Der große Kampf

Anmerkungen

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Anm 001: Titel der Päpste -- (Seite 50)

In einem Abschnitt des bis 1918 gültigen römischen kanonischen Gesetzes, des Corpus Juris Canonici, erklärt Papst Innozenz III. (1198-1216): Der römische Papst ist "der Vizeregent auf Erden, nicht nur eines Menschen, sondern des wahren Gottes". In einer Randbemerkung zu diesem Abschnitt wird ausgeführt, dies sei der Fall, weil er Christi Stellvertreter und Christus tatsächlich Gott und Mensch ist.

Quellen: Decretales Domini Gregorii Papae IX., liber 1, de translatione Episcoporum, Titel 7, Kapitel 3; Corpus Juris Canonici, 2. Aufl., Leipzig, 1881, Sp. 99; Paris, 1612, Bd. II, "Decretales", Sp. 205.

1582 wurde von Gregor XIII., der aus den hauptsächlichsten kirchlichen Rechtsquellen zusammengefaßte Corpus Juris Canonici, eine Vereinigung von Rechtssammlungen, herausgegeben. Dazu gehörten folgende in sich abgeschlossene Teile:

1. Das Decretum Gratiani, gesammelt um 1140 von dem Mönch Gratian, der an der Universität Bologna lehrte.

2. Die Dekretalen Gregors IX., genannt Liber Extra, zusammengestellt von Raimund von Pennaforte. 1234 als erstes römisches Gesetzbuch veröffentlicht, enthielt die kirchenrechtlichen Verordnungen seit Gratian.

3. Die Sammlung Bonifaz VIII., Liber Sextus genannt. Herausgegeben 1298.

4. Die Clementinae Klemens V., 1314 als Gesetzbuch veröffentlicht.

5. Die zwei Sammlungen der Extravaganten Johannes XXII. und der Extravagantes communes von Jean Chappuis, 1500 in Paris herausgegeben.

1904 beauftragte Papst Pius X. eine Kardinalskommission mit der Erarbeitung eines einheitlichen, ausschließlichen und allgemein geltenden Rechtsbuches mit zeitgemäßer, klarer lateinischer Gesetzessprache und durchlaufender Zählung der Einzelgesetze. Es entstand der Codex Juris Canonici, der 1917 durch Benedikt XV. veröffentlicht und Pfingsten 1918 in Kraft gesetzt wurde.

Der Titel "der Herr Gott Papst" ist zu finden in einer Anmerkung zu den "Extravagantes" Papst Johannes XXII. im 14. Abschnitt des vierten Kapitels, das die Uberschrift "Declaramus" trägt. In der Antwerpener Ausgabe der "Extravagantes" vom Jahre 1584 stehen die Worte: "Dominum Deum nostrum Papam" in der 153. Spalte. In der Pariser Ausgabe vom Jahre 1612 kommen sie in der 140. Spalte vor. In verschiedenen späteren Ausgaben fehlt das Wort "Deum" (Gott).

Anm 002: Unfehlbarkeit! -- (Seite 50; Seite 86)

Ein Aufsatz in der römischen Jesuitenzeitschrift "Civilta Cattolica" vorn 9.2.1869 brachte zuerst nähere Angaben über die geplanten Verhandlungsgegenstände auf dem einberufenen Vatikanischen Konzil, worunter sich u.a. die Verkündigung der Unfehlbarkeit des Papstes befand (in der "Constitutio de ecclesia Christi" vom 18.7.1870). Dieser Aufsatz löste eine starke Bewegung gegen das Konzil und gegen die päpstliche Unfehlbarkeitserklärung aus, die nach Meinung der Opponenten zu weittragenden Folgen führen mußte. Die Widerstandsbewegung erfaßte Frankreich, Deutschland, England, Österreich und die USA. 14 von 19 deutschen Bischöfen baten den Papst, mit Rücksicht auf die gespannten Zeitverhältnisse und die in der Kirche herrschende Unruhe die Unfehlbarkeitserklärung von der Tagesordnung abzusetzen. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben. Eine erste Abstimmung ergab von 671 anwesenden Stimmen: 451 dafür, 88 dagegen, 70 enthielten sich der Stimme, 62 stimmten für eine bedingte Annahme. Mehr als ein Viertel aller Anwesenden hatten sich damit also gegen die Annahme der Unfehlbarkeitserklärung ausgesprochen. Bis zur zweiten Abstimmung wurde von den Gegnern der Erklärung nichts unversucht gelassen, das Vorhaben des Papstes abzusetzen. Vergebens! Vor der zweiten Abstimmung verließ deshalb eine große Anzahl von Abstimmungsberechtigten aus Gewissensgründen das Konzil, um nicht mit Nein stimmen zu müssen. Die Endabstimmung ergab 533 Ja-Stimmen und zwei Nein-Stimmen, selbst diese beiden unterwarfen sich noch vor Schluß der Sitzung am 18.7.1870.

Die Unfehlbarkeit ist nur mit dem Amte des Papstes verknüpft, nicht mit der Person ohne das Amt. Nach Algermissen (Konfessionskunde, 1950, 221) ist der Papst, wenn er eine derartige Lehrentscheidung ex cathedra fällt, nicht nur unfehlbar und irrtumslos, sondern irrtumsunfähig!

Die Unfehlbarkeitserklärung hat in den entscheidenden Sätzen folgenden Wortlaut: "Uns also der vom Anfange des christlichen Glaubens an erhaltenen Überlieferung getreulich anschließend, zur Ehre Gottes, unseres Heilandes, zur Erhöhung der katholischen Religion und zum Heile der Völker, lehren Wir unter Zustimmung des heiligen Konziles und erklären endgültig, daß es ein von Gott geoffenbarter Glaubenssatz sei: Wenn der römische Papst ex cathedra spricht, d.i., wenn er des Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen waltet und kraft seiner höchsten Apostolischen Autorität endgültig entscheidet (definit), eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, erfreut er sich auf Grund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jener Unfehlbarkeit, mit welcher der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültiger Festsetzung einer Lehre über Glauben oder Sitten ausgerüstet haben wollte; deshalb sind derartige endgültige Festsetzungen (definitiones) des römischen Papstes durch sich selber, nicht aber durch die Zustimmung der Kirche unabänderlich (ex sese, non autem ex consensu ecclesiae irreformabiles)." (Wortlaut bei Denzinger, "Enchiridion symbolorum", 1839, herausgegeben von Karl Rahner, 1953, zitiert nach der 16./17. Aufl., 1928.)

Auch während des zweiten Vatikanischen Konzils ließ Papst Paul VI. nicht am Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit rütteln. Nachdem durch das 1. Vatikanum das Amt des Papstes mit einer einzigartigen Souveränität ausgestattet worden war, nachdem die Kurie sich als "Legislative", als quasi gesetzgebende Instanz immer mehr in den Vordergrund gespielt hatte, war die Konstruktion der hierarchischen Ordnung innerhalb der katholischen Kirche stark kopflastig geworden. Die Bischöfe fühlten sich in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeengt, so daß unter ihnen schon geraume Zeit Bestrebungen im Gange waren, das Amt der Bischöfe aufzuwerten, sogenannte Bischofskonferenzen einzusetzen, die Kurie wenigstens teilweise zu entmachten und überhaupt eine Dezentralisierung zu erreichen. In zahlreichen Sitzungen und Abstimmungen des Konzils kristallisierte sich dann die Erkenntnis heraus, daß die Bischöfe gemeinsam mit dem Papst ein Kollegium bilden, das die höchste Funktion in der Kirche ausübt. Das wäre wenigstens formal einer bedeutenden Aufwertung des Bischofsamtes gleichgekommen, wenn die Konstitution "Über die Kirche" nicht ausdrücklich einschränkend erklärt hätte, daß das Bischofskollegium keinerlei Autorität besitze, es sei denn, es befinde sich in Gemeinschaft mit dem Papst. Der Papst besitze kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi die volle, oberste und universale Gewalt über die Kirche, die er in voller Souveränität ausübt.

Man muß fragen, was bei einer solchen Einschränkung von der Kollegialität des Bischofsamtes und von der Gemeinsamkeit, mit der es mit dem Papst die Kirche regieren will, noch übrigbleibt, zumal Paul VI. ein von einem Jesuiten-Professor der päpstlichen Universität erstelltes Gutachten über das Verhältnis zwischen päpstlichem Primat und bischöflicher Kollegialität in Form einer Präambel der Konstitution "Über die Kirche" voranstellte. In dieser Erklärung kommt deutlich zum Ausdruck, daß nur der Papst darüber zu befinden habe, ob und wann das Bischofskollegium als solches wirksam werden kann. In seiner Schlußrede betonte denn auch Paul VI. die absolute Vorrangstellung des päpstlichen Primats und daß bei der Heranziehung der Bischöfe zur Mitverantwortung an der Kirchenführung keineswegs daran gedacht war, von der Autorität des Papstes auch nur ein Jota abstreichen zu lassen und ihn gewissermaßen zum Primus inter pares zu machen. Insofern kann von einer Parlamentarisierung der katholischen Kirche, wie man es zuweilen hörte, entfernt nicht die Rede sein. Der Primat des Papstes blieb unangetastet.

Auch Johannes Paul II., auf dem Papststuhl seit 1978, hat unmißverständlich deutlich gemacht, daß er an dem Anspruch des päpstlichen Amtes gegenüber der bischöflichen Kollegialität festzuhalten gedenkt.

Siehe auch die Anmerkung zu S. 564: "Anspruch auf Unfehlbarkeit".

Quellen: Aus katholischer Sicht: Diekamp, Katholische Dogmatik I, Münster, 1949, 63f.; Encyclopedia Cattolica, hrsg. von Paschini, Art. Unfehlbarkeit; Kardinal James Gibbons, Der Glaube unserer Väter, Kapitel 7 und 11; Hettinger, Lehrbuch der Fundamental-Theologie oder Apologetik, 2 Bde.; Der Große Herder, Bd. IX, Freiburg, 1956, Sp. 548.549; Konzilstexte -- Deutsch, Heft 1, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Trier, 1966.

Katholische Opposition: Ignaz von Döllinger, Der Papst und das Konzil, W.J. Sparren Simpson, Roman Catholic Opposition To Papal Infallibility, London, 1909.

Aus protestantischer Sicht: Walther von Loewenich, Der moderne Katholizismus, Erscheinung und Probleme, Witten, 1955, 44-59; Die Geschichte der Kirche 395ff.; Hauck, Realenzyklopädie, Bd. XVI, Art. Vatikanisches Konzil 320-343; Philipp Schaff, The Creeds of Christendom with a History and Critical Notes, Bd. II, Dogmatic Decrees of the Vatican Council 234-271 (engl. und lat. Text); George Salmon, Infallibility of the Church, London, 1914; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. V, Tübingen, 1931, Art. Vatikanurm, Sp. 1448 bis 1453.

Anm 003: Bibelverbot -- (Seite 51)

In der alten Kirche wurde den Laien das Bibellesen sehr empfohlen. Die Kirchenväter haben sich, wie ihre Zeugnisse zeigen, eindeutig für das Lesen und Forschen in der Heiligen Schrift ausgesprochen.

Clemens von Rom (um 100) sagte: "Leset fleißig die heiligen Schriften, die wahren Aussprüche des Heiligen Geistes!" "Ihr kennet, Geliebte, recht gut die heiligen Schriften, ihr habt gute Einsicht in die Aussprüche Gottes, behaltet sie, um euch daran zu erinnern."

Polykarp (gest. um 155), der Gemeindevorsteher zu Smyrna: "Ich habe die Zuversicht zu euch, daß ihr in den heiligen Schriften wohl bewandert seid."

Tertullian von Karthago (160-220): "Gott gab uns die Schrift, damit wir vollkommener und nachdrücklicher sowohl ihn selbst, als seinen Willen kennenlernen."

Clemens von Alexandria (150-215): "Das göttliche Wort ist ja keinem verheimlicht, dieses Licht ist allen gemein; eilet denn zu eurem Heil."

Origenes (185-254): "Wollte Gott, wir erfüllten alle, was geschrieben steht: ‚Forschet in der Heiligen Schrift!'" -- "Toren und Blinde müßten ja alle sein, die nicht erkennen, daß Bibellesen große und würdige Begriffe erweckt." -- "Wir wünschen, daß ihr euch ernstlich bemühet, nicht allein in der Kirche das Wort Gottes zu hören, sondern euch auch in euren Häusern darin übet und das Gesetz des Herrn Tag und Nacht betrachtet; denn da ist Christus, und allenthalben ist er dem nahe, der ihn suchet."

Athanasius der Große (295-373): "Wir haben zu unserem Heil die göttlichen Schriften ... Diese Bücher sind die Quellen des Heils, auf daß, wer Durst hat, ihn stille an den Offenbarungen, die sie enthalten; denn nur in diesen Büchern ist die Unterweisung in der Gottseligkeit dargelegt. Niemand wage es, etwas hinzu oder davonzutun!"

Chrysostomus (354-407): "Ihr glaubt, das Lesen der Heiligen Schrift gehöre nur für die Mönche, da es doch vielmehr euch noch mehr nötig ist als ihnen. Denn die in freier Welt leben und denen es an täglichen Wunden nicht fehlt, bedürfen am meisten der Heilung; desto schlimmer und unverantwortlicher ist es, zu glauben, die heiligen Schriften seien unnütz ... denn so etwas kann nur vom Bösen ersonnen werden. Hörst du nicht Paulus sprechen: Zu unserer Belehrung ist alles geschrieben, und du willst nicht einmal das Evangelium berühren, wenn es auch deinen, jawohl, ungewaschenen Händen übergeben wird! ... Warum verachtest du also die heiligen Schriften? Das sind Gesinnungen vom Teufel, der verhindern will, daß wir in den Schatz hineinsehen und den reichen Nutzen erlangen."

Hieronymus (347-420): "Du sollst sehr fleißig die heiligen Schriften lesen, ja, sie sollen fast niemals aus deinen Händen kommen."

Augustin (354-430): "Es wäre gottlos von uns, wenn wir das nicht lesen wollten, was um unseretwillen geschrieben ist." -- "Trachtet unter Gottes Beistand aus allen Kräften danach, daß die Heilige Schrift in euren Haushaltungen fleißig gelesen werde."

Gregor der Große (um 600): "Was ist die Heilige Schrift anderes als ein Sendschreiben des allmächtigen Gottes an seine Geschöpfe? Wenn ein irdischer König an euch schriebe, so würdet ihr nicht ruhen und euch keinen Schlaf gönnen, bis ihr sein Schreiben gelesen. Nun hat der Herr des Himmels und der Erde einen für dein Leben wichtigen Brief geschrieben, und du solltest nicht begierig sein, denselben zu lesen?"

Trotz dieser Zeugnisse war das Lesen der Heiligen Schrift in der Landessprache lange Jahrhunderte verboten. Noch in den letzten zwei Jahrhunderten haben sich Päpste scharf gegen die Verbreitung und das Lesen der Bibel ausgesprochen. Gregor XIV. forderte 1844 in einer Bulle die Geistlichen auf, den Gläubigen die in die Volkssprache übersetzten Bibeln aus den Händen zu reißen!

Eine gewisse Wendung wurde erst unter Leo XIII. wahrnehmbar. Approbierte Bibelausgaben des Urtextes und der alten katholischen Übersetzung wurden jedem gestattet. Nichtkatholische Bibeln -- und das gilt heute noch -- durften nur zu wissenschaftlichen Studien benutzt werden, falls in den Vorreden und Anmerkungen nichts gegen die katholischen Glaubenssätze gesagt war. Katholiken durften die Bibel in der Volkssprache nur lesen, wenn sie vom Papst gebilligt, vom Bischof genehmigt und mit Anmerkungen versehen war. Den protestantischen Übersetzungen warf man Verfälschung vor! Diese Einschränkungen galten praktisch bis in das 20. Jahrhundert.

Trotz aller Hemmnisse und Widerstände kann man in der katholischen Kirche der letzten Jahrzehnte eine starke Bewegung zur Bibel hin beobachten. 1933 wurde eine katholische Bibelbewegung gegründet, und Pius XII. hat sich 1943 in seiner Enzyklika "De divino afflante spiritu" zu den Bestrebungen der Bibelbewegung bekannt. Ziel der Bewegung ist die Verbreitung der Bibel und die Förderung ihres Verständnisses.

Auch nach dem zweiten Vatikanischen Konzil breitete sich die Bibelbewegung weiter aus. Zwar spielt die Bibel in der katholischen Kirche nicht die gleiche exklusive Rolle wie in den Kirchen der Reformation, doch war vor allem während des Konzils das Bestreben der meisten Konzilsväter unverkennbar, den Konzilstexten eine biblische Grundlage zu geben, ohne daß der Papst an der gültigen katholischen Auffassung hätte rütteln lassen, daß die Schrift nur durch die Kirche interpretiert werden kann, wiewohl eine Reihe von Konzilsvätern, wie zum Beispiel Kardinal Léger, gefordert hatten, daß das Lehramt eindeutig dem Wort Gottes unterzuordnen sei.

In der Konstitution über die Offenbarung Nr. 25, die auf dem zweiten Vatikanischen Konzil beschlossen wurde, heißt es unter anderem: "Darum müssen Kleriker, besonders Christi Priester und die anderen, die sich als Diakone oder Katecheten ihrem Auftrag entsprechend dem Dienste des Wortes widmen, in beständiger Lesung und gründlichem Studium sich mit der Schrift befassen, damit keiner von ihnen werde zu einem ‚hohlen und äußerlichen Prediger des Wortes Gottes, ohne dessen innerer Hörer zu sein' (Augustinus), wo er doch die unübersehbaren Schätze des göttlichen Wortes ... den ihm anvertrauten Gläubigen mitteilen soll."

Heute wird allgemein die Notwendigkeit anerkannt, Klerus und Laien mit der Bibel mehr vertraut zu machen. Die Bischofskonferenzen sind bestrebt, Bibelkurse für Priester zu veranstalten und für alle, die den Auftrag haben, das Wort Gottes zu verkündigen.

Anm 004: Bilderdienst -- (Seite 52)

"Die Bilderanbetung war eine von jenen Verfälschungen des Christentums, die sich heimlich und fast ohne Aufsehen in die Kirche einschlichen. Diese verderbliche Gepflogenheit entfaltete sich nicht, wie andere Ketzereien, von heute auf morgen, denn in diesem Fall würde sie entschiedene Kritik und Zurückweisung erfahren haben, sondern indem sie anfangs unter einer ansprechenden Verkleidung auftrat, wurde so allmählich eine mißbräuchliche Gewohnheit nach der andern in Verbindung damit eingeführt, so daß die Kirche völlig in praktischem Götzendienst aufging, und das nicht nur ohne jeden wirksamen Widerstand, sondern auch nahezu ohne irgendeinen entschlossenen Einspruch. Als man endlich versuchte, die Bilderverehrung wieder auszurotten, war das Übel schon zu tief eingewurzelt, um es noch beseitigen zu können ... Sie muß der götzendienerischen Neigung des menschlichen Herzens zugeschrieben werden und dessen Bestreben, der Kreatur mehr zu dienen als dem Schöpfer ...

