Vom Schatten Zum Licht

Kapitel 17

Zeichen Seines Kommens

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Eine der erhabensten und zugleich kostbarsten Wahrheiten, die in der Bibel offenbart wird, ist die über die Wiederkunft Christi zur Vollendung des großen Erlösungswerks. Gottes Pilgervolk, das so lange "in Finsternis und [im] Schatten des Todes" (Lukas 1,79) wandern musste, wurde mit der Verheißung seines Erscheinens eine kostbare, begeisternde Hoffnung gegeben und zwar von dem, der "die Auferstehung und das Leben" ist und der die "Verbannten heimbringen" wird. Die Lehre von der Wiederkunft Christi ist das Leitmotiv der Heiligen Schrift. Von dem Tag an, an dem das erste Menschenpaar den Garten Eden im Kummer verließ, warten die Gläubigen auf das Kommen des Verheißenen, der die Macht des Zerstörers brechen und sie in das verlorene Paradies zurückbringen wird. Geheiligte Menschen warteten seit ältester Zeit auf die Erscheinung des Messias in Herrlichkeit als Erfüllung ihrer Hoffnung. Henoch, in der Ahnenreihe von Eden der Siebte, der drei Jahrhunderte lang in enger Gemeinschaft mit seinem Gott lebte, durfte im Voraus das Erscheinen des Erlösers sehen. "Siehe", sagte er, "der Herr kommt mit seinen vielen tausend Heiligen, Gericht zu halten über alle." (Judas 14.15) Der Patriarch Hiob rief in der Nacht seiner Bedrängnis mit unerschüttertem Vertrauen: "Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder." (Hiob 19,25-27)

Christus Kommt Wieder

Das Kommen Christi zur Aufrichtung der Herrschaft der Gerechtigkeit bewog die Schreiber der Heiligen Schrift zu den überragendsten und erhabensten Aussagen. Dichter und Propheten der Bibel haben zu diesem Thema Worte gefunden, die von himmlischem Feuer durchglüht sind. Der Psalmist sang über die Macht und die Majestät des Königs von Israel: "Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. Unser Gott kommt und schweiget nicht. ... Er ruft Himmel und Erde zu, dass er sein Volk richten wolle". (Psalm 50,2-4) "Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich. ... Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Wahrheit." (Psalm 96,11.13)

Der Prophet Jesaja schrieb: "Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Toten herausgeben." (Jesaja 26,19) "Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der Herr wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der Herr hat's gesagt. Zu der Zeit wird man sagen: Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der Herr, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil." (Jesaja 25,8.9)

In einem Gesicht sah der Prophet Habakuk das Erscheinen Christi folgendermaßen: "Gott kam von Teman und der Heilige vom Gebirge Paran. Seines Lobes war der Himmel voll, und seiner Ehre war die Erde voll. Sein Glanz war wie Licht. ... Er stand auf und ließ erbeben die Erde; er schaute und ließ erzittern die Heiden. Zerschmettert wurden die uralten Berge, und bücken mussten sich die uralten Hügel, als er wie vor alters einherzog ... als du auf deinen Rossen rittest und deine Wagen den Sieg behielten? ... Die Berge sahen dich, und ihnen ward bange. . Die Tiefe ließ sich hören. Ihren Aufgang vergaß die Sonne, und der Mond stand still; beim Glänzen deiner Pfeile verblassen sie, beim Leuchten deines blitzenden Speeres. . Du zogst aus, deinem Volk zu helfen, zu helfen deinem Gesalbten." (Habakuk 3,3.4.6.8.10.13)

Kurz bevor der Erlöser seine Jünger verließ, tröstete er sie in ihrem Kummer mit der Zusicherung, dass er wiederkommen werde: "Euer Herz erschrecke nicht! . In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. . Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, so will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen." (Johannes 14,1-3) "Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden." (Matthäus 25,31.32)

Die Engel, die nach der Himmelfahrt Christi auf dem Ölberg erschienen, wiederholten den Jüngern die Verheißung seiner Wiederkunft: "Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen." (Apostelgeschichte 1,11) Der Apostel Paulus bezeugt unter Eingebung des Heiligen Geistes: "Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel." (1. Thessalonicher 4,16) Der Prophet von Patmos sagt: "Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen." (Offenbarung 1,7)

Um sein Kommen reiht sich die Herrlichkeit, durch die "alles wiedergebracht wird, wovon Gott geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Anbeginn." (Apostelgeschichte 3,21) Dann wird die so lange andauernde Herrschaft des Bösen gebrochen werden. "Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit." (Offenbarung 11,15) "Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen." (Jesaja 40,5) "Gleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Same im Garten aufgeht, so lässt Gott der Herr Gerechtigkeit aufgehen und Ruhm vor allen Heidenvölkern." (Jesaja 61,11) "Zu der Zeit wird der Herr Zebaoth eine liebliche Krone sein und ein herrlicher Kranz für die Übriggebliebenen seines Volks." (Jesaja 28,5)

