 12,13), aus dessen "Munde kommt Erkenntnis und Verstand". Sprüche 2,6. Ez54 12 2 In dem Wissen um Gott hat alle wahre Erkenntnis und echte Entwicklung ihren Ursprung. Wo immer wir uns hinwenden, sei es im körperlichen, geistigen oder geistlichen Bereich, was immer wir auch erblicken abgesehen von den verderblichen Auswirkungen der Sünde, überall tritt uns diese Erkenntnis entgegen. Welchen Pfad der Forschung wir auch immer mit der ernsten Absicht verfolgen, zur Wahrheit zu gelangen wir kommen mit dem unsichtbaren, mächtigen Geist in Berührung, der in allem und durch alles wirkt. Der menschliche Geist kommt in Verbindung mit dem göttlichen, der endliche mit dem unendlichen. Die Auswirkung solcher Gemeinschaft auf Leib, Seele und Geist ist nicht abzuschätzen. Ez54 12 3 In diesem Umgang mit Gott besteht die höchste Erziehung. Es handelt sich um Gottes eigene Entwicklungsmethode. "Befreunde dich doch mit ihm" (Hiob 22,21, Schlachter), lautet seine Botschaft an die Menschheit. Die in diesen Worten umrissene Methode wurde bei der Erziehung des Stammvaters der Menschheit angewandt. Als Adam in der herrlichen Würde der sündlosen menschlichen Natur im heiligen Eden weilte, belehrte ihn Gott auf solche Weise. Ez54 12 4 Um zu verstehen, was das Werk der Erziehung umfaßt, müssen wir uns sowohl die Natur des Menschen als auch die göttliche Absicht bei seiner Erschaffung vor Augen halten. Ebenso gilt es, den Wandel in den Verhältnissen des Menschen, den eine Erkenntnis des Bösen mit sich brachte, zu erwägen, samt dem Plane Gottes, seine herrliche Absicht in der Erziehung des Menschengeschlechtes doch noch zu verwirklichen. Ez54 12 5 Als Adam aus des Schöpfers Hand hervorging, wies er an Leib, Seele und Geist eine Ähnlichkeit mit seinem Bildner auf. "Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde" (1.Mose 1,27), und es war seine Absicht, daß der Mensch, je länger er lebte, desto völliger dieses Bild offenbaren, desto vollkommener die Herrlichkeit des Schöpfers widerspiegeln sollte. Alle seine Anlagen waren entwicklungsfähig; ihr Umfang und ihre Stärke sollten ständig zunehmen. Unermeßlich war das Feld, das sich ihrer Betätigung bot, herrlich das Gebiet, das ihrem Forschen offenstand. Die Geheimnisse des sichtbaren Alls -- "die Wunder des, der vollkommen ist an Wissen" -- (Hiob 37,16) luden den Menschen zum Studium ein. Es war für ihn ein hohes Gnadengeschenk, von Angesicht zu Angesicht, von Herz zu Herz mit seinem Schöpfer zu verkehren. Hätte er Gott die Treue gehalten, -- all dies wäre für immer sein gewesen. Unendliche Zeiträume hindurch hätte er stets neue Schätze der Erkenntnis erworben und immer klarere Vorstellungen von der Weisheit, Macht und Liebe Gottes gewonnen. Immer vollkommener hätte er seinen Daseinszweck erfüllt, in stets vollendeterem Maße die Herrlichkeit des Schöpfers widergestrahlt. Ez54 13 1 Aber dies wurde durch Ungehorsam verscherzt. Die Gottähnlichkeit wurde durch die Sünde zerstört und nahezu ausgelöscht. Die körperlichen Kräfte des Menschen wurden geschwächt, sein geistiges Fassungsvermögen verringert und sein geistliches Auge verdunkelt. Er war dem Tode verfallen, doch wurde das Menschengeschlecht nicht ohne Hoffnung gelassen. In unendlicher Liebe und Barmherzigkeit war der Plan zur Erlösung gefaßt worden; ein Leben der Bewährung wurde zugestanden. Es sollte das Werk der Erlösung sein, im Menschen das Bild seines Schöpfers wiederherzustellen, ihn zu der Vollkommenheit zurückzuführen, in der er geschaffen war. Sie sollte die Entwicklung von Leib, Seele und Geist fördern, damit die göttliche Absicht, die bei seiner Erschaffung gewaltet hatte, verwirklicht werden könnte. Dies ist auch der Zweck der Erziehung, das große Ziel des Lebens. Ez54 13 2 Liebe, die Grundlage von Schöpfung und Erlösung, ist auch die Grundlage wahrer Erziehung. Dies wird in dem Gesetz verdeutlicht, das Gott uns als Richtschnur fürs Leben gegeben hat. Das erste und größte Gebot lautet: "Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte." Lukas 10,27. Ihn, den Unendlichen, Allwissenden, von ganzem Herzen, ganzer Seele und allen Kräften zu lieben, bedeutet die höchste Entfaltung jeglicher Anlage, heißt, daß im ganzen Wesen an Leib, Geist und Seele das Bild Gottes wiederhergestellt werden soll. Ez54 14 1 Das zweite Gebot ist dem ersten gleich: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Matthäus 22,39. Das Gesetz der Liebe fordert, Leib, Seele und Geist dem Dienst an Gott und an unseren Mitmenschen zu weihen. Und während wir durch solch einen Dienst anderen zum Segen werden, bringt er uns selbst den größten Gewinn. Selbstlosigkeit liegt aller echten Entwicklung zugrunde. Durch selbstlosen Dienst bilden wir jede Fähigkeit aufs edelste aus. Wir werden dadurch wirklich immer mehr der göttlichen Natur teilhaftig. Wir werden geschickt für den Himmel, denn wir nehmen ihn in unsere Herzen auf. Ez54 14 2 Da ja Gott die Quelle aller wahren Erkenntnis ist, soll es, wie wir gesehen haben, das erste Anliegen der Erziehung sein, unsere Gedanken auf die Offenbarung seines Wesens zu richten. Adam und Eva empfingen Wissen durch unmittelbaren Verkehr mit Gott; sie lernten auch durch seine Werke von ihm. Alles Erschaffene war in seiner ursprünglichen Vollkommenheit ein Ausdruck der Gedanken Gottes. Für Adam und Eva barg die Natur eine Fülle göttlicher Weisheit. Seine Übertretung jedoch schnitt den Menschen von der Möglichkeit ab, Gott durch unmittelbaren Umgang und bis zu einem hohen Grade auch durch seine Werke zu erkennen. Die durch die Sünde verderbte und verunreinigte Erde spiegelt die Herrlichkeit des Schöpfers nur unklar wider. Zwar ist er mit seinem Anschauungsunterricht keineswegs zu Ende: auf jeder Seite des großen Schöpfungsbuches finden wir noch die Spuren seiner Hand. Noch kündet die Natur von ihrem Schöpfer, doch sind diese Offenbarungen nur Stückwerk und unvollkommen. Wir sind in unserem gefallenen Zustand, mit geschwächten Kräften und beschränkter Sicht, außerstande, sie richtig zu deuten. Wir bedürfen der völligeren Offenbarung des Wesens Gottes, die er in seinem geschriebenen Wort gegeben hat. Ez54 14 3 Die Heilige Schrift stellt die vollkommene Wahrheitsnorm dar, und als solcher sollte man ihr den höchsten Platz in der Erziehung einräumen. Um eine Bildung zu erlangen, die diese Bezeichnung verdient, müssen wir Gott, den Schöpfer, und Christus, den Erlöser, so erkennen, wie sie in der Heiligen Schrift offenbart sind. Ez54 15 1 Jedes nach dem Bilde Gottes erschaffene Menschenwesen wird mit einem Vermögen ausgestattet, das dem des Schöpfers verwandt ist: mit persönlicher Eigenart, mit der Kraft zu denken und zu handeln. Die Menschen, in denen diese Anlage entwickelt ist, sind es, die Verantwortung tragen, die in Unternehmungen an der Spitze stehen und die den Charakter beeinflussen. Es ist die Aufgabe wahrer Erziehung, dieses Vermögen zu entwickeln: die Jugend zu selbständig denkenden Menschen heranzubilden und nicht zu Nachplapperern fremder Gedanken. Man weise die Schüler auf die Quellen der Wahrheit hin, auf die weiten Gebiete, die sich in Natur und Offenbarung der Forschung auftun, statt ihr Studium auf das zu beschränken, was Menschen gesagt oder geschrieben haben. Man lasse sie über die großen Gegebenheiten Pflicht und Bestimmung nachsinnen so wird ihr Verstand sich ausweiten und kräftigen. Statt gelehrter Schwächlinge können die Lehranstalten dann Männer ins Leben hinaussenden, die selbständig denken und handeln können, Männer, die Meister und nicht Sklaven der Verhältnisse sind, Männer, die sich durch Weite des Gesichtskreises und Klarheit des Denkens auszeichnen und den Mut der eigenen Überzeugung besitzen. Ez54 15 2 Eine solche Erziehung bewirkt mehr als geistige Zucht, mehr als körperliche Ertüchtigung. Sie festigt den Charakter, so daß Wahrhaftigkeit und aufrechtes Wesen nicht selbstischen Wünschen oder weltlichem Ehrgeiz aufgeopfert werden. Sie ist für die Seele ein Bollwerk gegen das Böse. Statt daß irgendeine beherrschende Leidenschaft zur zerstörenden Macht heranwächst, werden alle Beweggründe und Wünsche mit den großen Grundsätzen des Rechtes in Einklang gebracht. Wenn die Gedanken bei der Erhabenheit des göttlichen Charakters verweilen, erneuert sich der Geist, und die Seele wird wieder in das Ebenbild Gottes verwandelt. Ez54 16 1 Welche Erziehung kann höher stehen als diese? Was kommt ihr an Wert gleich? Ez54 16 2 "Man kann nicht Gold um sie geben, Noch Silber darwägen, sie zu bezahlen. Es gilt ihr nicht gleich ophirisch Gold Oder köstlicher Onyx und Saphir. Gold und Glas kann man ihr nicht vergleichen, Noch um sie golden Kleinod wechseln. Korallen und Kristall achtet man gegen sie nicht. Die Weisheit ist höher zu wägen denn Perlen." Hiob 28,15-18. Ez54 16 3 Höher, als der höchste menschliche Gedanke sich erheben kann, steht Gottes Ideal für seine Kinder. Göttlichkeit Gottähnlichkeit ist das zu erreichende Ziel. Vor dem Lernenden liegt eine Bahn beständigen Wachstums. Er hat ein Ziel zu erreichen, auf eine Stufe zu gelangen, die alles Gute, Reine und Edle in sich schließt. Er wird in jedem Zweig wahrer Erkenntnis so schnell und so weit wie möglich vorankommen. Aber seine Bemühungen werden sich auf Dinge richten, die so sehr über selbstsüchtige und irdische Interessen erhaben sind, als der Himmel höher ist denn die Erde. Ez54 16 4 Wer mit den göttlichen Absichten zusammenwirkt, indem er der Jugend eine Erkenntnis vermittelt und ihren Charakter auf den des Höchsten abstimmt, tut ein großes und edles Werk. Wenn er ein Verlangen erweckt, das göttliche Ideal zu erreichen, dann bietet er eine Erziehung dar, die so hoch wie der Himmel und so umfassend wie das Weltall ist, eine Ausbildung, die in diesem Leben nicht vollendet werden kann, sondern im zukünftigen fortgesetzt wird. Es ist eine Erziehung, die dem erfolgreichen Schüler das Zeugnis der irdischen Vorbereitungsanstalt zum Aufrücken in die höhere Stufe, die Schule der oberen Welt, sichert. ------------------------Kapitel 2: Die Schule in Eden Ez54 17 0 "Wohl dem Menschen, der Weisheit findet:" Ez54 17 1 Das Erziehungssystem, das zu Anfang der Welt eingesetzt wurde, sollte dem Menschen für alle nachfolgenden Zeiten ein Vorbild sein. Zur Veranschaulichung seiner Leitgedanken wurde in Eden, dem Heim unserer ersten Eltern, eine Musterschule eingerichtet. Der Garten Eden stellte den Lehrsaal dar, die Natur das Lehrbuch, der Schöpfer selbst war der Unterrichtende, und die Eltern der menschlichen Familie waren die Lernenden. Ez54 17 2 Da Adam und Eva zu "Gottes Bild und Ehre" (1.Korinther 11,7), erschaffen waren, hatten sie Vorzüge mitbekommen, die ihrer hohen Bestimmung durchaus entsprachen. Anmut und Ebenmaß sprachen aus ihrer Gestalt, Harmonie und Schönheit aus ihren Gesichtszügen; auf ihrem Antlitz, das in gesunder Farbe leuchtete, strahlten Freude und Hoffnung, -- so trugen sie dem Äußeren nach das Ebenbild ihres Schöpfers an sich. Und dieses Ebenbildliche offenbarte sich nicht nur in der körperlichen Beschaffenheit. Jede geistige und seelische Eigenschaft spiegelte die Herrlichkeit des Schöpfers wider. Mit hohen Verstandes und Geistesgaben ausgestattet, waren Adam und Eva "ein wenig niedriger gemacht als die Engel" (Hebräer 2,7, Schlachter), um nicht nur die Wunder des sichtbaren Alls, sondern auch sittliche Verantwortungen und Verpflichtungen zu erkennen. Ez54 17 3 "Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten ..." 1.Mose 2,8.9. Hier inmitten der Schönheit einer von der Sünde unberührten Natur sollten unsere ersten Eltern ihre Erziehung empfangen. Ez54 17 4 In seiner engen Verbundenheit mit seinen Kindern lenkte unser himmlischer Vater persönlich ihren Erziehungsgang. Häufig wurden sie von seinen Boten, den heiligen Engeln, aufgesucht, und empfingen von ihnen Rat und Belehrung. Oft wenn sie sich in der Kühle des Tages im Garten ergingen, vernahmen sie die Stimme Gottes und pflegten von Angesicht zu Angesicht Umgang mit dem Ewigen. Seine Gedanken über sie waren "Gedanken des Friedens und nicht des Leides". Jeremia 29,11. Er zielte in allem auf ihr höchstes Wohl ab. Ez54 18 1 Adam und Eva war die Sorge für den Garten übertragen, daß sie ihn "bauten" und "bewahrten". 1.Mose 2,15. Obschon reich an allem, was der Eigentümer des Weltalls vermitteln konnte, sollten sie nicht müßig sein. Als etwas Segensreiches wurde ihnen nützliche Beschäftigung zur Stärkung des Körpers, zur Erweiterung des Verstandes und zur Entwicklung des Charakters angewiesen. Ez54 18 2 Das Buch der Natur, das seine lebendigen Unterrichtsstücke vor ihnen ausbreitete, bot eine unerschöpfliche Quelle der Belehrung und Freude. All die Blätter im Walde, jeder Stein des Gebirges und jeder leuchtende Stern, ja, Himmel, Erde und Meer trugen den göttlichen Namenszug. Die Bewohner Edens pflegten mit belebter wie mit unbelebter Schöpfung Zwiesprache mit Blatt und Blume und Baum, mit aller lebenden Kreatur vom Leviathan in den Fluten bis zum Stäubchen im Sonnenstrahl und entlockten einem jeglichen die Geheimnisse seines Lebens. Die Herrlichkeit Gottes in den Himmeln, die zahllosen Welten in ihren regelmäßigen Umdrehungen, oder "wie sich die Wolken ausstreuen" (Hiob 37,16), die Geheimnisse von Licht und Schall, von Tag und Nacht, dies alles war Gegenstand des Studiums für die Zöglinge der ersten Schule auf Erden. Ez54 18 3 Der unendliche Urheber alles Seins enthüllte ihnen die Gesetze und das Wirken der Natur sowie die großen Grundregeln der Wahrheit, die in der geistlichen Welt herrschen. In der "Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes" (2.Korinther 4,6), entfalteten sich ihre geistigen und geistlichen Kräfte, und sie empfanden die höchsten Freuden ihres heiligen Daseins. Ez54 18 4 Nicht nur der Garten Eden, die ganze Erde war überaus schön, als sie aus des Schaffenden Hand hervorging. Kein Sündenmakel oder Todesschatten entstellte die liebliche Schöpfung. Göttlicher Herrlichkeit "war der Himmel voll, und seiner Ehre war die Erde voll", "da mich die Morgensterne miteinander lobten und jauchzten alle Kinder Gottes." Habakuk 3,3; Hiob 38,7. So war denn die Erde ein passendes Sinnbild für den, der "von großer Gnade und Treue" (2.Mose 34,6) ist, und ein geeigneter Forschungsgegenstand für die nach seinem Bilde Erschaffenen. Der Garten Eden stellte dar, was nach Gottes Wunsch aus der ganzen Erde werden sollte. Der Herr beabsichtigte, daß die menschliche Familie bei ihrer Vermehrung weitere Heim- und Erziehungsstätten gründen sollte gleich der einen, die er errichtet hatte. So mochte die ganze Erde im Lauf der Zeit mit Heimen und Lehrstätten besetzt werden, wo man die Worte und Werke Gottes studieren sollte und wo die Lernenden auf diese Weise immer gründlicher dazu befähigt würden, durch endlose Zeitalter hindurch das Licht von der Erkenntnis seiner Herrlichkeit auszustrahlen. ------------------------Kapitel 3: Die Erkenntnis des Guten und Bösen Ez54 19 0 "Und gleichwie sie nicht geachtet haben, daß Sie Gott erkennten", "ist ihr unverständiges Herz verfinstert." Ez54 19 1 Obgleich unsere ersten Eltern unschuldig und heilig erschaffen waren, lag es nicht außerhalb ihrer Möglichkeit, Unrecht zu tun. Gott hätte sie ohne das Vermögen, seine Forderungen zu übertreten, ins Dasein rufen können, aber in diesem Falle hätte es keine Charakterentwicklung gegeben. Ihr Dienst wäre nicht freiwillig, sondern erzwungen gewesen. Deshalb gab er ihnen die Fähigkeit, zu wählen die Fähigkeit, Gehorsam zu zollen oder zu verweigern. Ehe sie die Segnungen, die er ihnen mitteilen wollte, voll empfangen konnten, mußten ihre Liebe und Treue erprobt werden. Ez54 19 2 Im Garten Eden stand der "Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen ... Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten; aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen." 1.Mose 2,9-17. Es war Gottes Wille, daß Adam und Eva das Böse nicht kennen sollten. Die Erkenntnis des Guten war ihnen reichlich verliehen worden; das Wissen um das Böse jedoch um die Sünde und ihre Folgen, um mühsame Arbeit und angstvolle Sorge, um Enttäuschung und Kummer, Schmerz und Tod wurde ihnen liebevoll vorenthalten. Ez54 20 1 Während Gott das Wohl des Menschen erstrebte, sann Satan auf sein Verderben. Als Eva die Warnung des Herrn betreffs des verbotenen Baumes mißachtete und es wagte, sich diesem zu nähern, geriet sie in Berührung mit ihrem Feind. Nachdem einmal ihre Aufmerksamkeit und ihre Neugierde geweckt worden waren, ging Satan dazu über, Gottes Wort abzutun und Mißtrauen gegen seine Weisheit und Güte einzuflößen. Auf die Aussage des Weibes in bezug auf den Baum der Erkenntnis, von dem Gott gesagt hat: "Esset nicht davon, rühret's auch nicht an, daß ihr nicht sterbet", erwiderte der Versucher: "Ihr werdet mitnichten des Todes sterben; sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon esset, so werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." 1.Mose 3,3-5. Ez54 20 2 Satan wollte den Eindruck erwecken, die Kenntnis von der Vermischung von Gut und Böse sei ein Segen. Gott vorenthalte ihnen großen Gewinn, wenn er verbiete, von der Frucht des Baumes zu genießen. Wegen deren wunderbarer Eigenschaft, Weisheit und Stärke zu verleihen so betonte er nachdrücklich, habe Gott ihnen untersagt, davon zu kosten; so suche er sie an der Erreichung eines höheren Entwicklungsstandes und am Erwerb größerer Glückseligkeit zu hindern. Die Schlange erklärte, daß sie selbst von der verbotenen Frucht gegessen und daraufhin die Sprechfähigkeit erlangt habe. Die Menschen würden, falls sie auch davon äßen, zu einer höheren Daseinsstufe gelangen und in eine umfassendere Erkenntnis eintreten. Ez54 20 3 Während Satan behauptete, durch Essen vom verbotenen Baume hohes Gut erworben zu haben, ließ er nicht durchblicken, daß er infolge seiner Übertretung aus dem Himmel ausgestoßen war. Hier lag Betrug vor, aber so vom Deckmantel scheinbarer Wahrheit verhüllt, daß Eva betört, geschmeichelt und bestrickt die Täuschung nicht erkannte. Sie begehrte heftig, was Gott verboten hatte; sie mißtraute seiner Weisheit. Ihren Glauben warf sie weg -- den Schlüssel zur Erkenntnis. Ez54 21 1 Als Eva sah, "daß von dem Baume gut zu essen wäre, und daß er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte", nahm sie "von der Frucht und aß". Diese war von angenehmem Geschmack, und während Eva aß, schien sie eine belebende Kraft zu verspüren. Sie meinte, in einen höheren Daseinszustand einzutreten. Nachdem sie das Gebot Gottes selbst übertreten hatte, wurde sie ihrem Gatten zur Versucherin, "und er aß". 1.Mose 3,6. Ez54 21 2 "So werden eure Augen aufgetan", hatte der Feind gesagt, "und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." 1.Mose 3,5. Ihre Augen wurden allerdings geöffnet, aber welch trauriges Auftun! Die Erkenntnis des Bösen und der Fluch der Sünde waren alles, was die Übertreter erlangten. In der Frucht selbst lag nichts Schädliches, und die Versündigung bestand nicht nur im Nachgeben gegen die Eßlust. Das Mißtrauen gegen Gottes Güte, der Unglaube seinem Wort gegenüber und die Leugnung seines Machtanspruchs waren es, die unsere ersten Eltern zu Übertretern werden ließen und die Erkenntnis des Bösen in die Welt brachten. Eben dies öffnete aller Art von Lüge und Irrtum Tür und Tor. Ez54 21 3 Der Mensch verlor alles, weil er lieber dem Betrüger Gehör schenkte als dem, der die Wahrheit ist und der allein Verstand besitzt. Durch die Verquickung von Gut und Böse war sein Sinn verwirrt, waren seine geistigen und geistlichen Kräfte gelähmt worden. Er konnte das Gute nicht mehr würdigen, das Gott ihm so freigebig verliehen hatte. Ez54 21 4 Adam und Eva hatten sich für die Erkenntnis des Bösen entschieden. Wenn sie jemals die Stellung, die sie eingebüßt hatten, wiedergewinnen sollten, mußten sie es unter den ungünstigen Bedingungen tun, die sie selbst heraufbeschworen hatten. Nicht länger sollten sie im Garten Eden wohnen, denn bei seiner Vollkommenheit konnte er ihnen nicht die Lehren erteilen, die nun für sie von Wichtigkeit waren. In unaussprechlicher Traurigkeit sagten sie ihrer herrlichen Umgebung Lebewohl und zogen fort, um auf der Erde zu wohnen, auf der von nun an der Fluch der Sünde lag. Ez54 22 1 Zu Adam hatte Gott gesagt: "Dieweil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes und gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen, verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden." 1.Mose 3,17-19. Ez54 22 2 Obgleich die Erde vom Fluch entstellt war, sollte die Natur immer noch des Menschen Lehrbuch sein. Sie konnte nun nicht ausschließlich das Gute darstellen; denn überall war das Übel gegenwärtig und verderbte Erde, Luft und Meer mit seinem unreinen Hauch. Wo sich einst allein das Wesen Gottes, die Erkenntnis des Guten, ausgeprägt hatte, da war nun auch der Charakter Satans, die Erkenntnis des Bösen, abzulesen. Der Mensch sollte von der Natur, die jetzt das Wissen um Gut und Böse vermittelte, beständig vor den Folgen der Sünde gewarnt werden. Ez54 22 3 In der welkenden Blüte und im fallenden Blatt gewahrten Adam und seine Gefährtin die ersten Zeichen des Verfalls. Lebhaft kam ihnen die unerbittliche Tatsache zum Bewußtsein, daß alles Lebendige sterben muß. Sogar die Luft, von der ihr Leben abhing, trug die Todeskeime in sich. Ez54 23 4 Auch wurden sie ständig an ihre verlorene Herrscherwürde erinnert. Adam hatte unter den niedrigeren Geschöpfen wie ein König dagestanden. Solange er Gott treu geblieben war, hatte die ganze Natur seine Herrschaft anerkannt. Als er aber sündigte, verscherzte er diese Herrschergewalt. Der Geist der Auflehnung, dem er selbst Zutritt gewährt hatte, dehnte sich auf die ganze Tierwelt aus. So zeugte denn alles von dem betrüblichen Wissen um das Böse, nicht nur das Leben des Menschen, sondern auch das Wesen der Tiere, die Bäume des Waldes, das Gras auf dem Felde und sogar die Luft, die man atmete. Ez54 23 1 Aber der Mensch wurde den Folgen des Übels, das er erwählt hatte, nicht überlassen. In dem über Satan gefällten Urteilsspruch war eine Ankündigung der Erlösung enthalten. "Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe", sprach Gott, "und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihm in die Ferse stechen." 1.Mose 3,15. Ez54 23 2 Dieses Urteil, das in Hörweite unserer ersten Eltern ausgesprochen wurde, bedeutete für sie eine Verheißung. Ehe sie von den Dornen und Disteln, von der Mühe und Sorge vernahmen, die ihr Teil sein sollten, oder von dem Staub, in den sie zurückkehren mußten, lauschten sie Worten, die ihnen unfehlbar Hoffnung vermittelten. Alles was durch Willfährigkeit Satan gegenüber verlorengegangen war, konnte durch Christus zurückgewonnen werden. Ez54 23 3 Auch die Natur wiederholt uns diese Ankündigung. Obgleich sie durch die Sünde entstellt ist, kündet sie nicht nur von der Schöpfung, sondern auch von der Erlösung. Mag die Erde in den offensichtlichen Zeichen des Verfalls den Fluch bestätigen, noch ist sie reich und schön in ihren Beweisen lebenspendender Kraft. Die Bäume werfen ihre Blätter ab, aber nur, um sich in frischeres Grün zu kleiden; die Blumen welken, doch nur, um in neuer Schönheit hervorzusprießen, und jede Offenbarung schöpferischer Kraft birgt die Gewißheit, daß wir von neuem in "Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit" erschaffen werden können. So werden uns gerade die Dinge und Vorgänge in der Natur, die uns unseren großen Verlust so lebhaft zum Bewußtsein bringen, zu Boten der Hoffnung. Ez54 23 4 Soweit das Übel reicht, hört man die Stimme unseres himmlischen Vaters, der seinen Kindern gebietet, das Wesen der Sünde an ihren Folgen zu erkennen, der sie ermahnt, das Böse aufzugeben, und sie einlädt, das Gute anzunehmen. ------------------------Kapitel 4: Das Verhältnis der Erziehung zur Erlösung Ez54 24 0 "Die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi." Ez54 24 1 Durch die Sünde wurde der Mensch von Gott geschieden. Ohne den Erlösungsplan wäre ewige Trennung von der Gottheit, wäre das Dunkel endloser Nacht sein Los gewesen. Durch das Opfer des Heilandes ist der Verkehr mit dem Höchsten wieder ermöglicht. Wir können uns nicht persönlich in seine Gegenwart begeben, bei unserer Sündhaftigkeit dürfen wir ihm nicht ins Angesicht blicken, aber wir können ihn in Jesus, dem Erlöser, schauen und mit ihm Umgang pflegen. Ez54 24 2 "Die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes" ist "in dem Angesichte Jesu Christi" offenbart. Gott ist "in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber". 2.Korinther 4,6; 2.Korinther 5,19. Ez54 24 3 "Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, ... voller Gnade und Wahrheit." "In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen." Johannes 1,14; Johannes 1,4. Das Erdendasein und der Tod Christi, der Kaufpreis unserer Erlösung, sind uns nicht nur Verheißung und Unterpfand des Lebens, nicht nur Mittel, die uns die Schätze der Weisheit wiederum erschließen: sie stellen eine umfassendere und höhere Offenbarung des göttlichen Charakters dar, als sie selbst die heiligen Geschöpfe in Eden kannten. Ez54 24 4 Und während Christus dem Menschen den Himmel öffnet, schließt die Lebensfülle, die er verleiht, das Herz der Erdenkinder für die obere Welt auf. Die Sünde schneidet uns nicht nur von Gott ab, sondern zerstört in der menschlichen Brust auch beides, den Wunsch wie die Fähigkeit, ihn zu erkennen. Christi Sendung besteht darin, all dies Satanswerk zunichte zu machen. Er hat Macht, die durch die Sünde abgestumpften Seelenkräfte, den verdunkelten Geist, den irregeleiteten Willen zu beleben und wiederaufzurichten. Er erschließt uns die Reichtümer des Weltalls und macht uns fähig, diese Schätze wahrzunehmen und uns anzueignen. Ez54 25 1 Christus ist das "Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen". Johannes 1,9. Wie alle menschlichen Wesen durch Christus das Leben haben, so empfängt auch jede Seele durch ihn einen Strahl göttlichen Lichtes. Nicht nur verstandesmäßige, auch geistliche Kräfte schlummern im Innern eines jeden ein Empfinden für das Rechte, ein Verlangen nach dem Guten. Aber gegen diese Anlagen kämpft eine feindliche Macht an. Die Folge des Genusses vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen tritt in jedes Menschen Erfahrung zutage. Zu seiner Natur gehört ein Hang zum Bösen, ein Drang, dem er ohne Hilfe nicht widerstehen kann. Um dieser Gewalt zu trotzen und jenes Hochziel zu erreichen, das er im Innersten seiner Seele als allein würdig bejaht, kann er nur bei einer einzigen Macht Hilfe finden. Diese Macht ist Christus. Das Zusammenwirken mit ihr tut dem Menschen am meisten not. Sollte diese Zusammenarbeit nicht das höchste Ziel aller erzieherischen Bemühungen sein? Ez54 25 2 Der echte Lehrer gibt sich nicht mit zweitrangiger Arbeit zufrieden. Es genügt ihm nicht, seine Schüler auf ein Bildungsziel auszurichten, das hinter dem höchsten für sie erreichbaren zurückbleibt. Er kann nicht befriedigt sein, wenn er ihnen lediglich Fachkenntnisse vermittelt, sie zu gewandten Buchhaltern, geschickten Handwerkern und erfolgreichen Kaufleuten ausbildet. Es ist sein Bestreben, ihnen Grundsätze der Wahrhaftigkeit, des Gehorsams und der Ehre, der Redlichkeit und Reinheit einzuprägen -- Grundsätze, die sie zu einem wertvollen Element für den inneren Bestand und für die Hebung der Menschheit machen. Er wünscht vor allem, daß sie sich die große Lebenslehre vom selbstlosen Dienen aneignen. Ez54 25 3 Durch ein inneres Verhältnis zu Christus, durch die Annahme seiner Weisheit als Richtschnur, seiner Kraft als Energiequelle für Herz und Leben gewinnen diese Grundsätze lebendigen, charakterformenden Einfluß. Wenn solche Verbindung zustande kommt, hat der Strebende den Born der Weisheit gefunden. Ihm steht die Kraft zur Verfügung, seine edelsten Ideale an sich selbst zu verwirklichen. Die Gelegenheiten zu höchster Ausbildung für das Leben in dieser Welt sind sein. Und mit der hier erworbenen Schulung tritt er zugleich jenen Bildungsgang an, der die Ewigkeit einschließt. Ez54 26 1 Das Werk der Erziehung und das Werk der Erlösung sind im höchsten Sinne eins, denn sowohl in der Erziehung als auch in der Erlösung kann niemand "einen andern Grund" legen "außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus". "Denn es ist das Wohlgefallen gewesen, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte." 1.Korinther 3,11; Kolosser 1,19. Ez54 26 2 Selbst unter veränderten Bedingungen richtet sich wahre Erziehung immer noch nach der Absicht des Schöpfers, nach dem Plan für die Schule von Eden. Adam und Eva empfingen Belehrung durch unmittelbaren Umgang mit Gott; wir nehmen "die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes" im Angesichte Christi wahr. Ez54 26 3 Die großen Richtlinien der Erziehung sind unverändert geblieben. "Sie werden erhalten immer und ewiglich" (Psalm 111,8), denn sie bilden die Grundlagen des Wesens Gottes. Es sollte das oberste Bestreben und das ständige Ziel des Lehrers sein, dem Lernenden dazu zu verhelfen, diese Grundsätze zu verstehen und in ein solches Verhältnis zu Christus zu treten, daß sie zu einer beherrschenden Macht in seinem Leben werden. Ein Erzieher, der dieses Ziel bejaht, ist wirklich ein Mitarbeiter Christi, ein Werkmann an der Seite Gottes. Ez54 26 4 "Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben." Römer 15,4. ------------------------Kapitel 5: Die Erziehung Israels Ez54 29 0 "Er umfing ihn und hatte acht auf ihn; er behütete ihn wie seinen Augapfel." Ez54 29 1 Den Schwerpunkt des in Eden eingeführten Erziehungssystems bildete die Familie. Adam war ein Sohn Gottes (Lukas 3,38), und der, von dem die Kinder des Höchsten Belehrung empfingen, war ihr Vater. Sie hatten im wahrsten Sinne des Wortes eine Familienschule. Ez54 29 2 Im göttlichen Erziehungsplan, wie er sich dem Zustand des Menschen nach dem Sündenfall anpaßt, erscheint Christus als der Stellvertreter des Vaters, als das Bindeglied zwischen Gott und Mensch. Er ist der große Lehrer der Menschheit. Und er verordnet auch, daß Männer und Frauen wiederum seine Stellvertreter sein sollen. Die Familie verkörpert die Lehranstalt, und die Eltern sind die Lehrkräfte. Ez54 29 3 In den Tagen der Erzväter war die Familie Träger der Erziehung. Für die Lehrstätten, die so zustande kamen, schuf Gott die günstigsten Voraussetzungen zur Entwicklung des Charakters. Die Menschen unter seiner Führung befolgten noch immer die Lebensrichtlinie, die er im Anfang aufgestellt hatte. Die, welche sich von Gott trennten, bauten sich Städte, und indem sie sich dort eng zusammenschlossen, frohlockten sie in dem Glanze, in der Verschwendung und in dem Laster, welche die Metropolen bis heute zum Stolz und Fluch der Welt machen. Die Menschen aber, die an Gottes Lebensgrundsätzen festhielten, lebten inmitten von Feldern und Hügeln. Sie waren Ackersleute und Besitzer von Groß- und Kleinviehherden; bei diesem freien, unabhängigen Leben mit seinen Gelegenheiten zur Arbeit, zum Studium und zur Besinnung lernten sie von Gott und lehrten ihre Kinder seine Werke und Wege. Ez54 29 4 Das war die Erziehungsmethode, die Gott in Israel einzuführen wünschte. Aber nach dem Auszug aus Ägypten waren unter den Israeliten nur wenige darauf vorbereitet, bei der Ertüchtigung ihrer Kinder mit ihm zusammenzuwirken. Den Eltern selbst tat Belehrung und Erziehung not. Als die Opfer lebenslanger Sklaverei waren sie unwissend, ungeschult und verkommen. Sie besaßen nur wenig Gotteserkenntnis und ein geringes Gottvertrauen. Falsche Lehren hatten sie verwirrt, und durch die lange Berührung mit dem Heidentum waren sie innerlich verdorben worden. Gott wollte sie auf eine höhere sittliche Stufe emporziehen, und zu diesem Zweck suchte er ihnen eine Erkenntnis seiner selbst zu vermitteln. Ez54 30 1 In seiner ganzen Verfahrensweise mit den Wüstenwanderern, ob er sie hin und her ziehen ließ, sie dem Hunger und Durst, der Müdigkeit und der Gefahr von seiten heidnischer Widersacher aussetzte oder ihnen seine helfende Fürsorge kundtat, kurz, immer wieder suchte Gott ihren Glauben zu stärken, indem er ihnen die unaufhörlich zu ihrem Besten wirkende Macht offenbarte. Und nachdem er sie dazu erzogen hatte, seiner Liebe und Stärke zu vertrauen, war es seine Absicht, ihnen in den Verordnungen des Gesetzes die charakterliche Norm vor Augen zu halten, die sie durch seine Gnade erreichen sollten. Ez54 30 2 Unschätzbar waren die Lehren, die Israel während seines Aufenthaltes am Sinai empfing. Dies war eine Zeit besonderer Schulung für die Inbesitznahme Kanaans. Die Umgebung dort begünstigte die Ausführung der göttlichen Absicht. Auf dem Gipfel des Sinai ruhte die Wolkensäule, die den Zug angeführt hatte, und überschattete nun die Ebene, in der das Volk seine Zelte aufschlug. Als Feuersäule bei Nacht verbürgte sie ihnen den göttlichen Schutz, und während der Schlummer sie umfing, fiel das Himmelsbrot auf die Lagerstatt hernieder. Rings zeugten weitgestreckte, zerklüftete Berggipfel in ihrer feierlichen Großartigkeit von ewiger Dauer und Majestät. Den Menschen überkam ein Gefühl der Unwissenheit und Schwäche in der Gegenwart dessen, der da "wägt die Berge mit einem Gewicht und die Hügel mit einer Waage". Jesaja 40,12. Hier suchte Gott durch die Offenbarung seiner Herrlichkeit Israel die Heiligkeit seines Charakters und seiner Forderungen sowie das überaus Schuldhafte der Übertretung eindringlich nahezubringen. Ez54 31 1 Aber das Volk war langsam im Lernen seiner Lektion. Ihm, das in Ägypten an sinnlich wahrnehmbare Darstellungen der Gottheit, und zwar an solche erniedrigendster Art, gewöhnt gewesen war, fiel es schwer, das Dasein oder das Wesen des Unsichtbaren zu erfassen. Aus Mitleid mit seinem Unvermögen gab Gott ihm ein Sinnbild seiner Gegenwart. "Und sie sollen mir ein Heiligtum machen", sagte er, "daß ich unter ihnen wohne." 2.Mose 25,8. Ez54 31 2 Bei der Errichtung des Heiligtums zu einer Wohnstätte für Gott wurde Mose angewiesen, alles nach dem Muster der himmlischen Dinge zu gestalten. Der Herr rief ihn auf den Berg und offenbarte ihm diese. Nach ihrem Vorbilde wurde dann die Stiftshütte mit all ihrem Zubehör angefertigt. Ez54 31 3 So enthüllte Gott dem Volk Israel, das er zu seiner Wohnstatt machen wollte, sein herrliches Charakterideal. Das Musterbild wurde den Israeliten bei der Verkündigung des Gesetzes vom Sinai vorgeführt, als Gott an Mose vorüberzog und ausrief: "Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue!". 2.Mose 34,6. Ez54 31 4 Aber sie waren unfähig, dieses Ideal aus sich selbst heraus zu verwirklichen. Die Offenbarung am Sinai konnte sie nur zutiefst von ihrem Mangel und ihrer Hilflosigkeit überzeugen. Eine andere Lehre sollte ihnen die Stiftshütte durch ihren Opferdienst erteilen: die Lehre von der Vergebung der Sünden und von der Kraft des Gehorsams zum ewigen Leben, die durch den Erlöser vermittelt wird. Ez54 31 5 Durch Christus sollte der Vorsatz zur Ausführung gebracht werden, den die Stiftshütte versinnbildete. In jenem prächtigen Zeltbau spiegelten die goldgleißenden Wände die Vorhänge mit den eingewirkten Cherubim in Regenbogenfarben wider, während der Duft ständig brennenden Weihrauchs das Ganze durchzog. In makelloses Weiß waren die Priester gekleidet, und im tiefen Geheimnis des innersten Raumes thronte über dem Gnadenstuhl, zwischen den Figuren der gebeugten anbetenden Engel, die Herrlichkeit des allerheiligsten Wesens. Gott wünschte, daß sein Volk aus alledem sein Vorhaben mit der Menschenseele herauslesen sollte. Es handelte sich um dieselbe Absicht, die lange danach durch den Apostel Paulus aufgezeigt wurde, als dieser sagte: "Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? So jemand den Tempel Gottes verderbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr." 1.Korinther 3,16.17. Ez54 32 1 Groß war die Gnade und groß die Ehre, die Israel mit der Zubereitung des Heiligtums zuerkannt wurden, groß war freilich auch die Verantwortung. Ein Volk, das eben erst der Sklaverei entronnen war, wollte in der Wüste ein Gebäude von außerordentlicher Pracht errichten, das zu seiner Erstellung das kostbarste Material und höchstes künstlerisches Geschick erforderte, eine erstaunliche Aufgabe, wie es schien. Ez54 32 2 Doch der den Plan für das Haus geliefert hatte, verbürgte sich zur Mitarbeit mit den Bauleuten. "Und der Herr redete mit Mose und sprach: Siehe, ich habe mit Namen berufen Bezaleel, den Sohn Uris, des Sohnes Hurs, vom Stamme Juda, und habe ihn erfüllt mit dem Geist Gottes, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit allerlei Geschicklichkeit ... Und siehe, ich habe ihm zugegeben Oholiab, den Sohn Ahisamachs, vom Stamme Dan; und habe allerlei Weisen die Weisheit ins Herz gegeben, daß sie machen sollen alles, was ich dir geboten habe." 2.Mose 31,1-6. Welch ein Werkunterricht war das dort in der Wüste, wo Christus und seine Engel Lehrer waren! Ez54 32 3 Bei der Zubereitung des Heiligtums und seiner Innenausstattung sollte das ganze Volk mithelfen. Da gab es Arbeit für Kopf und Hand. Man benötigte eine Menge verschiedenartigen Baumaterials, und alle wurden aufgefordert, je nach Eingebung ihres Herzens beizusteuern. Ez54 32 4 So wurden die Israeliten dazu erzogen, bei der Arbeit und beim Geben mit Gott und ihresgleichen zusammenzuwirken. Auch bei der Aufrichtung des geistlichen Hauses des Tempels Gottes in der Seele sollten sie gemeinsam zu Werke gehen. Ez54 33 1 Schon seit dem Beginn des Auszugs aus Ägypten hatten sie Hinweise in bezug auf ihre Ausbildung und Erziehung empfangen. Sogar noch ehe sie Ägypten verließen, hatte man eine vorläufige Organisation durchgeführt; das Volk war in Abteilungen gegliedert worden, die bestimmten Führern unterstanden. Am Sinai wurden die organisatorischen Einrichtungen vervollständigt. Die in allen Werken Gottes so augenfällig hervortretende Ordnung offenbarte sich deutlich in dem hebräischen Staatswesen. Bei Gott lag das Schwergewicht der Herrschaftsgewalt und der Regierung. Mose als sein Stellvertreter hatte die Gesetze in seinem Namen zu verwalten. Dann folgten der Rat der Siebzig, ferner die Priester und Fürsten, unter diesen "Häupter über 1000, über 100, über 50 und über 10" (4.Mose 11,16; 5.Mose 1,15) und schließlich Beamte mit einem besonderen Aufgabenkreis. Das Lager war genau geordnet: In der Mitte befand sich die Stiftshütte, der Wohnort Gottes, und ringsumher standen die Zelte der Priester und Leviten. Außerhalb dieser lagerte jeder Stamm unter seinem eigenen Panier. Ez54 33 2 Durchgreifende hygienische Verordnungen traten in Kraft. Diese wurden dem Volke nicht nur als eine gesundheitliche Notwendigkeit eingeschärft, sondern auch als Voraussetzung für die Gegenwart des Heiligen in seiner Mitte. Kraft göttlicher Autorität erklärte Mose: "Denn der Herr, dein Gott, wandelt unter deinem Lager, daß er dich errette ... Darum soll dein Lager heilig sein." 5.Mose 23,15. Ez54 33 3 Die Erziehung der Israeliten schloß ihre sämtlichen Lebensgewohnheiten mit ein. Alles, was ihr Wohlergehen betraf, war Gegenstand göttlicher Sorge und fiel in den Bereich göttlicher Gesetzgebung. Auch in der Vorsorge für ihre Nahrung suchte Gott ihr Bestes. Das Manna, mit dem er sie in der Wüste speiste, war dazu angetan, ihre körperliche, geistige und sittliche Kraft zu erhöhen. Obgleich sich so viele von ihnen gegen die Einschränkung in der Ernährung auflehnten und nach jenen Tagen zurückverlangten, da sie, wie sie sagten, "bei den Fleischtöpfen saßen und hatten die Fülle Brot zu essen" (2.Mose 16,3), wurde doch die weise Auswahl Gottes auf eine Art gerechtfertigt, die niemand bestreiten konnte: trotz der Entbehrungen ihres Wüstenlebens gab es nicht einen einzigen Schwächling unter all ihren Stämmen. Ez54 34 1 Auf allen Wanderungen sollte die Bundeslade, die das Gesetz Gottes enthielt, voranziehen. Der Lagerplatz wurde durch das Herniederschweben der Wolkensäule angezeigt. Solange die Wolke über der Stiftshütte ruhte, lagerten die Israeliten. Wenn sie sich hob, setzten sie ihre Wanderung fort. Der Zeitpunkt des Haltens wie der des Abmarsches war durch eine feierliche Anrufung gekennzeichnet. "Und wenn die Lade zog, so sprach Mose: Herr, stehe auf! laß deine Feinde zerstreut ... werden ... Und wenn sie ruhte, so sprach er: Komm wieder, Herr, zu der Menge der Tausende Israels!" 4.Mose 10,35.36. Ez54 34 2 Als das Volk durch die Wüste zog, wurden ihm viele wertvolle Lehren durch Gesang ins Herz geprägt. Bei seiner Errettung vor dem Heere Pharaos hatte die ganze Menge Israels mit in den Triumphgesang eingestimmt. Weit über Wüste und Meer war der frohe Kehrreim erschollen, und die Berge hatten von den Klängen des Lobgesangs widergehallt: "Laßt uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan." 2.Mose 15,21. Oft wurde dieses Lied auf der Wanderung wiederholt. Es stimmte die Herzen der Pilger froh und entfachte ihren Glauben. Die Gebote, wie sie vom Sinai herab gegeben worden waren, nebst den Verheißungen der göttlichen Gunst und Berichten über Gottes wunderbare Befreiungstaten wurden unter göttlicher Anleitung in Lieder gefaßt. Man trug sie zu den Klängen instrumentaler Musik vor; dabei hielt das Volk Schritt, wenn sich seine Stimmen im Lobgesang vereinigten. Ez54 34 3 Auf diese Weise wurden seine Gedanken von den Prüfungen und Schwierigkeiten des Weges nach oben gelenkt, der ruhelose, ungezügelte Geist wurde besänftigt und gestillt, die Grundregeln der Wahrheit prägten sich dem Gedächtnis ein, und der Glaube erstarkte. Gemeinsames Wirken erzog das Volk zu Ordnung und Einigkeit. Außerdem wurden die Menschen dadurch in engere Berührung mit Gott und mit ihresgleichen gebracht. Ez54 35 1 Über den Weg Gottes mit Israel während der vierzig Jahre Wüstenwanderung äußerte Mose: "Daß der Herr, dein Gott, dich gezogen hat, wie ein Mann seinen Sohn zieht", "auf daß er dich demütigte und versuchte, daß kund würde, was in deinem Herzen wäre, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht." 5.Mose 8,5.2. "Er fand ihn in der Wüste, in der dürren Einöde, da es heult. Er umfing ihn und hatte acht auf ihn; er behütete ihn wie seinen Augapfel. Wie ein Adler ausführt seine Jungen und über ihnen schwebt, breitete er seine Fittiche aus und nahm ihn und trug ihn auf seinen Flügeln. Der Herr allein leitete ihn, und kein fremder Gott war mit ihm." 5.Mose 32,10-12. Ez54 35 2 "Denn er gedachte an sein heiliges Wort, das er Abraham, seinem Knechte, hatte geredet. Also führte er sein Volk aus in Freuden und seine Auserwählten in Wonne und gab ihnen die Länder der Heiden, daß sie die Güter der Völker einnahmen, auf daß sie halten sollen seine Rechte und seine Gesetze bewahren. Halleluja!" Psalm 105,42-45. Ez54 35 3 Gott stattete Israel mit allen Vorteilen aus, gab ihm jede erdenkliche Möglichkeit, seinem Namen zur Ehre und den umliegenden Völkern zum Segen zu gereichen. Er verhieß ihm, daß er es "zum höchsten machen werde" und daß es "gerühmt, gepriesen und geehrt" würde "über alle Völker, die er gemacht hat", wenn es auf den Pfaden des Gehorsams wandelte. "Alle Völker auf Erden werden sehen", sagte er, "daß du nach dem Namen des Herrn genannt bist, und werden sich vor dir fürchten." Nationen, die all die Gebote vernähmen, würden sagen: "Ei, welch weise und verständige Leute sind das und ein herrlich Volk!" 5.Mose 26,19; 5.Mose 28,10; 5.Mose 4,6. Ez54 35 4 In den dem Volk anvertrauten Gesetzen war ausdrückliche Weisung betreffs der Erziehung gegeben. Gott hatte sich Mose auf dem Sinai offenbart als "barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue". 2.Mose 34,6. Diese in seinem Gesetz verkörperten Grundzüge sollten die Väter und Mütter in Israel ihren Kindern einprägen. Mose erklärte ihnen auf Grund göttlicher Weisung: "Diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzest oder auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst." 5.Mose 6,6.7. Ez54 36 1 Nicht als trockene Theorie sollten diese Dinge gelehrt werden. Wer Wahrheit vermitteln will, muß selbst ihre Grundsätze ausleben. Andere kann man nur dann beeindrucken, wenn sich in der Rechtschaffenheit, im Adel und in der Selbstlosigkeit des eigenen Lebens der göttliche Charakter widerspiegelt. Ez54 36 2 Wahre Erziehung bedeutet nicht, einem unvorbereiteten und unempfänglichen Gemüt Belehrung aufzwingen. Die Geisteskräfte müssen geweckt, das Interesse muß angeregt werden. Dafür ist in Gottes Lehrmethode Vorkehrung getroffen. Der den Verstand schuf und seine Gesetze festlegte, sorgt auch für dessen Entwicklung im Einklang mit diesen. In Heim und Heiligtum, bei der Arbeit und bei Festlichkeiten, durch Natur und Kunst, im geweihten Bauwerk und Gedenkstein, durch unzählige Ordnungen, Bräuche und Sinnbilder erteilte Gott Israel Lehren, die seine Wesensgrundsätze veranschaulichten und das Gedächtnis seiner wunderbaren Werke bewahrten. Wenn da ein Fragen einsetzte, prägte sich die gegebene Unterweisung tief in Herz und Sinn. Ez54 36 3 In den Anweisungen für die Erziehung des auserwählten Volkes wird offenbar, daß ein Leben mit Gott im Mittelpunkt ein vollkommenes Dasein ist. Für jedes Bedürfnis, das er in uns hineingelegt hat, schafft er auch Befriedigung; jede verliehene Gabe sucht er zu entfalten. Ez54 36 4 Als Urheber aller Schönheit, der selbst das Ansprechende liebt, sorgte Gott dafür, daß die Liebe zum Schönen in seinen Kindern zu ihrem Recht komme. Auch für ihre gesellschaftlichen Bedürfnisse traf er Vorkehrung, für herzliche, die Hilfsbereitschaft fördernde Geselligkeit, die so viel zur Pflege des Mitgefühls beiträgt und das Leben durchsonnt und verschönt. Ez54 36 5 Die Feste Israels nahmen als Mittel zur Erziehung einen wichtigen Platz ein. Im gewöhnlichen Leben war die Familie beides zugleich: Schule und Gemeinde, wobei die Eltern in weltlichen und religiösen Fächern unterrichteten. Aber dreimal im Jahre waren gewisse Zeiten für gesellschaftliche und gottesdienstliche Veranstaltungen vorgesehen. Zuerst fanden diese Zusammenkünfte in Silo, später in Jerusalem statt. Nur die Anwesenheit der Väter und Söhne war gefordert; aber niemand wollte die Gelegenheiten dieser Feste versäumen. Nach Möglichkeit war die ganze Hausgemeinschaft zugegen, und der Fremdling, der Levit und der Arme genossen ihre Gastfreundschaft. Ez54 37 1 Die Reise nach Jerusalem im einfachen patriarchalischen Stil zur Zeit der Frühlingspracht, in hochsommerlicher Fülle oder im reifen Glanz des Herbstes war ein freudiger Anlaß. Mit Dankopfern kamen sie vom weißhaarigen Mann bis zum kleinen Kind, um Gott in seiner heiligen Wohnung zu begegnen. Ez54 37 2 Auf der Reise wurden die Geschehnisse der Vergangenheit, die Geschichten, die heute noch bei alt und jung so beliebt sind, den hebräischen Kindern wiedererzählt. Man sang die Lieder, die die Wüstenwanderung froh belebt hatten. Gottes Gebote wurden im Liede vorgetragen. In Verbindung mit dem segensreichen Einfluß, den Natur und freundlicher Umgang mit Menschen ausübten, prägten sie sich dem Gedächtnis manches Kindes und Jugendlichen für immer ein. Ez54 37 3 All die feierlichen Handlungen, deren Zeuge man anläßlich der Passahfeier in Jerusalem wurde, waren dazu angetan, die Einbildungskraft zu erregen und das Gemüt zu beeindrucken: die nächtliche Versammlung, die Männer mit gegürteten Lenden, mit Schuhen an den Füßen und dem Stab in der Hand, die hastige Mahlzeit, das Lamm, ungesäuertes Brot und bittere Kräuter; dazu in der feierlichen Stille die Wiederholung der Geschichte von der Blutbesprengung, vom Würgeengel und vom großen Auszug aus dem Lande der Knechtschaft. Ez54 37 4 Beim Laubhütten oder Erntedankfest wurden Gaben aus dem Obstgarten und vom Felde dargebracht; man wohnte eine Woche lang in den Laubhütten, hatte gesellschaftliche Zusammenkünfte, einen heiligen Gedächtnisgottesdienst und übte eine herzliche Gastfreundschaft gegen die Mitarbeiter im Werke Gottes, die am Heiligtum dienenden Leviten, sowie an seinen Kindern, den Fremdlingen und Armen. Das erhob alle Herzen in Dankbarkeit gegen den, der "das Jahr mit seinem Segen krönte" und dessen "Pfade von Fett triefen". Ez54 38 1 Von den Frommen in Israel wurde jedes Jahr insgesamt ein ganzer Monat auf diese Weise verbracht. Es war eine Zeit, frei von Sorgen und Mühen und im wahrsten Sinne des Wortes fast ausschließlich Erziehungszwecken gewidmet. Ez54 38 2 Beim Austeilen des Erbes an sein Volk war es Gottes Absicht, ihm und durch es späteren Geschlechtern richtige Grundsätze betreffs Landbesitz zu vermitteln. Das Land Kanaan wurde unter dem ganzen Volk aufgeteilt; nur die Leviten als Diener am Heiligtum erhielten keinen Grund und Boden. Obwohl jemand sein Besitztum für gewisse Zeit verkaufen konnte, durfte er doch das Erbe seiner Kinder nicht verschachern. Ihm stand frei, es jederzeit zurückzukaufen, sofern er dazu imstande war. Die Schulden wurden jedes siebente Jahr erlassen, und im fünfzigsten, dem Jubeljahr, fiel aller Grundbesitz an den ursprünglichen Eigentümer zurück. Auf diese Weise war der Besitz jeder Familie gesichert und übergroßem Reichtum und äußerster Armut ein Riegel vorgeschoben. Ez54 38 3 Durch die Verteilung des Landes unter das Volk vermittelte ihm Gott gleich den Bewohnern Edens die Beschäftigung, die der Entwicklung am förderlichsten war: die Pflege von Pflanze und Tier. Eine weitere Erziehungsmaßnahme war die Aussetzung der Feldarbeit in jedem siebenten Jahr. Das Land lag dann brach, und seine wildwachsenden Erzeugnisse wurden den Armen überlassen. Damit ergab sich Gelegenheit zu ausgiebigem Studium, zu gesellschaftlichem Verkehr und gottesdienstlichen Übungen; auch für Mildtätigkeit, die so oft durch die Sorgen und Mühen des Lebens verdrängt wird, war dann die nötige Muße. Ez54 38 4 Wie anders stünde es um die Menschen, wenn man die Richtlinien der göttlichen Gesetze über Besitzverteilung heute in der Welt befolgte! Eine Beobachtung dieser Grundregeln würde den schrecklichen Übeln vorbeugen, die zu allen Zeiten der Bedrückung der Armen durch die Reichen und dem Haß der Besitzlosen gegen die Besitzenden entsprungen sind. Einerseits würde dadurch die Aufhäufung großer Reichtümer verhindert, zum andern die Unwissenheit und Herabwürdigung Zehntausender verhütet, deren schlecht bezahlte Dienste zum Ansammeln jener riesigen Vermögenswerte benötigt werden. Das trüge zu einer friedlichen Lösung jener Probleme bei, die die Welt jetzt mit Anarchie und Blutvergießen zu erfüllen drohen. Ez54 39 1 Ein Zehntel aller Erträge wurde Gott geweiht, ob sie nun dem Fruchtgarten oder dem Erntefeld, den Groß- und Kleinviehherden oder geistiger und körperlicher Arbeit entstammten. Ein weiteres Zehntel widmete man der Unterstützung der Armen und anderen wohltätigen Zwecken. Dadurch sollte beim Volk die Wahrheit lebendig erhalten werden, daß alles Gottes Eigentum ist und daß wir Segnungen empfangen, um sie weiterzugeben. Diese Erziehungsmaßnahme war dazu geeignet alle kleinliche Selbstsucht abzutöten und einen großzügigen, edlen Charakter zu entwickeln. Ez54 39 2 Erkenntnis Gottes, Gemeinschaft mit ihm beim Studium und in der Arbeit, Charakterähnlichkeit mit ihm: damit waren Quelle Weg und Ziel der Erziehung Israels vorgezeichnet der Erziehung nämlich, die Gott den Eltern zuteil werden ließ und die diese an ihre Kinder weitergeben sollten. ------------------------Kapitel 6: Die Prophetenschulen Ez54 39 3 "Sie werden sich setzen zu deinen Füßen und werden lernen von deinen Worten." Ez54 39 4 Überall, wo in Israel der Erziehungsplan Gottes durchgeführt wurde, zeugten die Ergebnisse von seinem Urheber. Aber in sehr vielen Häusern war die vom Himmel verordnete Schulung ebenso selten wie die dadurch entwickelten Charaktere. Gottes Entwurf wurde nur teilweise und unvollkommen ausgeführt. Durch Unglauben und durch Mißachtung der Anordnungen des Herrn setzten sich die Israeliten Versuchungen aus, denen nur wenige widerstehen konnten. Bei ihrer Ansiedlung in Kanaan "vertilgten sie die Völker nicht, wie sie doch der Herr geheißen hatte; sondern sie vermengten sich unter die Heiden und lernten derselben Werke und dienten ihren Götzen; die wurden ihnen zum Fallstrick". Psalm 106,34-36. Ihr Herz war nicht auf Gott gerichtet, und sie "hielten nicht treulich an seinem Bunde. Er aber war barmherzig und vergab die Missetat und vertilgte sie nicht und wandte oft seinen Zorn ab ... Denn er gedachte, daß sie Fleisch sind, ein Wind, der dahinfährt und nicht wiederkommt." Psalm 78,37-39. Väter und Mütter in Israel wurden gleichgültig in ihrer Verpflichtung Gott gegenüber, gleichgültig in ihrer Verantwortung für ihre Kinder. Untreue im Heim und götzendienerische Einflüsse von außen brachten es mit sich, daß viele hebräische Jugendliche eine ganz andere als die von Gott vorgezeichnete Erziehung erhielten. Sie lernten die Sitten und Gebräuche der Heiden kennen. Ez54 40 1 Um diesem wachsenden Übel zu begegnen, sah Gott als Hilfe für die Erziehungsarbeit der Eltern andere Mittel vor. Schon von uralter Zeit her waren Propheten als gottgesandte Lehrer anerkannt worden. Im höchsten Sinn war der Prophet einer, der, unmittelbarer Eingebung folgend, redete und dem Volke die Botschaften mitteilte, die er von Gott empfangen hatte. Aber die Bezeichnung "Prophet" wurde auch denen verliehen die, obwohl nicht so unmittelbar vom Geist getrieben, doch von Gott berufen waren, die Leute über das Tun und Handeln Gottes zu unterrichten. Zur Ausbildung eines solchen Lehrerstandes gründete Samuel auf Anordnung des Herrn die Prophetenschulen. Ez54 40 2 Diese Schulen waren dazu bestimmt, einen Damm gegen die um sich greifende Verderbnis zu bilden, für das geistige und geistliche Wohl der Jugend zu sorgen und das Gedeihen der Nation dadurch zu fördern, daß sie sie mit Männern versahen, die in der Furcht Gottes als Führer und Ratgeber tätig sein konnten. Zu diesem Zweck brachte Samuel Gruppen von Jünglingen zusammen, die fromm, klug und fleißig waren. Sie wurden die Kinder der Propheten genannt. Beim Studium der Worte und Werke Gottes entfachte seine lebenspendende Kraft ihre geistigen und seelischen Energien, und die Lernenden empfingen Weisheit aus der Höhe. Ihre Lehrer waren nicht nur in der göttlichen Wahrheit bewandert; sie hatten auch eine Begegnung mit Gott erlebt und die besondere Gabe seines Geistes erhalten. Wegen ihrer Gelehrsamkeit und auch wegen ihrer Frömmigkeit besaßen sie die Achtung und das Vertrauen des Volkes. In den Tagen Samuels gab es zwei solcher Schulen: eine zu Rama, der Heimat des Propheten, und die andere zu Kirjath Jearim. Später wurden noch weitere gegründet. Ez54 41 1 Die Zöglinge dieser Schulen unterhielten sich durch eigene Arbeit, die in Ackerbau oder in irgendeiner handwerklichen Beschäftigung bestand. In Israel hielt man dies nicht für sonderbar oder herabwürdigend; es wurde vielmehr als eine Sünde betrachtet, wenn man Kinder in Unkenntnis nützlicher Arbeit aufwachsen ließ. Jeden Jugendlichen ob seine Eltern nun reich oder arm waren lehrte man ein Handwerk. Auch wenn er zu heiligem Dienste erzogen wurde, bestand die Ansicht, daß eine Kenntnis des praktischen Lebens wesentlich für höchste Brauchbarkeit sei. Selbst viele von den Lehrern unterhielten sich durch ihrer Hände Arbeit. Ez54 41 2 Sowohl in der Schule als auch im Heim wurde großenteils mündlich unterrichtet; aber die Jugendlichen lernten auch die hebräischen Urkunden lesen, und die Pergamentrollen der alttestamentlichen Schriften waren ihrem Studium zugänglich. Die wichtigsten Unterrichtsfächer in diesen Schulen waren das Gesetz Gottes mit den Mose erteilten Vorschriften, heilige Geschichte, geistliche Musik und Dichtkunst. In den Berichten der heiligen Geschichte verfolgte man die Spuren Jahves. Die großen Wahrheiten, die in den Sinnbildern des Heiligtumsdienstes dargestellt waren, wurden ins Blickfeld gerückt; der Glaube erfaßte das Herzstück dieses ganzen Systems: das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnehmen sollte. Man pflegte einen Geist der Frömmigkeit. Die Schüler wurden nicht nur zum Gebet angehalten; man lehrte sie auch, wie sie beten, wie sie sich ihrem Schöpfer nahen und Glauben üben sollten und wie schließlich die Eingebungen seines Geistes zu verstehen und zu befolgen seien. Geheiligtes Denken förderte aus dem Schatzhaus Gottes Altes und Neues zutage, und der Geist des Herrn tat sich in prophetischer Rede und geistlichen Liedern kund. Ez54 42 1 Diese Schulen erwiesen sich als eines der wirksamsten Mittel zur Förderung der Gerechtigkeit, die ein Volk erhöht. Sprüche 14,34. In nicht kleinem Maße trugen sie dazu bei, die Grundlage für jenen unglaublichen Wohlstand zu schaffen, der die Regierungszeit Davids und Salomos auszeichnete. Ez54 42 2 Die in den Prophetenschulen gelehrten Grundsätze waren dieselben, die Davids Charakter formten und sein Leben gestalteten. Das Wort Gottes war sein Lehrmeister. "Dein Wort macht mich klug", sagte er ... "Ich neige mein Herz, zu tun nach deinen Rechten." Psalm 119,104-112. Das war es, was den Herrn veranlaßte, David als "einen Mann nach meinem Herzen" (Apostelgeschichte 13,22) zu bezeichnen, als er ihn in jugendlichem Alter auf den Thron berief. Ez54 42 3 In der Frühzeit Salomos sind die Früchte der göttlichen Erziehungsweise ebenfalls zu beobachten. Salomo folgte in seiner Jugend dem Beispiel Davids. Vor allen irdischen Gütern erbat er von Gott ein weises und verständiges Herz. Und der Herr gab ihm nicht nur, was er suchte, sondern auch, was er nicht erstrebt hatte: Reichtum und Ehre zugleich. Seine hohe Verstandeskraft, sein umfassendes Wissen und der Glanz seiner Herrschaft setzten die Welt in Erstaunen. Ez54 42 4 Unter der Herrschaft Davids und Salomos erreichte Israel den Gipfel seiner Größe. Die dem Abraham gegebene und durch Mose wiederholte Verheißung hatte sich erfüllt: "Denn wo ihr diese Gebote alle werdet halten, die ich euch gebiete, daß ihr darnach tut, daß ihr den Herrn, euren Gott, liebet und wandelt in allen seinen Wegen und ihm anhanget, so wird der Herr alle diese Völker vor euch her ausstoßen, daß ihr größere und stärkere Völker vertreibet, denn ihr seid. Alle Örter, darauf eure Fußsohle tritt, sollen euer sein; von der Wüste an und von dem Berge Libanon und von dem Wasser Euphrat bis ans Meer gegen Abend soll eure Grenze sein. Niemand wird euch widerstehen können." 5.Mose 11,22-25. Ez54 43 1 Aber inmitten des Wohlstandes lauerte Gefahr. Obwohl die Sünde aus Davids späteren Jahren aufrichtig bereut und schwer gesühnt wurde, machte sie das Volk keck im Übertreten der Gebote Gottes. Und Salomos Leben verdüsterte sich nach einem sehr verheißungsvollen Morgen durch seinen Abfall. Der Wunsch nach politischer Macht und Selbsterhöhung führte zum Bündnis mit heidnischen Völkern. Das Silber von Tharsis und das Gold aus Ophir wurden durch Preisgabe der Redlichkeit erkauft durch Verrat an den heiligen Vermächtnissen. Umgang mit Götzenverehrern, Ehebündnisse mit heidnischen Frauen unterhöhlten den Glauben. Die Schutzschranken, die Gott für die Sicherheit seines Volkes errichtet hatte, wurden damit niedergerissen, und Salomo gab sich der Verehrung falscher Götter hin. Auf der Höhe des Ölbergs, dem Tempel Jahves gerade gegenüber, errichtete man riesige Standbilder und Altäre zum Dienst an den heidnischen Gottheiten. Da Salomo seine Bindung an Gott löste, verlor er die Herrschaft über sich selbst. Sein feines Empfinden wurde abgestumpft. Der gewissenhafte, besonnene Geist seiner ersten Regierungsjahre schwand dahin. Stolz, Ehrgeiz, Verschwendung und Nachgiebigkeit reiften zu Grausamkeit und Erpressung. Er, der ein gerechter, leutseliger und gottesfürchtiger Herrscher gewesen war, wurde zum Tyrannen und Bedrücker. Er, der bei der Einweihung des Tempels für sein Volk gebetet hatte, daß es sein Herz ungeteilt dem Herrn übergebe, wurde ihm zum Verführer. Salomo entehrte sich selbst, bereitete Israel Schande und brachte Gott um seinen Ruhm. Ez54 43 2 Die Nation, deren Stolz er gewesen war, folgte seiner Führung. Obgleich er späterhin Buße tat, verhinderte seine Reue doch nicht das Aufgehen der bösen Saat, die er ausgestreut hatte. Die Erziehung und Schulung, die Gott für Israel verordnete, sollten dazu führen, daß es sich in seiner ganzen Lebensweise von den anderen Völkern unterschied. Diese Eigenart, die als besondere Gnade und als Segen hätte angesehen werden müssen, war ihm nicht genehm. Es suchte die zur höchsten Entfaltung notwendige Einfachheit und Selbstbeschränkung gegen das Gepränge und die Zügellosigkeit heidnischer Völker einzutauschen. Sein Ehrgeiz bestand darin, zu sein "wie alle Heiden". 