Anfangs wurden Bilder und Abbildungen in den Kirchen nicht aufgestellt, um sie anzubeten, sondern um entweder mit ihrer Hilfe als Ersatz für Bücher die zu belehren, die nicht lesen konnten, oder um die andern in eine andachtsvolle Stimmung zu versetzen. Wieweit sie jemals eine solche Absicht erfüllten, ist zweifelhaft; aber selbst wenn dies eine Zeitlang der Fall gewesen sein sollte, hatte es damit doch bald ein Ende; und es wurde offenbar, daß die Bilder und Abbildungen in den Kirchen die Gemüter der Unwissenden eher verdunkelten als erleuchteten und die Andacht der Anbetenden eher erniedrigten als erhoben. Wie auch immer sie sich bemühten, die Gemüter der Menschen auf Gott zu lenken, es endete damit, daß sich die Menschen von der Anbetung Gottes zur Anbetung der geschaffenen Dinge hinwandten." (J. Mendham, The Seventh General Council, the Second of Nicea, Einführung 3-6.)

"Bilder, ursprünglich als Schmuck, dann zur Belehrung, hatte man von alten Zeiten her in den Grabstätten, Kirchen, Memorien, Häusern und an Gerätschaften aller Art. Widerspruch fehlte nicht, aber das konstantinische Zeitalter machte dem ein Ende. Man sollte aus den Bildern die Geschichten lernen, die sie darstellen; sie galten als die Bücher der Ungebildeten. Zugleich sollte das Bild die heiligen Orte schmücken. Aber allmählich wirkte hier noch ein anderes Interesse, dem sich das jugendliche Christentum einst auf das energischste widersetzt hatte. Reliquien und Bilder verehrter Wesen zu begehren, sie aus dem profanen Gebrauche auszuscheiden und mit inniger Pietät zu behandeln, ist dem Menschen natürlich ... Bilder von Christus, von Maria und von Heiligen wurden schon seit dem 5. (4.) Jahrhundert durch Grüße, Küsse und Niederwerfen verehrt, ganz wie man es einst im Heidentum gehalten hatte. In der naiven und sicheren Überzeugung, daß die Idolatrie den Christen nicht mehr gefährlich werden könne, duldete die Kirche nicht nur das Eindringen des Heidentums, sondern leistete ihm Vorschub ... Ein schwunghaftes Geschäft wurde im 7. und im Anfang des 8. Jahrhunderts mit Bildern, namentlich von Mönchen, getrieben; Kirchen und Kapellen steckten voll von Bildern und Reliquien: es war wie im Heidentum, nur der Schönheitssinn hatte sich verkehrt ... Mit den Bildern beherrschte die mönchische, in stumpfem Anstarren sich bewegende Frömmigkeit das Volk und zog die Christenheit immer tiefer herunter." (Adolf v. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. II, 452-454.)

"Die byzantinischen Bilderstreitigkeiten griffen nach dem Westen hinüber, und zwar dadurch, daß Papst Hadrian I. die Akten des nicänischen Konzils an Karl den Großen sandte. Dieser ließ durch seine Hoftheologen (Alkuin) eine die Bilderverehrung ablehnende umfangreiche Streitschrift (die Libri Carolini) anfertigen, welche die nicänischen Synodalakten Satz für Satz widerlegte und als Zweck religiöser Bilder nur die Belehrung des Volkes und die würdige Ausschmückung kirchlicher Räume anerkannte. Die hier vertretenen Grundsätze wurden durch die fränkische Synode zu Frankfurt (794) bestätigt." (Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. I, Sp. 1106.)

Quellen: Ein Bericht über die Sitzungsprotokolle und Entscheidungen auf dem zweiten Konzil in Nizäa bei Baronius, Ecclesiastical Annals, Bd. IX, 391-407, Antwerpener Ausgabe, 1612; Ed. Stillingfleet, Defense of the Discourse Concerning the Idolatry Practiced in the Church of Rome, London, 1686; A Select Library of Nicene and Post-Nicene Fathers, second series, Bd. XIV, 521-587, New York, 1900. C.J. Hefele, Konziliengeschichte, 7 Bde.

Anm 005: Sonntagserlass Konstantins -- (Seite 52; Seite 574)

Der am 7. März 321 n.Chr. veröffentlichte Erlaß bezüglich eines teilweisen Ruhetages lautet wie folgt: "Alle Richter und Einwohner der Städte, auch die Arbeiter aller Künste, sollen am ehrwürdigen Tage der Sonne ruhen. Doch können sich die Landleute mit aller Freiheit auf den Ackerbau verlegen. Denn es trägt sich oft zu, daß an keinem andern Tage Acker und Weinberge so bequem bestellt werden können als an diesem. Es soll also dieser Vorteil, den die himmlische Vorsehung selbst darbietet, nicht bei Gelegenheit einer so kurzen Zeit verlorengehen." (Corpus Juris Civilis Cod., lib. 3, tit. XII, de Feriis, Lex. 3.)

Quellen: Joseph Cullen Ayer, A Source Book for Ancient Church History, New York, 1913; Codex Justiniani, liber 3, tit. 12, lex. 3; Philipp Schaff, History of the Christian Church, Bd. III, Teil 3, Kapitel 7, § 75, 380, Fußnote 1; James A. Hessey, Bampton Lectures, Sunday, Lektion 3, § 1, 58; A.H. Newman, Manual of Church History, Bd. I, 305-307, Philadelphia, 1933; L.E. Froom, The Prophetic Faith of our Fathers, Bd. I, 376-381, Washington, 1950.

Anm 006: Prophetische Daten -- (Seite 54)

Ein wichtiger Grundsatz der prophetischen Auslegung in Verbindung mit Zeitweissagungen ist das Jahr-Tag-Prinzip, bei dem ein Tag der prophetischen Rechnung einem geschichtlichen Kalenderjahr entspricht. Ehe die Israeliten in das Land Kanaan eindrangen, sandten sie zwölf Späher aus, das Land zu erkunden. Vierzig Tage blieben die Späher fort, und nach ihrer Rückkehr weigerten sich die Hebräer, entmutigt durch deren Bericht, vorwärtszugehen und das verheißene Land in Besitz zu nehmen. Deshalb verhängte der Herr folgenden Urteilsspruch über sie: "Nach der Zahl der vierzig Tage, in denen ihr das Land erkundet habt -- je ein Tag soll ein Jahr gelten --, sollt ihr vierzig Jahre eure Schuld tragen." 4.Mose 14,34. Eine ähnliche Methode zur Berechnung der zukünftigen Zeit wird von dem Propheten Hesekiel genannt. Vierzig Jahre der Strafe für ihre Missetaten erwartete das Königreich Juda. Der Herr sagte durch den Mund des Propheten: "Wenn du dies vollbracht hast, sollst du danach dich auf deine rechte Seite legen und sollst tragen die Schuld des Hauses Juda vierzig Tage lang; denn ich gebe dir hier auch je einen Tag für ein Jahr." Hesekiel 4,6. Dieser Jahr-Tag-Grundsatz ist von großer Wichtigkeit für die Zeitbestimmung der Prophezeiung von den 2300 Abenden und Morgen (Daniel 8,14) und der 1260-Tag-Periode, die verschiedentlich angegeben wird als "eine Zeit und [zwei] Zeiten und eine halbe Zeit" (Daniel 7,25), als die "zweiundvierzig Monate" (Offenbarung 11,2;; 13,5), als die "zwölfhundertsechzig Tage" (Offenbarung 11,3; Offenbarung 12,6) und als "drei Tage und einen halben" (Offenbarung 11,9).

Anm 007: Gefälschte Urkunden -- (Seite 56)

Die Schenkung Konstantins und die pseudoisidorischen Dekretalen sind die wichtigsten Schriftstücke, die heutzutage allgemein als Fälschungen anerkannt werden.

"Die ‚Konstantinische Schenkung' ist der seit dem späten Mittelalter übliche Name für eine Urkunde, die Kaiser Konstantin der Große an den Papst Sylvester I. sandte und die sich zuerst in einem Pariser Manuskript vermutlich zu Beginn des neunten Jahrhunderts fand (Codex lat. 2777). Vom elften Jahrhundert an benutzte man sie als einen nachdrücklichen Beweis zur Begünstigung päpstlicher Ansprüche. Sie wurde deshalb seit dem zwölften Jahrhundert Ursache heftiger Auseinandersetzungen." (New Schaff-Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge, Bd. III, Art. "Donation of Constantine" 484.485.)

Die Konstantinische Schenkung (donatio Constantini) ist eine um 756 n.Chr. wahrscheinlich in Westfrankreich entstandene Fälschung einer Schenkung Kaiser Konstantins des Großen an Papst Sylvester I. aus Dankbarkeit für die Heilung vom Aussatz. Sie bestand aus einer großen Urkunde, worin der Kaiser den Vorrang Roms über alle Kirchen anerkannte, dem Papst kaiserliche Abzeichen verlieh und ihm außerdem den kaiserlichen Palast (Lateran) in Rom und die Herrschaft über die Stadt, Italien und alle westlichen Reichsprovinzen abtrat. Die vom Mittelalter für echt gehaltene Urkunde wurde in die pseudoisidorischen Dekretalen aufgenommen. Die Konstantinische Schenkung spielte eine bedeutende Rolle in den Auseinandersetzungen zwischen Papsttum und Kaisertum im Mittelalter. Der italienische Humanist Lorenzo Valla und Nikolaus von Cusa (Cues) haben diese Fälschung um 1440 nachgewiesen (De falso credita et ementita Constantini donatione declamatio).

Die in der "Schenkung" entwickelte Geschichtsauffassung ist, vollständig behandelt, zu finden bei Henry E. Kardinal Manning, The Temporal Power of the Vicar of Jesus Christ, London, 1862. Die Beweise für die Schenkung waren scholastisch. Die Möglichkeit einer Fälschung wurde bis zum Aufkommen der historischen Kritik im 15. Jahrhundert überhaupt nicht erwähnt. Nikolaus von Cusa gehörte zu den ersten, die zu dem Schluß kamen, daß Konstantin niemals irgendeine derartige Schenkung gemacht habe. Lorenzo Valla in Italien führte 1450 den brillanten Nachweis ihrer Fälschung. (Siehe: Christopher B. Coleman, Treatise of Lorenzo Valla on the Donation of Constantine, New York, 1927.) Dennoch wurde der Glaube an die Authentizität der Schenkung und der falschen Dekretalen noch ein Jahrhundert lebendig erhalten. Zum Beispiel erkannte Luther anfangs die Dekretalen an; doch bald danach sagte er zu Dr. Eck: "Ich bestreite diese Dekretalen!", und zu Spalatin äußerte er: "Er (der Papst) verfälscht und kreuzigt in den Dekretalen Christus, das heißt: die Wahrheit!"

Es gilt als nachgewiesen, 1. daß die Schenkung eine Fälschung; 2. daß sie das Werk eines Mannes oder einer Zeitperiode ist; 3. daß der Fälscher ältere Dokumente verwendet hat; 4. daß die Fälschung aus den Jahren zwischen 752 und 778 stammt.

Die Katholiken gaben die Verteidigung der Authentizität der Schenkung auf mit Baronius, Ecclesiastical Annals, 1592.

Weitere Quellen: K. Zeumer, Festgabe für Rudolf von Gneist, Berlin, 1888; New Schaff-Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge, Bd. III, 484; F. Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. I, 656f., Dresden, 1926; I. von Döllinger, Die Papstfabeln des Mittelalters 72ff., Stuttgart, 1890; S. Lähr, Die Konstantinische Schenkung in der abendländischen Literatur bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 1926; H. Brunner/K. Zeumer, Die Konstantinische Schenkungsurkunde; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, 1929, Sp. 1227f.; Der Große Brockhaus, Bd. X, 412, 1931; Der Große Herder, Bd. V, 637f., 1954; I. von Döllinger, Der Papst und das Konzil 142, Leipzig, 1869.

Zu den im Text erwähnten falschen Urkunden gehören auch die Pseudoisidorischen Dekretalen sowie andere Fälschungen. "Die Pseudoisidorischen Dekretalen sind eine umfangreiche Sammlung angeblich sehr alter Quellen des Kirchenrechts, enthalten hauptsächlich erdichtete oder verfälschte Dekretalen, Papstbriefe (von Klemens I. bis Gregor I.), die Konstantinische Schenkung, ältere Konzilsbeschlüsse, Sätze der Kirchenväter, der Bibel und des römischen Rechts in mosaikartiger Darstellung. Als Vorarbeiten für die Pseudoisidorischen Dekretalen dienten teilweise drei andere kirchenrechtliche Fälschungen: die sog. Capitula Angilramni, eine Sammlung echter und unechter Beschlüsse römischer Synoden, Bischöfe und Kaiser, ferner eine verfälschte Neubearbeitung der alten Collectio canonum Hispana und der sog. Benedictus Levita, eine Sammlung angeblich fränkischer Kapitularien. Die Pseudoisidorischen Dekretalen sind um die Mitte des 9. Jahrhunderts wahrscheinlich in der Kirchenprovinz Reims entstanden; der Herausgeber nennt sich Isidorus Mercator. Unmittelbarer Zweck der Sammlung war, die Kirche von der Staatsgewalt zu befreien, die Macht der Erzbischöfe zu brechen und den Primat des Papstes zu festigen. Die Bischöfe sollten der Gerichtsbarkeit der weltlichen Gewalten sowie der Metropoliten und Provinzialsynoden enthoben werden. Die wichtigsten Sätze der Pseudoisidorischen Dekretalen sind in die späteren Kirchenrechtssammlungen und in das Corpus Juris Canonici übergegangen und haben besonders seit der Reformbewegung des 11. Jahrhunderts die kirchliche Rechtsentwicklung beeinflußt.

Das Mittelalter hat die Pseudoisidorischen Dekretalen für echt gehalten; aber bereits Nikolaus von Cusa (15. Jahrhundert) äußerte Bedenken. Als Fälschung wurde die Sammlung zum erstenmal in den Magdeburger Zenturien des Matthias Flacius 1559 aufgedeckt (erste protestantische Kirchengeschichte). Den umfassenden Nachweis der Unechtheit hat gegenüber dem Jesuiten Franz Torres der reformierte Theologe David Blondel 1628 erbracht." (Der Große Brockhaus, Bd. XV, 198.)

Isidor Mercator nahm als Grundlage seiner Fälschung eine Sammlung von gültigen Kanons, die Hispana Gallica Augustodunensis. Auf diese Weise schmälerte er die Gefahr der Aufdeckung, da Gesetzessammlungen gewöhnlich durch Hinzufügen neuer Gesetze zu den alten entstanden. Indem er seine Fälschung mit echtem Material verband, wurde sie als Fälschung weniger offenkundig. Die Unechtheit des pseudoisidorischen Machwerkes wird nun unstreitig zugegeben; denn sie ist durch innere Beweise, durch Untersuchung der Quellen und benutzten Methoden und durch die Tatsache, daß dieses Material vor 852 unbekannt war, eindeutig erwiesen. Historiker stimmen darin überein, daß das Jahr 850 oder 851 das wahrscheinlichste Datum für die Vollendung der Sammlung ist, da diese Urkunde zuerst in der Admonitio der Kapitulare von Quiercy um 857 erwähnt wird.

Der Verfasser dieser Fälschung ist nicht bekannt. Vermutlich rührte sie von der streitbaren neuen Kirchenpartei her, die sich im 9. Jahrhundert in Reims gebildet hatte. Es ist erwiesen, daß Bischof Hinkmar von Reims diese Dekretalen bei der Absetzung Rothads von Soissons benutzte. Dieser wieder brachte sie 864 nach Rom und legte sie dem Papst Nikolaus I. vor.

Unter denen, die ihre Authentizität anfochten, befanden sich Nikolaus von Cusa (1401-1464), Charles Du Moulin (1500-1566) und George Cassender (1513-1564). Der unwiderlegbare Beweis ihrer Fälschung wurde von dem Theologen David Blondel 1628 erbracht.

Weitere Quellen: Migne, Patrologiae cursus completus, Bd. CXXX; P. Hinschius, Decretales Pseudo-Isidorianiae et capitula Angilramni, Leipzig, 1863; I. v. Döllinger, Das Papsttum 35ff., München, 1892, E. Seckel, Pseudoisidorische Dekretalen in Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd.XVI, 3. Aufl., 1905; E. Perels, Eine Denkschrift Hinkmars von Reims im Prozeß Rothads von Soissons, 1922; Maaßen, Pseudoisidorstudien, 1888; Kenneth Scott Latourette, A History of the Expansion of Christianity, Bd. III, 1938; H.H. Milman, History of Latin Christianity, Bd. III; New Schaff-Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge, Bd. IX, 343-345, 1950; Fournier, Etudes sur les Fausses Decratales in Revue d'Histoire Ecclésiastique Bd. VII und Bd. VIII; Catholic Encyclopedia, Bd. V, False Decretals; Der Große Herder, Bd. VII, Sp. 685; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. IV, 1930, Sp. 1631.1632.

Anm 008: Vollkommenheit der Kirche -- (Seite 57)

Im Jahre 1075 proklamierte Papst Gregor VII. die unumschränkte Herrschaft des Papstes in der Kirche und über die gesamte Welt (Dictatus Gregorii Papae).

Die Reformation der Kirche und die Emanzipation des Papsttums von weltlicher Macht ist das Werk Gregors VII. Heussi schreibt in seinem "Kompendium der Kirchengeschichte", § 73 a-c: "In Gregor VII. (1073-1085), einem der gewaltigsten und erfolgreichsten aller Päpste, erreichte die kirchliche Reformbewegung des 11. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Durch Erzwingung des Priesterzölibats und energische Bekämpfung der Simonie förderte Gregor die innerkirchliche Reform. Er gab der Idee des Papsttums ihre konsequente Fortbildung; Papsttum und Kirche begannen gleichbedeutende Begriffe zu werden. Romanisierung und Zentralisation der abendländischen Kirche machten bedeutende Fortschritte. Vor allem hat Gregor den Kampf um die Freiheit der Kirche von den weltlichen Gewalten mutig aufgenommen und mit der Beharrlichkeit des großen Politikers durchgeführt.

Seine Anschauungen (siehe seine Briefe und besonders die ‚Dictatus Gregorii Papae', 27 kurze Thesen über die päpstliche Macht, nicht von ihm selbst verfaßt) ruhen auf Augustins ‚De civitate Die', Pseudo-Isidor und Nikolaus I. U.a. finden sich darunter folgende Thesen:

Der Papst ist der unumschränkte Herr der Universalkirche. Er kann Metropoliten und Bischöfe absetzen und ernennen, ja für jede Kirche Kleriker konsekrieren; er allein darf eine allgemeine Synode berufen; seine Legaten stehen an Rang über den Bischöfen ...

Der Papst ist der oberste Herr der Welt. Er trägt die kaiserlichen Insignien, nur ihm, nicht den übrigen Bischöfen, haben die Fürsten die Füße zu küssen, er darf sogar den Kaiser seiner Würde entsetzen und die Untertanen vom Treueid entbinden. Papsttum und weltliche Macht verhalten sich wie Sonne und Mond; dieser empfängt von jener sein Licht. Der Papst steht unter dem besonderen Schutze des Petrus; der ‚canonice' gewählte Papst wird durch die ‚Verdienste' des Petrus ohne Zweifel heilig. Die römische Kirche hat niemals geirrt und wird niemals irren."

(Siehe auch Carl Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus 146, 4. Aufl., Tübingen, 1924.)

Quellen: Baronius, Annales Ecclesiastici a Christo nato ad annum 1198, Bd. 17, Ann. 1076, 405.406, Paris, 1869; Monumenta Germaniae Historica Selecta, Bd. III, 17; F.A. Ogg, Source Book of Medieval History, Kapitel 16, Abschn. 45, 262-264, New York, 1907; Oliver J. Thatcher/Edgar H. McNeal, Source Book for Medieval History, Abschn. 3, Punkt 65, 136-139, New York, 1905; James Bryce, Holy Roman Empire, Kapitel 10; James W. Thompson/Edgar N. Johnson, An Introduction to Medieval Europe, 300-1500, 377-380; I. v. Döllinger, Das Papsttum 40ff., München, 1892; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. II, 1928, Sp. 1438.1439; Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte 205, § 73b, 1913.