Dann wird das lang ersehnte messianische Friedensreich auf der ganzen Erde aufgerichtet werden. "Ja, der Herr tröstet Zion, er tröstet alle ihre Trümmer und macht ihre Wüste wie Eden und ihr dürres Land wie den Garten des Herrn." (Jesaja 51,3) "Die Herrlichkeit des Libanon ist ihr gegeben, die Pracht von Karmel und Scharon." (Jesaja 35,2) "Man soll dich nicht mehr nennen Verlassene und dein Land nicht mehr Einsame, sondern du sollst heißen Meine Lust und dein Land Liebe Frau; denn ... wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen." (Jesaja 62,4.5)

Die Wiederkunftserwartung In Der Christenheit

Zu allen Zeiten war die Wiederkunft des Herrn die Hoffnung seiner treuen Nachfolger. Die Verheißung Jesu auf dem Ölberg, dass er wiederkommen werde, erhellte den Jüngern die Zukunft und erfüllte ihre Herzen mit Freude und Hoffnung, die weder von Sorgen noch von Prüfungen erstickt werden konnten. Inmitten von Leiden und Verfolgungen war die "Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus" "die selige Hoffnung" (Titus 2,13). Als die Christen in Thessalonich in Trauer ihre Lieben beerdigten, nachdem sie gehofft hatten, mit ihnen zusammen ihren Herrn wiederzusehen, wies sie ihr Lehrer Paulus auf die Auferstehung zur Zeit der Wiederkunft hin. Dann sollen die Toten in Christus auferstehen und zusammen mit den Lebenden dem Herrn entgegengerückt werden in die Luft. "Und so werden wir", sagte er, "bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander." (1. Thessalonicher 4,17.18)

Auf dem felsigen Patmos hörte der geliebte Jünger die Verheißung: "Siehe, ich komme bald" (Offenbarung 22,7), und seine sehnsuchtsvolle Antwort war das Gebet der Gemeinde auf ihrem langen Weg durch die Geschichte: "Ja komm, Herr Jesus!" (Offenbarung 22,20)

Jahrhunderte hindurch bezeugten Heilige und Märtyrer diese Hoffnung aus Kerkern heraus und von Scheiterhaufen und Schafotten herab. Einer dieser Gläubigen, der von der persönlichen Auferstehung Christi wie auch von seiner eigenen bei der Wiederkunft seines Herrn überzeugt war, sagte einmal: "Sie verachteten den Tod und fühlten sich über ihn erhaben." (TRCE, 33) Sie waren bereit, ins Grab zu steigen, um von dort "als Freie aufzuerstehen" (TRCE, 54). Sie warteten auf das "Erscheinen des Herrn in den Wolken in der Herrlichkeit des Vaters, der den Gerechten das Himmelreich bringen würde." Die Waldenser hegten den gleichen Glauben (TRCE, 129-132), und auch Wycliff freute sich auf die Erscheinung des Erlösers, der Hoffnung der Glaubensgemeinde. (TRCE, 132-134)

Luther erklärte: "Ich sage mir wahrlich, der Tag des Gerichtes könne keine vollen 300 Jahre mehr ausbleiben. Gott will und kann diese gottlose Welt nicht länger dulden. Der große Tag naht, an dem das Reich der Gräuel gestürzt werden wird." (TSK, 129 ff.)

"Diese alte Welt ist nicht fern von ihrem Ende", sagte Melanchthon. Calvin forderte die Christen auf, nicht unschlüssig zu sein, sondern sich eifrig nach dem Tag der Wiederkunft des Herrn als des heilsamsten aller Tage zu sehnen, und erklärte, dass die ganze Familie der Getreuen diesen Tag vor Augen haben werde. Er sagte: "Wir müssen nach Christus hungern, ihn suchen, erforschen, bis zum Anbrechen jenes großen Tages, an dem unser Herr die Herrlichkeit seines Reiches völlig offenbaren wird." (TSK, 129 ff.)

"Ist nicht unser Herr Jesus leiblich gen Himmel gefahren, und wird er nicht wiederkommen?", fragte Knox, der schottische Reformator. "Wir wissen, dass er wiederkommen wird, und das in Kürze." Ridley und Latimer, die beide ihr Leben für die Wahrheit ließen, sahen im Glauben der Wiederkunft des Herrn entgegen. Ridley schrieb: "Die Welt geht unzweifelhaft - dies glaube ich, und deshalb sage ich es - dem Ende entgegen. Lasst uns mit Johannes, dem Knecht Christi, rufen: Komme bald, Herr Jesus!" (TSK, 129 ff.)