1.Samuel 8,5. Gottes Erziehungsplan wurde beiseite gesetzt, sein Herrschaftsanspruch geleugnet. Ez54 44 1 Mit der Verwerfung der Wege Gottes zugunsten menschlicher Praktiken begann der Niedergang Israels. Er vollendete sich folgerichtig, bis das jüdische Volk eine Beute eben jener Nationen wurde, deren Beispiel es nachgeeifert hatte. Ez54 44 2 Als Volk konnten die Kinder Israel nicht die Wohltaten empfangen, die Gott für sie bereithielt. Sie würdigten seine Absicht nicht oder wirkten nicht an deren Durchführung mit. Doch ob sich Einzelmenschen und Völker auf solche Weise von ihm trennen, sein Vorsatz bleibt für die Gläubigen unverändert. "Alles, was Gott tut, das besteht immer." Prediger 3,14. Ez54 44 3 Wohl gibt es verschiedene Stufen der Entwicklung und verschiedene Offenbarungen göttlicher Macht, um den Bedürfnissen der Menschen in den einzelnen Zeitabschnitten zu entsprechen, doch bleibt sich Gottes Werk jederzeit gleich. Der Lehrmeister ist derselbe. Gottes Wesen und sein Plan wandeln sich nicht. Bei ihm "ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis". Jakobus 1,17. Ez54 44 4 Die Erfahrungen Israels wurden uns zur Lehre aufgezeichnet. "Solches alles widerfuhr jenen zum Vorbilde; es ist aber geschrieben uns zur Warnung, auf welche das Ende der Welt gekommen ist." 1.Korinther 10,11. Wie bei Israel vor alters, so hängt auch bei uns der Erfolg der Erziehung von der Treue ab, mit der wir den Plan des Schöpfers ausführen. Das Festhalten an den Grundsätzen des Wortes Gottes wird uns ebenso großen Segen bringen, wie es ihn dem hebräischen Volk vermittelt haben würde. ------------------------Kapitel 7: Aus dem Leben großer Männer Ez54 45 0 "Die Frucht des Gerechten ist ein Baum des Lebens." Ez54 45 1 Die biblische Geschichte bietet manches Beispiel für den Erfolg wahrer Erziehung. Sie weist viele vorbildliche Menschen auf, deren Charakter unter göttlicher Anleitung geformt wurde. Es waren Männer, deren Leben ihren Mitmenschen zum Segen gereichte und die Gott ehrenvoll auf Erden vertraten. Joseph und Daniel befinden sich darunter, Mose, Elisa und Paulus -- die größten Staatsmänner, der weiseste Gesetzgeber, einer der gewissenhaftesten Reformatoren und -- abgesehen von dem, der redete wie nie ein Mensch -- der berühmteste Lehrer, den diese Welt gekannt hat. Ez54 45 2 Schon früh im Leben, gerade beim Übergang vom Jugend zum Mannesalter, wurden Joseph und Daniel aus ihren Heimen gerissen und als Gefangene in heidnische Länder gebracht. Besonders Joseph war den Versuchungen ausgesetzt, die große Wechselfälle des Geschicks begleiten. Daheim bei seinem Vater das zärtlich gehegte Kind, im Hause Potiphars ein Sklave, dann der Vertraute und Gefährte, der durch Studium, Beobachtung und Umgang mit Menschen gebildete Verwalter, in Pharaos Kerker ein zu Unrecht verurteilter Staatsgefangener ohne Hoffnung auf Rechtfertigung, ohne Aussicht auf Entlassung, in einer schweren Notzeit dann zum Führer der Nation berufen wie konnte er bei allem seine Redlichkeit bewahren? Ez54 45 3 Niemand kann gefahrlos auf stolzer Höhe stehen. Gleich dem Gewittersturm, der die Blume des Tales unversehrt läßt und den Baum auf dem Gipfel des Berges entwurzelt, überfallen den, der hohe Erfolgs und Ehrenstellungen in der Welt einnimmt, heftige Versuchungen, die den Niedrigstehenden unberührt lassen. Aber Joseph bestand die Probe der Widerwärtigkeiten ebenso wie die des Glückes. Er bewies im Palast der Pharaonen die gleiche Treue wie in der Gefängniszelle. Ez54 46 1 In seiner Kindheit war Joseph die Liebe zu Gott und die Ehrfurcht vor ihm eingeprägt worden. Oft hatte man ihm im Zelte seines Vaters, unter dem syrischen Sternenhimmel, von der nächtlichen Vision bei Bethel erzählt von der Himmelsleiter, von den auf und niedersteigenden Engeln und von dem, der sich von dem Throne aus der Höhe Jakob offenbarte. Man hatte ihm auch von der kämpferischen Begegnung am Jabbok berichtet, aus der Jakob durch den Verzicht auf bisher gehegte Sünden als Überwinder hervorgegangen war und dann den Titel eines Fürsten Gottes erhalten hatte. Ez54 46 2 Das reine und einfache Leben des Hirtenknaben, der die Herden seines Vaters hütete, hatte bei Joseph die Entwicklung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten günstig beeinflußt. Die Begegnung mit Gott durch die Natur und durch das Studium der großen Wahrheiten, die als heiliges Vermächtnis vom Vater auf den Sohn übergingen, verlieh ihm Stärke des Geistes und Grundsatzfestigkeit. Ez54 46 3 In der größten Krise seines Lebens, als er jene schreckliche Reise von der Stätte seiner Kindheit in Kanaan nach dem Diensthause, das seiner in Ägypten wartete, machte und den Hügeln, die die Zelte seiner Angehörigen verbargen, einen letzten Blick zuwarf, da erinnerte sich Joseph an den Gott seines Vaters. Die Lehren der Kindheit fielen ihm wieder ein, und seine Seele durchbebte der Entschluß, sich als treu zu erweisen, ja, immer so zu handeln, wie es einem Untertan des himmlischen Königs geziemt. Ez54 46 4 Joseph teilte dann das bittere Los eines Sklaven und Fremdlings. Er sah und hörte alle Äußerungen des Lasters, erlebte alle Verlockungen eines heidnischen Götzendienstes, der sich mit allen Reizen der Kultur und des Reichtums und mit königlichem Pomp umgab. Dennoch blieb er standhaft. Er hatte gelernt, was Pflichttreue bedeutet. Durch Gewissenhaftigkeit in jeder Stellung -- von der niedrigsten bis zur gehobensten reiften all seine Anlagen zu höchster Verwendungsfähigkeit. Ez54 46 5 Zu der Zeit, als er an den Hof Pharaos gerufen wurde, war Ägypten die berühmteste aller Nationen. In Kultur, Kunst und Gelehrsamkeit war sie unübertroffen. Joseph lenkte die Staatsgeschäfte in einer Zeit äußerster Schwierigkeit und Gefahr; doch er tat dies auf eine Weise, die ihm das Vertrauen des Königs und des Volkes verschaffte. Pharao machte ihn zum "Herrn über sein Haus, zum Herrscher über alle seine Güter daß er seine Fürsten unterwiese nach seiner Weise und seine Ältesten Weisheit lehrte". Psalm 105,21.22. Höhere Eingebung hat uns das Lebensgeheimnis Josephs kundgetan. Als Jakob den Segen über seine Kinder aussprach äußerte er in Worten von göttlicher Kraft und Schönheit folgendes über seinen liebsten Sohn: Ez54 47 1 "Joseph wird wachsen, Er wird wachsen wie ein Baum an der Quelle, Daß die Zweige emporsteigen über die Mauer. Und wiewohl ihn die Schützen erzürnen und wider ihn kriegen und ihn verfolgen, So bleibt doch sein Bogen fest Und die Arme seiner Hände stark Durch die Hände des Mächtigen in Jakob ... Von deines Vaters Gott ist dir geholfen, Und von dem Allmächtigen bist du gesegnet Mit Segen oben vom Himmel herab, Mit Segen von der Tiefe, die unten liegt ... Die Segen deines Vaters gehen stärker Denn die Segen meiner Voreltern Nach Wunsch der Hohen in der Welt, Und sollen kommen auf das Haupt Josephs Und auf den Scheitel des Geweihten unter seinen Brüdern." 1.Mose 49,22-26. Ez54 47 2 Treue zu Gott, Glaube an den Unsichtbaren hierin war Josephs Leben verankert, hier lag das Geheimnis seiner Kraft: Ez54 47 3 ... Und die Arme seiner Hände stark durch die Hände des Mächtigen in Jakob ... Ez54 48 1 Daniel und seine Gefährten zu Babylon waren in ihrer Jugend offenbar mehr vom Glück begünstigt als Joseph in den ersten Jahren seines Aufenthalts in Ägypten. Doch sie wurden kaum weniger harten Charakterproben unterworfen. Aus der verhältnismäßig schlichten Umgebung ihrer judäischen Heimat wurden diese jungen Leute aus königlichem Geschlecht in die prächtigste aller Städte, an den Hof des größten Monarchen versetzt. Man suchte sie aus, um sie zu besonderem Dienst beim König auszubilden. Schwer waren die Versuchungen, die sie an jenem lasterhaften und verschwenderischen Hofe umgaben. Die Tatsache, daß sie, die Anbeter Jahwes Gefangene Babels waren, daß man die Gefäße aus dem Hause Gottes in den Tempel der babylonischen Götter gebracht hatte, daß sich der König von Israel selbst als Gefangener in den Händen der Babylonier befand, wurde protzig von den Siegern als Beweis dafür angeführt, daß ihre Religion und ihr Brauchtum dem Glauben und den Sitten der Hebräer überlegen seien. Unter solchen Umständen: durch eben die Demütigungen, die Israels Abweichen von den Geboten heraufbeschworen hatte, hindurch, bezeugte Gott Babylon seine Oberherrschaft, die Heiligkeit seiner Forderungen und die unausbleibliche Frucht des Gehorsams. Dieses Zeugnis gab er, wie es einzig und allein geschehen konnte, durch die Menschen, die immer noch an ihrer Treue zu ihm festhielten. Ez54 48 2 Gleich zu Anfang ihrer Laufbahn kam es für Daniel und seine Gefährten zu einer entscheidenden Probe. Die Anweisung, daß ihre Nahrung vom königlichen Tisch geliefert werden sollte, war ein Ausdruck der Gunst des Königs und seiner Besorgtheit um ihr Wohlergehen. Da jedoch ein Teil der Gerichte den Götzen dargebracht wurde, war die Speise von des Königs Tisch der Abgötterei geweiht. Durch die Entgegennahme der königlichen Gunst hätten diese jungen Leute den Anschein erweckt, als ob sie sich seiner Huldigung falscher Götter anschlössen. Die Treue zu Jahve verbot ihnen, an solcher Ehrenbezeigung teilzunehmen. Auch wagten sie es nicht, sich den entnervenden Folgen von Schwelgereien und Zerstreuungen für ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung auszusetzen. Daniel und seine Gefährten waren in den Grundsätzen des Wortes Gottes gewissenhaft unterrichtet worden. Sie hatten gelernt, das Irdische dem Göttlichen zu opfern und die höchsten Güter zu erstreben. Und sie ernteten auch den Lohn. Ihre ständig geübte Mäßigkeit und ihr Sinn für ihre Verantwortung als Beauftragte Gottes führten zu edelster Entfaltung der körperlichen, geistigen und seelischen Anlagen. Nach Abschluß ihrer Ausbildung, als sie mit weiteren Anwärtern geprüft wurden, ob sie einer Ehrenstellung im Königreich würdig wären, "ward unter allen niemand gefunden, der Daniel, Hananja, Misael und Asarja gleich wäre". Daniel 1,19. Ez54 49 1 Am Hofe zu Babylon waren Vertreter aller Länder versammelt, Männer von auserlesenstem Talent, Leute, die sehr reich mit natürlichen Gaben ausgestattet waren und über die höchste Bildung verfügten, die diese Welt verleihen konnte; doch unter ihnen allen fanden die hebräischen Gefangenen nicht ihresgleichen. An körperlicher Kraft und Schönheit, an Geistesschärfe und Gelehrsamkeit nahm es niemand mit ihnen auf. "Und der König fand sie in allen Sachen, die er sie fragte, zehnmal klüger und verständiger denn alle Sternseher und Weisen in seinem ganzen Reich." Daniel 1,20. Ez54 49 2 Daniel wankte nicht in seiner Treue Gott gegenüber und war unnachgiebig in der Beherrschung des eigenen Ichs. So gewannen ihm sein edles Auftreten und seine höfliche Ehrerbietung schon in jungen Jahren die "Gunst" und "Gnade" des heidnischen Beamten, unter dessen Obhut er sich befand. Dieselben Züge prägten auch sein ganzes Leben. Rasch rückte er in die Stellung des ersten Ministers im Königreich auf. Während der Regierungszeit aufeinanderfolgender Monarchen, während des Niedergangs der Nation und der Gründung eines Rivalenreiches offenbarte er solch große Weisheit und staatsmännische Kunst, so viel Takt, Höflichkeit und echte Herzensgüte, die sich mit Grundsatztreue paarten, daß sogar seine Feinde gestehen mußten, "daß man keine Schuld noch Übeltat an ihm finden mochte", "denn er war treu". Daniel 6,5. Ez54 50 1 Während Daniel sich mit unerschütterlichem Vertrauen an Gott klammerte, kam der Geist der Prophetie über ihn. Von Menschen wurde er ausgezeichnet, indem man ihm die Verantwortlichkeiten des Hofes übertrug und ihn in die Staatsgeheimnisse einweihte. Gott aber ehrte ihn als seinen Gesandten und befähigte ihn, die Rätsel kommender Zeitalter zu deuten. Heidnische Monarchen sahen sich durch den Umgang mit dem Botschafter des Himmels gezwungen, den Gott Daniels anzuerkennen. "Es ist kein Zweifel", erklärte Nebukadnezar, "euer Gott ist ein Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige, der da kann verborgene Dinge offenbaren." Und Darius pries in seiner öffentlichen Botschaft an "alle Völker, Leute und Zungen auf der ganzen Erde ... den Gott Daniels" als den "lebendigen Gott, der ewiglich bleibt, und sein Königreich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende", der "ein Erlöser und Nothelfer" ist und "Zeichen und Wunder" tut "im Himmel und auf Erden". Daniel 2,47; Daniel 6,26-28. Ez54 50 2 Durch ihre Weisheit und Gerechtigkeit, durch die Reinheit und den wohltätigen Einfluß ihres täglichen Lebens, durch ihr eifriges Bedachtsein auf das Wohl der Menschen, die ihrerseits ja Götzen anbeteten, bewiesen Joseph und Daniel ihre Treue zu den Grundsätzen ihrer früheren Erziehung und zu Gott, dessen Vertreter sie waren. Sowohl in Ägypten als auch in Babylon ehrte eine ganze Nation diese Männer; das betreffende heidnische Volk und all die andern Völkerschaften, mit denen es in Verbindung stand, erlebten an ihnen beispielhaft die Güte und Barmherzigkeit Gottes und auch die Liebe Christi. Ez54 50 3 Welch ein Lebenswerk vollbrachten doch diese edlen Hebräer! Wie wenig ahnten sie von ihrer hohen Bestimmung, als sie ihrem Vaterhause Lebewohl sagten! Treu und standhaft unterstellten sie sich der göttlichen Führung, so daß Gott seine Absicht durch sie erfüllen konnte. Ez54 50 4 Dieselben machtvollen Wahrheiten, die durch diese Männer enthüllt wurden, möchte Gott so gerne durch die Jugendlichen und Kinder unserer Tage offenbaren. Die Geschichte Josephs und Daniels ist ein Beispiel dafür, was er für jene tun will, die sich ihm übergeben und von ganzem Herzen seine Pläne auszuführen suchen. Ez54 51 1 Was die Welt am nötigsten braucht, das sind Männer, Männer, die sich nicht kaufen noch verkaufen lassen, Männer von innerster Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit, Männer, die sich nicht fürchten, die Sünde bei ihrem rechten Namen zu nennen, Männer, deren Gewissen so genau zur Pflicht steht wie die Magnetnadel zum Pol, Männer, die für das Recht eintreten und ob auch der Himmel einstürzte. Ez54 51 2 Aber ein solcher Charakter ist nicht das Ergebnis des Zufalls; man verdankt ihn nicht einer besonderen Gunst oder Gabe der Vorsehung. Ein edler Charakter ist die Frucht der Selbstbeherrschung, der Unterwerfung unserer niederen Natur unter die höhere, der Übergabe des eigenen Ichs zum Dienst der Liebe an Gott und Menschen. Ez54 51 3 Der Jugend muß die Wahrheit eingeprägt werden, daß ihre Gaben nicht ihr eigen sind. Kraft, Zeit und Verstand sind nur geliehene Schätze. Sie gehören Gott, und jeder Jugendliche sollte entschlossen sein, sie zu höchstem Nutzen einzusetzen; stellt er doch einen Zweig dar, von dem Gott Frucht erwartet; einen Haushalter, dessen Kapital Erträge abwerfen muß; ein Licht, das die dunkle Welt erleuchten soll. Ez54 51 4 Jeder junge Mensch, jedes Kind hat zur Ehre Gottes und zur Hebung der Menschheit eine Aufgabe zu erfüllen. Ez54 51 5 Der Prophet Elisa verbrachte seine Jugend in der Stille ländlichen Lebens, wo Gott und die Natur seine Lehrer waren und nützliche Arbeit ihn in zuchtvolle Bahnen lenkte. In einer Zeit fast allgemeinen Abfalls gehörte seine väterliche Familie zu der Zahl derer, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt hatten. Sie nannte ein Heim ihr eigen, wo Gott geehrt wurde und wo Pflichttreue selbstverständlich war. Ez54 52 1 Als Sohn eines wohlhabenden Bauern hatte Elisa die Tätigkeit ergriffen, die am nächsten lag. Obgleich er Führerfähigkeiten besaß, wurde er dazu angehalten, alle vorkommenden Arbeiten zu verrichten. Um weise anleiten zu können, mußte er Gehorsam lernen. Durch Treue im Kleinen bereitete er sich für gewichtige Verantwortungen vor. Ez54 52 2 Elisa war demütigen und sanften Gemüts, aber er besaß auch Energie und Standhaftigkeit. Liebe zu Gott und Ehrfurcht vor ihm galten ihm viel, und durch die schlichte Erfüllung seiner täglichen Pflichten bildeten sich Zielstrebigkeit und Seelenadel bei ihm heraus. Dabei nahm er zu an göttlicher Gnade und Erkenntnis. Während er dem Vater bei seinem Tagewerk half, lernte er gleichzeitig, mit Gott zusammenzuwirken. Ez54 52 3 Der Ruf zum Propheten erreichte Elisa, während er mit den Knechten seines Vaters auf dem Felde pflügte. Als Elia, der unter der Leitung Gottes nach einem Nachfolger ausschaute, seinen Mantel über die Schultern des jungen Mannes warf, verspürte Elisa den Ruf und gehorchte. Er "folgte Elia nach und diente ihm". 1.Könige 19,21. Zunächst war es nichts Großes, was von Elisa erwartet wurde; noch mußte er sich belanglosen Alltagsmühen unterziehen. Es wird von ihm berichtet, daß er Wasser auf die Hände Elias, seines Meisters, goß. Als persönlicher Begleiter des Propheten erwies er sich weiterhin treu in kleinen Dingen, während er sich mit wachsender Zielstrebigkeit dem Auftrag hingab, der ihm von Gott geworden war. Ez54 52 4 Gleich bei seiner Berufung war seine Entschlossenheit auf die Probe gestellt worden. Als er sich umwandte, um Elia zu folgen, hatte ihm der Prophet befohlen, nach Hause zurückzukehren. Er sollte die Kosten überschlagen und für sich selbst entscheiden, ob er den Ruf annahm oder zurückwies. Doch Elisa begriff die Bedeutung der Stunde. Um keines weltlichen Vorteils willen wollte er die Möglichkeit, ein Bote Gottes zu werden, drangeben oder auf das Vorrecht verzichten, mit des Herrn Diener Seite an Seite zu wirken. Ez54 52 5 Als die Zeit verging und Elia auf die Entrückung vorbereitet wurde, wurde auch Elisa als Nachfolger ausgerüstet. Und wieder wurden sein Glaube und seine Entschlossenheit geprüft. Während er Elia bei dessen Prophetendiensten begleitete und wußte, daß der Wechsel bald eintreten werde; wurde er wiederholt von dem Mann Gottes aufgefordert, umzukehren. "Bleib doch hier", sagte Elia, "denn der Herr hat mich gen Bethel gesandt." Aber Elisa hatte bei seiner früheren Arbeit am Pflug gelernt, weder zu versagen noch aufzugeben; und nun, da er in einem anderen Sinne die Hand an den Pflug gelegt hatte, wollte er sich nicht von seinem Vorsatz abbringen lassen. Sooft die Aufforderung an ihn erging, umzukehren, war seine Antwort: "So wahr der Herr lebt und deine Seele, ich verlasse dich nicht." 2.Könige 2,2. Ez54 53 1 "Und gingen die beiden miteinander; ... aber die beiden standen am Jordan. Da nahm Elia seinen Mantel und wickelte ihn zusammen und schlug ins Wasser; das teilte sich auf beide Seiten, daß die beiden trocken hindurchgingen. Und da sie hinüberkamen, sprach Elia zu Elisa: Bitte, was ich dir tun soll ehe ich von dir genommen werde. Elisa sprach: Daß mir werde ein zwiefältig Teil von deinem Geiste. Er sprach: Du hast ein Hartes gebeten. Doch, so du mich sehen wirst, wenn ich von dir genommen werde, so wird's ja sein; wo nicht, so wird's nicht sein. Und da sie miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden voneinander; und Elia fuhr also im Wetter gen Himmel. Ez54 53 2 Elisa aber sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater, Wagen Israels und seine Reiter! und sah ihn nicht mehr. Und er faßte seine Kleider und zerriß sie in zwei Stücke und hob auf den Mantel Elia's, der ihm entfallen war, und kehrte um und trat an das Ufer des Jordans und nahm den Mantel Elia's, der ihm entfallen war, und schlug ins Wasser und sprach: Wo ist nun der Herr, der Gott Elia's ? und schlug ins Wasser; da teilte sich's auf beide Seiten, und Elisa ging hindurch. Und da ihn sahen der Propheten Kinder, die gegenüber zu Jericho waren, sprachen sie: Der Geist Elia's ruht auf Elisa; und gingen ihm entgegen und fielen vor ihm nieder zur Erde." 2.Könige 2,6-15. Ez54 54 1 Fortan nahm Elisa die Stelle Elias ein. Und er, der im Geringsten treu gewesen war, erwies sich auch im Großen treu. Elia, der Mann der Stärke, war Gottes Werkzeug bei der Beseitigung ungeheurer Übelstände gewesen. Die Abgötterei, die, von Ahab und der heidnischen Isebel gefördert, das Volk verführt hatte, war ausgerottet worden. Baals Propheten hatte der Tod ereilt. Das ganze Volk Israel war tief aufgewühlt worden, und viele wandten sich wieder der Anbetung Gottes zu. Als Nachfolger Elias tat jemand not, der Israel in sorgfältiger, geduldiger Unterweisung sicher leiten konnte. Elisas frühe gottgelenkte Erziehung hatte ihn für dieses Werk vorbereitet. Ez54 54 2 Wir alle können daraus lernen. Keiner kann wissen, was Gott mit ihm vorhat, wenn er ihn in seine Schule nimmt; aber jeder mag sicher sein, daß Treue im Kleinen den Beweis dafür liefert, daß man größeren Verantwortungen gewachsen ist. Jede Handlung im Leben offenbart den Charakter, und nur den, der sich in kleinen Pflichten als ein "rechtschaffener und unsträflicher Arbeiter" erweist, ehrt Gott, indem er ihn mit Schwererem betraut. Ez54 54 3 Jünger als Joseph oder Daniel war Mose, als er der schützenden Obhut seines Elternhauses entzogen wurde; doch schon hatten dieselben Mächte, die das Leben jener gestalteten, dem seinen die Form gegeben. Nur zwölf Jahre verbrachte er bei seinen hebräischen Angehörigen; aber während dieser Zeit wurde der Grund zu seiner Größe gelegt, und zwar durch die Hand einer Person, von der das Ruhmesblatt nicht viel zu berichten weiß. Ez54 54 4 Jochebed war Frau und Sklavin. Ein bescheidenes Los fiel ihr im Leben zu, ihre Bürde wog schwer. Doch mit Ausnahme Marias von Nazareth hat die Welt durch keine Frau größeren Segen erfahren. Da sie wußte, daß sie ihr Kind bald aus ihrer Pflege in die Vormundschaft derer, die Gott nicht kannten, übergeben mußte, bemühte sie sich um so mehr, seine Seele mit dem Himmel zu verbinden. Sie suchte Liebe und Treue zu Gott in sein Herz einzupflanzen. Und dieses Werk wurde auch gewissenhaft zu Ende geführt. Kein späterer Einfluß konnte Mose dazu bewegen, den Wahrheitsgrundsätzen abzusagen, die seiner Mutter ein erzieherisches Anliegen waren und die sie selbst vorlebte. Ez54 55 1 Aus dem bescheidenen Heim in Gosen kam der Sohn Jochebeds in den Palast des Pharao, zu der ägyptischen Prinzessin, die ihn als lieben und werten Sohn willkommen hieß. In den Schulen Ägyptens erhielt Mose die höchste Ausbildung für Frieden und Krieg. Er übte große, persönliche Anziehungskraft aus, war edel in Aussehen und Gestalt, legte einen gebildeten Geist und fürstliches Gebaren an den Tag und zeichnete sich als militärischer Führer aus; er war der Stolz der Nation. Der König von Ägypten war auch zugleich Priester, und Mose wurde, obwohl er sich weigerte, an dem heidnischen Gottesdienst teilzunehmen, in alle Geheimnisse der ägyptischen Religion eingeweiht. Da Ägypten zu jener Zeit die mächtigste und höchstzivilisierte aller Nationen war, hatte Mose als der zukünftige Herrscher die Anwartschaft auf die höchsten Würden, die diese Welt verleihen konnte. Aber er traf eine edlere Wahl. Um der Ehre bei Gott und der Befreiung seines geknechteten Volkes willen gab Mose alle Ehren Ägyptens daran. Daraufhin übernahm Gott in einem besonderen Sinn seine Erziehung. Ez54 55 2 Denn noch war Mose für sein Lebenswerk nicht vorbereitet. Noch mußte er es lernen, sich ganz auf göttliche Kraft zu verlassen. Er hatte Gottes Absicht mißverstanden und hoffte Israel durch Waffengewalt zu befreien. Dafür setzte er alles ein, und es mißlang ihm. Niederlage und Enttäuschung machten ihn zum Flüchtigen und Verbannten auf fremder Erde. Ez54 55 3 In der Wüste Midian verbrachte Mose vierzig Jahre als Schafhirte. Er schien für immer von seinem Lebensauftrag abgeschnitten zu sein und erhielt doch die notwendige Erziehung, um ihn zu erfüllen. Die Weisheit zur Lenkung einer unwissenden und undisziplinierten Menge mußte durch Selbstbeherrschung erworben werden. Indem er für die Schafe und die zarten Lämmer sorgte, sollte er sich die Erfahrung aneignen, die ihn zum treuen, langmütigen Hirten Israels machen konnte. Um in der Vollmacht Gottes zu handeln, mußte er von diesem lernen. Ez54 56 1 Die Einflüsse, die ihn in Ägypten umgeben hatten: die Zuneigung seiner Pflegemutter, seine eigene Stellung als Enkel des Königs, die Verschwendung und das Laster, das in tausenderlei Gestalt lockte, die überfeinerte, ausgeklügelte Lebensweise und das Geheimnisvolle einer falschen Religion hatten ihren Eindruck auf seinen Geist und Charakter hinterlassen. In der strengen Einfachheit der Wildnis verflüchtigte sich das alles. Ez54 56 2 Inmitten der feierlich majestätischen Bergeinsamkeit war Mose mit Gott allein. Überall stieß er auf die Spuren des Schöpfers. Es schien Mose, als ob er sich in Gottes Gegenwart befände und von seiner Macht überschattet sei. Hier schwand jegliche Selbstherrlichkeit. In der Gegenwart des Unendlichen erkannte er, wie schwach, wie unvermögend, wie kurzsichtig doch der Mensch ist. Ez54 56 3 Hier erlangte Mose etwas, was ihn in all den Jahren seines mühevollen und sorgenbeladenen Lebens nie wieder verließ, das Bewußtsein der persönlichen Gegenwart des Allmächtigen. Er sah nicht nur über die Jahrhunderte hinweg dem im Fleisch geoffenbarten Christus entgegen; er erschaute ihn auch, wie er das Heer Israels auf all seinen Zügen begleitete. Als man ihn selbst mißverstand und mißdeutete, als er Vorwürfen und Beleidigungen oder der Gefahr und dem Tod ausgesetzt war, konnte er das alles ertragen, "als sähe er ihn", "den er nicht sah". Hebräer 11,27. Ez54 56 4 Mose dachte nicht nur an Gott, er sah ihn auch. Beständig schwebte ihm das Bild des Höchsten vor der Seele. Unablässig blickte er zu ihm empor. Ez54 56 5 Für Mose war der Glaube kein Mutmaßen, er war für ihn Wirklichkeit. Er glaubte, daß Gott sein Leben in besonderer Weise lenkte, und bejahte sein Wirken in jedem Einzelfall. Er vertraute auf den Herrn, daß er ihm Kraft geben würde, allen Versuchungen zu widerstehen. Ez54 57 1 Ihn verlangte danach, das ihm zugewiesene große Werk im höchsten Sinne zum Erfolg zu führen, und er setzte daher sein ganzes Vertrauen auf die göttliche Macht. Er fühlte, daß ihm Hilfe not tat, betete darum, ergriff sie im Glauben und schritt in der Gewißheit, über tragende Kräfte zu verfügen, voran. Ez54 57 2 Das war das Ergebnis seiner vierzigjährigen Schulung in der Wüste. Die unendliche Weisheit erachtete weder die Zeit für zu lang noch den Preis für zu hoch, um ein derartiges Erfahrungswissen mitzuteilen. Ez54 57 3 Die Auswirkung dieser Erziehung und der dabei erteilten Lehren ist nicht nur unzertrennlich mit der Geschichte Israels verflochten, sondern auch mit allem, was seit jenen Tagen bis heute an Fortschritt unter der Menschheit zu verzeichnen ist. Die höchste Bezeugung der Größe Moses liegt in dem Urteil, das als Offenbarungswort über sein Leben gefällt wurde: "Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, den der Herr erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht." 5.Mose 34,10. Ez54 57 4 Zum Glauben und der Erfahrung der galiläischen Jünger, die Jesus begleitet hatten, gesellten sich im Werk der Evangeliumsverkündigung der feurige Schwung und die Verstandeskraft eines Rabbis von Jerusalem. Als römischer Bürger war er in einer heidnischen Stadt geboren; Jude war er nicht nur durch Abstammung, sondern auch auf Grund lebenslanger Schulung, patriotischen Eifers und religiöser Einstellung; in Jerusalem hatte ihn der hervorragendste Rabbi erzogen und in allen Gesetzen und Überlieferungen der Väter unterwiesen. So teilte Saulus von Tarsus denn weitestgehend den Stolz und die Vorurteile seiner Nation. Schon als junger Mann wurde er ein angesehenes Mitglied des Hohen Rates. Man hielt ihn für einen vielversprechenden Menschen, für einen eifrigen Verfechter des überkommenen Glaubens. Ez54 57 5 In den theologischen Schulen Judäas war das Wort Gottes zugunsten menschlicher Spekulationen beiseite gesetzt worden. Die Auslegungen und Überlieferungen der Rabbiner hatten es seiner Kraft beraubt. Ehrgeiz, Herrschsucht, eifersüchtige Rechthaberei, Blindgläubigkeit und verächtlicher Stolz waren die Triebfedern und hervorstechenden Züge bei diesen Lehrern. Nicht nur den Angehörigen anderer Nationen, sondern auch der Masse ihres eigenen Volkes gegenüber taten sich die Rabbis etwas auf ihre Überlegenheit zugute. In ihrem wilden Haß gegen die römischen Unterdrücker waren sie fest entschlossen, die nationale Oberhoheit mit Waffengewalt wieder zu erlangen. Die Nachfolger Jesu, deren Friedensbotschaft ihren ehrgeizigen Machenschaften so entgegenstand, haßten und töteten sie. Bei dieser Verfolgung tat sich Saulus durch besondere Härte und Unerbittlichkeit hervor. Ez54 58 1 In den Kriegsschulen Ägyptens war Mose das Gesetz der Gewalt gelehrt worden. Dieser Unterricht hatte einen solch starken Einfluß auf seinen Charakter ausgeübt, daß es vierzig Jahre der Ruhe und der Gemeinschaft mit Gott und der Natur bedurfte, um ihn dazu fähig zu machen, Israel durch das Gesetz der Liebe zu führen. Paulus nun hatte die gleiche Schule zu durchlaufen. Ez54 58 2 Vor den Toren von Damaskus bekam sein ganzes Leben durch die Erscheinung des Gekreuzigten eine andere Richtung. Aus dem Verfolger wurde ein Jünger, aus dem Lehrer ein Lernender. Die lichtlosen Tage, die er in der Abgeschlossenheit zu Damaskus verbrachte, dünkten ihn in seinem Erleben wie Jahre. Er durchforschte die in seinem Gedächtnis aufgespeicherten Schriftabschnitte des Alten Testaments, und Christus war dabei sein Lehrer. Auch ihm wurde die Einsamkeit der Natur zu einer Schule. Er zog sich in die Wüste Arabiens zurück, um dort die Schrift zu erforschen und von Gott zu lernen. Er befreite sein Inneres von den Vorurteilen und Überlieferungen, die sein Leben gestaltet hatten, und Belehrung floß ihm vom Urquell der Wahrheit zu. Ez54 58 3 Sein späteres Leben war einzig von dem Grundsatz der Selbstaufopferung, von dienender Liebe, durchdrungen. Er sagte: "Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Ungriechen, der Weisen und der Unweisen." "Denn die Liebe Christi dringt uns also." Römer 1,14; 2.Korinther 5,14. Ez54 59 1 Obwohl Paulus der größte irdische Lehrer war, bequemte er sich ebenso zum niedrigsten Dienst wie zum höchsten. Er erkannte, daß die körperliche Arbeit ebenso notwendig ist wie die geistige, und verdiente sich mit einem Handwerk seinen Unterhalt. Er ging seiner Zeltmacherarbeit nach und predigte dabei täglich das Evangelium in den großen Kulturzentren. "Denn ihr wisset selber", sagte er beim Abschied von den Ältesten zu Ephesus, "daß mir diese Hände zu meiner Notdurft und derer, die mit mir gewesen sind, gedient haben." Apostelgeschichte 20,34. Ez54 59 2 Paulus besaß hohe Geistesgaben, aber sein Leben zeugte außerdem von einer noch selteneren Weisheit. Grundwahrheiten von tiefster Bedeutung, fundamentale Leitsätze, über die die größten Geister seiner Zeit nichts wußten, durchziehen seine Lehren und durchwalten sein Leben. Er besaß jene höchste Weisheit, die Schärfe des Blicks und Einfühlungsvermögen verleiht, die die Verbindung von Mensch zu Mensch schafft, die dazu befähigt, das bessere Ich in den anderen zu wecken und sie für ein höheres Leben zu begeistern. Ez54 59 3 Man lausche nur seinen Worten vor den heidnischen Bewohnern Lystras, wie er auf den in der Natur geoffenbarten Gott, auf die Quelle alles Guten hinwies, die uns "vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben" und "unsere Herzen erfüllt" hat "mit Speise und Freude". Apostelgeschichte 14,17. Ez54 59 4 Man sehe ihn im Kerker zu Philippi, wo sein Loblied die Mitternachtsstille durchbrach, obwohl ihn körperlicher Schmerz peinigte. Nachdem das Erdbeben die Tore des Gefängnisses gesprengt hatte, vernahm man aufs neue seine Stimme, wie sie den heidnischen Kerkermeister mit freundlichen Worten ermutigte: "Tu dir nichts Übles; denn wir sind alle hier" (Apostelgeschichte 16,28), und jedermann blieb an seinem Platze, zurückgehalten durch die Gegenwart eines Mitgefangenen. Und der Kerkermeister, vom Wirklichkeitsgehalt des Glaubens überzeugt, der Paulus aufrecht erhielt, fragte nach dem Weg des Heils und trat mit seinem ganzen Hause zur verfolgten Schar der Jünger Christi über. Ez54 60 1 Man vergegenwärtige sich Paulus in Athen vor der Ratsversammlung auf dem Areopag, wie er der Wissenschaft mit Wissenschaft, der Logik mit Logik, der Philosophie mit Philosophie entgegentrat. Man beachte, wie er mit aus göttlicher Liebe geborenem Takt auf Jahve als den "unbekannten Gott" hinwies, den seine Hörer unwissentlich angebetet hatten. In Worten, die einem ihrer Poeten entnommen sind, schilderte er ihn als einen Vater, dessen Kinder sie waren. Man höre ihn, wie er im Zeitalter des Kastengeistes, da die Menschenrechte völlig unbeachtet blieben, die große Wahrheit von der brüderlichen Verbundenheit aller Menschen aufzeigte. Erklärte er doch, daß Gott gemacht hat, "daß von einem Blute aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen". Dann zeigte er, wie das ganze Handeln Gottes mit den Menschen seine Gnadenabsicht und Barmherzigkeit einem goldenen Faden gleich durchzieht. Er "hat Ziel gesetzt und vorgesehen, wie lange und wie weit sie wohnen sollen; daß sie den Herrn suchen sollten, ob sie doch ihn fühlen und finden möchten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns". Apostelgeschichte 17,23.26.27. Ez54 60 2 Man höre ihn am Hofe des Festus, wo der König Agrippa, von der Wahrheit des Evangeliums überzeugt, ausrief: "Es fehlt nicht viel, du überredest mich, daß ich ein Christ würde." Mit welch zarter Höflichkeit antwortete Paulus doch, indem er auf seine Kette deutete: "Ich wünschte vor Gott, es fehle nun an viel oder wenig, daß nicht allein du, sondern alle, die mich heute hören, solche würden, wie ich bin, ausgenommen diese Bande." Apostelgeschichte 26,28.29. Ez54 60 3 So ging sein Leben dahin, wie er es mit eigenen Worten beschrieb: "Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch die Flüsse, in Gefahr durch die Mörder, in Gefahr unter den Juden, in Gefahr unter den Heiden, in Gefahr in den Städten, in Gefahr in der Wüste, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter den falschen Brüdern; in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße." 2.Korinther 11,26.27. Ez54 60 4 "Man schilt uns", sagte er, "so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir's; man lästert uns, so flehen wir"; "als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts innehaben, und doch alles haben." 1.Korinther 4,12; 2.Korinther 6,10. Ez54 61 1 Am Dienen fand er seine Freude, und als er am Schlusse eines mühevollen Lebens auf seine Kämpfe und Triumphe zurückblickte, konnte er sagen: "Ich habe einen guten Kampf gekämpft." 2.Timotheus 4,7. Ez54 61 2 Diese Charakterbilder sind von lebenswichtigem Interesse. Für niemand haben sie eine tiefere Bedeutung als für die Jugend. Mose verzichtete auf ein Königreich, das ihm winkte, Paulus auf Reichtum und Ehre unter seinem Volk mit allen Vorteilen um eines verantwortungsschweren Lebens willen im Dienste Gottes. Vielen erscheint das Dasein dieser Männer als ein einziger Verzicht und als ständiges Opfer. War das wirklich so? Mose achtete die Schmach Christi für höheren Reichtum als die Schätze Ägyptens. Er sah sie so an, weil das den Tatsachen entsprach. Paulus erklärte: "Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. Ja, ich achte es noch alles für Schaden gegen die überschwengliche Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet und achte es für Kot, auf daß ich Christum gewinne." Philipper 3,7.8. Er war mit seiner Wahl zufrieden. Ez54 61 3 Mose wurde der Palast des Pharao und der Thron des Monarchen angeboten; doch an diesen vornehmen Höfen herrschten die sündigen Freuden, die die Gedanken an Gott aus der Menschenseele verdrängen. Er wählte statt dessen "währendes Gut und Gerechtigkeit". Sprüche 8,18. Statt sich mit Ägyptens Größe zu verbinden, brachte er sein Leben mit Gottes Absicht in Einklang. Statt daß er Ägypten Gesetze gab, erließ er auf göttliche Anordnung Gesetze für die ganze Welt. Er wurde zum Werkzeug Gottes, indem er den Menschen Grundsätze vermittelte, die den Bestand von Familie und Gesellschaft gewährleisten, die den Eckstein völkischen Gedeihens bilden, und Richtlinien, die heutzutage von den Großen der Welt als die Grundlage alles Bewährten in der politischen Führung anerkannt werden. Ez54 62 1 Die Größe Ägyptens liegt im Staube. Seine Macht und seine Kultur sind vergangen. Aber das Werk des Mose kann niemals untergehen. Die erhabenen Grundpfeiler der Gerechtigkeit, die er aufrichten durfte, sind von ewiger Dauer. Ez54 62 2 Moses Leben voll Mühe und niederdrückender Sorge war durchstrahlt von der Gegenwart dessen, der "auserkoren" ist "unter vielen Tausenden" und der "ganz lieblich" ist. Hohelied 5,10.16. Mit Christus zog er durch die Wüste, mit ihm weilte er auf dem Berg der Verklärung, bei Christus wohnt er in den himmlischen Hallen. So war ihm ein segensreiches und gesegnetes Leben vergönnt, das in himmlischen Ehren seine Krönung erfuhr. Ez54 62 3 Auch Paulus wurde in vielerlei Mühsal durch die kraftspendende Gegenwart Christi aufrechterhalten. Er sagte: "Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus." "Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert? ... Aber in dem allem überwinden wir weit um des willen, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn." Philipper 4,13; Römer 8,35-39. Ez54 62 4 Doch es gibt eine zukünftige Freude, der Paulus als Lohn seiner Mühen entgegensah, dieselbe Seligkeit, um deretwillen Christus das Kreuz erduldete und der Schmach nicht achtete, die Freude, die Frucht seines Wirkens schauen zu dürfen. "Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhms?" schrieb er an die Bekehrten zu Thessalonich. "Seid nicht auch ihr es vor unserm Herrn Jesus Christus zu seiner Zukunft? Ihr seid ja unsere Ehre und Freude." 1.Thessalonicher 2,19.20. Ez54 62 5 Wer kann die Wirkung des Lebenswerkes des Paulus auf die Welt ermessen? Wieviel von all den wohltätigen Einflüssen, die das Leiden lindern, den Traurigen trösten und das Böse zurückdämmen, die die Seele aus Selbstsucht und Sinnlichkeit emporreißen und sie mit dem Hoffnungsstrahl der Unsterblichkeit durchglühen, sind den Bemühungen des Apostels Paulus und seiner Mitarbeiter zu verdanken, die mit dem Evangelium des Sohnes Gottes in aller Stille ihre Reise von Asien nach den Küsten Europas unternahmen? Ez54 63 1 Wie glücklich ist jeder Mensch zu schätzen, der von Gott zur Verbreitung solch segensreicher Einflüsse gebraucht wurde! Wie köstlich wird es in der Ewigkeit sein, die Früchte einer derartigen Lebensarbeit schauen zu dürfen! Ez54 63 2 "Es hat nie ein Mensch also geredet wie dieser Mensch." Johannes 7,46. ------------------------Kapitel 8: Der gottgesandte Lehrer Ez54 67 0 "Gedenke an ihn." Ez54 67 1 "Er heißt Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig Vater, Friedefürst." Jesaja 9,5. In dem von Gott gesandten Lehrer gab der Himmel den Menschen sein Bestes und Größtes. Er, der im Verein mit dem Höchsten zu Rate ging, der im innersten Heiligtum des Allmächtigen geweilt hatte, war dazu erwählt, der Menschheit Gott in Person zu offenbaren. Ez54 67 2 Durch Christus war jeder Strahl göttlichen Lichtes vermittelt worden, der jemals unsere gefallene Welt erreichte. Er war es gewesen, der zu allen Zeiten durch Menschen geredet hatte, die ihren Mitmenschen das Wort Gottes verkündigten. Jeder hervorragende Zug, der an den größten und edelsten Geistern der Erde in Erscheinung trat, spiegelte sein Wesen wider. Reinheit und Menschenfreundlichkeit waren es bei Joseph; Glaube, Sanftmut und große Geduld bei Mose. Elisa wies Standhaftigkeit auf, Daniel Redlichkeit und Festigkeit, Paulus glühenden Eifer und Selbstaufopferung. Kraft des Geistes und des Gemütes offenbarte sich in diesen Männern und in den andern Großen, die jemals über die Erde gingen. Aber all diese Wesenszüge waren nur ein Abglanz der Herrlichkeit Christi. In ihm nur fand man das vollkommene Ideal. Ez54 67 3 Christus kam in die Welt, um dieses Ideal als das einzig erstrebenswerte Ziel zu offenbaren. Er wollte zeigen, was aus jedem menschlichen Wesen werden kann, ja, was aus allen, die ihn annahmen, werden würde, wenn bei ihnen das Göttliche vom Menschlichen Besitz ergriffe. Er kam, um zu zeigen, wie man die Menschen ihrer göttlichen Abstammung gemäß erziehen soll, wie himmlische Grundsätze und himmlisches Leben auf Erden zu verwirklichen sind. Ez54 67 4 Gottes größte Gabe wurde dahingegeben, um der größten Not des Menschen abzuhelfen. Das Licht erschien, als die Dunkelheit der Welt am tiefsten war. Falsche Lehren hatten den Menschengeist lange Zeit von Gott abgewandt. In den herrschenden Erziehungssystemen war irdische Philosophie an die Stelle göttlicher Offenbarung getreten. Statt gottgegebenen Wahrheitssätzen waren die Menschen ihrem eigenen Denken gefolgt. Sie hatten sich vom Licht des Lebens abgekehrt, um in dem spärlichen Schein des Feuers zu wandeln, das sie selbst entzündet hatten. Ez54 68 1 Da sie sich von Gott getrennt und ihr Vertrauen nur auf menschliche Macht gesetzt hatten, verbarg sich unter ihrer Stärke nichts als Schwäche. Sie waren nicht einmal dazu imstande, das selbst aufgestellte Ideal zu erreichen. Den Mangel an wirklicher Größe suchte man durch Äußerlichkeiten und Protzentum wettzumachen. Der Schein trat an die Stelle des Echten. Ez54 68 2 Von Zeit zu Zeit standen Lehrer auf, die die Menschen auf den Urquell der Wahrheit hinwiesen. Es wurden zutreffende Grundsätze ausgesprochen, und die Lebensführung mancher Menschen zeugte von ihrer Kraft. Aber diese Bemühungen hinterließen keinen bleibenden Eindruck. Sie geboten dem Strom des Verderbens einen kurzen Einhalt, brachten aber seinen abschüssigen Lauf nicht zum Stehen. Die Reformatoren waren Lichtern gleich, die zwar in der Dunkelheit schienen, aber die Finsternis nicht vertreiben konnten. Die Welt liebte "die Finsternis mehr als das Licht". Johannes 3,19. Ez54 68 3 Als Christus auf die Erde kam, schien die Menschheit ihrem Tiefpunkt entgegenzueilen. Selbst die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft waren unterhöhlt. Das Leben war in Verkehrtheit und Unnatur ausgeartet. Ez54 68 4 Die Juden, denen die Kraft des Wortes Gottes abging, vermittelten der Welt geisttötende, seelenlose Überlieferungen und Theorien. Die Anbetung Gottes "im Geist und in der Wahrheit" war durch Menschenverherrlichung ersetzt worden, die in einer endlosen Runde selbstgeschaffener Zeremonien ihren Ausdruck fand. In der ganzen Welt büßten die religiösen Systeme ihre Wirkung auf Geist und Gemüt ein. Angewidert von Lüge und Irrtum suchten die Menschen ihr Denken zu betäuben und wandten sich dem Unglauben und dem Materialismus zu. Sie ließen die Ewigkeit außer Betracht und lebten für die Gegenwart. Ez54 69 1 Da sie dem Göttlichen keine Anerkennung mehr zollten, hörten sie auch auf, die Menschenwürde zu achten. Wahrhaftigkeit, Ehrgefühl, Lauterkeit, Vertrauen und Mitleid schwanden zusehends von der Erde. Hemmungslose Gier und verzehrender Ehrgeiz riefen ein Mißtrauen aller gegen alle hervor. Die Begriffe der Pflicht, der Menschenwürde und des Menschenrechts, das Empfinden für die Verpflichtung des Starken gegenüber dem Schwachen verwies man ins Reich der Träume und Fabeln. Das gewöhnliche Volk wurde wie ein Lasttier geachtet, oder man sah es als Werkzeug und Sprungbrett für ehrgeizige Pläne an. Reichtum und Macht, Bequemlichkeit und Genuß wurden als höchste Güter erstrebt. Körperliche Entartung, geistige Erstarrung und geistlicher Tod kennzeichneten das Zeitalter. Ez54 69 2 Da die schlimmen Leidenschaften und Absichten der Menschen den Höchsten aus ihrem Denken verbannten, neigten sie sich in ihrer Gottvergessenheit nur noch stärker dem Bösen zu. Das der Sünde ergebene Herz legte der Gottheit die eigenen Wesenszüge bei, und die so gewonnene Vorstellung verlieh der Sünde noch größere Macht. Bei ihrem Hang zur Selbstgefälligkeit kamen die Menschen schließlich dahin, Gott als einen ihresgleichen zu betrachten als ein Wesen, dessen Ziel Selbstverherrlichung war, dessen Forderungen eigener Lust dienten ein Wesen, das die Menschen erhob oder zu Boden warf, je nachdem sie für seine selbstischen Zwecke eine Hilfe oder ein Hindernis darstellten. Die unteren Volksschichten betrachteten den Allerhöchsten als einen Herrn, der sich kaum von ihren Bedrückern unterschied, nur daß er sie an Macht übertraf. Durch diese Vorstellungen wurden sämtliche Religionsformen geprägt. Jede einzelne stellte ein erpresserisches System dar. Mit Geschenken und Zeremonien suchten die Verehrer die Gottheit zu befriedigen, um sich ihre Gunst für eigene Zwecke zu sichern. Eine solche Religion, die keinen Einfluß auf Herz oder Gewissen ausübte, konnte nur eine monotone Aufeinanderfolge leerer Formen sein, deren die Menschen überdrüssig waren, und von denen sie, abgesehen von einem möglichen Gewinn, gerne frei geworden wären. So nahm das Übel ungebändigt an Stärke zu, während die Wertschätzung des Guten und die Sehnsucht danach immer mehr dahinschwanden. Die Menschen büßten ihre Gottebenbildlichkeit ein und wurden von der dämonischen Macht, die sie beherrschte, geprägt. Die ganze Welt war im Begriff, sich in einen Pfuhl des Verderbens zu verwandeln. Ez54 70 1 Es gab nur eine Hoffnung für das menschliche Geschlecht: daß in diese Masse von widerstreitenden und fäulniserregenden Elementen ein neuer Sauerteig geworfen wurde, daß jemand der Menschheit die Kraft zu einem neuen Leben brachte und daß die Erkenntnis Gottes der Welt wiedergeschenkt wurde. Ez54 70 2 Christus kam, um diese Erkenntnis zu erneuern. Er erschien, um die Irrlehren derer zu beseitigen, die Gott angeblich kannten, ihn aber in Wirklichkeit falsch dargestellt hatten. Er kam, um die Eigenart seines Gesetzes kundzutun, um die Schönheit heiligen Wesens in seinem eigenen Charakter zu offenbaren. Ez54 70 3 Christus ging mit dem Liebesreichtum der Ewigkeit in unsere Welt ein. Er räumte mit den ungebührlichen Forderungen auf, die das Gesetz Gottes zur Last gemacht hatten, und zeigte, daß es ein Gesetz der Liebe, ein Ausdruck göttlicher Güte ist. Er legte dar, daß im Gehorsam gegen seine Richtlinien das Glück der Menschheit, damit aber auch der sichere Bestand, die Wohlgegründetheit und der feste Halt der menschlichen Gesellschaft beschlossen liegt. Ez54 70 4 Gottes Gesetz ist also weit davon entfernt, willkürliche Forderungen zu erheben. Als Zaun, als Schild ist es dem Menschen gegeben. Wer seine Grundsätze annimmt, bleibt vor dem Bösen bewahrt. Treue zu Gott schließt auch Treue zu Menschen in sich. So gewährleistet das Gesetz die Rechte, den Eigenwert jedes menschlichen Wesens. Es hindert den Höhergestellten an der Ausübung von Druck und hält den Untergebenen vom Ungehorsam zurück. Es sichert das Wohlergehen des Menschen für diese und für die zukünftige Welt. Für den Gehorsamen bildet es das Unterpfand ewigen Lebens, denn es offenbart die Grundsätze, die für immer bestehen. Ez54 71 1 Christus kam, um den Wert der göttlichen Grundsätze dadurch sinnfällig zu machen, daß er ihre menschheitserneuernde Kraft offenbarte. Er kam, um zu lehren, wie diese Prinzipien entwickelt und angewandt werden sollen. Ez54 71 2 Die Menschen jener Zeit bewerteten alle Dinge nach dem Scheine. Da die Religion an Kraft eingebüßt hatte, war sie an Gepränge reicher geworden. Die Erzieher jener Tage suchten sich durch Pomp und äußerliches Gebaren Achtung zu verschaffen. Zu all dem bildete das Leben Jesu einen ausgesprochenen Gegensatz. Seine Haltung offenbarte die Wertlosigkeit jener Dinge, die die Menschen als das Wichtigste im Leben betrachteten. Er war in primitivster Umgebung geboren, teilte das Haus und die Kost eines Landmanns, den Beruf eines Handwerkers und lebte ein unbeachtetes Dasein, stellte sich also den vielen mühevoll Schaffenden dieser Welt gleich. Inmitten solcher Verhältnisse, in dieser Umwelt folgte Jesus dem göttlichen Erziehungsplan. Nach den Schulen seiner Zeit, die kleine Dinge vergrößerten und das Große verkleinerten, fragte er nicht. Seine Bildung floß ihm unmittelbar aus den vom Himmel verordneten Quellen zu: aus nützlicher Arbeit, aus dem Studium der Schrift und der Natur, aus den Erfahrungen des Lebens - also aus den Unterrichtsbüchern Gottes, die jedem Menschen, der sich ihnen mit williger Hand, mit sehenden Augen und mit verständigem Herzen naht, eine Fülle der Belehrung bieten. Ez54 71 3 "Aber das Kind wuchs und ward stark im Geist, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm." Lukas 2,40. Ez54 71 4 So vorbereitet machte er sich an die Erfüllung seiner Aufgabe, und immer, wenn er mit Menschen in Berührung kam, ging von ihm ein solch segensreicher Einfluß, eine solche umwandelnde Kraft aus, wie sie die Welt noch nie verspürt hatte. Ez54 72 1 Wer in der menschlichen Natur einen Wandel schaffen will, muß sie verstehen. Nur durch Mitgefühl, Glauben und Liebe kann man die Menschen erreichen und emporziehen. Hier offenbart sich Christus als der Meistererzieher. Von allen, die je auf Erden lebten, versteht er allein die menschliche Seele vollkommen. Ez54 72 2 "Wir haben" als großen Lehrmeister (denn die Priester waren Lehrer) "nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte Mitleid haben mit unsern Schwachheiten, sondern der versucht ist allenthalben gleichwie wir." Hebräer 4,15. Ez54 72 3 "Denn worin er gelitten hat und versucht ist, kann er helfen denen, die versucht werden." Hebräer 2,18. Ez54 72 4 Nur Christus kannte all die Kümmernisse und Anfechtungen, von denen menschliche Wesen heimgesucht werden, aus Erfahrung. Nie wurde einer, der vom Weibe geboren war, so heftig von der Versuchung bedrängt, nie trug einer so schwer an der Sünden und Schmerzenslast der Welt. Keinen hat es gegeben, dessen Mitgefühl so zart und so groß war. Er, der alles Menschliche miterlebte, konnte nicht nur für, sondern mit jedem einzelnen empfinden, der Lasten trug, der versucht war und einen Kampf führte. Ez54 72 5 Was er lehrte, lebte er auch aus. "Ein Beispiel habe ich euch gegeben", sagte er zu seinen Jüngern, "daß ihr tut, wie ich euch getan habe", "gleichwie ich meines Vaters Gebote halte". Johannes 13,15; Johannes 15,10. So wurden Christi Worte durch seinen Wandel beispielhaft erläutert und bekräftigt. Und mehr als dies: Er verkörperte, was er lehrte. In seinen Worten drückte sich nicht nur die eigene Lebenserfahrung, sondern auch der eigene Charakter aus. Er lehrte nicht nur die Wahrheit, er stellte sie auch in Person dar. Das war es, was seiner Lehre Kraft verlieh. Ez54 72 6 Christus pflegte gewissenhaft Rügen zu erteilen. Nie hat ein Mensch gelebt, der das Böse so haßte, nie einer, der es so furchtlos beim Namen nannte. Für alles Unwahre und Gemeine war schon seine bloße Gegenwart ein Vorwurf. Im Lichte seiner Reinheit sahen die Menschen ihre eigene Unreinheit und das Niedrige, das Unwahre an der Zielsetzung ihres Lebens. Und doch zog er sie an. Er, der den Menschen erschaffen hatte, wußte um den Wert der menschlichen Natur. Das Böse bezeichnete er anklagend als den Feind derer, die er segnen und erretten wollte. Er erblickte in jedem noch so tief gefallenen menschlichen Wesen ein Kind Gottes, das wieder in die Rechte seiner göttlichen Herkunft eingesetzt werden konnte. Ez54 73 1 "Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde." Johannes 3,17. Ez54 73 2 Christus sah den Menschen in seinem Leid, in seiner Erniedrigung an und fand Grund zur Hoffnung, wo sich anscheinend nur Verzweiflung und Zerrüttung zeigten. Wo ein Gefühl für den eigenen Mangel vorhanden war, sah er Gelegenheit zur Abhilfe. Angefochtenen, zerschlagenen Herzen, die sich verloren und zum Untergang bestimmt fühlten, begegnete er nicht anklagend, sondern segenspendend. Ez54 73 3 Die Seligpreisungen waren sein Gruß an die gesamte menschliche Familie. Während er auf die große Menge blickte, die sich versammelt hatte, um der Bergpredigt zu lauschen, schien er für den Augenblick vergessen zu haben, daß er nicht im Himmel weilte, und bediente sich der vertrauten Grußform der Welt des Lichtes. Von seinen Lippen flossen Segensworte wie die neu hervorströmenden Wasser lange versiegter Quellen. Ez54 73 4 Indem er sich von den ehrgeizigen, selbstzufriedenen Günstlingen dieser Welt abwandte, verkündete er, daß die selig zu preisen seien, die sein Licht und seine Liebe annahmen, wie groß auch immer ihr Bedürfnis sein mochte. Den geistlich Armen, den Leidtragenden, den Verfolgten streckte er seine Arme entgegen und sprach: "Kommet her zu mir ... ich will euch erquicken." Matthäus 11,28. Ez54 73 5 In jedem menschlichen Wesen entdeckte er unbegrenzte Möglichkeiten. Er sah die Menschen so, wie sie sein könnten, wenn sie durch seine Gnade umgewandelt würden, in "der Schönheit des Herrn, unseres Gottes". Psalm 90,17 (eng. Übersetzung). Indem er voller Hoffnung auf sie blickte, entzündete er auch ihre Hoffnung. Indem er ihnen mit Vertrauen entgegenkam, flößte er auch ihnen Vertrauen ein. Da er in sich das wahre Menschenideal verkörperte, weckte er in ihnen den Wunsch und den Glauben, es zu erreichen. In seiner Gegenwart erkannten verachtete und gefallene Seelen, daß sie doch noch Menschen waren. Sie verlangte danach, sich seiner Achtung würdig zu erweisen. In so manchem Gemüt, das allem Heiligen abgestorben schien, wurden neue Regungen wach. So mancher Verzweifelte erblickte den Weg zu neuem Leben. Ez54 74 1 Christus fesselte die Menschen durch die Bande der Liebe und Ergebenheit an sich und schmiedete sie gleichzeitig durch dieselben Bande an ihre Mitbrüder. Bei ihm machte die Liebe das Leben aus, und das Leben bestand im Dienst. "Umsonst habt ihr's empfangen", sagte er, "umsonst gebt es auch." Matthäus 10,8. Ez54 74 2 Nicht nur am Kreuz opferte sich Christus für die Menschheit. "Der umhergezogen ist und hat wohlgetan" (Apostelgeschichte 10,38), verströmte im Alltagswirken sein Leben. Nur auf eine Art konnte solch ein Dasein aufrechterhalten werden. Jesus verließ sich völlig auf Gott und lebte in der Gemeinschaft mit ihm. Auch Menschen wenden sich dann und wann zum Throne des Allerhöchsten, nehmen unter dem Schatten des Allmächtigen Zuflucht. Sie verweilen dort für eine gewisse Zeit, und aus dieser Begegnung erwachsen edle Taten. Später aber versagt ihr Glaube, die Verbindung reißt ab, und das Lebenswerk ist verpfuscht. Aber das Dasein Jesu war ein Leben beständigen Vertrauens, das durch ununterbrochene Gemeinschaft genährt wurde, und in seinem Dienst für Himmel und Erde wankte und versagte er nicht. Ez54 74 3 Als Mensch nahte er sich Gottes Thron mit Flehen, bis seine irdische Natur von einem himmlischen Kraftstrom durchflutet war, der das Menschliche mit dem Göttlichen verband. Er empfing Leben aus Gott und gab es an die Menschen weiter. Ez54 74 4 "Es hat nie ein Mensch also geredet wie dieser Mensch." Johannes 7,46. Das träfe auch auf Christus zu, wenn er nur in bezug auf die Welt der Dinge und Gedanken oder ausschließlich in Sachen der Theorie und Spekulation Lehren erteilt hätte. Er hätte Geheimnisse enthüllen können, für deren Ergründung Jahrhunderte mühevollen Studiums erforderlich waren. Er hätte auf wissenschaftlichem Gebiet Hinweise geben können, die bis zum Ende der Zeiten zum Denken angeregt und zu Erfindungen Anstoß gegeben hätten. Aber er tat dies nicht. Er sagte nichts, um die Neugierde zu befriedigen oder den selbstsüchtigen Ehrgeiz anzustacheln. Er befaßte sich nicht mit abstrakten Theorien, sondern mit dem, was für die Entwicklung des Charakters wesentlich ist, was den Menschen noch mehr zur Gotteserkenntnis befähigt und seine Kraft zu guten Taten vermehrt. Er sprach über die Wahrheiten, die sich auf die Lebensführung beziehen und den Menschen mit dem Ewigen verbinden. Ez54 75 1 Statt die Leute auf das Studium menschlicher Theorien über Gott, sein Wort oder seine Werke hinzulenken, lehrte er sie, ihn so zu sehen, wie er sich in seinen Werken, in seinem Wort und in seiner Vorsehung offenbarte. Er brachte ihr Denken mit dem Geist des Unendlichen in Berührung. Ez54 75 2 Die Leute "verwunderten sich seiner Lehre; denn seine Rede war gewaltig". Lukas 4,32. Nie zuvor hatte jemand gesprochen, der solche Macht besaß, das Denken wachzurütteln, ein edles Streben zu entfachen und alle körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten aufzuschließen. Ez54 75 3 Die Lehre Christi war weltumspannend wie sein Mitgefühl. Unmöglich kann es einen Lebensumstand, eine Krise im Menschendasein geben, die nicht in seinen Reden vorweggenommen sind, für den seine richtungweisenden Gedanken nicht eine Lehre enthalten. Ez54 75 4 Da er der höchste Lehrer ist, werden seine Worte bis zum Ende der Zeiten eine Richtschnur für seine Mitarbeiter darstellen. Ez54 75 5 Für ihn fielen Gegenwart und Zukunft, Nahes und Fernes in eins zusammen. Er sah die Nöte der gesamten Menschheit vor sich. Vor seinem geistigen Auge entfaltete sich jede Szene menschlichen Mühens und Vollendens, menschlichen Versucht- und Bedrängtseins, menschlicher Verlegenheit und Gefahr. Er wußte um alle Herzen, um alle Heime, um alle Vergnügungen, Freuden und Bestrebungen. Ez54 75 6 Er sprach nicht nur für die gesamte Menschheit, sondern auch zu ihr. An das kleine Kind, das sich seines Lebensmorgens freute, an das daseinsfreudige, ruhelose Herz der Jugend, an die Männer im kraftvollsten Alter, die die Last der Sorge und Verantwortung trugen, an die Bejahrten in ihrer Schwachheit und Müdigkeit, an alle war seine Botschaft gerichtet. Jedes Menschenkind in allen Landen und zu jeder Zeit war gemeint. Ez54 76 1 Was er lehrte, umspannte die zeitlichen und die ewigen Dinge, die Beziehung des Sichtbaren zum Unsichtbaren, die flüchtigen Geschehnisse des Alltags und die feierlichen Entscheidungen des zukünftigen Lebens. Ez54 76 2 Den Dingen dieser Welt wies er ihren wahren Platz zu, indem er sie den Ewigkeitswerten unterordnete, verkannte aber nicht ihre Bedeutung. Er lehrte, daß Himmel und Erde zusammenhängen und daß eine Kenntnis der göttlichen Wahrheit den Menschen zur besseren Erfüllung seiner täglichen Pflichten befähigt. Für ihn war nichts ohne Sinn. Das Spiel des Kindes, die Arbeit des Mannes, die Freuden, Sorgen und Schmerzen des Lebens, alles diente dem einen Zweck: der Offenbarung Gottes zum Heile der Menschheit. Ez54 76 3 Das Wort Gottes, wie es von seinen Lippen kam, traf die Herzen mit neuer Kraft und vertiefter Bedeutung. Seine Lehren warfen auf das Schöpfungsgeschehen ein neues Licht. Auf dem Antlitz der Natur ruhte wieder der Schimmer jener Herrlichkeit, den die Sünde verbannt hatte. Jede Tatsache und jede Erfahrung des Lebens enthielt eine göttliche Lehre und wies auf die Möglichkeit der Gemeinschaft mit Gott hin. Wieder wohnte der Höchste auf Erden, und menschlichen Herzen kam seine Gegenwart zu Bewußtsein. Er umfaßte die Welt mit seinen Liebesarmen. Der Himmel neigte sich zu den Menschen herab, und sie gaben in Christus dem die Ehre, der ihnen das Wissen um die ewigen Dinge erschlossen hatte "Immanuel, Gott mit uns." Ez54 76 4 Alles echte erzieherische Wirken gründet in dem gottgesandten Lehrer. Der Heiland meinte ebenso gewiß das Erziehungswerk unserer wie seiner Tage, als er die Aussprüche tat: "Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige." "Ich bin das A und O, der Anfang und das Ende." Offenbarung 1,17.18; Offenbarung 21,6. Ez54 77 1 Was ist törichter, als beim Vorhandensein eines solchen Lehrers, einer solchen Gelegenheit zu gottgewirkter Erziehung, nach einer Ausbildung ohne ihn auszuschauen? Hieße das nicht: weise sein zu wollen unter Ausschluß der Weisheit? Wahrhaftigkeit zu erstreben, obschon man die Wahrheit verschmäht? Dort nach Erleuchtung zu suchen, wo das Licht fehlt? Ein Dasein zu wünschen ohne den, der das Leben ist? Sich von der Quelle des lebendigen Wassers abzuwenden und löchrige Brunnen auszuhauen, die doch kein Wasser geben? Ez54 77 2 Siehe, noch immer ergeht seine Einladung: "Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen." "Das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt." Johannes 7,37.38; Johannes 4,14. ------------------------Kapitel 9: Die Erläuterung seiner Methoden Ez54 77 3 "Ich habe deinen Namen offenbart den Menschen, die du mir von der Welt gegeben hast." Ez54 77 4 Ihre vollendetste Darstellung finden die Lehrmethoden Christi in der Art, wie er seine ersten zwölf Jünger erzog. Auf diesen Männern sollten einmal schwere Verantwortungen ruhen. Er hatte sie erwählt als Menschen, die er mit seinem Geist durchdringen konnte, die die Fähigkeit erlangen mochten, sein Werk auf Erden weiterzuführen, wenn er es verlassen mußte. Vor allen andern gewährte er ihnen die Gnade, sich in seiner Gesellschaft zu bewegen. Er prägte diesen erwählten Mitarbeitern sein Bild durch persönlichen Umgang ins Herz. "Das Leben ist erschienen", schreibt der Lieblingsjünger Johannes, "und wir haben gesehen und bezeugen ..." 