Anm 009: Marienverehrung -- (Seite 58)

Die Heimat der Marienverehrung ist der Orient. Dort ist der Glaube an die "Ewige Jungfrau" entstanden; dort entwickelte sich auch ein Brauchtum, das die Verehrung Marias in die Liturgie mit einbezog. "Die weitere Entfaltung der Mariologie hängt mit der Entwicklung des christologischen Dogmas zusammen. Der entscheidende Wendepunkt ist hier das Konzil von Ephesus im Jahre 431. Auf ihm wurde die Lehre des Nestorius [Patriarch von Konstantinopel], Maria sei die ‚Christusgebärerin', zugunsten der Lehre des Cyrill [Patriarch von Alexandrien] von Maria, der ‚Gottesgebärerin', verdammt. Dadurch sollte zunächst das Bekenntnis zu der ewigen Gottheit Jesu Christi sichergestellt werden ... Jedenfalls war damit zugleich eine gewaltige Steigerung der Ehre Mariens verbunden. Maria wird zur ‚Gottesmutter'." (Loewenich, Der moderne Katholizismus, 1955, 225.)

Im Mittelalter erfuhr die Marienverehrung eine weitere Steigerung. Maria wird zur Hohen Frau, zur Madonna. Der Volksfrömmigkeit wird sie immer vertrauter als "Unsere liebe Frau". Als Jungfrau und Königin ist sie zugleich das Ideal echter Mütterlichkeit. Das Volk rief Maria als Helferin nicht nur in geistlichen, sondern auch in weltlichen Nöten an. Die verbreitetste Gebetsform war das Ave Maria, das mit dem Vaterunser eng verknüpft wurde. Die beliebteste Form dieses Mariengebetes wurde der Rosenkranz, bei dem "die Gottesmutter in enger Verbindung mit der Heilsgeschichte betrachtet wird".

"Als Förderer der Mariologie erscheinen Bernhard von Clairvaux und Thomas von Aquin. Bernhard verkündigt: Wer den Sohn fürchtet, nehme seine Zuflucht zu Maria! In seiner berühmten Auslegung deutete er das Hohelied auf das Verhältnis von Christus zu Maria. Bei Thomas ist Maria das Symbol der Kirche. Diese Anschauung hat sich in der Gegenwart als ungemein wichtig erwiesen. In der Tat versteht man die neuere Mariologie nur, wenn man bedenkt, daß in Maria die Personifikation der Kirche verehrt wird ... Wenn die Kirche Maria zur Sündlosen, zur Gnadenmittlerin, zur Himmelskönigin erhebt, so spricht sie damit ihr eigenes Selbstbewußtsein aus." (Loewenich, Der moderne Katholizismus 228f.)

Zwei Dogmen lenken den Blick in besonderer Weise auf die Marienverehrung. Das erste, am 8.12.1854 von Pius IX. proklamiert, verkündete die unbefleckte Empfängnis Mariä; das zweite, die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel, wurde am 1.11.1950 von Pius XII. verkündet. Das Bedeutsame dieser beiden Dogmen ist, daß sie in der Heiligen Schrift keinerlei Rückhalt haben, sie können sich lediglich auf die Tradition berufen. Das Dogma von der unbefleckten Empfängnis verkündigt die völlige Sündlosigkeit Marias. Es wird als eine Offenbarung Gottes gewertet; seine Nichtannahme bedeutet den Verlust der Seligkeit und den Ausschluß aus der Kirche.

Die Dogmatisierung erfolgte nicht durch Konzilsbeschluß, sondern kraft päpstlicher Vollmacht, womit schon das geplante Unfehlbarkeitsdogma vorbereitet wurde. Bei der Begründung des Dogmas von der leiblichen Himmelfahrt Mariens findet sich u.a. folgender Satz: "Wenn nach dem Tode der Gottesmutter Maria Gott, ihr Sohn, sie nicht unverzüglich auferwecken würde, nachdem er ihren Leib vor jeder Verwesung bewahrte, würde es ihm an Weisheit fehlen, und er würde sich selbst widersprechen; sein Verhalten wäre unzusammenhängend und ungeziemend." (Loewenich, Der moderne Katholizismus 243.)

Nach katholischer Sicht ergeben die Zeugnisse des Evangeliums, ergänzt und erweitert durch die Tradition, von selbst den Begriff der tätigen Anwesenheit Marias in dem gesamten Erlösungswerk Jesu Christi. Sie bewirke zwar nicht die Erlösung selbst, aber sie sei das Mittel und teile die Gnaden aus. Christus ist hier nicht mehr ohne Maria zu denken, die ihren Platz in der Sphäre des Göttlichen behauptet, die das "Meisterwerk Gottes" ist und die "der Allmächtige nach seinem Willen neben Christus gestellt hat in allen Phasen des Heilswerkes" (Osservatore Romano, 26.3.58). Damit erhält die Erlösung gewissermaßen erst durch Maria ihre Krönung. Papst Benedikt XV. äußerte schon 1918, daß man mit Recht sagen könne, Maria habe zusammen mit Christus das Menschengeschlecht erlöst. Sein Nachfolger legte ihr sogar den Titel "Miterlöserin" bei. Angesichts dieser Sachlage nützt es wenig, wenn von katholischer Seite versichert wird, daß nichts, was Maria an Glauben zugewendet werde, Gott und Christus verlorengehe; sie beteten die Himmelskönigin nicht an, sondern brächten ihr nur "übermäßige Verehrung" dar. Dieser feine, nur rhetorische Unterschied wirkt sich jedoch in der praktischen Frömmigkeit überhaupt nicht aus; denn wie will man die Anbetung von der übermäßigen Verehrung trennen? Abgesehen davon bezeugen eine Reihe von Äußerungen gerade der letzten Zeit, daß eben doch die Anbetung Marias gemeint ist und nicht nur eine Verehrung. So wiederholte Johannes XXIII. ein bekanntes Rosenkranzgebet Pius XII., in dem es heißt: "Wendet euch mit immer größerem Vertrauen an die jungfräuliche Gottesmutter, zu der die Christen allezeit und vor allem in Widrigkeiten Zuflucht genommen haben, weil sie ja zur Quelle des Heils [!] für das ganze Menschengeschlecht bestellt ist."

Einer der entschiedensten Förderer der Marienfrömmigkeit war Pius XII. Als 18jähriger weihte er sich Maria, sein Priestertum brachte er der "Himmelskönigin" dar. Während seines Pontifikats veröffentlichte er 350 marianische Dokumente, darunter 19 von ihm verfaßte Mariengebete. Von ihm stammt auch der Ausspruch: "Der irrt gründlich von der Wahrheit ab, der glaubt, die Würde und Reinheit der heiligen Jungfrau völlig und richtig allein aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments definieren zu können." Die in der Regierungszeit Pius XII. entfaltete Aktivität in der Verehrung Mariens gipfelte vor allem in folgenden Bekundungen: 1942 Weihe der Kirche und der Menschheit an das unbefleckte Herz Mariens, 1946 Rundfunkbotschaft über das Königtum Marias anläßlich der Krönung der Jungfrau in Fatima, 1950 Dogma von der leiblichen Himmelfahrt Mariens, 1952 Weihe der Völker Rußlands an das Herz Mariens, 1953 Einsetzung des Marianischen Jahres, 1954 Weihe des deutschen Volkes [!] an das Herz Mariens und 1959 (unter Johannes XXIII.) Weihe Italiens an das Herz Mariens.

Papst Johannes XXIII. verteidigte die Marienverehrung gegen nicht katholische Kritik. Außerdem sprach er die Hoffnung aus, daß Maria die "Wunden des mystischen Leibes" heilen werde, d.h. daß Maria den getrennten Brüdern den Weg der Rückkehr in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche ebnen werde. Während des zweiten Vatikanischen Konzils wurde vor allem von spanischen Bischöfen gefordert, daß "die tätige Mitwirkung der Mutter Gottes" in der Heilsordnung der Kirche zusammen mit Christus hervorgehoben werden müsse.

Allgemeine Überraschung hatte es auf dem Konzil ausgelöst, daß Papst Paul VI. in der Schlußsitzung der dritten Sitzungsperiode, nachdem er die dogmatische Konstitution "Über die Kirche" verkündet hatte, in einer Würdigung dieser Konstitution Maria als "Mutter der Kirche" proklamierte. Die fortschrittlichen Bischöfe und Kardinäle zeigten sich von dieser Maßnahme des Papstes bestürzt, da die Konzilsmehrheit noch wenige Wochen zuvor eine solche Formulierung und Definition um des ökumenischen Gespräches willen abgelehnt hatte. Einige Kardinäle äußerten auch unverhohlen ihr Befremden über die Art, wie das Konzil hier überspielt wurde. Noch kurz zuvor hatten 1559 Konzilsväter eine Kompromißfassung des Marienkapitels gebilligt, in der Maria weder als "Mutter der Kirche" noch als "Mittlerin der Gnaden" noch als "Miterlöserin" genannt worden war.

Paul VI. dagegen ließ die dritte Sitzungsperiode mit einem Lobeshymnus auf Maria enden. Er sagte u.a. wörtlich: "Wir wünschen, daß die Jungfrau von nun an von allen [!] Christen noch mehr verehrt und angerufen werde."

Der polnische Papst Johannes Paul II. hat sich bisher als ein vehementer Verfechter der Mariologie erwiesen. Er kommt damit freilich einem weitverbreiteten Bedürfnis innerhalb der katholischen Kirche entgegen. So haben allein aus den fünf südamerikanischen Ländern Chile, Peru, Ecuador, Kolumbien und Venezuela 3 Kardinäle, 33 Erzbischöfe, 110 Bischöfe, 146 Prälaten, 938 Priester, 118 Ordensbrüder, 1684 Ordensschwestern und Tausende von Laien den Papst gebeten, das Dogma von Maria als Miterlöserin zu verkünden.

Zweifellos gebühren der Maria als Mutter des Herrn Liebe und Dankbarkeit. Sie ist das Gefäß, in dem das Wort Fleisch wurde. Was man jedoch in die Gestalt der Mutter Jesu hineinlegte, hat in der Heiligen Schrift keinen Grund. Das Neue Testament, das völlig christozentrisch orientiert ist, weiß wenig von Maria zu berichten, von ihrem Ende und von ihrer Himmelfahrt überhaupt nichts. Selbst unter den Zeugen der Auferstehung wird sie nicht genannt. Sie ist hier weder Gottesmutter noch Himmelskönigin, sondern schlichte Magd. Der biblische Bericht von der jungfräulichen Geburt will nichts anderes sein als ein Ausdruck für die einzigartige Bedeutung der geheimnisvollen Person Jesu Christi. Er ist mehr eine Aussage über Jesus selbst als über Maria. Christus ist auch der Heiland der Maria. Da aber Maria

als Symbol der katholischen Kirche verstanden wird, ergibt sich die Folgerung: je mehr Maria in der Verehrung steigt, um so glorreicher sieht sich auch die katholische Kirche selbst.

Quellen: Walther von Loewenich, Der moderne Katholizismus, 1955; Hans Asmussen, Maria, die Mutter Gottes, 1950; P. Bernardus, "Katholische Kirche, wohin gehst du?" in Ökumenische Einheit II, 2, 88ff.; Gerhard Ebeling, "Zur Frage nach dem Sinn des Mariologischen Dogmas" in Zeitschrift für Theologie und Kirche, 47, 1950, Heft 3, 383ff.; Edmund Schlink, Evgl. Gutachten zur Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens, München/Berlin, 1950; Walter Künneth, Christus oder Maria, Berlin-Spandau, 1950; Bernhard Ritter, "Das römische Mariendogma" in Evangelische Jahresbriefe, 16, 1951/52, 8ff.; Hermann Volk, Das neue Mariendogma, Münster, 1951; Karl Rahner, Das "Neue" Dogma, Herder/Wien, 1951; Otto Semmelroth, Das neue Dogma im Widerstreit, Würzburg, 195 1; Friedrich Heiler, "Assumptio" in Theologische Literaturzeitung, Januar 1954, Sp. 1-52; P. Sträter, Katholische Marienkunde, 3 Bde. 1947-51; R. Graber, Die marianischen Weltrundschreiben der Päpste in den letzten 100 Jahren, 1951; C. Feckes, Die heilsgeschichtliche Stellvertretung der Menschheit durch Maria, 1954; G. Miegge, "Die gegenwärtige Situation der katholischen Mariologie" in Theologische Literaturzeitung 82, 1957, 56lff.; "Marienerscheinungen" in Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 1952, Nr. 2, 23ff.; "Zum Kult von Fatima" in Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 1951, Nr. 2, 14ff.; Nr. 4, 15f.; "Das neue Mariendogma im Lichte der Geschichte und im Urteil der Ökumene" in Ökumenische Einheit II, 2. u. 3, München/Basel, 1950; "Mariologie und marianische Frömmigkeit" in Herder-Korrespondenz IX, 9. Juni 1955, 415ff.; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, 1929, Sp. 2014ff.; Lexikon für Theologie und Kirche, VI, 895ff.; George A. Lindbeck (Hrsg.), Dialog unterwegs, Eine evangelische Bestandsaufnahme zum Konzil, 1965.

Anm 010: Fegefeuer -- (Seite 58)

Das Fegfeuer ist nach dem römischen Einheitskatechismus ein Sühnort für die Seelen jener, welche, obwohl sie in der Gnade Gottes gestorben sind, der göttlichen Gerechtigkeit nicht vollständig Genugtuung geleistet haben. "Wir können die Strafen der Seelen im Fegfeuer lindern durch Gebete, Ablässe, Almosen und andere gute Werke, aber ganz besonders durch das heilige Meßopfer."

Quellen: K.R. Hagenbach, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. I, 197ff., 344ff.; Bd. II, 197ff., 346f., Leipzig, 1847; Schröckh, Christliche Kirchengeschichte, Bd. XX, 184ff., Leipzig, 1794; Catholic Encyclopedia, Art. Fegfeuer; Charl. Elliott, Delineation of Roman Catholicism, 2. Buch, Kapitel 12; Hefele, Konziliengeschichte, Bd. IX, 888; Wetzer, Kirchenlexikon, Art. Fegfeuer; Der Große Herder, Bd. III, Sp. 838; Bd. X, Sp. 1410-1412; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. II, 1928, Sp. 533-535; Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. IV, 514-517.

Anm 011: Ablass -- (Seite 59; Seite 83)

Über die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Ablaß während der Reformation siehe einen Beitrag von Dr. H.C. Lea, "Indulgences in Spain" (veröffentlicht in Papers of the American Society of Church History, Bd. I, 128-171). Über den Wert dieser geschichtlichen Aufschlüsse sagt Dr. Lea in seinen einleitenden Ausführungen: "Ungeachtet des zwischen Luther einerseits und Eck und Silvester Prierias anderseits herrschenden Streites, ging Spanien ruhig seinen alten, ausgetretenen Pfad weiter und lieferte uns die unstrittigen offiziellen Dokumente, die uns in die Lage versetzen, diese Angelegenheit im klaren Licht der Geschichte zu untersuchen."

Quellen: Eine genaue und umfassende Darstellung der Lehre vom Ablaß findet sich bei M. Creighton, A History of the Papacy from the Great Schism to the Sack of Rome, Bd. V, 56-65, 71, London, New York, Bombay, Calcutta, 1911; Catholic Encyclopedia, Bd. VIII, 783-789, Art. Ablaß von W.H. Kent; H.C, Lea, A History of Auricular Confession and Indulgences in the Latin Church, Philadelphia, 1896; Thomas M. Lindsay, A History of the Reformation, Bd. I, 216-227, New York, 1917; A.H. Newman, A Manual of Church History, Bd. II, 53.54.62, Philadelphia, 1953; Preserved Smith, The Age of the Reformation 23-25.66, New York, 1920; L. v. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd. I, 2. Buch, 122.157f.; Walther Koehler, Dogmengeschichte 319ff., 1943, A. von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. III, 292f., 504f., 511ff., 603f., 1890; Franz Beringer-Steiner, Die Ablässe, ihr Wesen und Gebrauch, 2 Bde., 1920; Fr. Heiler, Der Katholizismus, 1923; Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. I, 90-92, 1877; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. I, 1927, Sp. 59-64.

Anm 012: Die Messe -- (Seite 59)

"Das heilige Meßopfer ist im katholischen Gottesdienst die Feier der Kreuzopfers Christi. -- Der Name Messe (von missa, der spätlat. Form von missio = Sendung, Entlassung) bezeichnet die liturgische Gesamthandlung von ihrem Schluß, der feierlichen Entlassung und Segnung her und besagt damit, daß das Meßopfer die wesentliche Mitte ist, aus der heraus das menschliche Leben gesegnet und geheiligt werden soll.

Das Wesen der Messe beruht darin, daß sie als Vergegenwärtigung des Kreuzopfers Christi (des Opfers des Neuen Bundes) weder nur dessen Erinnerung noch seine wiederholte Nachahmung oder Ergänzung ist (was der Vollgültigkeit und Einzigkeit des Kreuzopfers widerspräche). Vielmehr ist die Messe mit dem Kreuzopfer ihrem Wesen nach identisch und weist den gleichen Hohenpriester, die gleiche Opfergabe auf: Christus. Nur die Weise der sakramentalen Aufopferung in der Messe ist verschieden von der historischen am Kreuz; dort geschah sie blutig, in der Messe geschieht sie unblutig in der Gestalt von Brot und Wein ... So ist die Messe im katholischen Glaubensverständnis die Mitte des Lebens, die wirklichste Gottbegegnung und damit der sichtbarste Einbruch der Gnade in das Dasein des Menschen." (Der Große Herder, Bd. VI, Sp. 451ff.)

Walther von Loewenich schreibt in Der moderne Katholizismus 28ff.: "Luther hatte die Messe als ein Werk des Menschen verworfen. In der Messe bringt die Kirche Leib und Blut Christi als ihr Opfer dar. Damit ist die Einmaligkeit und Einzigkeit des Opfers Christi zunichte gemacht. Die Messe ist darum für Luther ein greulicher Götzendienst und eine vermaledeite Abgötterei. Hier erreicht für ihn die falsche Werkfrömmigkeit ihren furchtbaren Höhepunkt. Darum richtet sich sein ganzer Groll gegen diese Feier. Luthers Polemik wird vom heutigen Katholizismus als ein verhängnisvolles Mißverständnis bezeichnet. Man verweist dafür auf cap. 2 der 22. Sitzung des Tridentinums. Dort heißt es: ‚Es ist ein und dasselbe Opfer, das derselbe jetzt durch den Dienst der Priester darbringt, der sich selbst damals am Kreuze dargebracht hat, wobei nur die Art der Darbringung verschieden ist.'

Nicht die Kirche, sondern Christus selbst ist also in der Messe das Subjekt des Opferns. Die Messe ist zwar ein wahres und eigentliches Opfer, aber es ist wesentlich identisch mit dem Opfer Christi am Kreuz. Die wesentliche Identität wird erläutert durch den Gedanken der Repräsentation. Christus hat sich selbst beim ersten Abendmahl geopfert und dieses Opfer zur Wiederholung eingesetzt, um so ein Opfer zu hinterlassen, durch das jenes einmalige blutige am Kreuz dargestellt würde und so sein Gedächtnis bis ans Ende der Welt dauern sollte. Aber das Meßopfer ist nicht eine bloße Abbildung oder Erinnerung an das Kreuzopfer, sondern es vollzieht sich ein wirkliches Opfer auf dem Altar. Die Theologen reden so zwar von einer ‚Wiederholung' des Kreuzopfers auf dem Altar: dadurch soll aber die Identität des Meßopfers mit dem Kreuzesopfer nicht angetastet werden. Wird nun Christus selbst als Subjekt des Opfers auf dem Altar verstanden, so läßt sich offenbar Luthers Vorwurf gegen das ‚Menschenwerk' nicht aufrechterhalten. Es ist in der Gegenwart wichtig, daß wir uns über diesen Punkt Klarheit verschaffen. Diese Klarheit läßt sich aber nicht leicht gewinnen, da hier auf der katholischen Seite selbst nicht alles klar zu sein scheint.