Baxter sagte: "Der Gedanke an das Kommen des Herrn ist mir überaus köstlich und erfreut mich sehr." (BPW, XVII, 555) "Seine Erscheinung lieb zu haben und der seligen Hoffnung entgegenzublicken ist das Werk des Glaubens und kennzeichnet seine Heiligen. ... Wenn wir verstehen, dass der Tod der letzte Feind ist, der bei der Auferstehung vernichtet wird, wird uns auch bewusst, wie ernstlich Gläubige auf die Wiederkunft Christi warten und dafür beten sollten, denn dann ist der volle und endgültige Sieg errungen." (BPW, XVII, 500) "Dies ist der Tag, auf den alle Gläubigen harren, hoffen und warten sollten, da er das ganze Werk ihrer Erlösung und die Erfüllung aller ihrer Wünsche und Bestrebungen verwirklicht. ... Beschleunige, o Herr, diesen Segen bringenden Tag." (BPW, XVII, 182 f.) Das war die Hoffnung der apostolischen Kirche, der "Gemeinde in der Wüste" und der Reformatoren.

Katastrophen Auf Erden

Die Prophezeiung klärt uns nicht nur über die Art und den Grund der Wiederkunft Christi auf, sondern weist auf Zeichen hin, an denen die Menschen erkennen können, wann dieses Ereignis herannaht. Jesus sagte: "Es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen." (Lukas 21,25) "Aber zu jener Zeit, nach dieser Bedrängnis, wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und dann werden sie sehen den Menschensohn kommen in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit." (Markus 13,24-26) Johannes schildert in der Offenbarung das erste der Zeichen, die der Wiederkunft Christi vorausgehen: "Die Sonne wurde finster wie ein schwarzer Sack, und der ganze Mond wurde wie Blut." (Offenbarung 6,12)

Diese Zeichen wurden vor Beginn des 19. Jahrhunderts beobachtet. 1755 geschah in Erfüllung dieser Prophezeiung das schrecklichste Erdbeben50, über das je berichtet wurde. Es ging zwar als Erdbeben von Lissabon in die Geschichte ein, dehnte sich aber über den größten Teil Europas, Afrikas und Amerikas aus. Es wurde auf Grönland, in der Karibik, auf der Insel Madeira, in Norwegen und Schweden sowie in Großbritannien und Irland verspürt. Es erstreckte sich über eine Fläche von über zehn Millionen Quadratkilometer. In Afrika war die Erschütterung beinahe ebenso heftig wie in Europa. Ein großer Teil der Stadt Algier wurde zerstört, und ein algerisches Dorf von achtoder zehntausend Einwohnern nahe der Grenze zu Marokko wurde von der Erde verschlungen. Eine riesige Flutwelle ergoss sich über die Küsten von Spanien und Afrika, spülte Städte fort und richtete riesige Verwüstungen an.

Die größten Erschütterungen wurden in Spanien und Portugal festgestellt. In der Stadt Cadiz soll die heranstürzende Flut fast zwanzig Meter hoch gewesen sein. "Etliche der größten Berge in Portugal wurden stark, gewissermaßen in ihren Grundfesten, erschüttert. Die Gipfel einiger Berge öffneten sich, wurden auf erstaunliche Weise gespalten und zerrissen. Dabei flogen ungeheure Steinmassen in die umliegenden Täler. Man erzählt, dass diesen Bergen Flammen entstiegen." (LPG, 495)

In Lissabon "wurde ein unterirdischer Donner vernommen, und kurz darauf brachte ein gewaltiger Stoß den größten Teil der Stadt zum Einstürzen. Im Laufe von etwa sechs Minuten kamen 60.000 Menschen ums Leben. Das Meer zog sich erst zurück und gab die Küste frei. Dann fluteten die Wellen heran und waren bis zu 15 Meter höher als normal. ... Zu anderen außerordentlichen Ereignissen, die sich während der Katastrophe in Lissabon zutrugen, zählt das Versinken eines neuen Kais, der mit einem ungeheuren Kostenaufwand ganz aus Marmor hergestellt worden war. Eine große Menschenmenge hatte sich hier schutzsuchend versammelt, weil sie glaubte, außerhalb des Bereiches der fallenden Trümmer zu sein; doch plötzlich versank der Kai mit der ganzen Menschenmenge darauf, und nicht einer der Leichname kam je wieder an die Oberfläche" (LPG, 495).

"Dem Stoß" des Erdbebens "folgte unmittelbar der Einsturz sämtlicher Kirchen und Klöster, fast aller großen öffentlichen Bauten und mehr als ein Viertel der Häuser. Ungefähr zwei Stunden nach dem Erdstoß brach in verschiedenen Stadtvierteln Feuer aus und wütete beinahe drei Tage lang mit solcher Gewalt, dass die Stadt völlig verwüstet wurde. Das Erdbeben geschah an einem Feiertag, als die Kirchen und Klöster voller Menschen waren, von denen nur sehr wenige entkamen." (EA, 1831, Art. "Lissabon") "Der Schrecken des Volkes überstieg jede Beschreibung. Niemand weinte, das Unglück war zu groß. Die Menschen liefen hin und her, wahnsinnig vor Schrecken und Entsetzen, schlugen sich ins Gesicht und an die Brust und riefen: ›Erbarmen! Die Welt geht unter!‹ Mütter vergaßen ihre Kinder und rannten mit Kruzifixen umher. Unglücklicherweise liefen viele in die Kirchen, um Schutz zu suchen, und vergebens wurde ununterbrochen die Hostie gezeigt, vergebens klammerten sich die armen Geschöpfe an die Altäre. Kruzifixe, Priester und Volk wurden bei dem allgemeinen Untergang verschlungen." An diesem verhängnisvollen Tag kamen schätzungsweise 90.000 Menschen ums Leben.