1.Johannes 1,2. Ez54 78 1 Allein solche Geistes und Herzensgemeinschaft -- die Vereinigung des Menschlichen mit dem Göttlichen -- kann jene belebende Kraft verleihen, die wahre Erziehung vermitteln soll, denn nur Leben erzeugt wiederum Leben. Ez54 78 2 Bei der Ausbildung seiner Jünger wandte der Heiland die im Anfang gestiftete Erziehungsmethode an. Die zwölf Ersterwählten bildeten mit einigen andern, die sich zeitweise zu ihnen gesellten, um ihren (leiblichen) Bedürfnissen zu dienen, die Familie Jesu. Im Hause, bei Tisch, im Kämmerlein und auf freier Flur waren sie um ihn. Sie begleiteten ihn auf seinen Reisen, teilten seine Mühsale und Entbehrungen und halfen ihm, so gut sie konnten, bei seinem Werk. Ez54 78 3 Manchmal lehrte er sie, wenn sie miteinander am Bergabhang saßen, zuweilen auch am Ufer des Sees oder vom Fischerkahn aus, ein andermal, wenn sie ihres Weges wandelten. Sooft er zur Menge sprach, bildeten die Jünger den inneren Kreis. Sie drängten sich nah an ihn heran, damit ihnen nichts von seinen Unterweisungen entginge. Sie waren aufmerksame Zuhörer, die brennend gern die Wahrheiten verstehen wollten, die sie einmal an alle Länder und Zeitalter weitergeben sollten. Ez54 78 4 Jesus hatte seine ersten Schüler aus den Reihen des gewöhnlichen Volkes erwählt. Es handelte sich bei diesen Fischern aus Galiläa um bescheidene, ungelehrte Leute, um Männer, die in der Gelehrsamkeit und im Brauchtum der Rabbiner nicht bewandert, aber in der strengen Schule der Mühen und Entbehrungen ausgebildet waren. Es waren Leute mit angeborenen Fähigkeiten und gelehrigem Geist, Männer, die für das Werk des Heilandes unterwiesen und zugerüstet werden konnten. Im Alltagsleben gibt es manchen einfachen Arbeiter, der sich geduldig seinen täglichen Pflichten unterzieht, ohne eine Ahnung von den schlummernden Kräften zu haben, die ihm -- wenn sie zur Tat geweckt wären -- einen Platz unter den großen Führern der Welt sichern könnten. Solchen Schlags waren die Männer, die der Heiland zu seinen Mitarbeitern berief. Und dazu genossen sie den Vorteil, drei Jahre lang durch den größten Erzieher geschult zu werden, den diese Welt je gekannt hat. Ez54 79 1 Unter diesen ersten Jüngern trat eine ausgeprägte Verschiedenheit zutage. Sie sollten die Lehrer der Welt werden und verkörperten daher stark voneinander abweichende Charaktertypen. Da war Levi Matthäus, der Zöllner, herausgerufen aus einem geschäftigen Leben im Dienste Roms, oder Simon der Eiferer, ein unnachgiebiger Feind kaiserlicher Obergewalt; daneben der leicht erregbare, selbstgefällige, warmherzige Petrus mit seinem Bruder Andreas; Judas der Judäer, sehr begabt und gewandt, aber von niedriger Gesinnung; Philippus und Thomas, die bei allem Ernst und aller Treue doch trägen Herzens waren zu glauben; Jakobus der Jüngere und Judas, im Jüngerkreise von geringerer Bedeutung, aber dennoch kraftvolle Männer, bei denen sich Fehler und Tugenden gleich stark ausprägten; Nathanael, in seiner aufrichtigen und vertrauensvollen Art einem Kinde gleich, und die ehrgeizigen Söhne des Zebedäus mit ihren Herzen voller Liebe. Ez54 79 2 Um das Werk, zu dem sie berufen waren, erfolgreich durchführen zu können, mußten die Jünger, soweit sie sich auch in ihrer natürlichen Eigenart, in ihrer Ausbildung und in den Lebensgewohnheiten unterschieden, zur Einmütigkeit im Fühlen, Denken und Handeln gelangen. Es war das Ziel Christi, solchen Einklang zu schaffen. Zu diesem Zweck suchte er die Einheit zwischen ihnen und sich selbst herzustellen. Die Last, die er bei dem Ringen um sie fühlte, findet ihren Ausdruck in seinem Gebet zum Vater: "... auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; daß auch sie in uns eins seien ... und die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast und liebest sie, gleichwie du mich liebst." Johannes 17,21.23. Ez54 79 3 Von den zwölf Jüngern sollten vier einst eine führende Rolle spielen -- jeder in einer bestimmten Richtung. Christus, der alles voraussah, erteilte ihnen Lehren, um sie dafür vorzubereiten. Jakobus war zu einem raschen Tode durch das Schwert bestimmt; Johannes sollte seinem Meister am längsten von allen Brüdern unter Verfolgung und Mühsal dienen; Petrus würde als Pionier jahrhundertealte Schranken durchbrechen und die heidnische Welt unterrichten, und Judas besaß die Fähigkeit, im Dienst über seine Brüder hinauszuwachsen, doch hegte er in seinem Innern Pläne, von deren Auswirkung er wenig ahnte. Diesen vier widmete Christus die größte Sorgfalt. Sie waren Empfänger seiner zahlreichsten, sorgsamsten Unterweisungen. Ez54 80 1 Petrus, Jakobus und Johannes suchten jede Gelegenheit, mit dem Meister in enge Berührung zu kommen, und ihrem Wunsche wurde entsprochen. Von allen Zwölfen waren sie am innigsten mit ihm verbunden. Johannes konnte sich nur mit einem noch vertrauteren Verhältnis zufrieden geben, und dieses wurde ihm auch gewährt. Bei jener ersten Begegnung am Jordan, als Andreas, nachdem er Jesus gehört hatte, hinweg eilte, um seinen Bruder zu rufen, saß Johannes still da und war in die Betrachtung wundersamer Themen versunken. Er folgte dem Heiland nach, stets ein eifriger, gespannter Zuhörer. Doch hatte Johannes keinen fehlerlosen Charakter. Er war kein sanfter, träumerischer Schwärmer. Er und sein Bruder wurden als die "Donnerskinder" bezeichnet. Johannes war stolz, ehrgeizig und streitsüchtig; aber unter all diesen Charakterzügen gewahrte der göttliche Lehrer das aufrichtige, glutvolle, liebende Herz. Jesus tadelte seinen Eigennutz, enttäuschte seinen Ehrgeiz und prüfte seinen Glauben. Aber er offenbarte ihm auch das, wonach sein Inneres verlangte die Schönheit heiligen Wesens, seine umwandelnde Gottesliebe. "Ich habe deinen Namen offenbart den Menschen, die du mir von der Welt gegeben hast" (Johannes 17,6), sagte er zum Vater. Ez54 80 2 Johannes war eine Natur, die sich nach Liebe, Mitgefühl und Gemeinschaft sehnte. Er drängte sich nahe an Jesus heran, saß an seiner Seite, lehnte an seiner Brust. Wie eine Blume sich von Tau und Sonnenschein ernährt, so nahm er göttliches Licht und Leben in sich auf. Voller Verehrung und Liebe blickte er auf den Erlöser, bis sein einziges Verlangen darin bestand, Christus ähnlich zu werden und Gemeinschaft mit ihm zu pflegen, bis sich in seinem Charakter der des Meisters widerspiegelte. "Sehet", sagte er, "welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, daß wir Gottes Kinder sollen heißen! Darum kennt euch die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht. Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder; und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reinigt sich, gleichwie er auch rein ist." 1.Johannes 3,1-3. Ez54 81 1 Keines Jüngers Geschichte veranschaulicht die Erziehungsmethode Christi besser als die des Petrus. Dieser war kühn, angriffslustig und selbstsicher, rasch im Begreifen, Handeln und Wiedervergelten, doch großmütig im Vergeben. So irrte er denn oft und wurde häufig getadelt. Dabei wurde seine innige Treue und Ergebenheit Christus gegenüber nicht weniger entschieden anerkannt und gelobt. Der Heiland verfuhr geduldig und in verständnisvoller Liebe mit seinem ungestümen Jünger. Er suchte sein Selbstvertrauen zu dämpfen und ihn Demut, Gehorsam und Vertrauen zu lehren. Ez54 81 2 Aber Petrus lernte seine Lektion nur teilweise. Seine Selbstsicherheit schwand nicht. Ez54 81 3 Oft, wenn die Bürde schwer auf dem Herzen Jesu lastete, suchte er den Jüngern Einblick in seine künftigen Prüfungen und Leiden zu geben. Aber ihre Augen wurden gehalten. Solches Wissen war ihnen unwillkommen; sie waren daher blind dafür. Die Eigenliebe, die vor der Leidensgemeinschaft mit Christus zurückschreckte, veranlaßte Petrus zu dem Einspruch: "Herr, schone dein selbst; das widerfahre dir nur nicht!" Matthäus 16,22. In seinen Worten kam das Fühlen und Denken der Zwölf zum Ausdruck. Ez54 81 4 So gingen sie weiter ihres Weges, während die Krise näherrückte. Sie waren dabei prahlerisch und streitsüchtig, verteilten im voraus königliche Würden und ahnten nichts vom Kreuz. Ez54 82 1 Die Erfahrung des Petrus enthielt eine Lehre für sie alle. Für das Selbstvertrauen bedeuten Prüfungen Niederlagen. Die sicheren Folgen einer unbesiegten Sünde konnte Christus nicht verhindern. Aber wie er seine Hand rettend ausgestreckt hatte, als die Wogen über Petrus zusammenzuschlagen drohten, so neigte sich auch seine Liebe helfend herab, als die tiefen Wasser über die Seele seines Jüngers hereinbrachen. Obwohl Petrus schon am Rande des Verderbens wandelte, brachten ihn seine prahlerischen Worte immer wieder und immer noch näher an den Abgrund. Stets von neuem ertönte die Warnung: Du wirst verleugnen, "daß du mich kennest". Lukas 22,34. In dem Bekenntnis: "Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen" (Lukas 22,33), äußerte sich das bekümmerte, liebende Herz des Jüngers. Er, der in den Herzen liest, richtete an Petrus die damals wenig beachtete Botschaft, die jedoch dann in die schnell hereinbrechende Finsternis einen Hoffnungsstrahl warf: "Simon, Simon, siehe, der Satanas hat euer begehrt, daß er euch möchte sichten wie den Weizen; ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dermaleinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder." Lukas 22,31.32. Ez54 82 2 Als in der Gerichtshalle die Worte der Verleugnung gefallen waren, als Petrus von seiner Liebe und Treue, die unter dem mitleidsvollen, liebenden und bekümmerten Blick des Heilandes wieder angefacht war, in den Garten fortgetrieben wurde, wo Christus geweint und gebetet hatte, als seine Reuetränen auf den Rasen fielen, den Jesu Blutstropfen in seiner Todespein genetzt hatten, da gaben die Worte des Erlösers seiner Seele Halt: "Ich aber habe für dich gebeten ... wenn du dermaleinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder." Christus überließ ihn nicht der Verzweiflung, obwohl er seine Sünde vorausgesehen hatte. Ez54 82 3 Hätte der Blick, den Jesus ihm zuwarf, Verdammnis statt Mitleid ausgedrückt, hätte der Heiland nicht von Hoffnung gesprochen, als er ihm seine Sünde voraussagte, wie tief wäre dann die Finsternis gewesen, die Petrus umhüllt hätte, wie grenzenlos die Verzweiflung seiner gequälten Seele! Was hätte ihn in dieser Stunde der Pein und des Abscheus vor sich selber davor zurückhalten können, denselben Weg zu gehen wie Judas? Ez54 83 1 Er, der seinem Jünger den Schmerz nicht ersparen konnte, ließ ihn diese Bitternis nicht allein auskosten. Seine Liebe versagt nicht und läßt niemand in Stich. Ez54 83 2 Menschliche Wesen, die ja selbst dem Bösen verhaftet sind, neigen leicht dazu, mit dem Versuchten und Irrenden unsanft umzugehen. Sie können nicht im Herzen lesen, sie wissen nicht um sein Ringen, seine Qual. Sie müssen es lernen, in Liebe zu tadeln, heilsame Wunden zu schlagen, in die Warnung die Hoffnung einzuflechten. Ez54 83 3 Nicht Johannes, der mit Jesus im Gerichtssaal wachte, der neben seinem Kreuz stand und als erster von den Zwölfen zum Grabe kam, nicht Johannes, sondern Petrus war es, der in der ersten Botschaft Christi nach seiner Auferstehung an die Jünger mit Namen erwähnt wurde. "Sagt es seinen Jüngern und Petrus", sprach der Engel, "daß er vor euch hingehen wird nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen." Markus 16,7. Ez54 83 4 Bei der letzten Zusammenkunft Christi mit den Jüngern am See erhielt Petrus seinen Platz unter den Zwölfen zurück, nachdem er durch die dreimal ausgesprochene Frage: "Hast du mich lieb?" auf die Probe gestellt worden war. Dann wurde ihm seine Aufgabe zugeteilt; er sollte die Herde des Herrn weiden. Schließlich gab ihm Jesus die letzte persönliche Weisung, indem er ihn aufforderte: "Folge du mir nach." Johannes 21,17.22. Ez54 83 5 Nun konnte Petrus diese Worte begreifen. Die Lehre, die Christus erteilt hatte, als er ein kleines Kind mitten unter die Jünger stellte und sie aufforderte, diesem gleich zu werden, verstand er nun besser. Da er sowohl seine eigene Schwäche als auch die Macht Christi klarer erkannt hatte, war er bereit, zu vertrauen und zu gehorchen. In der Kraft seines Meisters konnte er ihm nachfolgen. Ez54 83 6 Am Ende seines mühe und opferreichen Lebens achtete es der Jünger, der einst so wenig bereit gewesen war, sich mit dem Kreuz auseinanderzusetzen, für eine Freude, sein Leben für das Evangelium hinzugeben, wobei er nur empfand, daß es für ihn, der den Herrn verleugnet hatte, eine zu hohe Ehre war, in derselben Weise wie sein Meister zu sterben. Ez54 84 1 Die Umwandlung des Petrus war ein Wunder göttlicher Liebe. Sie gibt allen, die bestrebt sind, dem großen Lehrer in seinen Fußtapfen nachzufolgen, eine Lehre fürs Leben. Ez54 84 2 Jesus rügte seine Jünger, er ermahnte und warnte sie, aber Johannes, Petrus und ihre Brüder verließen ihn nicht. Trotz allen Tadels beschlossen sie, bei Jesus zu bleiben, und der Heiland zog sich ungeachtet ihrer Mängel nicht von ihnen zurück. Er nimmt die Menschen, wie sie sind, mit all ihren Fehlern und Schwächen und erzieht sie für seinen Dienst, wenn sie sich von ihm ertüchtigen und belehren lassen. Ez54 84 3 Unter den Zwölfen war aber einer, an den Christus bis kurz vor der Beendigung seines Werkes kein unmittelbares Wort des Tadels richtete. Ez54 84 4 Mit Judas war ein widerspenstiges Element bei den Jüngern eingekehrt. Er hatte sich Jesus angeschlossen, weil ihn dessen Charakter und Leben anzogen. Er hatte aufrichtig eine innere Wandlung ersehnt und gehofft, sie durch eine Vereinigung mit Jesus zu erfahren. Aber dieser Wunsch wurde nicht zum vorherrschenden. Was ihn leitete, war die Hoffnung auf eigenen Vorteil in dem weltlichen Königreich, das Christus nach seinen Erwartungen aufrichten würde. Obwohl Judas die göttliche Macht der Liebe Christi erkannte, beugte er sich nicht ihrem Herrschaftsanspruch. Er behielt weiterhin sein eigenes Urteil, seine eigenen Meinungen und seine Neigung zum Kritisieren und Verdammen bei. Christi Beweggründe und Handlungen, die oft weit über sein Verständnis hinausgingen, erregten Zweifel und Mißbilligung bei ihm, und seine ehrgeizigen Bestrebungen und Zweifelsfragen übertrugen sich auf die Jünger. Viele ihrer Streitigkeiten um die Oberherrschaft und ein Großteil ihrer Unzufriedenheit mit der Handlungsweise Christi sind auf Judas zurückzuführen. Ez54 85 1 Jesus vermied die unmittelbare Auseinandersetzung, weil er sah, daß Widerspruch nur verhärtete. Die engherzige Selbstsucht im Leben des Judas suchte Christus zu heilen, indem er ihn mit seiner eigenen aufopfernden Liebe in Berührung brachte. In seinen Lehren entwickelte er Grundsätze, die den ichsüchtigen Ehrgeiz des Jüngers an der Wurzel trafen. Eine Lektion nach der andern wurde so erteilt, und mehr als einmal erkannte Judas, daß sein Charakter geschildert, daß seine Sünde gekennzeichnet worden war; aber er wollte nicht nachgeben. Ez54 85 2 Da er dem Ruf der Gnade Widerstand leistete, gewann die Neigung zum Bösen schließlich die Oberhand. Ärgerlich über einen verhüllten Vorwurf und zu einem Verzweiflungsakt getrieben, weil seine ehrgeizigen Träume enttäuscht wurden, überließ sich Judas dem Dämon der Habsucht und beschloß den Verrat an seinem Meister. Vom Passahmahl hinweg, aus der freudvollen Gegenwart Christi und dem Lichte unsterblicher Hoffnung ging er hinaus an sein böses Werk in die äußerste Finsternis, wo es keine Hoffnung gab. Ez54 85 3 "Jesus wußte von Anfang wohl, welche nicht glaubend waren und welcher ihn verraten würde." Johannes 6,64. Doch in diesem vollen Wissen hatte er mit keinem Ruf der Gnade und mit keinem Geschenk der Liebe zurückgehalten. Ez54 85 4 Weil er sah, in welcher Gefahr Judas stand, hatte er ihn in seine nächste Nähe, in den engeren Kreis seiner erkorenen und vertrauenswürdigen Jünger hereingezogen. Wenn sein Herz selbst aufs schwerste belastet war, hatte er Tag für Tag die Pein ständigen Umgangs mit diesem halsstarrigen, argwöhnischen, finster brütenden Geist ertragen. Er hatte Zeugnis abgelegt und sich bemüht, jenem dauernden, heimlichen, kaum greifbaren Widerstand unter seinen Jüngern entgegenzuwirken. Dies alles geschah, damit es dieser gefährdeten Seele nicht an irgendeinem heilsamen Einfluß fehlen möchte! "... daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen noch die Ströme sie ertränken." "Denn Liebe ist stark wie der Tod." Hohelied 8,7.6. Ez54 86 1 Soweit es Judas betraf, war Christi Liebeswerk umsonst gewesen, nicht aber in seiner Wirkung auf die anderen Jünger. Für sie bedeutete es ein Lehrbeispiel, das lebenslang nachwirkte. In alle Zukunft sollte dieses Vorbild zarter Liebe und Geduld ihren Umgang mit den Versuchten und Irrenden beeinflussen. Und noch andere Lehren enthielt es. Bei der Einsetzung der Zwölf hatten die Jünger den starken Wunsch gehegt, Judas möchte einer der Ihren werden. Sie hatten sein Hinzukommen als vielversprechendes Ereignis für die Apostelschar gewertet. Er war mehr als sie mit der Welt in Berührung gekommen; er war ein Mann von guten Umgangsformen, war scharfsinnig und tatkräftig, und da er seine eigenen Fähigkeiten hoch einschätzte, hatte er die Jünger so weit gebracht, daß auch sie viel von ihm hielten. Aber den Methoden, die er im Werke Christi einführen wollte, lagen weltliche Spielregeln zugrunde; weltliche Klugheit beherrschten sie. Sie dienten zur Sicherung irdischer Anerkennung und Ehre zur Erlangung des Reiches dieser Welt. Die Auswirkung solcher Wünsche im Leben des Judas ließ die Jünger den Widerstreit zwischen dem Motiv der Selbsterhöhung und Christi Grundsatz der Demut und Selbstaufopferung dem Grundsatz des geistlichen Königreiches besser verstehen. Im Schicksal des Judas sahen sie, zu welchem Ende es führt, wenn man dem eigenen Ich dient. Ez54 86 2 Für diese Jünger erfüllte die Sendung Christi schließlich ihren Zweck. Nach und nach formten sein Vorbild und seine Lehrbeispiele der Selbstverleugnung ihren Charakter. Sein Tod zerstörte ihre Hoffnung auf irdische Geltung. Der Fall Petri, das Abtrünnigwerden des Judas, ihr eigenes Versagen, als sie Christus in seiner Seelenpein und Gefährdung verließen, fegten ihren Eigendünkel hinweg. Sie erkannten ihre Schwäche; sie sahen etwas von der Größe des Werkes, das ihnen aufgetragen war; sie empfanden die Notwendigkeit der Führung durch den Meister bei jedem ihrer Schritte. Ez54 86 3 Sie wußten, daß er nicht mehr länger persönlich unter ihnen weilen sollte, und erkannten wie nie zuvor den Wert der Gelegenheiten, die ihnen geworden waren, mit dem Gottgesandten Umgang und Zwiesprache zu pflegen. Viele seiner Lehren hatten sie nicht gewürdigt oder verstanden, als sie ausgesprochen wurden; jetzt hätten sie sich diese Reden gern wieder ins Gedächtnis zurückgerufen und seine Worte aufs neue vernommen. Mit welcher Freude erinnerten sie sich nun seiner Zusicherung: Ez54 87 1 "Es ist euch gut, daß ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden." "Alles, was ich habe von meinem Vater gehört, habe ich euch kundgetan." Und "der Tröster ... welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe." Johannes 16,7; Johannes 15,15; Johannes 14,26. "Alles, was der Vater hat, das ist mein." "Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten ... von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen." Johannes 16,5.13.14. Ez54 87 2 Die Jünger hatten Christus vom Ölberg aus ihrer Mitte auffahren sehen. Als die Himmel ihn aufnahmen, war ihnen seine Abschiedsverheißung wieder eingefallen: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Matthäus 28,20. Ez54 87 3 Sie wußten, daß er noch immer mit ihnen fühlte. Sie wußten auch, daß sie einen Vertreter, einen Fürsprecher am Throne Gottes hatten. Im Namen Jesu brachten sie ihre Bitten dar und riefen sich seine Verheißung in die Erinnerung: "So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er's euch geben." Johannes 16,23. Ez54 87 4 Immer höher reckten sie die Glaubenshand und gaben machtvoll Zeugnis: "Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns." Römer 8,34. Ez54 87 5 Getreu seiner Verheißung ließ der zum Himmel erhöhte Gottessohn seine Nachfolger auf Erden seiner Fülle teilhaftig werden. Seine Erhebung auf den Thron zur Rechten Gottes wurde durch die Ausgießung des Heiligen Geistes auf seine Jünger angezeigt. Ez54 87 6 Durch das Wirken Christi hatten die Jünger erkannt, daß sie des Heiligen Geistes bedurften; unter der Leitung des Geistes empfingen sie die letzte Vorbereitung und machten sich an ihre Lebensaufgabe. Ez54 88 1 Nun waren sie nicht mehr unwissend und ungebildet, noch eine Gruppe zusammenhangloser Einzelwesen oder uneiniger, widerstreitender Elemente. Sie setzten ihre Hoffnung nicht mehr auf weltliche Anerkennung, vielmehr waren sie "alle einmütig", eines Geistes und einer Seele. Christus erfüllte ihr Denken. Ihr ganzes Streben galt dem Bau seines Reiches. In Gesinnung und Wesen waren sie ihrem Meister gleich geworden, so daß die Menschen es ihnen ansahen, "daß sie mit Jesus gewesen waren." Apostelgeschichte 4,13. Ez54 88 2 Danach offenbarte sich die Herrlichkeit Christi in einem Maße, wie sterbliche Menschen sie noch nie erlebt hatten. Unzählige, die seinen Namen geschmäht und seine Macht mißachtet hatten, bekannten sich als Jünger des Gekreuzigten. Mit Hilfe des Geistes Gottes rüttelte das Wirken dieser einfachen Menschen, die Christus erwählt hatte, die ganze Welt auf. So gelangte die Frohbotschaft während einer einzigen Lebensspanne zu allen Völkern der Erde. Ez54 88 3 Denselben Geist nun, der an Christi Statt die ersten Jünger unterwies, hat er auch den heutigen "Mitarbeiten Christi" zum Lehrer bestimmt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Matthäus 28,20. Ez54 88 4 Die Gegenwart desselben Ratgebers wird heute in der erzieherischen Arbeit dieselben Ergebnisse zeitigen wie vor alters. Das ist das Ziel, dem wahre Erziehung zustrebt; das ist die Aufgabe, die sie nach Gottes Willen erfüllen soll. Ez54 88 5 "Vernimm die Wunder ... des, der vollkommen ist an Wissen." Hiob 37,14.16. ------------------------Kapitel 10: Gott in der Natur Ez54 91 0 "Seines Lobes war der Himmel voll", "... und die Erde ist voll seiner Güter." Ez54 91 1 Alles Erschaffene trägt sichtbar den Stempel der Gottheit. Die Natur zeugt von dem Allmächtigen. Wenn dem empfänglichen Gemüt die Wunder und Geheimnisse des Alls nahegebracht werden, kann es das Wirken einer göttlichen Macht nur bestätigen. Nicht durch die ihr innewohnende Kraft spendet die Erde ihre Segensgaben und vollführt sie Jahr für Jahr ihre Bewegung um die Sonne. Eine unsichtbare Hand lenkt die Planeten in ihren himmlischen Bahnen. Ein geheimnisvolles Leben durchwebt die ganze Natur ein Leben, das all die zahllosen Welten im unermeßlichen Raum erhält, das sich im winzigen, im Sommerwinde dahinschwebenden Insekt regt, das den Flug der Schwalbe beschwingt und die jungen, schreienden Raben ernährt, das die Knospe zum Blühen und die Blüte zum Fruchttragen bringt. Ez54 91 2 Dieselbe Macht, die die Natur erhält, wirkt auch im Menschen. Die gleichen großen Ordnungen, die den Stern wie das Atom bestimmen, walten auch im menschlichen Leben. Die Gesetze, die die Herztätigkeit steuern und das Fließen des Lebensstromes im Körper regulieren, entstammen jenem mächtigen Geistwesen, das die Herrschaft über die Seele ausübt. Von ihm geht alles Leben aus. Der wahre Wirkungsbereich alles Lebendigen läßt sich nur in der Übereinstimmung mit ihm finden. Für alle geschaffenen Wesen gelten die gleichen Grundbedingungen: Erhaltung des Daseins durch die Aufnahme göttlichen Lebens - Lebensführung im Einklang mit dem Willen des Schöpfers. Sein Gesetz in körperlicher, geistiger oder sittlicher Hinsicht übertreten heißt: sich aus der Harmonie des Weltalls herauslösen und Zwietracht, Gesetzlosigkeit und Zerstörung herbeiführen. Ez54 92 1 Wer es lernt, diese Lehren zu ziehen, durchschaut alles Geschehen ringsum; die Welt wird zum Lehrbuch, das Leben zur Schule. Die Einheit von Natur, Mensch und Gott, die Allherrschaft des Gesetzes und die Folgen der Übertretung werden zweifellos den Geist beeindrucken und den Charakter formen. Ez54 92 2 Das sind Lehren, die sich unsere Kinder aneignen müssen. Für das kleine Kind, das noch nicht aus dem gedruckten Wort lernen oder in den Schulbetrieb eingegliedert werden kann, bietet die Natur eine unerschöpfliche Quelle der Belehrung und der Freude. Das Herz, das noch nicht durch die Berührung mit dem Bösen verhärtet wurde, erkennt rasch die Gegenwart dessen, der alles Geschaffene durchdringt. Das vom Lärm der Welt noch unbetäubte Ohr merkt auf die Stimme, die in der Natur vernehmlich wird. Und für die Menschen in reiferen Jahren, die ständig ihrer wortlosen Erinnerung an das Geistliche und Ewige bedürfen, werden die Hinweise der Natur nicht weniger eine Quelle der Freude und Belehrung sein. Wie die Bewohner Edens aus dem Buch der Schöpfung lernten, wie Mose in den Ebenen und auf den Bergen Arabiens und das Kind Jesus auf den Hügeln Nazareths die Handschrift Gottes wahrnahmen, so können die Kinder unserer Tage von dem Höchsten lernen. Das Unsichtbare wird durch das Sichtbare veranschaulicht. In allem auf Erden, vom hochragenden Baum des Waldes bis zur Flechte, die den Felsen überzieht, vom endlosen Ozean bis zur winzigsten Muschel am Strand, können sie gleichsam Gottes Bild und Inschrift erkennen. Ez54 92 3 Bringt das Kind nach Möglichkeit schon früh in eine Umgebung, wo dieses wunderbare Lehrbuch offen vor ihm daliegt. Laßt es die herrlichen Bilder betrachten, die der große Meisterkünstler an dem wechselnden Hintergrund des Himmelsgewölbes entwirft, laßt es die Wunder der Erde und des Meeres kennenlernen, laßt es die sich enthüllenden Geheimnisse der Jahreszeiten beobachten und in allen Werken des Schöpfers von ihm lernen. Ez54 92 4 Auf keine andere Weise kann ein so fester und sicherer Grund zu einer wahren Erziehung gelegt werden. Doch das Kind wird, wenn es mit der Natur in Berührung kommt, auch vor Rätseln stehen. Es muß wohl oder übel das Wirken feindlicher Mächte erkennen. Hier bedarf die Natur einer Deutung. Im Blick auf das Böse, das sich sogar in der Natur offenbart, haben alle die gleiche traurige Lektion zu lernen: "Das hat der Feind getan." Matthäus 13,28. Ez54 93 1 Nur in dem Lichte; das von Golgatha ausgeht, kann die Unterweisung der Natur recht verstanden werden. Zeigt den Kindern an der Geschichte von Bethlehem und vom Kreuz, wie gut es ist, das Böse zu überwinden, und wie jeder Segen, der auf uns kommt, durch die Erlösung bewirkt ist. Ez54 93 2 In Dornen und Disteln, im Unkraut und im wilden Strauch ist das Böse, das schädigt und zugrunde richtet, dargestellt. Im singenden Vogel, in der sich öffnenden Blüte, in Regen und Sonnenschein, in Sommerwind und mildem Tau, in tausend Dingen der Natur, von der Eiche im Walde bis zum Veilchen, das an ihrer Wurzel blüht, sehen wir die Liebe, die hilft und heilt. Auch heute noch erzählt uns die Natur von der Güte Gottes. Ez54 93 3 "Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides." Jeremia 29,11. Das ist die Botschaft, die wir im Lichte des Kreuzes überall vom Antlitz der Natur ablesen können. Die Himmel verkündigen seinen Ruhm, und die Erde ist voll seiner Güte. ------------------------Kapitel 11: Lehren des Lebens Ez54 93 4 "Rede mit der Erde, die wird dich's lehren." Ez54 93 5 Der große Lehrer brachte seine Zuhörer mit der Natur in Berührung, damit sie der Stimme lauschen konnten, die aus allem Erschaffenen zu uns spricht. Wenn dann ihr Herz aufgeschlossen und ihr Geist empfänglich war, half er ihnen, die geistliche Lehre der Szenen, auf denen ihr Auge ruhte, zu begreifen. Die Gleichnisse, durch die er ihnen so gern göttliche Wahrheiten vermittelte, zeigen, wie sehr sein Geist den Einflüssen der Natur offen war, und welche Freude er daran hatte, geistliche Lehren aus alltäglichen Vorgängen abzuleiten. Ez54 94 1 Die Vögel unter dem Himmel, die Lilien auf dem Felde, der Sämann und die Saat, der Hirt und seine Schafe, sie alle dienten Christus zur Veranschaulichung ewiger Wahrheiten. Er wählte auch Beispiele aus dem täglichen Leben, zog seinen Zuhörern wohlvertraute Tatsachen mit heran: den Sauerteig, den verborgenen Schatz, die Perle, das Netz des Fischers, den abhandengekommenen Groschen, den verlorenen Sohn, die Häuser auf dem Felsen und auf dem Sand. Es war etwas in seinen Reden, das jeden Geist beeindruckte, jedes Herz ansprach. So wurden die täglichen Pflichten durch die ständige Erinnerung an das Geistliche und Übersinnliche verschönt und mit Gehalt erfüllt, statt zu einer eintönigen Mühsal ohne jeglichen höheren Gedanken abzusinken. Ez54 94 2 In dieser Art sollten wir Unterricht erteilen. Lehrt die Kinder, in der Natur einen Ausdruck der Liebe und Weisheit Gottes zu sehen. In den Gedanken an ihn seien Vogel, Blume und Baum mit eingeschlossen. Macht alles Sichtbare für sie zum Künder des Unsichtbaren und jeden Lebensvorgang zum Mittel göttlicher Belehrung. Während sie sich auf diese Weise mit den Lehren in allem Erschaffenen und in jeder Lebenserfahrung beschäftigen, zeige man ihnen, daß die Gesetze der Natur und aller Lebensvorgänge auch uns gelten, daß sie zu unserem Heile gegeben sind und daß wir nur im Gehorsam ihnen gegenüber zu wahrem Glück und Erfolg kommen. Ez54 94 3 Alle Dinge im Himmel und auf Erden verkünden, daß das ganze Leben unter dem Gesetz des Dienens steht. Der ewige Vater sorgt für die Bedürfnisse jedes Lebewesens. Christus kam auf die Erde als der, "der da dient". Lukas 22,27. Die Engel sind "dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit". Hebräer 1,14. In der ganzen Natur waltet dieses Gesetz des Dienens. Die Vögel unter dem Himmel, die Tiere auf dem Felde, die Bäume des Waldes, die Blätter, das Gras und die Blumen, die Sonne am Firmament und die glitzernden Sterne sie alle haben ihr Amt. See und Weltmeer, Fluß und Quell empfangen, um zu geben. Ez54 95 1 Indem jeder Bestandteil der Natur so dem All Leben dient, sichert es auch sein eigenes Dasein. "Gebet, so wird euch gegeben" (Lukas 6,38), lautet die Weisung, die ebenso klar in der Natur wie auf den Blättern der Heiligen Schrift niedergelegt ist. Ez54 95 2 Wenn die Hügel und Ebenen dem Gebirgsfluß auf seinem Lauf zum Meer ein Strombett gewähren, dann werden sie für das, was sie geben, hundertfach entschädigt. Der Strom, der rauschend seines Weges zieht, läßt Gaben der Schönheit und Fruchtbarkeit zurück. Inmitten der von sommerlicher Hitze kahl und braungebrannten Felder bezeichnet ein Streifen frischen Grüns den Lauf des Flusses. Dort zeugt jeder prachtvolle Baum, jede Knospe und Blüte von der Belohnung, die Gottes Güte all denen zuerkennt, die der Welt Gnadengaben vermitteln. Ez54 95 3 Von den schier unzählbaren Wahrheiten, die die verschiedenen Wachstumsvorgänge verkünden, veranschaulicht einige der köstlichsten Jesu Gleichnis von der selbstwachsenden Saat. Es enthält Lehren für alt und jung. Ez54 95 4 "Das Reich Gottes hat sich also, als wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst, daß er's nicht weiß. Denn die Erde bringt von selbst zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren." Markus 4,26-28. Ez54 95 5 Dem Samen wohnt das Prinzip des Keimens inne, ein Grundgesetz, das Gott selbst eingepflanzt hat; doch sich selbst überlassen, hätte die Saat keine Kraft aufzugehen. Der Mensch muß zu seinem Teil das Wachstum des Korns fördern; aber es gibt eine Grenze, über die hinaus er nichts vermag. Er muß sich auf den Einen verlassen, der Säen und Ernten durch wundersame Bande seiner Allmacht miteinander verknüpft hat. Ez54 96 1 Im Samen ist Leben, im Boden wohnt Kraft; aber wenn nicht göttliche Macht Tag und Nacht webt und waltet, wird die Saat keinen Ertrag abwerfen. Regengüsse müssen die durstigen Äcker benetzen, die Sonne muß Wärme spenden, die elektrischen Kräfte der Natur müssen auf den eingebetteten Samen übergehen. Das Leben, das der Schöpfer hineingelegt hat, kann nur er allein hervorlocken. Jeder Same wächst, und jede Pflanze entwickelt sich durch die Kraft Gottes. Ez54 96 2 "Der Same ist das Wort Gottes." Lukas 8,11. "Denn gleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Same im Garten aufgeht, also wird Gerechtigkeit und Lob vor allen Heiden aufgehen aus dem Herrn Herrn." Jesaja 61,11. Mit dem geistlichen Säen ist es wie mit dem natürlichen: die Kraft, die allein Leben erzeugen kann, geht von Gott aus. Ez54 96 3 Die Arbeit des Sämanns ist ein Werk des Glaubens. In das geheimnisvolle Keimen und Wachsen der Saat hat er keinen Einblick, aber er vertraut den Kräften, durch die Gott die Pflanzenwelt sprießen läßt. Er streut den Samen aus und hofft, ihn in reicher Ernte vielfach wieder einzuheimsen. So sollten Eltern und Lehrer zu Werke gehen: in der Hoffnung auf Ernte von der Saat, die sie säen. Ez54 96 4 Eine Zeitlang mag der gute Same unbeachtet im Herzen schlummern, ohne Anzeichen, daß er Wurzel gefaßt hat. Aber später, wenn der Geist Gottes die Seele mit seinem Hauch berührt, geht die verborgene Saat auf und bringt schließlich Frucht. In unserer Lebensarbeit wissen wir nicht, was gedeihen wird dies oder jenes. Wir sind nicht imstande, diese Frage zu lösen. "Frühe säe deinen Samen und laß deine Hand des Abends nicht ab." Prediger 6,11. Gottes große Bundesverheißung sichert uns zu: "Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte." 1.Mose 8,22. Im Vertrauen auf diese Verheißung pflügt und sät der Landmann. Wir sollen bei der geistlichen Aussaat nicht weniger zuversichtlich ans Werk gehen und uns auf die göttliche Zusage stützen: "Also soll das Wort, so aus meinem Munde geht, auch sein. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern tun, was mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich's sende." "Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben." Jesaja 55,11; Psalm 126,5. Ez54 97 1 Das Keimen der Saat stellt den Beginn des geistlichen Lebens dar, und das Wachstum der Pflanze ist ein Bild für die Entwicklung des Charakters. Es gibt kein Leben ohne Wachstum. Die Pflanze muß entweder zunehmen oder absterben. Ihrem stillen, unmerklichen, aber steten Gedeihen gleicht das Heranreifen des Charakters. Auf jeder Entwicklungsstufe kann unser Leben vollkommen sein; selbst wenn Gottes Absicht mit uns erfüllt ist, wird es noch beständigen Fortschritt geben. Ez54 97 2 Die Pflanze wächst, indem sie aufnimmt, was Gott für die Erhaltung ihres Lebens bestimmt hat. So kommt auch geistliches Wachstum durch Zusammenwirken mit göttlichen Kräften zustande. Wie die Pflanze im Boden Wurzel faßt, so sollen wir in Christus Wurzel schlagen. Wie die Pflanze Regen, Tau und Sonnenschein entgegennimmt, so sollen auch wir den Heiligen Geist annehmen. Wenn unser Inneres in Christus eingewurzelt ist, wird er zu uns kommen "wie ein Regen, wie ein Spätregen, der das Land feuchtet". Er wird über uns aufgehen wie "die Sonne der Gerechtigkeit" mit "Heil unter ihren Flügeln". Wir werden "blühen wie eine Rose". Von "Korn" werden wir uns "nähren" und "blühen wie ein Weinstock". Hosea 6,3; Maleachi 3,20; Hosea 14,6.8. Ez54 97 3 Der Weizen entwickelt "zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren". Markus 4,28. Das Ziel des Landmanns beim Ausstreuen des Samens und bei der Pflege der Pflanze ist die Erzeugung von Getreide von Brot für die Hungrigen und von Saatgut für künftige Ernten. So schaut auch der große Ackersmann nach der Ernte aus. Er möchte in den Herzen und im Leben seiner Nachfolger wiedergeboren werden, um durch sie wiederum im Herzen und Leben anderer eine Neugeburt zu erleben. Ez54 97 4 Die allmähliche Entwicklung der Pflanze vom Samen aufwärts liefert ein Gleichnis für die Kindererziehung. "Die Erde bringt von selbst zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren." Er, der dieses Gleichnis gab, schuf das winzige Samenkorn, verlieh ihm seine Lebenskräfte und verordnete die Gesetze, die sein Wachstum bestimmen. Auch wurden die Wahrheiten dieses Gleichnisses in seinem eigenen Leben verwirklicht. Die Majestät des Himmels, der König der Ehren, wurde ein Kindlein zu Bethlehem und blieb eine Zeitlang das hilflose, kleine Menschlein unter der Obhut seiner Mutter. In seiner Kindheit sprach und handelte er wie ein Kind, ehrte seine Eltern und kam ihren Wünschen hilfsbereit nach. Doch vom ersten Aufdämmern des Verstandes an wuchs er beständig in der Gnade und in der Erkenntnis der Wahrheit. Ez54 98 1 Eltern und Lehrer sollten darauf bedacht sein, die Neigungen der Jugendlichen so zu pflegen, daß sie auf jeder Lebensstufe die ihr entsprechende Schönheit verkörpern, daß sie sich so natürlich entfalten wie die Pflanzen im Garten. Ez54 98 2 Die Kleinsten sollten in kindlicher Einfachheit erzogen werden. Man muß sie dazu anhalten, sich mit den kleinen, nützlichen Pflichten, mit den Freuden und Erlebnissen zufriedenzugeben, die ihrem Alter angemessen sind. Die Kindheit entspricht dem Grase im Gleichnis, und das Gras offenbart eine Schönheit, die gerade ihm eigentümlich ist. Kinder dürfen nicht in eine altkluge Frühreife hineingedrängt werden; sie sollten vielmehr so lange wie möglich die Frische und Anmut ihrer frühen Jahre bewahren. Je ruhiger und einfacher das Leben des Kindes ist je freier von künstlicher Erregung und je mehr mit der Natur im Einklang, desto stärker speist es seine körperlichen und geistigen Energien und die Kraft des inneren Menschen. Ez54 98 3 In des Heilands Wunder bei der Speisung der Fünftausend kommt das Wirken der göttlichen Macht in der Hervorbringung der Ernte zu anschaulicher Darstellung. Jesus zieht den Schleier vom Reiche der Natur und offenbart die schöpferische Energie, die ständig auf unser Wohl verwandt wird. Mit der Vervielfältigung des in die Erde gestreuten Samens wirkt der, der die Brotlaibe vermehrte, täglich ein Wunder. Es ist auch nichts weniger als ein Wunder, wenn er aus den Kornkammern der Erde ständig Millionen von Geschöpfen ernährt. Bei der Aufbewahrung des Getreides und beim Zubereiten des Brotes werden die Menschen mit herangezogen, und deshalb verlieren sie das göttliche Tun aus den Augen. Das Wirken seiner Macht wird natürlichen Ursachen oder menschlichen Mitteln zugeschrieben. Zu oft mißbraucht man seine Gaben zu egoistischen Zwecken und macht sie statt zum Segen zu einem Fluch. Gott sucht dies alles abzuändern. Er möchte, daß unsere trägen Sinne belebt werden, damit wir seine Langmut und Freundlichkeit wahrnehmen, und daß seine Gaben uns den Segen bringen, der seiner Absicht entspricht. Ez54 99 1 Allein das göttliche Wort, die Mitteilung seines Lebens, macht die Saat lebendig, und wir werden Teilhaber dieses Lebens, wenn wir das Samenkorn genießen. Gott möchte, daß wir dies begreifen. Er wünscht, daß wir selbst beim Empfang unseres täglichen Brotes seine Wirksamkeit anerkennen und in engere Gemeinschaft kommen. Ez54 99 2 Den göttlichen Naturgesetzen gemäß folgt der Ursache mit unfehlbarer Sicherheit die Wirkung. Die Ernte zeugt für die Saat. Hier wird kein Schein geduldet. Menschen mögen ihre Mitmenschen betrügen und Lob und Belohnung für Dienste erhalten, die sie gar nicht geleistet haben. Aber in der Natur ist keine Täuschung möglich. Über den ungetreuen Landmann fällt die Ernte das Verdammungsurteil, und in seiner tiefsten Bedeutung trifft dies auch für das geistliche Leben zu. Das Böse hat nur scheinbar, nicht aber in Wirklichkeit Erfolg. Das Kind, das die Schule schwänzt, der Jugendliche, der in seinen Studien lässig wird, der Angestellte oder Lehrling, der die Belange seines Arbeitgebers nicht wahrnimmt, der Geschäftsmann oder freiberuflich Tätige, der seinen höchsten Verantwortungen nicht gerecht wird, mögen sich einreden, daß sie, solange das Unrecht verborgen bleibt, einen Vorteil genießen. Aber dem ist nicht so; sie betrügen sich dabei selbst. Des Lebens Ernte ist ein Charakter, und dieser ist es, der unser Schicksal für dieses wie für das zukünftige Leben bestimmt. Ez54 100 1 Die Ernte stellt ein genaues Abbild der ausgestreuten Saat dar. Jeder Same trägt Frucht "nach seiner Art". So ist es auch mit den Eigenschaften, die wir pflegen: Selbstsucht, Eigenliebe, Dünkel und Genußsucht bringen sich selbst aufs neue hervor; das Ende sind Elend und verderben. "Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten." Galater 6,8. Liebe, Mitgefühl und Freundlichkeit tragen Segensfrüchte -- eine Ernte, die unvergänglich ist. Ez54 100 2 Im Ernteertrag ist die Saat um ein vielfaches vermehrt. Ein einziges Weizenkorn, das sich durch wiederholte Aussaat vervielfältigt, würde ein ganzes Land mit goldgelben Garben bedecken. So weitreichend kann auch der Einfluß eines einzigen Lebens, ja einer einzigen Tat sein. Ez54 100 3 Zu welchen Liebestaten hat doch die Erinnerung an jenes Alabastergefäß, das für die Salbung Christi zerbrochen wurde, die vielen Jahrhunderte hindurch angeregt! Welch ungezählte Gaben hat jener Beitrag von "zwei Scherflein ...; die machen einen Heller" (Markus 12,42) einer armen, ungenannten Witwe der Sache des Heilandes eingebracht! Ez54 100 4 Am Säen des Samens lernen wir Freigebigkeit. "Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen." 2.Korinther 9,6. Ez54 100 5 Der Herr sagt: "Wohl euch, die ihr säet allenthalben an den Wassern!" Jesaja 32,20. Allenthalben an den Wassern säen heißt: geben, wo immer unsere Hilfe benötigt wird. Dies wird nicht zur Armut führen. "Wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen." Durch Aussäen vervielfältigt der Sämann den Samen. So vermehren wir unsere Segnungen durch Schenken. Gottes Verheißung sichert uns ein Auskommen zu, damit wir auch weiterhin geben können. Ez54 101 1 Mehr noch als das: während wir die Segnungen dieses Lebens weitervermitteln, macht die Dankbarkeit das Herz des Empfängers bereit, geistliche Wahrheiten anzunehmen, und es wird eine Ernte zum ewigen Leben hervorgebracht. Ez54 101 2 Das Fallen des Kornes in die Erde deutet auf Jesu Opfer für uns hin. Er sagt: "Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt's allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte." Johannes 12,24. Nur durch das Opfer Christi die Saat konnten Früchte für das Reich Gottes gezeitigt werden. In Übereinstimmung mit dem Gesetz der Pflanzenwelt erwächst Leben aus seinem Tode. Ez54 101 3 Das gleiche gilt für alle, die als Mitarbeiter Christi Frucht bringen: Eigenliebe und Selbstsucht müssen schwinden, das Leben muß in die Ackerfurche der Weltnot geworfen werden. Aber das Gesetz der Selbstaufopferung ist auch gleichzeitig das Gesetz der Selbsterhaltung. Der Landmann erhält sein Korn, indem er es auswirft. So wird auch nur das Leben, das man freiwillig für den Dienst an Gott und Menschen dahingibt, erhalten bleiben. Ez54 101 4 Die Saat erstirbt, um zu neuem Leben aufzusprießen eine Lehre von der Auferstehung. Gott hat vom menschlichen Körper, der zur Verwesung ins Grab gelegt wird, gesagt: "Es wird gesät verweslich, und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit, und wird auferstehn in Kraft." 1.Korinther 15,42.43. Ez54 101 5 Wenn Eltern und Lehrer versuchen, diese Lehren zu vermitteln, sollten sie recht praktisch dabei vorgehen. Man lasse die Kinder selbst den Boden bereiten und den Samen streuen. Eltern und Lehrer können auf den Herzensgarten hinweisen, in den gute oder böse Saat gesät worden ist: wie der Garten für den natürlichen Samen, so muß das Herz für den Samen der Wahrheit vorbereitet werden. Wenn die Saat in die Erde gelegt wird, können sie den Tod Christi, wenn das Gras aufsprießt, die Auferstehungswahrheit lehren. Während die Pflanze wächst, mag der Vergleich zwischen dem natürlichen und geistlichen Säen weiter durchgeführt werden. Ez54 102 1 Die Jugend sollte in ähnlicher Weise unterrichtet werden. Von der Bestellung des Ackers lassen sich fortwährend Lehren ableiten. Niemand läßt sich auf einem unbebauten Stück Land nieder und erwartet sofort eine Ernte. Fleißige, anhaltende Arbeit muß auf die Zubereitung des Bodens, auf das Säen der Saat und die Pflege des Gewächses verwandt werden. So muß es auch beim geistlichen Säen sein. Den Herzensgarten soll man pflegen. Sein Boden muß durch die Reue umgebrochen werden. Das Unkraut, das das gute Korn erstickt, muß man ausreißen. Wie der Boden, der erst einmal von Gestrüpp überwachsen ist, nur in fleißiger Arbeit urbar gemacht werden kann, so sind auch die bösen Neigungen des Herzens nur durch ernste Anstrengungen im Namen Christi und in seiner Kraft zu überwinden. Ez54 102 2 Bei der Bestellung des Bodens wird der überlegsame Arbeiter die Entdeckung machen, daß sich ungeahnte Schätze vor ihm auftun. Niemand hat im Ackerbau oder in der Gärtnerei Erfolg, der die geltenden Gesetze nicht beachtet. Die besonderen Bedürfnisse jeder Pflanzenart müssen studiert werden. Verschiedene Arten erfordern verschiedenen Boden und verschiedene Pflege; Anpassung an die jeweils herrschenden Gesetze ist die Voraussetzung zum Erfolg. Die Vorsicht, die beim Umpflanzen erforderlich ist, damit auch nicht eine Wurzelfaser eingeklemmt oder an die falsche Stelle gebracht wird, die Betreuung der jungen Pflanzen, das Beschneiden und Begießen, das Abschirmen gegen den nächtlichen Frost und die Sonnenhitze bei Tag, das Fernhalten der Unkräuter, der Krankheiten und Insektenplagen, die Aufzucht und Anordnung der Pflanzen erteilen uns nicht nur wichtige Lehren betreffs der Formung des Charakters; auch die Arbeit selbst ist ein Mittel zur Entwicklung. Da sie zu Sorgfalt, Geduld, Umsicht und Sachgemäßheit anhält, ist sie höchst erzieherisch. Die ständige Berührung mit dem Geheimnis des Lebens und dem Liebreiz der Natur führt ebenso wie das Zartgefühl, das beim Dienst an diesen herrlichen Gegenständen der Schöpfung Gottes entwickelt wird, zur Belebung des Geistes und zur Verfeinerung und Veredlung des Charakters; die erteilten Lehren bereiten den Mitarbeiter Gottes dazu vor, geschickter mit andern Seelen umzugehen. ------------------------Kapitel 12: Andere Gleichnisse Ez54 103 1 "Wer ist weise und behält dies? So werden sie merken, wie viel Wohltaten der Herr erzeigt." Ez54 103 1 Gottes heilende Kraft durchströmt die ganze Natur. Wenn ein Baum verletzt wird, wenn ein Mensch verwundet wird oder sich ein Glied bricht, beginnt sie sofort, den Schaden wieder gutzumachen. Ja, schon ehe ein Bedürfnis vorhanden ist, stehen die Heilkräfte bereit; und sobald ein Körperteil verletzt wird, arbeitet alles auf die Wiederherstellung hin. So verhält es sich auch im Reiche des Geistes. Noch ehe die Sünde das Bedürfnis schuf, hatte Gott für das Heilmittel gesorgt. Jede Seele, die der Versuchung nachgibt, ist durch den Widersacher verwundet und zerschlagen; aber wo immer die Sünde auftritt, da ist auch der Heiland zugegen. Es ist das Werk Christi, "zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, daß sie los sein sollen ... und den Zerschlagenen, daß sie frei und ledig sein sollen". Lukas 4,18. Ez54 103 2 An diesem Werk sollen wir teilhaben. "So ein Mensch etwa von einem Fehler übereilt würde, so helfet ihm wieder zurecht." Galater 6,1. Das Wort, das hier mit "wieder zurechthelfen" übersetzt ist, bedeutet: ein ausgerenktes Glied wieder einrenken. Wie sinnreich ist dieses Bild! Wer in Irrtum oder Sünde fällt, ist zu allem, was ihn umgibt, außer Beziehung gesetzt. Er mag seinen Fehler einsehen und voller Gewissensangst sein, aber er kann sich nicht selbst wieder zurechtbringen. Er lebt in Bestürzung und Verlegenheit, er ist unterlegen und hilflos. Er muß zurückgeholt, geheilt und wiederaufgerichtet werden. "Helfet ihm wieder zurecht ... ihr, die ihr geistlich seid." Nur die Liebe, die aus dem Herzen Christi fließt, kann heilen. Nur der, in dem diese Liebe kreist wie der Saft im Baume oder das Blut im Körper, kann die verwundete Seele wiederaufrichten. Ez54 104 1 Vom Wirken der Liebe geht wunderbare Kraft aus, denn es ist göttlich. Die linde Antwort, die den Zorn stillt, die Liebe, die "langmütig und freundlich" ist, das Erbarmen, das "der Sünden Menge" (Sprüche 15,1; 1.Korinther 13,4; 1.Petrus 4,8) deckt wären uns diese Stücke zu eigen, mit welcher Heilkraft wären wir begabt! Wie würde sich das Dasein verwandeln und die Erde so recht zum Abbild und Vorgeschmack des Himmels werden! Ez54 104 2 Diese köstlichen Wahrheiten können auf so einfache Weise gelehrt werden, daß sogar kleine Kinder sie verstehen. Das Herz des Kindes ist empfindsam und leicht zu beeindrucken, und wenn wir, die Älteren, "wie die Kinder" (Matthäus 18,3) werden, wenn wir von der Einfachheit, dem milden Wesen und der zarten Liebe des Heilandes lernen, werden wir es nicht schwer finden, die Gemüter der Kleinen zu bewegen und ihnen das heilende Amt der Liebe nahezubringen. Ez54 104 3 Vollkommenheit herrscht gleichermaßen im geringsten wie im erhabensten der Werke Gottes. Dieselbe Hand, die die Weltenkörper in den Raum setzte, formt auch die Blumen auf dem Felde. Untersuche unter dem Mikroskop die kleinste und gewöhnlichste Blüte am Wegrand und beachte die erlesene Schönheit und Vollkommenheit all ihrer Teile! So kann man auch in der bescheidensten Umgebung auf wahre Vortrefflichkeit stoßen. Die gewöhnlichsten Arbeiten sind herrlich in den Augen Gottes, wenn sie liebevoll und treu verrichtet werden. Gewissenhafte Beachtung der kleinen Dinge wird uns zu seinen Mitarbeitern machen und wird uns das Lob dessen eintragen, der alles sieht und kennt. Ez54 105 1 Der Regenbogen, der einer Lichtbrücke gleich das Himmelsgewölbe überspannt, ist ein Zeichen für "den ewigen Bund zwischen Gott und allen lebendigen Seelen in allem Fleisch". 1.Mose 9,16. Und der Regenbogen, der den Thron des Höchsten umgibt, ist für Gottes Kinder ebenfalls ein Zeichen seines Friedensbundes. Wie der Bogen in den Wolken durch das Zusammenwirken von Sonnenschein und Regen entsteht, so stellt der Halbkreis über Gottes Thron das Zusammengehen seiner Gnade und Gerechtigkeit dar. Zu der sündigen, aber auch bußfertigen Seele spricht Gott: Du sollst leben, "denn ich habe eine Versöhnung gefunden". Hiob 33,24. Ez54 105 2 "Ich schwur, daß die Wasser Noahs sollten nicht mehr über den Erdboden gehen. Also habe ich geschworen, daß ich nicht über dich zürnen noch dich schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer." Jesaja 54,9.10. Ez54 105 3 Auch die Sterne haben eine frohe Botschaft für einen jeden Menschen. In den Stunden, die uns alle heimsuchen, wenn das Herz matt ist und von der Versuchung hart bedrängt wird, wenn die Hindernisse unüberwindlich, die Ziele des Lebens unerreichbar scheinen und seine schönen Versprechungen sich als Sodomsäpfel erweisen was könnte da so viel Mut und Standhaftigkeit verleihen wie die Botschaft, die wir nach Gottes Geheiß den Sternen in ihrer unbeirrbaren Bahn ablauschen sollen? "Hebet eure Augen in die Höhe und sehet! Wer hat solche Dinge geschaffen und führt ihr Heer bei der Zahl heraus? Er ruft sie alle mit Namen; sein Vermögen und seine starke Kraft ist so groß, daß es nicht an einem fehlen kann. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt; sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden." "Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott; ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit." "Denn ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand stärkt und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir!" Jesaja 40,26-29; Jesaja 41,10.13. Ez54 106 1 Der Palmbaum, den die sengende Sonne und der wütende Sandsturm treffen, steht grün, blühend und fruchttragend mitten in der Wüste. Seine Wurzeln werden von lebendigen Quellen gespeist. Über der dürren, trostlosen Ebene ist sein grüner Wipfel weithin sichtbar, und der Reisende, der dem Verschmachten nahe ist, lenkt seine Schritte dem kühlen Schatten und der lebenspendenden Quelle zu. Ez54 106 2 Der Baum in der Wüste ist ein Sinnbild dafür, was nach Gottes Willen das Leben seiner Kinder für diese Welt bedeuten soll. Sie sollen müde Seelen, die voller Unruhe und in der Wüstenei der Sünde am Rande des Verderbens sind, zu dem lebendigen Wasser führen. Sie sollen ihre Mitmenschen auf den verweisen, der die Einladung ergehen läßt: "Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!" Johannes 7,37. Ez54 106 3 Der breite, tiefe Strom, der sich dem Handel und Wandel der Nationen als ein Hauptverkehrsweg darbietet, wird als allgemeiner Nutzbringer geachtet; aber wie steht es mit den kleinen Bächlein, die diesen prächtigen Strom mit zustande bringen? Wären sie nicht da, so würde der Fluß verschwinden. Von ihnen hängt geradezu sein Dasein ab. So ehrt man Männer, die zur Führung in irgendeinem großen Werk berufen sind, als ob das Gelingen ihnen allein zuzuschreiben sei. Aber der Erfolg erforderte die treue Mitwirkung einer kaum übersehbaren Zahl einfacherer Mitarbeiter Menschen, von denen die Welt nichts weiß. Aufgaben, die keiner würdigt, Mühen ohne Anerkennung fallen den meisten Schaffenden der Welt zu. Ein solches Los erfüllt viele mit Unzufriedenheit. Sie haben das Gefühl, am falschen Platz zu stehen. Doch das kleine Bächlein, das durch Haine und Wiesen geräuschlos seines Weges zieht und dabei Gesundheit, Fruchtbarkeit und Schönheit spendet, ist in seiner Art so nützlich wie der breite Strom. Und indem es zum Dasein des Flusses beiträgt, hilft es das auszuführen, was es allein niemals hätte vollbringen können. Ez54 107 1 Diese Lehre tut vielen not. Das Talent wird zu stark vergöttert und die angesehene Stellung zu sehr begehrt. Zu viele gibt es, die nichts tun wollen, es sei denn, man anerkennt sie als führende Persönlichkeiten. Zu viele müssen gelobt werden, sonst reizt eine Aufgabe sie nicht. Was wir zu lernen haben, ist Treue in der restlosen Ausnützung unserer Kräfte und Fähigkeiten und Zufriedenheit mit dem Los, das der Himmel uns beschieden hat. Ez54 107 2 "Frage doch das Vieh, das wird dich's lehren, und die Vögel unter dem Himmel, die werden dir's sagen; ... und die Fische im Meer werden dir's erzählen." "Gehe hin zur Ameise ...; siehe ihre Weise an." "Sehet die Vögel ... an." "Nehmet wahr der Raben." Hiob 12,7.8; Sprüche 6,6; Matthäus 6,26; Lukas 12,24. Ez54 107 3 Wir sollen dem Kind nicht nur von diesen Geschöpfen Gottes erzählen. Die Tiere selbst sollen seine Lehrmeister sein. Die Ameise lehrt geduldigen Fleiß, Ausdauer bei der Überwindung von Hindernissen und Vorsorge für die Zukunft. Die Vögel sind ein lebendiges Beispiel für schlichtes Vertrauen. Unser himmlischer Vater sorgt für sie, aber sie müssen Nahrung sammeln, ihre Nester bauen und ihre Jungen aufziehen. Jeden Augenblick sind sie Feinden ausgesetzt, die sie zu vernichten suchen. Doch wie freudig gehen sie an ihre Arbeit, wie fröhlich sind ihre kleinen Gesänge! Ez54 108 1 Schön schildert der Psalmist die Fürsorge Gottes an den Geschöpfen des Waldes: Ez54 108 2 "Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht, Und die Steinklüfte der Kaninchen." Psalm 104,18.12. Ez54 108 3 Er läßt die Quellen zwischen den Hügeln fließen, wo die Vögel ihre Behausung haben und "singen unter den Zweigen". Psalm 104,18.12. All die Geschöpfe der Wälder und Berge gehören zu seinem großen Haushalt. Ez54 108 4 "Du tust deine Hand auf Und erfüllst alles, was lebt, mit Wohlgefallen." Psalm 145,16. Ez54 108 5 Der Adler in den Alpen wird manchmal vom Gewitter in die engen Schluchten der Berge hinabgedrückt. Sturmwolken hüllen diesen mächtigen Vogel des Hochwaldes ein; ihre dunklen Massen trennen ihn von den sonnigen Höhen, wo er sein Nest gebaut hat. Seine Anstrengungen, zu entkommen, scheinen fruchtlos. Er stößt hin und her, peitscht die Luft mit seinen starken Schwingen und weckt mit seinem Schreien das Echo der Berge. Endlich schießt er mit einem triumphierenden Laut in die Höhe, durchstößt die Wolken und weilt wieder im klaren Sonnenlicht, Dunkelheit und Sturm weit unter sich zurücklassend. So mögen auch wir von Schwierigkeiten, von Entmutigung und Dunkel umgeben sein. Falschheit, Elend und Ungerechtigkeit umlagern uns. Da sind Wolken, die wir nicht vertreiben können. Vergebens kämpfen wir gegen widrige Verhältnisse an. Da gibt es dann nur einen einzigen Weg des Entrinnens. Die Dunst und Nebelschleier lagern auf der Erde, jenseits der Wolken aber strahlt Gottes ewiges Licht. Die Flügel des Glaubens tragen uns in das klare Sonnenlicht seiner Gegenwart. Ez54 109 1 Zahlreich sind die Lehren, die man sich so zu eigen machen kann. Selbstvertrauen lernen wir zum Beispiel von dem Baum, der allein in der Ebene oder am Bergeshang wächst, seine Wurzeln tief in die Erde schlägt und mit seiner urwüchsigen Kraft dem Sturm trotzt. So wirkt die Macht frühen Einflusses in dem knorrigen, unförmigen Stamm, der sich als junges Bäumchen krümmte und dem späterhin keine irdische Gewalt das verlorene Ebenmaß wiedergeben kann. Das Geheimnis eines heiligen Lebens lehrt uns die Wasserlilie im Schoß eines schlammigen Teiches, die, umgeben von Unkraut und Abfall, ihren hohlen Stengel in den reinen Sand der Tiefe senkt, von dorther ihre Lebenssäfte bezieht und die duftende Blüte in fleckenloser Reinheit zum Licht erhebt. 1.Mose 1,11.12. Ez54 109 2 Laßt so die Kinder und Jugendlichen, während sie sich durch Lehrer und Unterrichtsbücher eine Tatsachenkenntnis aneignen, auch lernen, Nutzanwendungen zu ziehen und die Wahrheit selbständig zu erkennen! Fragt sie, was sie bei ihrer Gartenarbeit von der Pflege ihrer Pflanzen lernen. Fragt sie beim Blick auf eine herrliche Landschaft, warum Gott über die Felder und Wälder solch liebliche, abwechslungsreiche Farbtöne ausgegossen hat! Warum wurde nicht alles in ein düsteres Braun gehüllt? Leitet die Kinder an, wenn sie Blumen pflücken, darüber nachzudenken, warum Gott uns die Schönheit dieser Wandergäste aus dem Paradiese erhalten hat! Lehrt sie die überall in der Natur offenkundig hervortretenden Beweise göttlicher Fürsorge uns gegenüber beachten: wie wundersam alle Dinge auf unsere Bedürfnisse, auf unsere Glückseligkeit abgestimmt sind. Ez54 109 3 Der allein, der in der Natur seines Vaters Schöpfung erkennt, der im Reichtum und in der Schönheit der Erde des Vaters Schriftzüge entdeckt nur der entlockt den Werken der Natur ihre tiefsten Lehren und erfährt ihren höchsten Dienst. Nur der Mensch kann den Sinngehalt von Berg und Tal, von Fluß und Meer voll erfassen, der in ihnen einen Ausdruck der Gedanken Gottes, eine Offenbarung des Schöpfers sieht. Ez54 110 1 Die Schreiber der Bibel benutzten viele Bilder aus der Natur, und wenn wir die Dinge der natürlichen Welt beobachten, werden wir unter der Anleitung des Heiligen Geistes befähigt, die Lehren des Wortes Gottes besser zu verstehen. Auf diese Weise wird die Natur zu einem Schlüssel für die Schatzkammer des Wortes. Ez54 110 2 Kinder sollten dazu angeregt werden, in der Natur nach den Gegenständen zu suchen, die biblische Lehren veranschaulichen, und in der Bibel den Gleichnissen nachzugehen, die der Natur entnommen sind. Sie sollten in der Schöpfung und auch in der Heiligen Schrift jeden Gegenstand ausfindig machen, der Christus darstellt, desgleichen die Dinge, die er zur Erläuterung von Wahrheiten benutzte. So mögen sie es lernen, im Baum und im Weinstock, in der Lilie und in der Rose, in der Sonne und in den Sternen ihn zu schauen. Sie können es lernen, seine Stimme im Lied der Vögel, im Ächzen des Baumes, im Rollen des Donners und im Rauschen des Meeres zu vernehmen. Alles in der Natur wird ihnen die köstlichen Lehren des Herrn aufs neue verkünden. Ez54 110 3 Wer sich so mit Christus vertraut macht, wird die Erde nimmermehr als einsam und trostlos empfinden. Sie wird seines Vaters Haus und mit der Gegenwart dessen erfüllt sein, der einst bei den Menschen wohnte. Ez54 110 4 "... wenn du gehst, daß sie dich geleiten; wenn du dich legst, daß sie dich bewahren; wenn du aufwachst, daß sie zu dir sprechen." Sprüche 6,22. ------------------------Kapitel 13: Bildung des Verstandes und des Herzens Ez54 113 0 "Durch Klugheit füllen sich die Kammern mit allerlei kostbarem und lieblichem Besitz." Sprüche 24,4 (Menge). Ez54 113 1 Geist und Seele stehen genauso wie der Körper unter dem göttlichen Gesetz, daß Kraft aus der Anstrengung erwächst. Allein Übung ertüchtigt. Gott hat in Übereinstimmung mit diesem Gesetz in seinem Wort für die Mittel zur geistigen und geistlichen Entwicklung gesorgt. Ez54 113 2 Die Bibel enthält all die Grundwahrheiten, die die Menschen verstehen müssen, um für dieses und das zukünftige Leben geschickt zu werden. Diese Grundgesetze kann jeder begreifen. Niemand, der die Lehren der Bibel zu schätzen weiß, kann auch nur eine Stelle daraus lesen, ohne ihr einen nützlichen Gedanken abzugewinnen. Das wertvollste Lehrgut der Bibel jedoch ist nicht durch gelegentliches oder unzusammenhängendes Studium zu erarbeiten. Das großartige System der Wahrheit wird nicht so dargeboten, daß es von dem flüchtigen oder gedankenlosen Leser erkannt wird. Viele biblische Schätze liegen weit unter der Oberfläche und können nur durch fleißiges Forschen und andauerndes Bemühen erlangt werden. Man muß nach den Wahrheiten, die das große Ganze ausmachen, suchen und sie zusammentragen, "hier ein wenig, da ein wenig". Jesaja 28,10. Ez54 113 3 Wenn wir sie so erforschen und zusammenstellen, werden wir entdecken, daß sie vollkommen zueinander passen. Jedes der Evangelien stellt eine Ergänzung der übrigen, jede Weissagung die Auslegung einer anderen, jede Wahrheit die Weiterentwicklung irgendeiner sonstigen Wahrheit dar. Die Vorbilder der jüdischen Glaubenslehre werden durchs Evangelium erklärt. Jede Grundwahrheit im Worte Gottes hat ihren Ort, jede Tatsache ihren Bezug, und das vollendete Gebäude zeugt in Plan und Ausführung von dem Schöpfer. Solch einen Bau konnte nicht Menschengeist, sondern nur der Ewige ersinnen und gestalten. Ez54 114 1 Beim Erforschen einzelner Teile und ihrer Beziehung zueinander werden die höchsten Fähigkeiten des Menschengeistes zu intensiver Tätigkeit geweckt. Niemand kann sich einem solchen Studium hingeben, ohne Verstandeskraft zu entwickeln. Ez54 114 2 Der geistige Wert des Bibelstudiums besteht aber nicht nur darin, einzelne Wahrheiten zu erforschen und zu einer Gesamterkenntnis zusammenzufügen. Er liegt auch in der Anstrengung, die zur Durchdringung eines Fragenkreises erforderlich ist. Der Geist, der sich nur mit Alltagsdingen beschäftigt, verkümmert und wird geschwächt. Wenn er sich nie zumutet, große Wahrheiten von weittragender Bedeutung anzupacken, verliert er mit der Zeit die Wachstumskraft. Nichts kommt als Schutz gegen diese Entartung und als Triebkraft innerer Entwicklung dem Forschen im Worte Gottes gleich. Als Mittel der Geistesbildung ist die Bibel wirksamer als jedes andere Buch oder alle anderen Bücher zusammen. Die Erhabenheit ihrer Themen, die würdevolle Schlichtheit ihrer Aussprüche, die Schönheit ihrer Bildersprache beleben und erheben das Denken wie sonst nichts. Kein anderes Studium kann solche geistige Kraft vermitteln wie das Bemühen, die gewaltigen Offenbarungswahrheiten zu begreifen. Der Geist, der so in die Gedankenwelt des Ewigen hineintaucht, muß sich ja ausweiten und erstarken. Ez54 114 3 Noch größer aber erweist sich die Kraft der Bibel bei der Entwicklung des geistlichen Menschen. Der zur Gottesgemeinschaft erschaffene Mensch kommt nur in der Verbundenheit mit dem Allmächtigen zu wirklichem Leben und zu echter Entfaltung. Da ihm bestimmt ist, in Gott seine höchste Freude zu erleben, kann nichts anderes die Sehnsüchte seines Herzens zur Ruhe bringen und den Hunger und Durst seiner Seele stillen. Wer mit aufrichtigem und gelehrigem Geist im Worte Gottes forscht und die darin enthaltenen Wahrheiten zu verstehen sucht, kommt mit dem Urheber dieses Wortes in Verbindung; seinen Entwicklungsmöglichkeiten ist keine Grenze gesetzt es sei denn, er selber will es. Ez54 115 1 Bei ihrem Reichtum in Inhalt und Stil besitzt die Bibel etwas, womit sie jeden Geist fesseln und jedes Gemüt beeindrucken kann. Auf ihren Blättern findet man die äIteste Weltgeschichte, die lebenswahrsten Biographien, die trefflichsten Grundsätze für die Lenkung des Staates, für die Ordnung des Haushaltes Grundregeln, an die menschliche Weisheit nicht heranreicht. Sie enthält die tiefgründigste Philosophie, die lieblichste und erhabenste, aber auch die leidenschaftlichste und herzbewegendste Poesie. Selbst unter diesem Gesichtswinkel überragen die Schriften der Bibel die Erzeugnisse jedes menschlichen Verfassers um vieles. Doch von noch größerer Tragweite, von unschätzbar höherem Wert erweisen sie sich, wenn man sie zu dem großen Hauptgedanken in Beziehung setzt. Jeder Gegenstand gewinnt im Lichte dieses Gedankens eine neue Bedeutung. In den äußerst schlicht gefaßten Wahrheiten sind Leitsätze enthalten, hoch wie der Himmel und ewigkeitstief. Ez54 115 2 Das Hauptanliegen der Bibel, der Gegenstand, dem alles andere in dem ganzen Buch zugeordnet ist, ist der Erlösungsplan, die Wiederherstellung des göttlichen Bildes in der Menschenseele. Von der ersten hoffnungsvollen Andeutung im Entscheid, der in Eden gefällt wird, bis zu jener herrlichen Verheißung in der Offenbarung: "... und sehen sein Angesicht; und sein Name wird an ihren Stirnen sein" (Offenbarung 22,4) ist es das Anliegen eines jeden Buches und eines jeden Abschnittes der Bibel, dieses wunderbare Thema zur Entfaltung zu bringen die Wiederaufrichtung des Menschen durch die Kraft Gottes, "der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesus Christus". 