Zunächst kann man Luther nicht zum Vorwurf machen, daß er die Identität zwischen Kreuzesopfer und Meßopfer nicht beachtet hat; denn die Formulierung des Tridentinums ist erst nach seinem Tode erfolgt. Sie findet sich aber in keiner früheren offiziellen Lehrentscheidung klar ausgesprochen. Im Canon missae, also in der kirchlichen Liturgie, an die sich Luther in erster Linie halten mußte, ist sie keineswegs klar zum Ausdruck gebracht. Im Gegenteil, alle einschlägigen Stellen dort sprechen unumwunden von einem Opfer der Kirche und des Priesters. Mehrfach wird darum gebeten, Gott möge diese ‚heiligen, makellosen Opfergaben' gnädig annehmen. Diese Bitte wird bei einem Selbstopfer Christi schwer begreiflich. Die Opfergabe wird als eine solche bezeichnet, ‚die wir, deine Diener und deine ganze Gemeinde, darbringen'. Der Priester bittet, Gott möge unser Opfer ebenso gnädig annehmen, wie einst die Opfer Abels, Abrahams und Melchisedeks. Auch diese Bitte setzt doch wohl voraus, daß die Kirche bzw. der Priester Subjekt des Opferns ist ... Aus dem Canon missae konnte also Luther kein zwingendes Argument gegen seine Auffassung von der Messe als Opfer der Kirche gewinnen. Offenbar stand Luther mit seiner Auffassung nicht allein. Es gab im Mittelalter Stimmen, welche die Macht des Priesters über die Christi stellten; denn Christus habe sich nur einmal geopfert, der Priester aber tue dies täglich. Eine ähnliche Auffassung begegnet uns noch in dem Hirtenbrief des Erzbischofs Johannes Katschthaler von Salzburg vom 2. Februar 1905. Hier heißt es unter anderem: ‚Einmal hat Maria das göttliche Kind zur Welt gebracht. Und sehet, der Priester tut dies nicht einmal, sondern hundert- und tausendmal, so oft er zelebriert. Machen sie (die Priester) den Leib, das Blut des Herrn nur gegenwärtig? Nein. Sondern sie opfern, sie bringen dem himmlischen Vater das Opfer dar. Es ist dasselbe, was Christus blutigerweise auf Kalvaria und unblutigerweise beim letzten Abendmahl getan hat. Hier in der heiligen Messe tut Er dasselbe durch seine Stellvertreter, die katholischen Priester. Die Priester hat er an seine Stelle gesetzt, damit sie dasselbe Opfer, das Er dargebracht, fortsetzen. Ihnen hat Er das Recht über seine heilige Menschheit übertragen, ihnen gleichsam Gewalt über seinen Leib gegeben. Der katholische Priester kann ihn nicht bloß auf dem Altar gegenwärtig machen, ihn im Tabernakel verschließen, ihn wieder nehmen und den Gläubigen zum Genusse reichen, er kann sogar Ihn, den menschgewordenen Gottessohn. für Lebendige und Tote als unblutiges Opfer darbringen. Christus, der eingeborene Sohn Gottes des Vaters, durch den Himmel und Erde geschaffen sind, der das ganze Weltall trägt, ist dem katholischen Priester hierin zu Willen.'"

In dem Lehrschreiben der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz von 1967 wird eine gewisse Modifizierung erkennbar: "Das Abendmahlshandeln Christi ist also von dem Kreuzestod nicht ablösbar; es enthält diesen und stellt ihn sakramental dar. Darum hat die heilige Messe auch Opfercharakter in dem vollen Sinn des Kreuzesopfers, welches sakramental, im Zeichen und geheimnisvoll, dargestellt und gegenwärtig wird. Der wahre und spezifische Opfercharakter der heiligen Messe darf nicht unterschlagen werden.

Die rechte Teilnahme am heiligen Opfer, welches die Kirche mit Christus darbringt und in welchem sie selbst dargebracht wird, ist die Vereinigung mit der Hingabe Christi an den himmlischen Vater. Sie erfordert daher, daß wir uns mit Christus in hochherziger Selbsthingabe ganz der göttlichen Majestät zu eigen geben."

Aber auch bei dieser Formulierung muß man fragen, ob hier nicht Wort Gottes und Antwort des Menschen in unzulässiger Weise verwechselt werden. Nicht nur wird die Sündenvergebung in falscher Weise mit der menschlichen Hingabe an Gott verbunden, auch Christus wird hier mit der Kirche identifiziert.

Quellen: Über die Lehre von der heiligen Messe, wie sie auf dem Konzil zu Trient festgesetzt wurde, siehe:

Aus protestantischer Sicht: Philipp Schaff, Creeds of Christendom, Bd. II, 126-139, Art. Canons and Decrees of the Council of Trent, engl. und lat. Text; John Calvin. Institutes of the Christian Religion, 4. Buch, Kapitel 17 und 18; Edward B. Pusey, The Doctrine of the Real Presence, Oxford, 1855; K.R. Hagenbach, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. I, 214-223.393-398; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, 1929, Sp. 2135-2140; Th. Sartory, Die Eucharistie im Verständnis der Konfessionen, Recklinghausen, 1961.

Anm 013: Inquisition -- (Seite 570)

"Die alte katholische Kirche kannte zwar seit dem ausgehenden vierten Jahrhundert Zwangsmaßnahmen gegen Ketzerei, aber keine zur Aufsuchung der Ketzer eingerichtete Behörde. Die eigentliche Inquisition ist erst in dem schweren Kampf der katholischen Kirche gegen die großen volkstümlichen Sekten des 12. Jahrhunderts, die Katharer und Waldenser, erwachsen. 1183 verfügte Papst Lucius III. in Übereinstimmung mit Friedrich I. auf dem Konzil von Verona nicht nur die Verurteilung, sondern auch die Aufsuchung der Häretiker und führte dadurch die bischöfliche Inquisition ein. Papst Innozenz III. ergriff einschneidende Maßregeln. Um 1199 sandte er zwei Zisterziensermönche als päpstliche Legaten mit weitgehenden Vollmachten zur Unterdrückung der Katharer und Albigenser nach Südfrankreich, wozu auch die weltliche Macht aufgeboten wurde. Das vierte Laterankonzil (1215) machte die Aufsuchung und Bestrafung der Ketzer zu einer Hauptaufgabe der Bischöfe. Das Konzil zu Toulouse (1229) verschärfte diese Bestimmungen noch. Die geheimen Zufluchtsstätten der Ketzer sollten erforscht und entdeckte Ketzer gefangengenommen werden ... Die Namen der Ankläger und Zeugen wurden den Angeklagten verheimlicht ... Über ketzerische Gegenden wurde das Interdikt verhängt. Die leiblichen Strafen, namentlich die Todesstrafe, überließ die Kirche der weltlichen Obrigkeit." (Der Große Brockhaus, Bd. IX, 137f.)

Papst Gregor IX. bestellte die Dominikaner zu ständigen päpstlichen Inquisitoren.

Die Inquisition war eine gerichtliche Institution zur Verfolgung von Häretikern, die in Mittelalter und Neuzeit erheblichen Einfluß besaß. Aufgabe des Inquisitionsprozesses war es, Rechtsabweichungen zu erfragen (inquirere). Eine Inquisition mit dem Ziel der strafrechtlichen Sühne wurde erst möglich, nachdem das Christentum Staatsreligion geworden war und der Staat die Abweichungen vom christlichen Glauben zu verfolgen begann. Staat und Kirche leisteten sich dabei gewissermaßen Rechtshilfe. Während die Inquisition anfangs von den Bischöfen ausgeübt wurde, trat seit dem Ende des 12. Jahrhunderts die vom Papst ausgehende Inquisition an

deren Stelle (als Wandergerichte). Die päpstliche Inquisitionsbehörde nahm an Macht und Ansehen ständig zu. Sie erhielt später den Namen "Sanctum Officium".

"Die Inquisition wurde zunächst in Italien eingeführt und entfaltete ihre Wirksamkeit vornehmlich hier sowie in Südfrankreich und Spanien. In Spanien wurde die Inquisition sogar Staatseinrichtung; die konfiszierten Gelder flossen in die Staatskasse. Die spanische Inquisition ist bekannt durch die mit großem Pomp gefeierten Autos-da Fé (Autodafés = actus fidei = Akte des Glaubens), durch welche die Urteile der Inquisition vollstreckt wurden. Ihre Intensität nimmt in Richtung auf die nordischen Staaten ab. Von den in Deutschland umherziehenden Inquisitoren ist Konrad von Marburg (13. Jh.) am bekanntesten, der aber nach nur zweijähriger Wirksamkeit von dem erregten Volk erschlagen wurde. Das Vorgehen der Inquisition gegen bestimmte Gruppen von Sektierern war häufig mit politischen Motiven vermischt: so im Kampf der Kirche gegen den Templerorden (Ritterorden) zusammen mit König Philipp IV. von Frankreich. Auch wirtschaftliche und Standesinteressen haben bisweilen das Eingreifen der Inquisition ausgelöst oder beschleunigt ...

Die Verbindung von Inquisition und Politik wurde seit der Reformation notwendigerweise noch stärker. Die Inquisition spielt in der Bewegung der Gegenreformation eine bedeutende Rolle und hat sich in katholischen Staaten bis ins 19. Jh. hinein gehalten ... Untersuchungsverfahren und Vollstreckung der Inquisition richteten sich naturgemäß nach dem weltlichen Strafrecht, das im späten Mittelalter und in der Renaissance besonders grausam war ...

Die Inquisition ist eine Einrichtung der katholischen Kirche, die am meisten zur Kritik herausgefordert hat und die das beliebteste Beispiel ist, wenn die katholische Kirche des Mittelalters gebrandmarkt werden soll. Von katholischer Seite verweist man dagegen auf den schweren Existenzkampf der Kirche gegen die Ketzer, auf die allgemeine Grausamkeit der damaligen Justiz und die psychopathischen Erscheinungen des Mittelalters. Doch gehen sowohl die Angriffe als auch z.T. die Verteidigung am Kern der Sache vorbei. Die Kritik macht es sich einfach, wenn sie sich unhistorisch auf den Boden des liberalen Staatsdenkens stellt. Das Mittelalter dachte anders, es nahm vor allem die Einheit von Staat und Kirche als vorgegeben hin. Die Staatskirche verfolgte deshalb natürlicherweise die kirchlichen Delikte genauso wie die weltlichen; stellte doch ein Angriff auf die Religion zugleich einen Angriff auf den Staat dar. Die Verfolgung des Religionsdeliktes war dem Mittelalter also eine Selbstverständlichkeit. Es ist weiter natürlich, daß die Inquisition sich der zeitgenössischen Mittel der Strafverfolgung bediente, und es muß auch darauf hingewiesen werden, daß ihr genau überliefertes Verfahren z.T. mit großem Ernst und juristischer Gewissenhaftigkeit durchgeführt wurde (so z.B. das gegen Hus). Nicht die Inquisition als solche, sondern die Auswüchse, zu denen diese Institution unter den verschiedensten politischen und soziologischen Einflüssen führte, könnten vom historischen Standpunkt aus kritisiert werden. Und selbst unter diesem Gesichtspunkt wird man nicht die Inquisition verdammen können, ohne das Mittelalter und die Renaissance überhaupt verurteilen zu müssen. Eine echte Beurteilung und vielleicht Verurteilung der Inquisition kann nicht auf historischer, sondern allein auf religionsphilosophischer Ebene erfolgen. Es geht um die Frage, ob die Kirche das Recht oder sogar die Pflicht hat, den irrenden Bruder um seiner Seligkeit und des Bestandes der heiligen Kirche willen notfalls mit Gewalt zu überzeugen. Kann der Rechtgläubige weiter so viel göttliche Erkenntnis und Erleuchtung beanspruchen, daß er die Autorität erhält, den ‚hartnäckigen Ketzer' aus der kirchlichen und menschlichen Gemeinschaft auszustoßen? Fordert die Liebe zu dem irrenden Mitchristen Tolerierung oder Züchtigung? So gesehen ist die Frage der Inquisition eine dauernd aktuelle Frage." (Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, Tübingen, 1959, Sp. 774.775.)

In Deutschland verschwand die Inquisition unmittelbar nach der Reformation. Spanien hob sie erst 1834 auf, Italien 1859, Frankreich 1772.

1542 wurde die Inquisition reorganisiert und erhielt den Namen Sacra Congregatio Romana (Heiliges Offizium). Als oberste Instanz in Glaubenssachen besteht die Inquisition noch heute. Über die Reinheit des katholischen Glaubens wacht sie als Kardinalskongregation des heiligen Offiziums (Congregatio sancti Officii).

Es läßt sich heute ohne Übertreibung sagen, daß die Inquisition der größte Schandfleck ist, der auf der römischen Kirche lastet. Sie hat in hohem Maße dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit des Christentums zu untergraben. Noch im 19. Jahrhundert finden sich in der katholischen Presse positive Äußerungen über die Inquisition. Die Analecta Ecclesiastica, eine Zeitschrift, brachte 1895 den Abdruck eines Inquisitionsurteils vom 28.2.1484, dem sich ein überschwengliches Loblied auf die heilsame Einrichtung der Ketzerverbrennungen aus der Feder eines Kapuzinerpaters anschloß: "O ihr gesegneten Flammen der Scheiterhaufen, durch welche durch die Beseitigung ganz weniger und äußerst verworfener Menschen Hunderte und aber Hunderte von Seelen aus dem Rachen des Irrtums und der ewigen Verdammnis herausgerissen wurden!"

Der spanische Großinquisitor Torquemada (1420-1498) und der Inquisitor de Epila, unter denen Hunderte von Christen hingerichtet wurden, genießen heute hohe und höchste Verehrung in der katholischen Kirche. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein gibt es Urteile von katholischer Seite, die die Maßnahmen der Inquisition verteidigen, ja sie sogar für förderungswürdig halten. Zwar haben sich die Methoden römischer Zwangsmaßnahmen geändert, aber auch unsere moderne Zeit bietet noch eine Fülle von Repressalien, die gegenüber Andersgläubigen rücksichtslos eingesetzt werden.

Erst in allerjüngster Vergangenheit waren Versuche, den Protestanten z.B. in Spanien mehr Freiheiten zu verschaffen, erfolgreich. Darüber hinaus lassen gewisse, während des zweiten Vatikanischen Konzils sichtbar gewordene Tendenzen darauf hindeuten, daß die katholische Kirche bereit scheint, die Andersgläubigen nicht mehr pauschal als "Ketzer" zu diffamieren, sondern sie als Gesprächspartner anzuerkennen. Wenn man auch hinter diesen Bestrebungen keineswegs vermuten darf, daß die protestantischen Kirchen als gleichberechtigt angesehen würden.

Wieviel Unbehagen an der Indizierungspraxis des Heiligen Offiziums selbst innerhalb der katholischen Kirche besteht, beweist ein Diskussionsbeitrag von Kardinal Frings auf dem Konzil, der die Methoden dieses höchsten Gremiums der katholischen Kirche scharf angriff und unter Beifall der Konzilsväter mißbilligte, daß das Heilige Offizium Menschen verurteile, ohne sie anzuhören oder ihnen die Möglichkeit der Verteidigung zu geben! Wieweit hier in Wirklichkeit eine echte Wandlung erfolgt ist, wird die Zukunft lehren. Der Widerstand der kurialen Gremien ist zäh und hinhaltend. Das beweist nichts deutlicher als der Fall Küng im Jahre 1973.

Quellen: Aus katholischer Sicht: Catholic Encyclopedia, Bd. VIII, Art. Inquisition; E. Vacandard, The Inquisition: A Critical and Historical Study of the Coercive Power of the Church, New York, 1908; Der Große Herder, Bd. IV, Sp. 1360.1361; Kirchenlexikon von Wetzer u. Welte, Bd. VI, 1889.

Aus anglikanischer Sicht: Hoffman Nickerson, The Inquisition: A Political and Military Study of Its Establishment.

Aus protestantischer Sicht: Philipp v. Limborch, History of the Inquisition; H.C. Lea, History of the Inquisition in the Middle Ages, 3 Bde.; History of the Inquisition in Spain, 4 Bde.; The Inquisition in the Spanish Dependencies; H.S. Tuberville, Medieval Heresy and the Inquisition, London, 1920; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, Tübingen, 1959, Sp. 769-772; L. v. Ranke, Die Geschichte der Päpste, Köln, 1955; H. Kübert, Zauberwahn; die Greuel der Inquisition und Hexenprozesse, 1913; P. Flade, Das römische Inquisitionsverfahren in Deutschland bis zu den Hexenprozessen, 1902; E. Schäfer, Beiträge zur Geschichte des spanischen Protestantismus und der Inquisition im 16. Jahrhundert, 3 Bde., 1902; Walther von Loewenich, Der moderne Katholizismus, Witten, 1955; Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 1964, Heft 1; Luis Padrosa, Ich wählte die Wahrheit, Zürich, 1954; Die Lage der Protestanten in katholischen Ländern, Zollikon/Zürich, 1953.

Anm 014: Urchristentum in England -- (Seite 62)

Vermutlich sind bereits vor Ende des 1. Jahrhunderts christliche Lehrer nach England gekommen. Man nimmt an, daß es griechische Lehrer waren, die etwa 50 Jahre nach der Himmelfahrt Jesu aus dem Osten nach England gekommen sind. (Robert Parsons, Three Conversions of England.)

Auch Tertullian und Origines bezeugen in ihren Schriften die frühe Evangelisation in England. (Tertullian, Dei Fidei 179, engl. Ausgabe; Origines, Psalm 149.)

Sicher ist, daß 100 Jahre nach Tertullians Angaben England die ersten Märtyrer durch die diokletianische Verfolgung erhielt: Albanus von Verulam, Aaron und Julius von Caerleon und viele andere beiderlei Geschlechts. (Eduard Winkelmann, Geschichte der Angelsachsen bis zum Tode König Aelfreds, Berlin, 1883, in Onckens Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, 2. Hauptabtlg., Teil III.)

Anm 015: Waldenser Bibelübersetzung -- (Seite 65)

Über die Entdeckung waldensischer Manuskripte bei:

M. Esposito, "Sur quelques manuscrits de l'ancienne littérature des Vaudois du Piemont" in Revue d'Histoire Ecclésiastique 130ff., 1951; F. Jostes, "Die Waldenserbibeln" in Historisches Jahrbuch, 1894; D. Lortsch, Histoire de la Bible en France, Kapitel 10, Paris, 1910.

Eine ausgezeichnete Schrift stammt von einem der waldensischen "Barben", dem Prediger Jean Leger, Histoire Générale des Eglises Evangeliques des Vallées de Piemont, Leyden, 1669. Dieses Buch wurde zur Zeit der großen Verfolgungen geschrieben und enthält Informationen mit Skizzen aus allererster Hand.