Und Geheimnisvolle Zeichen Am Himmel

25 Jahre später erschien das nächste vorhergesagte Zeichen: die Verfinsterung der Sonne und des Mondes. Auffallend an dieser Prophezeiung ist die genaue Zeitangabe ihrer Erfüllung. Als der Heiland mit seinen Jüngern auf dem Ölberg über die lange trübselige Zeit der Gemeinde sprach - über diese 1260 Jahre der Verfolgung durch das Papsttum -, von denen er versprochen hatte, sie zu verkürzen, erwähnte er gewisse Ereignisse, die seinem Kommen vorausgehen würden. Dabei nannte er den Zeitrahmen, in dem dieses erste Zeichen erscheinen sollte. "Aber zu jener Zeit, nach dieser Bedrängnis, wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren." (Markus 13,24) Die 1260 Tage oder Jahre liefen mit dem Jahr 1798 ab. Ein Vierteljahrhundert vorher hatten die Verfolgungen beinahe gänzlich aufgehört. Nach diesen Verfolgungen sollte gemäß der Worte Christi die Sonne verdunkelt werden. Am 19. Mai 1780 ging diese Weissagung in Erfüllung.

"Die geheimnisvollste und unerklärbare, wenn nicht gänzlich ohne Beispiel dastehende Naturerscheinung ... war der finstere Tag vom 19. Mai 1780 - eine höchst sonderbare Verfinsterung des ganzen sichtbaren Himmels in Neuengland." (DFC, 89)

Ein Augenzeuge aus Massachusetts beschrieb dieses Ereignis wie folgt: "Am Morgen ging die Sonne klar auf, bald aber bezog sich der Himmel. Die Wolken sanken immer tiefer, und während sie dunkler und bedrohlicher wurden, zuckten Blitze, der Donner rollte und etwas Regen fiel. Gegen neun Uhr lichtete sich die Wolkendecke und nahm ein messingoder kupferfarbenes Aussehen an, sodass Erde, Felsen, Bäume, Gebäude, das Wasser und die Menschen in diesem seltsamen, unheimlichen Licht ganz verändert erschienen. Wenige Minuten später breitete sich eine schwere, schwarze Wolke über den ganzen Himmel aus, mit Ausnahme eines schmalen Streifens am Horizont, und es war so dunkel, wie es gewöhnlich im Sommer um neun Uhr abends ist .

Angst, Entsetzen und heilige Scheu bemächtigten sich der Menschen. Frauen standen vor den Türen und schauten in die dunkle Landschaft, Männer kehrten von ihrer Feldarbeit zurück, der Zimmermann verließ sein Werkzeug, der Schmied seine Werkstatt, der Kaufmann seinen Laden. Die Schulen wurden geschlossen und zitternde Kinder rannten heim. Reisende suchten Unterkunft in den nächsten Bauernhäusern. ›Was soll das werden?‹, fragten bebende Lippen und Herzen. Es schien, als ob ein großer Sturm über das Land hereinbrechen wollte oder als ob das Ende aller Dinge gekommen sei.

Kerzen wurden angezündet, und das Feuer im offenen Kamin brannte so hell wie an einem Herbstabend ohne Mondlicht. ... Die Hühner erklommen ihre Ruhestangen und schliefen ein, das Vieh ging an die Wiesenpforten und brüllte, Frösche quakten, Vögel sangen ihr Abendlied und Fledermäuse flogen herum. Aber die Menschen wussten, dass die Nacht nicht hereingebrochen war. ...

Dr. Nathanael Whittaker, Geistlicher in Salem, hielt einen Gottesdienst im Versammlungssaal und behauptete in seiner Predigt, dass die Dunkelheit übernatürlich sei. An vielen anderen Orten wurden Versammlungen durchgeführt, und die Bibeltexte für die unvorbereiteten Predigten waren unvermeidlich solche, die andeuteten, dass die Finsternis in Übereinstimmung mit der biblischen Weissagung stand. ... Kurz nach elf Uhr war die Dunkelheit am stärksten." (TEA, April 1899, III, Nr. 4, 53.54)

"An den meisten Orten war die Finsternis so dicht, dass man weder nach der Uhr sehen noch die häuslichen Arbeiten ohne Kerzenlicht ausführen konnte. ... Das Ausmaß der Finsternis war außergewöhnlich. Nach Osten erstreckte sie sich bis Falmouth, nach Westen erreichte sie den äußersten Teil von Connecticut und Albany, nach Süden hin wurde sie an der ganzen Küste entlang beobachtet, und nach Norden reichte sie, so weit sich die amerikanischen Niederlassungen ausdehnten." (GHR, III, 57)