1.Korinther 15,47. Ez54 115 3 Wer diesen Gedanken erfaßt, dem eröffnet sich ein weites Feld. Er besitzt den Schlüssel, der ihm die ganze Schatzkammer des göttlichen Wortes aufschließt. Ez54 115 4 Das Wissen um die Erlösung ist die Wissenschaft aller Wissenschaften, die zum Studium der Engel und aller Geisteswesen der ungefallenen Welten wird. Es ist die Wissenschaft, der die Aufmerksamkeit unseres Herrn und Heilandes gilt, die in den Ratschluß eindringt, der dem Geiste des Ewigen entsprang und "von der Welt her verschwiegen gewesen ist". Römer 16,25. Es handelt sich um jene Wissenschaft, die endlose Zeitalter hindurch das Denken der Erlösten Gottes beschäftigen wird. Das ist der erhabenste Forschungsgegenstand, dem der Mensch sich widmen kann. Wie kein anderer wird er den Geist beleben und die Seele adeln. Ez54 116 1 "Aber die Weisheit gibt das Leben dem, der sie hat." Jesus sagte: "Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben." "Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen." Prediger 7,12; Johannes 6,63; Johannes 17,3. Ez54 116 2 Im Worte Gottes liegt die schöpferische Kraft, die die Welten ins Dasein rief. Dieses Wort vermittelt Stärke, es erzeugt Leben. Jedes Gebot stellt eine Verheißung dar. Wenn es vom Willen anerkannt und ins Gemüt aufgenommen wird, läßt es die Lebenskraft des Unendlichen miteinströmen. Es verwandelt unser Wesen und schafft das Innere wieder zum Bilde Gottes um. Ez54 116 3 Das so verliehene innere Leben wird auch in ähnlicher Weise erhalten. "Von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht" (Matthäus 4,4), soll der Mensch leben. Ez54 116 4 Geist und Seele werden durch das geformt, womit sie sich nähren. An uns ist es, zu entscheiden, welche Nahrung sie erhalten sollen. Es liegt in der Macht jedes einzelnen, die Gegenstände zu wählen, die das Denken beschäftigen und den Charakter formen sollen. Gott bezeugt einem jeglichen Menschen, der Zugang zur Schrift hat, daß er ihm "viel tausend Gebote" seines Gesetzes schreibe. "Rufe mich an, so will ich dir antworten und will dir anzeigen große und gewaltige Dinge, die du nicht weißt." Hesekiel 8,12; Jeremia 33,3. Ez54 116 5 Mit dem Worte Gottes in der Hand kann jedes Menschenkind, wie auch immer sein Los im Leben fallen mag, die Gemeinschaft genießen, die es wählt. Über den Seiten der Bibel darf es Zwiesprache pflegen mit den Edelsten und Besten des Menschengeschlechts. Es kann der Stimme des Ewigen lauschen, wie er mit den Menschen redet. Wenn es die Dinge erforscht und betrachtet, die "auch die Engel gelüstet zu schauen", darf es sich deren Gemeinschaft erfreuen. Es kann in die Fußtapfen des himmlischen Lehrers treten und seinen Worten lauschen, wie es die Menschen taten, als Jesus auf Bergen, Ebenen und Seen Unterricht erteilte. Es ist ihm möglich, auf dieser Welt bereits in der Atmosphäre des Himmels zu leben und den Trauernden und Angefochtenen auf Erden Gedanken der Hoffnung und ein Verlangen nach Heiligkeit einzuflößen. So kommt es selbst in immer innigere Gemeinschaft mit dem Unsichtbaren gleich dem, der vor alters mit Gott wandelte und sich dabei der Schwelle des ewigen Reiches ständig näherte, bis die Tore sich auftun werden und es dort eingehen darf. Es wird sich nicht als Fremdling empfinden. Die Stimmen, die es begrüßen werden, sind die der heiligen Engel, die auf Erden seine unsichtbaren Begleiter waren Stimmen, die es hier vernehmen und lieben lernte. Wer durch Gottes Wort in Gemeinschaft mit dem Himmel lebte, wird sich in der oberen Welt zu Hause fühlen. ------------------------Kapitel 14: Wissenschaft und Bibel Ez54 117 0 "Wer erkennte nicht an dem allem, daß des Herrn Hand solches gemacht hat?" Ez54 117 1 Da das Buch der Natur und das Buch der Offenbarung dem gleichen beherrschenden Geiste entstammen, müssen sie übereinstimmen. Auf unterschiedliche Weise und in verschiedener Sprache bezeugen sie dieselben großen Wahrheiten. Die Wissenschaft entdeckt ständig neue Wunder; ihre Forschungstätigkeit erbringt jedoch nichts, was, richtig verstanden, mit der göttlichen Offenbarung in Widerspruch stände. Das Buch der Natur und das geschriebene Wort erhellen sich wechselseitig. Sie machen uns mit Gott vertraut, indem sie uns über die Gesetze belehren, durch die er wirkt. Ez54 118 1 Irrtümliche Folgerungen, die man aus Naturbeobachtungen zog, haben jedoch zu einem angeblichen Widerstreit zwischen Wissenschaft und Offenbarungswahrheit geführt. In dem Bemühen, die Übereinstimmung wiederherzustellen, hat man sich Schriftauslegungen zu eigen gemacht, die die Kraft des Wortes Gottes untergraben und zerstören. Von der Geologie wird angenommen, sie widerspräche der wörtlichen Ausdeutung des mosaischen Schöpfungsberichtes. Man behauptet, die Entwicklung der Erde aus dem Chaos habe Millionen von Jahren erfordert. Um die Bibel dieser vermeintlichen Enthüllung der Wissenschaft anzupassen, nimmt man an, die Schöpfungstage seien gewaltige Zeiträume von unbestimmter Dauer gewesen, die sich über Tausende oder gar Millionen von Jahren erstreckten. Ez54 118 2 Eine solche Folgerung ist völlig unangebracht. Der biblische Bericht enthält keine Widersprüche und stimmt mit den Lehren der Natur überein. Vom ersten Schöpfungstag lautet der Bericht: "Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag." 1.Mose 1,5. Und von jedem der ersten sechs Tage der Schöpfungswoche wird im Grunde dasselbe gesagt. Das inspirierte Wort tut uns kund, daß jede einzelne dieser Perioden ein aus Abend und Morgen bestehender Tag war wie alle andern Tage seit jener Zeit. Hinsichtlich des Schöpfungswerkes selbst lautet das göttliche Zeugnis: "So er spricht, so geschieht's; so er gebeut, so stehet's da." Psalm 33,9. Welchen Zeitraum erforderte die Entwicklung der Erde aus dem Chaos bei dem, der zahllose Welten auf solche Weise ins Dasein rief? Müssen wir seinem Wort Gewalt antun, um seine Werke zu rechtfertigen? Ez54 118 3 Es ist wahr, daß Reste, die im Erdreich gefunden wurden, für das Dasein von Menschen, Tieren und Pflanzen zeugen, die viel größer waren als die heutzutage bekannten. Diese werden als Beweis dafür angesehen, daß es ein Pflanzen und Tierleben vor der Zeit des mosaischen Berichtes gegeben habe. Doch die biblische Geschichte erklärt diese Dinge zur Genüge. Vor der Flut war die Entfaltung des Pflanzen und Tierlebens der seither bekanntgewordenen weit überlegen. Bei der Sintflut wurde die Erdoberfläche aufgerissen, auffallende Veränderungen traten ein, und bei der Neubildung der Erdkruste wurden viele Beweisstücke für das früher vorhandene Leben aufbewahrt. Die riesigen Wälder, die zur Zeit der Flut im Erdreich begraben wurden und sich von da ab in Kohle verwandelten, bilden die ausgedehnten Kohlenfelder und liefern die Ölvorräte, die heutzutage zu unserer Behaglichkeit und Bequemlichkeit beitragen. Wenn diese Dinge zutage gefördert werden, sind sie immer wieder stumme Zeugen für die Wahrheit des Wortes Gottes. Ez54 119 1 Mit der Erdentwicklungstheorie ist jene andere verwandt, die die Entwicklung des Menschen, der Krone der Schöpfung, auf eine aufsteigende Linie von Keimen, Weichtieren und Vierfüßlern zurückführt. Ez54 119 2 Wenn man alle Umstände menschlichen Forschens in Betracht zieht: wie kurz doch das Leben des Menschen, wie begrenzt sein Wirkungsfeld, wie beschränkt sein Gesichtskreis ist; wie häufig und wie groß die Irrtümer in seinen Folgerungen sind, besonders hinsichtlich der Ereignisse, die sich vermeintlich vor der Schöpfungswoche abgespielt haben; wie oft die angeblichen Endergebnisse der Wissenschaft neu überprüft oder verworfen werden; wie bereitwillig von Zeit zu Zeit der für die Erdentwicklung angenommene Zeitraum um Millionen von Jahren verlängert oder verkürzt wird; wie sehr die Theorien der verschiedenen Wissenschaftler einander widerstreiten wenn wir dies alles bedenken, sollen wir dann für das fragwürdige "Vorrecht", unsere Herkunft von Keimen, Weichtieren und Affen abzuleiten, den in seiner Schlichtheit so erhabenen Ausspruch der Heiligen Schrift darangeben: "Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn"? 1.Mose 1,27. Sollen wir auf jene Ahnenreihe stolzer als irgendeine an Königshöfen gehütete verzichten: "... der war ein Sohn Adams, der war Gottes"? Lukas 3,38. Richtig verstanden, stehen sowohl die Enthüllungen der Wissenschaft als auch die Erfahrungen des Lebens mit dem, was die Schrift über das beständige Wirken Gottes in der Natur aussagt, im Einklang. Ez54 120 1 In dem von Nehemia aufgezeichneten Hymnus sangen die Leviten: "Herr, du bist's allein, du hast gemacht den Himmel und aller Himmel Himmel mit allem ihrem Heer, die Erde und alles, was darauf ist, die Meere und alles, was darinnen ist; du machst alles lebendig." Nehemia 9,6. Ez54 120 2 Soweit es diese Erde betrifft, erklärt die Schrift das Werk der Schöpfung für abgeschlossen. "Die Werke" waren "von Anbeginn der Welt gemacht". Hebräer 4,3. Aber in der Erhaltung des Geschöpflichen wirkt die Kraft Gottes immer noch. Nicht weil der einmal in Gang gesetzte Mechanismus durch eigene, ihm innewohnende Energie fortfährt zu arbeiten, schlagen die Pulse und folgt ein Atemzug dem andern. Jegliches Atemholen und jede Klopfbewegung des Herzens ist ein Beweis der Fürsorge dessen, in dem wir leben und weben und sind. Vom kleinsten Insekt bis zum Menschen ist jedes Lebewesen täglich von seiner Vorsehung abhängig. Ez54 120 3 "Es wartet alles auf dich ... Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; Wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gut gesättigt. Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; Du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie Und werden wieder zu Staub. Du lässest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, Und du erneuest die Gestalt der Erde." Psalm 104,27-30. Ez54 120 4 "Er breitet aus die Mitternacht über das Leere Und hängt die Erde an nichts. Er faßt das Wasser zusammen in seine Wolken, Und die Wolken zerreißen darunter nicht ... Er hat um das Wasser ein Ziel gesetzt, Bis wo Licht und Finsternis sich scheiden. Die Säulen des Himmels zittern Ez54 120 5 Und entsetzen sich vor seinem Schelten. Vor seiner Kraft wird das Meer plötzlich ungestüm ... Am Himmel wird's schön durch seinen Wind, Und seine Hand durchbohrt die flüchtige Schlange. Siehe, also geht sein Tun, Und nur ein geringes Wörtlein davon haben wir vernommen. Wer will aber den Donner seiner Macht verstehen?" Hiob 26,7-10; 11-14. Ez54 121 1 "Er ist der Herr, der Weg in Wetter und Sturm ist und Gewölke der Staub unter seinen Füßen." Nahum 1,3. Ez54 121 2 Die gewaltige Macht, die in der ganzen Natur spürbar ist und alle Dinge erhält, ist nicht nur, wie einige Männer der Wissenschaft behaupten, ein alldurchdringendes Prinzip, eine wirkende Energie. Gott ist Geist; doch er ist auch ein persönliches Wesen, denn der Mensch wurde nach seinem Bilde geschaffen. Als Personwesen hat sich Gottvater in seinem Sohn offenbart. Jesus, "der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens" (Hebräer 1,3) wurde auf Erden in Gebärden als ein Mensch erfunden. Als persönlicher Heiland kam er in die Welt. Als persönlicher Heiland fuhr er auf zur Höhe, und als persönlicher Heiland vertritt er uns auch in den himmlischen Höfen. Vor dem Throne Gottes dient in unserer Sache einer "wie eines Menschen Sohn". Daniel 7,13. Ez54 121 3 Der Apostel Paulus bezeugt unter der Einwirkung des Heiligen Geistes von Christus: "Es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm." Kolosser 1,16.17. Die Hand, die die Himmelskörper im Weltenraume trägt, die alle Dinge im gesamten Universum Gottes in ihrer Ordnung und in rastloser Tätigkeit erhält, ist es, die für uns ans Kreuz genagelt wurde. Ez54 121 4 Die Größe Gottes bleibt uns etwas Unfaßbares. "Des Herrn Stuhl ist im Himmel" (Psalm 11,4) doch durch seinen Geist ist er überall gegenwärtig. "Seine Augenlider prüfen die Menschenkinder." Er kennt alle Werke seiner Hand aufs genaueste und kümmert sich persönlich darum. Ez54 122 1 "Wer ist wie der Herr, unser Gott? der sich so hoch gesetzt hat Und auf das Niedrige sieht im Himmel und auf Erden." Ez54 122 2 "Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, Und wohin fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich auf zum Himmel, so wärst du da. Und lagerte ich mich in der Unterwelt, so wärst du dort." ("Das Grab ist aufgedeckt vor ihm, und der Abgrund hat keine Decke." Hiob 26,6.) Ez54 122 3 "Nähme ich Schwingen des Morgenrots zum Flug Und ließe mich nieder am äußersten Westmeer, So würde auch dort deine Hand mich führen Und deine Rechte mich fassen." Psalm 113,5.6; Psalm 139,7-10 (Menge). Ez54 122 4 "Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; Du verstehest meine Gedanken von ferne. Ich gehe oder liege, so bist du um mich Und siehest alle meine Wege ... Von allen Seiten umgibst du mich Und hältst deine Hand über mir. Solche Erkenntnis ist mir zu wunderbar Und zu hoch; ich kann sie nicht begreifen." Psalm 139,2-6. Ez54 122 5 Es war der Schöpfer aller Dinge, der die Mittel dem Zweck und die Vorräte dem Bedürfnis so wunderbar zuordnete. Er war es, der in der stofflichen Welt Vorkehrung traf, daß jedes eingepflanzte Verlangen befriedigt werden konnte. Er schuf die Menschenseele mit ihrer Fähigkeit des Erkennens und Liebens, und es liegt nicht in seiner Art, das Sehnen des Gemütes ungestillt zu lassen. Kein unbegreifliches Prinzip, keine unpersönliche Kraft, keine bloße Abstraktion kann den Bedürfnissen und Sehnsüchten menschlicher Wesen in diesem Leben des Kampfes mit Sünde, Leid und Schmerz Genüge tun. Es reicht nicht aus, an Gesetz und Macht zu glauben, an Dinge, die kein Mitgefühl haben und nimmermehr den Schrei nach Hilfe vernehmen. Wir müssen um einen allmächtigen Arm wissen, der uns aufrechterhält, um einen ewigen Freund, der Mitleid mit uns hat. Wir bedürfen einer warmen Hand, die wir ergreifen, eines Herzens voller Zärtlichkeit, dem wir vertrauen können; und gerade so hat sich Gott in seinem Worte offenbart. Ez54 123 1 Wer am tiefsten in die Rätsel der Natur eindringt, wird am besten seine eigene Unwissenheit und Schwäche erkennen. Er wird einsehen, daß es da Höhen und Tiefen gibt, zu denen er nicht vorstoßen kann, Geheimnisse, die er nicht zu ergründen vermag, weite Bereiche der Wahrheit, die noch unbetreten vor ihm liegen. Er wird geneigt sein, mit Newton zu sprechen: "Ich komme mir vor wie ein Kind am Ufer, das Kieselsteine und Muscheln fand, während der große Ozean der Wahrheit unentdeckt vor mir lag." Ez54 123 2 Die scharfsinnigsten Wissenschaftler sind gezwungen, in der Natur das Wirken einer unendlichen Macht anzuerkennen. Dem auf sich selbst gestellten menschlichen Verstand müssen die Lehren der Natur freilich widerspruchsvoll und irrig erscheinen. Nur im Lichte der Offenbarungswahrheit können sie richtig entziffert werden. "Durch den Glauben merken wir ..." Hebräer 11,3. Ez54 123 3 "Am Anfang schuf Gott ..." 1.Mose 1,1. Nur an diesem Standort kann der Geist mit seinen bohrenden Fragen, der gleich der Taube sich zur Arche flüchtet, Ruhe finden. Über ihm, unter ihm und an seiner Seite webt und wirkt die unendliche Liebe, die alles so hinausführt, daß das "Wohlgefallen der Güte" (2.Thessalonicher 1,11) erfüllt werde. Ez54 123 4 "Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man des wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt." Römer 1,20. Aber ihr Zeugnis wird nur mit der Hilfe des göttlichen Lehrers verstanden. "Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, als der Geist des Menschen, der in ihm ist? Also auch weiß niemand, was in Gott ist, als der Geist Gottes." 1.Korinther 2,11. Ez54 123 5 "Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten." Johannes 16,13. Nur unter dem Beistand jenes Geistes, der im Anfang "auf dem Wasser" schwebte, mit Hilfe jenes Wortes, durch das "alle Dinge" gemacht sind, und jenes wahren Lichtes, das "alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen" (1.Mose 1,2; Johannes 1,3.9), kann das Zeugnis der Wissenschaft richtig gedeutet werden. Allein bei solcher Wegweisung erkennt man ihre tiefsten Wahrheiten. Ez54 124 1 Nur unter der Leitung des Allwissenden werden wir beim Studium seiner Werke befähigt, seine Gedanken nachzudenken. ------------------------Kapitel 15: Grundsätze und Verfahrensweisen im Erwerbsleben Ez54 124 2 "Wer unschuldig lebt, der lebt sicher." Ez54 124 3 Es gibt kein ehrbares Geschäft oder Gewerbe, für das die Bibel nicht das wesentliche Rüstzeug lieferte. Ihre Grundsätze des Fleißes, der Ehrlichkeit, der Sparsamkeit, Mäßigkeit und Reinheit stellen das Geheimnis wahren Erfolges dar. Diese Grundregeln, wie sie im Buch der Sprüche niedergelegt sind, bilden einen Schatz praktischer Weisheit. Wo könnte der Kaufmann, der Handwerker, der leitende Mann in irgendeinem Unternehmen bessere Leitsätze für sich oder seine Mitarbeiter finden als in den folgenden Worten des weisen Mannes? Ez54 124 4 "Siehst du einen Mann behend in seinem Geschäft, der wird vor den Königen stehen und wird nicht stehen vor den Unedlen." "Wo man arbeitet, da ist genug; wo man aber mit Worten umgeht, da ist Mangel." Sprüche 22,29; Sprüche 14,23. Ez54 124 5 "Der Faule begehrt, und kriegt's doch nicht." "Die Säufer und Schlemmer verarmen, und ein Schläfer muß zerrissene Kleider tragen." Sprüche 13,4; Sprüche 23,21. Ez54 124 6 "Sei unverworren mit dem, der Heimlichkeit offenbart, und mit dem Verleumder und mit dem falschen Maul." Sprüche 20,19. Ez54 124 7 "Ein Vernünftiger mäßigt seine Rede", "aber die gern hadern, sind allzumal Narren." Sprüche 17,27; Sprüche 20,3. Ez54 125 1 "Komm nicht auf der Gottlosen Pfad"; "wie sollte jemand auf Kohlen gehen, daß seine Füße nicht verbrannt würden?" Sprüche 4,14; Sprüche 6,28. Ez54 125 2 "Wer mit den Weisen umgeht, der wird weise." Sprüche 13,20. Ez54 125 3 "Gar manche Freunde gereichen zum Verderben." Sprüche 18,24 (Menge). Ez54 125 4 Der ganze Kreis unserer Pflichten gegeneinander ist mit dem Wort Christi umschrieben: "Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch." Matthäus 7,12. Ez54 125 5 Wie mancher Mann hätte dem finanziellen Mißerfolg und Ruin entgehen können, wenn er die Warnungen beachtet hätte, die so oft und so nachdrücklich in der Schrift ausgesprochen werden: Ez54 125 6 "Wer aber eilt, reich zu werden, wird nicht unschuldig bleiben." Sprüche 28,20. Ez54 125 7 "Mühelos erlangtes Vermögen zerrinnt; wer aber händeweis sammelt, der gewinnt immer mehr." Sprüche 13,11 (Menge). Ez54 125 8 "Wer Schätze sammelt mit Lügen, der wird fehlgehen und ist unter denen, die den Tod suchen." Sprüche 21,6. Ez54 125 9 "Wer borgt, ist des Leihers Knecht." Sprüche 22,7. Ez54 125 10 "Wer für einen andern Bürge wird, der wird Schaden haben; wer aber sich vor Geloben hütet, ist sicher." Sprüche 11,15. Ez54 125 11 "Verrücke nicht die vorigen Grenzen und gehe nicht auf der Waisen Acker. Denn ihr Erlöser ist mächtig; der wird ihre Sache wider dich ausführen." "Wer dem Armen unrecht tut, daß seines Guts viel werde, der wird auch einem Reichen geben, und Mangel haben." "Wer eine Grube macht, der wird hineinfallen; und wer einen Stein wälzt, auf den wird er zurückkommen." Sprüche 23,10.11; Sprüche 22,16; Sprüche 26,27. Ez54 125 12 Das sind Grundregeln, die das Wohl der Gesellschaft, sowohl der religiösen als auch der weltlichen Körperschaften bestimmen. Diese Grundsätze sind es, die Sicherheit für Eigentum und Leben bieten. Alle Voraussetzungen für Vertrauen und Zusammenarbeit in der Welt hat allein das Gesetz Gottes geschaffen, wie es in seinem Wort aufgezeichnet ist und wie es, wenngleich in oft verdunkelten und nahezu verwischten Zeichen, noch immer in den Herzen der Menschen geschrieben steht. Ez54 126 1 Die Worte des Psalmisten: "Das Gesetz deines Mundes ist mir lieber denn viel tausend Stück Gold und Silber" (Psalm 119,72), sprechen aus, was nicht nur unter dem religiösen Gesichtspunkt zutrifft. Sie bringen eine unbedingte Wahrheit zum Ausdruck, und zwar eine, die in der Geschäftswelt anerkannt wird. Selbst in dieser Zeit des leidenschaftlichen Jagens nach Geld, der scharfen Konkurrenz und des gewissenlosen Geschäftsgebarens bekennt man sich noch zu der Auffassung, daß Redlichkeit, Fleiß, Mäßigkeit, Sauberkeit und Sparsamkeit für einen ins Leben tretenden jungen Mann ein besseres Kapital darstellen als jede bloße Geldsumme. Ez54 126 2 Doch selbst unter denen, die den Wert dieser Eigenschaften schätzen und die Bibel als deren Quelle anerkennen, gibt es nur wenige, die das Grundprinzip bejahen, auf dem sie beruhen. Ez54 126 3 Was allem sauberen Geschäftsgebaren und dem wahren Erfolg zugrunde liegt, ist die Anerkennung des göttlichen Eigentumsrechtes. Der Schöpfer aller Dinge ist der ursprüngliche Besitzer; wir sind seine Haushalter. Alles, was wir haben, ist uns von ihm anvertraut, damit wir es seiner Weisung gemäß verwenden. Ez54 126 4 Dies ist eine Verpflichtung, die auf jedem menschlichen Wesen ruht. Sie berührt jede menschliche Tätigkeit. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: wir sind Haushalter, denen Gott Gaben und Gelegenheiten geschenkt und die er in die Welt gestellt hat, damit sie durch ihn ein bestimmtes Werk verrichten. Ez54 126 5 Jedem Menschen ist "sein Werk" (Markus 13,34) zugewiesen die Arbeit, zu der ihn seine Fähigkeiten geschickt machen, die Aufgabe, die ihm selbst und seinen Mitmenschen zum größten Segen, Gott aber zu höchster Ehre gereichen wird. Ez54 126 6 So liegen Beschäftigung und Beruf mit im großen Plane Gottes, und solange wir sie seinem Willen gemäß ausüben, verantwortet er selbst die Ergebnisse. Als "Gottes Mitarbeiter" (1.Korinther 3,9) sind wir gehalten, seinen Weisungen treulich nachzukommen. Es ist also kein Raum für ängstliches Sorgen. Fleiß, Treue, Sorgfalt, Sparsamkeit und Besonnenheit werden gefordert. Jede Anlage soll zu höchster Entfaltung gebracht werden. Doch dürfen wir uns dabei nicht auf den glücklichen Ausgang unserer Bemühungen, sondern auf die Verheißung Gottes verlassen. Das Wort, das Israel in der Wüste speiste und Elia die Zeit der Teurung hindurch erhielt, hat heute noch dieselbe Macht. "Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen, was werden wir trinken? ... Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen." Matthäus 6,31-33. Ez54 127 1 Er, der den Menschen Kraft gibt, Reichtum zu erlangen, hat an die Fähigkeit eine Verpflichtung geknüpft. Von allem, was wir erwerben, beansprucht er einen bestimmten Teil. Der Zehnte ist des Herrn. "Alle Zehnten im Lande, von Samen des Landes und von den Früchten der Bäume", "alle Zehnten von Rindern und Schafen sollen dem Herrn heilig sein." 3.Mose 27,30.32. Das von Jakob zu Bethel geleistete Gelübde zeigt das Ausmaß der Verpflichtung. "Von allem, was du mir gibst", sagte er, "will ich dir den Zehnten geben." 1.Mose 28,22. Ez54 127 2 "Bringet aber die Zehnten ganz in mein Kornhaus" (Maleachi 3,10), lautet Gottes Gebot. Nicht an die Dankbarkeit oder Freigebigkeit wird appelliert. Dies ist einfach eine Sache der Aufrichtigkeit. Der Zehnte ist des Herrn; er gebietet uns, ihm zurückzugeben, was sein eigen ist. "Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, denn daß sie treu erfunden werden." 1.Korinther 4,2. Wenn Ehrlichkeit ein wesentlicher Grundzug im Erwerbsleben ist müssen wir dann nicht auch unsere Schuldigkeit Gott gegenüber bejahen, die Verpflichtung, die jeder anderen zugrunde liegt? Ez54 127 3 Die Bedingungen unserer Haushalterschaft verpflichten uns nicht nur Gott, sondern auch den Menschen. Der unendlichen Liebe des Erlösers verdankt jedes Menschenwesen die Gaben des Lebens. Nahrung, Kleidung und Obdach, Körper, Geist und Seele, alles ist durch sein Blut erkauft. Damit hat uns Christus zur Dankbarkeit und zum Dienen verpflichtet und uns zu Schuldnern unserer Mitmenschen gemacht. Er gebietet uns: "Durch die Liebe diene einer dem andern." Galater 5,13. "Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." Matthäus 25,40. Ez54 128 1 Paulus erklärt: "Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Ungriechen, der Weisen und der Unweisen." Römer 1,14. Das sind auch wir. Alles, was wir in unserem Leben als Segensgabe andern voraus haben, verpflichtet uns jedem Menschenkinde gegenüber, dem wir von Nutzen sein können. Ez54 128 2 Diese Wahrheiten gelten im Büro nicht weniger als im Kämmerlein. Die Güter, mit denen wir umgehen, sind nicht unser eigen diese Tatsache verliert man nie gefahrlos aus den Augen. Wir sind nur Haushalter, und von der Erfüllung unserer Verpflichtungen Gott und Menschen gegenüber hängt sowohl das Wohl unserer Mitmenschen als auch unser eigenes Schicksal in diesem und im zukünftigen Leben ab. Ez54 128 3 "Einer teilt aus, und hat immer mehr; ein anderer kargt, da er nicht soll, und wird doch ärmer." "Laß dein Brot über das Wasser fahren, so wirst du es finden nach langer Zeit." "Die Seele, die da reichlich segnet, wird gelabt; und wer reichlich tränkt, der wird auch getränkt werden." Sprüche 11,24.25; Prediger 11,1. Ez54 128 4 "Bemühe dich nicht, reich zu werden ... Laß deine Augen nicht fliegen nach dem, was du nicht haben kannst; denn dasselbe macht sich Flügel wie ein Adler und fliegt gen Himmel." Sprüche 23,4.5. Ez54 128 5 "Gebet, so wird euch gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messet, wird man euch wieder messen." Lukas 6,38. Ez54 128 6 "Ehre den Herrn von deinem Gut und von den Erstlingen all deines Einkommens, so werden deine Scheunen voll werden und deine Keller mit Most übergehen." Sprüche 3,9.10. Ez54 128 7 "Bringet aber die Zehnten ganz in mein Kornhaus, auf daß in meinem Hause Speise sei, und prüfet mich hierin, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle. Und ich will für euch den Fresser schelten, daß er euch die Frucht auf dem Felde nicht verderben soll und der Weinstock im Acker euch nicht unfruchtbar sei ... daß euch alle Heiden sollen selig preisen, denn ihr sollt ein wertes Land sein." Maleachi 3,10-12. Ez54 129 1 "Werdet ihr in meinen Satzungen wandeln und meine Gebote halten und tun, so will ich euch Regen geben zu seiner Zeit, und das Land soll sein Gewächs geben und die Bäume auf dem Felde ihre Früchte bringen, und die Dreschzeit soll reichen bis zur Weinernte, und die Weinernte soll reichen bis zur Zeit der Saat; und sollt Brots die Fülle haben und sollt sicher in eurem Lande wohnen. Ich will Frieden geben in eurem Lande ... daß ... euch niemand schrecke." 3.Mose 26,3-6. Ez54 129 2 "Trachtet nach Recht, helfet dem Unterdrückten, schaffet dem Waisen Recht, führet der Witwe Sache." "Wohl dem, der sich des Dürftigen annimmt! Den wird der Herr erretten zur bösen Zeit. Der Herr wird ihn bewahren und beim Leben erhalten und es ihm lassen wohl gehen auf Erden und wird ihn nicht geben in seiner Feinde Willen." "Wer sich des Armen erbarmt, der leihet dem Herrn; der wird ihm wieder Gutes vergelten." Jesaja 1,17; Psalm 41,1.2; Sprüche 19,17. Ez54 129 3 Wer sein Geld so anlegt, sammelt doppelte Schätze. Neben dem, was er zuletzt doch zurücklassen muß, wie weislich er es auch benützt haben mag, häuft er sich Reichtümer für die Ewigkeit an jenes Kleinod göttlichen Wesens, das den wertvollsten Besitz im Himmel und auf Erden darstellt. Ez54 129 4 "Der Herr kennt die Tage der Frommen, und ihr Gut wird ewiglich bleiben. Sie werden nicht zu Schanden in der bösen Zeit, und in der Teuerung werden sie genug haben." Psalm 37,18.19. Ez54 129 5 "Wer ohne Tadel einhergeht und recht tut und redet die Wahrheit von Herzen,.... wer sich selbst zum Schaden schwört und hält es", "wer Unrecht haßt samt dem Geiz und seine Hände abzieht, daß er nicht Geschenke nehme;... und seine Augen zuhält, daß er nicht Arges sehe: der wird in der Höhe wohnen ... Sein Brot wird ihm gegeben, sein Wasser hat er gewiß. Deine Augen werden den König sehen in seiner Schöne; du wirst das Land erweitert sehen." Psalm 15,2-4; Jesaja 33,15-17. Ez54 130 1 Gott hat in seinem Wort das Bild eines glücklichen Mannes überliefert, dessen Leben im wahrsten Sinne ein Erfolg war eines Mannes, dem Himmel und Erde freudig Ehre erwiesen. Hiob selbst sagt von seinen Erfahrungen: Ez54 130 2 "Wie ich war in der Reife meines Lebens, Da Gottes Geheimnis über meiner Hütte war; Da der Allmächtige noch mit mir war Und meine Kinder um mich her;... Da ich ausging zum Tor in der Stadt Und mir ließ meinen Stuhl auf der Gasse bereiten; Da mich die Jungen sahen und sich versteckten, Und die Alten vor mir aufstanden; Da die Obersten aufhörten zu reden Und legten ihre Hand auf ihren Mund; Da die Stimme der Fürsten sich verkroch ...! Ez54 130 3 Denn wessen Ohr mich hörte, der pries mich selig; Und wessen Auge mich sah, der rühmte mich. Denn ich errettete den Armen, der da schrie, Und den Waisen, der keinen Helfer hatte. Ez54 130 4 Der Segen des, der verderben sollte, kam über mich; Und ich erfreute das Herz der Witwe. Gerechtigkeit war mein Kleid, das ich anzog wie einen Rock; Und mein Recht war mein fürstlicher Hut. Ich war des Blinden Auge Und des Lahmen Fuß. Ich war ein Vater der Armen; Und die Sache des, den ich nicht kannte, die erforschte ich." "Draußen mußte der Gast nicht bleiben, Sondern meine Tür tat ich dem Wanderer auf." Ez54 131 1 "Sie hörten mir zu und schwiegen ... Und das Licht meines Angesichts machte mich nicht geringer. Wenn ich zu ihrem Geschäft wollte kommen, So mußte ich obenan sitzen Und wohnte wie ein König unter Kriegsknechten, Da ich tröstete, die Leid trugen." Hiob 29,4-16; Hiob 31,32; Hiob 29,21-25. Ez54 131 2 "Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe." Sprüche 10,22. Die Weisheit kündet: "Reichtum und Ehre ist bei mir, währendes Gut und Gerechtigkeit." Sprüche 8,18. Ez54 131 3 Die Bibel zeigt uns auch die Folgen des Abweichens von richtigen Grundsätzen in unserem Verhalten sowohl Gott als auch dem Nächsten gegenüber. Zu denen, die mit Gottes Gaben betraut sind, seinen Ansprüchen jedoch gleichgültig gegenüberstehen, spricht der Herr: Ez54 131 4 "Schauet, wie es euch geht! Ihr säet viel, und bringet wenig ein; ihr esset, und werdet doch nicht satt; ihr trinket, und werdet doch nicht trunken; ihr kleidet euch, und könnt euch doch nicht erwärmen; und wer Geld verdient, der legt's in einen löchrigen Beutel ... Denn ihr wartet wohl auf viel, und siehe, es wird wenig; und ob ihr's schon heimbringt, so zerstäube Ich's doch." "Wenn einer zum Kornkaufen kam, der zwanzig Maß haben sollte, so waren kaum zehn da; kam er zur Kelter und meinte fünfzig Eimer zu schöpfen, so waren kaum zwanzig da." "Warum das? spricht der Herr Zebaoth. Darum daß mein Haus so wüst steht." "Ist's recht, daß ein Mensch Gott täuscht, wie ihr mich täuschet? So sprecht ihr: ‚Womit täuschen wir dich?' Am Zehnten und Hebopfer." "Darum hat der Himmel über euch den Tau verhalten und das Erdreich sein Gewächs." Haggai 1,5-9; Haggai 2,16; Haggai 1,10; Maleachi 3,8. Ez54 131 5 "Darum, weil ihr die Armen unterdrückt ... so sollt ihr in den Häusern nicht wohnen, die ihr von Werkstücken gebaut habt, und den Wein nicht trinken, den ihr in den feinen Weinberger gepflanzt habt." "Der Herr wird unter dich senden Unfall, Unruhe und Unglück in allem, was du vor die Hand nimmst." "Deine Söhne und deine Töchter werden einem andern Volk gegeben werden, daß deine Augen zusehen und verschmachten über ihnen täglich; und wird keine Stärke in deinen Händen sein." Amos 5,11; 5.Mose 28,20.32. Ez54 132 1 "Also ist der, so unrecht Gut sammelt; denn er muß davon, wenn er's am wenigsten achtet, und muß doch zuletzt Spott dazu haben." Jeremia 17,11. Ez54 132 2 Jede Handelsbuchführung, jede Einzelheit eines Geschäftsabschlusses ist der Prüfung unsichtbarer himmlischer Revisoren unterworfen; diese sind Beauftragte dessen, der niemals mit der Ungerechtigkeit einen vergleich eingehen, der nie das Böse übersehen und das Unrecht keinesfalls beschönigen kann. Ez54 132 3 "Siehst du dem Armen Unrecht tun und Recht und Gerechtigkeit ... wegreißen, wundere dich des Vornehmens nicht; denn es ist noch ein hoher Hüter über den Hohen und sind noch Höhere über die beiden." "Es ist keine Finsternis noch Dunkel, daß sich da möchten verbergen die Übeltäter." Prediger 5,7; Hiob 34,22. Ez54 132 4 "Was sie reden, das muß vom Himmel herab geredet sein; ... und sprechen: ‚Was sollte Gott nach jenen fragen? Was sollte der Höchste ihrer achten?'" Gott spricht: "Das tust du, und ich schweige; da meinst du, ich werde sein gleichwie du. Aber ich will dich strafen und will dir's unter Augen stellen." Psalm 73,9-11; Psalm 50,21. Ez54 132 5 "Und ich hob meine Augen abermals auf und sah, und siehe, da war ein fliegender Brief ... Das ist der Fluch, welcher ausgeht über das ganze Land; denn alle Diebe werden nach diesem Briefe ausgefegt, und alle Meineidigen werden nach diesem Briefe ausgefegt. Ich will ihn ausgehen lassen, spricht der Herr Zebaoth, daß er soll kommen über das Haus des Diebes und über das Haus derer, die bei meinem Namen falsch schwören; und er soll bleiben in ihrem Hause und soll's verzehren samt seinem Holz und Steinen." Sacharja 5,1-4. Ez54 133 1 Gegen jeden Übeltäter spricht das Gesetz Gottes ein Verdammungsurteil aus. Er mag diese Stimme unbeachtet lassen, er mag ihre Warnungen zu übertäuben suchen, doch vergebens: Sie verfolgt ihn, sie verschafft sich Gehör, sie zerstört seinen Frieden. Wenn er sie nicht beachtet, verfolgt sie ihn bis zum Grab. Im Gericht zeugt sie gegen ihn. Als ein unauslöschliches Feuer verzehrt sie schließlich Leib und Seele. Ez54 133 2 "Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele löse?" Markus 8,36.37. Ez54 133 3 Das ist eine Lebensfrage, die alle Eltern, jeden Lehrer, jeden Schüler, ja, jeden Menschen, ob jung oder alt, angeht. Geschäftliche Vorhaben und Lebenspläne werden nie gesund oder umfassend sein, wenn sie nur auf diese kurze Erdenzeit abgestellt sind und die unendliche Zukunft nicht mit einbeziehen. Lehrt die Jugend, die Ewigkeit zu bedenken! Legt den jungen Menschen nahe, Grundsätze zu erwählen und nach Besitztümern zu streben, die von Dauer sind, und damit "einen Schatz" zu sammeln, "der nimmer abnimmt, im Himmel, da kein Dieb zukommt, und den keine Motten fressen", ferner sich Freunde zu machen "mit dem ungerechten Mammon", auf daß, wenn sie nun darben, jene sie aufnehmen "in die ewigen Hütten." Lukas 12,33; Lukas 16,9. Alle, die das tun, sorgen aufs beste für ihr Leben in dieser Welt. Niemand wird sich Schätze im Himmel sammeln, ohne sein Erdenleben dadurch bereichert und veredelt zu finden. Ez54 133 4 "Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütz und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens." 1.Timotheus 4,8. ------------------------Kapitel 16: Biblische Lebensbilder Ez54 134 0 "... welche haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirkt, ... sind kräftig geworden aus der Schwachheit." Ez54 134 1 Erzieherisch gesehen ist kein Teil der Bibel von größerem Wert als ihre Lebensbeschreibungen. Diese Biographien unterscheiden sich von allen übrigen dadurch, daß sie unbedingt lebenswahr sind. Keinem irdisch begrenzten Geist ist es möglich, in allen Einzelheiten richtig zu erkennen, was in der Seele des andern vor sich geht. Nur Er, der im Herzen liest, vor dem die geheimen Quellen unserer Beweggründe und Taten offen daliegen, kann den Charakter völlig zutreffend nachzeichnen oder das wahre Bild eines Menschenlebens entwerfen. Allein das Wort Gottes enthält solche unfehlbaren Darstellungen. Ez54 134 2 Die Heilige Schrift lehrt keine Wahrheit deutlicher als diese, daß unsere Taten das Ergebnis unseres Wesens sind. Was das Leben für uns mit sich bringt, ist in hohem Maße die Frucht unserer eigenen Gedanken und Handlungen. Ez54 134 3 "Ein unverdienter Fluch trifft nicht." Sprüche 26,2. "Prediget von den Gerechten, daß sie es gut haben; ... Weh aber den Gottlosen! denn sie haben es übel, und es wird ihnen vergolten werden, wie sie es verdienen." Jesaja 3,10.11. "Du, Erde, höre zu! Siehe, ich will ein Unglück über dies Volk bringen, ihren verdienten Lohn." Jeremia 6,19. Ez54 134 4 Fürchterlich ist diese Wahrheit, und tief sollte sie sich uns einprägen. Jede Tat fällt auf den Täter zurück. Es gibt kein menschliches Wesen, das nicht die Ernte eigener Aussaat in den Übeln, die als Fluch auf seinem Leben lasten, erkennen könnte. Doch selbst in diesem Fall bleiben wir nicht ohne Hoffnung. Ez54 134 5 Jakob griff zum Betrug, um das Erstgeburtsrecht zu erlangen, das er auf Grund der Verheißung Gottes bereits besaß, und erntete den Lohn dafür im Haß des Bruders. Während der zwanzig Jahre seiner Verbannung erfuhr er selbst Unrecht und Betrug und war zuletzt gezwungen, Sicherheit in der Flucht zu suchen. Dann erlebte er eine zweite Ernte, als seine eigenen Charakterfehler an seinen Söhnen zum Vorschein kamen ein schlagender Beweis, daß sich alles im menschlichen Leben rächt. Ez54 135 1 Aber Gott sagt: "Ich will nicht immerdar hadern und nicht ewiglich zürnen; sondern es soll von meinem Angesicht ein Geist wehen, und ich will Odem machen. Ich war zornig über die Untugend ihres Geizes und schlug sie, verbarg mich und zürnte; da gingen sie hin und her im Wege ihres Herzens. Aber da ich ihre Wege ansah, heilte ich sie und leitete sie und gab ihnen wieder Trost und denen, die über jene Leid trugen ... Friede, Friede, denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht der Herr, und will sie heilen." Jesaja 57,16-19. Ez54 135 2 Jakob wurde von seinem Elend nicht überwältigt. Er hatte bereut und sich bemüht, das seinem Bruder zugefügte Unrecht wiedergutzumachen. Und als ihm durch den Zorn Esaus der Tod drohte, suchte er Hilfe bei Gott. "Er kämpfte mit dem Engel und siegte, denn er weinte und bat ihn." "Und er segnete ihn daselbst." Hosea 12,5; 1.Mose 32,30. In der Kraft göttlicher Stärke konnte der, dem vergeben war, sich nun erheben nicht mehr als der Betrüger, sondern als ein Fürst Gottes. Nicht nur die Errettung von seinem schwer beleidigten Bruder hatte er erfahren, nein, auch eine Befreiung von seinem eigenen Ich. Die Macht des Bösen in seinem Wesen war gebrochen; sein Charakter war umgewandelt. Ez54 135 3 Um den Abend ward es licht. Jakob bestätigte die erhaltende Kraft Gottes, als er einen Rückblick auf sein Leben warf: für ihn war Er "der Gott, der mein Hirte gewesen ist mein Leben lang bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöset hat von allem Übel". 1.Mose 48,15.16. Ez54 135 4 Dieselbe Erfahrung wiederholt sich in der Geschichte der Söhne Jakobs -- Sünde zieht Vergeltung nach sich, und Buße zeitigt die Frucht der Gerechtigkeit zum Leben. Ez54 135 5 Gott hebt seine Gesetze nicht auf. Er wirkt ihnen nicht entgegen. Das Werk der Sünde macht er nicht ungeschehen. Aber er formt um. Durch seine Gnade bringt auch der Fluch noch Segen hervor. Ez54 136 1 Unter den Söhnen Jakobs war Levi einer der grausamsten und rachsüchtigsten. Er gehörte zu den zwei Hauptschuldigen beim verräterischen Mord an den Sichemiten. Levis Charakter spiegelte sich in seinen Nachkommen wider und beschwor das Urteil Gottes auf sie herab: "Ich will sie zerteilen in Jakob und zerstreuen in Israel." 1.Mose 49,7. Ihre Reue bewirkte jedoch eine Besserung; und durch ihre Treue zu Gott inmitten des Abfalls der anderen Stämme verwandelte sich der Fluch in ein Zeichen höchster Ehre. Ez54 136 2 "Zur selben Zeit sonderte der Herr den Stamm Levi aus, die Lade des Bundes des Herrn zu tragen und zu stehen vor dem Herrn, ihm zu dienen und in seinem Namen zu segnen." "Mein Bund war mit ihm zum Leben und Frieden, und ich gab ihm die Furcht, daß er mich fürchtete und meinen Namen scheute ... Er wandelte vor mir friedsam und aufrichtig und bekehrte viele von Sünden." 5.Mose 10,8; Maleachi 2,5.6. Ez54 136 3 Zum Dienst am Heiligtum bestimmt, erhielten die Leviten kein Erbteil an Bodenbesitz. Sie wohnten in den für sie ausgesonderten Städten und bezogen aus den Gott geweihten Zehnten, Gaben und Opfern ihren Lebensunterhalt. Sie waren die Lehrer des Volkes, wohnten allen Festlichkeiten als Gäste bei und wurden überall als Diener und Beauftragte Gottes geehrt. An die ganze Nation erging der Befehl: "Hüte dich, daß du den Leviten nicht verlassest, solange du in deinem Lande lebest." "Darum sollen die Leviten kein Teil noch Erbe haben mit ihren Brüdern; denn der Herr ist ihr Erbe." 5.Mose 12,19; 5.Mose 10,9. Ez54 136 4 Die Wahrheit, daß ein Mann so ist, "wie er es abmißt in seiner Seele" (Sprüche 23,7, EB), wird erneut im Erleben Israels veranschaulicht. An der Grenze Kanaans gaben die Kundschafter, nachdem sie von der Erforschung des Landes zurückgekehrt waren, ihren Bericht ab. In der Furcht vor den Schwierigkeiten einer Besitzergreifung wurde die Schönheit und Fruchtbarkeit des verheißenen Erbes übersehen. Die schwerbefestigten Städte, die Riesengestalten der Krieger und die eisernen Streitwagen brachten den Glauben zum Schwinden. Ohne jeden Gedanken an Gottes Führung wiederholte die Volksmenge das abschließende Urteil der ungläubigen Kundschafter: "Wir vermögen nicht hinaufzuziehen gegen das Volk; denn sie sind uns zu stark." 4.Mose 13,31. Ihre Worte erwiesen sich als wahr. Sie konnten nicht hinaufziehen und schleppten sich bis an ihr Lebensende durch die Wüste. Ez54 137 1 Zwei von den zwölfen jedoch, die das Land in Augenschein genommen hatten, urteilten anders. "Wir können es überwältigen", betonten sie mit Nachdruck und schätzten dabei die Zusage Gottes höher ein als Riesen, ummauerte Städte und eiserne Streitwagen. Für sie selbst wurden ihre Worte wahr. Obwohl Kaleb und Josua die vierzigjährige Wanderung mit ihren Brüdern mitmachten, betraten sie das Land der Verheißung. Kaleb, der so mutigen Herzens war wie einst, als er mit dem Heer des Herrn aufbrach, bat um die Hochburg der Riesen als Erbteil und erhielt sie. In der Kraft Gottes trieb er die Kanaaniter aus. Die Weinberge und Olivenhaine, die seine Füße betreten hatten, wurden sein Besitztum. Während die Weichherzigen und Widerspenstigen in der Wildnis zugrunde gingen, aßen die Männer des Glaubens von den Trauben zu Eskol. Ez54 137 2 Nichts stellt die Bibel in klarerem Lichte dar als die Gefahr, die schon ein einmaliges Abweichen vom Rechten in sich schließt eine Gefahr sowohl für den Übertreter als auch für alle, auf die sich sein Einfluß erstreckt. Vom Beispiel geht eine wunderbare Kraft aus, und man kann ihm fast nicht widerstehen, wenn sich die bösen Neigungen unseres Wesens darin auswirken. Ez54 137 3 Nicht das frevelhafte Leben des verworfenen Sünders oder des verkommenen menschlichen Abschaums ist das stärkste Bollwerk des Lasters in dieser Welt; es ist vielmehr das Leben, das sonst ganz tugendhaft, ehrbar und edel erscheint, in dem aber eine Sünde genährt, einem Laster gefrönt wird. Für die Seele, die insgeheim gegen eine gewaltige Versuchung ankämpft und bebend am Rande des Abgrunds steht, ist ein solches Beispiel ein überaus mächtiger Anreiz zur Sünde. Wem eine hohe Auffassung vom Leben, von der Wahrheit und von der Ehre mitgegeben ist, und wer trotzdem eine Vorschrift des heiligen Gesetzes Gottes vorsätzlich übertritt, der hat seine edlen Gaben zu einem Köder der Sünde herabgewürdigt. Genie, Talent, sympathisches Wesen, ja sogar großmütige und freundliche Taten können so zu Schlingen Satans werden, die Seelen in den Abgrund des Verderbens zu locken. Ez54 138 1 Deshalb hat Gott so viele Beispiele gegeben, die die Folgen einer einzigen unrechten Tat zeigen. Von der traurigen Geschichte jener einen Sünde, die den Tod in die Welt brachte und unser ganzes Weh nebst dem Verluste Edens bis zu dem Bericht über den Mann, der den Herrn der Herrlichkeit für dreißig Silberlinge verkaufte, ist die biblische Lebensbeschreibung überreich an diesen Beispielen. Sie sind als Warnfeuer an den Seitenpfaden angezündet, die vom Weg des Lebens abführen. Ez54 138 2 Auch die Aufzeichnung der Folgen, die sich einstellten, wenn jemand auf Grund mangelnden Glaubens ein einziges Mal menschlicher Schwachheit und Fehlerhaftigkeit Raum gab, dient zur Warnung. Ez54 138 3 Durch ein einziges Versagen seines Glaubens wurde Elias Lebenswerk jäh abgebrochen. Schwer war die Last, die er für Israel getragen hatte; treulich hatte er vor dem nationalen Götzendienst gewarnt, und in tiefer Besorgnis hielt er während der dreieinhalb Jahre der Teuerung Ausschau nach einem Zeichen der Buße. Allein trat er auf dem Berge Karmel für Gottes Sache ein. Durch die Kraft des Glaubens wurde der Götzendienst zu Boden geschlagen, und ein wohltätiger Regen verhieß Ströme des Segens, die der Ausgießung auf Israel harrten. Dann floh Elia in seiner Müdigkeit und Schwachheit vor den Drohungen Isebels und betete als Einsamer in der Wüste, daß er stürbe. Sein Glaube hatte versagt. Das Werk, das er begonnen hatte, sollte er nicht vollenden. Gott gebot ihm, einen andern zum Propheten an seiner Statt zu salben. Ez54 139 1 Gott hatte jedoch den hingebungsvollen Dienst seines Knechtes wohl beachtet. Elia sollte nicht entmutigt und einsam in der Wüste sterben. Kein Hinunterfahren in die Grube war ihm beschieden, vielmehr ein Emporsteigen mit den Engeln Gottes zur Stätte der himmlischen Herrlichkeit. Ez54 139 2 Diese Lebensberichte bringen zum Ausdruck, was jedes Menschenkind eines Tages verstehen wird: daß die Sünde nur Schande und Verlust nach sich ziehen kann, daß Unglaube zum Mißerfolg verurteilt, daß aber Gottes Gnade bis in die tiefsten Tiefen reicht und daß der Glaube die bußfertige Seele emporzieht, damit sie der Kindschaft der Söhne Gottes teilhaftig werde. Ez54 139 3 Jeder, der in dieser Welt einen echten Dienst für Gott oder die Menschen verrichtet, wird in der Schule des Leidens darauf vorbereitet. Je wichtiger der Vertrauensposten, je höher der Dienst ist, desto schärfer wird auch die Prüfung, desto strenger die Zucht sein. Man betrachte den Lebensweg Josephs, Moses, Daniels und Davids. Man vergleiche die Jugendjahre Davids mit der Entwicklung Salomos und beachte die Ergebnisse. Ez54 139 4 David war in seiner Jugend eng mit Saul verbunden. Sein Aufenthalt am Hof und seine Zugehörigkeit zum königlichen Haushalt gaben ihm einen Einblick in die Sorgen, Leiden und Schwierigkeiten, die sich unter dem Flimmer und Pomp des Königtums verbargen. Er sah, wie wenig menschliche Herrlichkeit dazu taugt, der Seele den Frieden zu bringen. Und er war wirklich erleichtert und froh, als er vom Hof des Königs zu den Schafhürden und -herden zurückkehrte. Ez54 139 5 Als David durch die Eifersucht Sauls als ein Flüchtender in die Wüste getrieben wurde und von menschlicher Hilfe abgeschnitten war, stützte er sich in stärkerem Maße auf Gott. Die Ungewißheit und Ruhelosigkeit des Lebens in der Wildnis, die ständig drohenden Gefahren, der häufige Zwang zur Flucht, der Charakter der Männer, die ihn dort umgaben "allerlei Männer, die in Not und Schulden und betrübten Herzens waren" (1.Samuel 22,2) das machte eine strenge Selbstzucht um so unerläßlicher. Diese Erfahrungen weckten und entwickelten die Fähigkeit der Menschenbehandlung, das Mitgefühl mit den Unterdrückten und den Haß gegen die Ungerechtigkeit. In Jahren des Wartens und der Gefahr lernte es David, in Gott seinen Trost, seine Hilfe und sein Leben zu finden. Er begriff, daß er nur durch die Macht des Herrn auf den Thron gelangen konnte; nur in des Herrn Weisheit vermochte er weise zu regieren. Erst durch seine Erziehung in der Schule der Entbehrung und Trübsal konnte David sich den guten Ruf erwerben, der allerdings später durch seine große Sünde befleckt wurde: "Er schaffte Recht und Gerechtigkeit allem Volk." 2.Samuel 8,15. Ez54 140 1 Die strenge Zucht in Davids jungen Jahren fehlte bei Salomo. Umstände, Charakter und Lebenszuschnitt schienen ihn vor allen andern zu begünstigen. Er war edel in seiner Jugend, edel im Mannesalter, und das Wohlgefallen seines Gottes ruhte auf ihm. So trat Salomo eine Regierung an, die hohe Ehren und eine glanzvolle Entfaltung versprach. Ganze Völker wunderten sich über die Erkenntnis und Einsicht des Mannes, dem Gott Weisheit verliehen hatte. Aber sein Stolz auf seine Erfolge schied ihn von Gott. Salomo wandte sich von den Freuden der Gottesgemeinschaft ab, um in sinnlichen Vergnügungen Befriedigung zu finden. Er berichtet selbst über diesen Vorgang. Ez54 140 2 "Ich tat große Dinge: ich baute Häuser, pflanzte Weinberge; ich machte mir Gärten und Lustgärten ... ich hatte Knechte und Mägde ... ich sammelte mir auch Silber und Gold und von den Königen und Ländern einen Schatz; ich schaffte mir Sänger und Sängerinnen und die Wonne der Menschen, allerlei Saitenspiel; und nahm zu über alle, die vor mir zu Jerusalem gewesen waren;... und alles, was meine Augen wünschten, das ließ ich ihnen und wehrte meinem Herzen keine Freude, daß es fröhlich war von aller meiner Arbeit ... Da ich aber ansah alle meine Werke die meine Hand getan hatte, und die Mühe, die ich gehabt hatte, siehe, da war es alles eitel und Haschen nach Wind und kein Gewinn unter der Sonne. Da wandte ich mich, zu sehen die Weisheit und die Tollheit und Torheit. Denn wer weiß, was der für ein Mensch werden wird nach dem König, den sie schon bereit gemacht haben?" Ez54 141 1 "Darum verdroß mich zu leben ... Und mich verdroß alle meine Arbeit, die ich unter der Sonne hatte." Prediger 2,4-12.17.18. Ez54 141 2 Durch eigene bittere Erfahrung lernte Salomo die Leere eines Lebens kennen, das in irdischen Dingen höchste Befriedigung sucht. Er errichtete heidnischen Göttern Altäre und erfuhr dabei nur, wie nichtig ihr Versprechen ist, der Seele Ruhe zu bringen. Ez54 141 3 In seinem späteren Leben wandte sich Salomo müde und durstig von den löchrigen Brunnen der Erde ab, um wieder vom Quell des Lebens zu trinken. Vom Geiste getrieben, zeichnete er die Geschichte seiner vergeudeten Jahre mit ihren warnenden Lehren für die nachfolgenden Geschlechter auf. So war das Lebenswerk Salomos nicht völlig ergebnislos obwohl die Saat, die er säte, seinem Volke eine böse Ernte einbrachte. Mit ihm selbst wenigstens kam Gott durch die Schule des Leidens zum Ziel. Ez54 141 4 Wie herrlich hätte sich aber der Lebenstag Salomos nach einer solchen Morgendämmerung gestalten können, wenn er in seiner Jugend aus den leidvollen Erfahrungen anderer gelernt hätte! Ez54 141 5 Für alle, die Gott lieben, "die nach dem Vorsatz berufen sind", enthalten die biblischen Lebensbeschreibungen noch eine tiefere Lehre vom Sinn des Leides. "Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr; so bin ich Gott" (Römer 8,28; Jesaja 43,12) Zeugen, daß er gütig ist und daß nichts die Güte übertrifft. "Wir sind ein Schauspiel geworden der Welt und den Engeln und den Menschen." 1.Korinther 4,9. Ez54 141 6 Die Selbstlosigkeit, dieses Grundgesetz des Reiches Gottes, haßt Satan mit aller Macht; er leugnet schon ihr Vorhandensein. Seit dem Beginn des großen Kampfes war er bemüht, die Handlungsweise Gottes als selbstsüchtig hinzustellen, und nicht anders verfährt er mit den Dienern des Höchsten. Satans Unterstellungen zu widerlegen, ist das Werk Christi und all derer, die sich zu ihm bekennen. Ez54 142 1 Jesus kam in menschlicher Gestalt, um in seinem eigenen Leben die Selbstlosigkeit beispielhaft darzustellen. Wer den Grundsatz der Uneigennützigkeit bejaht, soll ihn als Mitarbeiter Christi praktisch vorleben. Sich für das Recht zu entscheiden, weil es das Recht ist, für die Wahrheit einzustehen, auch wenn es Leiden und Opfer kostet "das ist das Erbe der Knechte des Herrn und ihre Gerechtigkeit von mir, spricht der Herr". Jesaja 54,17. Ez54 142 2 Aus sehr früher geschichtlicher Zeit ist der Lebensbericht eines Mannes überliefert, an dem sich erweisen sollte, ob Satan mit seiner Leugnung jeglicher Selbstlosigkeit recht habe. Ez54 142 3 Über Hiob, den Patriarchen von Uz, lautet das Zeugnis des Herzenskündigers: "Es ist seinesgleichen nicht im Lande, schlecht und recht, gottesfürchtig und meidet das Böse." Ez54 142 4 Gegen diesen Mann erhob Satan höhnisch Anklage: "Meinst du, daß Hiob umsonst Gott fürchtet? Hast du doch ihn, sein Haus und alles, was er hat, ringsumher verwahrt ... Aber recke deine Hand aus und taste an alles, was er hat, ... taste sein Gebein und Fleisch an: was gilt's, er wird dir ins Angesicht absagen ?" Ez54 142 5 Der Herr sprach zum Satan: "Alles, was er hat, sei in deiner Hand ... Siehe da, er sei in deiner Hand; doch schone seines Lebens!" Ez54 142 6 Auf diese Erlaubnis hin vernichtete Satan alles, was Hiob besaß Rinder- und Schafherden, Knechte und Mägde, Söhne und Töchter; und er "schlug Hiob mit bösen Schwären von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel". Hiob 1,8-12; Hiob 2,5-7. Ez54 142 7 Aber noch ein weiterer Tropfen der Bitternis wurde in seinen Kelch geschüttet. Seine Freunde, die im Unglück nur den Lohn der Sünde sahen, setzten seinem mühseligen und zerschlagenen Geist noch mit Anschuldigungen wegen unrechten Handelns zu. Ez54 142 8 Scheinbar von Himmel und Erde verlassen und dennoch an seinem Gottesglauben und am Bewußtsein seiner Redlichkeit festhaltend, rief Hiob in Angst und Ratlosigkeit aus: Ez54 143 1 "Meine Seele verdrießt mein Leben." "Ach, daß du mich in der Hölle verdecktest Und verbärgest, bis dein Zorn sich lege, Und setztest mir ein Ziel, daß du an mich dächtest!" "Siehe, ob ich schon schreie über Frevel, so werde ich doch nicht erhört. Ich rufe, und ist kein Recht da ... Er hat meine Ehre mir ausgezogen Und die Krone von meinem Haupt genommen ... Meine Nächsten haben sich entzogen, Und meine Freunde haben mein vergessen ... Die ich liebhatte, haben sich wider mich gekehrt ... Erbarmet euch mein, erbarmet euch mein, ihr meine Freunde! Denn die Hand Gottes hat mich getroffen!" Ez54 143 2 "Ach daß ich wüßte, wie ich ihn finden Und zu seinem Stuhl kommen möchte ... Aber gehe ich nun stracks vor mich, so ist er nicht da; Gehe ich zurück, so spüre ich ihn nicht; Ist er zur Linken, so schaue ich ihn nicht; Verbirgt er sich zur Rechten, so sehe ich ihn nicht. Er aber kennt meinen Weg wohl. Er versuche mich, so will ich erfunden werden wie das Gold." "Siehe, tötet er mich, ich werde auf ihn warten." (Elberfelder Übersetzung) "Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt; Und als der letzte wird er über dem Staube sich erheben. Und nachdem diese meine Haut zerschlagen ist", "So werde ich aus meinem Fleische Gott anschauen" (Elberfelder Übersetzung), "Denselben werde ich mir sehen, Und meine Augen werden ihn schauen, und kein Fremder." Hiob 10,1; Hiob 14,13; Hiob 19,7-21; Hiob 23,3-10; Hiob 13,15; Hiob 19,25-27. Ez54 144 1 Dem Hiob geschah nach seinem Glauben. Er sagte: "Er versuche mich, so will ich erfunden werden wie das Gold." Hiob 23,10. So kam es auch. Durch sein geduldiges Ertragen offenbarte er die Unanfechtbarkeit des eigenen Charakters und damit auch des Wesens Gottes, für den er stellvertretend handelte. "Und der Herr wandte das Gefängnis Hiobs ... Und der Herr gab Hiob zwiefältig so viel, als er gehabt hatte ... Und der Herr segnete hernach Hiob mehr denn zuvor." Hiob 42,10-12. Ez54 144 2 Im Verzeichnis derer, die durch Selbstverleugnung in die Gemeinschaft der Leiden Christi eingetreten sind, stehen je einer im Alten und einer im Neuen Testament die Namen Jonathans und Johannes des Täufers. Ez54 144 3 Jonathan war seiner Geburt nach der Thronerbe, wußte sich jedoch durch göttlichen Entscheid beiseitegesetzt. Seinem Nebenbuhler erwies er sich als der zartfühlendste und treueste aller Freunde, als er Davids Leben unter Gefährdung des eigenen schützte. Standhaft harrte er in den dunklen Tagen, da die Macht seines Vaters dahinschwand, an dessen Seite aus, um zuletzt neben ihm zu fallen. Jonathans Name wird im Himmel hoch geehrt und zeugt auf Erden von dem Vorhandensein und der Kraft selbstloser Liebe. Ez54 144 4 Johannes der Täufer rüttelte bei seinem Auftreten als Vorläufer des Messias das ganze Volk auf. Von Ort zu Ort folgte ihm eine große Schar von Menschen jeglichen Ranges und Standes. Aber als der Eine kam, den er bezeugt hatte, wurde alles anders. Die Massen folgten Jesus nach, und mit dem Werk des Johannes schien es schnell zu Ende zu gehen. Doch sein Glaube wankte nicht. "Er muß wachsen", sagte er, "ich aber muß abnehmen." Johannes 3,30. Ez54 144 5 Die Zeit ging dahin, und das Königreich, dem Johannes zuversichtlich entgegengesehen hatte, wurde nicht aufgerichtet. Im Kerker des Herodes wartete und wachte er, der lebenspendenden Luft und des ungebundenen Daseins in der Wüste beraubt. Ez54 145 1 Keine Waffen klirrten, keine Gefängnistore wurden aufgerissen; aber die Heilung der Kranken, die Predigt des Evangeliums und der heilsame Einfluß auf Menschenseelen zeugten für die Sendung Christi. Ez54 145 2 Johannes, der in der Einsamkeit des Kerkers sah, wohin ihn sein Weg, nicht anders als beim Meister selbst, führte, beugte sich willig unter den Ruf Gottes zur Gemeinschaft mit Christus in der Selbstaufopferung. Die Boten des Himmels geleiteten ihn zu Grabe. Gefallene und ungefallene Geistwesen im Weltall waren Zeuge, wie er den selbstlosen Dienst überzeugend auf den Leuchter hob. Ez54 145 3 Unter all den Geschlechtern, die seitdem dahingesunken sind, haben sich leidende Menschen am Beispiel des Johannes aufgerichtet. Jahrhunderte der Finsternis hindurch wurden im Kerker, auf dem Schaffot und in den Flammen Männer und Frauen durch die Erinnerung an den Mann gestärkt, von dem Christus sagte: "Unter allen, die von Weibern geboren sind, ist nicht aufgekommen, der größer sei." Matthäus 11,11. Ez54 145 4 "Und was soll ich mehr sagen? Die Zeit würde mir zu kurz, wenn ich sollte erzählen von Gideon und Barak und Simson und Jephthah und David und Samuel und den Propheten, welche haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirkt, Verheißungen erlangt, der Löwen Rachen verstopft, des Feuers Kraft ausgelöscht, sind des Schwertes Schärfe entronnen, sind kräftig geworden aus der Schwachheit, und stark geworden im Streit, haben der Fremden Heere darniedergelegt. Ez54 145 5 Weiber haben ihre Toten durch Auferstehung wiederbekommen. Andere aber sind zerschlagen und haben keine Erlösung angenommen, auf daß sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten. Etliche haben Spott und Geißeln erlitten, dazu Bande und Gefängnis; sie wurden gesteinigt, zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet; sie sind umhergezogen in Schafpelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach deren die Welt nicht wert war, und sind im Elend umhergeirrt in den Wüsten, auf den Bergen und in den Klüften und Löchern der Erde. Ez54 146 1 Diese alle haben durch den Glauben Zeugnis überkommen und nicht empfangen die Verheißung, darum daß Gott etwas Besseres für uns zuvor ersehen hat, daß sie nicht ohne uns vollendet würden." Hebräer 11,32-40. ------------------------Kapitel 17: Dichtkunst und Gesang Ez54 146 2 "Deine Rechte sind mein Lied in dem Hause meiner Wallfahrt." Ez54 146 3 Die frühesten wie auch die erhabensten dichterischen Äußerungen, die der Menschheit bekannt sind, finden sich in der Heiligen Schrift. Ehe die ältesten Dichter der Welt ihren Gesang anhoben, überlieferte der Hirte von Midian jene Worte Gottes an Hiob, die in ihrer Erhabenheit unerreicht sind, und an die die stolzesten Erzeugnisse des Menschengeistes nicht herankommen: Ez54 146 4 "Wo warest du, da ich die Erde gründete? ... Wer hat das Meer mit Türen verschlossen, Da es herausbrach ... Da ich's mit Wolken kleidete, Und in Dunkel einwickelte wie in Windeln, Da ich ihm den Lauf brach mit meinem Damm Und setzte ihm Riegel und Türen Und sprach: ‚Bis hierher sollst du kommen Und nicht weiter; Hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!'? Hast du bei deiner Zeit dem Morgen geboten Und der Morgenröte ihren Ort gezeigt? ... Bist du in den Grund des Meeres kommen Und in den Fußtapfen der Tiefe gewandelt? Haben sich dir des Todes Tore je aufgetan, Oder hast du gesehen die Tore der Finsternis? Hast du vernommen, wie breit die Erde sei? Sage an, weißt du solches alles! Welches ist der Weg, da das Licht wohnt, Und welches ist der Finsternis Stätte? ... Ez54 147 1 Bist du gewesen, da der Schnee her kommt, Oder hast du gesehen, wo der Hagel her kommt? ... Durch welchen Weg teilt sich das Licht Und fährt der Ostwind hin über die Erde? Wer hat dem Platzregen seinen Lauf ausgeteilt Und den Weg dem Blitz und Donner Und läßt regnen aufs Land, da niemand ist, In der Wüste, da kein Mensch ist, Da er füllt die Einöde und Wildnis Und macht, daß Gras wächst? ... Kannst du die Bande der Sieben Sterne zusammenbinden Oder das Band des Orion auflösen? Kannst du den Morgenstern hervorbringen zu seiner Zeit Oder den Bären am Himmel samt seinen Jungen herauf- führen?" Hiob 38,4-32. Ez54 147 2 Wer Schönheit des Ausdrucks sucht, der lese auch die Schilderung des Frühlings aus dem "Hohenlied": Ez54 147 3 "Denn siehe, der Winter ist vergangen, Der Regen ist weg und dahin; Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, Der Lenz ist herbeigekommen, Und die Turteltaube läßt sich hören in unserm Lande; Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, Die Weinstöcke haben Blüten gewonnen Und geben ihren Geruch. Stehe auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her!" Hohelied 2,11-13. Ez54 148 1 Nicht weniger schön ist Bileams unfreiwillige Segensweissagung über Israel: Ez54 148 2 "Aus Syrien hat mich Balak, der Moabiter König, Holen lassen vom Gebirge gegen Aufgang: Komm, verfluche mir Jakob! Komm, schilt Israel! Wie soll ich fluchen, dem Gott nicht flucht? Wie soll ich schelten, den der Herr nicht schilt? Denn von der Höhe der Felsen sehe ich ihn wohl, Und von den Hügeln schaue ich ihn. Siehe, das Volk wird besonders wohnen Und nicht unter die Heiden gerechnet werden ..." Ez54 148 3 "Siehe, zu segnen bin ich hergebracht; Er segnet, und ich kann's nicht wenden." 