Weitere Quellen: A. de Stefano, Civilta Medioevale, 1944; Riformatori ed eretici del medioeve, 1938; J.D. Bounous, The Waldensian Patois of Pramol, Nashville, 1936; A. Dondaine, Archivum Fratrum Praedicatorum, 1946; E. Comba, Storia dei Valdesi, 1930; E. Gebhart, Mystics and Heretics, Boston, 1927; G. Gonnet, Il Valdismo Medioevale, Prolegomeni, Torre Pellice, 1935; Jalla, Histoire des Vaudois et leurs colonies, Torre Pellice, 1935; Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. III, 125-145, Walther von Loewenich, Der moderne Katholizismus, Erscheinung und Probleme 195, Witten, 1955.

Anm 016: Der Sabbat bei den Waldensern -- (Seite 65)

Es gab Geschichtsschreiber, die behaupteten, daß die Waldenser allgemein den Siebenten-Tag-Sabbat gefeiert hätten. Diese Auffassung entsprang Quellen, die in ihrem lateinischen Text die Waldenser als solche beschrieben, die den dem Herrn gehörenden Tag (dies dominicalis) oder den Tag des Herrn (des Herrn Tag -- Sonntag) beginnen. Bei den Waldensern war es jedoch seit der Reformation üblich, das Wort "Sonntag" mit "Sabbat" zu übersetzen.

Dennoch gibt es historische Beweise für eine Siebenten-Tag-Sabbatfeier bei den Waldensern. Ein Bericht von einem Inquisitionsgericht, vor das einige böhmische Waldenser in der Mitte des 15. Jahrhunderts geschleppt wurden, erklärt, daß unter den Waldensern "in der Tat nicht wenige den Sabbat gemeinsam mit den Juden hielten". (I. v. Döllinger, Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters, München, 1890.) Fraglos weist diese Stelle auf die Feier des Siebenten-Tag-Sabbats hin.

Anm 017: Dekrete gegen die Waldenser -- (Seite 76)

Papst Lucius III. erließ 1183 mit Billigung des Kaisers Barbarossa das erste Dekret, dem 1192, 1220, 1229, 1236, 1243, 1253, 1332, 1380, 1400, 1476, 1487 und 1532 weitere päpstliche, kaiserliche und königliche Erlasse folgten.

Ein beträchtlicher Teil des Textes der päpstlichen Bulle von Innozenz VIII. (1487) gegen die Waldenser (das Original befindet sich in der Bibliothek der Universität Cambridge) ist in englischer Übersetzung enthalten in Dowlings History of Romanism, 6. Buch, Kapitel 5, Abschn. 62, 1871.

Weitere Quellen: Hahn, Geschichte der Waldenser, Bd. II, 703-753; Hefele, Konziliengeschichte, Bd. V, 725.914.979f.992; Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. XVI, 610-638, Leipzig, 1885.

Anm 019: Wiklif -- (Seite 85)

Die Historiker stellten fest, daß der Name "Wiklif" verschieden geschrieben wurde. Ausführlicher ist darüber zu lesen bei J. Dahmus, The Prosecution of John Wyclyf 7, New Haven, 1952.

Der Originaltext der päpstlichen Bullen gegen John Wiklif ist zu finden bei J. Dahmus, The Prosecution of John Wyclyf 35-49, New Haven, 1952; John Foxe, Acts and Monuments of the Church, Bd. III, 4-13, London, 1870.

Eine Zusammenfassung dieser an den Erzbischof von Canterbury, an König Edward und an den Rektor der Universität Cambridge gerichteten Bullen finden wir bei Merle D'Aubigné, The History of the Reformation in the Sixteenth Century, Bd. IV, 93, London, 1885 (deutsch: Geschichte der Reformation im 16. Jahrhundert); Neander, Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche, Bd. 5; George Sargent, History of the Christian Church 323, Dallas, 1948; Gotthard V. Lechler, Johann v. Wiklif und die Vorgeschichte der Reformation, 2 Bde., Leipzig, 1873; Philipp Schaff, History of the Christian Church, Bd. V, 2. Teil, 317, New York, 1915.

Anm 021: Hus nach Prag -- (Seite 97)

Bis in die jüngere Zeit hinein war die Meinung vorherrschend, daß Hus' Mutter ihren Sohn nach Prag begleitet hätte. Neuere Darstellungen bringen auch die Lesart, daß Hus' Mutter Jan nicht nach Prag, sondern unter den geschilderten Begleitumständen nach der Kreisstadt Prachatitz gebracht habe.

Quellen: Melchior Vischer, Jan Hus -- Aufruhr wider Papst und Reich, Frankfurt, 1941; Arnost Kraus, Husitstvi v literature, zejména nemecké, I. Teil, in Rozpravy ceské akademie (Das Hussitentum in der Literatur, namentlich in der deutschen, I. Teil, in Abhandlungen der Tschechischen Akademie, III. KI., Nr. 45, Prag, 1917, 223).

Anm 022: Hus' Rektorat -- (Seite 97)

In einigen neueren Geschichtswerken findet sich auch die Version, daß Hus nicht Rektor der Universität, sondern nur Rektor der Betlehemskapelle gewesen ist.

Quellen: Melchior Vischer, Jan Hus -- Aufruhr wider Papst und Reich 196f., 248-252, Frankfurt, 1941; Schröckh, Christliche Kirchengeschichte, Teil XXXIV, 576f., 1802; Gottfried Arnold, Unparteiische Ketzer- und Kirchengeschichte, S. 429f., 1697;. Theobald, Hussitenkrieg, 1609/1621; Neander, Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche, Bd. IX, 1865.

Anm 023: Spaltung der Kirche -- (Seite 102)

Die Kirche, die schon in zwei Papstkirchen auseinandergebrochen war, traf ein noch größeres Übel. Auf dem allgemeinen Konzil zu Pisa 1409 wurden die beiden Päpste, Gregor XII. und Benedikt XIII., für abgesetzt erklärt und ein neuer Papst, Alexander V., ein Grieche, gewählt. Die beiden anderen Päpste weigerten sich jedoch, ihrer Würde zu entsagen, so daß die Kirche nunmehr drei Päpste hatte.

Zu Alexander V. hielten Frankreich und England; zu Benedikt XIII. die Pyrenäenhalbinsel und Schottland; zu Gregor XII. der deutsche König, zahlreiche deutsche Territorien, Rom und Neapel.

Erst auf dem Konzil zu Konstanz gelang es, das Schisma zu beseitigen.

Anm 024: Missbräuche in geistlichen Dingen -- (Seite 102)

Ungefähr hundert Jahre nach Beendigung des Schismas zur Zeit des Konzils zu Pisa sagte Papst Hadrian VI. über die Zustände jener verworrenen Zeit: "Wir wissen, daß eine geraume Zeit daher viel Verabscheuungswürdiges bei dem Heiligen Stuhle stattgefunden hat: Mißbräuche in geistlichen Dingen, Überschreitung der Befugnisse; alles ist zum Bösen verkehrt worden. Von dem Haupte ist das Verderben in die Glieder, von dem Papste über die Prälaten ausgebreitet worden; wir sind alle abgewichen; es ist keiner, der Gutes getan, auch nicht einer."

Ranke schreibt über ihn: "Er dagegen versprach nun alles, was einem guten Papste zukomme: die Tugendhaften und Gelehrten zu befördern, die Mißbräuche, wenn nicht auf einmal, doch nach und nach abzustellen; eine Reformation an Haupt und Gliedern, wie man sie so oft verlangt hatte, ließ er hoffen ... Wollte der Papst bisherige Gefälle der Kurie aufheben, in denen er einen Schein von Simonie bemerkte, so vermochte er das nicht, ohne die wohlerworbenen Rechte derjenigen zu kränken, deren Ämter auf jene Gefälle gegründet waren, Ämter, die sie in der Regel gekauft hatten ... Um dem Unwesen des Ablasses zu steuern, hätte er gern die alten Büßungen wiederhergestellt." (L. v. Ranke, Die Geschichte der Päpste 43, Köln, 1955.)

Anm 025: Konzil zu Konstanz -- (Seite 103)

Eine früheste Quelle zu dem Konzil zu Konstanz: Ulrich v. Richental, Das Concilium so zu Constanz gehalten ist worden, 1483. Ferner: H. Finke, Acta Concilii Constanciensis, Bd. I, 1896; Hefele, Konziliengeschichte, Bd. VI und VII; L. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums, 1934; Milman, Latin Christianity, Bd. VII, 426-524; Pastor, The History of the Popes, Bd. I, 194ff.

Neuere Veröffentlichungen über das Konzil: K. Zähringer, Das Kardinal-Kollegium auf dem Konstanzer Konzil, Münster, 1935; H. Finke, Forschungen und Quellen zur Geschichte des Konstanzer Konzils, 1889; Th. F. Grogau, The Conciliar Theory as it manifested itself at the Council of Constance, Washington, 1949; Fred A. Kremple, Cultural Aspects of the Council of Constance and Basel, Ann Arbor, 1955; John Patrick McGowan, d'Ailly and the Council of Constance, Washington, 1936.

Über Jan Hus siehe bei: Jan Hus, Briefe; E.J. Kitts, Pope John XXIII. and Master John Hus, London, 1910; D.S. Schaff, John Hus, 1915; Matthew Spinka, John Hus and the Czech Reform, 1941; Melchior Vischer, Jan Hus -- Aufruhr wider Papst und Reich, Frankfurt/M., 1941; H. Prutz, Staatengeschichte des Abendlandes im Mittelalter (in Oncken, Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, Bd. II, 359-417, 1887); L. v. Ranke, Weltgeschichte, Bd. XIII, 125-138; F. Strunz, Hus, sein Leben und sein Werk, 1927; Richard Friedenthal, Ketzer und Rebell, Jan Hus und das Jahrhundert der Revolutionskriege, München, 1972.

Anm 026: Sigismunds Geleitbrief -- (Seite 106)

Hus trat am 11. Oktober 1414 seine Reise nach Konstanz an, geschützt durch ein "lebendiges Geleite", wie Kaiser Sigismund selbst bezeugte: "Ich verlieh dir das sichere Geleit, ehe du von Prag wegreistest, und befahl daselbst dem Wenzel von Duba und Johann von Chlum, dich zu begleiten und zu beschützen." (Hefele, Konziliengeschichte, Bd. VII, 156.) -- "Geleitet von drei böhmischen Edelleuten, deren Schutz ihn Sigismund befohlen hatte, erreichte er am 3. November Konstanz. Erst zwei Tage nachher traf der förmliche Geleitbrief für ihn ein: das hat Hus zu der unbedachten Äußerung veranlaßt, er sei ohne Geleit gekommen." (Oncken, Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, 2. Hauptabtlg., Teil VI., Bd. II, 377.)

Anm 027: Hussitische Angriffsweise -- (Seite 116)

Darüber schreibt Hans Prutz in der Staatengeschichte des Abendlandes im Mittelalter von Karl dem Großen bis auf Maximilian 398, in Onckens Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen, 2. Hauptabtlg., Teil VI, Bd. II: "Unwiderstehlich waren sie im Angriff, wenn sie einer wandelnden Mauer vergleichbar, mit dem eisenbeschlagenen Dreschflegel dreinhauend, mit jener Todesverachtung auf den Feind eindrangen, welche die des Paradieses gewissen Glaubenskämpfer zu erfüllen pflegt. Dabei wußten sie das Terrain vortrefflich zu benutzen und ihre Bewegungen den Anforderungen desselben anzupassen. Besonders eigentümlich für die hussitische Kriegsweise war die Verwendung des Trosses und namentlich der zur Fortführung des Kriegsgerätes, Gepäcks und Proviants dienenden Wagen. Den Anmarsch auf den Feind deckten diese in zwei Reihen geordnet zu beiden Seiten des Fußvolks fahrend; sie wirkten beim Angriff mit, indem sie, gleichsam ein Mittelding zwischen Reiterei und Artillerie, in den Feind hineinfuhren und erst sich trennend, dann wieder schließend eine Abteilung desselben umfuhren und isolierten, welche dann dem Fußvolk leicht erlag; die Wagen dienten, hinter der Schlachtreihe aufgefahren und mit Ketten verbunden, dem fechtenden Heere als Stütze und im Fall der Not als Zufluchtsort, der sich gelegentlich in eine förmliche Festung verwandelte, hinter deren primitiven Werken selbst Weiber und Kinder am Verteidigungskampf teilnahmen. Ohnmächtig stand die alte ritterliche Kriegskunst, so sehr auch sie sich schon gewandelt hatte, in Angriff und Abwehr dieser hussitischen Kampfesweise gegenüber: wo sie dieselbe zu bestehen suchte, erlag sie ruhmlos. Niederlage auf Niederlage traf sie schwer wie Gottesgericht; das Vertrauen auf die eigene Kraft, der Glaube an die Möglichkeit eines Sieges ging Rittern und Gemeinen verloren, und bald kam es dahin, daß, wo es die Hussiten zu bestehen galt, alle von panischem Schrecken ergriffen sich zur Flucht wandten."

Anm 028: Prager Artikel -- (Seite 117)

Auf dem Konzil zu Basel 1433 wurden die Prager Kompakten abgeschlossen. Den Böhmen wurde die freie Predigt in der Landessprache gewährt sowie der Laienkelch. Die Geistlichen sollten der weltlichen Gerichtsbarkeit unterstellt werden. -- Bis auf den Laienkelch blieben jedoch die anderen Forderungen nahezu unverwirklicht.

Anm 029: Ablasshandel -- (Seite 127)

Leo X., der zur Vollendung der prunkvollen Peterskirche am 18. Oktober 1517 seine Ablaßbulle erlassen hatte, teilte die deutschen Gebiete unter drei Hauptbevollmächtigte auf, wovon der Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg einer war. Dieser ernannte als Unterbevollmächtigten den darin erfahrenen Dominikanermönch Tetzel aus Leipzig. (Hefele, Konziliengeschichte, Bd. IX, 11.12.)

Anm 030: Luthers Abhandlungen während seiner Wartburgzeit -- (Seite 169)

Auf der Wartburg schrieb Luther seine Deutsche Postille, Flugschriften über das Wesen der Beichte und Schriften gegen Privatmessen, geistliche und Klostergelübde.

Anm 031: Münzer -- (Seite 191)

Über Thomas Münzer bei J.K. Seidemann, Thomas Münzer, Eine Biographie, Dresden/Leipzig, 1842; Joachim Zimmermann, Thomas Münzer, Ein deutsches Schicksal, Berlin, 1925.

Anm 032: Religionsfreiheit -- (Seite 200)

Die Religionsfreiheit hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. In früheren Jahrhunderten war man nur selten bereit, den Glauben anderer Konfessionen zu tolerieren. Heute gehört die Religionsfreiheit zu den Grundrechten des Menschen. Sie ist seit dem 18./19. Jahrhundert in nahezu alle Staatsverfassungen eingegangen, und auch der Artikel 18 der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen hat die Religionsfreiheit zum Inhalt.

Historisch gesehen ist die Religionsfreiheit das Ergebnis heftiger Auseinandersetzungen der christlichen Konfessionen untereinander sowie zwischen den christlichen Kirchen und der säkularisierend wirkenden Aufklärung. Daß heute die Religionsfreiheit für die Christen weitgehend eine Selbstverständlichkeit ist, verdanken wir jedoch nicht den Theologen oder den Kirchen, sondern dem Staat und dem weltlichen Recht.

Besonders schwer tat sich die katholische Kirche mit der Religionsfreiheit. Noch 1864 hatte Pius IX. im "Syllabus errorum" die Religionsfreiheit zusammen mit der Gewissensfreiheit, dem Liberalismus und anderen heute Selbstverständlichkeiten verdammt.

Pius XII. hat im Jahre 1953 in seiner sogenannten "Toleranzansprache" die Religionsfreiheit abgelehnt, wobei er vom Primat der Wahrheit gegenüber der Freiheit ausging und die traditionelle Auffassung wiederholte, nur die Wahrheit, nicht aber der Irrtum besitze Rechte. "Was nicht der [katholischen] Wahrheit und dem Sittengesetz entspricht, hat objektiv kein Recht auf Dasein, Propaganda und Aktion." Die harte Diskussion um die Religionsfreiheit während des zweiten Vatikanischen Konzils spiegelt noch diese älteren Ansichten wider.

Die Auseinandersetzungen während des Konzils hatten sich zuletzt im wesentlichen auf die Frage der Staatsreligion zugespitzt. In den Ländern, in denen die katholische Kirche Staatskirche ist, sollte deren Stellung unantastbar bleiben, den anderen Religionsgemeinschaften aber die Freiheit der Religionsausübung zugesichert sein. Zwar heißt es im Eingangskapitel der "Erklärung über die Religionsfreiheit", daß die einzige wahre Religion ihre konkrete Existenzform in der katholischen, apostolischen Kirche erhalten habe, in den weiteren Texten aber bekennen sich die Konzilsväter eindeutig zur Freiheit der Religionsausübung. Das Konzil betonte feierlich, daß das Recht zu äußerer Betätigung der religiösen Gewissensfreiheit unter Wahrung des Gemeinwohls immer und überall gilt und von allen anzuerkennen ist. "Das Vatikanische Konzil" erklärt, daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Die Freiheit besteht darin, daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten einzelner wie von gesellschaftlichen Gruppen wie von jeglicher menschlichen Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen -- innerhalb der gebührenden Grenzen -- nach seinem Gewissen zu handeln.

Besonders aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang der Beitrag, den der lange Jahre in Haft gewesene Erzbischof von Prag, Kardinal Beran, zu diesem Thema beisteuerte. Beran stellte sich in seinen eindrucksvollen Ausführungen ganz auf den Boden der Heiligen Schrift, und er bekannte sich dazu, daß alles, was nicht aus gläubiger Überzeugung, aus aufrichtigem Gewissen geschieht, Sünde sei wider Gott. Das Wort aus Jakobus 2,12 sollte aller Leitspruch sein: "Redet so und handelt so wie Leute, die dereinst durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden." Kardinal Beran wies darauf hin, daß die Unterdrückung der Gewissensfreiheit zur Heuchelei führe, und er schloß mit der bemerkenswerten Selbstbesinnung: "So scheint die katholische Kirche meiner Heimat heutzutage eine schmerzhafte Buße für jene Sünden zu tun, die in der Vergangenheit gegen die Gewissensfreiheit in ihrem Namen begangen wurden, wie z.B. die Verbrennung des Priesters Johannes Hus oder der äußere Zwang zur Wiederaufnahme des katholischen Glaubens, der im 17. Jahrhundert auf das tschechische Volk ausgeübt wurde."

Es war überhaupt höchst beeindruckend zu hören, wie offen, dynamisch und substanzreich viele Konzilsväter für die Religions- und Gewissensfreiheit stritten. Dabei scheuten sie auch nicht davor zurück, Fehler und Irrtümer der katholischen Kirche in der Vergangenheit an den Pranger zu stellen. Natürlich blieben diese Thesen nicht unwidersprochen. So vertrat z.B. der spanische Kardinal Bueno y Monreal die Auffassung, daß er nichts gegen die Religionsfreiheit einzuwenden habe, wohl aber "viel dagegen, daß ein anderes Evangelium verkündigt werde als das katholische". Aber bei den Abstimmungen zeigte es sich doch, daß eine eindrucksvolle Mehrheit der Bischöfe die Zeichen der Zeit verstanden hatte. Ob die Praxis immer und überall schon diesen Erwartungen entspricht, ist allerdings eine Frage, die heute noch nicht endgültig beantwortet werden kann.

Anm 033: Jesuitismus -- (Seite 234)

In der 31. Regel der Konstitutionen der Gesellschaft Jesu heißt es: "Zum Fortschritt ist es vor allem ersprießlich, daß sich alle einem vollkommenen Gehorsam hingeben, indem sie den Oberen, wer immer es sei, als den Stellvertreter unseres Herrn Christi ansehen und ihm mit innerer Ehrfurcht und Liebe zugetan sind."