Eine oder zwei Stunden vor Sonnenuntergang folgte auf die starke Dunkelheit ein teilweise klarer Himmel, die Sonne kam hervor, doch war ihr Schein von einem schwarzen, schweren Schleier getrübt. "Nach Sonnenuntergang kamen die Wolken zurück und es wurde schnell sehr dunkel. ... Die Dunkelheit der Nacht war ebenso ungewöhnlich und erschreckend wie die des Tages, denn obgleich es fast Vollmond war, ließ sich doch kein Gegenstand ohne künstliches Licht unterscheiden, und dieses sah von den Nachbarhäusern und andern Orten aus, als ob es durch eine ägyptische Finsternis schien, die für die Strahlen nahezu undurchdringlich war." (TMS, X, N. 472, 25. Mai 1780) Ein Augenzeuge dieses Ereignisses sagte: "Ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, dass, wenn alle leuchtenden Himmelskörper in solch undurchdringliche Finsternis gehüllt oder gänzlich verschwunden wären, die Finsternis nicht vollständiger hätte sein können." (MHSC, 1792, 1. Serie, I, 97) Obgleich um neun Uhr abends der Mond voll aufging, "vermochte er nicht im Geringsten den todesähnlichen Schatten zu zerteilen." Nach Mitternacht verschwand die Finsternis, und als der Mond sichtbar wurde, sah er aus wie Blut.

Der 19. Mai 1780 ging als "der finstere Tag" in die Geschichte ein. Seit der Zeit Moses wurde nie mehr von einer Finsternis gleicher Dichte, gleichen Ausmaßes und gleicher Dauer berichtet. Was hier von Augenzeugen geschildert wurde, ist wie eine Wiederholung der Worte, die der Herr durch den Propheten Joel 2500 Jahre zuvor ausgesprochen hatte: "Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt." (Joel 3,4)

Ereignisse Wahrend Der Zeit Des Endes

Christus forderte sein Volk auf, nach Zeichen seiner Wiederkunft Ausschau zu halten und sich zu freuen, wenn es die Zeichen seines kommenden Königs erkennen würde. "Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht." (Lukas 21,28) Er wies seine Nachfolger auf die im Frühling Knospen treibenden Bäume hin und sagte: "Wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist." (Lukas 21,30.31)

Doch als der Geist der Demut und Hingabe in der Kirche dem Stolz und dem Formalismus Platz machte, erkaltete die Liebe zu Christus und der Glaube an seine Wiederkunft. Das vorgebliche Volk Christi war verweltlicht, von Vergnügungen ganz in Anspruch genommen und blind für die Zeichen der Wiederkunft seines Herrn. Die Lehre der Wiederkunft wurde vernachlässigt. Die Schriftstellen, die sich auf dieses Ereignis beziehen, wurden durch falsche Auslegungen vernebelt, bis sie größtenteils ignoriert und vergessen waren. Dies war insbesondere in den Kirchen Amerikas der Fall. Alle Gesellschaftsschichten erfreuten sich der Freiheit und einer hohen Lebensqualität. Ehrgeiziges Verlangen nach Reichtum und Luxus erzeugte eine Sucht nach Geldgewinn. Man strebte nach Popularität und Macht, und jeder glaubte, diese erreichen zu können. Die Folge davon war, dass die Menschen das Hauptinteresse ihrer Hoffnungen auf Dinge dieses Lebens richteten, und dass der herrliche Tag, an dem alles Irdische ein Ende haben wird, weit in die Zukunft verschoben wurde.

Als Jesus seinen Jüngern die Zeichen seiner Wiederkunft erläuterte, sagte er ihnen zugleich einen Abfall voraus, der unmittelbar vor seinem Erscheinen herrschen würde. Wie in den Tagen Noahs werde man sich in erster Linie mit weltlichen Tätigkeiten und Vergnügungen befassen, mit kaufen, verkaufen, pflanzen, bauen, heiraten und sich heiraten lassen. Gott und das zukünftige Leben würden vergessen. Menschen, die in dieser Zeit leben, rät Christus: "Gebt acht auf euch, dass euer Herz nicht schwer werde von Rausch und Trunkenheit und Sorge ums Leben und dass jener Tag nicht jäh über euch komme wie eine Schlinge. Denn er wird über alle hereinbrechen, die den Erdkreis bewohnen. Seid also allezeit wachsam und betet, damit ihr die Kraft bekommt, all dem zu entrinnen, was geschehen wird, und vor den Menschensohn zu gelangen." (Lukas 21,34-36 ZÜ)

Den Zustand der Kirche zu dieser Zeit schildern die Worte des Erlösers in der Offenbarung: "Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot." (Offenbarung 3,1) Und an jene, die sich weigern, aus ihrer gleichgültigen Sorglosigkeit herauszutreten, ergeht die ernste Warnung: "Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde." (Offenbarung 3,3)