4.Mose 23,7-9.20. Ez54 148 4 "Man schaut keinen Frevel in Jakob Und sieht keine Schuld in Israel; Der Herr, sein Gott, ist bei ihm, Und der Posaunenhall des Königs ist unter ihm ... Fürwahr! es hilft keine Zauberei gegen Jakob Und keine Wahrsagerei gegen Israel! Zur rechten Zeit wird Jakob gesagt, Und Israel, was Gott getan." 4.Mose 23,21.23 (v. Eß). Ez54 148 5 "Es sagt der Hörer göttlicher Rede, Der des Allmächtigen Offenbarung sieht ... Wie fein sind deine Hütten, Jakob, Und deine Wohnungen, Israel! Wie die Täler, die sich ausbreiten, Wie die Gärten an den Wassern, Wie die Aloebäume, die der Herr pflanzt, Wie die Zedern an den Wassern." 4.Mose 24,4-6. "Es sagt der Hörer göttlicher Rede Und der die Erkenntnis hat des Höchsten ... Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; Ich schaue ihn, aber nicht von nahe. Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen Und ein Zepter aus Israel aufkommen ... Aus Jakob wird der Herrscher kommen." 4.Mose 24,16-19. Ez54 149 1 Lobeshymnen kennzeichnen die Atmosphäre des Himmels, und wenn die obere Welt mit der Erde in Berührung kommt, ertönt ein Singen und Musizieren gibt es "Dank und Lobgesang". Jesaja 51,3. Ez54 149 2 Über der neu erschaffenen Erde, die schön und makellos unter dem milden Lächeln Gottes dalag, lobten ihn die Morgensterne miteinander, und es "jauchzten alle Kinder Gottes". Hiob 38,7. So haben im Einklang mit der Himmelswelt auch menschliche Herzen die Güte Gottes in Lobliedern gepriesen. Gar manches Ereignis der Menschheitsgeschichte war mit Gesang verknüpft. Ez54 149 3 Das erste Lied von menschlichen Lippen, das in der Bibel aufgezeichnet wurde, war jener triumphale Ausbruch des Dankes bei den Heeren Israels am Roten Meer: Ez54 149 4 "Ich will dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Roß und Mann hat er ins Meer gestürzt. Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang Und ist mein Heil. Das ist mein Gott, ich will ihn preisen; Er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben ... Ez54 149 5 Herr, deine rechte Hand tut große Wunder; Herr, deine rechte Hand hat die Feinde zerschlagen ... Herr, wer ist dir gleich unter den Göttern? Wer ist dir gleich, der so mächtig, heilig, Schrecklich, löblich und wundertätig sei?" "Der Herr wird König sein immer und ewig ... Laßt uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan." 2.Mose 15,1.2.6.11.18.21. Ez54 150 1 Groß waren die Segnungen, die die Menschen als Erwiderung auf ihre Lobgesänge erfuhren. Die wenigen Worte, die ein Erlebnis auf der Wüstenwanderung Israels wiedergeben, enthalten eine beachtliche Lehre: Ez54 150 2 "Und von da zogen sie zum Brunnen. Das ist der Brunnen, davon der Herr zu Mose sagte: Sammle das Volk, ich will ihnen Wasser geben." 4.Mose 21,16. "Da sang Israel dieses Lied: Ez54 150 3 ‚Brunnen, steige auf! Singet von ihm! Das ist der Brunnen, den die Fürsten gegraben haben; Die Edlen im Volk haben ihn gegraben Mit dem Zepter, mit ihren Stäben.'" 4.Mose 21,17.18. Ez54 150 4 Wie oft wiederholt sich dieses Geschehen im Glaubensleben! Wie oft werden durch heilige Sangesworte die Brünnlein der Reue und des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und der Freude in unserer Seele freigelegt! Ez54 150 5 Mit Lobgesängen zogen die Heere Israels zur großen Befreiungstat unter Josaphat aus. Der König hatte Nachrichten über die drohende Kriegsgefahr erhalten. "Es kommt wider dich eine große Menge", lautete die Botschaft, "die Kinder Moab, die Kinder Ammon und mit ihnen auch Meuniter ... Josaphat aber fürchtete sich und stellte sein Angesicht, zu suchen den Herrn, und ließ ein Fasten ausrufen unter ganz Juda. Und Juda kam zusammen, den Herrn zu suchen; auch kamen sie aus allen Städten Juda's, den Herrn zu suchen." Josaphat stand im Tempelhof vor seinem Volk und schüttete im Gebet sein Herz aus, wobei er sich auf Gottes Verheißung berief und Israels Hilflosigkeit bekannte. "Denn in uns ist nicht Kraft gegen diesen großen Haufen, der wider uns kommt", sagte er. "Wir wissen nicht, was wir tun sollen; sondern unsre Augen sehen nach dir." 2.Chronik 20,2.1.3.4.12. Ez54 151 1 Da kam der Geist des Herrn auf Jahasiel, einen Leviten, "und er sprach: Merket auf, ganz Juda und ihr Einwohner zu Jerusalem und du, König Josaphat! So spricht der Herr zu euch: Ihr sollt euch nicht fürchten noch zagen vor diesem großen Haufen; denn ihr streitet nicht, sondern Gott ... Aber ihr werdet nicht streiten in dieser Sache. Tretet nur hin und stehet und sehet das Heil des Herrn, der mit euch ist ... Fürchtet euch nicht und zaget nicht. Morgen ziehet aus wider sie; der Herr ist mit euch." 2.Chronik 20,14-17. Ez54 151 2 "Und sie machten sich des Morgens früh auf und zogen aus zur Wüste Thekoa." 2.Chronik 20,20. Vor dem Heere gingen die Sänger einher, die ihre Stimmen zum Lobe Gottes erhoben und ihn des verheißenen Sieges wegen priesen. Ez54 151 3 Am vierten Tage danach kehrte das Heer beutebeladen nach Jerusalem zurück und sang dabei Loblieder über den errungenen Sieg. Ez54 151 4 Durch das Lied pflegte David inmitten der Wechselfälle seines ereignisreichen Lebens die Verbindung mit dem Himmel. Wie fein spiegeln sich die Erlebnisse des Hirtenknaben in folgenden Worten wider: Ez54 151 5 "Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue Und führet mich zum frischen Wasser ... Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, Fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, Dein Stecken und Stab trösten mich." Psalm 23,1-4. Ez54 151 6 Im Mannesalter schrieb er als gehetzter Flüchtling, der in den Felsen und Höhlen der Wüste Zuflucht fand: Ez54 151 7 "Gott, du bist mein Gott; frühe wache ich zu dir. Es dürstet meine Seele nach dir; mein Fleisch verlangt nach dir In einem trockenen und dürren Lande, da kein Wasser ist ... Denn du bist mein Helfer, Und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich." Psalm 63,1.8. Ez54 152 1 "Was betrübst du dich, meine Seele, Und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott! Denn ich werde ihm noch danken, Daß er meines Angesichts Hilfe Und mein Gott ist." Psalm 42,12. Ez54 152 2 "Der Herr ist mein Licht und mein Heil; Vor wem sollte ich mich fürchten! Der Herr ist meines Lebens Kraft; Vor wem sollte mir grauen!" Psalm 27,1. Ez54 152 3 Dasselbe Vertrauen atmen die Worte, die David niederschrieb, als er ein entthronter und der Krone beraubter König bei der Empörung Absaloms aus Jerusalem floh. Erschöpft von Kummer und Fluchtbeschwerden, hatte er mit seinen Begleitern für ein paar Stunden am Jordan gerastet. Da weckte ihn der Ruf zu schleunigster Flucht. In der Dunkelheit mußte der tiefe und raschfließende Strom vom ganzen Gefolge der Männer, Weiber und Kinder überquert werden, denn die Streitkräfte des Sohnes, des Verräters, waren ihnen dicht auf den Fersen. Ez54 152 4 In jener dunkelsten Stunde der Prüfung sang David: Ez54 152 5 "Ich rufe an mit meiner Stimme den Herrn; So erhört er mich von seinem heiligen Berge. Ich liege und schlafe und erwache; Denn der Herr hält mich. Ich fürchte mich nicht vor viel Tausenden, Die sich umher wider mich legen." Psalm 3,5-7. Ez54 152 6 Nach seiner großen Sünde wandte er sich in reuevoller Pein und voller Abscheu vor sich selbst doch wieder Gott, seinem ersten Freunde, zu: Ez54 153 1 "Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte Und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzig- keit ... Entsündige mich mit Isop, daß ich rein werde; Wasche mich, daß ich schneeweiß werde." Psalm 51,1.9. Ez54 153 2 In seinem ganzen Leben fand David keine Ruhestätte auf Erden. "Wir sind Fremdlinge und Gäste vor dir wie unsre Väter alle", sprach er. "Unser Leben auf Erden ist wie ein Schatten, und ist kein Aufhalten." 1.Chronik 29,15. Ez54 153 3 "Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, Eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unter- ginge Und die Berge mitten ins Meer sänken ... Ez54 153 4 Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, Da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben; Gott hilft ihr früh am Morgen ... Der Herr Zebaoth ist mit uns; Der Gott Jakobs ist unser Schutz." Ez54 153 5 "Dies ist Gott, unser Gott: Immer und ewig wird er uns führen (bis zum Tode)." Psalm 46,2.3.5-8; Psalm 48,15 (Menge). Ez54 153 6 Mit einem Liede trat Jesus während seines Erdenlebens der Versuchung entgegen. Oft, wenn scharfe, verletzende Worte fielen, wenn auf seiner Umgebung Bangigkeit, Unzufriedenheit, Mißtrauen oder drückende Furcht lasteten, vernahm man seinen glaubensstarken, heilig-frohen Gesang. Ez54 153 7 In jener letzten traurigen Nacht des Passahmahles, als Christus Verrat und Tod entgegenging, erhob er seine Stimme zu folgendem Psalm: Ez54 154 1 "Gelobt sei des Herrn Name Von nun an bis in Ewigkeit! Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang Sei gelobt der Name des Herrn!" Ez54 154 2 "Das ist mir lieb, daß der Herr meine Stimme und mein Flehen hört. Denn er neigte sein Ohr zu mir; Darum will ich mein Leben lang ihn anrufen. Stricke des Todes hatten mich umfangen Ez54 154 3 Und Ängste der Hölle hatten mich getroffen; Ich kam in Jammer und Not. Aber ich rief an den Namen des Herrn: O Herr, errette meine Seele! Der Herr ist gnädig und gerecht, Und unser Gott ist barmherzig! Der Herr behütet die Einfältigen; Wenn ich unterliege, so hilft er mir. Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; Denn der Herr tut dir Gutes. Denn du hast meine Seele aus dem Tode gerissen, Mein Auge von den Tränen, Meinen Fuß vom Gleiten." Psalm 113,2.3; Psalm 116,1-8. Ez54 154 4 Gerade unter den wachsenden Schatten der letzten Weltkrisis wird Gottes Licht am hellsten erstrahlen und der Gesang der Hoffnung und des Vertrauens in den reinsten und erhabensten Klängen erschallen. Ez54 154 5 "Zu der Zeit wird man ein solch Lied singen im Lande Juda: Wir haben eine feste Stadt, Mauern und Wehre sind heil. Tut die Tore auf, Daß hereingehe das gerechte Volk, das den Glauben bewahrt! Du erhältst stets Frieden nach gewisser Zusage; Denn man verläßt sich auf dich. Verlasset euch auf den Herrn ewiglich; Denn Gott der Herr ist ein Fels ewiglich." Jesaja 26,1-4. Ez54 155 1 "Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und gen Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen." Jesaja 35,10. Ez54 155 2 "Und sie werden kommen und auf der Höhe zu Zion jauchzen und werden zu den Gaben des Herrn laufen,... daß ihre Seele wird sein wie ein wasserreicher Garten und sie nicht mehr bekümmert sein sollen." Jeremia 31,12. Ez54 155 3 Die Geschichte des Liedes in der Bibel sagt viel über die Verwendung und den Nutzen von Musik und Gesang aus. Die Musik wird oft dazu mißbraucht, bösen Zwecken zu dienen, und wird so zu einem der lockendsten Verführungsmittel. Richtig angewandt, ist sie jedoch eine köstliche Gabe Gottes, welche die Gedanken auf hohe und edle Dinge hinlenken und das Gemüt begeistern und erheben soll. Ez54 155 4 Wie sich die Kinder Israel ihre Wanderungen durch die Wüste durch den Klang heiliger Gesänge verschönten, so fordert Gott auch heute seine Kinder dazu auf, ihr Pilgerdasein freudig zu gestalten. Nur wenig Mittel sind wirksamer, seine Worte im Gedächtnis festzuhalten, als sie im Liede zu wiederholen. Solch ein Lied hat wunderbare Macht. Es besitzt die Kraft, rohe und ungebildete Naturen zu besänftigen, das Denken zu beleben und Mitgefühl zu wecken, Ausgeglichenheit im Handeln zu fördern und den Trübsinn und die bösen Ahnungen zu bannen, die uns den Mut rauben und unser Streben schwächen. Ez54 155 5 Es ist eines der wirksamsten Mittel, dem Herzen geistliche Wahrheiten einzuprägen. Wie oft ruft sich eine hart bedrängte und fast verzweifelnde Seele ein Wort Gottes ins Gedächtnis zurück den langvergessenen Kehrreim eines Kinderliedes etwa, und die Versuchungen verlieren ihre Kraft, das Leben gewinnt einen neuen Sinn und Zweck, und der eigene Mut und die eigene Fröhlichkeit übertragen sich nun auch auf andere! Man sollte nie den erzieherischen Wert des Gesanges aus dem Auge verlieren. Laßt in eurem Heim liebliche und reine Lieder erklingen, dann werden dort weniger tadelnde und mehr heitere, hoffnungsvolle, freudige Worte fallen. Laßt in der Schule Gesang ertönen, und die Schüler werden näher zu Gott, zu ihren Lehrern und zueinander hingezogen. Ez54 156 1 Als ein Teil des Gottesdienstes ist das Singen ebensosehr ein Akt der Anbetung wie das Gebet selbst. So manches Lied ist wirklich ein Gebet. Wenn man das Kind darauf aufmerksam macht, wird es mehr an den Sinn der Worte denken, die es singt. Es wird für ihren Einfluß empfänglicher sein. Ez54 156 2 Wenn unser Erlöser uns an die Schwelle der Ewigkeit führt, die überstrahlt ist von der Herrlichkeit Gottes, mögen wir die Themen der Lob- und Dankgesänge erlauschen, die der himmlische Chor rings um den Thron anstimmt. Wenn dann die Engelweisen in unseren irdischen Heimen widerhallen, wird manches Menschenherz näher zu den himmlischen Sängern hingezogen. Die Gemeinschaft mit dem Himmel beginnt schon auf Erden. Hier lernen wir, den Grundton des Gotteslobes anzuschlagen. ------------------------Kapitel 18: Geheimnisse der Heiligen Schrift Ez54 156 3 "Kannst du das Geheime der Gottheit ergründen?" Hiob 11,7 (v. Eß). Ez54 156 4 Kein sterblicher Geist vermag das Wesen oder die Werke des Unendlichen völlig zu erfassen: Wir können Gott nicht durch Forschen ergründen. Jenes heilige Wesen muß sowohl für die stärksten und höchstgebildeten Geister wie für die schwächsten und unwissendsten in Geheimnis gehüllt bleiben. Aber obgleich "Wolken und Dunkel" "um ihn her" sind, "Gerechtigkeit und Gericht ist seines Stuhles Festung". Psalm 7,2. Sein Handeln mit uns können wir insoweit verstehen, als daß wir grenzenlose Gnade und unendliche Macht in ihm vereinigt finden. Wir begreifen so viel von seinen Absichten, wie wir zu fassen vermögen. Aber auch darüber hinaus noch können wir jener Hand der Allmacht und jenem Herzen voller Liebe vertrauen. Ez54 157 1 Das Wort Gottes gibt uns ebenso wie das Wesen seines Urhebers Rätsel auf, die von sterblichen Menschen niemals völlig ergründet werden können. Der Höchste hat jedoch in der Heiligen Schrift ausreichende Beweise für ihren göttlichen Ursprung geliefert. Sein Dasein, sein Charakter, die Wahrhaftigkeit seines Wortes sind in einer Weise bezeugt, die unseren Verstand anspricht, und dieses Zeugnis ist in überreicher Fülle vorhanden. Zwar hat er die Möglichkeit zum Zweifeln nicht aus dem Wege geräumt: Glaube muß auf inneren Beweisen, nicht auf äußeren Schlußfolgerungen beruhen. Wer zweifeln will, hat Gelegenheit dazu; wer anderseits die Wahrheit erkennen möchte, findet reichlich Grund zum Glauben. Ez54 157 2 Wir haben keine Ursache, Gottes Wort anzuzweifeln, weil wir die Rätsel seiner Vorsehung nicht verstehen können. In der natürlichen Welt sind wir ständig von Wundern umgeben, die über unsere Fassungskraft hinausgehen. Sollte es uns dann überraschen, auch im geistlichen Bereich auf unergründliche Geheimnisse zu stoßen? Die Schwierigkeit liegt einzig und allein in der Schwäche und in der Begrenztheit des menschlichen Verstandes. Ez54 157 3 Die Geheimnisse der Bibel sind weit davon entfernt, gegen sie zu sprechen. Sie gehören vielmehr zu den stärksten Beweisen für ihre göttliche Eingebung. Wenn die Bibel nur in solcher Weise über Gott berichtete, daß wir alles restlos zu fassen imstande wären, wenn seine Größe und Majestät von sterblichen Geistern begriffen werden könnte, dann würde die Heilige Schrift nicht, wie es jetzt der Fall ist, den unfehlbaren Stempel der Göttlichkeit an sich tragen. Die Erhabenheit ihrer Themen sollte Vertrauen zu ihr als zum Worte Gottes einflößen. Ez54 158 1 Die Bibel enthüllt die Wahrheit mit einer Einfachheit und mit solcher Anpassung an die Bedürfnisse und Sehnsüchte des menschlichen Herzens, daß die gebildetsten Geister darüber erstaunt und entzückt sind. Aber auch den wenig begabten und ungeschulten Menschen macht sie den Weg des Lebens klar verständlich. "Und derselbe wird für sie sein, daß man darauf gehe, daß auch die Toren nicht irren mögen." Jesaja 35,8. Kein Kind braucht den Pfad zu verfehlen. Kein ernsthafter Sucher muß auf den Wandel im reinen und heiligen Licht verzichten. Auch die schlichtest ausgedrückten Wahrheiten beziehen sich noch auf erhabene Gegenstände von weittragender Bedeutung, die die menschliche Fassungskraft unendlich übersteigen. Es handelt sich um Geheimnisse, die Gottes Herrlichkeit in sich bergen, Rätsel, die den forschenden Geist überwältigen, während sie den ehrlichen Wahrheitssucher mit Ehrfurcht und Glauben erfüllen. Je mehr wir in der Heiligen Schrift forschen, um so mehr wächst in uns die Überzeugung, daß sie das Wort des lebendigen Gottes ist, und menschliche Vernunft beugt sich vor der Majestät göttlicher Offenbarung. Ez54 158 2 Gott will, daß sich dem ernsten Sucher die Wahrheiten seines Wortes immer mehr erschließen. "Das Geheimnis ist des Herrn, unsers Gottes; was aber offenbart ist, das ist unser und unserer Kinder ewiglich." 5.Mose 29,28. Der Gedanke, daß gewisse Teile der Bibel nicht verstanden werden könnten, hat zur Vernachlässigung einiger ihrer wichtigsten Lehren geführt. Die Tatsache muß betont und oft wiederholt werden, daß die Geheimnisse der Bibel uns als solche erscheinen, nicht weil Gott die Wahrheit zu verbergen suchte, sondern weil unsere eigene Schwachheit oder Unwissenheit uns zur Erfassung oder Aneignung der Wahrheit unfähig macht. Diese Begrenzung liegt nicht in seiner Absicht, sondern in unserem Wesen begründet. Gott wünscht, daß wir gerade von den Teilen der Schrift, die man oft als unverständlich übergeht, so viel begreifen möchten, wie unser Geist fassen kann. "Alle Schrift" ist "von Gott eingegeben", damit wir "vollkommen, zu allem guten Werk geschickt" (2.Timotheus 3,16.17) seien. Ez54 159 1 Es ist keinem Menschengeiste möglich, auch nur eine Wahrheit oder eine Verheißung der Bibel voll auszuschöpfen. Der eine erspäht ihre Herrlichkeit von dieser, der andere von jener Warte aus, doch immer nehmen wir nur einen Schimmer wahr. Der volle Glanz entzieht sich unserer Sicht. Ez54 159 2 Wenn wir über die erhabenen Gegenstände des Wortes Gottes nachsinnen, schauen wir gleichsam in einen Brunnen, der sich unter unserem Blicke ausdehnt und vertieft. Seine Breite und Tiefe übersteigt unsere Erkenntnis. Während wir so hinabblicken, erweitert sich die Schau: Vor uns sehen wir ein unbegrenztes, uferloses Meer daliegen. Ez54 159 3 Von einem solchen Studium geht belebende Kraft aus. Geist und Herz erlangen neue Stärke, neues Leben. Ez54 159 4 Diese Erfahrung ist der höchste Beweis für den göttlichen Ursprung der Bibel. Ebenso wie das Brot unserem Körper als Speise dient, nährt das Wort Gottes unsere Seele. Das Brot kommt den Bedürfnissen unseres natürlichen Menschen entgegen. Aus Erfahrung wissen wir, daß es Blut, Knochen und Gehirnmasse erzeugt. Machen wir dieselbe Probe mit der Bibel: Was war das Ergebnis, wenn ihre Grundsätze wirklich zu Bestandteilen des Charakters wurden? Welchen Wandel im Leben bewirkte sie? "Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!" 2.Korinther 5,17. In ihrer Kraft haben Männer und Frauen die Ketten sündlicher Gewohnheiten gesprengt. Sie haben ihrer Selbstsucht abgeschworen. Der Gemeine wurde ehrerbietig, der Trinker nüchtern und der Liederliche rein. Seelen, die dem Erzbösen glichen, wurden in das Ebenbild Gottes verwandelt. Diese Wandlung selbst ist das Wunder aller Wunder. Als eine durchs Wort gewirkte Veränderung verkörpert sie eines der tiefsten Geheimnisse dieses Wortes. Wir können es nicht verstehen, wir können nur glauben, daß es, wie die Schrift sagt, "Christus in euch" ist, "die Hoffnung der Herrlichkeit". Kolosser 1,27. Ez54 159 5 Ein Wissen um dieses Geheimnis liefert den Schlüssel zu jedem andern. Es öffnet der Seele des Menschen die Schätze des Weltalls und bietet ihr die Möglichkeiten zu einer unbegrenzten Entfaltung. Ez54 160 1 Diese Entwicklung erleben wir, wenn sich Gottes Wesen die Herrlichkeit und das Geheimnis des geschriebenen Wortes immer mehr vor uns enthüllt. Wäre es uns möglich, zu einem vollen Verständnis Gottes und seines Wortes zu gelangen, dann könnten wir keine weiteren Bereiche der Wahrheit mehr entdecken, es gäbe für uns kein Wachstum in der Erkenntnis, keine Höherentwicklung mehr. Gott würde nicht mehr alles überragen, und der Fortschritt des Menschen wäre gedrosselt. Gott sei Dank verhält es sich nicht so. Da der Vater im Himmel unendlich ist und in ihm alle Schätze der Weisheit verborgen liegen, können wir in alle Ewigkeit Suchende und Lernende bleiben, ohne dabei den Reichtum seiner Weisheit, seiner Güte oder seiner Macht auszuschöpfen. ------------------------Kapitel 19: Geschichte und Weissagung Ez54 160 2 "Wer hat dies lassen sagen von alters her und vorlängst verkündigt? Hab ich's nicht getan, der Herr? Und ist sonst kein Gott außer mir." Ez54 160 3 Die Heilige Schrift ist das äIteste und umfassendste Geschichtswerk, das die Menschen besitzen. Es floß in lauterer Frische aus dem Quell ewiger Wahrheit, und eine göttliche Hand hat durch alle Zeiten hindurch seine Reinheit bewahrt. Es hellt die ferne Vergangenheit auf, zu der menschliche Forschung vergeblich vorzudringen sucht. Allein im Worte Gottes erblicken wir die Macht, die die Grundfesten der Erde gelegt und die Himmel ausgebreitet hat. Hier nur finden wir einen glaubwürdigen Bericht über den Ursprung der Völker. Hier allein ist eine Geschichte des Menschengeschlechtes aufgezeichnet, die nicht durch Menschenstolz oder -vorurteil gefärbt ist. Ez54 160 4 In den Annalen der menschlichen Geschichte scheint das Wachstum der Völker, der Aufstieg und Niedergang von Weltreichen vom Willen und von der Tapferkeit des Menschen abzuhängen. Die Gestaltung der Ereignisse scheint in hohem Grade durch seine Macht, seinen Ehrgeiz und seine Laune bestimmt zu sein. Aber im Worte Gottes wird der Vorhang beiseitegezogen, und wir erblicken hinter und über allem Spiel und Gegenspiel menschlicher Interessen, Kräfte und Leidenschaften das Walten des Allgnädigen, der schweigend und geduldig den Rat seines Willens vollführt. Ez54 161 1 Die Bibel enthüllt die echte Geschichtsschau. In jenen Worten von makelloser Schönheit und Behutsamkeit, die der Apostel Paulus an die Weisen von Athen richtete, wird Gottes Absicht bei der Schöpfung und bei der Aufteilung von Rassen und Völkern dargelegt: "Er hat gemacht, daß von einem Blut aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen, und hat Ziel gesetzt und vorgesehen, wie lange und wie weit sie wohnen sollen; daß sie den Herrn suchen sollten, ob sie ihn doch fühlen und finden möchten." Apostelgeschichte 17,26.27. Gott verkündet, daß jeder, der willens ist, "in die Bande des Bundes" (Hesekiel 20,37) eintreten kann. Bei der Schöpfung war es seine Absicht, daß die Erde von Wesen bewohnt sein sollte, die sich selbst und einander zum Segen gereichten und ihrem Schöpfer Ehre bereiteten. Jeder, der willens ist, kann sich in diesen Plan einordnen. Von solchen wird gesagt: "Dies Volk habe ich mir zugerichtet; es soll meinen Ruhm erzählen." Jesaja 43,21. Ez54 161 2 Gott hat in seinem Gesetz die Richtlinien offenbart, die aller echten Wohlfahrt sowohl der Völker wie des Einzelnen zugrunde liegen. "Denn das wird eure Weisheit und Verstand sein bei allen Völkern" (5.Mose 4,6), sagte Mose den Israeliten gegenüber vom Gesetz Gottes aus. "Denn es ist nicht ein vergebliches Wort an euch, sondern es ist euer Leben." 5.Mose 32,47. Die Segnungen, die Israel auf solche Weise zugesichert wurden, sind unter den gleichen Bedingungen und im selben Ausmaß jedem Volk und jedem Einzelmenschen unter der Sonne zugesprochen. Ez54 161 3 Alle Macht, die ein Herrscher auf Erden ausübt, ist vom Himmel verliehen. Sein Erfolg hängt vom rechten Gebrauch der empfangenen Gewalt ab. Einem jeden aber gilt das Wort des himmlischen Wächters: "Ich habe dich gerüstet, da du mich noch nicht kanntest." Jesaja 45,5. Und für jeden bedeuten die Worte, die vor alters zu Nebukadnezar gesprochen wurden, die Lebensweisheit: "Mache dich los von deinen Sünden durch Gerechtigkeit und ledig von deiner Missetat durch Wohltat an den Armen, so wird dein Glück lange währen." Daniel 4,24. Ez54 162 1 Wenn man diese Dinge versteht, wenn man einsieht, daß Gerechtigkeit ein Volk erhöht, daß "durch Gerechtigkeit" "der Thron befestigt" und daß er "durch Liebe" (Sprüche 14,34; Sprüche 16,12; Sprüche 20,28, Menge) gestützt wird, wenn man die Verwirklichung dieser Grundsätze in der Machtoffenbarung des Gottes erkennt, der da "setzt Könige ab und setzt Könige ein" (Daniel 2,21), dann erspürt man den Sinn der Geschichte. Ez54 162 2 Nur im Worte Gottes ist dies klar dargestellt. Hier wird gezeigt, daß die Stärke der Völker wie der Einzelmenschen nicht auf den Gelegenheiten und Vorteilen beruht, die sie unbesiegbar erscheinen lassen. Sie ist nicht in ihrer prahlerischen Größe zu suchen. Sie hängt von der Treue ab, mit der sie Gottes Absicht erfüllen. Ez54 162 3 Die Geschichte des alten Babylon verdeutlicht diese Wahrheit. Dem König Nebukadnezar wurde der wahre Zweck einer Staatsregierung unter dem Bild eines großen Baumes vor Augen geführt. "Seine Höhe reichte bis an den Himmel, und er breitete sich aus bis ans Ende der ganzen Erde. Seine Äste waren schön und trugen viel Früchte, davon alles zu essen hatte; alle Tiere auf dem Felde fanden Schatten unter ihm, und die Vögel unter dem Himmel saßen auf seinen Ästen." Daniel 4,8.9. Diese Darstellung zeigt das Wesen einer Regierung, die Gottes Absicht erfüllt, einer Regierung, die das Volk schützt und fördert. Ez54 162 4 Gott erhöhte Babylon, damit es diesem Ziele diente. Das Glück begleitete diese Nation, bis sie eine Höhe des Reichtums und der Macht erklomm, die seitdem nie wieder ihresgleichen fand. In der Heiligen Schrift wird sie treffend unter dem inspirierten Symbol des goldenen Hauptes (Daniel 2,38) dargestellt. Ez54 162 5 Aber der König unterließ es, die Macht anzuerkennen, die ihn erhöht hatte. Nebukadnezar sprach vielmehr im Stolze seines Herzens: "Das ist die große Babel, die ich erbaut habe zum königlichen Hause durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit." Daniel 4,27. Ez54 163 1 Babylon wurde zur stolzen und grausamen Unterdrückerin, statt eine Beschützerin der Menschen zu sein. Die Worte göttlicher Eingebung, die die Grausamkeit und Gier des Herrschers in Israel schildern, offenbaren auch das Geheimnis des Falles Babylons und des Sturzes so manch anderen Reiches seit Anbeginn der Welt: "Ihr fresset das Fette und kleidet euch mit der Wolle und schlachtet das Gemästete; aber die Schafe wollt ihr nicht weiden. Der Schwachen wartet ihr nicht, und die Kranken heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht, und das Verlorene sucht ihr nicht; sondern streng und hart herrschet ihr über sie." Hesekiel 34,3.4. Ez54 163 2 An den Herrscher von Babylon erging der Spruch des göttlichen Wächters: Zu dir, o König, "wird gesagt: Dein Königreich soll dir genommen werden". Daniel 4,28. Ez54 163 3 "Herunter, Jungfrau, du Tochter Babel, setze dich in den Staub! Setze dich auf die Erde; denn die Tochter der Chaldäer hat keinen Stuhl mehr ... Setze dich in das Stille, Gehe in die Finsternis, du Tochter der Chaldäer! Denn du sollst nicht mehr heißen ‚Herrin über König- reiche'." Jesaja 47,1-5. Ez54 163 4 "Die du an großen Wassern wohnst und große Schätze hast, Dein Ende ist gekommen, und dein Geiz ist aus!" Ez54 163 5 "Also soll Babel, das schönste unter den Königreichen, Die herrliche Pracht der Chaldäer, Umgekehrt werden von Gott wie Sodom und Gomorra." Ez54 163 6 "Und will Babel machen zum Erbe der Igel und zum Wassersumpf und will sie mit einem Besen des Verderbens kehren, spricht der Herr Zebaoth." Jesaja 51,13; Jesaja 13,19; Jesaja 14,23. Ez54 164 1 Jede Nation, die die Schaubühne der Geschichte betrat, hat ihren Platz auf Erden nur einnehmen dürfen, damit man sähe, ob sie die Absicht "des heiligen Wächters" erfüllen würde. Die Weissagung hat den Aufstieg und Niedergang der großen Weltreiche Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom vorgezeichnet. In allen hat sich, wie bei den weniger machtvollen Nationen, die Geschichte wiederholt. Ez54 164 2 Wenn auch die Völker Gottes Grundsätze verwarfen und mit dieser Ablehnung ihren eigenen Untergang heraufbeschworen, war es immer noch offenbar, daß der alles überragende göttliche Plan durch all ihre Entscheidungen hindurch wirksam blieb. Ez54 164 3 Diese Wahrheit bringt uns eine wundervolle symbolische Darstellung nahe, die dem Propheten Hesekiel während seiner Verbannung im Lande der Chaldäer vermittelt wurde. Das Gesicht geschah zu einer Zeit, als Hesekiel von traurigen Erinnerungen und sorgenschweren Vorahnungen niedergebeugt war. Das Land seiner Väter lag verödet, Jerusalem war entvölkert, der Prophet selbst lebte als Fremdling in einem Lande, in dem Ehrgeiz und Grausamkeit alles galten. Da er zur Rechten und zur Linken nur Tyrannei und Unrecht gewahrte, wurde seine Seele betrübt, und er trauerte Tag und Nacht. Doch die Sinnbilder, die ihm gezeigt wurden, offenbarten eine Macht, die über den irdischen Herrschern stand. Ez54 164 4 An den Ufern des Flusses Chebar schaute Hesekiel einen Wirbelwind, der von Norden zu kommen schien, "eine gewaltige Wolke und flackerndes Feuer, von Lichtglanz rings umgeben, und mitten aus ihm blinkte etwas hervor wie der Schimmer von Glanzerz". Eine Anzahl ineinandergeschobener Räder wurde von vier Lebewesen bewegt. Hoch über ihnen "war es anzusehen wie Saphirstein, etwas, das einem Throne glich; und auf diesem Throngebilde war eine Gestalt zu sehen, die wie ein Mann aussah, oben darauf". Hesekiel 1,4.26 (Menge). "Und es erschien an den Cherubim gleichwie eines Menschen Hand unter ihren Flügeln." Hesekiel 10,8. Die Räder waren so vielschichtig angeordnet, daß auf den ersten Blick alles verworren schien; sie bewegten sich jedoch in völliger Harmonie. Himmlische Wesen, gestützt und angeleitet von der Hand unter den Flügeln der Cherubim, trieben diese Räder an. Über ihnen, auf dem saphirnen Stuhl, thronte der Ewige, umgeben von einem Regenbogen, dem Wahrzeichen göttlicher Gnade. Ez54 165 1 Wie das verwickelte räderartige Ineinander von der Hand unter den Flügeln der Cherubim gelenkt wurde, so steht auch das verworrene Spiel menschlichen Geschehens unter göttlichem Walten. Inmitten des Streites und des Aufruhrs der Nationen regiert Er, der über den Cherubim thront, noch immer die Angelegenheiten der Erde. Ez54 165 2 Die Geschichte der Völker, die nacheinander den ihnen zugewiesenen Zeitraum und Ort ausgefüllt haben und dabei unbewußt für die Wahrheit zeugten, deren Bedeutung sie selbst nicht kannten, hat uns etwas zu sagen. Jeder Nation und jedem Einzelwesen unserer Tage hat Gott einen Platz in seinem großen Plane bestimmt. Heute werden Menschen und Völker mit dem Senkblei in der Hand dessen, der keinen Fehler begeht, ausgelotet. Sie alle entscheiden ihr Schicksal durch eigene Wahl, und Gott waltet über dem Ganzen, um seine Ratschlüsse zum Ziele zu führen. Ez54 165 3 Die Geschichte, die der große ICH BIN in seinem Worte aufgezeichnet hat, indem Er in der prophetischen Kette, die aus endloser Vergangenheit bis in ewige Zukunft hineinreicht, Glied an Glied reiht, sagt uns, wo wir heute im Fortgang der Zeiten stehen, und was wir in der Zukunft erwarten dürfen. Ez54 165 4 Alles, was die Prophetie als kommende Ereignisse bis zur Gegenwart vorausgesagt hat, ist auf den Blättern der Geschichte verzeichnet, und wir können gewiß sein, daß auch alles, was noch aussteht, ordnungsgemäß eintreffen wird. Ez54 165 5 Der endgültige Sturz aller irdischen Gewalten wird im Worte der Wahrheit klar vorausverkündet. In der Weissagung, die Gott als Richterspruch über den letzten König Israels fällte, ist die Botschaft enthalten: Ez54 165 6 "So spricht der Herr Herr: Tue weg den Hut und hebe ab die Krone !... der sich erhöht hat, soll erniedrigt werden, und der sich erniedrigt, soll erhöht werden. Ich will die Krone zunichte, zunichte, zunichte machen, bis der komme, der sie haben soll; dem will ich sie geben." Hesekiel 21,31.32. Ez54 166 1 Die von Israel weggenommene Krone ging der Reihe nach auf die Königreiche Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom über. Gott spricht: Sie soll nicht mehr sein, "bis der komme, der sie haben soll; dem will ich sie geben". Ez54 166 2 Diese Zeit ist da. Heute deuten die Zeichen der Zeit darauf hin, daß wir an der Schwelle großer und ernster Ereignisse stehen. Die ganze Welt ist in Bewegung. Vor unseren Augen erfüllt sich des Heilandes Weissagung über die Ereignisse, die seinem zweiten Kommen vorausgehen sollen: "Ihr werdet hören Kriege und Geschrei von Kriegen ... Es wird sich empören ein Volk wider das andere und ein Königreich wider das andere, und werden sein Pestilenz und teure Zeit und Erdbeben hin und wieder." Jesaja 24,1-8. Ez54 166 3 Die gegenwärtige Zeit ist für alle Lebenden von überragender Bedeutung. Herrscher und Staatsmänner, Menschen, die Vertrauensposten und führende Stellungen innehaben, denkende Männer und Frauen aller Stände starren wie gebannt auf die Ereignisse, die sich ringsum abspielen. Sie beobachten die gespannten, unsicheren Beziehungen, die zwischen den Völkern bestehen. Sie bemerken die geballte Wucht, die sich in allen irdischen Elementen anhäuft, und erkennen, daß sich etwas Großes und Entscheidendes vorbereitet daß die Welt am Rande einer gewaltigen Krisis steht. Ez54 166 4 Engel halten noch die Winde des Streites zurück, damit sie nicht blasen, bis die Welt vor dem kommenden Verhängnis gewarnt ist; aber es zieht sich ein Sturm zusammen, der drauf und dran ist, über die Erde hereinzubrechen. Und wenn Gott seinen Engeln befiehlt, die Winde loszulassen, wird es ein kriegerisches Schauspiel geben, wie es keine Feder ausmalen kann. Ez54 166 5 Die Bibel und nur die Bibel gibt uns ein richtiges Bild von diesen Dingen. Hier sind die großen Schlußszenen in der Geschichte unserer Welt offenbart, Ereignisse, die ihre Schatten schon vorauswerfen. Vor dem Geräusch ihres Nahens erzittert die Erde und verzagen Menschenherzen vor Furcht. Ez54 167 1 "Siehe, der Herr macht das Land leer und wüst und wirft um, was darin ist, und zerstreut seine Einwohner ...; denn sie übertreten das Gesetz und ändern die Gebote und lassen fahren den ewigen Bund. Darum frißt der Fluch das Land; denn sie verschulden's, die darin wohnen ... Die Freude der Pauken feiert, das Jauchzen der Fröhlichen ist aus, und die Freude der Harfe hat ein Ende." Jesaja 24,1-8. Ez54 167 2 "O weh des Tages! denn der Tag des Herrn ist nahe und kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen ... Der Same ist unter der Erde verfault, die Kornhäuser stehen wüste, die Scheuern zerfallen; denn das Getreide ist verdorben. O wie seufzt das Vieh! Die Rinder sehen kläglich, denn sie haben keine Weide, und die Schafe verschmachten." "So steht der Weinstock auch jämmerlich und der Feigenbaum kläglich; dazu die Granatbäume, Palmbäume, Apfelbäume und alle Bäume auf dem Felde sind verdorrt; denn die Freude der Menschen ist zum Jammer geworden." Joel 1,15-18.12. Ez54 167 3 "Wie ist mir so herzlich weh!... und habe keine Ruhe; denn meine Seele hört der Posaune Hall und eine Feldschlacht und einen Mordschrei über den andern; denn das ganze Land wird verheert ... Ez54 167 4 Ich schaute das Land an, siehe, das war wüst und öde, und den Himmel, und er war finster. Ich sah die Berge an, und siehe, die bebten, und alle Hügel zitterten. Ich sah, und siehe, da war kein Mensch, und alle Vögel unter dem Himmel waren weggeflogen. Ich sah, und siehe, das Gefilde war eine Wüste; und alle Städte darin waren zerbrochen." Jeremia 4,19.20.23-26. Ez54 167 5 "Es ist ja ein großer Tag, und seinesgleichen ist nicht gewesen, und ist eine Zeit der Angst in Jakob; doch soll ihm daraus geholfen werden." Jeremia 30,7. Ez54 167 6 "Gehe hin, mein Volk, in deine Kammer und schließ die Tür nach dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe." Jesaja 26,20. Ez54 168 1 "Denn der Herr ist deine Zuversicht; Der Höchste ist deine Zuflucht. Es wird dir kein Übel begegnen, Und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen." Psalm 91,9.10. Ez54 168 2 "Gott der Herr, der Mächtige, redet Und ruft der Welt vom Anfang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. Unser Gott kommt und schweigt nicht ... Er ruft Himmel und Erde, daß er sein Volk richte ... Denn Gott ist Richter." Psalm 50,1-6. Ez54 168 3 "Du Tochter Zion ... daselbst wird dich der Herr erlösen von deinen Feinden. Nun aber werden sich viele Heiden wider dich rotten und sprechen: Sie soll entweiht werden; wir wollen unsere Lust an Zion sehen. Aber sie wissen des Herrn Gedanken nicht und merken seinen Ratschlag nicht." "Dich will ich wieder gesund machen und deine Wunden heilen, spricht der Herr, darum, daß man dich nennt die Verstoßene, und Zion, nach der niemand frage." "Ich will das Gefängnis der Hütten Jakobs wenden und mich über seine Wohnungen erbarmen." Micha 4,10-12; Jeremia 30,17.18. Ez54 168 4 "Zu der Zeit wird man sagen: Siehe, das ist unser Gott, Auf den wir harren, und er wird uns helfen; Das ist der Herr, auf den wir harren, Daß wir uns freuen und fröhlich seien in seinem Heil." Ez54 168 5 "Er wird den Tod verschlingen ewiglich ... und wird aufheben die Schmach seines Volkes in allen Landen; denn der Herr hat's gesagt." Jesaja 25,9.8. Ez54 168 6 "Schaue Zion, die Stadt unsrer Feste! Deine Augen werden Jerusalem sehen, eine sichere Wohnung, eine Hütte, die nicht weggeführt wird ... Denn der Herr ist unser Richter, der Herr ist unser Meister, der Herr ist unser König." Jesaja 33,20-22. Ez54 168 7 Er "wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande". Jesaja 11,4. Ez54 169 1 Dann wird Gottes Beschluß erfüllt werden, und jedermann unter der Sonne wird die Grundgesetze seines Reiches achten. Ez54 169 2 "Man soll keinen Frevel mehr hören in deinem Lande Noch Schaden oder Verderben in deinen Grenzen; Sondern deine Mauern sollen Heil Und deine Tore Lob heißen." Ez54 169 3 "Du sollst durch Gerechtigkeit bereitet werden. Du wirst ferne sein von Gewalt und Unrecht, Daß du dich davor nicht darfst fürchten, Und von Schrecken, denn es soll nicht zu dir nahen." Jesaja 60,18; Jesaja 54,14. Ez54 169 4 Die Propheten, denen diese erhabenen Szenen offenbart wurden, sehnten sich danach, ihre Bedeutung zu verstehen. Sie "haben gesucht und geforscht ..., auf welche und welcherlei Zeit deutete der Geist Christi, der in ihnen war ..., welchen es offenbart ist. Denn sie haben's nicht sich selbst, sondern uns dargetan, was euch nun verkündigt ist ..., was auch die Engel gelüstet zu schauen." 1.Petrus 1,10-12. Ez54 169 5 Wie tiefbedeutsam, wie aufschlußreich sind diese Schilderungen zukünftiger Dinge für uns, die wir unmittelbar vor ihrer Erfüllung stehen! Handelt es sich doch um Ereignisse, nach denen die Kinder Gottes Ausschau gehalten, worauf sie gewartet, wonach sie sich gesehnt und wofür sie gebetet haben, seit unsere ersten Eltern ihren Fuß aus dem Paradies setzten! Ez54 169 6 Heute, vor der großen Endkrisis, gehen die Menschen ebenso wie vor der ersten Zerstörung der Welt ganz im Vergnügen und in der Jagd nach dem Sinnlichen auf. Völlig im Sichtbaren und Vergänglichen verfangen, haben sie das Unsichtbare und Ewige aus den Augen verloren. Für die Dinge, die, kaum gebraucht, vergehen, opfern sie unvergängliche Schätze. Ihr Denken muß edler, ihre Lebensanschauung umfassender werden. Sie müssen aus dem Dämmerzustand irdischer Träume herausgerissen werden. Ez54 169 7 Vom Aufstieg und Fall der Nationen, wie sie auf den Blättern der Heiligen Schrift deutlich gezeigt werden, sollten sie lernen, wie wertlos die bloß äußerliche, irdische Herrlichkeit ist. Babylon mit all seiner Macht und Pracht, wie sie unsere Welt seither nie wieder zu sehen bekam eine Macht und Herrlichkeit, die den Menschen jener Tage so fest und dauerhaft erschien, wie völlig ist es versunken und vergessen! Wie "des Grases Blume" schwand es dahin. So geht alles unter, was nicht Gott zur Grundfeste hat. Nur das, was in seinem Willen aufgeht und sein Wesen widerspiegelt, kann bestehen. Gottes Grundsätze allein sind in dieser Welt von Dauer. Ez54 170 1 Diese großen Wahrheiten sind es, die alt und jung sich aneignen muß. Wir sollten die Durchführung göttlicher Pläne in der Völkergeschichte und in der angezeigten künftigen Entwicklung studieren, damit wir Sichtbares und Unsichtbares richtig bewerten können, damit wir das eigentliche Lebensziel erkennen und von den zeitlichen Dingen den echtesten und edelsten Gebrauch machen, indem wir sie im Lichte der Ewigkeit sehen. Wenn wir also hier auf der Grundlage des Reiches Gottes bauen und seine Untertanen und Bürger werden, werden wir bei Jesu Kommen bereit sein, mit ihm in das Seine einzugehen. Ez54 170 2 Der Tag ist nahe. Für das, was noch gelernt werden muß, was noch zu tun ist, was noch in der Charakterentwicklung erreicht werden soll, ist die verbleibende Zeitspanne allzu kurz. Ez54 170 3 "Du Menschenkind, siehe, das Haus Israel spricht: Das Gesicht, das dieser sieht, das ist noch lange hin; und er weissagt auf die Zeit, so noch ferne ist. Darum sprich zu ihnen: So spricht der Herr Herr: Was ich rede, soll nicht länger verzogen werden, sondern soll geschehen, spricht der Herr Herr." Hesekiel 12,27.28. ------------------------Kapitel 20: Bibelunterricht und Bibelstudium Ez54 171 0 "... daß dein Ohr auf Weisheit achthat" und du "nach ihr forschest wie nach Schätzen". Ez54 171 1 Jesus forschte in seiner Kindheit, in der Jugend und im Mannesalter in der Schrift. Als kleines Kind wurde er täglich zu Füßen seiner Mutter aus den Buchrollen der Propheten unterwiesen. In seiner Jugend fanden ihn oft der frühe Morgen und das Zwielicht des Abends allein am Bergeshang oder unter den Bäumen des Waldes, wo er eine ruhige Stunde mit Gebet und mit dem Studium des Gotteswortes verbrachte. Während seines Erdendienstes zeugte seine enge Vertrautheit mit der Schrift für den Fleiß, mit dem er sie durchforschte. Und da er seine Kenntnisse auf dem gleichen Wege erwarb, der auch uns offensteht, ist seine wunderbare geistige und geistliche Kraft ein Beweis für den Wert der Heiligen Schrift als Bildungsmittel. Ez54 171 2 Als unser himmlischer Vater sein Wort gab, übersah er die Kinder nicht. Wo könnte man unter allem, was Menschen geschrieben haben, etwas finden, das so nachhaltig das Herz ergreift, das unsere Kleinen so trefflich anregt wie die Geschichten der Bibel? Ez54 171 3 Durch diese einfachen Erzählungen lassen sich die großen Grundlinien des göttlichen Gesetzes klar umreißen. So können die Eltern schon sehr früh damit anfangen, durch anschauliche Darstellungen, die dem Verständnis der Kinder weitestgehend angepaßt sind, der Weisung des Herrn betreffs seiner Verordnungen nachzukommen: "Und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzest oder auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst." 5.Mose 6,7. Ez54 171 4 Die Verwendung von Anschauungsmaterial, von Wandtafeln, Landkarten und Bildern wird das Lehrziel deutlich herausstellen und es dem Gedächtnis einprägen helfen. Eltern und Lehrer sollten ständig eine bessere Lehrweise anstreben. Dem Bibelunterricht sollte unser ursprünglichstes Denken, unsere beste Methode, unsere ernsteste Bemühung gelten. Ez54 172 1 Um Liebe für das Bibelstudium zu wecken und zu nähren, kommt es sehr darauf an, wie man die Stunde der Andacht nützt. Die Zeit der Morgen- und Abendandacht sollte die trauteste und segensreichste des Tages sein. Jeder möge wissen, daß sich in diese Stunden keine unruhigen, unfreundlichen Gedanken eindrängen sollten, daß Eltern und Kinder sich versammeln, um Jesus zu begegnen und heilige Engel zum Verweilen im Heim einzuladen. Die Andachten seien kurz und voller Leben, der Gelegenheit angepaßt und von Zeit zu Zeit anders gestaltet. Alles beteilige sich am Lesen der Bibel, lerne das Gesetz Gottes und wiederhole es häufig. Die Kinder werden lebhafter teilnehmen, wenn sie zuweilen den Schriftabschnitt wählen dürfen. Befragt sie darüber und laßt sie selbst Fragen stellen. Zieht alles mit heran, was den Sinn veranschaulicht. Falls sich dabei die Andacht nicht zu weit ausdehnt, lasse man auch die Kleinen mitbeten und mitsingen, wenn auch nur einen einzigen Vers. Ez54 172 2 Um eine solche Andacht zu dem zu machen, was sie sein sollte, muß man sie sorgfältig vorbereiten. Eltern sollten sich täglich Zeit zum Bibelstudium mit ihren Kindern nehmen. Zweifellos wird das Mühe, Überlegung und auch einige Opfer kosten, doch die Anstrengung wird sich reichlich lohnen. Ez54 172 3 Als Vorbereitung zur Vermittlung seiner Vorschriften gebietet Gott den Eltern, sie im Herzen zu bewahren. "Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen." Er sagt: Du "sollst sie deinen Kindern einschärfen". 5.Mose 6,6.7. Um unsere Kinder für die Bibel einzunehmen, muß sie selbst in uns leben. Wenn wir in ihnen die Liebe zum Studium der Schrift wecken wollen, müssen wir diese selbst lieben. Der Einfluß, den unser Unterricht auf sie ausstrahlt, hängt in seinem Gewicht ganz und gar von unserem Beispiel und von unserer Gesinnung ab. Ez54 172 4 Gott berief Abraham, ein Lehrer seines Wortes zu sein. Er erkor ihn zum Vater eines großen Volkes, weil er sah, daß er seine Kinder und sein Hausgefolge in den Grundsätzen des göttlichen Gesetzes unterweisen würde. Was den Lehren Abrahams Durchschlagskraft verlieh, war der Einfluß seines eigenen Lebens. Sein großer Haushalt bestand aus mehr als tausend Seelen, von denen viele Familienoberhäupter waren. Nicht wenige waren erst kurz zuvor aus dem Heidentum bekehrt worden. Eine solche Großfamilie erforderte eine feste Hand am Steuer. Mit einer schwächlichen, schwankenden Handlungsweise war es da nicht getan. Gott sagte von Abraham: "Denn ich weiß, er wird befehlen seinen Kindern und seinem Hause nach ihm." Doch er übte seine Autorität mit soviel Weisheit und Zartgefühl aus, daß er die Herzen gewann. Der göttliche Wächter bezeugte, "daß sie des Herrn Wege halten und tun, was recht und gut ist". 1.Mose 18,19. Abrahams Einfluß erstreckte sich sogar noch über seinen eigenen Haushalt hinaus. Wo er auch sein Gezelt aufschlug, errichtete er daneben den Altar für Opfer und Anbetung. Wenn das Zelt abgebrochen wurde, blieb dieser Altar stehen, und mancher umherstreifende Kanaaniter, der durch den Lebenswandel Abrahams, des Knechtes Gottes, den Herrn erkannt hatte, verweilte an jener Stätte, um Jahve Opfer darzubringen. Ez54 173 1 Auch heute wird der Unterricht im Worte Gottes nicht weniger wirksam sein, wenn er einen ebenso getreuen Abglanz im Leben des Lehrers findet. Ez54 173 2 Es genügt nicht zu wissen, was andere über die Bibel gedacht und gelehrt haben. Jeder einzelne muß im Gericht vor Gott für sich selbst Rechenschaft ablegen, und jeder sollte jetzt für sich selbst danach fragen, was Wahrheit ist. Soll das Studium nützen, so muß der Schüler innerlich mitgehen. Besonders wer mit Kindern zu tun hat, die sich in Veranlagung, Erziehung und Denkgewohnheiten sehr unterscheiden, darf das nicht übersehen. Wenn wir Kinder in der Bibel unterweisen, können wir viel gewinnen durch die Beobachtung ihrer Neigungen und der Gegenstände, für die sie sich erwärmen, um dann ihr Interesse zu wecken für das, was die Bibel über diese Dinge sagt. Er, der uns mit unseren mannigfachen Fähigkeiten schuf, hat in seinem Worte für jeden etwas dargeboten. Wenn die Schüler erkennen, daß die Lehren der Bibel für ihr eigenes Leben gelten, dann lehrt sie, diese als Ratgeber anzunehmen. Ez54 174 1 Öffnet ihnen auch den Blick für ihre wunderbare Schönheit. Viele Bücher ohne wirklichen Wert, Bücher, die aufregend und schädlich sind, werden ihres vermeintlichen literarischen Wertes wegen empfohlen oder wenigstens zum Gebrauch zugelassen. Warum sollten wir unsere Kinder anweisen, aus diesen verunreinigten Strömen zu trinken, wo sie doch freien Zugang zu den reinen Quellen des Wortes Gottes haben können? Die Bibel birgt eine Fülle, eine Kraft, eine Tiefe, die unerschöpflich sind. Ermutigt die Kinder und Jugendlichen, nach den Schätzen zu graben, die an Gedanken wie an Schönheit des Ausdrucks in der Heiligen Schrift enthalten sind. Ez54 174 2 Wenn der Glanz dieser Kostbarkeiten den Geist der Schüler fesselt, wird eine lösende, ausgleichende Macht ihr Herz berühren. Sie werden zu dem hingezogen werden, der sich auf solche Weise ihnen offenbart hat. Und nur wenige werden nicht noch mehr von seinen Werken und Wegen erfahren wollen. Ez54 174 3 Wer sich mit der Bibel beschäftigt, sollte wissen, daß er mit der Geisteshaltung eines Lernenden an sie herantreten muß. Uns obliegt es, ihre Seiten zu durchforschen, nicht etwa nach Beweisen, die unsere Ansichten stützen, sondern um zu erfahren, was Gott sagt. Ez54 174 4 Eine wahre Bibelerkenntnis vermittelt nur jener Geist, der auch das Wort gab. Um dieses Wissen zu erlangen, müssen wir danach leben. Wir haben allem zu gehorchen, was Gottes Wort befiehlt; alles, was es verheißt, dürfen wir beanspruchen. Das darin vorgezeichnete Leben ist es, das wir in seiner Kraft leben sollen. Nur wer sich so zur Heiligen Schrift stellt, kann sie mit Nutzen durchforschen. Ez54 174 5 Das Studium der Bibel erfordert unsere angestrengtesten Bemühungen und Ausdauer im Denken. Wie der Bergmann nach dem Goldvorkommen in der Erde gräbt, so ernsthaft und beharrlich müssen wir nach dem Schatz des Wortes Gottes suchen. Ez54 175 1 Im täglichen Studium ist die Methode, Vers um Vers zu durchforschen, oft recht nutzbringend. Man lasse den Schüler einen Text vornehmen und mit gesammeltem Geist erfassen, was Gott für ihn hineingelegt hat, um dann bei dem Gedanken zu verweilen, bis er sein geistiges Eigentum geworden ist. In dieser Weise eine Stelle zu betrachten, bis ihre Bedeutung klar ist, hat mehr Wert als das Durchlesen vieler Kapitel ohne bestimmten Zweck und ohne greifbares Ergebnis. Ez54 175 2 Eine der Hauptursachen geistiger Unfähigkeit und sittlicher Schwäche liegt in mangelnder Zielstrebigkeit. Wir sind stolz auf die weite Verbreitung des Schrifttums; doch die Vermehrung von Büchern, selbst von solchen, die an sich nicht schädlich sind, kann zu einem wirklichen Übel werden. Durch die unermeßliche Flut von Druckwerken, die sich beständig von den Pressen ergießt, bildet sich bei alt und jung die Gewohnheit, hastig und oberflächlich zu lesen, und der Geist verliert die Fähigkeit zusammenhängenden und kraftvollen Denkens. Überdies erweist sich ein großer Teil der Zeitschriften und Bücher, die gleich den Fröschen Ägyptens das Land überschwemmen, nicht nur als nichtssagend, unnütz und nervenschädigend, sondern auch als unsauber und erniedrigend. Sie bewirken nicht nur eine Betäubung und Zerstörung des Denkens, sondern verderben und zersetzen auch die Seele. Der Geist und das Herz, die träge und ziellos sind, fallen als leichte Beute dem Übel anheim. Nur in kranken, leblosen Organismen setzen sich Pilze fest. Der müßige Geist ist ein Tummelplatz Satans. Laßt die Gedanken auf hohe und heilige Ideale gerichtet sein, gebt dem Leben ein edles Ziel, einen ganzen Einsatz fordernden Zweck, und das Böse wird kaum Fuß fassen. Ez54 175 3 Lehrt die Jugend also, sich mit dem Worte Gottes genau zu beschäftigen. In die Seele aufgenommen, wird es sich als ein machtvolles Bollwerk gegen die Versuchung erweisen. Der Psalmist kündet: "Ich behalte dein Wort in meinem Herzen, auf daß ich nicht wider dich sündige." Psalm 119,11. "Ich bewahre mich in dem Wort deiner Lippen ... vor dem Wege des Mörders." Psalm 17,4. Ez54 176 1 Die Bibel legt sich selbst aus. Eine Schriftstelle soll mit der andern verglichen werden. Der Forschende muß lernen, das Wort als Ganzes zu betrachten und die Beziehungen der einzelnen Teile zueinander zu erkennen. Er sollte das große, zentrale Thema erfassen: Gottes ursprüngliche Absicht mit dieser Welt, der Ausbruch des großen Kampfes und das Werk der Erlösung. Er sollte in ihrem Wesen die beiden Machtgruppen verstehen, die um die Oberherrschaft ringen, und sollte es lernen, ihre Auswirkungen in den Berichten der Geschichte und der Prophetie bis zu dem großen Abschluß hin zu verfolgen. Er muß begreifen, wie diese Auseinandersetzung jede Phase menschlicher Erfahrung durchdringt, wie er selbst in jeder Handlung seines Lebens die eine oder andere der beiden feindlichen Triebkräfte offenbart, und wie er sich, ob er will oder nicht, gerade jetzt entscheidet, auf welcher Seite des Kampfes er zu finden sein soll. Ez54 176 2 Jeder Teil der Bibel ist durch göttliche Eingebung vermittelt und von Nutzen. Dem Alten Testament sollte nicht weniger Beachtung geschenkt werden als dem Neuen. Wenn wir uns mit der Alten Stiftung befassen, werden wir auf lebendig sprudelnde Brünnlein stoßen, wo der oberflächliche Leser nur eine Wüstenei erblickt. Ez54 176 3 Besonderes Studium erfordert das Buch der Offenbarung in Verbindung mit dem Buche Daniel. Jeder gottesfürchtige Lehrer sollte darüber nachsinnen, wie er das Evangelium, das unser Heiland seinem Knecht Johannes persönlich kundtat, am klarsten fassen und darstellen kann, "die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll". Offenbarung 1,1. Ez54 176 4 Niemand darf sich beim Forschen in der Offenbarung durch ihre scheinbar geheimnisvollen Sinnbilder entmutigen lassen. "So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott, der da gibt einfältig jedermann und rücket's niemand auf." Jakobus 1,5. Ez54 176 5 "Selig ist, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe." Offenbarung 1,3. Ez54 177 1 Wenn wirkliche Liebe zur Bibel geweckt wird und der Lernende einzusehen beginnt, wie weit das Gebiet ist und wie kostbar seine Schätze sind, wird er jede Gelegenheit ergreifen wollen, sich mit Gottes Wort vertraut zu machen. Sein Studium wird auf keinen bestimmten Zeitpunkt oder Ort beschränkt sein. Dazu ist dieses beständige Forschen eines der besten Mittel, die Liebe zur Schrift zu vertiefen. Als Schüler trage deine Bibel immer bei dir. Ergibt sich die Gelegenheit, lies einen Text und denke darüber nach. Ob du auf der Straße gehst, im Bahnhof wartest oder einer Verabredung entgegensiehst: nutze den Augenblick, dir irgendeinen kostbaren Gedanken aus der Schatzkammer der Wahrheit anzueignen. Ez54 177 2 Die großen, bewegenden Grundkräfte der Seele sind Glaube, Hoffnung und Liebe. Gerade sie werden durch das richtig betriebene Bibelstudium stark bestimmt. Die äußere Schönheit der Bibel, der Reiz der Bildhaftigkeit und des Ausdrucks sind gewissermaßen nur die Fassung für ihr wahres Kleinod: die Schönheit heiligen Wesens. Wo sie von Menschen berichtet, die mit Gott wandelten, können wir einen Schimmer göttlicher Herrlichkeit erhaschen. In Ihm, der "ganz lieblich" ist, schauen wir den, gegen den alle Schönheit Himmels und der Erden nur ein matter Abglanz ist. Er hat gesagt: "Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen." Johannes 12,32. Wenn der Bibelleser den Erlöser erschaut, bricht in seiner Seele die geheimnisvolle Kraft des Glaubens, der Anbetung und der Liebe auf. Sein Blick ist auf die Erscheinung Christi geheftet, und der Schauende wächst zum Ebenbild dessen heran, den er verehrt. Ez54 177 3 Die Worte des Apostels Paulus werden zur Sprache des Herzens: "Ich achte es noch alles für Schaden gegen die über schwengliche Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn,... zu erkennen ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden." Philipper 3,8.10. Ez54 177 4 Die Quellen himmlischen Friedens und himmlischer Freude, die durch die vom Heiligen Geist eingegebenen Worte in der Seele erschlossen werden, vereinigen sich zu einem mächtigen Strom des Einflusses, der allen zum Segen wird, die in seinen Bereich kommen. Laßt die Jugend von heute mit der Bibel in der Hand aufwachsen und macht sie so zu Empfängern und Vermittlern der lebenspendenden Kraft des Wortes Gottes. Reiche Segensströme werden sich dann über die Welt ergießen -- Einflüsse, deren heilende und tröstende Macht wir kaum zu fassen vermögen -- Ströme des lebendigen Wassers, Brunnen, "die in das ewige Leben fließen"! Ez54 177 5 "Mein Lieber, ich wünsche in allen Stücken, daß dir's wohl gehe und du gesund seist, wie es denn deiner Seele wohl geht." 3.Johannes 2. ------------------------Kapitel 21: Das Studium der Physiologie Ez54 181 0 "Ich preise dich deshalb, daß ich so erstaunlich gemacht bin." Ez54 181 1 Da Geist und Seele sich im Körper ausdrücken, hängt die geistige und geistliche Energie in hohem Maße von körperlicher Spannkraft und Betätigung ab. Was immer die leibliche Gesundheit fördert, begünstigt auch die Entwicklung eines starken Geistes und eines wohlausgeglichenen Charakters. Ohne Gesundheit kann niemand seine Verpflichtungen gegen sich selbst, seine Mitmenschen und seinen Schöpfer so recht verstehen oder vollständig erfüllen. Deshalb sollte sie ebenso gewissenhaft gehütet werden wie der Charakter. Eine Kenntnis der Physiologie und Hygiene muß die Grundlage aller erzieherischen Anstrengungen bilden. Ez54 181 2 Obwohl die physiologischen Tatsachen jetzt allgemein verstanden werden, herrscht doch eine erschreckende Gleichgültigkeit hinsichtlich der Gesundheitsgrundsätze. Sogar unter denen, die mit diesen Grundregeln bekannt sind, gibt es nur wenige, die sie anwenden. Man folgt der Neigung oder einem Einfall so blindlings, als ob das Leben eher vom bloßen Zufall beherrscht würde als von festen, unverbrüchlichen Gesetzen. Ez54 181 3 Die Jugend erkennt in ihrer Frische und Lebenskraft kaum den Wert ihrer übersprudelnden Energie. Diese ist ein Schatz, köstlicher als Gold, und für das Vorankommen wichtiger als Gelehrsamkeit oder Reichtum. Aber wie leichtfertig geht man mit ihr um, wie rasch wird sie verschleudert! Wie mancher Mensch, der seine Gesundheit im Ringen um Macht oder Reichtum dahingab, hat das Ziel seiner Wünsche beinahe erreicht, brach dann aber hilflos zusammen, während ein anderer, der mehr körperliche Ausdauer besaß, den ersehnten Preis davontrug. Wie viele sind durch krankhafte Zustände, die sich aus der Vernachlässigung der Gesundheitsgesetze ergaben, zu üblen Gewohnheiten verführt worden unter Preisgabe jeglicher Hoffnung für diese und für die künftige Welt! Ez54 182 1 Beim Studium der Physiologie sollten die Schüler dahin geführt werden, daß sie den Wert körperlicher Kraft erkennen und lernen, wie diese erhalten und entwickelt werden kann, um im höchsten Grade zum Erfolg im Lebenskampf beizutragen. Ez54 182 2 Kinder sollte man schon früh durch einfache, leicht faßliche Lehrstücke in den Anfangsgründen der Physiologie und Hygiene unterrichten. Diese Unterweisung müßte von der Mutter im Heim begonnen und in der Schule gewissenhaft fortgeführt werden. Wenn die Schüler an Jahren zunehmen, sollte der Unterricht in diesem Fach weitergehen, bis sie fähig sind, für das Haus zu sorgen, das sie bewohnen. Sie sollten verstehen, wie wichtig es ist, jedes Organ lebenskräftig zu erhalten und sich damit vor Krankheit zu schützen. Auch muß man ihnen beibringen, wie man sich bei häufig vorkommenden Erkrankungen und Unfällen verhält. Jede Schule sollte Unterricht sowohl in Physiologie wie in Hygiene bieten und nach Möglichkeit mit Lehrmitteln versehen sein, die Aufbau, Zweck und Pflege des Körpers veranschaulichen. Ez54 182 3 Es gibt Dinge, die gewöhnlich nicht ins Studium der Physiologie miteinbezogen werden und doch Beachtung verdienten Dinge, die für den Schüler weit größeren Wert besitzen als viele Äußerlichkeiten, die gemeinhin beim Unterricht in diesem Fach vermittelt werden. Als Grundlage jeglicher Ausbildung in dieser Richtung sollte man der Jugend klarmachen, daß die Gesetze der Natur Gesetze Gottes darstellen und ebenso wahrhaft göttlich sind wie die Zehn Gebote. Die Gesetzmäßigkeiten, die unseren ganzen leiblichen Organismus regieren, hat Gott jedem Nerv, jedem Muskel und jeder Faser des Körpers aufgeprägt. Jeder fahrlässige oder willkürliche Verstoß gegen diese Regeln ist eine Sünde gegen unseren Schöpfer. Ez54 182 4 Wie notwendig ist es also, daß man eine gründliche Kenntnis dieser Gesetze vermittelt! Den Grundsätzen der Gesundheitslehre in ihrer Anwendung auf Ernährung, Leibesübungen, Kinderpflege, Krankenbehandlung und viele ähnliche Dinge sollte weit mehr Beachtung geschenkt werden, als für gewöhnlich geschieht. Man sollte sowohl den Einfluß des Geistes auf den Körper als auch den des Körpers auf den Geist betonen. Die elektrischen Ausstrahlungen des Gehirns, die durch geistige Tätigkeit stark gefördert werden, beleben unser ganzes System und tragen in unschätzbarer Weise zur Abwehr von Krankheiten bei. Dies gilt es zu zeigen. Ebenso muß man die Macht des Willens und die Wichtigkeit der Selbstbeherrschung sowohl für die Erhaltung als auch für die Wiederherstellung der Gesundheit vor Augen führen, ferner die niederdrückende oder gar zerstörerische Wirkung von Ärger, Unzufriedenheit, Selbstsucht oder Unreinheit auf der einen, dagegen die wunderbare lebenspendende Kraft, die in Heiterkeit, Selbstlosigkeit und Dankbarkeit verborgen liegt, auf der anderen Seite. Ez54 183 1 Die Schrift enthält eine physiologische Wahrheit, die wir wohl beachten sollten: "Ein fröhlicher Sinn befördert die Genesung." Sprüche 17,22 (Menge). Ez54 183 2 Gott spricht: "... dein Herz behalte meine Gebote. Denn sie werden dir langes Leben und gute Jahre und Frieden bringen." "Denn sie sind das Leben denen, die sie finden, und gesund ihrem ganzen Leibe." Die Schrift erklärt, daß "die Reden des Freundlichen" nicht nur die Seele trösten, sondern auch die Gebeine erfrischen. Sprüche 3,1.2; Sprüche 4,22; Sprüche 16,24. Ez54 183 3 Die Jugend muß die tiefe Wahrheit verstehen, die der biblischen Aussage zugrunde liegt, daß bei