"In einem berühmt gewordenen Brief an die Ordensmitglieder schreibt Ignatius einmal: ‚Sehen Sie auf Den, dem Sie in dem Menschen Gehorsam leisten, also auf Christus, die höchste Weisheit, die unendliche Güte und Liebe, auf den Herrn, von dem Sie wissen, daß Er weder irren noch Sie täuschen kann.'

Eben weil der Jesuit in seinem Vorgesetzten stets die göttliche Person erblickt, bedeutet für ihn der Gehorsam eine Art ‚unio mystica' mit dem Willen Gottes. Darum erinnert, wenn von diesem Gehorsam die Rede ist, die Sprache der Jesuiten in manchem an die Terminologie der Mystik: ‚Wer den Zustand des wahren Gehorsams erreichen will, der muß seinen Willen ausziehen und den göttlichen Willen, der ihm von seinem Oberen aufgelegt wird, anziehen.' ...

Sorgfältig unterscheidet Ignatius verschiedene Grade des Gehorsams: Die unterste Stufe, der rein äußerliche ‚Gehorsam der Tat' , besteht darin, daß der Untergebene sich darauf beschränkt, die ihm aufgetragene Handlung zu vollführen; diesen Gehorsam bezeichnet Ignatius als ‚sehr unvollkommen'. Die zweite Stufe ist dadurch gekennzeichnet, daß der Untergebene auch den Willen des Oberen zu dem seinen macht; ‚diese Stufe verleiht bereits Freude am Gehorchen'. Wer sich aber ganz dem Dienst Gottes opfern will, muß ‚außer dem Willen auch noch die Einsicht darbringen'. Er muß dahin gelangen, ‚daß er nicht nur das gleiche wolle, sondern auch das gleiche denke wie der Obere, daß er sein Urteil dem seines Vorgesetzten unterwerfe, soweit nur der ergebene Wille den Intellekt überhaupt beugen kann'.

Ignatius fordert somit nichts Geringeres als die Aufopferung des eigenen Verstandes, den ‚schrankenlosen Gehorsam bis zum Opfer der Überzeugung' ...

Der Jesuit soll, von äußerem Widerstand ganz zu schweigen, nicht einmal innerlich irgendwelche Bedenken darüber aufkommen lassen, ob der Vorgesetzte auch recht habe; er soll im vorhinein davon überzeugt sein, daß das ihm Befohlene ‚zur höheren Ehre Gottes' diene, und soll es freudig, mit innerer Begeisterung ausführen.

Die Unbedingtheit des jesuitischen Gehorsams mußte aber alsbald zu einem schweren Bedenken führen: Was soll geschehen, wenn der Vorgesetzte die Ausführung einer sündhaften Handlung befiehlt; ist seinen Weisungen auch dann Folge zu leisten? ...

Wie alle übrigen Ordensverfassungen gewähren auch die Konstitutionen der Gesellschaft Jesu dem Untergebenen das Recht, ‚bescheidene Vorstellungen zu erheben', wenn die Gefahr einer Sünde droht. Dies hat schon Ignatius ausdrücklich gestattet, und in ähnlichem Sinne hat später der Ordensgeneral Aquaviva verfügt, daß der Vorgesetzte dem Untergebenen stets Gelegenheit geben müsse, seine Einwendungen vorzubringen, ‚damit alles in mildem, väterlichem Geiste geleitet werde'.

Diese Hinweise haben jedoch nicht genügt, die Gegner des Ordens zu beruhigen, die vielmehr behaupten, für den Jesuiten höre eben mit der grundsätzlichen Unterdrückung des eigenen Urteils von vornherein jede Möglichkeit auf, einen Befehl ernstlich zu überprüfen; warnt doch Ignatius geradezu vor jedwedem Bedenken oder Zweifel, ob eine Anordnung zweckmäßig sei und zu Recht erfolge. Im übrigen bilden auch die Formeln ‚ad quos potest cum caritate se oboedientia extendere' und einige ähnliche Vorbehalte wirklich die einzigen Einschränkungen des Gebotes zu ‚blindem Gehorsam'. Die Konstitutionen des Ordens hingegen verlangen ausdrücklich, dem Untergebenen habe ‚Wille und Urteil des Oberen als Maßstab für den eigenen Willen und das eigene Urteil' vorzuschweben; der vollkommene Gehorsam sei blind, und ‚in dieser Blindheit' bestehe ‚seine Weisheit und Vollkommenheit'.

‚Mögen die übrigen religiösen Genossenschaften', schreibt Ignatius, ‚uns durch Fasten und Nachtwachen sowie durch andere Strenge in Nahrung und Kleidung übertreffen, so müssen unsere Brüder durch wahren und vollkommenen Gehorsam, durch den freiwilligen Verzicht auf eigenes Urteil, hervorleuchten.'

Große Berühmtheit hat jener Ausspruch Loyolas erlangt, der sich in ähnlicher Form in den Exerzitien wiederfindet und von welchem gemeiniglich das Wort vom ‚Kadavergehorsam' der Jesuiten abgeleitet wird: ‚Überhaupt darf ich nicht mir gehören wollen, sondern meinem Schöpfer und dessen Stellvertreter. Ich muß mich leiten und bewegen lassen, wie ein Wachsklümpchen sich kneten läßt, muß mich verhalten wie ein Toter ohne Willen noch Einsicht, wie ein kleines Kruzifix, das sich ohne Schwierigkeit von einem Platz zum andern stellen läßt, wie ein Stab in der Hand eines Greises, auf daß er mich hinstelle, wo er will und wo er mich am besten brauchen kann. So muß ich immer zur Hand sein, damit sich der Orden meiner bediene und mich in der Weise verwende, die er für gut hält ...'

Insbesondere aber hat Franz von Assisi seine Ordensbrüder (Franziskaner) zu bedingungslosem Gehorsam angehalten. Von ihm rührt der Satz her, der Mönch müsse sich betrachten ‚gleich einem Leichnam, der durch den Geist Gottes die Seele und das Leben empfängt, indem er den Willen Gottes gehorsam in sich aufnimmt'." (René Fülöp-Miller, Macht und Geheimnis der Jesuiten 34ff., 1947.)

Ursprung, Grundsätze und Absichten der Gesellschaft Jesu behandelt René Fülöp-Miller in seinem nebenstehend genannten Werk.

Weitere Quellen: A. Boehmer, Die Jesuiten, 1921; H. Becher, Die Jesuiten, 1951; E. Gothein, Ignatius v. Loyola und die Gegenreformation, Halle, 1895; L. v. Ranke, Die Geschichte der Päpste, Köln, 1956; P. v. Hoensbroech, Der Jesuitenorden, 2 Bde., 1926/28; F. Wiegand, Die Jesuiten, 1926; B. Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge, 4 Bde., 1907-1928; 100 Jesuitenfabeln, 1904; Johannes Huber, Der Jesuitenorden nach seiner Verfassung und Doktrin, Wirksamkeit und Geschichte charakterisiert, 1873; M. Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, 3 Bde., 1908; M. Meschler, Die Gesellschaft Jesu, ihre Satzungen und ihre Erfolge, 1911; Der Große Herder, Bd. IV, Sp. 1246-1249, 1954; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, 1929, Sp. 104-109; Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. VI, 608-642, 1879; John Gerard, S.J., Concerning Jesuits, London, 1902; L.E. Dupin, A Compendious History of the Church, Bd. IV, Kapitel 33, 132-135, London, 1713; Encyclopedia Britannica, Art. Jesuiten; C. Paroissien, The Principles of the Jesuits, Developed in a Collection of Extracts from Their Own Authors, London, 1860; W.C. Cartwright, The Jesuits, Their Constitution and Teaching, London, 1876; E.L. Taunton, The History of the Jesuits in England (1580-1773), London, 1901; T. Campbell, The Jesuits (1534-1921), New York, 1922; E. Schoell, Der jesuitische Gehorsam, Halle, 1891; Th. Weber, Der Gehorsam in der Gesellschaft Jesu, Breslau, 1872; J.G. Dreydorff, Die Moral der Jesuiten, 1893; F.W. Nippold, Der Jesuitenorden von seiner Wiederherstellung bis auf die Gegenwart.

Anm 034: Ursachen der französischen Revolution -- (Seite 266)

Über die weittragenden Folgen der Verwerfung der Bibel und des biblischen Glaubens durch das französische Volk siehe bei:

H. v. Sybel, Geschichte der Revolutionszeit 1789-1800, 10 Bde.; H.T. Buckle, History of Civilisation in England, Bd. I, Kapitel 8.12, 364-366.369-371.437.450.540.541, New York, 1895; Blackwood's Magazine, Bd. XXXIV, Nr. 215, November, 1833; J.G. Lorimer, An Historical Sketch of the Protestant Church in France, Kapitel 8; Oncken, Das Zeitalter der Revolution, des Kaiserreichs und der Befreiungskriege, 2 Bde. (in Oncken, Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen); Carlyle, The French Revolution, 3 Bde., 1837; Thiers, Histoire de la Révolution française, 10 Bde., 1855.

Anm 035: Verbot des Bibellesens in Frankreich -- (Seite 266)

"Das Papsttum hat, um seine Herrschaft über die Christenheit auszubreiten, den Gottesdienst in lateinischer Sprache auch den dieser Sprache nicht kundigen Völkern aufzudringen gesucht ... Papst Johann VIII. verbot in einem Brief an Methodius im Jahre 879 den Gebrauch der slawischen Sprache bei der Messe. Und dem Herzoge Wratislaw von Böhmen antwortete Gregor VII. auf sein Gesuch um allgemeine Freiheit des slawonischen Gottesdienstes im Jahre 1080, daß er dieser Bitte nicht stattgeben könne; denn es habe dem allmächtigen Gott gefallen, daß in etlichen Orten die göttliche Schrift unbekannt bleibe, damit sie nicht etwa, wenn allen verständlich, in Verachtung gerate oder, von gewöhnlichen Leuten falsch verstanden, zu Irrtum verleite. Als aber im 12. Jahrhundert die Waldenser die Heilige Schrift in ihrer Muttersprache erhielten und sie mit neuem Eifer lasen und in Volkskreisen verbreiteten, erklärte Innozenz III. in einem Schreiben an den Bischof von Metz vom Jahre 1199, daß, obgleich das Verlangen, die göttlichen Schriften zu lesen und zum Studium derselben zu ermuntern, nicht zu tadeln, vielmehr zu empfehlen sei, doch das Lesen derselben in Konventikeln [heimlichen Zusammenkünften] nicht geduldet werden könne ... Im Jahre 1229 erließ dann das Konzil zu Toulouse das Gebot, daß den Laien Bücher des Alten oder Neuen Testaments zu besitzen nicht gestattet sei; außer wenn einer den Psalter oder das Brevier oder die Horen der heiligen Maria zur Andachtsübung haben wolle, aber auch diese nicht in der Volkssprache übersetzt ... Der Besitz von Büchern Alten und Neuen Testaments in romanischer Sprache wurde den Laien auch von dem Konzil zu Tarragona 1234 untersagt. Wer solche habe, solle sie binnen acht Tagen nach Veröffentlichung dieser Verordnung dem Bischofe des Orts ausliefern, damit sie verbrannt würden; wer das nicht tue, er sei Kleriker oder Laie, solle als der Ketzerei verdächtig erachtet werden ... 1486 erklärte der Erzbischof von Mainz, daß die deutsche Sprache nicht geeignet sei für den Ausdruck der tiefen Religionswahrheiten ...

Erneuert und verschärft wurde das Verbot des Bibellesens gegenüber dem Jansenismus [Reformationsrichtung in Frankreich], besonders nach dem Erscheinen der französischen Übersetzung des Neuen Testaments von Pater Quesnel (Paris 1693) mit Erklärungen, in welchen gelehrt wird, daß die Bibel für alle Christen gegeben worden sei, ja, daß sie ihnen nützlich, ja notwendig sei ... Diesen Lehrsätzen trat Clemens XI. in der berüchtigten Bulle Unigenitus 1713 mit 101 Propositiones entgegen, in welchen nicht bloß Sätze aus Quesnels Neuem Testament, sondern auch solche, die beinahe buchstäblich in der Heiligen Schrift sich finden, ... kurz als Ausbund alles Schlechten verdammt wurden ... Nach heftigen Kämpfen gelang es den Jesuiten, bei dem Parlamente ihre Eintragung in die Reichsgesetze durchzusetzen."(Meusel, Kirchliches Handlexikon, Bd.I, S.417f.)

Anm 036: Die Unterdrückung und Vernichtung der Heiligen Schrift -- (Seite 268)

Das Konzil zu Toulouse, das zur Zeit des Kreuzzuges gegen die Albigenser tagte, entschied: "Wir untersagen auch, daß man den Laien gestatte, die Bücher des Alten und des Neuen Testaments zu besitzen ... Wir verbieten ihnen auf das nachdrücklichste, die oben erwähnten Bücher in der Volkssprache zu besitzen." -- "Die Wohnungen, die elendesten Hütten und selbst die verborgensten Zufluchtsstätten jener Menschen, bei denen man derartige Schriften findet, sollen vollständig vernichtet werden. Diese Leute sollen bis in die Wälder und Höhlen verfolgt werden, und wer ihnen Obdach gewährt, hat strenge Strafe zu erwarten." (Concil. Tolosanum, Pope Gregory IX., Anno chr. 1229, Decree 2,14.)

Das Konzil zu Tarragona (1234) bestimmte: "Niemand darf das Alte oder Neue Testament lesen oder verbreiten ... oder ... er würde der Ketzerei angeklagt werden."

Auf dem Konzil zu Konstanz 1415 wurde Wiklif nachträglich noch durch den Erzbischof von Canterbury, Arundel, verdammt als "jener giftige Bube einer verdammungswürdigen Ketzerei, der eine neue Übersetzung der Heiligen Schrift in seiner Muttersprache eingeführt hat".

Der Kampf der katholischen Kirche gegen die Bibel zieht sich durch alle Jahrhunderte hindurch und entfaltete sich besonders zur Zeit der Gründung der Bibelgesellschaften. Am 8. Dezember 1866 veröffentlichte Papst Pius IX. in dem der Enzyklika Quanta cura beigefügten Syllabus errorum ein Verzeichnis von 80 "Irrtümern". Hier sind unter Hinweis auf frühere päpstliche Verlautbarungen die Bibelgesellschaften zusammen mit Sozialismus, Kommunismus, heimlichen Vereinigungen und Vereinigungen liberaler Geistlicher als "Pest" verdammt, nachdem bereits 1864 Pius IX. in der Enzyklika Qui pluribus von den "überaus verschmitzten Bibelgesellschaften, die den alten Kunstgriff der Häretiker erneuert und die Bücher der göttlichen Schriften, entgegen den allerheiligsten Vorschriften der Kirche, in alle Landessprachen übersetzen und mit oft verdrehten Erklärungen versehen", gesprochen hat.

Erst in neuerer Zeit ist in dieser Hinsicht eine gewisse Wendung wahrnehmbar, wenn auch das Verbot, protestantische oder vom Heiligen Stuhl nicht genehmigte Übersetzungen zu lesen, noch fortbesteht und seine Übertretung unter Kirchenstrafe steht. Immerhin ist es gelungen, die hindernden Einflüsse so weit zurückzudrängen, daß sich eine sogenannte Katholische Bibelbewegung entfalten konnte, zu der sich auch Papst Pius XII. in seiner Enzyklika De divino afflante spiritu (1943) bekannt hat.

Über die gegenwärtigen Bestrebungen der Bibelbewegung in der katholischen Kirche siehe auch die letzten Abschnitte der Anmerkung zu Seite 51: "Bibelverbot".

Anm 037: Die Schreckensherrschaft -- (Seite 279)

Eine knappe, zuverlässige Einführung in die Geschichte der Französischen Revolution bei:

L. Gershoy, The French Revolution, 1932; G. Lefebvre, The Coming of the French Revolution, 1947; H. v. Sybel, Geschichte der Revolutionszeit 1789-1800, 1869.

Die Pariser Zeitung Le Moniteur Universal (Gazette nationale ou le Moniteur universal) war die halbamtliche Zeitung zur Zeit der Revolution und ist eine erstklassige Quelle, die einen authentischen Bericht der von der Nationalversammlung gefaßten Beschlüsse sowie den vollständigen Text der Dokumente u.a. enthält. Sie wurde wiederholt abgedruckt.

Siehe auch: A. Aulard, Christianity and the French Revolution, London, 1927, eine ausgezeichnete Studie; W.H. Jervis, The Gallican Church and the Revolution, London, 1882, eine sorgfältige Arbeit eines Anglikaners mit einer gewissen Vorliebe für den Katholizismus.

Über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Frankreich während der Revolution bei: Henry A. Walsh, The Concordate of 1801: A study of nationalism in relation to Church and State, New York, 1933; Charles Ledre, L'Eglise de France sous la Révolution, Paris, 1949.

Einige zeitgenössische Studien über die religiöse Bedeutung der Revolution sind: G. Chais de Sourcesol, Le Livre des Manifestes, Avignon, 1800, in dem der Autor versucht, den Ursachen der Revolution nachzuspüren; James Bicheno, The Signs of the Times, London, 1794; James Winthrop, A Systematic Arrangement of Several Scripture Prophecies Relating to Antichrist, with Their Application to the Course of History, Boston, 1795; Lathrop, The Prophecy of Daniel Relating to the Time of the End, Springfield, 1811.

Über die Kirche während der Revolution siehe: W.M. Sloane, The French Revolution and Religious Reform, 1901; P.F. La Gorce, Histoire Religieuse de la Révolution, Paris, 1909.

Über das Verhältnis zum Papsttum siehe: G. Bourgin, La France et Rome de 1788-1797, Paris, 1808, basierend auf geheimen Dokumenten des römischen Stuhles; A. Latreille, L'Eglise Catholique et la Révolution, Paris, 1950, mit besonders interessanten Einzelheiten über Pius VI. und die religiöse Krise zwischen 1775 und 1799.

Über die Protestanten während der Revolutionszeit siehe: E. de Pressencé, The Reign of Terror, Cincinnati, 1869.

Anm 038: Die Massen und die Bevorzugten -- (Siehe 281)

Hierüber schreibt Dr. Philippson in Das Zeitalter Ludwigs XIV. (in Onckens Allgemeiner Geschichte, 3. Hauptabteilung, 5. Teil, 521): "In der äußern und innern Politik hatte das System Ludwigs schließlich Schiffbruch gelitten und nur die Reaktion hervorgerufen; kaum weniger war dies in der kirchlichen Politik der Fall. Die von ihm so lange verfolgte und unterdrückte Gewissensfreiheit erhob sich in der Gestalt des Jansenismus von neuem wider ihn, ohne daß er sie dieses Mal zu vernichten vermocht hätte. Wenn dies die einzige Sache war, die den König auf seinem Todesbette beunruhigte, so betrog ihn hierin seine Ahnung nicht: der Jansenismus wurde ein gefährliches Ferment der Opposition gegen das mit dem Papsttum verbündete Königtum, und so trugen die religiösen Verfolgungen Ludwigs in vollem Maße ihre bittere Frucht für ihn und seine Nachfolger." --

Von der überaus traurigen Lage des sogenannten dritten Standes zur Zeit des Ausbruchs der Französischen Revolution berichtet Oncken ausführlich in Das Zeitalter der Revolution, des Kaiserreichs und der Befreiungskriege, 4. Hauptabteilung, 1.Teil, Bd. l, 120.123.125.130.

Weitere Quellen: H. v. Holst, Lowell Lectures on the French Revolution, Lektion 1; H. Taine, Les origines de la France contemporaine, Bd. I (L'ancien régime), 1875; A. Young, Travels in France.