Die Menschen müssen auf die sie umgebenden Gefahren aufmerksam gemacht werden. Sie müssen auf die ernsten Ereignisse vorbereitet werden, die mit dem Ende der Gnadenzeit in Verbindung stehen. Der Prophet Gottes erklärt: "Der Tag des Herrn ist groß und voller Schrecken, wer kann ihn ertragen?" (Joel 2,11) Wer bestehen wird, wenn der erscheint, von dem heißt es: "Deine Augen sind zu rein, als dass du Böses ansehen könntest, und dem Jammer kannst du nicht zusehen!" (Habakuk 1,13) Denen, die rufen: "Du bist mein Gott; wir ... kennen dich" (Hosea 8,2) und seinen Bund übertreten und einem andern Gott nachlaufen (vgl. Psalm 16,4), die Böses in ihrem Herzen verbergen und die Wege der Ungerechtigkeit lieben, für die wird des Herrn Tag "finster und nicht licht sein, dunkel und nicht hell" (Amos 5.20) . "Zur selben Zeit", spricht der Herr, "will ich Jerusalem mit der Lampe durchsuchen und aufschrecken die Leute, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen und sprechen in ihrem Herzen: Der Herr wird weder Gutes noch Böses tun." (Zefanja 1,12) "Ich will den Erdkreis heimsuchen um seiner Bosheit willen und die Gottlosen um ihrer Missetat willen und will dem Hochmut der Stolzen ein Ende machen und die Hoffart der Gewaltigen demütigen." (Jesaja 13,11) "Es wird sie ihr Silber und Gold nicht erretten können am Tage des Zorns des Herrn" (Zefanja 1,18), und "ihre Güter sollen zum Raub werden und ihre Häuser verwüstet" (Zefanja 1,13).

Der Prophet Jeremia ruft über diese schreckliche Zeit aus: "Wie ist mir so weh! . und ich habe keine Ruhe; denn ich höre der Posaune Hall, den Lärm der Feldschlacht; Niederlage auf Niederlage wird gemeldet." (Jeremia 4.19.20) "Dieser Tag ist ein Tag des Grimmes, ein Tag der Trübsal und der Angst, ein Tag des Wetters und des Ungestüms, ein Tag der Finsternis und des Dunkels, ein Tag der Wolken und des Nebels, ein Tag der Posaune und des Kriegsgeschreis." (Zefanja 1,15.16) "Denn siehe, des Herrn Tag kommt ... die Erde zu verwüsten und die Sünder von ihr zu vertilgen." (Jesaja 13,9)

Mit Blick auf diesen großen Tag ruft Gott sein Volk in seinem Wort in höchst feierlicher und beeindruckender Sprache auf, sich von seiner geistlichen Trägheit zu erheben und Gottes Angesicht in Reue und Demut zu suchen. "Blast die Posaune zu Zion, ruft laut auf meinem heiligen Berge! Erzittert, alle Bewohner des Landes! Denn der Tag des Herrn kommt und ist nahe." (Joel 2,1) "Sagt ein heiliges Fasten an, ruft die Gemeinde zusammen! Versammelt das Volk, heiligt die Gemeinde, sammelt die Ältesten, bringt zusammen die Kinder. ... Der Bräutigam gehe aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Gemach! Lasst die Priester, des Herrn Diener, weinen zwischen Vorhalle und Altar." (Joel 2,15-17) "Bekehrt euch zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen! Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und bekehrt euch zu dem Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte." (Joel 2,12.13)

Geistliche Teilnahmslosigkeit Vor Dem Erscheinen Christi

Um ein Volk darauf vorzubereiten, am Tag des Herrn zu bestehen, musste ein großes Reformwerk durchgeführt werden. Gott sah voraus, dass sich viele bekennende Christen nicht auf die Ewigkeit vorbereiteten. In seiner Barmherzigkeit sandte er ihnen eine Warnungsbotschaft, um sie aus ihrer Erstarrung aufzurütteln, damit sie sich für die Wiederkunft des Herrn bereit machten.

Diese Warnung ist in Offenbarung 14 aufgezeichnet. Hier wird eine dreifache Botschaft so dargestellt, als würde sie von himmlischen Wesen verkündigt, worauf unmittelbar das Kommen des Menschensohns folgt, um "die Ernte der Erde" einzuholen. Die erste Warnung verkündigt die Nähe des Gerichts. Der Prophet "sah einen andern Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden wohnen, allen Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern. Und er sprach mit großer Stimme: Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre; denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen! Und betet an den, der gemacht hat Himmel und Erde und Meer und die Wasserquellen!" (Offenbarung 14,6.7)

Diese Botschaft wird ein Teil des "ewigen Evangeliums" genannt. Die Verkündigung dieses Evangeliums wurde aber nicht Engeln übertragen, sondern Menschen anvertraut. Heilige Engel beaufsichtigen diesen Dienst und sind verantwortlich für das große Werk der Errettung von Menschen. Aber die eigentliche Verkündigung des Evangeliums wird von den Dienern Christi auf Erden durchgeführt.