Gott "die Quelle des Lebens" ist. Psalm 36,10. Er ist nicht nur der Urheber aller Dinge, sondern auch das Leben alles Lebendigen. Es ist sein Leben, das wir im Sonnenschein, in der reinen, milden Luft, in der Nahrung, die unseren Körper aufbaut und unsere Kraft erhält, in uns aufnehmen. Durch seinen Odem bestehen wir von Stunde zu Stunde, von Augenblick zu Augenblick. All seine Gaben zielen auf Leben, Gesundheit und Freude ab, wenn Sünde sie nicht ins Gegenteil verkehrt. Ez54 183 4 "Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit." Prediger 3,11 (Schlachter). Deshalb erwirbt man wahre Schönheit nicht dadurch, daß man Gottes Werk verdirbt, sondern indem man sich in Übereinstimmung bringt mit den Gesetzen des Schöpfers, der alle Dinge ins Dasein rief, und an ihrer Schönheit und Vollkommenheit Gefallen findet. Ez54 184 1 Beim Studium des körperlichen Mechanismus sollte die Aufmerksamkeit auf die wunderbare Zweckmäßigkeit und auf das harmonische Zusammenwirken der sich ergänzenden Organe gelenkt werden. Hat man das Denken des Schülers auf diese Weise angeregt und ihn soweit gebracht, daß er die Wichtigkeit einer gesunden Lebensweise einsieht, dann kann der Lehrer viel zu einer angemessenen Entwicklung und zur Bildung vernünftiger Gewohnheiten beitragen. Ez54 184 2 Was zuerst mit angestrebt werden sollte, ist eine einwandfreie Haltung beim Sitzen und Stehen. Gott schuf den Menschen aufrecht, und er wünscht, daß wir nicht nur den körperlichen, sondern auch den geistlich-sittlichen Segen davon haben die Anmut und Würde und das Selbstbewußtsein, den Mut und das Selbstvertrauen, die eine gerade Haltung so sehr fördert. Der Lehrer möge durch Beispiel und Vorschrift in dieser Richtung wirken. Man zeige, was eine richtige Haltung ist, und bestehe darauf, daß sie eingenommen und beibehalten wird. Ez54 184 3 Auf die richtige Haltung folgen der Wichtigkeit nach Atmung und Stimmpflege. Wer aufrecht sitzt und steht, atmet wahrscheinlich eher richtig als andere. Doch der Lehrer sollte seinen Schülern außerdem die Notwendigkeit tiefen Luftholens einschärfen. Man lege dar, wie die gesunde Tätigkeit der Atmungsorgane den Blutkreislauf unterstützt und das ganze System belebt, den Appetit anregt, die Verdauung fördert und einen sanften, süßen Schlummer bewirkt. Auf diese Weise wird nicht nur der Körper erfrischt, sondern auch der Geist besänftigt und beruhigt. Wenn man die Bedeutung des Tiefatmens unterstreicht, sollte es auch unbedingt durchgeführt werden. Man nehme Übungen vor, die es begünstigen, und sehe zu, daß es zur festen Gewohnheit wird. Ez54 184 4 Die Stimmbildung nimmt einen wichtigen Platz in der Körperkultur ein, da sie eine Weitung und Stärkung der Lungen bewirkt und dadurch Krankheiten fernhält. Um einen richtigen Vortrag beim Lesen und Sprechen zu gewährleisten, sorge man dafür, daß die Bauchmuskeln beim Atmen vollen Spielraum haben und die Atmungsorgane nicht eingeengt sind. Die Bauchmuskeln sollen angestrengt werden und nicht die Stimmbänder. Auf diese Weise kann man Ermüdungserscheinungen und ernsthafte Erkrankungen des Kehlkopfs und der Lungen verhüten. Man sollte bewußt auf eine deutliche Aussprache, weiche, klangvolle Töne und eine nicht zu rasche Vortragsweise hinstreben. Das wird nicht nur die Gesundheit fördern, sondern auch die Arbeit des Schülers bedeutend angenehmer gestalten und seine Leistung steigern. Ez54 185 1 Die Belehrung über diese Dinge bietet eine wertvolle Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie töricht und schädlich Gewohnheiten sind, die die Tätigkeit lebenswichtiger Organe behindern. Eine fast endlose Kette von Krankheiten ist die Folge ungesunder Moden; diese Zusammenhänge gilt es gründlich aufzuhellen. Man betone den Schülern gegenüber die Gefahr, das Gewicht der Kleidung auf den Hüften ruhen zu lassen oder irgendein Organ des Körpers zusammenzupressen. Die Kleidung sollte so beschaffen sein, daß man voll atmen und die Arme ohne Schwierigkeit über den Kopf erheben kann. Das Zusammendrücken der Lungen hält nicht nur ihr Wachstum auf, sondern hemmt auch den Verdauungsvorgang und den Blutkreislauf und schwächt schließlich den ganzen Körper. Solche Mißstände zehren an der physischen und geistigen Kraft, hindern so den Schüler am Fortschritt und vereiteln oft seinen Erfolg. Ez54 185 2 Beim Studium der Hygiene wird der verantwortungsbewußte Lehrer jede Gelegenheit nützen, um zu zeigen, wie notwendig vollkommene Reinlichkeit in persönlichen Gewohnheiten und in der ganzen Umgebung eines Menschen ist. Man sollte nachdrücklich den Wert des täglichen Badens herausstellen, das die Gesundheit fördert und zu geistiger Tätigkeit anregt. Auch auf die Durchsonnung und Durchlüftung, auf die Sauberhaltung des Schlafzimmers und der Küche gilt es zu achten. Man lehre die Schüler, daß ein gelüfteter Schlafraum, eine blitzblanke Küche und ein geschmackvoll hergerichteter, mit bekömmlichen Speisen gedeckter Tisch das Glück der Familie und die Anerkennung von seiten aller vernünftigen Gäste eher gewährleisten als noch so viel teure Möbel im Wohnzimmer. Daß "das Leben ... mehr denn die Speise, und der Leib mehr denn die Kleidung" (Lukas 12,23) sei, ist ein Erfahrungssatz, der heute nicht weniger Beachtung heischt als vor neunzehnhundert Jahren, da ihn der göttliche Lehrmeister aussprach. Ez54 186 1 Dem Physiologieschüler sollte nahegebracht werden, daß das Ziel seines Studiums nicht bloß darin besteht, sich Kenntnisse von Tatsachen und Grundsätzen anzueignen. Diese allein würden sich als wenig nutzbringend erweisen. Er mag die Bedeutung der guten Durchlüftung begreifen, sein Zimmer mag mit reiner Luft versorgt sein; wenn er aber seine Lungen nicht richtig füllt, wird er unter den Folgen schlechter Atmung zu leiden haben. So mag man auch die Notwendigkeit peinlichster Sauberkeit erkennen und mit allerlei brauchbaren Einrichtungen versehen sein; das alles hat jedoch keinen Wert, wenn es nicht angewandt wird. Es kommt beim Lehren dieser Grundsätze sehr darauf an, dem Schüler ihre Wichtigkeit so tief einzuprägen, daß er sie gewissenhaft in die Tat umsetzt. Ez54 186 2 In einem sehr schönen und eindrucksvollen Bild zeigt die Heilige Schrift den Wert, den Gott unserem leiblichen Organismus beimißt, und die Verantwortung, die auf uns ruht, ihn im besten Zustand zu erhalten: "Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst?" "So jemand den Tempel Gottes verderbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr." 1.Korinther 6,19; 1.Korinther 3,17. Ez54 186 3 Die Schüler sollen unter dem Bewußtsein erschauern, daß der Leib ein Tempel ist, in dem Gott wohnen möchte; daß er rein erhalten werden muß als Behausung hoher und edler Gedanken. Wenn sie beim Studium der Physiologie erkennen, daß sie in der Tat "so erstaunlich wunderbar gemacht" (Psalm 139,14 v. Eß) sind, werden sie mit Ehrfurcht erfüllt werden. Statt Gottes Werk zu verunstalten, werden sie alles daran setzen, das Bestmögliche aus sich selbst zu machen, um den herrlichen Plan des Schöpfers zu verwirklichen. So werden sie auch die Beobachtung der Gesundheitsgesetze nicht als ein Opfer oder als Selbstkasteiung ansehen, sondern als eine unschätzbare Gnade und als einen Segen, was er auch in Wirklichkeit ist. ------------------------Kapitel 22: Mäßigkeit und gesunde Lebensweise Ez54 187 0 "Jeder aber, der sich am Wettkampf beteiligen will, legt sich strenge Enthaltsamkeit auf." Ez54 187 1 Jeder Lernende muß um die Beziehung zwischen einfacher Lebensweise und hoher Denkungsart wissen. Es liegt an uns persönlich, zu entscheiden, ob der Geist oder der Körper unsere Lebensführung bestimmen soll. Jeder einzelne Jugendliche muß für sich selbst die Wahl treffen, die sein Leben formt. Deshalb sollte keine Mühe gespart werden, ihn zur Erkenntnis der Mächte zu führen, denen er gegenübersteht, und zum Verständnis der Einflüsse, die Charakter und Schicksal prägen. Ez54 187 2 Die Unmäßigkeit ist ein Feind, vor dem sich alle hüten müßten. Die rasche Zunahme dieses Übels sollte jeden, der seine Mitmenschen liebt, zum Kampf dagegen aufrütteln. Es ist ein Schritt in der rechten Richtung, wenn man in den Schulen Unterricht über Mäßigkeitsthemen abhält. In diesem Fach sollte man überhaupt in jeder Schule und in jedem Heim Belehrung erteilen. Jugendliche und Kinder müßten die Wirkung des Alkohols, des Tabaks und ähnlicher Gifte kennen, die den Körper zugrunde richten, den Verstand umnebeln und die Seele versinnlichen. Man sollte klar herausstellen, daß keiner, der solche Dinge gebraucht, die volle Stärke seiner körperlichen, geistigen oder sittlichen Fähigkeiten lange bewahren kann. Ez54 188 1 Aber um die Unmäßigkeit an der Wurzel zu packen, müssen wir tiefer gehen als bis zum Genuß von Alkohol oder Tabak. Müßiggang, Ziellosigkeit oder schlechte Gesellschaft können die wegbereitende Ursache sein. Zum andern findet man sie oft an der heimischen Tafel, in Familien, die sich streng enthaltsam dünken. Alles, was die Verdauung in Unordnung bringt, das Denken übermäßig erregt oder in irgendeiner Weise den Organismus beeinträchtigt, indem es das Gleichgewicht der geistigen und leiblichen Kräfte stört, schwächt auch die Herrschaft des Geistes über den Körper und begünstigt die Unmäßigkeit. Der Zusammenbruch manches versprechenden jungen Menschen könnte auf unnatürliche Begierden zurückgeführt werden, die die Folge einer ungesunden Kost sind. Ez54 188 2 Tee und Kaffee, Gewürze, Süßigkeiten und Tortengebäck sind starke Ursachen für eine schlechte Verdauung. Auch Fleischnahrung ist schädlich. Ihre naturgegebene Reizwirkung sollte schon einen überzeugenden Grund gegen ihre Verwendung darstellen; der fast allgemein gewordene krankhafte Zustand der Tiere aber macht sie doppelt verdächtig. Fleischgenuß führt leicht zu einer Überreizung der Nerven und zur Erregung der Leidenschaften. Dadurch gewinnen die niederen Neigungen die Oberhand. Ez54 188 3 Wer sich an eine reichhaltige, stark anregende Kost gewöhnt, findet nach einiger Zeit, daß der Magen mit einfacher Nahrung nicht mehr zufrieden ist. Er verlangt nach immer stärker gewürzten, schärferen und aufpeitschenderen Dingen. Wenn die Nerven angegriffen sind und der Organismus geschwächt ist, scheint auch dem Willen die Kraft zu fehlen, gegen das unnatürliche Begehren anzukämpfen. Die zarte Schleimhaut des Magens wird gereizt und entzündet, bis die anregendste Kost keine Befriedigung mehr gewährt. Es entsteht ein Durst, den nur starkes Getränk löschen kann. Ez54 188 4 Gerade vor den Anfängen des Übels sollte man sich hüten. Im Unterricht müssen der Jugend die Folgen kleiner Abweichungen vom rechten Weg sehr deutlich gemacht werden. Der Schüler soll lernen, wie wertvoll eine einfache, gesunde Ernährung ist, um dem Verlangen nach unnatürlichen Reizmitteln vorzubeugen. Es gilt, sich früh an Selbstbeherrschung zu gewöhnen und den Jugendlichen den Gedanken einzuprägen, daß sie Meister und nicht Sklaven sein sollen. Gott hat sie zu Herrschern über das Königreich ihrer Seele gesetzt, und sie haben ihr vom Himmel verordnetes Königtum auszuüben. Wenn solche Weisungen gewissenhaft erteilt werden, werden sie sich weit über die Jugend hinaus auswirken. Einflüsse werden sich geltend machen, die Tausende von Männern und Frauen vom Rande des Verderbens zurückreißen. Ez54 189 1 Auf die Beziehung zwischen Ernährung und geistiger Entwicklung sollte man weit mehr als bisher achten. Verworrenes Denken und geistige Trägheit sind oft das Ergebnis von Diätfehlern. Ez54 189 2 Man besteht immer wieder darauf, daß bei der Auswahl der Nahrung der Appetit ein sicherer Führer sei. Wären die Gesundheitsgesetze immer befolgt worden, so würde dies zutreffen. Aber der Appetit hat sich durch falsche Gewohnheiten, die sich von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzten, so ins Unnatürliche verkehrt, daß er dauernd auf schädliche Genüsse aus ist. Man kann sich ihm nicht mehr anvertrauen. Ez54 189 3 Beim Studium der Gesundheitslehre sollten die Schüler den Nährwert verschiedener Speisen kennenlernen. Man sollte die Wirkung einer konzentrierten, anregenden Kost und andererseits der Lebensmittel, denen die Nährstoffe abgehen, klarlegen. Tee und Kaffee, Feinmehlbrot, Essiggurken, gröbere Gemüsearten, Zuckerwerk, Gewürze und Pasteten bilden nicht die richtige Nahrung. So mancher Schüler ist bei solchen Speisen zusammengebrochen. Manches schwächliche Kind, das zu kräftigen Körper- oder Geistesanstrengungen unfähig ist, ist das Opfer einer unzulänglichen Kost. Getreide, Früchte, Nüsse und Gemüse enthalten bei geeigneter Zusammenstellung alle Nährstoffe. Wenn sie richtig zubereitet werden, bilden sie die Nahrung, die die körperliche und geistige Spannkraft am besten fördert. Ez54 190 1 Nicht nur auf die Eigenschaften der Nahrungsmittel kommt es an, sondern auch auf die Bekömmlichkeit für den betreffenden Verbraucher. Oft muß eine Speise, die körperlich arbeitende Personen ohne weiteres essen können, von dem in der Hauptsache geistig Schaffenden gemieden werden. Man sollte auch auf die richtige Zusammenstellung der einzelnen Speisen achten. Geistig Arbeitende und sitzend Beschäftigte dürfen bei einer Mahlzeit nur wenige Speisearten zu sich nehmen. Ez54 190 2 Auch vor dem Überessen muß man sich selbst bei der gesündesten Nahrung hüten. Die Natur kann nicht mehr verarbeiten, als zum Aufbau der verschiedenen Körperorgane erforderlich ist; was darüber hinaus ist, verstopft den Organismus. Von manchem Schüler glaubte man, daß er durch übertriebenes Studium zusammengebrochen sei, während die wirkliche Ursache übertriebenes Essen war. Werden die Gesundheitsgesetze gebührend beachtet, birgt geistige Anspannung wenig Gefahren in sich. Doch in vielen Fällen sogenannten geistigen Versagens ist es die Überbürdung des Magens, die den Körper müde macht und die Denkfähigkeit herabmindert. Ez54 190 3 In den meisten Fällen sind zwei Mahlzeiten am Tag besser als drei. Ein frühes Abendbrot stört die Verdauung des vorhergegangenen Mahles. Wird das Abendessen später eingenommen, dann ist es nicht vor der Schlafenszeit verdaut, und der Magen kommt nicht zu seiner gebührenden Ruhe. Der Schlaf ist gestört, Gehirn und Nerven sind ermüdet, der Appetit für das Frühstück ist gemindert, der ganze Organismus ohne Frische und für die Pflichten des Tages nicht vorbereitet. Ez54 190 4 Man sollte die Bedeutung regelmäßiger Essens- und Schlafenszeiten nicht übersehen. Da der Aufbau des Körpers während der Ruhestunden erfolgt, ist ein regelmäßiger, reichlicher Schlaf besonders in der Jugend vonnöten. Ez54 190 5 Hastiges Essen sollten wir möglichst vermeiden. Je kürzer die Zeit für ein Mahl ist, desto weniger dürfen wir essen. Es ist besser, eine Mahlzeit auszulassen, als ungenügend zu kauen. Ez54 191 1 Die Essenszeit sollte eine Stunde geselliger Unterhaltung und Erquickung sein. Alles Bedrückende oder Erregende sei verbannt. Man pflege Vertrauen, Freundlichkeit und Dankbarkeit gegen den Geber alles Guten, dann wird die Unterhaltung fröhlich sein, ein heiterer Gedankenflug, der erhebt, ohne zu ermüden. Ez54 191 2 Die Beobachtung der Mäßigkeit und Ordnung in allen Stücken erweist sich als wunderbar segenskräftig. Mehr als Umstände oder natürliche Gaben wird sie zur Förderung jener liebenswerten und heiteren Gemütsart beitragen, die so viel zur Ebnung des Lebensweges vermag. Gleichzeitig wird sich herausstellen, daß die so gewonnene Selbstbeherrschung zu dem wertvollsten Rüstzeug gehört, das wir für ein erfolgreiches Bestehen der harten Anforderungen, die jedes menschliche Wesen erwarten, benötigen. Ez54 191 3 Die Wege der Weisheit "sind liebliche Wege, und alle ihre Steige sind Friede". Sprüche 3,17. Jeder junge Mensch in unserem Lande, der zu Höherem bestimmt sein kann als gekrönte Häupter, denke über die Worte des weisen Mannes nach: "Wohl dir, Land,... dessen Fürsten zu rechter Zeit speisen, zur Stärke und nicht zur Lust!" Prediger 10,17. ------------------------Kapitel 23: Erholung Ez54 191 4 "Alles hat seine Zeit." Ez54 191 5 Es besteht ein Unterschied zwischen Erholung und Vergnügen. Erholung im wahren Sinne des Wortes bewirkt Stärkung und Kräfteaufbau. Indem sie uns aus unserer Alltagssorge und -beschäftigung herausreißt, erfrischt sie gleicherweise Körper und Geist. Dadurch befähigt sie uns, mit neuer Kraft zu den ernsten Lebensaufgaben zurückzukehren. Das Vergnügen dagegen sucht man um des Genusses willen und gibt sich ihm oft bis zum Übermaß hin. Es zehrt die Kräfte auf, die zu nützlicher Arbeit erforderlich sind, und erweist sich als Hindernis für den wahren Lebenserfolg. Ez54 192 1 Der ganze Körper ist zur Tätigkeit bestimmt. Wenn die physischen Kräfte nicht durch rege Übung gesund erhalten werden, kann man die geistigen Fähigkeiten nicht lange zu Höchstleistungen anspannen. Die körperliche Untätigkeit, die im Verein mit anderen ungesunden Voraussetzungen im Schulzimmer fast unvermeidlich erscheint, macht dieses zu einem Ort der Qual für Kinder, besonders für schwächlich veranlagte. Oft ist die Lüftung unzureichend. Schlechtgebaute Sitze leisten unnatürlicher Körperhaltung Vorschub und hemmen dadurch die Tätigkeit von Lunge und Herz. Hier müssen kleine Kinder drei bis fünf Stunden am Tage zubringen und eine durch und durch verunreinigte, vielleicht durch Krankheitskeime vergiftete Luft einatmen. Kein Wunder, daß im Schulzimmer so oft der Grund zu lebenslanger Krankheit gelegt wird. Das Gehirn, das empfindlichste aller Leibesorgane, von dem die Nervenkraft des ganzen Organismus abhängt, erleidet den größten Schaden. Wenn es zu verfrühter oder übermäßiger Tätigkeit gezwungen wird dazu unter gesundheitswidrigen Bedingungen, erfährt es eine Schwächung, und oft sind die üblen Folgen von Dauer. Ez54 192 2 Kinder sollten nicht lange innerhalb der vier Wände eingesperrt werden, noch sollte man von ihnen eine völlige Hingabe an das Lernen verlangen, bis eine gute Grundlage für ihre körperliche Entwicklung geschaffen ist. Für die ersten acht oder zehn Jahre eines jungen Lebens ist das Feld oder der Garten der beste Schulraum, die Mutter die beste Lehrerin, die Natur das beste Lehrbuch. Selbst wenn das Kind alt genug ist, um die Schule zu besuchen, sollte seine Gesundheit schwerer wiegen als alle Bücherweisheit. Man biete ihm die Lebensbedingungen, die für sein körperliches und geistiges Wachstum am günstigsten sind. Ez54 192 3 Nicht allein das Kind ist durch Mangel an Luft und Bewegung gefährdet. Ebenso wie in den Volksschulen werden auch in den höheren Lehranstalten diese Haupterfordernisse der Gesundheit noch allzuoft vernachlässigt. So mancher Schüler sitzt Tag für Tag in einem geschlossenen Raum über seine Bücher gebeugt. Sein Brustkasten ist so zusammengedrückt, daß er keinen vollen, tiefen Atemzug tun kann; sein Blut fließt träge, die Füße sind kalt, der Kopf heiß. Da der Körper nicht genügend Aufbaustoffe erhält, werden die Muskeln geschwächt. Der ganze Organismus erkrankt und verliert seine Spannkraft. Oft werden solche Schüler zu lebenslangen Invaliden. Sie hätten die Schule mit vermehrten Körper- und Verstandeskräften verlassen können, wenn sie ihre Studien unter geeigneten Bedingungen, bei regelmäßiger Bewegung in frischer Luft und Sonnenschein, betrieben hätten. Ez54 193 1 Der Schüler, der mit bemessener Zeit und beschränkten Mitteln darum ringt, sich eine Bildung anzueignen, sollte sich bewußt sein, daß die auf körperliche Übung verwandten Stunden nicht verloren sind. Wer beständig über seinen Büchern brütet, wird sehr bald spüren, daß der Geist seine Frische verloren hat. Die Schüler, die der körperlichen Entwicklung rechte Beachtung schenken, werden auch auf geistigem Gebiet größere Fortschritte erzielen, als wenn sie ihre ganze Zeit dem Studium widmeten. Ez54 193 2 Wenn man einseitig eine Gedankenrichtung verfolgt, tritt oft eine geistige Unausgeglichenheit ein. Dagegen kommt es zu einem gleichmäßigen Gebrauch jeder Fähigkeit, wenn die geistigen und körperlichen Kräfte gleich stark beansprucht werden und die Gegenstände des Denkens wechseln. Ez54 193 3 Körperliche Untätigkeit verringert nicht nur die geistige, sondern auch die sittliche Kraft. Die Gehirnnerven, die in den ganzen Organismus ausstrahlen, bilden das Durchgangsfeld, über das der Himmel mit dem Menschen Umgang pflegt und sein innerstes Leben beeinflußt. Was immer den Fluß des Spannungsstroms im Nervensystem hemmt und damit die Lebenskräfte des Menschen schwächt und seine geistige Aufnahmebereitschaft verringert, stumpft zugleich auch sein sittliches Empfinden ab. Ez54 194 1 Übermäßiges Studium steigert überdies den Blutzufluß zum Gehirn und verursacht eine krankhafte Reizbarkeit, die die Kraft der Selbstbeherrschung verringert und nur zu oft plötzlichen Einfällen und Launen die Zügel schießen läßt. Damit wird sittlicher Unreinheit Tür und Tor geöffnet. Der Mißbrauch oder die Nichtanwendung der körperlichen Kräfte ist weitgehend verantwortlich zu machen für die Flut der Entsittlichung, die sich über die Welt ergießt. "Hoffart, Brot in Fülle und sorglose Ruhe" (Hesekiel 16,49, Menge) sind in diesem Geschlecht ebenso tödliche Feinde menschlichen Fortschritts wie einst, da sie zur Zerstörung Sodoms führten. Ez54 194 2 Lehrer sollten diese Zusammenhänge verstehen und ihre Zöglinge in die rechten Bahnen lenken. Man zeige den Schülern, daß richtige Lebensweise auf richtigem Denken beruht und daß körperliche Tätigkeit für Reinheit der Gedanken wesentlich ist. Ez54 194 3 Oft stehen Lehrer der Frage nach passender Erholung für ihre Schützlinge ratlos gegenüber. In vielen Schulen erfüllen Turnübungen einen nützlichen Zweck, doch werden sie ohne sorgfältige Überwachung vielfach übertrieben. In der Turnhalle haben sich manche junge Leute durch ihre gewagten Kraftproben einen lebenslangen Schaden zugezogen. Ez54 194 4 Die Übungen in der Turnhalle können, so gut sie auch durchgeführt sein mögen, die Erholung im Freien nicht ersetzen. Für diese sollten unsere Schulen bessere Möglichkeiten schaffen. Kräftige körperliche Bewegung müssen die Schüler zweifellos haben. Kaum ein Übel ist mehr zu fürchten als Trägheit und Ziellosigkeit. Doch gibt die Entwicklungsrichtung aller Sportarten jenen ernsthaft zu denken, denen das Wohl der Jugend am Herzen liegt. Es beunruhigt die Lehrer, wenn sie die Auswirkung dieses Sportbetriebs auf den schulischen Fortschritt des Schülers und auf seinen späteren Lebenserfolg beobachten. Die Spiele, die ihm so viel Zeit rauben, lenken den Geist vom Studium ab. Sie tragen nicht dazu bei, die Jugend für praktische, ernsthafte Arbeit im Leben vorzubereiten. Ihr Einfluß bestärkt nicht gutes Benehmen, Großmut oder echte Männlichkeit. Ez54 195 1 Einige der volkstümlichsten Vergnügungssportarten, wie american football und Boxen, sind zu Schulen der Roheit ausgeartet. Sie entwickeln die gleichen Merkmale wie die Spiele des alten Rom. Der Machtrausch, der Stolz auf die bloße ungehobelte Kraft, die unbekümmerte Mißachtung des Lebens üben auf die Jugend einen entsittlichenden Einfluß aus, der erschreckend ist. Ez54 195 2 Andere athletische Spiele sind, obwohl sie nicht so sehr verrohen, kaum weniger anfechtbar, da sie bis zum Übermaß betrieben werden. Sie fördern die Sucht zum Vergnügen und zum Sinnenkitzel und nähren so den Widerwillen gegen nützliche Arbeit, den Hang, praktischen Pflichten und Verantwortlichkeiten aus dem Wege zu gehen. Sie zerstören leicht den Sinn für die nüchterne Wirklichkeit des Lebens und für seine stilleren Freuden. So öffnet sich die Pforte zu Ausschweifung und Ungesetzlichkeit mit ihren schrecklichen Folgen. Ez54 195 3 Gesellschaftliche Veranstaltungen stellen so, wie sie gewöhnlich durchgeführt werden, ein Hindernis für echte geistige und charakterliche Entwicklung dar. Leichtsinnige Bekanntschaften, verschwenderische, genießerische und nicht selten ausschweifende Gewohnheiten bilden sich heraus, die das ganze Leben auf das Böse ausrichten. Eltern und Lehrer können viel tun, um für gesunde und lebenspendende Ausspannung zu sorgen, die an die Stelle solcher Belustigungen tritt. Ez54 195 4 Hier wie in allen sonstigen Angelegenheiten, die unser Wohl betreffen, hat göttliche Inspiration den Weg gewiesen. In früheren Zeiten gestaltete sich bei den Menschen, die unter Gottes Führung standen, das Dasein einfach. Sie lebten nahe dem Herzen der Natur. Die Kinder beteiligten sich an der Arbeit der Eltern und studierten die Schönheiten und Geheimnisse im Schatzhaus der Schöpfung. In Feld- und Waldesstille dachten sie über jene tiefen Wahrheiten nach, die als heiliges Vermächtnis von Geschlecht zu Geschlecht überliefert wurden. Solche Erziehung formte starke Männer. Ez54 195 5 In unserer Zeit ist das Leben naturfremd geworden, und die Menschen sind entartet. Zwar können wir nicht ganz zu den einfachen Sitten der Frühzeit zurüchkehren, doch mögen wir daran lernen, unsere Erholung zu dem zu machen, was in dem Begriff liegt zu Zeiten echter Erquickung für Körper, Geist und Seele. Ez54 196 1 Mit dem Erholungsproblem ist die Umgebung des Heimes und der Schule aufs engste verknüpft. Bei der Wahl einer Wohnstätte oder des Baugrundes für eine Schule sollte dies berücksichtigt werden Wer dem geistigen und körperlichen Wohl größere Bedeutung beimißt als dem Gelde oder den Ansprüchen und Gewohnheiten der Gesellschaft, müßte für seine Kinder die Vorteile des Anschauungsunterrichts inmitten der Natur erstreben und auch die Erholung, die sie bietet. Es würde der erzieherischen Arbeit sehr viel nützen, wenn jede Schule so angelegt werden könnte, daß sie den Schülern Land zur Bebauung böte und Zutritt zu Feld und Wald ermöglichte. Ez54 196 2 Bei der Erholung für den Schüler wird man die besten Ergebnisse durch die persönliche Einwirkung des Lehrers erzielen. Wenige Gaben kann der echte Erzieher seinen Schutzbefohlenen vermitteln, die so wertvoll sind wie seine Kameradschaft. Es gilt schon für Männer und Frauen und wieviel mehr für Jugendliche und Kinder: daß wir sie nur dann verstehen, wenn wir ihnen durch freundliche Teilnahme nahekommen. Und verstehen müssen wir sie, um ihnen am besten nützen zu können. Kaum etwas festigt das freundschaftliche Band zwischen Lehrer und Schüler mehr als der gesellige Umgang miteinander außerhalb des Schulzimmers. In manchen Schulen weilt der Lehrer in den Stunden der Erholung stets bei seinen Schützlingen. Er nimmt an ihren Beschäftigungen teil, begleitet sie auf ihren Ausflügen und macht sich scheinbar zu einem der ihren. Es wäre gut für unsere Anstalten, wenn dies noch weit mehr eine allgemeine Regel wäre. Das vom Lehrer geforderte Opfer wäre groß, aber der Lohn seiner Mühen entsprechend reich. Ez54 196 3 Eine Erholung, die nur den Kindern und Jugendlichen selbst zugute kommt, wird nie so segensreich sein wie eine solche, die sie zum Dienst für andere ertüchtigt. Von Natur begeisterungsfähig und beeinflußbar, geht die Jugend bereitwillig auf Anregungen ein. Wenn über den Anbau von Pflanzen beraten wird, suche der Lehrer ein Interesse an der Verschönerung des Schulgrundstückes und des Klassenzimmers zu wecken. Ein doppelter Nutzen wird daraus erwachsen. Die Schüler werden es nicht dulden, daß man verdirbt oder entstellt, was sie zu verschönern suchen. Ein verfeinerter Geschmack, Ordnungsliebe und Achtsamkeit werden dadurch gefördert. Der kameradschaftliche Geist der Zusammenarbeit wird sich für die Schüler lebenslang als Segen erweisen. Ez54 197 1 So kann man auch der Gartenarbeit oder dem Ausflug in Wald und Feld neue Anziehungskraft verleihen, wenn man die Kinder veranlaßt, an jene Mitmenschen zu denken und die Herrlichkeiten der Natur an sie heranzutragen, die selbst keine Möglichkeit haben, solch schöne Orte aufzusuchen. Ez54 197 2 Der aufmerksame Lehrer wird viele Gelegenheiten finden, seine Schüler zu tatkräftiger Hilfe anzuleiten. Besonders kleine Kinder blicken mit fast unbegrenztem Vertrauen und voller Achtung zum Lehrer auf. Was er auch vorschlagen mag sei es die kleine Handreichung daheim, die treue Erfüllung täglicher Pflichten, der Dienst an Kranken und Armen, es wird fast immer etwas fruchten. Und dadurch ist wiederum ein doppelter Gewinn gesichert. Die freundliche Anregung wird auf ihren Urheber zurückwirken. Dankbarkeit und Verständnis seitens der Eltern wird die Bürde des Lehrers erleichtern und seinen Weg erhellen. Ez54 197 3 Wenn man der Erholung und der körperlichen Ertüchtigung Beachtung schenkt, wird zweifellos der regelmäßige Gang der Schule bisweilen unterbrochen; doch diese Unterbrechung wird sich nicht als wirkliches Hindernis erweisen. Hundertfach wird sich der Aufwand an Zeit und Mühe bezahlt machen: durch die Kräftigung von Seele und Leib, durch die Pflege einer selbstlosen Gesinnung, im Zusammenschluß von Schüler und Lehrer durch die Bande gemeinsamen Interesses und froher Geselligkeit. Jener unsteten Energie, die so oft zur Gefahrenquelle für die Jugend wird, bietet sich ein segensreicher Weg ins Freie. Die Beschäftigung des Geistes mit dem Guten bedeutet einen besseren Schutz gegen das Böse als zahllose Zuchtmaßnahmen und Gesetzesschranken. ------------------------Kapitel 24: Ausbildung der Handfertigkeit Ez54 198 0 "Arbeitet mit euren eigenen Händen!" Ez54 198 1 Bei der Schöpfung wurde die Arbeit zum Segen gesetzt. Sie bedeutete Entfaltung, Stärke, Glücksempfinden. Der Fluch der Sünde veränderte den Zustand der Erde. Das hat auch einen Wechsel in den Arbeitsbedingungen mit sich gebracht. Doch wenn unsere Arbeit jetzt auch mit Sorge, mit Ermüdung und mit Unbehagen verbunden ist, bleibt sie immer noch ein Born des Glücks und dient unserer Entwicklung. Auch bildet sie einen Schutz gegen die Versuchung. Durch die erforderliche Zucht wird dem Sich-gehen-Lassen entgegengewirkt, und Fleiß, Reinheit und Festigkeit werden gefördert. So wird die Arbeit bei dem großen göttlichen Plan zu unserer Wiederaufrichtung vom Fall mit benutzt. Ez54 198 2 Man sollte die Jugend dahin bringen, daß sie die wahre Würde der Arbeit erkennt. Zeigt ihr, daß Gott ständig tätig ist. In der Natur verrichten alle Dinge das ihnen zugewiesene Werk. Die ganze Schöpfung ist von tätigem Wirken durchdrungen, und auch wir müssen uns rühren, um unsere Sendung zu erfüllen. Ez54 198 3 Bei unserer Arbeit sollten wir mit Gott zusammenwirken. Er gibt uns die Erde und ihre Schätze, doch wir müssen sie uns nutzbar und unserer Bequemlichkeit dienstbar machen. Er läßt die Bäume wachsen; wir aber bereiten das Bauholz zu und errichten das Haus. Er hat in der Erde Gold und Silber, Eisen und Kohle verborgen; doch nur durch mühevolle Arbeit können wir sie erlangen. Zeigt, daß Gott zwar alle Dinge geschaffen hat und sie beständig überwacht, uns aber auch mit Fähigkeiten ausgestattet hat, die den seinen nicht ganz unähnlich sind. Uns ist eine gewisse Herrschaft über die Naturkräfte verliehen worden. Wie Gott die Erde in ihrer Pracht aus dem Chaos hervorrief, so können auch wir aus einem Wirrwarr Ordnung und Schönheit schaffen. Obgleich heutzutage alles vom Bösen gezeichnet ist, durchströmt uns nach vollbrachtem Werk ein Hochgefühl, das der Freude Gottes verwandt ist, als er auf die schöne Erde schaute und sie für "sehr gut" erklärte. Ez54 199 1 In der Regel ist für die Jugend nützliche Beschäftigung am segensreichsten. Das kleine Kind findet Ablenkung und Entfaltungsmöglichkeit im Spiel, und seine Spiele sollten nicht nur das körperliche, sondern auch das geistige und geistliche Wachstum fördern. Wenn es kräftiger und verständiger wird, besteht seine beste Erholung in irgendeinem nutzbringenden Bemühen. Was die Hand zur Hilfeleistung ausbildet und die Jugend lehrt, ihren Anteil an der Bürde des Lebens zu tragen, ist für die Entwicklung des Geistes und des Charakters am förderlichsten. Ez54 199 2 Man muß der Jugend einschärfen, daß das Leben ernste Arbeit, Verantwortung und Umsicht bedeutet. Sie bedarf einer Schulung, die sie zu Männern und Frauen der Praxis macht, zu Menschen, die sich in jeder Notlage zu helfen wissen. Es sollte ihr klargemacht werden, daß die Zucht planvoller, wohlgeordneter Arbeit notwendig ist, nicht nur als Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens, sondern auch als ein Mittel zu allseitiger Entwicklung. Ez54 199 3 Trotz allem, was über die Würde der Arbeit gesagt und geschrieben worden ist, herrscht doch das Gefühl vor, daß sie entehre. Junge Männer sind ängstlich bemüht, Lehrer, Buchhalter, Kaufleute, Ärzte oder Rechtsanwälte zu werden oder irgendeinen andern Platz auszufüllen, der keine körperliche Anstrengung erfordert. Junge Frauen scheuen die Hausarbeit und suchen anderweitig eine Ausbildung. Sie alle müssen lernen, daß sich weder Mann noch Frau durch ehrliche Arbeit erniedrigen. Was wirklich entwürdigt, das sind Trägheit und selbstsüchtiges Schmarotzertum. Müßiggang fördert die Genußsucht, und daraus ergibt sich ein leeres, unfruchtbares Leben ein Ackerfeld, auf dem jede Sünde emporsprießen kann. "Denn die Erde, die den Regen trinkt, der oft über sie kommt, und nützliches Kraut trägt denen, die sie bauen, empfängt Segen von Gott. Welche aber Dornen und Disteln trägt, die ist untüchtig und dem Fluch nahe, daß man sie zuletzt verbrennt." Hebräer 6,7.8. Ez54 200 1 Viele Lehrfächer, die die kostbare Zeit des Schülers verschlingen, tragen weder zu seiner Ertüchtigung noch zu seinem Glück wesentlich bei. Wichtig für jeden Jugendlichen ist es aber, mit den Pflichten des Alltags gründlich vertraut zu sein. Zur Not kann ein junges Mädchen ohne die Kenntnis des Französischen und der Algebra, ja selbst ohne Klavierspiel auskommen; unerläßlich ist jedoch, daß es lernt, zuträgliches Brot zu backen, gut sitzende Kleidung anzufertigen und die vielen Pflichten, die ein Haushalt mit sich bringt, zuverlässig zu erfüllen. Ez54 200 2 Nichts ist für die Gesundheit und das Glück der ganzen Familie erforderlicher als Klugheit und Geschick auf seiten der Köchin. Durch schlecht zubereitete, ungesunde Nahrung kann sie die Leistungsfähigkeit des Erwachsenen und die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen oder gar völlig untergraben. Sie kann aber auch, indem sie für Speisen sorgt, die den Bedürfnissen des Körpers entsprechen und dabei einladend und schmackhaft sind, ebensoviel nach der guten Seite hin bewerkstelligen wie sonst in der falschen Richtung. So hängt das Lebensglück in mannigfacher Weise mit der Treue in alltäglichen Pflichten zusammen. Ez54 200 3 Da sich Mann und Frau an der Gestaltung des Heimes beteiligen, sollten Knaben ebensogut wie Mädchen häusliche Pflichten kennenlernen. Ein Bett machen, ein Zimmer in Ordnung bringen, Geschirr abspülen, eine Mahlzeit zubereiten, die eigene Kleidung waschen und ausbessern das sind Handlungen, die keinem Jungen in seiner Männlichkeit Abbruch tun; sie machen ihn glücklicher und brauchbarer. Wenn die Mädchen andererseits lernten, wie man ein Pferd anschirrt und lenkt, wie man mit Säge und Hammer oder auch mit Rechen und Harke umgeht, würden sie den Anforderungen des Lebens besser gewappnet sein.*(Diese Beispiele zeigen, wie zeit- und wirklichkeitsnah E.G. White gedacht hat. Sicherlich spräche sie heute von Auto- und Traktorfahren sowie von Motorenkenntnissen) Ez54 201 1 Die Kinder und Jugendlichen sollten aus der Bibel entnehmen, wie sehr Gott das stille, alltägliche Mühen schätzt. Man weise sie auf die "Kinder der Propheten" (2.Könige 6,1-7) hin. Das waren Schüler, die für sich selbst ein Haus bauten und für die ein Wunder gewirkt wurde, damit die entliehene Axt nicht verlorenginge. Laßt die jungen Menschenkinder etwas über Jesus, den Zimmermann, und Paulus, den Zeltmacher, lesen, die mit der Arbeit des Handwerkers den höchsten menschlich-göttlichen Dienst verbanden. Laßt sie lesen von dem Knaben, dessen fünf Brotlaibe der Heiland bei jener herrlichen Wundertat zur Speisung der Menge verwendete; von Tabea, der Näherin, die vom Tode erweckt wurde, damit sie weiterhin Kleider für die Armen verfertigen könne; von der klugen Frau, die in den Sprüchen beschrieben wird: "Sie geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet gern mit ihren Händen ... Sie gibt Speise ihrem Hause und Essen ihren Dirnen,... pflanzt einen Weinberg ... und stärkt ihre Arme ... Sie breitet ihre Hände aus zu dem Armen und reicht ihre Hand dem Dürftigen ... Sie schaut, wie es in ihrem Hause zugeht, und ißt ihr Brot nicht mit Faulheit." Sprüche 31,13-27. Ez54 201 2 Von einer solchen Frau sagt Gott: "Sie wird gerühmt werden von den Früchten ihrer Hände, und ihre Werke werden sie loben in den Toren." Sprüche 31,31. Ez54 201 3 Das Heim sollte für das Kind die erste Gewerbeschule sein, und jede Erziehungsstätte müßte nach Möglichkeit im Lehrplan Vorkehrungen für den Werkunterricht treffen. Eine solche Ausbildung würde die Turnhalle weitgehend ersetzen und hätte außerdem den Vorteil, wesentlich zur Selbstzucht beizutragen. Ez54 201 4 Die Erziehung zur Handfertigkeit verdient viel mehr Beachtung, als ihr zuteil geworden ist. Man sollte Anstalten errichten, die mit der höchsten geistig-sittlichen Bildung die bestmöglichen Voraussetzungen zu körperlicher Ertüchtigung und gewerblicher Schulung bieten. Es wäre Unterricht zu erteilen im Ackerbau, in handwerklichen Verrichtungen wobei eine möglichst große Zahl der nützlichsten Gewerbe berücksichtigt werden müßte, desgleichen in Haushaltsführung, in gesundheitsgemäßem Kochen, im Nähen, im Anfertigen zweckdienlicher Kleidung, in der Krankenpflege und in ähnlichen Dingen. Man sollte Gärten, Werkstätten und Behandlungsräume schaffen und die Betätigung in allen Sparten von tüchtigen Lehrern überwachen lassen. Ez54 202 1 Jede Arbeit soll ein bestimmtes Ziel haben und gründlich verrichtet werden. Einige Kenntnisse sollte jeder von den verschiedensten Handwerken haben, aber in wenigstens einem gut bewandert sein. Jeder junge Mann sollte sich beim Verlassen der Schule in irgendeinem Beruf oder Gewerbe gründlich auskennen, mit dem er notfalls seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Ez54 202 2 Der häufigste Einwand gegen die gewerbliche Schulung in den Erziehungsstätten betrifft den finanziellen Aufwand, der damit verbunden ist. Aber das Ziel lohnt die Kosten. Keine andere unserer Aufgaben kommt der Jugenderziehung an Wichtigkeit gleich, und alles, was für ihre richtige Durchführung ausgegeben wird, ist gut angelegtes Kapital. Ez54 202 3 Selbst vom finanziellen Standpunkt her vertragen sich die Ausgaben für die handwerkliche Ausbildung der Schüler mit der Forderung strengster Wirtschaftlichkeit. Ungezählte junge Burschen würden damit vom Herumlungern an den Straßenecken und in Kneipen abgehalten. Die Ausgaben für Gärten, Werkstätten und Bäder machen sich mehr als bezahlt durch die Einsparungen an Krankenhäusern und Besserungsanstalten. Und die Jugend selbst wer kann ermessen, was sie der Gesellschaft und der Nation bedeutet, wenn sie an fleißige Arbeit gewöhnt ist und sich auf ein nützliches, werteschaffendes Handwerk versteht? Ez54 202 4 Eine Beschäftigung im Freien, die dem ganzen Körper Bewegung verschafft, bietet die beste Entspannung vom Studium. Zur handwerklichen Schulung eignet sich nichts so sehr wie der Ackerbau. Man sollte sich mehr bemühen, eine Vorliebe für Landarbeit zu wecken und zu pflegen. Der Lehrer weise auf die Aussagen der Bibel über den Ackerbau hin: daß Gott für den Menschen die Bebauung der Erde geplant hatte; daß dem ersten Menschen, dem Beherrscher der ganzen Erde, ein Garten zur Pflege übergeben wurde und daß viele der größten Männer der Welt, die wahren Edelnaturen, den Boden bestellt haben. Man zeige, welche Möglichkeiten ein solches Leben bietet. Der weise Mann sagt: "... ein Vorteil für ein Land ist ... ein König, der dem Ackerbau ergeben ist." Prediger 5,8. Ez54 203 1 Und von dem, der den Boden bestellt, kündet die Bibel: "Also unterwies ihn sein Gott zum Rechten und lehrte ihn." Und wiederum: "Wer seinen Feigenbaum bewahrt, der ißt Früchte davon." Jesaja 28,26; Sprüche 27,18. Wer seinen Lebensunterhalt durch Ackerbau verdient, entgeht vielen Versuchungen und genießt zahllose Segnungen, auf die der verzichten muß, dessen Wirkungsbereich in den großen Städten liegt. Und heute, in den Tagen der großen Konzerne und der geschäftlichen Konkurrenz, erfreuen sich nur wenige Menschen einer so echten Unabhängigkeit und eines so sicheren Ertrags ihrer Arbeit wie der Landmann. Ez54 203 2 Beim Studium der Landwirtschaft sollten die Schüler nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch ausgebildet werden. Schon während sie lernen, was die Wissenschaft über die Bodenarten und Bestellungsformen, den Wert verschiedener Getreidesorten und die besten Erzeugungsmethoden zu sagen weiß, lasse man sie ihre Kenntnisse anwenden. Der Lehrer teile sich mit den Schülern die Arbeit und zeige ihnen dabei, was man durch geschickte, kluge Bemühungen erreichen kann. So wird echtes Interesse geweckt werden, der starke Wunsch, die Arbeit in der bestmöglichen Weise zu verrichten. Solches Streben ruft im Verein mit den Kraftspendern Bewegung, Sonnenschein und frischer Luft eine Liebe zur Landarbeit hervor, die bei manchem jungen Mann in der Berufswahl den Ausschlag geben wird. Dadurch könnten sich Einflüsse geltend machen, die die jetzt so stark flutende Abwanderung in die Großstädte erfolgreich zurückdämmen. Auf solche Art könnten unsere Schulen auch bei der Senkung der arbeitslosen Massen mithelfen. Tausende von hilflosen und hungernden Kreaturen, deren Zahl täglich die Reihen der Verbrecher erhöhen, würden sich in einem glücklichen gesunden, unabhängigen Leben selbst unterhalten, wenn man sie zu geschickter, fleißiger Arbeit auf dem Felde anhielte. Ez54 204 1 Auch wer einen geistigen Beruf ausübt, kann auf den Vorteil einer handwerklichen Ausbildung nicht verzichten. Ein Mann mag einen glänzenden Verstand und eine rasche Auffassungsgabe besitzen; sein Wissen und Geschick mögen ihm Zugang zu dem Beruf seiner Wahl verschaffen, und doch mag er noch lange nicht die Eignung für seine Anforderungen aufweisen. Eine Ausbildung, die in der Hauptsache aus Büchern erlangt ist, führt zu oberflächlichem Denken. Praktische Arbeit dagegen bringt genaue Beobachtung und einen unabhängigen Geist mit sich. Wenn sie richtig getan wird, entwickelt sie leicht jene sachliche Weisheit, die wir als gesunden Menschenverstand bezeichnen. Sie bildet die Fähigkeit heraus, Pläne zu legen und durchzuführen, stärkt den Mut und die Ausdauer und verlangt auch den Einsatz von Takt und Geschicklichkeit. Ez54 204 2 Der Arzt, der durch praktischen Dienst im Krankenzimmer den Grund für sein Berufswissen gelegt hat, wird über einen schnellen Blick, umfassende Kenntnis und die Fähigkeit, in dringenden Fällen die rechte Hilfe zu leisten, verfügen. Diese wichtigen Eigenschaften kann man sich nur durch eine praktische Schulung so völlig aneignen. Ez54 204 3 Der Prediger, der Missionar, der Lehrer wird einen viel größeren Einfluß auf die Menschen ausüben, wenn sich zeigt, daß er für die Forderungen des Alltags die nötige Kenntnis und Geschicklichkeit besitzt. Oft hängt der Erfolg, vielleicht sogar das Leben des Missionars, von seinem Wissen um praktische Dinge ab. Ob er versteht, ein Essen zuzubereiten, Unfälle und Notlagen zu meistern, Krankheiten zu behandeln, ein Haus oder, wenn es not tut, eine Kapelle zu bauen das entscheidet oft über den Erfolg oder den Mißerfolg in seinem Lebenswerk. Ez54 205 4 Viele Schüler könnten sich während ihrer Ausbildung höchst vorteilhaft schulen, wenn sie Studienkosten und Lebensunterhalt selbst verdienten. Statt Schulden zu machen oder mit der Selbstverleugnung der Eltern zu rechnen, sollten junge Männer und Frauen auf sich selbst gestellt sein. So lernen sie den Wert des Geldes, der Zeit, der Kraft und der Gelegenheit kennen und sind viel weniger versucht, der Trägheit und Verschwendung zu verfallen. Wenn ihnen dann Sparsamkeit, Fleiß, Selbstverleugnung, praktische Geschäftsführung und beharrliche Zielstrebigkeit in Fleisch und Blut übergegangen sind, werden sich diese als höchst wichtiges Rüstzeug im Lebenskampf erweisen. Auch würde die angewandte Selbsthilfe der Schüler die Lehranstalten weitgehend vor der Schuldenlast bewahren, unter der sich so manche Schule abmüht und die ihren praktischen Nutzen so sehr beeinträchtigt. Ez54 205 1 Man präge den jungen Leuten ein, daß Erziehung sie nicht lehren will, den unangenehmen Aufgaben und den schweren Bürden des Lebens auszuweichen, sondern daß sie bezweckt, die Arbeit durch Hinweis auf bessere Methoden und höhere Ziele zu erleichtern. Sie müssen erkennen, daß es nicht der wahre Sinn des Lebens ist, sich selbst den größtmöglichen Gewinn zu sichern, sondern ihren Schöpfer dadurch zu ehren, daß sie ihren Anteil an der großen Weltaufgabe miterfüllen und Schwächeren und Unwissenderen eine helfende Hand reichen. Ez54 205 2 Ein Hauptgrund, weshalb man auf körperliche Arbeit so herabsieht, ist die nachlässige, gedankenlose Art, in der sie so oft verrichtet wird. Man tut sie aus Notwendigkeit, nicht aus freier Wahl. Der Arbeiter ist nicht mit dem Herzen bei der Sache und bewahrt deshalb weder seine Selbstachtung, noch gewinnt er die Achtung anderer. Der Werkunterricht müßte diesen Fehler berichtigen. Er sollte die Gewöhnung an Genauigkeit und Gründlichkeit entwickeln. Die Schüler müssen lernen, systematisch und anpassungsfähig zu arbeiten und Zeit und Handgriffe zu sparen. Man sollte sie nicht nur in den besten Methoden unterrichten, sondern sie auch mit dem Wunsche beseelen, immer tüchtiger zu werden Ihr Ziel sei, die Arbeit so vollkommen zu verrichten, wie Menschenhirn und -hand es nur eben vermögen. Ez54 206 1 Solche Schulung wird die jungen Menschen zu Herren und nicht zu Sklaven der Arbeit machen. Sie wird das Los des schwer Schaffenden leichter gestalten und selbst die niedrigste Beschäftigung adeln. Wer die Arbeit freilich als bloße Plackerei betrachtet und sich mit selbstgefälliger Geistesträgheit an sein Werk begibt, ohne den Willen zur Vervollkommnung, wird sie tatsächlich als eine Last empfinden. Wer sich andererseits darüber klar ist, daß auch die bescheidenste Arbeit eine Wissenschaft für sich darstellt, wird auch ihren Adel und ihre Schönheit sehen und Freude daran haben, sie gewissenhaft und erfolgreich auszuführen. Ez54 206 2 Ein so geschulter junger Mensch wird seinen Posten nutzbringend und ehrenvoll ausfüllen, ganz gleich, welchen Beruf er auch ausübt, sofern es sich nur um eine ehrliche Arbeit handelt. Ez54 206 3 "Und siehe zu, daß du es machst nach dem Bilde, das du auf dem Berge gesehen hast." 2.Mose 25,40. ------------------------Kapitel 25: Erziehung und Charakter Ez54 209 0 "Weisheit und Verstand wird die Sicherheit deiner Zeitläufe sein." Ez54 209 1 Wahre Erziehung sieht nicht am Wert wissenschaftlicher Erkenntnis und literarischer Fähigkeiten vorbei, doch über das Wissen setzt sie die Kraft, über die Kraft das Gutsein und über geistige Errungenschaften den Charakter. Die Welt benötigt nicht so sehr Männer mit großem Verstand als solche mit edlem Charakter. Sie braucht Menschen, deren Können von Grundsatztreue bestimmt wird. Ez54 209 2 "Der Weisheit Anfang ist: Erwirb Weisheit!" "Der Weisen Zunge macht die Lehre lieblich." Sprüche 14,7 (Jubiläumsbibel); 15,2. Wahre Erziehung vermittelt diese Weisheit. Sie lehrt uns die beste Nutzung nicht nur einer, sondern aller unserer Kräfte und Fähigkeiten. Damit umschreibt sie den ganzen Kreis unserer Verpflichtungen: gegen uns selbst, gegenüber der Welt und gegen Gott. Ez54 209 3 Die Charakterbildung ist die wichtigste Aufgabe, die je menschlichen Wesen anvertraut wurde, und nie zuvor war es so wichtig, sich ernsthaft mit ihr zu beschäftigen wie jetzt. Keiner früheren Generation war es bestimmt, sich mit so bedeutsamen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Niemals zuvor sahen sich junge Männer und Frauen so großen Gefahren gegenüber wie heute. Ez54 209 4 In welcher Richtung bewegt sich die übliche Erziehung in dieser unserer Zeit? Auf welchen Grundwesenszug ist sie zumeist abgestellt? Auf die Ichsucht! Vieles heutzutage spottet der Bezeichnung Erziehung. Wahre Erziehung wirkt nämlich dem selbstsicheren Ehrgeiz, der Machtgier, der Mißachtung von Menschheitsnöten und -rechten entgegen. Macht dies nicht alles den Fluch unserer Erde aus? Gott hat einen Platz für jedes Menschenkind vorgesehen. Ein jedes soll seine Fähigkeiten aufs höchste entwickeln. Treue hierin macht jedem Ehre, ob es nun der Gaben viel oder wenig mitbekommen hat. Es gibt keinen Raum für selbstsüchtige Rivalität im Plane Gottes. Die, so "sich an sich selbst messen und halten allein von sich selbst, verstehen ... nichts". Was wir auch tun, soll geschehen "aus dem Vermögen, das Gott darreicht". Es soll getan werden "von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, und wisset, daß ihr von dem Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dienet dem Herrn Christus". 2.Korinther 10,12; 1.Petrus 4,11; Kolosser 3,23.24. Kostbar sind der so verrichtete Dienst und die Bildung, die man sich durch die Befolgung dieser Grundsätze erwirbt. Doch wie anders ist größtenteils unsere heutige Erziehung! Von frühester Kindheit an stachelt sie Ehrgeiz und Geltungsstreben auf; sie nährt die Wurzel alles Übels: die Selbstsucht. Ez54 210 1 So entsteht der Kampf um den ersten Platz in der Klasse; auch dem System des "Einpaukens", das in so vielen Fällen die Gesundheit zerstört und leistungsunfähig macht, wird dadurch Vorschub geleistet. Bei manchen anderen führt die Geltungssucht zur Unehrlichkeit, und indem sie Ehrgeiz und Unzufriedenheit nährt, verbittert sie das Leben. Sie trägt dazu bei, die Welt mit jenen ruhelosen, wildbewegten Geistern anzufüllen, die eine beständige Bedrohung der menschlichen Gesellschaft darstellen. Ez54 210 2 Dabei lauert die Gefahr nicht nur in den Methoden, sondern auch in dem Lehrstoff. Bei welchen Werken läßt man die jugendlichen Geister die empfänglichsten Jahre hindurch verweilen? Aus welcherart Quellen lehrt man sie beim Studium der Sprachen und der Literatur schlürfen? Aus dem Born des Heidentums, aus Brunnen, in denen die Verderbtheit der Alten zusammenfließt. Die Schüler werden angehalten, sich in Schriftsteller zu vertiefen, von denen unwidersprochen gilt, daß sie die Grundsätze der Sittlichkeit nicht achteten. Und von wie vielen modernen Autoren könnte dasselbe gesagt werden! Bei so manchem sind Anmut und Schönheit der Sprache nur die Hülle für Grundsätze, die den Leser in ihrer wahren Häßlichkeit abstoßen würden! Ez54 211 1 Daneben gibt es eine Unzahl von Romanschreibern, die zu angenehmen Träumen in Luftschlössern einladen. Diesen Schriftstellern kann man zwar keine Unsittlichkeit nachsagen, und doch wirkt ihr Werk nicht weniger zum Übel. Es beraubt Tausende und aber Tausende der Zeit, der Kraft und der Selbstzucht, die für die ernsten Lebensaufgaben erforderlich sind. Ez54 211 2 Im Studium der Naturwissenschaften, so wie es gewöhnlich betrieben wird, liegen ebenfalls große Gefahren. Die Entwicklungslehre und verwandte Irrtümer werden auf allen Unterrichtsstufen vom Kindergarten bis zur Hochschule gelehrt. Dadurch wird das naturwissenschaftliche Studium, das eine Erkenntnis Gottes vermitteln sollte, so mit menschlichen Spekulationen und Theorien durchsetzt, daß es zum Unglauben hinführt. Ez54 211 3 Sogar das Bibelstudium, wie man es nur zu oft in den Schulen betreibt, raubt der Welt den unermeßlichen Schatz des Wortes Gottes. Was die "höhere Kritik" mit ihrem Zerlegen, Vermuten und Rekonstruieren leistet, zerstört den Glauben an die Bibel als göttliche Offenbarung; es beraubt Gottes Wort der Kraft, das Leben der Menschen zu lenken, zu erheben und zu beseelen. Ez54 211 4 Welchen Lehren ist die Jugend ausgesetzt, wenn sie in die Welt hinausgeht und deren sündhaften Verlockungen begegnet der Geldgier, der Sucht nach Vergnügen, Genuß, Prunk, Verschwendung und Luxus, der gegenseitigen Übervorteilung, dem Betrug, dem Raub und der Verderbnis? Ez54 211 5 Der Spiritismus behauptet, daß die Menschen ungefallene Halbgötter seien, daß "ein jeder Geist sich selbst richten wird" daß "wahre Erkenntnis den Menschen über alle Gesetze stellt". "Alle begangenen Sünden sind harmlos", denn "was es auch immer gibt, ist gut", und "Gott verdammt nicht". Die gemeinsten Leute werden als im Himmel befindlich dargestellt, wo sie hohe Ehren genießen. Damit erklärt diese Bewegung allen Menschen: "Es ist gleich, was du tust; lebe, wie es dir gefällt, der Himmel ist deine Heimat." Unzählige sind dadurch zu dem Glauben verleitet worden, die Begierde sei das oberste Gesetz, Zügellosigkeit bedeute Freiheit, und der Mensch sei nur sich selbst verantwortlich. Was gewährleistet noch die Tugend, wenn solche Dinge schon in der Morgenfrühe des Lebens gelehrt werden, wo die Triebe am stärksten sind, wo Selbstbeherrschung und Reinheit am dringendsten not tun? Was soll dann die Welt davor bewahren, ein zweites Sodom zu werden? Ez54 212 1 Gleichzeitig sucht die Anarchie alle Gesetze, nicht nur göttliche, nein, auch menschliche, hinwegzufegen. Die Zusammenballung von Macht und Reichtum, die großen Zweckgemeinschaften zur Bereicherung weniger auf Kosten der vielen, der Zusammenschluß der ärmeren Klassen zur Verteidigung ihrer Anliegen und Ansprüche, der Geist der Unruhe, des Aufruhrs und des Blutvergießens, die weltweite Ausbreitung jener Lehren, die zur Französischen Revolution führten das alles treibt darauf zu, die Welt in eine ähnliche Auseinandersetzung zu verwickeln, wie sie Frankreich erschütterte. Ez54 212 2 Solchen Einflüssen soll die Jugend von heute die Stirn bieten. Um inmitten solcher Umwälzungen standhalten zu können, muß sie jetzt den Grund für einen guten Charakter legen. Ez54 212 3 In jeder Generation und in jedem Lande ist das wahre Fundament und Leitbild für die Charakterbildung im Grunde dasselbe gewesen. Das göttliche Gesetz: "Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen ... und deinen Nächsten wie dich selbst" (Lukas 10,27), die große Hauptregel, die sich im Leben und Wesen unseres Erlösers offenbart, bietet den einzigen sicheren Grund und Wegweiser. "Du wirst sichere Zeiten haben: Reichtum an Heil, Weisheit und Klugheit" (Jesaja 33,6, rev. LB), jener Weisheit und Klugheit, die allein durch das Wort Gottes vermittelt werden können. Ez54 212 4 Sie sind heute ebenso wahr wie damals, als sie zu Israel gesprochen wurden, die Worte vom Gehorsam gegen Gottes Gebote: "Das wird eure Weisheit und Verstand sein bei allen Völkern." 