Anm 039: Schreckliche Ernte einer Blutigen Aussaat -- (Seite 284)

Siehe bei: H. Gill, The Papal Drama, 10. Buch; E. de Pressencé, The Church and the French Revolution, 3. Buch, Kapitel 1; G. de Cassagnac, Histoire des Girondins et des massacres de septembre, 2 Bde., 1860.

Anm 040: Die Abscheulichkeiten der Terrorherrschaft -- (Seite 285)

Siehe bei: L.A. Thiers, Histoire de la Révolution française, 10 Bde. (History of the French Revolution, Bd. III, 42-44.62-74.106, New York, 1890); F.A. Mignet, Histoire de la Révolution française jusqu'en 1814, Kapitel 9, § 1 (History of the French Revolution, 1894); A. Alison, History of Europe from the commencement of the French Revolution to the restoration of the Bourbons, Bd. I, Kapitel 14, 293-312, New York, 1872.

Anm 041: Verbreitung der Heiligen Schrift -- (Seite 288)

Nach den Aussagen von William Canton von der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft belief sich im Jahre 1804 die Zahl der in der Welt verbreiteten Bibeln, im Manuskript und gedruckt, einschließlich der verschiedenen Auflagen in allen Ländern, auf nicht viel mehr als vier Millionen. Die verschiedenen Sprachen, in denen diese vier Millionen geschrieben waren, die toten Sprachen wie das Möso-Gotische des Ulfilas und das Angelsächsische Bedas mitgerechnet, wurden auf ungefähr 50 geschätzt. (What is the Bible Society? 23, 1904.)

Die Amerikanische Bibelgesellschaft hat in der Zeit von 1816 bis 1980 weit über eine Milliarde Bibeln, Neue Testamente und Teile aus dem Alten und Neuen Testament verbreitet. Allein 1980 verteilte sie 76 Millionen Bibeln, Testamente und Bibelteile in der ganzen Welt.

Allein im Jahre 1980 wurden in der ganzen Welt 440 054 483 Bibeln, Neue Testamente, Bibelteile und Auswahlhefte verbreitet.

Die Bibel, vollständig oder Teile daraus, wurde bis Ende 1980 in 1660 Sprachen von den rund 3000 Sprachen der Erde gedruckt, und neue Sprachen kommen ständig hinzu. Die vollständige Bibel gibt es in 268 Sprachen.

Die Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, hat allein im Jahre 1980 fast 2,5 Millionen Bibeln und Bibelteile verbreitet; seit ihrem Bestehen sind es schon weit mehr als 50 Millionen.

Anm 042: Äussere Mission -- (Seite 288)

Die missionarische Aktivität der frühen Christenheit hat sich bis heute nicht ein zweites Mal in solchem Umfang gezeigt. Sie erlosch im Grunde genommen um das Jahr 1000. An ihre Stelle traten die militärischen Unternehmen der Kreuzzüge. Das Reformationszeitalter kennt kaum eine äußere Mission, ausgenommen die ersten Jesuiten. Die pietistische Erweckung brachte manchen Missionar hervor. Die Tätigkeit der Herrnhuter im 18. Jahrhundert war bemerkenswert; und von den Briten wurden einige Missionsgesellschaften gegründet, damit im kolonisierten Nordamerika das Evangelium verkündigt würde. Doch erfuhr die äußere Mission eine große Belebung um das Jahr 1800, in der letzten Zeit (Daniel 12,4). 1792 wurde die Missionsgesellschaft der englischen Baptisten gegründet, die William Carey nach Indien sandte. 1795 folgte die Londoner Missionsgesellschaft. Eine andere, 1799 gegründete Gesellschaft erhielt 1812 den Namen Kirchliche Missionsgesellschaft (Church Missionary Society). Kurz darauf wurde die Wesley-Missionsgesellschaft (Wesleyan Methodist Missionary Society) ins Leben gerufen. In den USA erfolgte 1810 die Gründung des American Board of Commissioners for Foreign Missions. 1812 wurde Adoniram Judson nach Calcutta gesandt. Ein Jahr später ließ er sich mit seiner Frau in Burma nieder. 1814 trat die American Baptist Missionary Union auf den Plan, und 1837 nahm der Presbyterian Board of Foreign Missions seine Tätigkeit auf.

"Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte das Christentum eine im Vergleich zu anderen Religionen einzigartige Verbreitung in allen fünf Erdteilen gefunden. Mit dem 19. Jahrhundert begann seine größte geographische Ausbreitung überhaupt. In Gebieten, in denen es bereits Fuß gefaßt hatte, wurden neue Stützpunkte gewonnen, in Ländern, auf Inseln, unter Völkern und Stämmen, die bislang mit dem Christentum nicht in Berührung gekommen waren, fand es Eingang. In Nord-, Mittel- und Südamerika nahmen Missionare ihre Arbeit unter Eingeborenen auf, denen man sich bisher nicht genähert hatte; auch wurde die Mehrzahl der Neger jetzt zu Christen. Auf den Inseln im Großen Ozean hatte das Christentum ein ungewöhnliches Wachstum zu verzeichnen ... Auch in Asien und Sibirien, in Indien, Burma, Siam, auf Ceylon und dem Malaiischen Archipel, in Französisch-Indochina, in China, Korea und wohl auch in Japan nahm die Zahl der Christen schneller zu als je zuvor. Auf die Kultur dieser Länder wirkte das Christentum stärker ein, als nach dem Umfang der Kirchen hätte erwartet werden können ...

Der neuen Ausbreitung, die dem Christentum im 19. Jahrhundert beschieden war, waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schwere Rückschläge vorausgegangen, die im Gegensatz zu früheren fast ausschließlich inneren Faktoren zuzuschreiben waren. Dies könnte als ein Anzeichen dafür gedeutet werden, daß dem Christentum die Kraft fehlte, sich anderen geistigen Strömungen gegenüber durchzusetzen. In Hinblick auf die Entwicklung jedoch, die das Christentum im 19. Jahrhundert nahm, erscheinen diese Rückschläge, verglichen mit denen in den zwei vorausgehenden Hauptperioden des Christentums, nicht als folgenschwer. Dies um so weniger, als trotz der Weiterwirkung jener Strömungen während des 19. Jahrhunderts und trotz der Verstärkung, die sie in anderen antireligiösen Bewegungen fand, das Christentum eine Stoßkraft entfaltete wie nie zuvor." (Kenneth Scott Latourette, Geschichte der Ausbreitung des Christentums, gekürzte Ausgabe 120ff., Göttingen, 1956.) Ferner: Walther v. Loewenich, Der Weg des Evangeliums durch die Welt 130.131; Martin Schlunk, Die Weltmission des Christentums, Hamburg, 1925.

Anm 043: Erdbeben zu Lissabon -- (Seite 308)

Wohl hat es an Vernichtungsgewalt, an Zahl der Toten und sonstigen Schäden größere und entsetzlichere Erdbeben gegeben, aber keines hat so tiefgreifend auf die geistige und auch seelische Verfassung der Menschen gewirkt wie das von 1755. Gerade weil in der Zeit der Aufklärung, des Verstandes und der Vernunft der Autorität heischenden Macht Gottes und der Religion der Kampf angesagt worden war, glaubte man die so plötzlich und schrecklich hereinbrechende Erschütterung als ein nachdrückliches Zeichen für das Wirken Gottes werten zu müssen, der sich durch sein Strafgericht menschlicher Anmaßung entgegenstellte. Deshalb griffen die geistigen Auswirkungen dieses Erdbebens unendlich tiefer in das Bewußtsein des Volkes ein als die materiellen Verluste. Man erinnerte sich, daß es einen Gott als Herrn der Geschichte gab! Der Vernunftglaube war erschüttert.

Anm 044: William Miller -- (Seite 320)

Er wurde am 15. Februar 1782 in Pittsfield, Mass., geboren. Am 20. Dezember 1849 starb er in Low Hampton, N.Y., wohin seine Eltern im Jahre 1786 gezogen waren. Eine ausführliche Lebensbeschreibung wurde von seinem Biographen Sylvester Bliß herausgegeben: Memoirs of William Miller, Boston, 1853.

Anm 045: Prophetische Daten -- (Seite 330)

Der jüdischen Zählung gemäß fiel der fünfte Monat (Ab) des siebenten Jahres der Regierung des Artaxerxes in die Zeit vom 23. Juli bis zum 21. August 457 v. Chr. Nach der Ankunft Esras in Jerusalem im Herbst jenes Jahres trat der Befehl des Königs in Kraft. Für die Bestimmung des Datums 457 v. Chr. als das siebente Jahr des Artaxerxes siehe bei: S.H. Horn und L.H. Wood, The Chronology of Ezra 7, Washington, 1953; E.G. Kraeling, The Brooklyn Museum Aramaic Papyri 191-193, New Haven or London, 1953, Seventh-day Adventist Bible Commentary, Bd. III, 97-110, Washington, 1954.

Anm 046: Der Fall des Osmanischen Reiches -- (Seite 337)

Der Vormarsch der mohammedanischen Türken gegen Europa nach dem Fall von Konstantinopel im Jahre 1453 war ebenso ernst und heftig wie eineinhalb Jahrhunderte nach Mohammeds Tod die verhängnisvollen Eroberungszüge der mohammedanischen Sarazenen gegen das Oströmische Reich. Während des ganzen Reformationszeitalters waren die Türken an den östlichen Toren der europäischen Christenheit eine ständige Bedrohung; die Schriften der Reformatoren enthalten eine Fülle von Verdammungsurteilen gegen die osmanische Macht. Christliche Schreiber haben sich seitdem immer wieder mit der Rolle der Türken im zukünftigen Weltgeschehen befaßt, und Ausleger der prophetischen Schriften haben die türkische Macht und ihren in der Schrift vorausgesagten Niedergang erkannt.

Für diese Schlußentwicklung erarbeitete Josia Litch auf Grund der Zeitangaben in der Weissagung von der sechsten Posaune ("Stunde, Tag, Monat, Jahr") eine Deutung der Zeitweissagung und nannte für das Ende der türkischen Unabhängigkeit den August des Jahres 1840. Litchs Thesen findet man ausführlich dargestellt in seinem Buch The Probability of the Second Coming of Christ About A.D. 1843 (veröffentlicht im Juni 1838); in An Address to the Clergy (veröffentlicht im Frühjahr 1840; eine zweite Auflage mit historischen Daten, die die Genauigkeit der gemachten Voraussagen über die Dauer der prophetischen Periode bis zum Fall des Osmanischen Reiches unterstützten, wurde 1841 herausgegeben); das gleiche Thema behandelt ferner ein Beitrag in der Zeitschrift Signs of the Times and Expositor of Prophecy vom 1. August 1840. Ebenso ein Beitrag in der gleichen Zeitschrift vom 1. Februar 1841.

Siehe auch: J.N. Loughborough, The Great Advent Movement 129-132, 1905; U. Smith, Thoughts on Daniel and the Revelation 506-517, rev. Ausgabe, 1944.

Die frühe Geschichte des Osmanischen Reiches und der Niedergang der türkischen Macht bei: William Miller, The Ottoman Empire and Its Successors, 1801 bis 1927, Cambridge, 1936; George G.S.L. Eversley, The Turkish Empire from 1288 to 1914, London, 1923; Joseph v. Hammer-Purgstall, Geschichte des Osmanischen Reiches, 10 Bde.; Herbert A. Gibbons, Foundation of the Ottoman Empire, 1300 bis 1403, Oxford, 1916; Arnold J. Toynbee/Kenneth B. Kirkwood, Turkey. London, 1926; J.W. Zinkeisen, Geschichte des Osmanischen Reiches in Europa, 7 Bde.

Anm 047: Bibelverbot in der Landessprache -- (Seite 343)

Seit etwa 30 Jahren gibt es auch eine katholische Bibelbewegung, zu deren Bestrebungen sich die letzten Päpste bekannt haben. Ziel der Bewegung ist die Verbreitung der Bibel in der Landessprache und die Förderung ihres Verständnisses. Diese Bibelbewegung konnte in dem Augenblick einsetzen, als feststand, daß die Bibel nach katholischer Auffassung nicht die maßgebliche Quelle der Wahrheit sei, sondern die Kirche und ihr Lehramt. Gestattet sind jedoch nur katholische Bibelübersetzungen.

Über die Stellung der römisch-katholischen Kirche zur Verbreitung der Heiligen Schrift in der Landessprache unter der Laienschaft siehe bei: G.P. Fisher, The Reformation, Kapitel 15, § 16, 530-532, 1873; Catholic Encyclopedia, Artikel "Bibel"; J. Kardinal Gibbons, Der Glaube unserer Väter, Kapitel 8; J. Dowling, History of Romanism, 7. Buch, Kapitel 2, und 9. Buch, Kapitel 3; L.F. Bungener, History of the Council of Trent 101-110, Edinburgh, 1853 (Histoire du concile de Trente, 2 Bde.); G.H. Putnam, Books and Their Makers during the Middle Ages, Bd. I, 2. Teil, Kapitel 2.

Ferner: William Muir, The Arrested Reformation 37-43; 1912; Harold Grimm, The Reformation Era 285, 1954; Index of Prohibited Books IXf., 1930; Timothy Hurley, A Commentary on the Present Index Legislation 71, New York, 1908, Translation of the Great Encyclical Letters of Leo XIII. 413, New York, 1903; Walther von Loewenich, Der moderne Katholizismus, Witten, 1955, 69.147.194-218; Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. II, 375-381; Meusel, Kirchliches Handlexikon; Zeller, Theologisches Handwörterbuch; Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 1953, Nr. 6, 88f.; Hermann Strathmann, "Der Geist der modernen katholischen Bibelbewegung" in Protestantische Rundschau, 1943, Heft 2; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. I, Tübingen, 1957, Sp. 1224-1226; W. Auer, Katholische Bibelkunde, 1956.

Siehe auch die Anmerkungen zu S. 51: "Bibelverbot".

Anm 048: Himmelfahrtskleider -- (Seite 376)

Die Fabel, daß die Adventisten sich Kleider angefertigt hätten, um dem Herrn "in der Luft" zu begegnen, ist von solchen erdichtet worden, die die Sache verunglimpfen wollten. Sie wurde so eifrig verbreitet, daß viele daran glaubten; aber eine sorgfältige Untersuchung erwies ihre Unrichtigkeit. Viele Jahre hindurch ist für einen Beweis, daß jene Behauptung zutreffe, eine ansehnliche Belohnung ausgesetzt gewesen, aber nicht einer ist erbracht worden. Keiner, der die Erscheinung des Herrn liebte, war der Lehren der Heiligen Schrift so unkundig, daß er hätte annehmen können, für diese Gelegenheit Kleider anfertigen zu müssen. Das einzige Kleid, welches die Heiligen nötig haben, um dem Herrn entgegenzugehen, ist die Gerechtigkeit Jesu (Offenbarung 19,8).

Siehe: Francis D. Nichol, Midnight Cry, Kapitel 25.26.27 und Anmerkungen H, I, J, Washington, 1944; LeRoy E. Froom, The Prophetic Faith of Our Fathers, Bd. IV, 2. Teil, Washington, 1954.

Anm 049: Prophetische Zeitrechnung -- (Seite 376)

Dr. G. Bush, Professor für hebräische und orientalische Literatur an der New York City-Universität, schrieb einen Brief an William Miller, der am 6. und 13. März 1844 in den Zeitschriften Advent Herald und Signs of the Times Reporter, Boston, veröffentlicht wurde. Er machte darin bedeutsame Zugeständnisse bezüglich dessen Berechnung der prophetischen Zeiten. Prof. Bush äußerte sich: "Nach meinem Dafürhalten kann weder Ihnen noch Ihren Freunden der Vorwurf gemacht werden, daß sie auf das Studium der Zeitrechnung der Weissagung viel Zeit und Aufmerksamkeit verwandt und sich viel Mühe gegeben haben, das Anfangs- und Schlußdatum der großen prophetischen Zeitspannen festzustellen. Falls diese Perioden tatsächlich durch den Heiligen Geist in den prophetischen Büchern niedergelegt sind, dann unzweifelhaft zu dem Zweck, daß sie studiert und schließlich auch völlig verstanden werden sollten; man kann niemandem vermessene Torheit zur Last legen, der ehrfurchtsvoll den Versuch macht, dies zu tun ... In der Annahme, daß ein Tag nach prophetischem Sprachgebrauch ein Jahr bedeutet, glaube ich, daß Sie sich auf die sicherste Bibelauslegung stützen und auch bestärkt werden durch die angesehenen Namen von Mede, Newton, Kirby, Scott, Keith und vielen anderen, welche in diesem Punkt schon längst auf wesentlich dieselben Schlüsse wie Sie gekommen sind. Sie stimmen alle darin überein, daß die von Daniel und Johannes erwähnten maßgebenden Perioden tatsächlich ungefähr in unserer Zeit ablaufen, und es müßte eine seltsame Logik sein, welche Sie der Ketzerei bezichtigen wollte, weil Sie in Wirklichkeit dieselben Ansichten hegen, die in den Angaben dieser hervorragenden Gelehrten so sehr hervortreten ... Ihre Ergebnisse auf diesem Gebiet der Forschung dünken mich bei weitem nicht so sehr abweichend, als daß sie irgendwie die großen Grundsätze der Wahrheit und der Pflicht beeinträchtigen könnten ... Ihr Irrtum liegt nach meiner Auffassung in einer andern Richtung als derjenigen der Zeitrechnung ... Sie haben die Natur der Ereignisse, die sich beim Ablauf der Zeitperioden zutragen sollen, gänzlich mißverstanden. Dies ist der Kern und die Summe Ihres Fehlers in der Auslegung."

Siehe auch: LeRoy E. Froom, The Prophetic Faith of Our Fathers, Bd. I, Kapitel 1 u. 2, Washington, 1950.

Anm 050: Prophetische Daten -- (Seite 401)

Siehe Anmerkung zu Seite 330.

Anm 051: Eine dreifache Botschaft -- (Seite 436)

Offenbarung 14,6.7 sagt die Verkündigung der ersten Engelsbotschaft voraus. Dann fährt der Prophet fort: "Ein anderer Engel folgte nach, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt ... und der dritte Engel folgte diesem nach." Das hier mit "folgte nach" wiedergegebene Wort aus dem griechischen Grundtext hat in Zusammenstellungen wie den vorliegenden den Sinn von "mitgehen, begleiten". Siehe hierzu: Henry George Little/Robert Scott, Greek English Lexikon, Bd. I, 52, Oxford, 1940; George Abbott-Smith, A Manual Greek Lexicon of the New Testament 17, Edinburg, 1950. Es ist das gleiche Wort, das in Markus 5,24 gebraucht ist. "Und er ging hin mit ihm; und es folgte ihm viel Volks nach, und sie drängten ihn." Es wird auch angewandt, wo von den 144.000 Erlösten die Rede ist: "Diese ... folgen dem Lamme nach, wo es hingeht." (Offenbarung 14,4.) -- In diesen beiden Stellen gibt sich der Sinn des Wortes deutlich als "begleiten, mitgehen" zu erkennen. Desgleichen in 1.Korinther 10,4, wo wir von den Kindern Israel lesen, daß sie "tranken ... von dem geistlichen Fels, der mitfolgte", das im Grundtext das gleiche Wort ist. Hieraus ersehen wir, daß der Sinn in Offenbarung 14,8.9 nicht einfach der ist, daß der zweite und dritte Engel dem ersten zeitlich folgten, sondern daß sie mit ihm gingen. Die drei Botschaften sind nur eine dreifache Botschaft. Sie sind nur drei Botschaften in der Reihenfolge ihres Beginns. Dann gehen sie miteinander und sind unzertrennlich.