Treue und gehorsame Menschen, die sich vom Geist Gottes und von seinem Wort leiten ließen, wurden mit der Verkündigung dieser Warnung an die Welt beauftragt. Sie achteten auf das "feste prophetische Wort", auf jenes "Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe" (2. Petrus 1,19). Sie hatten die Erkenntnis Gottes mehr gesucht als alle verborgenen Reichtümer und schätzten sie höher "als Silber, und ihr Ertrag ist besser als Gold" (Sprüche 3,14). Der Herr offenbarte ihnen die großen Dinge über sein Reich. "Der Herr ist denen Freund, die ihn fürchten; und seinen Bund lässt er sie wissen." (Psalm 25,14)

Es waren nicht die gelehrten Theologen, die für diese Wahrheit Verständnis aufbrachten und sie verkündigten. Wären sie treue Wächter gewesen und hätten sie die Schrift unter Gebet fleißig erforscht, hätten sie die Zeit der Nacht erkannt. Die Prophezeiungen hätten ihnen die Ereignisse gezeigt, die kurz bevorstanden. Dazu aber waren sie nicht bereit, und so wurde die Botschaft einfacheren Menschen übertragen. Jesus riet: "Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle." (Johannes 12,35) Wer sich von dem Licht abwendet, das Gott ihm gegeben hat oder es nicht sehen will, wenn es in seiner Reichweite ist, bleibt der Finsternis überlassen. Aber der Erlöser erklärt: "Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben." (Johannes 8,12) Wer immer beharrlich den Willen Gottes sucht und auf das bereits empfangene Licht achtet, wird größeres Licht empfangen. Ihm wird ein Stern voll himmlischen Glanzes gesandt werden, der ihn in alle Wahrheit führt.

Beim ersten Kommen Christi hätten die Priester und Schriftgelehrten der Heiligen Stadt, denen das lebendige Wort gegeben worden war, die Zeichen der Zeit erkennen und die Ankunft des Verheißenen verkündigen können. Die Weissagung Michas nannte den Geburtsort (Micha 5,1). Daniel gab die Zeit seines Kommens an (Daniel 9,25). Gott hatte diese Weissagungen den jüdischen Ältesten anvertraut. Es gab für sie keine Entschuldigung. Sie waren nicht unwissend und hätten dem Volk das baldige Kommen des Messias verkündigen können. Ihre mangelnde Kenntnis war das Ergebnis sündhafter Sorglosigkeit. Einerseits bauten die Juden für die getöteten Propheten Gottes Denkmäler, anderseits aber ehrten sie die Großen dieser Welt, womit sie den Knechten Satans huldigten. In ihrem ehrgeizigen Streben nach Macht und Ansehen unter den Menschen verloren sie die Ehre Gottes aus den Augen, die ihnen der König des Himmels angeboten hatte.

Die Ältesten Israels hätten mit gründlichem und ehrfürchtigem Interesse den Ort, die Zeit und die Umstände des größten Ereignisses der Weltgeschichte studieren sollen - die Ankunft des Sohnes Gottes, um die Erlösung der Menschheit zu vollenden. Das ganze Volk hätte wachen und warten sollen, um unter den Ersten zu sein, die den Erlöser der Welt empfingen. Doch als zwei müde Reisende von den Hügeln Nazareths die lange, enge Straße Bethlehems bis zum Ostende durchschritten, suchten sie leider vergebens eine Unterkunft für die Nacht. Ihnen wurde keine Tür geöffnet, um sie zu empfangen. In einer armseligen Hütte, die für das Vieh bestimmt war, fanden sie Unterschlupf, und dort wurde der Erlöser der Welt geboren.

Himmlische Engel hatten die Herrlichkeit gesehen, die der Sohn beim Vater besaß, bevor die Welt erschaffen wurde, und sie warteten mit lebhafter Anteilnahme auf sein Erscheinen auf Erden als dem freudigsten Ereignis für alle Völker. Engel wurden beauftragt, die frohe Botschaft denen zu bringen, die bereit waren, sie zu empfangen, und die sie freudig allen Erdenbewohnern bekannt machen würden. Christus erniedrigte sich und nahm menschliche Gestalt an. Er sollte eine unendliche Leidenslast tragen, wenn er sein Leben als Opfer für die Sünde darbrachte. Dennoch erwarteten die Engel, dass der Sohn des Höchsten selbst in seiner Erniedrigung den Menschen in einer seinem Charakter entsprechenden Würde und Herrlichkeit erscheinen sollte. Würden sich die Großen dieser Erde in Israels Hauptstadt versammeln, um ihn zu begrüßen? Würden Legionen von Engeln ihn der wartenden Menge vorstellen?

Ein Engel besuchte die Erde, um zu sehen, wer sich auf das Kommen Jesu vorbereitete. Er konnte aber nirgendwo Zeichen der Erwartung erkennen. Da war weder Lob noch Jubel zu vernehmen, dass die Zeit des Messias gekommen war. Eine Zeit lang verweilte der Engel über der auserwählten Stadt und dem Tempel, in dem sich die göttliche Gegenwart über Jahrhunderte offenbart hatte, doch sogar hier fand er dieselbe Gleichgültigkeit vor. Mit Prunk und Stolz brachten die Priester im Tempel ihre verunreinigten Opfer dar. Mit lauter Stimme wandten sich die Pharisäer an das Volk oder sprachen an den Straßenecken prahlerische Gebete. In keinem der Königspaläste, bei keiner philosophischen Zusammenkunft, an keiner Rabbinerschule achtete man auf diese wunderbare Tatsache, die den Himmel mit so viel Freude erfüllte, dass sich der Erlöser der Menschheit anschickte, auf der Erde zu erscheinen.