5.Mose 4,6. Hier liegt die einzige Gewähr für die Redlichkeit des einzelnen, für die Lauterkeit des häuslichen Lebens, für das Wohl der Gesellschaft sowie für den festen Bestand der Nation. Inmitten aller Verworrenheit, aller Gefahren und widerstreitenden Ansprüche des Daseins gilt als einzig sichere Regel, das zu tun, was Gott sagt. "Das Gesetz des Herrn ist vollkommen", und "wer das tut, der wird wohl bleiben". Psalm 19,8; Psalm 15,5. ------------------------Kapitel 26: Lehrverfahren Ez54 213 0 "... Einfältigen Klugheit zu geben, dem Jüngling Erkenntnis und Besonnenheit." Ez54 213 1 Ganze Epochen hindurch spielte das Gedächtnis für die Bildung die wesentliche Rolle. Dem Lernvermögen mutete man das Äußerste zu, während man die anderen geistigen Kräfte nicht entsprechend zur Entfaltung brachte. Die Schüler verwandten ihre Zeit darauf, den Kopf mühsam mit einem Wissen zu füllen, von dem sie nur sehr wenig verwerten konnten. Wenn der Geist derart mit Dingen belastet wird, die er weder verarbeiten noch verwandeln kann, wird er geschwächt. Er wird zu kraftvoller, selbständiger Bemühung unfähig und begnügt sich damit, auf das Urteil und die Wahrnehmung anderer zu bauen. Ez54 213 2 Manche, die die Schäden dieser Methode erkannten, sind ins andere Extrem gefallen. Nach ihrer Ansicht braucht der Mensch nur das zu entwickeln, was in ihm liegt. Eine solche Erziehung führt den Schüler zu Eigendünkel und schneidet ihn damit vom Quell aller wahren Kraft und Erkenntnis ab. Ez54 213 3 Die sittliche Tragweite einer Ausbildung, die nur in der Gedächtnisschulung besteht und dadurch das selbständige Denken unterbindet, wird zu gering eingeschätzt. Wenn der Schüler es aufgibt, für sich selbst zu denken und zu urteilen, wird er unfähig, zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden, und fällt leicht der Täuschung zum Opfer. Man bringt ihn ohne große Mühe dahin, der Tradition und Sitte zu folgen. Ez54 214 1 Es ist eine weithin und doch nie gefahrlos übersehene Tatsache, daß der Irrtum selten wirklich als Irrtum erscheint. Er gewinnt dadurch Eingang, daß er sich mit der Wahrheit mengt oder verbindet. Das Essen vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen verursachte den Ruin unserer ersten Eltern, und die Annahme eines Gemisches von Gut und Böse ruiniert auch die Menschen unserer Tage. Wer sich auf das Urteil anderer verläßt, wird ganz gewiß früher oder später irregeführt werden. Ez54 214 2 Die Fähigkeit, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, können wir nur durch eine ganz persönliche Verbindung mit Gott erlangen. Jeder einzelne muß selbst durch das Wort von ihm lernen. Unsere Verstandeskräfte wurden uns gegeben, damit wir sie gebrauchen, und Gott wünscht, daß wir sie anwenden. "So kommt denn und laßt uns miteinander rechten" (Jesaja 1,18), fordert er uns auf. Wenn wir auf ihn bauen, können wir die Weisheit erlangen, "Böses zu verwerfen und Gutes zu erwählen" Jakobus 1,5; Jesaja 7,15. Ez54 214 3 Bei jedem echten Unterricht ist das persönliche Element wesentlich. Christus verfuhr in seinen Belehrungen individuell. Durch persönliche Fühlungnahme und engen Umgang erzog er die Zwölfe. In vertraulichem Gespräch, oft nur mit einem Zuhörer, erteilte er die kostbaren Belehrungen. Dem hochangesehenen Rabbi teilte er in jener nächtlichen Zusammenkunft auf dem Ölberg von seinem inneren Reichtum mit, desgleichen dem verrufenen Weibe am Brunnen von Sichar; denn er erkannte bei diesen Zuhörern das eindrucksfähige Herz, den offenen Sinn, den empfänglichen Geist. Aber auch die Menge, die so oft seine Schritte hemmte, war für Christus nicht eine unterschiedslose Masse menschlicher Wesen. Er sprach jede Seele unmittelbar an und wandte sich an jedes einzelne Herz. Er beobachtete die Gesichter seiner Hörer, gewahrte das Aufleuchten ihrer Mienen, den raschen zustimmenden Blick, der besagte, daß die Wahrheit ihre Seele getroffen hatte; und in seinem Herzen klang die Saite freudigen Verstehens wider. Ez54 214 4 Christus hatte einen Blick für die Möglichkeiten, die in jedem Menschen schlummern. Er ließ sich nicht beirren durch ein wenig versprechendes Äußeres oder durch eine ungünstige Umwelt. Matthäus berief er aus der Zollbude und Petrus samt seinen Brüdern vom Fischerboot weg, damit sie von ihm lernten. Ez54 215 1 Ebensolche persönliche Anteilnahme, die gleiche Aufmerksamkeit für die individuelle Entwicklung brauchen wir heute in der Erziehungsarbeit. Viele scheinbar wenig versprechende Jugendliche sind reich mit Gaben ausgestattet, die nicht angewandt werden. Ihre Fähigkeiten liegen verborgen, weil es den Erziehern an Scharfblick fehlt. In manchen Jungen oder Mädchen, die äußerlich genau so wenig anziehend wirken wie ein roh behauener Stein, verbirgt sich kostbares Material, das den Erprobungen durch Stürme, Hitze und Widerstände standhält. Der wahre Erzieher wird voraussehen, was aus seinen Schülern werden kann, und deshalb den Wert des Werkstoffes, an dem er arbeitet, würdigen. Er wird sich persönlich für jeden einzelnen interessieren und alle seine Anlagen zu entwickeln suchen. Jede auch noch so unvollkommene Bemühung, rechten Grundsätzen zu folgen, wird er fördern. Ez54 215 2 Man sollte jedem jungen Menschen die Notwendigkeit und die machtvolle Wirkung der praktischen Anwendung des Gelernten klarmachen. Davon hängt der Erfolg weit stärker ab als von genialer oder talentvoller Veranlagung. Ohne kluge Anwendung erworbener Kenntnisse richten die glänzendsten Talente wenig aus, während bei richtigem Einsatz Personen mit ganz gewöhnlichen natürlichen Anlagen Wunder vollbracht haben. Das Genie schließlich, dessen Leistungen wir bestaunen, ist fast immer mit unermüdlicher, gesammelter Anstrengung gepaart. Ez54 215 3 Die Jugend müßte lernen, auf die Entwicklung all ihrer Anlagen, der schwächeren wie der stärkeren, abzuzielen. Bei vielen besteht die Neigung, ihr Studium auf gewisse Gebiete zu beschränken, für die sie eine natürliche Vorliebe haben. Vor diesem Fehler sollte man sich hüten. Die natürlichen Veranlagungen deuten die Richtung der künftigen Lebensarbeit an und müssen sorgfältig gepflegt werden, wenn sie zu bejahen sind. Gleichzeitig muß man aber daran denken, daß ein wohlausgeglichener Charakter und hohe Leistungen sehr stark von jener gleichmäßigen Entwicklung abhängen, die sich aus gründlicher, allseitiger Schulung ergibt. Ez54 216 1 Der Lehrer sollte in seiner Darstellung stets schlicht, aber auf höchste Wirkung bedacht sein. Auch muß er viele Beispiele anführen und selbst bei älteren Schülern sorgfältig darauf achten, jede Erklärung verständlich und deutlich nahezubringen. Viele Schüler, die an Jahren reif sind, sind dem Verständnis nach nur Kinder. Ez54 216 2 Ein wichtiger Faktor bei der erzieherischen Arbeit ist die Begeisterung. Hierzu gibt uns eine Bemerkung, die einst ein berühmter Schauspieler machte, einen nützlichen Hinweis. Der Erzbischof von Canterbury hatte ihm die Frage vorgelegt, warum Schauspieler in einem Theaterstück so mächtig auf ihre Zuhörer wirken, wenn sie von eingebildeten Dingen sprechen, während Prediger des Evangeliums beim Reden von wirklichen Dingen oft so wenig Eindruck machen. "Erlauben mir Ew. Gnaden mit aller Untertänigkeit zu sagen", erwiderte der Schauspieler, "daß der Grund sehr einfach ist, es liegt an der Macht der Begeisterung. Wir auf der Bühne sprechen von eingebildeten Dingen, als ob sie wirklich wären; ihr auf der Kanzel redet von Tatsachen, als ob sie erfunden seien." Ez54 216 3 Der Lehrer hat es bei seiner Arbeit mit Wirklichkeiten zu tun, und er sollte mit all der Kraft und Begeisterung von ihnen reden, die ein Wissen um ihre Echtheit und Bedeutung einflößen kann. Ez54 216 4 Jeder Lehrer muß zusehen, daß sein Werk bestimmte Ergebnisse zeitigt. Ehe er versucht, den Lehrstoff darzubieten, sollte er einen fest umrissenen Plan im Kopf haben und wissen, worauf er abzielt. Er darf sich bei den Ausführungen über ein Thema nicht eher zufriedengeben, als bis der Schüler den Grundgedanken verstanden hat, seine Richtigkeit erkennt und fähig ist, das Gelernte klar auszusprechen. Ez54 216 5 Solange das große Ziel der Erziehung im Auge behalten wird, sollte man den jungen Menschen anspornen, bis an die äußersten Grenzen seiner Fähigkeiten vorzudringen. Aber ehe er höhere Zweige des Studiums aufgreift, sollte er die unteren beherrschen; dies wird zu oft übersehen. Selbst bei den Studenten der Hochschulen und Universitäten bestehen noch starke Lücken im Allgemeinwissen. Viele Schüler verwenden ihre Zeit auf höhere Mathematik, während sie zu einer einfachen Buchführung unfähig sind. Viele üben sich im Vortrag, um sich mit Redekunst zu schmücken, und sind dabei nicht einmal in der Lage, verständlich und ausdrucksvoll zu lesen. Gar manche, die das Studium der Rhetorik abgeschlossen haben, versagen in Aufbau und Rechtschreibung eines gewöhnlichen Briefes. Ez54 217 1 An der gründlichen Beherrschung der wesentlichen Wissensgebiete sollte sich nicht nur entscheiden, ob man zu höheren Lehrgängen zugelassen wird, sondern auch, ob man seine Studien fortsetzen sollte und ob man Fortschritte darin macht. Ez54 217 2 In jedem Bildungszweig lassen sich Ziele erreichen, die bedeutsamer sind als alles, was man sich durch bloße technische Kenntnisse erwirbt. Man nehme zum Beispiel die Sprache. Wichtiger als die Aneignung von lebenden oder toten Fremdsprachen ist die Fähigkeit, die Muttersprache fließend und genau sprechen zu können; doch keine Fertigkeit, die man mit Hilfe von grammatischen Regeln erlangt, kann sich an Bedeutung mit einem Sprachstudium von höherer Warte aus messen. Mit einem solchen Lernen verknüpft sich in hohem Maße Wohl oder Wehe des Daseins. Ez54 217 3 Haupterfordernis der Sprache ist, daß sie rein, gütig und wahr sei "Ausdruck einer inneren Anmut". Gott sagt: "Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohllautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach!" Philipper 4,8. Wenn die Gedanken dieser Art sind, wird auch der Ausdruck entsprechend sein. Ez54 217 4 Die beste Schule für solche Sprachpflege bildet das Heim. Doch weil die Aufgabe des Heimes so oft außer acht gelassen wird, fällt es dem Lehrer zu, seinen Schülern zu rechten Sprachgewohnheiten zu verhelfen. Der Lehrer kann viel zum Abbau jener üblen Gewohnheiten beitragen, die im öffentlichen Leben unter Nachbarn und im Heim so viel Unheil anrichten: der Unsitte des Verleumdens, des Klatschens und der unfreundlichen Kritik. Dabei sollte er keine Mühe scheuen. Man präge den Schülern ein, daß diese Unsitte einen Mangel an Bildung, Anstand und wahrer Herzensgüte verrät. Macht sie uns doch untauglich für die Gesellschaft der wirklich gebildeten und feinen Menschen dieser Welt und auch für den Umgang mit den heiligen Wesen des Himmels. Ez54 218 1 Mit Schrecken denken wir an den Kannibalen, der das noch warme und zuckende Fleisch seines Opfers verzehrt. Sind aber die Folgen dieses Brauches schlimmer als die Qual und das Elend, die durch Verdächtigungen, Verleumdungen und lieblose Kritik hervorgerufen werden? Ez54 218 2 Kinder und Jugendliche mögen lernen, was Gott über solche Dinge sagt: "Tod und Leben steht in der Zunge Gewalt." Sprüche 18,21. In der Heiligen Schrift werden die Verleumder mit "Gottesverächtern", mit denen, die "erfinderisch sind im Bösen" (Menge-Übersetzung), die lieblos, "unversöhnlich, unbarmherzig", "voll Neides, Mordes, Haders, List giftig" sind, in einem Atemzuge genannt. Es ist "Gottes Gerechtigkeit, daß, die solches tun, des Todes würdig sind". Römer 1,30.31.29.32. Wer von Gott unter die Bürger Zions gerechnet wird, der "redet die Wahrheit von Herzen"; von dem gilt, daß er "mit seiner Zunge nicht verleumdet ... und seinen Nächsten nicht schmäht". Psalm 15,2.3. Ez54 218 3 Das Wort Gottes verurteilt auch den Gebrauch jener sinnlosen Redensarten und Füllwörter, die ans Gewöhnliche grenzen. Es verdammt die trügerischen Komplimente, die Ausflüchte, die Übertreibungen, die Vorspiegelungen, wie sie in der Gesellschaft und im Geschäftsleben üblich sind. "Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel." Matthäus 5,37. "Wie ein Unsinniger mit Geschoß und Pfeilen schießt und tötet, also tut ein falscher Mensch mit seinem Nächsten und spricht darnach: Ich habe gescherzt." Sprüche 26,18.19. Ez54 218 4 Dem Klatsch eng verschwistert ist die verschleierte Anspielung, der geschickte Hinweis, mit denen die unreinen Gemüter das Böse anzudeuten suchen, das sie nicht offen zum Ausdruck zu bringen wagen. Die Jugend sollte erzogen werden, solche Machenschaften schon in den Anfängen zu scheuen wie den Aussatz. Ez54 219 1 In der Redeweise gibt es vielleicht keinen Fehler, über den sich alt und jung leichter hinwegsetzte, als hastiges, ungeduldiges Sprechen. Man sieht es als ausreichende Entschuldigung an, wenn man geltend macht: "Ich habe nicht aufgepaßt und meinte in Wirklichkeit nicht, was ich sagte." Aber Gottes Wort nimmt dies nicht so leicht. Die Schrift sagt: "Siehst du einen, der schnell ist, zu reden, da ist am Narren mehr Hoffnung denn an ihm." Sprüche 29,20. "Ein Mann, der seinen Geist nicht halten kann, ist wie eine offene Stadt ohne Mauern." Sprüche 25,28. In einem einzigen Augenblick kann durch die rasche, leidenschaftliche, unbekümmerte Zunge ein Schaden angerichtet werden, den die Reue eines ganzen Lebens nicht wieder gut macht. Ach, wie viele Herzen wurden gebrochen, wie viele Freunde entzweit, wie manches Leben scheiterte infolge der harten, raschen Worte von Menschen, die hätten helfen und heilen können! "Wer unvorsichtig herausfährt, sticht wie ein Schwert; aber die Zunge der Weisen ist heilsam." Sprüche 12,18. Ez54 219 2 Ein Wesenszug sollte bei jedem Kind besonders gehegt und gepflegt werden: jene Bescheidenheit, die dem Leben erst seine rechte, unbewußte Anmut verleiht. Von allen hervorragenden Eigenschaften ist diese die schönste; für jede wahre Lebenserfüllung liefert sie die wesentliche Voraussetzung. Ez54 219 3 Kinder brauchen Wertschätzung, Teilnahme und Ermutigung. Man sollte sich aber hüten, Ehrsucht in ihnen zu nähren. Es ist nicht klug, ihnen besondere Beachtung zu schenken oder ihre gescheiten Aussprüche in ihrem Beisein zu wiederholen. Eltern oder Lehrer, die das wahre charakterliche Ideal und die Möglichkeiten zur Vollendung im Auge behalten, können den Eigendünkel nicht hätscheln oder fördern. Sie werden den Jugendlichen nicht in dem Wunsch oder in seinen Bemühungen bestärken, seine Fähigkeit oder Tüchtigkeit zur Schau zu stellen. Wer über sich selbst hinausblickt, wird demütig sein; aber er wird dabei eine Würde besitzen, die sich nicht durch äußeres Gepränge oder durch menschliche Größe aus der Fassung bringen läßt. Ez54 220 1 Nicht durch willkürliche Regeln oder Gesetze entwickelt sich charakterliche Schönheit, sondern durch Verweilen in der Atmosphäre des Reinen, Edlen und Wahren. Reinheit des Herzens und Adel des Charakters werden sich in der Lauterkeit und Vornehmheit der Handlungen und Worte offenbaren. "Wer ein treues Herz und liebliche Rede hat, des Freund ist der König." Sprüche 22,11. Ez54 220 2 Wie mit der Sprachpflege, so ist es auch mit jedem anderen Studium; es kann so durchgeführt werden, daß es zur Stärkung und Entwicklung des Charakters gereicht. Von keinem Lerngegenstand gilt dies mehr als von der Geschichte. Man sollte sie von der göttlichen Warte aus betrachten. Die Weltgeschichte wird nur zu oft so gelehrt, daß sie nicht viel mehr als eine Kunde vom Aufstieg und Untergang der Könige, vom Ränkespiel der Höfe, von Siegen und Niederlagen der Heere -- ein einziger Bericht von Ehrgeiz und Begehrlichkeit, von Täuschung, Grausamkeit und Blutvergießen ist. So dargeboten kann das Ergebnis des Unterrichts nur nachteilig sein. Das geradezu unerträgliche Aufzählen von Verbrechen und Scheußlichkeiten, die Schilderungen von Greueln und Grausamkeiten säen eine Saat, die in manchem Leben eine böse Ernte zeitigt. Es ist viel besser, im Lichte des Wortes Gottes die Ursachen zu erkennen, die den Aufstieg und den Fall der Königreiche bestimmen. Man lasse die Jugend diese Berichte studieren, damit sie sieht, wie das wahre Glück der Nationen stets von der Annahme der göttlichen Grundsätze abhing. Der junge Mensch betrachte die Geschichte der großen Reformationsbewegungen und erkenne, wie oft jene Grundwahrheiten, die, verachtet und gehaßt, ihre Verfechter in den Kerker und aufs Schafott brachten, gerade durch diese Opfer triumphierten. Ez54 220 3 Ein solches Studium vermittelt eine weite, umfassende Schau vom Leben. Es hilft der Jugend, etwas von seinen Zusammenhängen zu verstehen -- wie wundersam wir im großen Bruderbund der menschlichen Gesellschaft und der Völker aufeinander angewiesen sind und wie sehr die Bedrückung oder Erniedrigung eines Gliedes allen zum Schaden gereicht. Ez54 221 1 Bei der Beschäftigung mit Zahlen sollte der Vorgang praktisch gestaltet werden. Jeder Jugendliche und jedes Kind bedürfen nicht nur der Anweisung, wie man erfundene Aufgaben löst, sondern vielmehr, wie über eigene Einnahmen und Ausgaben genau Buch zu führen ist. Sie sollen das Geld recht gebrauchen lernen, indem sie es verwenden. Man unterrichte die Jungen und Mädchen darin, ihre eigene Kleidung, ihre Bücher und andere notwendige Gegenstände auszuwählen und zu kaufen, ganz gleich, ob ihre Eltern sie versorgen oder ob sie selbst ihren Lebensunterhalt bestreiten. Wenn sie dann über ihre Ausgaben Buch führen, werden sie wie kaum auf eine andere Art den Wert und den rechten Gebrauch des Geldes begreifen. Diese Übung wird ihnen helfen, wahre Sparsamkeit von Knickerigkeit einerseits und von Verschwendung andererseits zu unterscheiden. Richtig gelenkt, wird sie Mildtätigkeit zur Gewohnheit machen. Sie wird die Jugend das Geben lehren, nicht aus augenblicklicher Eingebung, wenn ihr Gefühl sich regt, sondern in regelmäßiger und planvoller Weise. Ez54 221 2 Auf solche Art kann jedes Studium dazu beitragen, das größte aller Probleme zu lösen, nämlich Männer und Frauen dahin zu erziehen, daß sie den Anforderungen des Lebens auf die bestmögliche Weise gerecht werden. ------------------------Kapitel 27: Gutes Benehmen Ez54 221 3 "Die Liebe stellet sich nicht ungebärdig." Ez54 221 4 Der Wert der Höflichkeit wird zu wenig geschätzt. Manchen, die ein gütiges Herz haben, fehlt die freundliche Art. Viele Menschen, deren Aufrichtigkeit und Gradheit Achtung abnötigen, legen einen bedauerlichen Mangel an Liebenswürdigkeit an den Tag. Dieser Mangel trübt ihr eigenes Glück und beeinträchtigt ihren Dienst für andere. Der Unhöfliche opfert vielfach aus bloßer Gedankenlosigkeit ein gut Teil der schönsten und nutzbringendsten Lebenserfahrungen. Ez54 222 1 Heiterkeit und Höflichkeit sollten besonders von Eltern und Lehrern gepflegt werden. Bei allen können eine frohe Miene, eine milde Stimme und höfliche Umgangsformen zu finden sein; diese üben einen starken Einfluß aus. Kinder werden durch ein heiteres, sonniges Wesen angezogen. Sei freundlich und höflich gegen sie, und sie werden dir und andern gegenüber denselben Geist offenbaren. Ez54 222 2 Wahre Höflichkeit erlernt sich nicht durch die bloße Befolgung von Anstandsregeln. Ein schickliches Benehmen ist freilich immer angebracht; überall dort, wo die Grundsatztreue nicht verletzt wird, führt die Rücksicht auf den andern dazu, daß man geltende Sitten befolgt; doch wahre Höflichkeit erfordert nicht, daß man dem allgemeinen Brauch einen Grundsatz opfert. Sie kennt keine Kaste. Sie lehrt Selbstachtung, Achtung vor der Menschenwürde und Rücksicht auf jedes Glied der großen menschlichen Bruderschaft. Ez54 222 3 Es besteht die Gefahr, daß man zuviel Wert auf Manieren und bloße Form legt und auf die Aneignung dieser Dinge zuviel Zeit verwendet. Das von jedem Jugendlichen geforderte Leben eifrigen Strebens, die harte, oft unangemessene Arbeit, die schon zur Erfüllung der Alltagspflichten erforderlich sind und mehr noch, wenn es gilt, die schwere Weltbürde der Unwissenheit und des Elends zu erleichtern, lassen wenig Raum für Förmlichkeiten. Ez54 222 4 Viele, bei denen die Etikette hoch im Kurs steht, haben wenig übrig für alles, was ihren künstlichen Maßstäben nicht entspricht, so hervorragend es auch sein mag. Das ist eine falsche Erziehung. Sie nährt den kritiksüchtigen Stolz und engherzige Eigenbrötelei. Ez54 222 5 Das Wesen wahrer Höflichkeit ist Rücksicht auf den andern. Die eigentliche, bleibende Erziehung stärkt das Mitgefühl und hält zur Freundlichkeit gegen jedermann an. Jene sogenannte Bildung, die einen Jugendlichen nicht ehrerbietig gegen seine Eltern macht, so daß er ihre Vorzüge schätzt, ihre Mängel geduldig trägt und ihre Bedürfnisse befriedigt, ist ein Fehlschlag. Was ihn nicht rücksichtsvoll, zartfühlend, weitherzig und hilfsbereit gegen Junge, Alte und Unglückliche und nicht höflich gegen alle Welt sein läßt, ist umsonst gewesen. Ez54 223 1 Wirklichen Adel des Denkens und der Gesittung eignet man sich besser in der Schule des göttlichen Lehrmeisters an als durch die Beachtung feststehender Regeln. Wenn seine Liebe das Herz durchdringt, gibt sie dem Charakter jenen edlen Schliff, der ihn nach seinem Bilde formt. Diese Erziehung verleiht eine Würde und ein Schicklichkeitsgefühl himmlischen Ursprungs. Sie verhilft zu jener Herzenswärme und Zartheit im Benehmen, an die das oberflächliche Getue der eleganten Gesellschaft niemals herankann. Ez54 223 2 Die Bibel fordert zur Höflichkeit auf und liefert viele Beispiele für die selbstlose Gesinnung, den zarten Anstand und die gewinnende Art, die das Wesen wahrer Gesittung ausmachen. Das alles ist ja doch nur ein Widerschein des Charakters Christi. Alles echte Zartgefühl, alle wirkliche Höflichkeit in der Welt, selbst bei denen, die seinen Namen nicht anerkennen, stammen von ihm. Und er möchte, daß sich diese Merkmale in seinen Kindern vollkommen widerspiegeln. Seine Absicht ist, daß die Menschen in uns seine Schönheit schauen. Ez54 223 3 Die wertvollste Abhandlung über gutes Verhalten, die jemals abgefaßt wurde, findet sich in der kostbaren Unterweisung, die der Erlöser durch den Heiligen Geist über den Apostel Paulus -- gab Worte, die jedem Menschen, ob jung oder alt, unauslöschlich ins Gedächtnis geprägt werden sollten: "... auf daß auch ihr einander liebhabet", "wie ich euch geliebt habe." Johannes 13,34. Ez54 223 4 "Die Liebe ist langmütig und freundlich, Die Liebe eifert nicht, Die Liebe treibt nicht Mutwillen, Sie blähet sich nicht, sie stellet sich nicht ungebärdig, Sie suchet nicht das Ihre, Sie läßt sich nicht erbittern, Sie rechnet das Böse nicht zu, Sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, Sie freuet sich aber der Wahrheit; Sie verträgt alles, Sie glaubet alles, Sie hoffet alles, Sie duldet alles. Die Liebe höret nimmer auf." 1.Korinther 13,4-8. Ez54 224 1 Eine andere köstliche Tugend, die sorgfältig gepflegt werden sollte, ist Ehrfurcht. Wahre Ehrfurcht vor Gott wird durch die Erkenntnis seiner unendlichen Größe und durch das Bewußtsein seiner Gegenwart in uns geweckt. Mit dieser Haltung zu dem Unsichtbaren müßte man jedes Kinderherz zutiefst erfüllen. Dem Kind sollte eingeprägt werden, die Stunde und den Ort des Gebetes sowie die öffentlichen Gottesdienste als heilig zu betrachten, weil Gott dabei gegenwärtig ist. Wenn man in Haltung und Benehmen Ehrfurcht bekundet, vertieft sich das Gefühl, aus dem sie gespeist wird. Ez54 224 2 Es wäre gut für alt und jung, jene Worte der Heiligen Schrift zu betrachten, zu erwägen und öfters zu wiederholen, welche zeigen, wie der durch Gottes besondere Gegenwart gekennzeichnete Ort angesehen werden sollte. "Zieh deine Schuhe aus von deinen Füßen", befahl der Herr Mose beim brennenden Busch, "denn der Ort, darauf du stehst, ist ein heilig Land!" 2.Mose 3,5. Ez54 224 3 Nachdem Jakob das Gesicht von den Engeln gesehen hatte, rief er aus: "Gewiß ist der Herr an diesem Ort, und ich wußte es nicht ... Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels." 1.Mose 28,16.17. Ez54 224 4 "Der Herr ist in seinem heiligen Tempel. Es sei vor ihm still alle Welt!" Habakuk 2,20. Ez54 224 5 "Der Herr ist ein großer Gott Und ein großer König über alle Götter ... Kommt, laßt uns anbeten und knien Und niederfallen vor dem Herrn, der uns gemacht hat." Ez54 225 1 "Er hat uns gemacht -- und nicht wir selbst -- Zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide. Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, Zu seinen Vorhöfen mit Loben; Danket ihm, lobet seinen Namen!" Psalm 95,3-6; Psalm 100,3.4. Ez54 225 2 Auch den Namen Gottes sollte man nur ehrerbietig nennen; nie darf er leichtfertig oder gedankenlos ausgesprochen werden. Sogar im Gebet sollte man seine häufige oder unnötige Wiederholung vermeiden. "Heilig und hehr ist sein Name." Psalm 111,9. Engel verhüllen ihr Angesicht, wenn sie ihn aussprechen. Mit welcher Ehrerbietung sollten wir, die wir gefallen und sündig sind, ihn auf unsere Lippen nehmen! Ez54 225 3 Wir sollten das Wort Gottes mit Ehrfurcht behandeln. Dem gedruckten Wort Gottes müssen wir Achtung bezeugen, indem wir es niemals wie ein alltägliches Ding benutzen oder achtlos damit umgehen. Nie darf eine Schriftstelle im Scherz angeführt oder umschrieben werden, um eine witzige Bemerkung zu machen. "Alle Worte Gottes sind durchläutert", sie sind "wie durchläutert Silber im irdenen Tiegel, bewähret siebenmal". Sprüche 30,5; Psalm 12,7. Ez54 225 4 Vor allem sollte den Kindern nahegebracht werden, daß sich wahre Ehrerbietung im Gehorsam zeigt. Gott hat nichts Unwesentliches geboten, und Ehrfurcht tut sich auf keine ihm wohlgefälligere Weise kund, als wenn wir seinen Weisungen gehorchen. Auch den Beauftragten Gottes: Predigern, Lehrern und Eltern, die berufen sind, an seiner Statt zu sprechen und zu handeln, sollte Ehrerbietung gezollt werden. Durch die Achtung, die man ihnen erweist, wird er geehrt. Ez54 225 5 Besonders den Alten gegenüber hat Gott zarte Rücksicht geboten. Er sagt: "Graue Haare sind eine Krone der Ehren, die auf dem Wege der Gerechtigkeit gefunden wird." Sprüche 16,31. Sie erzählen von durchfochtenen Kämpfen und errungenen Siegen, von der Last, die getragen, und von Versuchungen, denen widerstanden wurde. Sie weisen auf matte Füße hin, die ihrer Ruhe nahe sind, auf Lücken, die bald entstehen werden. Das rufe man den Kindern ins Bewußtsein; dann werden sie den Pfad der Alten durch ihre Höflichkeit und Achtung ebnen. Anmut und Schönheit werden ihr junges Leben zieren, wenn sie das Gebot beachten: "Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren." 3.Mose 19,32. Ez54 226 1 Es tut not, daß Väter, Mütter und Lehrer die Verantwortung mehr schätzen und würdigen, die Gott auf sie legte, denn er hat sie dem Kinde gegenüber zu seinen Stellvertretern gemacht. Ihr Charakter, der sich im täglichen Umgang offenbart, ist dem Kinde im guten wie im schlechten Sinne eine Auslegung jener Gottesworte: "Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten." Psalm 103,13. "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." Jesaja 66,13. Ez54 226 2 Glücklich das Kind, in dem solche Worte Liebe, Dankbarkeit und Vertrauen wecken, dem die Milde, die Rechtlichkeit und die Geduld von Vater, Mutter und Lehrer die Liebe, Gerechtigkeit und Langmut Gottes darstellen. Wohl ihm, wenn es durch Vertrauen, Unterordnung und Ehrerbietung gegen seine irdischen Beschützer Gott vertrauen, gehorchen und ihn ehren lernt. Wer seinem Kinde oder Schüler solche Gaben vermittelt, übereignet ihm einen Schatz, der kostbarer ist als der Reichtum aller Zeiten einen Hort von Ewigkeitsdauer. ------------------------Kapitel 28: Die Rolle der Kleidung in der Erziehung Ez54 226 3 "In anständigem Gewand ..." "Des Königs Tochter drinnen ist ganz herrlich." Ez54 226 4 Erziehung kann nicht umfassend sein, wenn sie nicht hinsichtlich der Kleidung rechte Grundsätze lehrt. Ohne solche klare Anweisungen wird die erzieherische Arbeit nur zu oft behindert und beeinträchtigt. Kleiderliebe und Modesucht stellen die schlimmsten Rivalen und wirksamsten Hindernisse für den Lehrer dar. Die Mode ist eine Herrin, die mit eiserner Hand regiert. In sehr vielen Heimen verwenden Eltern und Kinder all ihre Kraft, Zeit und Aufmerksamkeit darauf, den Forderungen der Mode nachzukommen. Die Reichen haben den Ehrgeiz, in der Anpassung an die stets wechselnden Moden einander auszustechen. Der Mittelstand und die ärmeren Klassen suchen sich möglichst dem Maßstab anzugleichen, den die angeblich über ihnen Stehenden festgesetzt haben. Wo die Mittel oder die Kräfte begrenzt sind und doch ein starkes Streben nach Eleganz besteht, wird die Belastung fast unerträglich. Ez54 227 1 Bei vielen kommt es nicht darauf an, wie kleidsam oder gar wie schön ein Gewand sei. Laßt die Mode wechseln, und es muß erneuert oder abgelegt werden. Die Familienangehörigen sind zu endloser Plackerei verurteilt. Da bleibt keine Zeit zur Kindererziehung, zum Gebet oder zum Bibelstudium, keine Zeit, den Kleinen zu helfen, daß sie Gott durch seine Werke kennenlernen. Ez54 227 2 Auch bleiben keine Zeit und kein Geld zur Liebestätigkeit. Oft wird der Speisezettel ungebührlich gekürzt. Die Nahrung ist schlecht ausgewählt und hastig zubereitet, und das gesunde Verlangen der Natur wird nur teilweise befriedigt. Es ergeben sich daraus falsche Eßgewohnheiten, die Krankheiten verursachen oder zur Unmäßigkeit führen. Ez54 227 3 Die Liebe zum Prunk hat Verschwendungssucht im Gefolge und ertötet in vielen jungen Menschen die Sehnsucht nach einem edleren Leben. Statt eine Ausbildung zu erstreben, nehmen sie früh irgendeine Beschäftigung an, um Geld verdienen und der Modeleidenschaft huldigen zu können. Diese Sucht lockt manches junge Mädchen ins Verderben. Ez54 227 4 In manchem Heim werden die Verdienstmöglichkeiten überfordert. Der Vater, der nicht in der Lage ist, den Wünschen von Mutter und Kindern nachzukommen, wird zur Unehrlichkeit verlockt, und wieder endet alles in Schande und Auflösung. Ez54 227 5 Selbst der Ruhetag und der Gottesdienst sind der Herrschaft der Mode unterworfen. Sie bieten sogar Gelegenheit zu noch größerer Entfaltung ihrer Macht. Die Kirche wird zum Schaugelände, und man beschäftigt sich mehr mit dem Aufputz als mit der Predigt. Die Armen können den üblichen Ansprüchen nicht genügen und bleiben deshalb überhaupt vom Gottesdienst weg. Der Tag der Ruhe wird im Müßiggang verbracht und von der Jugend oft in sittengefährdender Gesellschaft. Ez54 228 1 Unpassende und unbequeme Kleidung macht die Mädchen in der Schule unfähig zum Studium und auch zur Erholung. Ihre Gedanken sind mit etwas anderem beschäftigt, und dem Lehrer wird es schwer, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Ez54 228 2 Um den Bann der Mode zu brechen, kann der Erzieher oft kein wirksameres Mittel finden als die Berührung mit der Natur. Schenkt den Schülern das nachhaltige Erlebnis von Fluß, See oder Meer, laßt sie die Berge erklettern, die Pracht des Sonnenunterganges schauen, die Schätze von Wald und Feld erkunden. Laßt sie die Freude an der Pflanzen- und Blumenpflege genießen, und ein zusätzliches Band, eine neue Krause wird nichts mehr bedeuten. Ez54 228 3 Man lehre die Jugend erkennen, daß Schlichtheit in der Kleidung wie in der Nahrung für hohes Denken unerläßlich ist Man bringe sie dahin, zu sehen, wieviel es zu lernen und zu tun gibt, wie kostbar die Tage der Jugend für die Vorbereitung des Lebenswerkes sind. Helft ihr erkennen, welche Reichtümer das Wort Gottes, das Buch der Natur und die Lebensbilder edler Menschen enthalten. Lenkt ihre Gedanken auf die Leidenden, denen sie Hilfe bringen kann. Man verhelfe ihr zu der Einsicht, daß jedes für Äußerlichkeiten hinausgeworfene Geldstück den Verschwender der Mittel beraubt, die Hungrigen zu speisen, die Nackten zu kleiden und die Traurigen zu trösten. Ez54 228 4 Die jungen Menschen können es sich nicht leisten, die großen Gelegenheiten ihres Lebens zu versäumen, ihr Denken verkümmern zu lassen, ihre Gesundheit und ihr Glück zugrunde zu richten, nur um Forderungen nachzukommen, die weder durch Vernunft und Bequemlichkeit noch durch besondere Anmut begründet sind. Ez54 228 5 Zugleich sollte man der Jugend die große Lehre der Natur vor Augen führen: "Er aber tut alles fein zu seiner Zeit." Prediger 3,11. Es ist unsere vornehmste Pflicht, ebenso wie in allen anderen Dingen den Schöpfer in der Kleidung zu ehren. Er wünscht, daß unser Gewand nicht nur gesund, sondern auch geschmackvoll und schicklich sei. Ez54 229 1 Man kann den Charakter einer Person an ihrer Art, sich zu kleiden, beurteilen. Ein verfeinerter Geschmack, ein gebildeter Geist offenbaren sich in der Wahl einfacher und geschmackvoller Kleider. Saubere Schlichtheit des Gewandes im Verein mit einem bescheidenen Benehmen wird ein junges Mädchen weithin mit jener Atmosphäre heiliger Zurückhaltung umgeben, die es vor tausend Gefahren schirmt. Man lehre die Mädchen, daß die Kunst, sich zu kleiden, auch die Fähigkeit einschließt, das eigene Gewand anzufertigen. Diesen Ehrgeiz sollte jedes Mädchen hegen. Er wird jene Brauchbarkeit und Unabhängigkeit verleihen, auf die man nicht verzichten kann. Ez54 229 2 Es ist recht, das Schöne zu lieben und zu begehren; Gott wünscht jedoch, daß wir am ersten nach der höchsten Schönheit trachten jener, die unvergänglich ist und an ihr Gefallen finden. Die erlesensten Erzeugnisse menschlicher Kunst halten den Vergleich mit jener Schönheit des Charakters nicht aus, die in seinen Augen "überaus köstlich" ist. Ez54 229 3 Lehrt die Jugend und die kleinen Kinder jenes königliche Gewand aus "reiner und schöner Leinwand" (Offenbarung 19,8) erwählen, das auf dem himmlischen Webstuhl gewoben wurde und das dereinst alle Heiligen auf Erden tragen werden. Dieses Kleid, der fleckenlose Charakter Christi, wird jedem Menschen frei angeboten. Alle jedoch, die es annehmen, werden es hier schon empfangen und tragen. Ez54 229 4 Unterweist die Kinder, daß sie das herrliche Gewand des Wesens Gottes anlegen, wenn sie sich den reinen Gedanken der Liebe aufschließen und Taten der Hilfsbereitschaft verrichten. Dieses Kleid wird sie hier anmutsvoll und beliebt machen und sie einst zum Eintritt in den Palast des Königs berechtigen. Seine Verheißung lautet: "Sie werden mit mir wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind's wert." Offenbarung 3,4. ------------------------Kapitel 29: Der Sabbat Ez54 230 0 "Derselbe ist ein Zeichen zwischen mir und euch, ... daß ihr wisset, daß ich der Herr bin." Ez54 230 1 Der Wert des Sabbats als Erziehungsmittel ist nicht hoch genug zu veranschlagen. Was immer Gott von dem Unsern fordert, gibt er in reicherer, verwandelter Gestalt, mit seiner eigenen Herrlichkeit bekleidet, wieder zurück. Der Zehnte, den er von Israel forderte, war dazu bestimmt, das Abbild seines himmlischen Tempels, das sichtbare Zeichen seiner Gegenwart auf Erden, in glanzvoller Schönheit unter den Menschen zu erhalten. So wird uns auch der Teil unserer Zeit, den er sich ausbedingt, wiedergegeben und trägt dann seinen Namen und sein Siegel. Gott sagt: "Derselbe ist ein Zeichen zwischen mir und euch,... daß ihr wisset, daß ich der Herr bin." "Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhete am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn." 2.Mose 31,13; 2.Mose 20,11. Der Sabbat ist ein Zeichen der Schöpfer- und Erlöserkraft. Er weist auf Gott als die Quelle des Lebens und der Erkenntnis hin. Er erinnert an die ursprüngliche Herrlichkeit des Menschen und bezeugt damit die Absicht Gottes, uns nach seinem Bilde neu zu schaffen. Ez54 230 2 Der Sabbat und die Familie wurden beide im Paradies eingesetzt und sind im Plane Gottes untrennbar miteinander verbunden. An diesem Tage ist es uns eher als an irgendeinem anderen möglich, ein Leben wie im Garten Eden zu führen. Es war Gottes Absicht, daß die Glieder der Familie bei der Arbeit, beim Studium, im Gottesdienst und in der Erholung vereint sein sollten der Vater als Priester seines Hauses, die Eltern zusammen als Lehrer und Gefährten ihrer Kinder. Aber die Folgen der Sünde haben die Lebensbedingungen verändert und verhindern deshalb weitgehend diese Gemeinsamkeit. Oft sieht der Vater während der ganzen Woche kaum die Gesichter seiner Kinder. Es fehlt ihm fast völlig die Möglichkeit, gesellig mit ihnen zusammen zu sein oder sie zu belehren. Aber Gottes Liebe hat den Forderungen der Arbeit eine Grenze gesetzt. Über dem Sabbat hält er seine gnadenvolle Hand und wahrt der Familie an diesem seinem Tage die Möglichkeit, mit ihm selbst, mit der Natur und untereinander Gemeinschaft zu pflegen. Ez54 231 1 Da der Sabbat das Denkmal schöpferischer Macht ist, sollten wir an diesem Tage mehr als an jedem andern Gott in seinen Werken kennenzulernen suchen. In den Kindern müßte sich der bloße Gedanke an den Sabbat unlöslich mit der Schönheit der Schöpfung verbinden. Glücklich ist die Familie, die in der Weise, wie Jesus und seine Jünger zur Synagoge gingen am Sabbat quer durch Felder, an Seen entlang oder durch stille Haine zum Ort der Anbetung wandern kann. Wohl dem Vater und der Mutter, die ihren Kindern das geschriebene Wort Gottes mit anschaulichen Beispielen aus dem offenen Buch der Natur nahebringen können. Wohl ihnen, die sich unter grünen Bäumen, in reiner, frischer Luft versammeln dürfen, um die Bibel zu betrachten und den Vater droben im Liede zu preisen. Durch solche Geselligkeit können Eltern ihre Kinder mit unzerreißbaren Banden an sich und an Gott ketten. Ez54 231 2 Unschätzbar sind die Gelegenheiten, die der Sabbat für die geistige Schulung bietet. Die Sabbatschul-Betrachtung sollte nicht erst am Sabbatmorgen durch einen hastigen Blick auf den Lehrabschnitt gelernt werden, sondern sollte Gegenstand eines sorgfältigen, die ganze Woche füllenden Studiums sein. Dazu kommt die tägliche Wiederholung und Vertiefung anhand von Beispielen während der sechs Tage. Dadurch wird die Lektion im Gedächtnis verankert als ein Kleinod, das nie mehr ganz verlorengeht. Ez54 231 3 Beim Anhören der Predigt sollten Eltern und Kinder den Ausgangstext, angeführte Schriftstellen und so viel als möglich vom Gedankengang notieren, um zu Hause alles einander zu wiederholen. Dies wird den Verdruß, mit dem Kinder so oft geistlichen Ausführungen lauschen, weitgehend beheben und alle an Aufmerksamkeit und zusammenhängendes Denken gewöhnen. Beim Nachsinnen über solcherart entwickelte Gedankenvorgänge werden sich dem Schüler ungeahnte Schätze erschließen. In seinem eigenen Leben wird er die Wahrheit jener in der Bibel beschriebenen Erfahrung bestätigt finden: "Dein Wort ward meine Speise, da ich's empfing; und dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost." Jeremia 15,16. Ich "will über deine Satzungen sinnen". Psalm 119,48 (Menge). "Sie sind köstlicher denn Gold und viel feines Gold ... Auch wird dein Knecht durch sie erinnert; und wer sie hält, der hat großen Lohn." Psalm 19,11.12. ------------------------Kapitel 30: Glaube und Gebet Ez54 232 0 "Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft." "Glaubet nur, daß ihr's empfangen werdet, so wird's euch werden." Ez54 232 1 Glauben heißt Gott vertrauen voll Zuversicht, daß er uns liebt und am besten weiß, was gut für uns ist. Solche Gewißheit führt uns dahin, statt eigener Wege den Weg des Herrn zu erwählen. An Stelle unserer eigenen Unwissenheit nimmt der Glaube die Weisheit Gottes an, für unsere Schwachheit seine Stärke, für unser sündiges Wesen seine Gerechtigkeit. Unser Leben, unser Selbst gehört ja schon ihm; der Glaube aber bejaht Gottes Eigentumsrecht und empfängt die damit verbundenen Segnungen. Wahrhaftigkeit, Rechtschaffenheit und Reinheit werden immer mehr als Geheimnisse des Lebenserfolges genannt. Der Glaube ist es, der diese Wesensgrundlage in uns verwirklicht. Ez54 232 2 Jeder gute Anstoß, jedes edle Streben ist Gabe Gottes; der Glaube empfängt von Gott das Leben, das allein wahres Wachstum und wirkliche Tüchtigkeit zu erzeugen vermag. Ez54 232 3 Es sollte recht deutlich gemacht werden, wie man Glauben übt. Jede Verheißung Gottes ruht auf Bedingungen; wenn wir bereit sind, seinen Willen zu tun, steht uns seine ganze Kraft zu Gebote. Welche Gabe er auch verspricht - sie ist schon in der Verheißung enthalten. "Der Same ist das Wort Gottes." Lukas 8,11. So sicher die Eiche in der Eichel schlummert, so gewiß ruht auch das Geschenk Gottes in seinem Versprechen. Wenn wir die Verheißung annehmen, sind wir schon im Besitz der Gabe. Ez54 233 1 Der Glaube, der uns in den Stand setzt, Gottes Gaben zu empfangen, ist selbst eine Gabe, die in gewissem Maße jedem Menschen zugeteilt ist; er wächst, wenn er in der Aneignung des Wortes Gottes betätigt wird. Um den Glauben zu stärken, müssen wir ihn oft mit dem Wort in Berührung bringen. Ez54 233 2 Beim Studium der Bibel sollte der Schüler die Macht des Wortes Gottes sehen lernen. Bei der Schöpfung sprach der Herr, da geschah es. "Er gebot: da stand es da." Er "ruft dem, was nicht ist, daß es sei" (Psalm 33,9 (Menge); Römer 4,17), denn wenn er ruft, so ist's vorhanden. Ez54 233 3 Wie oft haben Menschen, die ihr Vertrauen in das Wort Gottes setzten, der Macht einer ganzen Welt widerstanden, obwohl sie aus sich selbst heraus äußerst hilflos waren: Henoch, der ein reines Herz hatte und ein heiliges Leben führte, hielt fest an seinem Glauben, daß die Gerechtigkeit wider ein verderbtes Geschlecht von Spöttern siegen werde. Noah und seine Familie standen gegen die Menschen ihrer Zeit, Menschen von höchster Körper- und Geistesstärke, aber von tiefster sittlicher Verkommenheit. Da waren die Kinder Israel am Roten Meer, ein hilfloser, verschreckter Haufe von Sklaven sie sahen sich dem mächtigsten Heer der stärksten Nation auf dem Erdball gegenüber. David, ein Hirtenknabe, dem Gott den Thron verheißen hatte, behauptete sich gegen Saul, den regierenden Monarchen, der entschlossen war, seine Macht festzuhalten. Sadrach und seine Gefährten im Feuer trotzten dem Nebukadnezar auf dem Throne. Daniel hielt bei den Löwen gegen seine Widersacher stand, die höchste Regierungsstellen bekleideten. Jesus am Kreuz triumphierte über die jüdischen Priester und Machthaber, die selbst den römischen Landpfleger ihrem Willen gefügig machten. Paulus, der in Ketten dem Verbrechertode zugeführt wurde, wankte nicht vor Nero, dem Tyrannen eines Weltreiches. Ez54 234 1 Solche Beispiele findet man nicht nur in der Bibel. Jeder Bericht über menschlichen Fortschritt weist sie in großer Zahl aus. Die Waldenser, die Hugenotten, Wiklif und Hus, Hieronymus und Luther, Tyndale und Knox, Zinzendorf und Wesley nebst zahllosen andern haben für die Macht des Wortes Gottes gegenüber menschlicher Kraft und Klugheit, die das Böse verteidigte, gezeugt. Diese alle bilden das wirkliche Adelsgeschlecht der Welt, ihren königlichen Stammbaum. Die Jugend von heute ist berufen, diese Linie fortzusetzen. Ez54 234 2 Der Glaube wird in den kleineren Dingen des Lebens nicht weniger benötigt als in den großen. In all unseren täglichen Anliegen und Geschäften wird uns durch unerschütterliches Vertrauen die stützende Kraft Gottes zur Wirklichkeit. Ez54 234 3 Menschlich gesehen ist das Leben für alle ein unbeschrittener Pfad. Es ist ein Weg, den jeder, soweit es sich um die letzten tiefen Erfahrungen handelt, für sich allein geht. Unser inneres Leben teilt kein anderer Mensch völlig mit uns. Wie ernsthaft sollte man sich bemühen, das Vertrauen des kleinen Kindes auf den sicheren Führer und Helfer zu richten, wenn es jene Reise antritt, auf der es früher oder später seinen eigenen Kurs wählen und sein ewiges Geschick entscheiden muß! Ez54 234 4 Als Schutz vor Versuchung und Ansporn zur Wahrhaftigkeit und Reinheit kommt kein anderer Einfluß dem Wissen um die Gegenwart Gottes gleich. "Es ist aber alles bloß und entdeckt vor seinen Augen. Von dem reden wir." "Deine Augen sind rein, daß du Übles nicht sehen magst, und dem Jammer kannst du nicht zusehen." Hebräer 4,13; Habakuk 1,13. Dieser Gedanke war Josephs Schutzwehr inmitten der Verderbtheit Ägyptens. Auf alle Reize der Versuchung lautete seine feste Antwort: "Wie sollte ich denn nun ein solch groß Übel tun und wider Gott sündigen?" 1.Mose 30,9. Zu solch einem Schilde wird der Glaube für jede Seele werden, die ihn hegt. Ez54 234 5 Nur das Bewußtsein der Gegenwart Gottes kann die Furcht bannen, die einem schüchternen Kinde das Leben zu einer Last machen würde. Man präge ihm die Verheißung ein: "Der Engel des Herrn lagert sich um die her, so ihn fürchten, und hilft ihnen aus." Psalm 34,8. Auch lasse man es jene wunderbare Geschichte von Elia lesen, der sich in der Stadt auf dem Berge befand. Zwischen ihm und dem schwerbewaffneten feindlichen Heer lagerte sich ein mächtiger Schutzwall himmlischer Engel. Laßt das Kind lesen, wie dem gefangenen, zum Tode verurteilten Petrus der Bote Gottes erschien; wie der Engel den Diener des Herrn durch die bewaffneten Wächter, die schweren Türen und das große eiserne Tor mit seinen Stangen und Riegeln hindurch in Sicherheit brachte. Es soll nachlesen, wie der gefangene Paulus auf seiner Reise zu Vernehmung und Aburteilung bei sturmgepeitschter See an die von Mühen, Wachen und langem Fasten erschöpften Soldaten und Seeleute die großartigen Worte des Mutes und der Hoffnung richtete: "Und nun ermahne ich euch, daß ihr unverzagt seid; denn keines Leben aus uns wird umkommen ... Denn diese Nacht ist bei mir gestanden der Engel Gottes, des ich bin und dem ich diene, und sprach: Fürchte dich nicht, Paulus! du mußt vor den Kaiser gestellt werden; und siehe, Gott hat dir geschenkt alle, die mit dir schiffen." Im Glauben an diese Verheißung versicherte Paulus seinen Begleitern: "Denn es wird euer keinem ein Haar von dem Haupt entfallen." So kam es auch. Weil es auf jenem Schiff einen Mann gab, durch den Gott wirken konnte, wurde die ganze Schiffsbesatzung heidnischer Soldaten und Seeleute bewahrt. "Also geschah es, daß sie alle gerettet zu Lande kamen." Apostelgeschichte 27,22-24.34.44. Ez54 235 1 Diese Dinge wurden nicht bloß deshalb niedergeschrieben, damit wir sie lesen und bestaunen sollen, sondern damit derselbe Glaube, der vor alters in Gottes Knechten wirksam war, auch in uns tätig werde. Auf nicht weniger eindrucksvolle Art als damals wird er auch heute überall dort wirken, wo sich gläubige Herzen zu Vermittlern seiner von Gott gewirkten Kraft machen lassen. Ez54 235 2 Lehrt die Schüchternen, deren Mangel an Selbstvertrauen sie vor Sorge und Verantwortung zurückschrecken läßt, auf Gott bauen. Dann wird manch einer, der auf Erden nur eine Nummer, vielleicht auch nur eine Last für andere darstellen würde, mit dem Apostel Paulus sagen können: "Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus." Philipper 4,13. Ez54 236 1 Auch für das Kind, das leicht beleidigt ist, enthält der Glaube kostbare Lehren. Die Neigung, dem Übel zu widerstehen oder das Unrecht zu rächen, entspringt oft einem starken Gerechtigkeitsgefühl und einem tatkräftigen Geist. Solch einem Kinde sage man, daß Gott der ewige Hüter des Rechtes ist. Er sorgt in zarter Weise für die Wesen, die er so sehr liebt, daß er sein Liebstes zu ihrer Rettung hingab. Er wird mit jedem Übeltäter abrechnen. Ez54 236 2 "Denn wer euch antastet, der tastet seinen Augapfel an." Sacharja 2,12.(8). "Befiehl dem Herrn deine Wege, und hoffe auf ihn; er wird's wohl machen und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag." Psalm 37,5.6. "Und der Herr ist des Armen Schutz, ein Schutz in der Not. Darum hoffen auf dich, die deinen Namen kennen; denn du verlässest nicht, die dich, Herr, suchen." Psalm 9,10.11. Ez54 236 3 Gott gebietet uns, dasselbe Mitleid andern gegenüber an den Tag zu legen, das er uns erzeigt. Wer rasch zur Tat, von sich eingenommen oder rachsüchtig ist, den lasse man auf jenen sanften und demütigen Mann blicken, der wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wurde und widerstandslos gleich einem Schaf vor seinen Scherern verstummte. Auf ihn sollte er schauen, den unsere Sünden durchbohrten, der unsere Schmerzen auf sich lud; dann wird er dulden, tragen und vergeben lernen. Ez54 236 4 Durch den Glauben an Christus kann jeder Mangel im Charakter behoben, jeder Flecken getilgt, jeder Fehler berichtigt, jede Tugend entwickelt werden. "Ihr seid vollkommen in ihm." Kolosser 2,10. Ez54 236 5 Gebet und Glaube sind eng verschwistert; sie müssen in ihrer Wechselbeziehung betrachtet werden. Im Gebet des Glaubens liegt eine göttliche Wissenschaft verborgen, eine Wissenschaft, die jeder, der sein Lebenswerk erfolgreich gestalten will, verstehen muß. Christus sagt: "Alles was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr's empfangen werdet, so wird's euch werden." Markus 11,24. Er macht deutlich, daß unsere Bitte dem Willen Gottes entsprechen muß. Wir sollen um das bitten, was er verheißen hat; und was wir dann empfangen, muß in der Durchführung seines Willens betätigt werden. Wenn wir diesen Bedingungen nachkommen, erfüllt sich die Verheißung unfehlbar. Ez54 237 1 Um die Vergebung der Sünden, um den Heiligen Geist, um eine christusähnliche Natur, um Weisheit und Stärke zum Betreiben seines Werkes, ja, um jede verheißene Gabe dürfen wir bitten; dann sollen wir auch glauben, daß wir empfangen werden, und Gott danken, daß wir empfangen haben. Wir brauchen nicht nach äußeren Segensbeweisen zu suchen. Die Gabe liegt bereits in der Verheißung; wir dürfen also in der Gewißheit an unser Werk gehen, daß Gott fähig ist, zu tun, was er versprochen hat, und daß die Gabe, die wir schon besitzen, dann wirksam wird, wenn es am dringendsten not tut. Ez54 237 2 Auf diese Weise in und mit dem Worte Gottes zu leben, bedeutet die völlige Übergabe unseres Wesens an ihn. Da fühlt man sich dann stets bedürftig und abhängig; das Herz verlangt nach Gott. Das Gebet ist eine Notwendigkeit, denn es verkörpert das Leben der Seele. Das Gebet im Familienkreis und die öffentliche Bitte haben durchaus ihren Platz; das Leben der Seele aber wird genährt durch die innige Gemeinschaft mit Gott im Verborgenen. Droben bei Gott auf dem Berge schaute Mose das Abbild jenes wunderbaren Gebäudes, das der Wohnplatz göttlicher Herrlichkeit sein sollte. Bei Gott auf dem Berge an der verborgenen Stätte der Zwiesprache mit Ihm sollen auch wir uns in sein hehres Entwicklungsziel für die Menschheit versenken. Dadurch werden wir befähigt, so an unserem inneren Menschen zu arbeiten, daß die Verheißung an uns in Erfüllung gehen kann: "Ich will unter ihnen wohnen und unter ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein." 2.Korinther 6,16. Ez54 237 3 In Stunden einsamen Gebetes empfing Jesus in seinem Erdenleben Weisheit und Kraft. Laßt die Jugend seinem Beispiel folgen und in der Morgen- und Abenddämmerung einige Augenblicke der Stille beiseitesetzen zur Zwiesprache mit dem Vater im Himmel. Aber auch den ganzen Tag über erhebe sie ihr Herz zu Gott. Bei jedem Schritt auf unserem Wege spricht er: "Ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand stärkt und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir!" Jesaja 41,13. Ez54 238 1 Könnten doch unsere Kinder dies an ihrem Lebensmorgen lernen! Welche Frische und Kraft, wieviel Freude und Schönheit würde dann in ihr Dasein einziehen! Ez54 238 2 Dies sind Lehren, die nur der vermitteln kann, der selbst gelernt hat. Nur deshalb, weil so viele Eltern und Lehrer vorgeben, an das Wort Gottes zu glauben, während ihr Leben seine Kraft verleugnet, übt der Inhalt der Schrift keine größere Wirkung auf die Jugend aus. Zuzeiten werden die jungen Menschen dahin gebracht, daß sie die Kraft des Wortes verspüren. Sie erkennen, wie köstlich die Liebe Christi ist. Sie sehen die Schönheit seines Wesens, die Möglichkeiten eines Lebens, das seinem Dienste geweiht wird. Aber im Gegensatz dazu sehen sie auch den Wandel derer, die bekennen, die Weisungen Gottes zu achten. Von wie vielen gilt das Wort, das zu dem Propheten Hesekiel gesprochen wurde: "Dein Volk redet ..., und einer spricht zum andern: Kommt doch und laßt uns hören, was der Herr sage. Und sie werden zu dir kommen in die Versammlung und vor dir sitzen als mein Volk und werden deine Worte hören, aber nicht darnach tun; sondern sie werden sie gern in ihrem Munde haben und gleichwohl fortleben nach ihrem Geiz. Und siehe, du mußt ihnen sein wie ein liebliches Liedlein, wie einer, der eine schöne Stimme hat und wohl spielen kann. Also werden sie deine Worte hören, und nicht darnach tun." Hesekiel 33,30-32. Ez54 238 3 Es ist eine Sache, die Bibel als ein Buch voll guter moralischer Belehrungen anzusehen, die beachtenswert sind, solange sie sich mit dem Geist der Zeit und unserer gesellschaftlichen Stellung vertragen; eine andere Sache aber ist es, sie als das zu betrachten, was sie wirklich ist -- als das Wort des lebendigen Gottes, das unser Leben bedeutet, das unsere Handlungen, Worte und Gedanken formen soll. Gottes Wort für etwas Geringeres als das zu halten heißt: es ablehnen. Und diese Art von Verwerfung von seiten derer, die daran zu glauben vorgeben, zählt zu den Hauptursachen der Zweifelsucht und des Unglaubens unter der Jugend. Ez54 239 1 Eine Hektik, wie sie nie zuvor beobachtet wurde, bemächtigt sich heute der Welt. Dem Vergnügen, dem Gelderwerb, dem Ringen um die Macht, ja sogar dem bloßen Kampf ums Dasein wohnt eine schreckliche Gewalt inne, die Leib, Seele und Geist völlig in ihren Bann zieht. Inmitten dieser tollen Hetze ertönt die Stimme Gottes. Er heißt uns abseits gehen und Zwiesprache mit ihm halten. "Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin." Psalm 46,11. Ez54 239 2 Viele kommen selbst in ihrer Andachtszeit um den Segen inniger Gemeinschaft mit Gott. Sie sind in zu großer Hast. Eiligen Schrittes dringen sie in den Bezirk der liebevollen Gegenwart Christi ein, verweilen vielleicht einen Augenblick in dem geheiligten Umkreis, doch ohne auf Weisung zu warten. Sie haben keine Zeit, bei dem göttlichen Lehrer zu verharren, und kehren mit ihren Lasten zu ihrem Werk zurück. Ez54 239 3 Diese Mitarbeiter im Werke Gottes können niemals zum höchsten Erfolg gelangen, bis sie das Geheimnis der Kraft begreifen. Sie müssen sich Zeit gönnen zum Nachdenken, zum Beten, zum Harren auf Gott, um eine Erneuerung der körperlichen, geistigen und geistlichen Kräfte zu erleben. Sie brauchen den veredelnden Einfluß seines Geistes. Wenn sie diesen empfangen, werden sie von neuem Leben durchpulst; der matte Körper und das müde Gehirn werden erfrischt, das beladene Herz wird leicht. Ez54 239 4 Was uns not tut, ist nicht ein flüchtiger Augenblick in Christi Gegenwart, sondern persönliche Berührung mit ihm, innige Gemeinschaft mit ihm zu seinen Füßen. Wohl den Kindern in unseren Heimen und den Schülern in unseren Schulen, wenn Eltern und Lehrer in ihrem eigenen Leben die köstliche Erfahrung machen, die in den Worten des Hohenliedes beschrieben ist: Ez54 240 1 "Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, So ist mein Freund unter den Söhnen. Ich sitze unter dem Schatten, des ich begehre, Und seine Frucht ist meiner Kehle süß. Er führt mich in den Weinkeller, Und die Liebe ist sein Panier über mir." Hohelied 2,3.4. ------------------------Kapitel 31: Die Lebensaufgabe Ez54 240 2 "Dies will ich tun." Ez54 240 3 Erfolg auf irgendeinem Gebiet erfordert ein bestimmtes Ziel. Wer im Leben wirklich erfolgreich arbeiten will, muß ständig den Blick auf das Ziel gerichtet halten, das seiner Mühe wert ist. Ein solches Ziel ist der heutigen Jugend vor Augen gestellt. Der gottgewiesene Plan, der Welt in dieser Generation das Evangelium zu bringen, ist der vornehmste Ruf, der einen Menschen erreichen kann. Er erschließt jedem, der innerlich von Christus berührt wurde, ein Feld der Betätigung. Ez54 240 4 Gottes Absicht für die an unserem Herde aufwachsenden Kinder ist weiter, tiefer und höher, als unser begrenztes Sehvermögen erfaßt hat. Menschen, die er als treu erkannte, hat er in vergangenen Zeiten aus den bescheidensten Verhältnissen berufen, damit sie an den höchsten Stellen dieser Welt für ihn zeugten. Und so mancher Junge von heute, der wie einst Daniel in seinem judäischen Heime aufwächst, das Wort und die Werke Gottes studiert und die Erfordernisse treuen Dienstes lernt, wird noch in gesetzgebenden Versammlungen, in Gerichtssälen und an Königshöfen als Zeuge für den König der Könige auftreten. Sehr viele werden zu einem weitreichenden Predigtdienst berufen. Die ganze Welt öffnet sich dem Evangelium. Mohrenland streckt seine Hände aus zu Gott. Aus Japan, China und Indien, von den dunklen Ländern Amerikas, aus allen Teilen der Welt kommt der Schrei sündenbeladener Herzen, die den Gott der Liebe kennenlernen möchten. Millionen und aber Millionen haben so gut wie nichts von Gott oder von seiner in Christus offenbarten Liebe gehört. Sie haben ein Recht darauf, diese Erkenntnis zu erlangen. Sie haben den gleichen Anspruch auf die Gnade des Erlösers wie wir. An uns ist es, die wir die Erkenntnis empfangen haben, und an unseren Kindern, denen wir sie mitgeben können, ihren Schrei zu beantworten. An jedes Heim, an jede Schule, an alle Eltern, Lehrer und Kinder, zu denen das Licht des Evangeliums gedrungen ist, ergeht in dieser Krisenzeit die Frage, die in jener bedeutsamen Entscheidungsstunde der Geschichte Israels an die Königin Ester gerichtet wurde: "Wer weiß, ob du nicht um dieser Zeit willen zur königlichen Würde gekommen bist?" Ester 4,14. Ez54 241 1 Wer überlegt, was die Beschleunigung oder die Behinderung der Evangeliumsverkündigung wohl für Folgen haben könnte, tut dies meist im Hinblick auf die Welt und sich selbst. Wenige denken dabei an Gott, wenige sind des Schmerzes eingedenk, den die Sünde unserem Schöpfer verursacht hat. Der ganze Himmel durchlitt Christi Todeskampf, aber sein Leiden begann und endete nicht mit seiner Offenbarung in Menschengestalt. Das Kreuz enthüllt unseren stumpfen Sinnen die Pein, die die Sünde schon seit ihrem Aufkommen dem Herzen Gottes bereitet hat. Jedes Abweichen vom Recht, jede grausame Tat, jedes Versagen der Menschheit beim Erstreben des von Gott gesetzten Zieles bereitet ihm Kummer. Als über Israel das Unglück hereinbrach, das sich unausweichlich aus seiner Trennung von Gott ergab: Unterjochung durch die Feinde, grausame Behandlung und Tod -- da wird vom Herrn gesagt: "Es jammerte ihn, daß Israel so geplagt ward." "Wer sie ängstete, der ängstete ihn auch ... Er nahm sie auf und trug sie allezeit von alters her." Richter 10,16; Jesaja 63,9. Ez54 242 1 Sein "Geist selbst vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen". Wie "die gesamte Schöpfung bis jetzt noch überall seufzt und mit Schmerzen einer Neugeburt harrt" (Römer 8,26.22, Menge), so wird auch das Herz des ewigen Vaters in mitfühlendem Schmerz gepeinigt. Unsere Welt ist ein großes Krankenlager, sie bietet ein Bild des Elends, das wir nicht in unsere Gedankenwelt aufzunehmen wagen. Sähen wir sie so, wie sie wirklich ist, dann wäre die Belastung zu schrecklich. Doch Gott fühlt bei allem mit. Um die Sünde und ihre Auswirkungen zu vernichten, gab er sein Liebstes dahin. Er hat uns die Macht gegeben, in Zusammenarbeit mit ihm dieses Trauerspiel zum Abschluß zu bringen. "Es wird gepredigt werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker, und dann wird das Ende kommen." Matthäus 24,14. Ez54 242 2 "Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur" (Markus 16,15), so lautet Christi Befehl an seine Nachfolger. Nicht als ob alle zu Predigern oder Missionaren im üblichen Sinne des Wortes berufen seien. Alle aber können Gottes Mitarbeiter sein, indem sie die "frohe Botschaft" an ihre Mitmenschen weitergeben. Der Befehl ergeht an jeden, ob groß oder klein, gelehrt oder unwissend, alt oder jung. Ez54 242 3 Können wir angesichts dieser Weisung unsere Söhne und Töchter zu einem Leben achtbarer Herkömmlichkeit und vorgeblicher Christlichkeit erziehen, dem aber die Selbsthingabe Christi fehlt? zu einem Leben, das denen, die es führen, vom Herzenskünder den Urteilsspruch einbringt: "Ich kenne euch nicht"? Ez54 242 4 Tausende handeln so. Sie glauben ihren Kindern die Segnungen des Evangeliums zu sichern, während sie doch seinen Geist verleugnen. Aber so etwas geht nicht. Wer die Gnade einer Gemeinschaft des Dienstes mit Christus zurückweist, lehnt damit die einzige Erziehung ab, die uns fähig macht, einmal an seiner Herrlichkeit teilzuhaben. Er verwirft die Schule, die uns in diesem Leben charakterliche Stärke und inneren Adel verleiht. Mancher Vater und manche Mutter, die von ihren Kindern das Kreuz Christi fernhielten, haben zu spät erfahren, daß sie sie damit dem Widersacher Gottes und der Menschen auslieferten. Sie besiegelten damit nicht nur für die Zukunft, sondern auch für dieses Leben das Verderben ihrer Kinder. Diese wurden von der Versuchung überwältigt. Sie wuchsen auf ein Fluch für die Welt und bereiteten denen Kummer und Schande, die ihnen das Leben geschenkt hatten. Ez54 243 1 Selbst in dem Bestreben, sich für den Dienst Gottes vorzubereiten, verlieren viele junge Leute durch falsche Ausbildungsmethoden das Ziel aus dem Auge. Es ist viel zu sehr üblich, das Leben als aus verschiedenen Abschnitten zusammengesetzt anzusehen: aus der Zeit des Lernens und der Zeit des Handelns, aus Vorbereitung und Durchführung. Zur Vorbereitung für ein Leben des Dienstes werden die jungen Leute in die Schule geschickt, um sich durch das Studium von Büchern Wissen anzueignen. Abgeschnitten von den Verantwortlichkeiten des Alltags, vertiefen sie sich ins Lernen und übersehen dabei oft den eigentlichen Zweck ihres Studiums. Die Glut ihrer ersten Hingabe erstirbt, und nur zu viele verfallen dann in einen persönlichen, selbstischen Ehrgeiz. Tausende haben nach ihrer Prüfung die Fühlung mit dem Leben verloren. Sie haben sich so lange mit dem Abstrakten und Theoretischen befaßt, daß sie unvorbereitet sind, wenn sie sich mit allen Fasern ihres Wesens einsetzen müssen, um die Wirklichkeit des harten Daseinskampfes zu bestehen. Statt in dem angestrebten edlen Werk gehen ihre Kräfte ganz im Ringen um die bloße Existenz auf. Nach wiederholten Enttäuschungen verzweifeln viele selbst daran, ihren Lebensunterhalt redlich verdienen zu können, und versinken in fragwürdige oder verbrecherische Gewohnheiten. Die Welt aber ist des Dienstes beraubt, den sie hätte empfangen können, und Gott ist der Seelen beraubt, die er so gern aufrichten, veredeln und als seine Beauftragten ehren wollte. Ez54 243 2 Viele Eltern begehen den Fehler, in Erziehungsangelegenheiten einen Unterschied zwischen ihren Kindern zu machen. Sie bringen fast jedes Opfer, um dem aufgeweckten und begabten die größten Vorteile zu sichern. Aber für das weniger versprechende Kind erachten sie es nicht als notwendig, ihm besondere Gelegenheiten zu bieten. Sie denken, zur Erfüllung der Pflichten des Alltags bedürfe es keiner großen Ausbildung. Ez54 244 1 Wer aber ist fähig, aus einer Familie die Kinder herauszusuchen, auf denen einmal die wichtigste Verantwortung ruhen wird? Wie oft hat sich das menschliche Urteil hier geirrt! Man erinnere sich an die Erfahrung Samuels, als er ausgesandt war, einen der Söhne Isais zum König über Israel zu wählen. Sieben stattliche junge Männer gingen an ihm vorüber. Als der Prophet auf den ersten blickte, der anmutige Züge, eine wohlgewachsene Gestalt und eine fürstliche Haltung aufwies, rief er aus: "Sicherlich steht hier vor dem Herrn der, den er zu seinem Gesalbten machen will." Aber Gott sprach: "Siehe nicht an seine Gestalt noch seine große Person; ich habe ihn verworfen. Denn es geht nicht, wie ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an." So lautete denn das Zeugnis von allen sieben: "Der Herr hat der keinen erwählt." 