Anm 052: Die Oberherrschaft der römischen Bischöfe -- (Seite 447)

Quellen: Aus katholischer Sicht: Robert F. Kardinal Bellarmin, Power of the Popes in Temporal Affairs, Washington; Henry Edward Kardinal Manning, The Temporal Power of the Vicar of Jesus Christ, London, 1862; James Kardinal Gibbons, Der Glaube unserer Väter, Kapitel 5, 9, 10 und 12.

Aus protestantischer Sicht: Trevor Gervase Jalland, The Church and the Papacy, London, 1944; R.F. Littledale, Petrine Claims, London, 1899; James T. Shotwell/ Louise R. Soomis, The See of Peter, New York, 1927; Christopher B. Coleman, The Treatise of Lorenzo Valla on the Donation of Constantine, New York, 1914.

Anm 053: Anspruch auf Unfehlbarkeit -- (Seite 565)

Ungeachtet der Tatsache, daß die katholische Kirche heute versucht, durch eine Neuformulierung ihrer Wahrheiten die Kluft gegenüber den Protestanten zu überbrücken, bleibt bestehen, daß sie ihren Anspruch auf Unfehlbarkeit unverrückbar aufrechterhält. Die römische Kirche kann sogenannte "Verhaltensirrtümer" in bestimmten geschichtlichen Situationen eingestehen, aber sie muß darauf beharren, bis in die Gegenwart uneingeschränkt in der Lehre recht gehabt zu haben. Die Autorität des Lehramtes und die Autorität des Papstes sind nach katholischer Auffassung unantastbar. Der Verlauf des zweiten Vatikanischen Konzils hat diese Unantastbarkeit während der Diskussion um die Stellung der Bischöfe zum Papst bestätigt, obwohl Versuche im Gange waren, den päpstlichen Primat und die päpstliche Unfehlbarkeit durch eine Stärkung des Bischofskollegiums "auszubalancieren".

Papst Pius XII. hatte es durch seine autokratische Regierungsausübung verstanden, sein Amt mit einer einzigartigen Machtfülle auszustatten. Der Papst war nicht mehr nur der höchste Stellvertreter Christi auf Erden, sondern er sah sich auch als Stellvertreter Christi schlechthin. Sein Primat ist ein Rechtsprimat; er ist durch Beschluß des ersten Vatikanums nicht menschliches, sondern göttliches Recht. Der Papst kann heute mit voller Berechtigung sagen: Die Kirche bin ich! Wer diese Stellung des Papstes bestreitet, greift die Substanz der Kirche an. Dieses bezeugt nichts deutlicher als die Verlautbarung Pius XII. in seiner Enzyklika "Mystici corporis" aus dem Jahre 1943, in der es heißt: "In einem gefährlichen Irrtum befinden sich also jene, die meinen, sie könnten Christus als Haupt der Kirche verehren, ohne seinem Stellvertreter auf Erden die Treue zu wahren. Denn wer das sichtbare Haupt außer acht läßt und die sichtbaren Bande der Einheit zerreißt, der entstellt den mystischen Leib des Erlösers zu solcher Unkenntlichkeit, daß er von denen nicht mehr gesehen noch gefunden werden kann, die den sicheren Port des ewigen Heils suchen."

Im Mittelalter war z.B. das Konzil noch mitregierendes Gremium, seit der Unfehlbarkeitserklärung des Papstes hat es diese Funktion verloren. Dem Konzil sind, trotz aller Rede- und Diskussionsfreiheit, Grenzen gesetzt, die durch das heute noch geltende kirchliche Gesetzbuch, den Codex iuris canonici, der seit Pfingsten 1918 in Kraft ist, bestimmt werden.

Es heißt dort u.a.: "Der römische Papst, der Nachfolger des heiligen Petrus im Primat, hat nicht nur einen Ehrenprimat, sondern die höchste und vollständige juristische Gewalt über die gesamte Kirche, sowohl in den Sphären, die Glaube und Sitte, wie auch in denen, die Disziplin und Regierung der Kirche in der ganzen Welt vertreten." (can. 218 § 1.)

Angesichts dieser unmißverständlichen Formulierung will es wenig besagen, daß es in can. 228 § 1 heißt, daß die höchste Gewalt über die gesamte katholische Kirche beim Konzil liege. Eine zweite höchste Gewalt kann es nicht geben. In Wirklichkeit gibt es auch nur eine, den Papst; die andere, das Konzil, ist ihm untergeordnet. Nur vom Papst ist gesagt, daß er die höchste und vollständige Rechtsgewalt hat. Die Verlautbarungen des Konzils erhalten auch nur dadurch Rechtskraft, daß der Papst ihnen zustimmt und sie veröffentlichen läßt. Das absolute, unfehlbare, "von Christus eingesetzte" Papsttum ist heute das entscheidende Wesensmerkmal der katholischen Kirche. Über diese Tatsache kann auch die von Papst Paul VI. vorgetragene "Bitte um Vergebung" nicht hinwegtäuschen.

Quellen: Diekamp, Katholische Dogmatik I, Münster, 1949, 63f.; Encyclopedia Cattolica, Art. Unfehlbarkeit; Hettinger, Lehrbuch der Fundamental-Theologie oder Apologetik, 2 Bde.; Walther von Loewenich, Der moderne Katholizismus, Witten, 1955; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, Tübingen, 1959, Sp. 748.749; J. Bäumer "Sind päpstliche Enzykliken unfehlbar?" in Theologie und Glaube 42, 1952, 262-269; Chr. Butler, The Church and infallibility, London, 1954; Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, Jgg. 1961-1964.

Anm 054: Wort Gottes -- (Seite 566)

Siehe die Anmerkungen zu S. 51: "Bibelverbot", zu S. 268: "Die Unterdrückung und Vernichtung der Heiligen Schrift" und zu S. 343: "Bibelverbot in der Landessprache".

Anm 055: Zwangsmassnahmen der römischen Kirche -- (Seite 570)

Siehe die Anmerkung zu S. 59: "Inquisition".

Anm 056: Machtanspruch Roms -- (Seite 571)

Das katholische Lehramt, repräsentiert in der Gestalt des Pontifex maximus, bestimmt, was Wahrheit ist, entscheidet, was zu glauben ist, und beansprucht darin nicht nur Unfehlbarkeit, sondern Irrtumsunfähigkeit! Die Tradition der Kirche tritt als erste Wahrheitsquelle auf. Gegen das reformatorische Prinzip "sola scriptura", allein die Schrift, stellte das Tridentiner Konzil (Konzil zu Trient 1545-1563) die Heilige Schrift und die apostolische Tradition, wozu auch die Traditionen der Kirche zählen. In den Schriftsätzen jenes Konzils lesen wir: "Die apostolischen und kirchlichen Traditionen und die übrigen Bräuche und Satzungen.dieser Kirche nehme ich mit Festigkeit an und umfasse sie." -- "Ebenso nehme ich die Heilige Schrift an in dem Sinne, den die heilige Mutter Kirche festhielt und hält, deren Sache (!) es ist, über den wahren Sinn und die Auslegung der Heiligen Schrift zu urteilen; nie werde ich sie anders auffassen und erklären, als nach der einmütigen Auffassung der Väter." --

Nach dieser Verlautbarung wird die kirchliche Tradition zum Ausleger der Heiligen Schrift bestellt. Was geglaubt werden muß und wie die einzelnen Texte auszulegen sind, entscheidet die katholische Kirche. Die persönliche Auffassung des einzelnen Katholiken hat sich selbst wider bessere Erkenntnis dieser Entscheidung zu beugen. Bei der Auseinandersetzung zwischen Bibel und Tradition wird nach Lage der Dinge die Tradition immer den Vorrang erhalten, indem man sie einfach in die Schrift hineininterpretiert. Es gibt heute nur noch wenige Gebiete des täglichen Lebens, auf denen die katholische Kirche nicht die Grenzen der noch zulässigen "Erkenntnis" abgesteckt hat.

Die katholische Kirche hat sich mit dem Recht, zu entscheiden, was Wahrheit ist und was nicht, absolut gesetzt; sie steht damit nicht mehr unter dem Evangelium, sondern herrscht und regiert über das Evangelium! Damit aber hat sich die katholische Kirche von den Grundlagen des Evangeliums entfernt und ist selbst an die Stelle der Wahrheit getreten.

Alle Äußerungen von katholischer Seite zeigen, daß die katholische Kirche in der Wahrheitsfrage nicht gewillt ist, ihren Ausschließlichkeitsanpruch aufzugeben. Es ist römisch-katholische Auffassung, daß die Wahrheit niemals mit der katholischen Kirche zusammen, sondern nur in der katholischen Kirche zu verwirklichen sei.

Alle noch so freundlichen Gesten gegenüber den Protestanten, die im Verlauf des Konzils und auch danach sichtbar wurden, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich an dem Anspruch der katholischen Kirche, allein die Kirche Christi zu sein, nichts geändert hat; ihre Gesten sind bisher nur Gesten. Gewiß sind die Verlautbarungen, die von katholischer Seite an protestantische Ohren dringen, verbindlicher geworden. Gewiß ist das Wort "Ketzer" aus dem offiziellen Umgangston verschwunden. Dennoch kommt in den "Angeboten" der katholischen Kirche mit unmißverständlicher Klarheit zum Ausdruck, daß die katholische Kirche unter der Einheit Rückkehr versteht.

In der Eröffnungsansprache Papst Paul VI. zur zweiten Sitzungsperiode des Konzils sprach er u.a. von "anderen Christen", und er meinte diejenigen, "die wir, obwohl sie ‚in Christo' glauben, doch nicht -- o daß uns diese Freude nicht vergönnt ist! -- unter diejenigen zählen können, die mit uns durch das Band der vollkommenen Einheit Christi verbunden sind. Diese Einheit, an der sie durch die Kraft der Taufe Anteil haben müßten, kann ihnen nur von der katholischen Kirche geboten werden und wird von ihnen ja auch durch die Kraft und das Wesen des Einheitsgedankens eifrig erstrebt". (Zitiert nach Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 1963, Heft 6.)

Auch die Reden, die Papst Paul VI. während seiner spektakulären Palästinareise gehalten hat, zielen in die gleiche Richtung. Durch die wiederholt gebrauchten Wendungen vom "römischen Christus" und von der "Einladung an die getrennten Brüder" finden wir erneut bestätigt, daß das "extra ecclesiam nulla salus" (außerhalb der Kirche ist kein Heil) eindeutig für die katholische Kirche beansprucht wird. Der evangelische Konzilsbeobachter Prof. Edmund Schlink hat in einem stark beachteten Vortrag in Rom am Ende der zweiten Sitzungsperiode des Konzils diese römische Exklusivität beklagt.

In der Tat wird von katholischer Seite stets nur von christlichen Brüdern oder nichtkatholischen Christen gesprochen, nie von nichtkatholischen Kirchen. Prof. Schlink wies darauf hin, daß die Sehnsucht nach Einheit als Sehnsucht nach der vom Papst geleiteten römischen Kirche verstanden wird. "Es ist selbstverständlich, daß sich die nichtrömische Christenheit durch diese Aussage verkannt fühlen muß. Denn sie besteht nicht aus einzelnen Christen, sondern aus Kirchen. Die nichtkatholischen Christen sind der Gnade und des Heils gewiß als Glieder ihrer Kirche ... Sie sehnen sich nicht danach, Glieder der römischen Kirche zu werden, sondern als Glieder ihrer Kirche ersehnen sie die Gemeinschaft ihrer Kirche mit den anderen Kirchen ... Wenn ihnen aber bestritten wird, daß sie Christi Leib und Blut in den Abendmahlsfeiern ihrer Kirche empfangen, so sehen sie darin nicht nur eine Verkennung ihrer selbst, sondern eine Leugnung Christi, der sich in ihrer Mitte kräftig erweist."

Will die katholische Kirche Heimkehr oder Partnerschaft? Die Antwort kann nicht mehr zweifelhaft sein. Die "offenen Arme", von denen der Papst sprach -- sind sie etwas anderes als eine Fortsetzung der Gegenreformation mit neuen Mitteln? Es ist nicht zu verkennen, daß vieles innerhalb der römischen Kirche in Bewegung geraten ist, und es mag auch für ernste und überzeugte Katholiken ungewiß sein, wohin es die Kirche treiben wird, aber eines können wir jetzt schon sagen: Der Ökumenismus Roms ist etwas völlig anderes als die ökumenische Bewegung. Die katholische Kirche erwartet Unterwerfung oder Heimkehr in die "sichere Hürde".

Darüber sollte man nicht im unklaren sein, auch wenn das vom Konzil verabschiedete "Dekret über den Ökumenismus" Formulierungen enthält, die für die katholische Kirche tatsächlich in Neuland weisen. So enthält dieses Dekret u.a. das Eingeständnis, daß die Schuld für die Kirchenspaltungen des Ostens wie des Westens auf beiden Seiten liege. Die evangelischen Gemeinschaften werden als "Kirchen" apostrophiert, wenn diese Anrede vermutlich auch nur ein formales Entgegenkommen sein dürfte, um den "Dialog" nicht von vornherein schon unmöglich zu machen. Es finden sich Hinweise auf das Gute in den nichtkatholischen Religionen, das die Katholiken mit Freude und Achtung sähen. Ferner heißt es, daß diejenigen Christen, die in getrennten Gemeinschaften leben, nicht der Sünde angeklagt werden dürfen, wenn es auch wahr bleibe, daß die Fülle der Heilsmittel nur in der katholischen Kirche zu finden sei. Urteile und alles Handeln, was geeignet ist, die "getrennten Brüder" zu beleidigen, sollen vermieden werden. Auch seien Dialoge zwischen den Theologen beider Konfessionen zum Kennenlernen der gegenseitigen Auffassungen nützlich. Selbst gemeinsame Gebete für die Sache des Ökumenismus sowie -- unter Aufsicht der Bischöfe unter Wahrung bestimmter Voraussetzungen -- gemeinsame Gottesdienste könnten gestattet werden. Diese Formulierungen des Dekrets gehen gewiß weit über das hinaus, was bisher üblich und erwünscht war. Dennoch -- die katholische Kirche wird es sich gefallen lassen müssen, daß man sie weniger an ihren Worten als an ihren Taten mißt.

Im "Dekret über den Ökumenismus" heißt es unter anderem: "In dieser einen und einzigen Kirche Gottes sind schon von den ersten Zeiten an Spaltungen entstanden, die der Apostel aufs schwerste tadelt und verurteilt; in den späteren Jahrhunderten sind ausgedehntere Verfeindungen entstanden, und es kam zur Trennung recht großer Gemeinschaften von der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche, oft nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten. Den Menschen jedoch, die jetzt in solchen Gemeinschaften geboren sind und in ihnen den Glauben an Christus erlangen, darf die Schuld der Trennung nicht zur Last gelegt werden -- die katholische Kirche betrachtet sie als Brüder, in Verehrung und Liebe. Denn wer an Christus glaubt und in der rechten Weise die Taufe empfangen hat, steht dadurch in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche ...

Dennoch erfreuen sich die von uns getrennten Brüder sowohl als einzelne wie auch als Gemeinschaften und Kirchen betrachtet, nicht jener Einheit, die Jesus Christus all denen schenken wollte, die er zu einem Leibe und zur Neuheit des Lebens wiedergeboren und lebendig gemacht hat, jener Einheit, die die Heilige Schrift und die verehrungswürdige Tradition der Kirche bekennt. Denn nur durch die katholische Kirche Christi, die das allgemeine Hilfsmittel des Heiles ist, kann man Zutritt zu der ganzen Fülle der Heilsmittel haben. Denn einzig dem Apostelkollegium, an dessen Spitze Petrus steht, hat der Herr, so glauben wir, alle Güter des Neuen Bundes anvertraut, um den einen Leib Christi auf Erden zu konstituieren, welchem alle völlig eingegliedert werden müssen, die schon auf irgendeine Weise zum Volke Gottes gehören."

Der in der ersten Zeit nach dem Konzil in protestantischen Kreisen wach gewordene Euphorismus in Sachen Wiedervereinigung der getrennten Kirchen ist mittlerweile einer sachlich-nüchternen Betrachtungsweise dieses Problems gewichen. Man hält die Gräben, die beide Konfessionen trennen, gewiß nicht für unüberwindlich, eine Vereinigung der beiden Großkirchen in absehbarer Zeit aber für höchst unwahrscheinlich.

Anm 057: Der Katholizismus in den USA -- (Seite 573)

In den USA hat die katholische Kirche in den letzten Jahrzehnten ein rapides Wachstum zu verzeichnen. Ihr Einfluß und ihre Bedeutung nahmen immer mehr zu, was vor allem auch daran sichtbar wurde, daß im Jahre 1960 zum ersten Male, was bis dahin als undenkbar galt, ein Katholik (J.F. Kennedy) als Präsident in das Weiße Haus einzog.

Die Entwicklung der katholischen Kirche wird an folgenden Vergleichszahlen deutlich: Nach dem "Yearbook of the American and Canadian Churches" von 1977 stieg die Zahl der Katholiken von 18.605.003 im Jahre 1926 über 28.634.878 im Jahre 1950 bis auf 49.836.000 im Jahre 1977. Die Zahl der Protestanten stieg von 31.511.701 im Jahre 1926 über 51.080.000 im Jahre 1950 auf 72.383.000 im Jahre 1977.

Die zahlenmäßige Überlegenheit der Protestanten täuscht insofern, da sich diese über 70 Millionen Gläubigen auf mehr als 250 protestantische Gemeinschaften verteilen, während die fast 50 Millionen Katholiken einen einzigen, einheitlichen, festgefügten Block bilden. Die katholische Kirche ist heute bereits die stärkste Kirche der Vereinigten Staaten.

Anm 058: Konstantins Sonntagsgesetz -- (Seite 574)

Siehe Anmerkung zu S. 52.

Anm 059: Die Äthiopische Kirche und der Sabbat -- (Seite 578)

Bis in die jüngste Zeit hinein hielt die koptische Kirche den Sabbat. Die Äthiopier feierten daneben auch während ihrer ganzen Geschichte als christliches Volk den Sonntag, den ersten Tag der Woche. Diese Tage waren durch besondere gottesdienstliche Handlungen in den Kirchen gekennzeichnet. Die Beachtung des Siebenten-Tag-Sabbats hat jedoch praktisch im modernen Äthiopien aufgehört. Augenzeugenberichte über die religiösen Feste der Äthiopier bei: Pero Gomes de Teixera, The Discovery of Abyssinia in 1520, ins Engl. übersetzt, 1938, 79; Father Francisco Alverez, Narrative of the Portuguese Embassy to Abyssinia during the Years 1520 bis 1527 (in den Berichten der Hakluyt-Gesellschaft, Bd. 64, 22-49), London, 1881; Michael Russell, Nubia and Abyssinia, 226-229, New York, 1837; S. Giacomo Baratti, Late Travels into the Remote Countries of Abyssinia, 134-137, London, 1670; Job Ludolphus, A New History for Ethiopia, So 234-357, London, 1682; Samuel Gobat, Journal of Three Years' Residence in Abyssinia, 55-58.83-98, New York, 1850; Peter Heylyn, History of the Sabbath, Bd. II, 198-200, 1636; Arthur P. Stanley, Lectures on the History of the Eastern Church, Lecture 1, § 1, New York, 1882; C.F. Rey, Romance of the Portuguese in Abyssinia, 59.253-298, London, 1929.

Anm 060: Bibelverbot -- (Seite 597)

Siehe die Anmerkungen zu S. 343: "Bibelverbot in der Landessprache" und zu S. 51: "Bibelverbot".