1.Samuel 16,6 (Menge). Erst als David von der Herde herbeigerufen wurde, konnte der Prophet seinen Auftrag erfüllen. Ez54 244 2 Die älteren Brüder, von denen Samuel einen erwählt hätte, besaßen nicht die Voraussetzungen, die Gott für einen Herrscher über sein Volk als notwendig erachtete. Stolz, egoistisch und selbstvertrauend, wie sie waren, wurden sie beiseitegesetzt um des einen willen, von dem sie nicht viel hielten, der sich die Schlichtheit und Aufrichtigkeit seiner Jugend bewahrt hatte und der, obwohl er sich für klein hielt, doch von Gott für die Verantwortlichkeiten des Königtums erzogen werden konnte. So sieht Gott auch heute noch in manchen Kindern, an denen die Eltern vorübergehen würden, Befähigungen, die weit über das hinausgehen, was andere, für vielversprechend gehaltene, aufweisen. Ez54 244 3 Und denken wir an die Möglichkeiten, die das Leben in sich birgt: wer vermag hier zu entscheiden, was groß und was klein sei? Wie mancher sich in den Niederungen des Lebens Mühende hat durch das Auslösen weltbeglückender Kräfte Ergebnisse erzielt, um die ihn Könige beneiden könnten! Ez54 245 1 Jedem Kinde lasse man deshalb eine Ausbildung für den höchsten Dienst zuteil werden. "Frühe säe deinen Samen und laß deine Hand des Abends nicht ab; denn du weißt nicht, ob dies oder das geraten wird." Prediger 11,6. Ez54 245 2 Der besondere uns im Leben zugewiesene Platz wird durch unsere Fähigkeiten bestimmt. Nicht alle Menschen entwickeln sich auf die gleiche Höhe oder verrichten mit gleicher Leistungskraft dieselbe Arbeit. Gott erwartet vom Ysop nicht, daß er die Ausmaße der Zeder gewinne, oder vom Olivenbaum, daß er zur Höhe der stattlichen Palme emporwachse. Aber jeder sollte sein Ziel so hoch stecken, wie es der Vereinigung göttlicher mit menschlicher Kraft erreichbar ist. Ez54 245 3 Viele werden nicht zu dem, was aus ihnen werden könnte, weil sie die Kraft, die in ihnen steckt, nicht aufbieten. Sie ergreifen nicht in dem Maße die Hand der Allmacht, wie es ihnen möglich wäre. Viele werden von dem Wege abgebracht, auf dem sie den echtesten Erfolg erzielen könnten. In dem Streben nach größerer Ehre oder nach angenehmeren Aufgaben nehmen sie etwas in Angriff, für das sie nicht gerüstet sind. Gar mancher, dessen Gaben ihn zu einem anderen Beruf geschickt machen, hat den Ehrgeiz, eine geistige Tätigkeit auszuüben; er also, der ein tüchtiger Landwirt, Handwerker oder Krankenpfleger sein könnte, füllt nur unzulänglich die Stellung eines Predigers, eines Rechtsanwaltes oder eines Arztes aus. Dann gibt es wiederum andere, die ein verantwortungsvolles Amt hätten innehaben können und die sich doch aus Mangel an Tatkraft, Fleiß oder Ausdauer mit einem leichteren Posten zufriedengeben. Ez54 245 4 Wir müssen uns genauer an den göttlichen Lebensentwurf halten. In jeder nächstliegenden Arbeit unser Bestes zu leisten, unsere Wege Gott anzubefehlen und die Winke seiner Vorsehung zu beachten das sind Regeln, die bei der Wahl eines Berufes sichere Führung verbürgen. Ez54 245 5 Er, der vom Himmel herabkam, um unser Vorbild zu sein, verbrachte fast dreißig Jahre seines Lebens bei gewöhnlicher handwerklicher Tätigkeit. Aber während dieser Zeit studierte er die Worte und die Werke Gottes. Auch half er allen in seinem Einflußbereich und lehrte sie. Als er sein öffentliches Predigtamt antrat, ging er umher, heilte die Kranken, tröstete die Traurigen und verkündigte das Evangelium den Armen. Das ist auch die Aufgabe aller seiner Nachfolger. Ez54 246 1 "Der Größte unter euch", so sagte er, "soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener. Denn ... ich ... bin unter euch wie ein Diener." Lukas 22,26.27. Ez54 246 2 Liebe und Treue zu Christus bilden die Quelle jedes echten Dienstes. In einem Herzen, das durch seine Liebe berührt wurde, entsteht ein Verlangen danach, für ihn zu wirken. Diese Sehnsucht gilt es zu stärken und richtig zu lenken. Ob im Heim, in der Nachbarschaft oder in der Schule man sollte die Anwesenheit eines Armen, Betrübten, Unwissenden oder Elenden nicht als Mißgeschick, wohl aber als kostbare Gelegenheit zum Dienen betrachten. Ez54 246 3 Zu diesem Werk wird man wie bei jedem anderen durch die Arbeit selbst geschickt. Durch Übung in den alltäglichen Pflichten des Lebens, im Dienst an den Bedürftigen und Leidenden erwirbt man sich Tüchtigkeit. Andernfalls erweisen sich die bestgemeinten Anstrengungen oft als nutzlos und sogar schädlich. Im Wasser, nicht auf dem Lande, lernt der Mensch schwimmen. Ez54 246 4 Eine andere Verpflichtung, die man nur zu oft zu leicht nimmt, die aber dem jungen Menschen, der den Ruf Christi vernommen hat, klargemacht werden muß, ist die Bindung an die Gemeinde. Ez54 246 5 Die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde ist sehr innig und heilig: er verkörpert den Bräutigam und sie die Braut, er das Haupt und sie den Leib. Die Verbindung mit Christus schließt also auch die Zugehörigkeit zu seiner Gemeinde in sich. Die Gemeinde ist zum Dienen bestellt; in einem Leben des Dienstes für Christus bildet deshalb der Anschluß an die Gemeinschaft der Gläubigen einen der ersten Schritte. Treue zu Christus erfordert die gewissenhafte Erfüllung von Pflichten in der Gemeinde. Dies macht einen wichtigen Teil der Erziehung aus; und eine Gemeinde, die vom Leben des Meisters durchdrungen ist, wird dadurch unmittelbar zu Bemühungen für die Menschen draußen getrieben. Ez54 247 1 Es gibt viele Gebiete, auf denen die Jugend Gelegenheit zum Hilfsdienst finden kann. Laßt sie christliche Helfergruppen bilden; dieses Zusammenwirken wird manchen stützen und ermutigen. Eltern und Lehrer, die die Unternehmungen der jungen Leute lebhaft verfolgen, werden ihnen mit ihrer eigenen größeren Erfahrung nützen und ihren Bemühungen zu fruchtbarster Wirkung verhelfen können. Ez54 247 2 Eine Sache kennen führt zu Teilnahme, und Teilnahme treibt zu wirksamem Dienst. Man mache die Kinder und Jugendlichen, um in ihnen das Mitgefühl und den Opfergeist für die leidenden Millionen in "fernen Landen" zu wecken, mit diesen Gebieten und ihrer Bevölkerung vertraut. In dieser Hinsicht könnten unsere Schulen viel bewirken. Statt bei den Ruhmestaten von Geschichtshelden, wie Alexander und Napoleon, zu verweilen, lasse man die Schüler das Leben von Männern, wie Paulus und Martin Luther, wie Moffat, Livingstone und Carey, studieren. Dazu käme die Entwicklung der Mission, wie sie sich bis zur Stunde vor unseren Augen abspielt. Statt das Gedächtnis mit einem Wust von Namen und Theorien zu belasten, die keine Beziehung zum Leben der Schüler haben und denen sie außerhalb des Schulzimmers kaum Beachtung schenken, lasse man sie alle Länder im Lichte missionarischer Bemühungen betrachten und sich mit den Völkern und ihren Nöten befassen. Ez54 247 3 Im gegenwärtigen Schlußabschnitt der Evangeliumsverkündigung ist ein weites Feld zu bearbeiten, und mehr als je zuvor müssen Helfer aus dem einfachen Volk mit herangezogen werden. Der Meister wird Jugendliche und bejahrtere Personen vom Acker, vom Weinberg und von der Werkbank weg berufen und sie als Träger seiner Botschaft hinaussenden. Viele von ihnen hatten kaum Gelegenheit zur Ausbildung, aber Christus sieht Eigenschaften in ihnen, die sie zur Durchführung seines Planes befähigen. Wenn sie sich mit ganzem Herzen ans Werk begeben und Lernende bleiben, wird er sie zu seinem Dienst tüchtig machen. Ez54 248 1 Er, der die Tiefen des Elends und der Verzweiflung dieser Welt kennt, weiß auch, was helfen kann. Allenthalben sieht er Seelen in der Finsternis, die von Sünde, Leid und Schmerz niedergebeugt sind. Aber er nimmt auch wahr, welche Möglichkeiten in ihnen schlummern; er erkennt, zu welchen Höhen sie emporzuklimmen vermögen. Obzwar irdische Wesen die Gnadenerweisungen des Himmels mißbraucht, ihre Gaben vergeudet und die Würde gottähnlichen Menschentums verloren haben, soll doch der Schöpfer in ihrer Erlösung verherrlicht werden. Ez54 248 2 Die Verpflichtung, für diese Hilfsbedürftigen an den rauhen Örtern der Erde zu wirken, legt Christus auf die Menschen, die mit den Unwissenden und Irrenden mitfühlen können. Er ist zur Stelle, um denen zu helfen, deren Herz das Mitleid kennt, mögen auch ihre Hände rauh und ungeschult sein. Er wird durch solche Menschen wirken, die im Elend noch Gnade und im Verlust noch einen möglichen Gewinn sehen. Wenn uns das Licht der Welt begegnet, werden wir Gnade in der Mühsal, Ordnung im Wirrwarr und Erfolg im scheinbaren Fehlschlag entdecken. Unglück zeigt sich dann als verhüllter Segen und Leid als Barmherzigkeit. Mitarbeiter Christi aus dem einfachen Volke, die die Kümmernisse ihrer Mitmenschen teilen, so wie ihr Meister die Leiden der ganzen Menschheit mittrug, werden im Glauben den Herrn an ihrer Seite wirken sehen. Ez54 248 3 "Des Herrn großer Tag ist nahe; er ist nahe und eilt sehr." Zephanja 1,14. Und es gilt, eine Welt zu warnen. Tausende und aber Tausende von jungen und älteren Leuten sollten sich nach bestmöglicher Vorbereitung diesem Werk widmen. Schon erwidern viele Herzen den Ruf des Meisters, und ihre Zahl wird noch zunehmen. Jeder christliche Erzieher möge solchen Helfern freundschaftliche Teilnahme entgegenbringen und mit ihnen zusammenwirken. Er sollte die ihm anvertraute Jugend ermutigen und unterstützen, wenn sie sich darauf vorbereitet, in die Reihen der Missionsfreiwilligen einzutreten. Ez54 249 1 Es gibt kein Arbeitsgebiet, auf dem der Jugend größerer Segen erwachsen könnte. Alle, die sich dem Amt der Verkündigung weihen, verkörpern Gottes helfende Hand. Sie sind Mitarbeiter der Engel; besser noch: sie bilden die menschlichen Werkzeuge, mit Hilfe derer die Engel ihren Auftrag ausrichten. Himmlische Boten reden durch ihren Mund und wirken durch ihre Hand. Die menschlichen Mitarbeiter ziehen im Zusammenwirken mit himmlischen Wesen Nutzen aus deren Erziehung und Erfahrung. Welcher Universitätslehrgang kann sich als Bildungsweg damit vergleichen? Ez54 249 2 Wie bald könnte mit einem Heer von Mitarbeitern, wie es unsere Jugend bei richtiger Erziehung zu stellen vermag, die Botschaft von einem gekreuzigten, auferstandenen und bald wiederkommenden Heiland der ganzen Welt gebracht werden! Wie schnell könnte das Ende kommen der Abschluß aller Leiden, Kümmernisse und Sünden! Wie bald dürften unsere Kinder statt eines irdischen Besitztums, dem Schuld und Weh anhaften, ihr Erbe in Empfang nehmen. "Die Gerechten erben das Land und bleiben ewiglich darin", und "kein Einwohner wird sagen: Ich bin schwach", und man wird nie mehr "die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens" (Psalm 37,29; Jesaja 33,24; Jesaja 65,19) hören. Ez54 249 3 "Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." Johannes 20,21. ------------------------Kapitel 32: Vorbereitung Ez54 253 0 "Befleißige dich, Gott dich zu erzeigen als einen rechtschaffenen und unsträflichen Arbeiter." Ez54 253 1 Die erste Lehrerin des Kindes ist die Mutter. In den Jahren stärkster Empfänglichkeit und raschester Entwicklung liegt seine Erziehung großenteils in ihren Händen. Ihr bietet sich die erste Gelegenheit, den Charakter zum Guten oder zum Schlechten hin zu prägen. Sie sollte den Wert dieser Gelegenheit schätzen und mehr als jeder andere Lehrer dazu imstande sein, das Beste daraus zu machen. Es gibt jedoch niemand, an dessen Ertüchtigung man so wenig denkt wie an ihre. Zur Unterstützung der Mutter, deren erzieherischer Einfluß am stärksten und am weitestreichend ist, wendet man am wenigsten planmäßige Mühe auf. Ez54 253 2 Die Mütter, denen die Sorge für das Kleinkind anvertraut ist, verstehen zu oft gar nichts von seinen körperlichen Bedürfnissen; sie wissen wenig von den Gesundheitsgesetzen oder von den Grundlinien körperlicher Entwicklung, sind auch um nichts besser gerüstet, für das geistige und geistliche Wachstum des Kindes zu sorgen. Sie mögen fähig sein, Geschäfte abzuwickeln oder in Gesellschaft zu glänzen; sie mögen in Literatur und Wissenschaft Beachtliches aufzuweisen haben, aber von der Erziehung eines Kindes haben sie wenig Ahnung. Es ist hauptsächlich auf diesen Mangel zurückzuführen, besonders auf die frühe Vernachlässigung der körperlichen Entwicklung, daß ein so großer Teil der Menschheit bereits im Kindesalter stirbt und daß es unter denen, welche die Lebensreife erreichen, so viele gibt, denen das Leben nichts als eine unerträgliche Last ist. Ez54 253 3 Auf Vater und Mutter ruht eine Verantwortung für die frühe und auch für die spätere Erziehung des Kindes. Für beide Eltern erhebt sich gebieterisch die Forderung nach sorgfältiger und gründlicher Vorbereitung. Ehe Männer und Frauen das Wagnis einer Vater- bzw. Mutterschaft auf sich nehmen, sollten sie sich mit den Gesetzen der körperlichen Entwicklung vertraut machen: mit Physiologie und Hygiene, mit der Bedeutung vorgeburtlicher Einflüsse, mit den Vererbungsgesetzen, mit Gesundheitspflege und richtiger Bekleidung, mit Bewegungsübungen und der Behandlung von Krankheiten. Auch müßten sie die Grundregeln geistiger Entwicklung und sittlicher Schulung verstehen. Ez54 254 1 Diese Erziehungsarbeit hält der ewige Gott für so wichtig, daß er Boten von seinem Throne zu einer werdenden Mutter sandte, um die Frage zu beantworten: "Welches soll des Knaben Weise und Werk sein?" (Richter 13,12) und einen Vater über die Erziehung des verheißenen Sohnes zu belehren. Ez54 254 2 Niemals wird die Erziehung all das bewirken, was sie zustande bringen sollte, ehe nicht die Bedeutung der elterlichen Mitwirkung voll erkannt ist und die Eltern eine Ausbildung für ihre heilige Verantwortung erhalten haben. Ez54 254 3 Allgemein wird die Notwendigkeit einer vorbereitenden Schulung für den Lehrer bejaht, aber nur wenige sind sich über die Art der wesentlichsten Vorbereitung im klaren. Wer sich der Verantwortung, die die Jugenderziehung mit sich bringt, bewußt ist, wird erkennen, daß der Unterricht in naturwissenschaftlichen und literarischen Fächern allein nicht genügen kann. Der Lehrer sollte über eine umfassendere Ausbildung verfügen, als sie durch bloßes Bücherstudium erworben wird. Er muß nicht nur geistige Stärke, sondern auch geistige Weite besitzen. Mit ganzer Seele sollte er bei der Sache sein, aber auch mit einem warmen, weiten Herzen. Ez54 254 4 Gott allein, der den Verstand schuf und seine Gesetze bestimmte, kann seine Bedürfnisse voll und ganz verstehen und seine Entwicklung lenken. Die Erziehungsgrundsätze, die er niedergelegt hat, bieten die einzig sichere Führung. Es ist für jeden Lehrer wichtig, diese Grundsätze so gründlich zu kennen und sie zu bejahen, daß sie zu einer beherrschenden Macht in seinem Leben werden. Ez54 255 1 Erfahrung in praktischen Dingen ist unerläßlich. Ordnung, Gründlichkeit, Pünktlichkeit, Selbstbeherrschung, Frohsinn, Ausgeglichenheit, Selbstaufopferung, Redlichkeit und Höflichkeit sind wesentliche Eigenschaften. Ez54 255 2 Da die Jugend von so vielen minderwertigen Charaktereigenschaften und viel Heuchelei umgeben ist, tut es um so mehr not, daß Haltung, Worte und Benehmen des Lehrers ein edles und wahrhaftes Menschentum verkörpern. Kinder durchschauen schnell jede Künstelei oder irgendwelche andere Schwächen und Mängel. Der Lehrer kann sich die Achtung seiner Schüler auf keine andere Weise erringen, als daß er in seinem eigenen Wesen die Grundsätze offenbart, die er ihnen einzuprägen sucht. Nur soweit er das in seinem täglichen Umgang mit ihnen verwirklicht, vermag er einen dauernden Einfluß zum Guten auf sie auszuüben. Ez54 255 3 Fast alle übrigen Eigenschaften, die den Erfolg des Lehrers bestimmen, hängen großenteils von seiner körperlichen Energie ab. Je besser seine Gesundheit ist, desto Besseres wird er leisten. Ez54 255 4 Seine verantwortungsvollen Aufgaben sind so aufreibend, daß er bewußt etwas unternehmen muß, um Kraft und Frische zu bewahren. Hirn und Herz werden ihm oft matt, und dann neigt er fast unwiderstehlich zu Niedergeschlagenheit, Gleichgültigkeit oder Reizbarkeit. Es ist seine Pflicht, solchen Stimmungen nicht nur nicht nachzugeben, sondern bereits die Ursachen abzustellen. Er soll sich ein reines, sanftes, vertrauenerweckendes und mitfühlendes Gemüt bewahren. Um immer ruhig, fest und heiter zu bleiben, muß er sich die Spannkraft von Gehirn und Nerven erhalten. Ez54 255 5 Da in seiner Arbeit Qualität viel wichtiger ist als Quantität, sollte er sich vor Überarbeitung hüten und in seinem eigenen Pflichtenkreis nicht zuviel in Angriff nehmen. Er darf auch nicht berufsfremde Verantwortlichkeiten auf sich laden, die ihn zu seiner eigentlichen Aufgabe untüchtig machen. Ferner hüte er sich davor, an solchen Vergnügungen und gesellschaftlichen Veranstaltungen teilzunehmen, die eher eine Erschöpfung als eine Erholung bedeuten. Ez54 256 1 Bewegung im Freien, besonders bei nützlicher Arbeit, ist eines der besten Mittel zur Erholung von Körper und Geist. Durch das Beispiel des Lehrers werden seine Schüler zu körperlicher Arbeit angeregt und werden sie wertschätzen lernen. Ez54 256 2 Der Lehrer sollte in jeder Hinsicht die Gesundheitsregeln gewissenhaft beachten, und zwar nicht nur im Hinblick auf seine eigene Leistungsfähigkeit, sondern auch wegen der Wirkung auf seine Schüler. In allen Dingen sei er mäßig und gebe ein Beispiel in der Ernährung sowie in der Kleidung, Arbeit und Erholung. Ez54 256 3 Mit körperlicher Gesundheit und charakterlicher Rechtschaffenheit sollten sich hohe wissenschaftliche Fähigkeiten verbinden. Je mehr wirkliches Wissen der Lehrer besitzt, desto besser wird sein Werk ausfallen. Das Schulzimmer ist kein Ort für oberflächliche Arbeit. Ein Lehrer, der sich mit einem Halbwissen zufrieden gibt, wird es nie zu etwas Tüchtigem bringen. Ez54 256 4 Doch die Brauchbarkeit des Lehrers hängt nicht so sehr von der tatsächlichen Menge seiner Kenntnisse ab als von dem Ziel, nach dem er strebt. Der wahre Erzieher ist ein Feind schwerfälligen, trägen Denkens oder eines ungenauen Gedächtnisses; er trachtet beständig nach höheren Leistungen und nach besseren Methoden. Sein Leben ist ein unaufhörliches Wachstum. Im Wirken eines solchen Lehrers liegt eine frische und belebende Kraft, die seine Schüler aufmuntert und begeistert. Ez54 256 5 Der Lehrer muß sich für sein Werk als tauglich erweisen. Er muß die Weisheit und den Takt besitzen, die der Umgang mit Menschenseelen erfordert. Seine wissenschaftlichen Kenntnisse mögen noch so groß sein, seine Fähigkeiten auf anderen Gebieten noch so hervorragend: wenn er die Achtung und das Vertrauen seiner Schüler nicht gewinnt, ist all sein Mühen umsonst. Ez54 256 6 Es werden Lehrer gebraucht, die schnell jede Möglichkeit zum Gutestun erkennen und nutzen, Lehrer, die wahre Würde mit Begeisterung verbinden, die fähig sind zum Lehren und Leiten, die zum Denken anregen, die Tatkraft wecken und Mut und echtes Leben vermitteln können. Ez54 257 1 Die Bildungsmöglichkeiten eines Lehrers mögen beschränkt gewesen sein, so daß er vielleicht nicht die hohen wissensmäßigen Voraussetzungen mitbringt, wie sie wünschenswert sind. Wenn er jedoch einen wirklichen Einblick in die menschliche Natur hat, wenn ihn eine echte Liebe zu seiner Arbeit, ein Gefühl für ihre Größe und die Entschlossenheit, immer Besseres zu leisten, erfüllen, wenn er gewillt ist, ernst und ausdauernd zu arbeiten, dann wird er verstehen, was seinen Schülern not tut. Er wird sie durch sein Einfühlungsvermögen und durch seinen beweglichen Geist zum Mitgehen begeistern, während er sie vorwärts und aufwärts zu führen sucht. Ez54 257 2 Die vom Lehrer betreuten Kinder und Jugendlichen unterscheiden sich stark in ihren Neigungen und Gewohnheiten und in ihrer Erziehung. Manche von ihnen haben kein bestimmtes Ziel oder keine festen Grundsätze. Man muß sie dahin bringen, daß sie sich ihrer Verantwortung und ihrer Möglichkeiten bewußt werden. Nur wenige Kinder sind von Haus aus richtig erzogen. Manche sind verwöhnte Lieblinge gewesen, deren ganze Erziehung oberflächlich verlief. Da sie ihrer Neigung folgen durften und Lasten und Verantwortungen aus dem Wege gehen konnten, fehlt es ihnen an Festigkeit, Ausdauer und Selbstverleugnung. Diese Kinder betrachten oft alle Zucht als unnötige Einengung. Andere wurden getadelt und entmutigt. Willkürliche Einschränkungen und Härte haben Widerspenstigkeit und Trotz in ihnen entwickelt. Sollen diese verbogenen Charaktere wieder umgeformt werden, so muß die Arbeit in den meisten Fällen durch den Lehrer geschehen. Um sie erfolgreich durchzuführen, muß er jenes Mitgefühl und jene Einsicht besitzen, die ihn befähigen, die offenbaren Fehler und Irrtümer in seinen Schülern auf ihren Ursprung zurückzuführen. Auch muß er Takt und Geschicklichkeit, Geduld und Festigkeit aufweisen, um jedem die notwendige Hilfe zu leisten: Die Unentschlossenen und Bequemen ermuntert und fördert er in einer Art, die sie zu Anstrengungen anspornt. In den Entmutigten weckt er durch ein verständnisvolles Wort der Anerkennung Vertrauen und macht schlummernde Kräfte frei. Ez54 258 1 Lehrer versäumen es oft, genügend geselligen Umgang mit ihren Schülern zu pflegen. Sie legen zu wenig Teilnahme und Zartgefühl an den Tag und zuviel von der Würde eines strengen Richters. Der Lehrer muß zwar fest und entschieden sein, keinesfalls aber darf er überfordern und Zwang ausüben. Sich hart, streng und kühl seinen Schülern zeigen oder sie gleichgültig behandeln heißt: sich die letzten Zugänge versperren, durch die man sie zum Guten beeinflussen könnte. Ez54 258 2 Unter keinen Umständen sollte der Lehrer irgend jemanden vorziehen. Wenn er den liebenswerten, anziehenden Schüler begünstigt und sich gegen die, die am meisten der Ermutigung und der Hilfe bedürfen, kritisch, ungeduldig oder unfreundlich verhält, verrät er damit eine völlig falsche Auffassung von der Arbeit des Erziehers. Gerade im Umgang mit den Unvollkommenen, Schwererziehbaren wird der Charakter erprobt und erweist es sich, ob der Lehrer wirklich für sein Amt taugt. Ez54 258 3 Groß ist die Verantwortung derer, die es auf sich nehmen, eine Menschenseele zu leiten. Wahre Väter und Mütter sehen darin eine Vertrauensaufgabe, die für sie nie ganz erlischt. Das Kind fühlt vom ersten bis zum letzten Tag die Macht des Bandes, mit dem es an das Herz der Eltern geknüpft ist. Die Handlungen, die Worte, der bloße Blick der Eltern prägen es unaufhörlich zum Guten oder zum Bösen hin. Der Lehrer teilt diese Verantwortung; er muß sich daher ständig dieser heiligen Berufung bewußt sein und das Ziel seiner Arbeit im Auge behalten. Er soll nicht nur seine täglichen Pflichten erfüllen, seine Vorgesetzten befriedigen und den Ruf der Schule wahren; er muß vielmehr an das höchste Wohl seiner Schüler als Einzelmenschen denken und die Pflichten, die das Leben ihnen auferlegen wird, den Dienst, den es erfordert, und die dazu nötige Vorbereitung in Betracht ziehen. Die vom Lehrer tagtäglich verrichtete Arbeit übt auf seine Schüler und durch sie wiederum auf andere einen Einfluß aus, der sich bis zum Ende der Zeiten unaufhörlich verstärkt und ausweitet. Er muß an jenem großen Tag, da jedes Wort und jede Tat von Gott überprüft werden, für die Ergebnisse seines Lebenswerkes geradestehen. Ez54 259 1 Der Lehrer, der sich darüber im klaren ist, wird nicht das Gefühl haben, daß seine Arbeit getan ist, wenn er seine täglichen Unterrichtsstunden "geleistet" hat und die Schüler dann eine Zeitlang seiner unmittelbaren Fürsorge entrückt sind. Er wird diese Kinder und Jugendlichen auf dem Herzen tragen. Wie er sie auf die edelste Stufe menschlicher Entwicklung führen kann, wird sein stetes Forschen und Bemühen sein. Ez54 259 2 Wer die günstigen Gelegenheiten und Vorzüge seines Wirkens kennt, läßt sich durch nichts in seinem ernsten Ringen um Vervollkommnung hindern. Er spart keine Mühe, um den höchsten Grad der Vollendung zu erreichen. Er strebt danach, alles das zu sein, wozu er seine Schüler erziehen möchte. Ez54 259 3 Je tiefer das Verantwortungsgefühl des Lehrers ist, und je ernster seine Bemühungen um Vervollkommnung sind, desto klarer wird er die Mängel empfinden, die seine Brauchbarkeit beeinträchtigen, und desto heftiger wird er sie bedauern. Wenn er die Größe seines Werkes, seine Schwierigkeiten und Möglichkeiten ins Auge faßt, wird er innerlich oft seufzen: "Wer ist hierzu tüchtig?" Mein Freund, wenn du dir in deinem Lehramt deines Bedürfnisses nach Kraft und Führung bewußt wirst eines Bedürfnisses, das aus keiner menschlichen Quelle gestillt werden kann, dann bitte ich dich: Denke an die Verheißungen Gottes, der da "heißt Wunderbar, Rat". Er spricht: "Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offene Tür, und niemand kann sie zuschließen." Offenbarung 3,8. "Rufe mich an, so will ich dir antworten." "Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten." Jeremia 33,3; Psalm 32,8. "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Matthäus 28,20. Ez54 259 4 Als höchste Vorbereitung für dein Werk verweise ich dich auf die Worte, auf das Leben und die Arbeitsweise des Fürsten unter den Erziehern. Ich bitte dich, blicke auf ihn. Hier ist dein wahres Vorbild. Betrachte es, versenke dich darein, bis der Geist des göttlichen Lehrers von deinem Herzen und Leben Besitz ergreift. "Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit ... und wir werden verklärt in dasselbe Bild." 2.Korinther 3,18. Das ist das Geheimnis deiner Macht: Spiegle Christi Wesen wider! ------------------------Kapitel 33: Zusammenarbeit Ez54 260 0 "Untereinander ist einer des andern Glied." Ez54 260 1 Bei der Bildung des Charakters wirkt kein Einfluß so stark wie der des Heimes. Die Arbeit des Lehrers sollte das Werk der Eltern ergänzen, aber nicht an dessen Stelle treten. In allem, was die Wohlfahrt des Kindes betrifft, müssen sich Eltern und Lehrer um Zusammenarbeit bemühen. Ez54 260 2 Das Zusammenspiel sollte schon im häuslichen Leben bei Vater und Mutter selbst beginnen. In der Erziehung ihrer Kinder tragen sie eine gemeinsame Verantwortung; sie müssen daher stets bemüht sein, einträchtig zu handeln. Sie sollten sich Gott übergeben und seine Hilfe suchen, um sich gegenseitig zu stützen. Ihre Kinder sollten sie lehren, Gott, den Grundsätzen und damit sich selbst und allen, mit denen sie verbunden sind, treu zu sein. So erzogen, werden sie, wenn man sie zur Schule schickt, nicht zu Störungen und zur Besorgnis Anlaß geben. Sie werden ihren Lehrern eine Hilfe und ihren Mitschülern ein Vorbild und eine Quelle der Ermutigung sein. Ez54 260 3 Eltern, die eine derartige Erziehung vermitteln, gehören wahrscheinlich nicht zu denen, die den Lehrer kritisieren. Sie haben ein echtes Gefühl dafür, daß beides, das Wohl ihrer Kinder und die Gerechtigkeit der Schule gegenüber, es erfordert, den Menschen, der ihre Verantwortung teilt, so weit wie möglich zu unterstützen und zu ehren. Hierin fehlen viele Eltern. Durch ihre voreilige, unbegründete Kritik wird der Einfluß des treuen, aufopfernden Lehrers oft fast völlig zunichte gemacht. Zahlreiche Eltern haben ihre Kinder durch Nachgiebigkeit verzogen und überlassen dem Lehrer die unangenehme Aufgabe, ihre Nachlässigkeit wiedergutzumachen; und dabei erschweren sie noch seine Arbeit durch ihre eigene Haltung fast bis zur Hoffnungslosigkeit. Ihre Kritik und ihr Nörgeln an der Handhabung des Unterrichts nährt in den Kindern die Unbotmäßigkeit und bestärkt sie in verkehrten Gewohnheiten. Ist es nötig, Kritik oder Anregungen an den Lehrer heranzutragen, dann sollte das vertraulich geschehen. Erweist sich dies als unwirksam, dann übergebe man die Angelegenheit der Schulleitung. Nichts sollte jedoch gesagt oder getan werden, was die Achtung der Kinder vor dem Menschen schmälert, von dem ihr späteres Wohl abhängt. Ez54 261 1 Es wäre dem Lehrer eine Hilfe, wenn ihm die Eltern aus der genauen Kenntnis ihrer Kinder heraus mitteilen könnten, welchen Charakter und welche körperlichen Besonderheiten oder Gebrechen diese aufweisen. Bedauerlich ist es, daß so viele Leute dies nicht einsehen. Die meisten Eltern fühlen sich kaum genötigt, sich von den Fähigkeiten des Lehrers zu überzeugen oder mit ihm zusammenzuarbeiten. Ez54 261 2 Da sich die Eltern so selten mit dem Lehrer bekannt machen, ist es um so wichtiger, daß der Lehrer die Bekanntschaft der Eltern anstrebt. Er sollte die Heime seiner Schüler besuchen und die Einflüsse kennenlernen, die sie umgeben. Wenn er persönlich mit ihrem Zuhause und ihren Lebensumständen in Berührung kommt, kann er das Band festigen, das ihn mit seinen Schülern verbindet, und er lernt vielleicht, besser mit ihren Neigungen und Temperamenten fertig zu werden. Ez54 261 3 Wenn der Lehrer sich um die Erziehung im Heim kümmert, schafft er doppelten Nutzen. Viele Eltern, die ganz in Arbeit und Sorgen aufgehen, sind blind für die günstigen Gelegenheiten, das Leben ihrer Kinder zum Guten zu beeinflussen. Der Lehrer kann dann viel tun, um die Eltern auf ihre Möglichkeiten und Pflichten aufmerksam zu machen. Er wird wieder andere finden, denen das Wissen um ihre Verantwortung zur schweren Bürde wird: so sehr sind sie darauf bedacht, ihre Kinder zu guten, brauchbaren Männern und Frauen zu erziehen. Oft kann der Lehrer diesen Eltern ihre Last tragen helfen; durch gegenseitige Beratung werden beide, Eltern und Lehrer, ermutigt und gestärkt. Ez54 261 4 Für die Erziehung der Jugend im Heim ist der Grundsatz der Mitarbeit von unschätzbarem Wert. Die Kinder sollten von frühester Jugend an das Gefühl haben, daß sie einen Teil der Hausgemeinschaft bilden. Selbst die Kleinen muß man dazu anhalten, sich in die täglichen Pflichten einzuschalten, und ihnen das Gefühl geben, daß man ihre Hilfe braucht und schätzt. Die älteren Kinder sollten die Gehilfen ihrer Eltern sein, auf ihre Pläne eingehen und ihre Last und Verantwortung teilen. Väter und Mütter sollen sich Zeit nehmen, ihre Kinder zu belehren; sie müssen ihnen zeigen, daß ihre Hilfe etwas wert ist. Es gilt, um ihr Vertrauen zu werben und Freude an ihrer Gesellschaft zu haben. Dann werden die Kinder nicht zögern, darauf einzugehen. Damit wird nicht nur die Last der Eltern erleichtert und den Kindern eine praktische Schulung von unschätzbarem Wert zuteil: auch die häuslichen Bande werden gestärkt und die charakterlichen Grundlagen vertieft. Ez54 262 1 Zusammenarbeit sollte die Atmosphäre des Schulzimmers bestimmen und zum Lebensgesetz darin werden. Der Lehrer, der seine Schüler zur Mitarbeit gewinnt, sichert sich damit eine unschätzbare Hilfe zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Beim Dienst im Schulzimmer fände so mancher Junge, dessen Ruhelosigkeit zu Störungen und zur Aufsässigkeit führt, ein Ventil für seine überschüssigen Kräfte. Die Älteren sollten die Jüngeren, die Starken die Schwachen unterstützen. Möglichst jeden Schüler soll man zu einer Betätigung auffordern, bei der er sich auszeichnet. Das wird seine Selbstachtung heben und den Wunsch in ihm wecken, sich nützlich zu machen. Ez54 262 2 Es wäre sowohl der Jugend wie auch den Eltern und Lehrern dienlich, wenn sie sich mit dem beschäftigten, was die Heilige Schrift über Zusammenarbeit lehrt. Unter den vielen Beispielen dafür betrachte man den Bau der Stiftshütte jenes Gleichnis für Charakterbildung, zu dem das ganze Volk sich vereinigte, "alle die ... gern und willig gaben". 2.Mose 35,21. Ez54 262 3 Man lese, wie die Mauern Jerusalems von den heimgekehrten Gefangenen wieder errichtet wurden, und zwar inmitten von Armut, Beschwernis und Gefahr. Die große Aufgabe wurde erfolgreich durchgeführt, denn "das Volk gewann ein Herz zu arbeiten". Nehemia 3,38; (4,6). Man denke daran, welche Rolle die Jünger bei jenem Wunder des Heilandes spielten, als er die Menge speiste. Die Nahrung vermehrte sich in den Händen Christi, seine zwölf Jünger aber nahmen die Brotlaibe entgegen und reichten sie der wartenden Schar. Ez54 263 1 "Untereinander ist einer des andern Glied." Römer 12,5. Da denn jeder eine Gabe erhalten hat, so "dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes". 1.Petrus 4,10. Das Wort, das von den Verfertigern von Götzenbildern vor alters galt, könnte sehr wohl, mit einer würdigeren Zielsetzung, zum Motto für die Charakterbildung heute gewählt werden: "Einer half dem andern und sprach zu seinem Nächsten: Sei getrost!" Jesaja 41,6. ------------------------Kapitel 34: Rechte Zucht Ez54 263 2 "Strafe, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre." Ez54 263 3 Gehorsam ist eine der ersten Tugenden, die ein Kind lernen muß. Ehe es alt genug ist, vernünftig zu urteilen, kann man es lehren zu gehorchen. Durch sanfte, aber beharrliche Bemühung sollte ihm diese Gewohnheit eingepflanzt werden. Damit kann man jenen späteren Auseinandersetzungen zwischen Wille und Autorität, die so viel Entfremdung und Bitterkeit gegenüber Eltern und Lehrern verursachen und so oft zum Widerstand gegen alle menschliche und göttliche Befehlsgewalt führen, in starkem Maße vorbeugen. Ez54 263 4 Ziel der Zucht ist es, das Kind zur Selbständigkeit heranzubilden. Es soll Selbstvertrauen und Selbstbeherrschung in sich entwickeln. Deshalb muß man seine Vernunft in den Dienst des Gehorsams stellen, sobald es Zusammenhänge verstehen kann. Die ganze Behandlung sollte dem Kinde zeigen, daß das Gehorchen recht und billig ist. Man bringe es zu der Einsicht, daß alle Dinge einer Gesetzlichkeit unterstehen und daß Ungehorsam am Ende zu Unheil und Leiden führt. Wenn Gott sagt: "Du sollst nicht", dann warnt er uns in Liebe vor den Folgen der Unbotmäßigkeit, um uns vor Schaden und Verlust zu bewahren. Ez54 264 1 Man verhelfe dem Kinde zu der Erkenntnis, daß Eltern und Lehrer die Stellvertreter Gottes und, soweit sie in Übereinstimmung mit ihm handeln, ihre Gesetze im Heim und in der Schule auch die seinen sind. Wie das Kind den Eltern und Lehrern Gehorsam schuldet, so haben diese Gott zu gehorchen. Ez54 264 2 Eltern und Lehrer sollten sich fragen, wie sie die Entwicklung des Kindes lenken können, ohne durch unangebrachtes Eingreifen hemmend zu wirken. Zu viele Erziehungsmaßnahmen sind ebenso schlimm wie zu wenige. Das Bemühen, den Willen eines Kindes zu brechen, stellt einen gewaltigen Mißgriff dar. Die Menschen sind ja doch verschieden veranlagt; während durch Gewalt eine äußere Unterwerfung erreicht werden mag, ist bei vielen Kindern das wirkliche Ergebnis eine um so entschiedenere innere Empörung. Selbst wenn die Eltern oder der Lehrer die angestrebte Herrschaft tatsächlich erzwingen, sind die Folgen für das Kind nicht weniger bedenklich. Die Erziehung eines Menschen, der ein vernünftiges Alter erreicht hat, sollte sich von der Aufzucht eines stummen Tieres unterscheiden. Das Vieh lehrt man bloße Unterwürfigkeit gegen seinen Gebieter; ihm ist der Herr Verstand, Urteil und Wille zugleich. Diese Methode, die manchmal auch bei der Erziehung von Kindern angewandt wird, macht sie zu nicht viel mehr als zu Automaten. Verstand, Wille und Gewissen stehen dann unter dem Zwang eines andern. Es ist nicht Gottes Absicht, daß irgendein Menschengeist so beherrscht werden sollte. Wer die Persönlichkeit schwächt oder zerstört, lädt eine Verantwortung auf sich, die nur Schlimmes zeitigen kann. Solange die Kinder noch unter einer Befehlsgewalt stehen, mögen sie sich wie gutgedrillte Soldaten ausnehmen. Wenn dann aber der Zwang aufhört, wird ihr Charakter einen Mangel an Stärke und Beharrlichkeit aufweisen. Da solche Jugendlichen nie gelernt haben, sich selbst zu beherrschen, erkennen sie außer den Forderungen der Eltern und Lehrer keine Einschränkung an. Sobald diese dann entfällt, wissen die jungen Menschen ihre Freiheit nicht zu gebrauchen und geben sich oft einem Genußleben hin, das ihnen zum Verderben wird. Ez54 265 1 Da es für manche Schüler sehr viel schwerer ist als für andere, ihren Willen zu beugen, sollte es der Lehrer ihnen so leicht wie möglich machen, seinen Forderungen zu gehorchen. Der Wille sollte gelenkt und geformt, nicht aber verneint oder unterdrückt werden. Man sollte die Kraft des Wollens erhalten, denn im Lebenskampf wird sie benötigt. Ez54 265 2 Jedes Kind sollte um die wahre Kraft des Willens wissen und sehen lernen, welch eine große Verantwortung in dieser Gabe liegt. Der Wille ist die beherrschende Macht in der menschlichen Natur; auf ihm beruht das Vermögen, zu wählen oder zu entscheiden. In jeder Lebenslage gilt für uns das Wort des Herrn: "Erwählet euch heute, wem ihr dienen wollt." Josua 24,15. Jeder Mensch kann sich mit seinem Willen auf die Seite des WilIens Gottes stellen und den Gehorsam ihm gegenüber erwählen. Er vermag also, wenn er sich auf diese Weise mit göttlichen Mächten verbindet, einen Standort zu beziehen, auf dem ihn niemand zum Bösestun zwingen kann. Jedem Jugendlichen, jedem Kind wohnt die Kraft inne, mit Gottes Hilfe einen redlichen Charakter zu entwickeln und ein nützliches Leben zu führen. Ez54 265 3 Die Eltern oder die Lehrer, die in dem Kinde durch solche Unterweisungen Selbstbeherrschung entwickeln, werden sich als die brauchbarsten und auf die Dauer erfolgreichsten Erzieher erweisen. Der oberflächliche Betrachter mag in ihrer Arbeit nicht sehr viel erblicken; vielleicht wird er sie nicht so hoch einschätzen wie die eines andern, der den Verstand und den Willen des Kindes unter seine absolute Herrschaft zwingt. Spätere Jahre werden jedoch durch das Ergebnis die bessere Erziehungsmethode rechtfertigen. Ez54 265 4 Der weise Erzieher wird bei der Behandlung seiner Schüler danach streben, ihr Vertrauen zu wecken und ihr Ehrgefühl zu stärken. Es ist für Kinder und Jugendliche gut, wenn man ihnen vertraut. Viele von ihnen, sogar kleine Kinder, haben ein starkes Ehrgefühl; alle aber möchten mit Vertrauen und Achtung behandelt werden, und das ist ihr gutes Recht. Sie sollten nicht unter dem Eindruck stehen, daß sie weder aus- noch eingehen können, ohne überwacht zu werden. Argwohn schadet, weil er gerade die Übel hervorruft, denen er vorzubeugen sucht. Lehrern, die mit ihren Schülern verbunden sind, werden, statt ständig zu lauern, als ob sie Böses vermuteten, das Spiel der ruhelosen Geister durchschauen und Einflüsse geltend machen, die dem Übel entgegenwirken. Laßt die Jugend spüren, daß man ihr vertraut, und nur wenige werden nicht versuchen, sich des Vertrauens würdig zu erweisen. Ez54 266 1 Nach derselben Regel ist es besser zu bitten, als zu befehlen; der so Angesprochene hat dann Gelegenheit, seine Treue zu richtigen Grundsätzen darzutun. Sein Gehorsam entspringt eher der freien Wahl als dem Zwang. Ez54 266 2 Die im Schulzimmer herrschenden Regeln sollten nach Möglichkeit den Geist der Schule verkörpern. Jeder darin enthaltene Grundsatz muß dem Schüler so dargelegt werden, daß er von seiner Berechtigung überzeugt ist. Dann wird er sich auch verantwortlich fühlen, darauf zu achten, daß man die Regeln, die er selbst mit festgelegt hat, befolgt. Es sollte nur wenige, aber wohlüberlegte Verordnungen geben. Sind sie jedoch einmal erlassen, dann muß man ihnen auch Geltung verschaffen. Was unumstößlich ist, lernt der Verstand einsehen und befolgen. Doch die Möglichkeit eines Nachgebens ruft Wünsche, Hoffnungen und Ungewißheit hervor, und Unruhe, Reizbarkeit und Widersetzlichkeit sind die Folgen. Ez54 266 3 Es sollte klargestellt werden, daß der Herrscherwille Gottes keinen Vergleich mit dem Bösen eingeht. Ungehorsam darf man denn auch weder im Heim noch in der Schule dulden. Kein Elternteil oder Lehrer, dem das Wohl seiner Schützlinge am Herzen liegt, wird dem starren Eigenwillen, der der Autorität trotzt oder zu Ausflüchten und Vorwänden greift, um nicht gehorchen zu müssen, in etwas nachgeben. Wer sich in einen Handel mit dem Unrecht einläßt, wer durch Zureden und lockende Versprechungen Willfährigkeit zu erreichen sucht, handelt nicht aus Liebe, sondern aus Sentimentalität und gibt sich statt mit dem Geforderten schließlich mit einem Ersatz zufrieden. Ez54 267 1 "Die Narren treiben das Gespött mit der Sünde." Sprüche 14,9. Wir sollten uns hüten, die Sünde leicht zu nehmen. Sie hat eine furchtbare Gewalt über den Übeltäter. "Die Missetat des Gottlosen wird ihn fangen, und er wird mit dem Strick seiner Sünde gehalten werden." Sprüche 5,22. Das größte Unrecht, das man einem Kinde oder Jugendlichen antun kann, ist, zuzulassen, daß es sich in den Fesseln einer üblen Gewohnheit verfängt. Ez54 267 2 Der Jugend ist die Liebe zur Freiheit angeboren, sie wünscht Ungebundenheit; sie muß aber verstehen lernen, daß man sich dieser unschätzbaren Segnung nur im Gehorsam gegen Gottes Gebot erfreuen kann. Das Gesetz Gottes ist der Hüter wahrer Freiheit und Ungebundenheit. Es stellt heraus und verbietet das, was uns erniedrigt und versklavt. Damit bietet es dem Gehorsam Schutz vor der Macht des Bösen. Ez54 267 3 Der Psalmist sagt: "So werde ich wandeln auf freier Bahn; denn ich habe mich stets um deine Befehle gekümmert." "Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen; die sind meine Ratsleute." Psalm 119,45 (Menge). Psalm 119,24. Ez54 267 4 Bei unseren Bemühungen, das Böse auszumerzen, sollten wir uns vor Tadelsucht und Krittelei hüten. Beständiger Tadel macht irre, doch er bessert nicht. Für viele Gemüter, und oft gerade für die empfindsamsten, erweist sich die Atmosphäre unfreundlicher Kritik als verhängnisvoll. Blumen entfalten sich nicht unter dem Hauch eines giftigen Windes. Ez54 267 5 Wenn ein Kind häufig wegen eines bestimmten Fehlers getadelt wird, betrachtet es ihn schließlich als eine Eigenheit, gegen die man vergeblich ankämpft. Dadurch kommt es zu Entmutigung und Hoffnungslosigkeit, die sich oft nur unter scheinbarer Gleichgültigkeit oder selbstsicherem Auftreten verbergen. Der eigentliche Zweck eines Verweises ist erst erreicht, wenn der Übeltäter seinen Fehler einsieht und seinen Willen zur Besserung aufbietet. Ist er dahin gekommen, dann weise ihn auf die Quelle der Kraft und der Vergebung hin. Suche seine Selbstachtung zu bewahren und ihm Mut und Hoffnung einzuflößen. Ez54 267 6 Das ist die heikelste und schwerste Aufgabe, die jemals menschlichen Wesen anvertraut wurde. Sie erfordert ein sehr feines Taktgefühl, ein äußerst zartes Empfinden, ein Wissen um die menschliche Natur, aber auch göttlich gewirkte Zuversicht und Geduld, die willens ist zu wirken, zu wachen und zu warten. Es gibt nichts Wichtigeres als diese Arbeit. Ez54 268 1 Wer andere lenken will, muß sich zuerst selbst zügeln. Wenn man mit einem Kinde oder mit einem Jugendlichen unbeherrscht umgeht, wird nur Bitterkeit hervorgerufen. Lehrer oder Eltern, die ungeduldig werden und in Gefahr stehen, töricht zu reden, sollten stille werden. Im Schweigen liegt eine wunderbare Macht. Ez54 268 2 Der Lehrer muß darauf gefaßt sein, üblen Anlagen und verstockten Herzen zu begegnen. Aber bei ihrer Behandlung sollte er nie vergessen, daß er selbst einmal ein Kind war, das der Zucht bedurfte. Selbst jetzt noch, bei allen Vorteilen, die Alter, Erziehung und Erfahrung mit sich bringen, irrt er häufig und braucht Barmherzigkeit und Geduld. Wenn er junge Menschen aufzieht, sollte er berücksichtigen, daß er es mit Wesen zu tun hat, die ganz wie er zum Bösen neigen. Sie müssen fast noch alles lernen, und einigen von ihnen fällt das viel schwerer als den übrigen. Mit dem schwachen Schüler sollte der Lehrer Geduld haben und seine Unwissenheit nicht tadeln, sondern jede Gelegenheit benutzen, um ihn zu ermutigen. Mit empfindlichen, reizbaren Zöglingen muß er sehr feinfühlig umgehen. Das Gefühl der eigenen Unvollkommenheit sollte ihn ständig zu Mitgefühl und Nachsicht gegen die veranlassen, die ebenfalls mit Schwierigkeiten kämpfen. Ez54 268 3 Die Regel des Heilandes: "Wie ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, also tut ihnen gleich auch ihr" (Lukas 6,31), sollte zum Leitsatz all derer werden, die die Erziehung von Jugendlichen und Kindern übernehmen. Bilden diese doch die jüngeren Glieder der Familie Gottes und sind mit uns Erben der lebenspendenden Gnade. Christi goldene Regel sollte den Jüngsten, Einfältigsten und Ungeschicktesten, ja selbst noch den Irrenden und Widerspenstigen gegenüber heilig ernst genommen werden. Ez54 268 4 Diese Regel wird den Lehrer davor bewahren, einen Fehler oder ein Vergehen seiner Schüler öffentlich anzuprangern. Er wird sich bemühen, Tadel und Strafe nicht in Gegenwart von andern auszuteilen. Er wird keinen Schüler von der Anstalt weisen, bis nicht alles zu seiner Besserung versucht ist. Wenn es sich aber herausstellt, daß der Betreffende dabei nichts mehr gewinnt, während sein Trotz und seine Mißachtung der Autorität die Schuldisziplin zu zersetzen drohen und sein Einfluß andere gefährdet, wird sein Ausscheiden notwendig. Doch bei vielen würde die Schande öffentlicher Entlassung nur zu völliger Bedenkenlosigkeit und zum Verderben führen. In den meisten Fällen, bei denen eine Entfernung unvermeidlich ist, braucht diese nicht öffentlich zu erfolgen. Der Lehrer sollte in gemeinsamer Beratung und im Zusammenwirken mit den Eltern die Entlassung des Schülers im stillen vornehmen. Ez54 269 1 In dieser für die Jugend besonders gefahrvollen Zeit ist sie überall von Versuchungen umgeben. Während es leicht ist, sich treiben zu lassen, bedarf es der stärksten Anstrengung, um gegen den Strom zu schwimmen. Jede Schule sollte eine "Freistatt" für die angefochtene Jugend sein: ein Ort, wo man geduldig und weise mit ihren Torheiten verfährt. Verantwortungsbewußte Lehrer werden aus ihrem Leben und aus ihrem Innern alles entfernen, was sie daran hindert, eigensinnige und unbotmäßige Schüler erfolgreich zu betreuen. Liebe und Zartgefühl, Geduld und Selbstbeherrschung werden allezeit ihre Rede bestimmen. Gerechtigkeit wird sich mit Barmherzigkeit und Mitleid verschmelzen. Ist ein Verweis vonnöten, so wird sich der Lehrer vor übermäßiger Schärfe hüten und selbst demütig bleiben. In Güte wird er dem Übeltäter seine Verfehlungen vorhalten und ihm helfen, sich wieder zurechtzufinden. Jeder echte Lehrer empfindet--sollte er je irren,--daß es besser ist, zur Barmherzigkeit als zur Strenge hin zu irren. Ez54 269 2 Viele Jugendliche, die man für unverbesserlich hält, sind im Innern nicht so verhärtet, wie es scheinen mag. Manche Irrende, deren Fall als hoffnungslos angesehen wird, könnte man durch weise Maßnahmen zurückgewinnen. Oft sind es gerade sie, die durch Freundlichkeit am schnellsten weich werden. Der Lehrer erwerbe sich das Vertrauen des angefochtenen Schülers: wenn er das Gute im Charakter seines Schützlings erkennt und entwickelt, kann er das Übel in den meisten Fällen beseitigen, ohne die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ez54 270 1 Der göttliche Lehrer trägt die Irrenden bei all ihren Verkehrtheiten mit Geduld. Seine Liebe erkaltet nicht, seine Bemühungen, sie zu gewinnen, hören nicht auf. Mit ausgebreiteten Armen wartet er darauf, die Irrenden, die Widersetzlichen, ja sogar die Abgefallenen immer wieder willkommen zu heißen. Sein Herz ist von der Hilflosigkeit des kleinen, herumgestoßenen Kindes berührt. Nie verhallt der Schrei menschlicher Leiden, der an sein Ohr dringt, ungehört. Obwohl in seinen Augen alle Menschen kostbar sind, ziehen doch die rauhen, finsteren, halsstarrigen Naturen seine Teilnahme und Liebe am stärksten auf sich, denn er schließt von der Ursache auf die Wirkung. Wer am leichtesten versucht wird und am ehesten zum Fall neigt, dem gilt ganz besonders seine Sorge. Ez54 270 2 Alle Eltern und Lehrer sollten die Eigenschaften dessen pflegen, der die Sache der Betrübten, Leidenden und Angefochtenen zu seiner eigenen macht. Jeder Erzieher müßte ein Mensch sein, "der da könnte mitfühlen mit denen, die da unwissend sind und irren, dieweil er auch selbst umgeben ist mit Schwachheit". Hebräer 5,2. Jesus behandelt uns weit besser, als wir es verdienen; und wie er mit uns umgeht, sollten wir mit andern verfahren. Eine Maßnahme der Eltern und Lehrer ist niemals zu rechtfertigen, wenn sie nicht der gleicht, die der Heiland unter ähnlichen Umständen auch ergreifen würde. Ez54 270 3 Über die Erziehung im Heim und in der Schule hinaus müssen alle Menschen die strenge Zucht des Lebens auf sich nehmen. Wie man das zu seinem Besten tut, ist ein Kapitel, das jedem Kind und jedem Jugendlichen klargemacht werden sollte. Es ist wahr, daß Gott uns liebt, daß er auf unser Glück hinwirkt und daß wir bei immerwährender Befolgung seines Gesetzes nie das Leid kennengelernt hätten; ebenso wahr ist es allerdings, daß auf dieser Welt eben infolge der Sünde jedes Leben von Schmerz, Mühsal und Belastungen heimgesucht wird. Wir können den Kindern und der Jugend eine lebenslange Wohltat erweisen, wenn wir sie lehren, diese Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten tapfer zu bestehen. Wir sollten ihnen zwar Mitgefühl zeigen, doch niemals so, daß sie sich selbst bemitleiden. Ansporn und Stärkung brauchen sie, aber keine Verhätschelung. Ez54 271 1 Wir sollten unseren jungen Leuten klarmachen, daß diese Welt kein Paradeplatz, sondern ein Schlachtfeld ist. Sie alle sind berufen, als gute Soldaten Härten zu ertragen. Sie sollen stark sein und wie Männer ihre Schuldigkeit tun. Man sage ihnen, daß die Willigkeit, Lasten auf sich zu nehmen, den schwierigen Posten zu wählen, die Arbeit zu tun, die nun einmal getan werden muß, selbst wenn sie hier auf Erden weder Anerkennung noch Belohnung mit sich bringt, den wahren Prüfstein des Charakters darstellt. Ez54 271 2 Das richtige Verhalten in Prüfungen besteht nicht darin, daß man ihnen ausweicht, sondern daß man sie zu einem Segen macht. Dies trifft für die Erziehung der frühen wie auch der späteren Jahre zu. Vernachlässigung der Zucht beim Kleinkind und die daraus folgende Stärkung verkehrter Neigungen erschwert die spätere Erziehung und läßt jede erzieherische Maßnahme nur allzuoft zu einem schmerzhaften Vorgang werden. Schmerzhaft muß er freilich für die niedere Natur sein, weil er die natürlichen Wünsche und Neigungen durchkreuzt; doch vielleicht wird der Schmerz überstrahlt von einer höheren Freude. Ez54 271 3 Das Kind und der junge Mensch mögen lernen, daß jeder Fehler, jedes Vergehen und jede Schwierigkeit, die man überwindet, eine Stufe zu Besserem und Höherem verkörpert. Aus solchen Erfahrungen heraus haben alle, die jemals ihr Leben lebenswert gestalteten, Erfolge errungen. Ez54 271 4 "Zur Höhe, die die Großen einst erklommen, Gelangten niemals sie in schnellem Flug. Bei Nacht, mit Mühe wurde sie genommen, Als andre süß der Schlaf ins Traumland trug. Wir wachsen nur an dem, was wir bezwingen; Die Sucht, im Kampf gemeistert, schafft Gewinn. Indem wir Stolz und Lüste niederringen Und jedes Übel, reift der Edelsinn. Was heute und auch morgen mag geschehen, Was mit dem Augenblick entsteht, verrinnt, Des Alltags Freuden und die Kummerwehen Nur Stufen auf dem Weg zur Höhe sind." Ez54 272 1 Wir sollen "nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig." 2.Korinther 4,18. Mit der Verleugnung selbstsüchtiger Wünsche und Neigungen tauschen wir das Wertlose, Vergängliche gegen das Wertvolle, Dauernde ein. Das ist kein Opfer, sondern unendlicher Gewinn. Ez54 272 2 "Besseres bieten", so lautet das Losungswort aller Erziehung und zugleich das Gesetz aller echten Lebensführung. Wo immer uns Christus zum Verzicht auffordert, bietet er uns dafür etwas Besseres an. Oft hängt die Jugend Plänen, Beschäftigungen oder Freuden nach, die offenbar nicht schlecht sind und doch an den höchsten Wert nicht heranreichen. Sie lenken das junge Leben von seinem edelsten Ziel ab. Willkürliche Maßregeln oder scharfe Verweise mögen die Jugendlichen nicht dazu bringen, das aufzugeben, was ihnen teuer ist. Man muß sie auf etwas hinweisen, was besser ist als äußeres Gepränge, Ehrgeiz oder Befriedigung des eigenen Ichs. Bringt sie mit echter Schönheit, mit erhabenen Grundsätzen, mit einer edleren Lebenshaltung in Verbindung. Laßt sie den schauen, der "ganz lieblich" ist. Wenn der Blick erst einmal auf ihm ruht, wird er zum Mittelpunkt des Lebens. Die Begeisterung, die verschwenderische Hingabe und der leidenschaftliche Eifer der Jugend finden hier ihr wahres Ziel. Die Pflicht wird zur Freude und das Opfer zum Vergnügen. Christus zu ehren, ihm gleich zu werden und für ihn zu wirken das ist des höchsten Strebens wert und bildet die größte Freude unseres Daseins. "Die Liebe Christi dringt uns also." 2.Korinther 5,14. Ez54 272 3 "Wie denn von der Welt her nicht vernommen ist noch mit Ohren gehört, auch kein Auge gesehen hat einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren." Jesaja 64,3. ------------------------Kapitel 35: Die Schule des künftigen Lebens Ez54 275 0 "... sehen sein Angesicht, und sein Name wird an ihren Stirnen sein." Ez54 275 1 Der Himmel ist gleichsam eine Schule; ihr Forschungsgebiet bildet das Weltall, ihr Lehrmeister ist der unendliche Gott. Ein Zweig dieser Schule wurde in Eden eingerichtet, und wenn die Erlösung vollendet ist, wird auch die Erziehung in der Schule des Paradieses wieder aufgenommen werden. Ez54 275 2 "Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben." 1.Korinther 2,9. Ein Wissen um die zukünftigen Dinge kann man sich nur durch das Wort Gottes erwerben, und selbst dieses bietet uns nur eine Teil-Offenbarung. Ez54 275 3 So beschreibt der Prophet von Patmos den Ort der künftigen Schule: "Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging ... Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet als eine geschmückte Braut ihrem Mann." Offenbarung 21,1.2. "Die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, daß sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm." Offenbarung 21,23. Ez54 275 4 Zwischen der am Anfang gegründeten Schule in Eden und der Schule des künftigen Lebens liegt die ganze Spanne unserer Weltgeschichte, der Geschichte von menschlicher Übertretung und Leiden, des göttlichen Opfers und des Sieges über Tod und Sünde. Nicht alle Umstände jener ersten Paradiesschule werden auch in der Schule des künftigen Lebens anzutreffen sein. Kein Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen wird zur Versuchung Gelegenheit bieten. Es gibt dort keinen Versucher und keine Möglichkeit zum Unrechttun. Jeder Charakter ist in den Verlockungen des Bösen erprobt und seiner Macht gegenüber nicht mehr anfällig. Jesus Christus sagt: "Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Holz des Lebens, das im Paradies Gottes ist." Offenbarung 2,7. Was der Baum des Lebens in Eden gewährte, ruhte auf Bedingungen und wurde uns schließlich entzogen. Die Gaben des zukünftigen Lebens aber sind uneingeschränkt und unvergänglich. Ez54 276 1 Der Prophet schaut "einen lautern Strom des lebendigen Wassers, klar wie ein Kristall; der ging aus von dem Stuhl Gottes und des Lammes". "Auf beiden Seiten des Stromes ... standen Lebensbäume." "Und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen." Offenbarung 22,1; Offenbarung 22,2 (Menge); Offenbarung 21,4. Ez54 276 2 "Und dein Volk sollen eitel Gerechte sein; Sie werden das Erdreich ewiglich besitzen, Als die der Zweig meiner Pflanzung Und ein Werk meiner Hände sind Zum Preise." Jesaja 60,21. Ez54 276 3 Wenn der Mensch in die Gegenwart Gottes zurückversetzt ist, wird er wieder wie am Anfang von ihm unterwissen werden: "Darum soll mein Volk meinen Namen kennen zu derselben Zeit; denn ich bin's, der da spricht: Hier bin ich!" Jesaja 52,6. "Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein." Offenbarung 21,3. Ez54 276 4 "Diese sind's, die gekommen sind aus großer Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Stuhl Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel ... Sie wird nicht mehr hungern noch dürsten; es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne oder irgendeine Hitze; denn das Lamm mitten im Stuhl wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen." Offenbarung 7,14-17. Ez54 276 5 "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich's stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin." 1.Korinther 13,12. Ez54 277 1 Sie werden "sehen sein Angesicht, und sein Name wird an ihren Stirnen sein". Offenbarung 22,4. Ez54 277 2 Welch ein weites Feld wird sich dort unserem Studium erschließen, wenn der Schleier, der jetzt unseren Blick verhüllt, gefallen ist und unsere Augen jene Welt der Schönheit schauen, von der wir heute nur einen flüchtigen Schimmer gleichsam durch das Mikroskop erhaschen. Da werden wir die Herrlichkeit der Himmel betrachten, die man jetzt nur aus weitem Abstand mit dem Fernrohr untersucht. Der Todeshauch der Sünde wird weggenommen sein, und die ganze Erde wird in der Herrlichkeit des Herrn, unseres Gottes, erscheinen. Dort kann der Mann der Wissenschaft dann die Urkunden der Schöpfung entziffern; er wird nichts entdecken, was ihn an das Gesetz des Bösen erinnert. Er kann den melodischen Stimmen der Natur lauschen, ohne den Laut der Klage oder den Unterton des Schmerzes zu vernehmen. In allem Geschaffenen wird er nur auf eine Handschrift stoßen: dem unermeßlichen All sieht er den Namen Gottes in großen Zügen aufgeprägt, an Erde, Meer und Himmel aber findet er keine Spur von Sünde mehr. Ez54 277 3 Dort wird man ein Leben wie in Eden führen: ein Leben im Garten und auf dem Feld. "Sie werden Häuser bauen und bewohnen; sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und das Werk ihrer Hände wird alt werden bei meinen Auserwählten." Jesaja 65,21.22. Kein Ding wird "schaden noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der Herr". Jesaja 65,25. Dort wird der Mensch wieder in sein verlorenes Königtum eingesetzt, und die niederen Geschöpfe werden seine Herrschaft wieder anerkennen: die wilde Kreatur wird zahm werden und die furchtsame zutraulich. Ez54 277 4 Dort wird sich vor dem Lernenden ein Geschichtsgeschehen von unendlicher Spannweite, von unsagbarer Fülle ausbreiten. Zwar bietet sich dem Schüler schon hier auf Erden von der Erkenntnisgrundlage des Wortes Gottes aus ein Blick in ungeheure Geschichtszusammenhänge. Er kann etwas von den Grundgesetzen erspüren, die den Ablauf menschlicher Ereignisse bestimmen. Aber seine Sicht ist doch noch getrübt, und sein Wissen bleibt unvollständig. Erst wenn er im Lichte der Ewigkeit weilt, wird er alles klar erkennen. Ez54 278 1 Dann wird sich ihm die Entwicklung des großen Kampfes enthüllen, der vor Beginn der Erdenzeit entbrannte und erst enden wird, wenn diese abgelaufen ist. Alles wird offenbar werden: der Ursprung der Sünde, der verhängnisvolle Trug ihrer verderblichen Auswirkung, die Wahrheit, die dem Irrtum entgegentrat und ihn besiegte, weil sie nicht vom geraden Weg abwich. Ez54 278 2 Der Schleier, der sich zwischen die sichtbare und die unsichtbare Welt schiebt, wird beiseitegezogen werden, und wunderbare Dinge werden sich offenbaren. Ez54 278 3 Erst wenn wir das Walten Gottes im Lichte der Ewigkeit betrachten, werden wir begreifen, was wir der Fürsorge und dem Eingreifen seiner Engel zu verdanken haben. Himmlische Wesen haben tätigen Anteil an den Angelegenheiten der Menschen genommen. Sie sind in Gewändern erschienen, die leuchteten wie der Blitz. In Menschengestalt sind sie gekommen, angetan wie Wanderer. Sie haben die Gastfreundschaft irdischer Heime entgegengenommen und verirrten Reisenden als Führer gedient. Die Absichten des Verderbers haben sie vereitelt und den Streich des Widersachers abgewehrt. Ez54 278 4 Wenn die Herrscher dieser Welt es auch nicht wissen, so haben doch in ihren Ratsversammlungen vielfach Engel das Wort geführt. Menschenaugen haben auf sie geblickt, menschliche Ohren haben ihren dringenden Vorstellungen gelauscht. In den Rathäusern und im Gerichtssaal haben himmlische Boten die Sache der Verfolgten und Unterdrückten vertreten. Sie haben Pläne zunichte gemacht und Übel aufgehalten, die Unrecht und Leiden über die Kinder Gottes gebracht hätten. Dies alles wird den Schülern der himmlischen Schule enthüllt werden. Ez54 278 5 Jeder Erlöste wird dann den Dienst der Engel in seinem eigenen Leben erkennen. Wie wird es sein, wenn er mit dem Gottesboten Zwiesprache halten kann, der vom ersten Augenblick an sein Hüter war, der seine Schritte überwachte und sein Haupt am Tage der Gefahr deckte; wenn er von diesem Engel, der im Tal der Todesschatten bei ihm war, der sich seine Grabstätte merkte und ihn als erster am Auferstehungsmorgen begrüßte, erfährt, wie Gott ins Einzelleben eingriff und bei jeder Tat für die Menschheit mit zu Werke ging! Ez54 279 1 Alle Wirrnisse des Lebens und Erlebens werden dann geklärt sein. Wo sich unseren Augen nur Verwirrung und Enttäuschung, vereitelte Absichten und durchkreuzte Pläne darboten, werden wir einen einzigen großen, allumfassenden, sieghaften Vorsatz, eine göttliche Harmonie erkennen. Ez54 279 2 Dort werden alle, die selbstlos gewirkt haben, die Frucht ihrer Mühen schauen. Die Auswirkung jedes rechten Grundsatzes und jeder edlen Tat wird dann sichtbar. Etwas davon sehen wir schon jetzt; doch wie wenig vom Ergebnis edelster irdischer Arbeit offenbart sich dem Schaffenden in diesem Leben! Wie viele mühen sich selbstlos und unermüdlich für Menschen, die eines Tages aus ihrem Gesichtskreis schwinden! Eltern und Lehrer legen sich zu ihrer letzten Ruhe nieder, und ihre Lebensarbeit scheint umsonst getan. Doch sie wissen nicht, daß ihre Treue Segensquellen freigelegt hat, die unaufhörlich fließen. Nur mit dem Glaubensauge sehen sie die Kinder, die sie erzogen haben, für ihre Mitmenschen zum Heil und Ansporn werden, sehen sie, wie sich ihr Einfluß tausendfältig fortpflanzt. Mancher Schaffende sendet Botschaften der Kraft, der Hoffnung und der Ermutigung in die Welt hinaus, Worte, die den Gemütern in allen Landen Segen bringen; doch vom Ergebnis erfährt er, der sich einsam und unerkannt abmüht, nur wenig. So werden Gaben verschenkt, Lasten getragen und Arbeiten verrichtet. Menschen säen den Samen, und andere heimsen über ihren Gräbern die Segensernten ein. Sie pflanzen Bäume, damit andere ihre Früchte genießen. Hienieden begnügen sie sich mit dem Wissen, daß sie Anstöße zum Guten gegeben haben. In der zukünftigen Welt aber wird man die Wirkung und Rückwirkung all dieser Taten erkennen. Ez54 280 1 Über jede Gabe, die Gott verliehen hat und die Menschen zu selbstlosem Einsatz veranlaßt, wird im Himmel Buch geführt. Ein besonderes Studium, mit dem uns die himmlische Schule belohnt, wird darin bestehen, diesen Bericht in seinen vielfältigen Verästelungen zu verfolgen. Da werden wir Menschen begegnen, die durch unsere Bemühungen emporgehoben und veredelt wurden; wir werden in ihrer Lebensgeschichte die Auswirkung echter Grundsätze sehen dürfen. Ez54 280 2 Dort werden wir erkennen, gleichwie wir erkannt sind. Dort werden sich die Liebe und Zuneigung, die Gott uns ins Herz gepflanzt hat, aufs wahrste und schönste betätigen. Der reine Umgang mit heiligen Wesen, das harmonische, gesellige Leben mit den glücklichen Engeln und mit den Gläubigen aller Zeiten, die heilige Gemeinschaft, die "die ganze Familie im Himmel und auf Erden" miteinander verbinden wird, all das gehört zu den Erlebnissen der künftigen Welt. Es wird dort Musik und Gesang geben, Klänge und Weisen, wie sie, außer in Gesichten von Gott, kein sterblich Ohr je vernommen und kein menschlicher Geist sich jemals vorgestellt hat. Ez54 280 3 "Und die Sänger wie die im Reigen werden alle in dir singen, eins ums andere." Psalm 87,7. "Dieselben heben ihre Stimme auf und rühmen und jauchzen ... über der Herrlichkeit des Herrn." Jesaja 24,14. "Denn der Herr tröstet Zion, er tröstet alle ihre Wüsten und macht ihre Wüste wie Eden und ihr dürres Land wie den Garten des Herrn, daß man Wonne und Freude darin findet, Dank und Lobgesang." Jesaja 51,3. Ez54 280 4 Dort werden sich alle Kräfte entfalten, jede Fähigkeit wird zunehmen. Man wird die größten Unternehmungen durchführen, die erhabensten Sehnsüchte stillen und höchstes Streben verwirklichen. Und immer noch werden neue Gipfel zu erklimmen, neue Wunder zu bestaunen, neue Wahrheiten zu erfassen sein. Neue Ziele werden die Kräfte des Körpers, des Geistes und der Seele herausfordern. Ez54 280 5 Alle Schätze des Weltalls werden sich dem Forscherdrang der Kinder Gottes darbieten. Mit unaussprechlichem Entzücken werden wir uns in die Freuden und die Weisheit ungefallener Wesen versenken und an den Reichtümern teilhaben, die sie in äonenlanger Betrachtung der Werke Gottes angesammelt haben. Die dahinrollenden Jahre der Ewigkeit aber werden immer herrlichere Offenbarungen bringen. "Überschwenglich ... über alles, das wir bitten oder verstehen" (Epheser 3,20), wird Gott in alle Ewigkeit seine Gaben austeilen. Ez54 281 1 "Seine Knechte werden ihm dienen." Offenbarung 22,3. Das Leben auf Erden ist der Anfang des himmlischen Lebens; die irdische Erziehung stellt eine Einführung in die Grundsätze des Himmels dar; die hiesige Lebensarbeit ist eine Übung für das kommende Lebenswerk. Was wir jetzt in Charakter und heiligem Dienst sind, schattet ganz gewiß das vor, was wir sein werden. Ez54 281 2 "Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene." Matthäus 20,28. Christi Aufgabe hienieden ist auch sein Werk droben, und unsere Arbeit für ihn auf dieser Erde wird mit größerer Kraft und einem weiteren Wirkungskreis in seinem Dienst in der zukünftigen Welt belohnt. Ez54 281 3 "Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr; so bin ich Gott." Jesaja 43,12. Seine Zeugen sollen wir auch in der Ewigkeit sein. Ez54 281 4 Warum durfte der große Kampf ganze Zeitalter hindurch währen? Warum wurde Satan nicht plötzlich beim Ausbruch seiner Empörung ausgelöscht? -- Damit das Weltall von Gottes gerechter Behandlung des Bösen überzeugt und die Sünde auf ewig verdammt werde. Im Erlösungsplan gibt es Höhen und Tiefen, die unser Geist in aller Ewigkeit niemals voll durchdringen kann -- Wunder, die die Engel zu schauen gelüstet. Von allen erschaffenen Wesen haben nur die Erlösten den Kampf mit der Sünde tatsächlich aus eigener Erfahrung kennengelernt. Sie haben mit Christus vereint gewirkt und sind -- was selbst die Engel nicht vermochten -- in die Gemeinschaft seiner Leiden eingegangen. Werden sie da etwa nichts über die Urgründe der Erlösung auszusagen haben -- nichts, was ungefallenen Wesen von Wert sein könnte? Ez54 281 5 Jetzt schon ist "den Fürstentümern und Herrschaften in dem Himmel an der Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes" (Epheser 3,10) kundgetan. Und er "hat uns samt ihm auferweckt und samt ihm in das himmlische Wesen gesetzt,... auf daß er erzeigte in den zukünftigen Zeiten den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christo Jesu". Epheser 2,6.7. Ez54 282 1 "In seinem Tempel sagt ihm alles Ehre" (Psalm 20,9), und das Lied, das die Erlösten singen werden das Lied der Erfahrung, wird den Ruhm Gottes künden: "Groß und wundersam sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Heiden! Wer sollte dich nicht fürchten, Herr, und deinen Namen preisen? Denn du bist allein heilig." Offenbarung 15,3.4. Ez54 282 2 Hier in diesem Leben -- mag es auch irdisch und von der Sünde gehemmt sein -- liegt die tiefste Freude und die vornehmste Erziehung im Dienen. Und auch in unserer künftigen Daseinsform wird unsere größte Wonne und unsere höchste Schulung diesmal ohne die Fesseln sündigen Menschentums im Dienen bestehen. Wir werden Zeugnis ablegen und dabei stets von neuem erfahren, "welcher da sei der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses ..., welches ist Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit". Kolosser 1,27. Ez54 282 3 "Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist." 1.Johannes 3,2. Dann wird Christus in den Früchten seines Wirkens seinen Lohn schauen. An jener großen Schar, die niemand zählen kann, die "unsträflich mit Freuden" vor dem "Angesicht seiner Herrlichkeit" (Judas 24) dargestellt ist, wird er, dessen Blut uns erkauft und dessen Leben uns gelehrt hat, "darum daß seine Seele gearbeitet hat, ... seine Lust sehen und die Fülle haben". Jesaja 53,11.