Licht Für Suchende

Nirgendwo war erkennbar, dass Christus erwartet wurde oder dass Vorbereitungen für den Empfang des Fürsten des Lebens getroffen worden waren. Verblüfft wollte der himmlische Botschafter mit der schmählichen Kunde in den Himmel zurückkehren, als er eine Gruppe von Hirten erblickte, die ihre Herden in der Nacht hüteten, zum sternenbesäten Himmel aufschauten und über die Prophezeiung eines Messias nachdachten, der auf die Erde kommen sollte. Sie sehnten sich nach der Ankunft des Erlösers der Welt. Hier waren Menschen, die sich vorbereitet hatten, um die himmlische Botschaft zu empfangen. Da erschien ihnen plötzlich der Engel des Herrn und verkündigte freudig die gute Botschaft. Himmlische Herrlichkeit überflutete die Ebene, und eine unzählbare Engelschar wurde sichtbar. Als ob die Freude für einen Botschafter allein zu groß gewesen wäre, stimmte ein gewaltiger Chor in ein Lied ein, das alle Erlösten eines Tages singen werden: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens." (Lukas 2,14)

Welch eine Lehre liegt in diesem wunderbaren Bericht von Bethlehem verborgen! Wie straft sie unseren Unglauben, unseren Stolz und unsere Selbstzufriedenheit! Sie ist uns eine Warnung, damit wir nicht durch eine sträfliche Gleichgültigkeit die Zeichen der Zeit in gleicher Weise missachten und den Tag unserer Heimsuchung verkennen.

Aber nicht nur auf den Höhen Judäas, nicht nur bei bescheidenen Hirten fanden Engel Menschen, die den Messias erwarteten. Auch in heidnischen Ländern gab es solche, die nach ihm Ausschau hielten. Es waren reiche und edle Männer, weise Philosophen des Ostens. Durch das Studium der Natur erkannten die Weisen Gott in der Schöpfung. Aus den hebräischen Schriften hatten sie erfahren, dass ein Stern aus Jakob aufgehen sollte, und mit eifrigem Verlangen erwarteten sie die Ankunft dessen, der nicht nur der "Trost Israels" (Lukas 2,25), sondern auch "ein Licht, zu erleuchten die Heiden" (Lukas 2,32), "das Heil ... bis an die Enden der Erde" sein würde (Apostelgeschichte 13,47). Sie suchten nach dem Licht, und Licht vom Thron Gottes erleuchtete den Weg vor ihren Füßen. Während Priester und Rabbiner in Jerusalem, die berufenen Hüter und Lehrer der Wahrheit, in Finsternis gehüllt waren, leitete der Stern des Himmels diese heidnischen Fremdlinge zum Geburtsort des neuen Königs.

Denen, die auf Christus warten, wird er "zum zweiten Mal . nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil" (Hebräer 9,28). Wie die Kunde von der Geburt des Erlösers wurde auch die Botschaft von der Wiederkunft nicht den religiösen Führern anvertraut. Sie hatten versäumt, ihre Verbindung mit Gott aufrechtzuerhalten und das Licht vom Himmel von sich gewiesen. Deshalb gehörten sie nicht zu den Menschen, von denen der Apostel Paulus sagt: "Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis." (1. Thessalonicher 5,4.5)

Die Wächter auf den Mauern Zions hätten die Ersten sein sollen, um die Botschaft vom Kommen des Erlösers zu vernehmen, die Ersten, um ihre Stimme zu erheben, um seine Nähe zu verkündigen, die Ersten, um das Volk aufzufordern, sich auf sein Kommen vorzubereiten. Aber sie ließen sich's wohl ergehen, träumten von Frieden und Sicherheit, während das Volk in seinen Sünden schlief. Jesus verglich seine Gemeinde mit einem unfruchtbaren Feigenbaum, der im Schmuck der Blätter prangte, aber keine köstlichen Früchte hervorbrachte. Man rühmte sich, religiöse Formen zu beachten, während wahre Demut, Reue und Glauben fehlten, welche allein Gott ihren Dienst hätten angenehm machen können. Statt Früchte des Geistes zeigten sich Stolz, Formalismus, Prahlerei, Selbstsucht und Unterdrückung. Eine abgefallene Gemeinde verschloss ihre Augen vor den Zeichen der Zeit. Gott verließ sie nicht, noch ließ er es an seiner Treue fehlen. Sie aber trennten sich von ihm und seiner Liebe. Als sie es ablehnten, seinen Forderungen nachzukommen, blieb die Erfüllung seiner Verheißungen an ihnen aus.

So weit kommt es, wenn man das Licht und die Vorzüge nicht schätzt, die Gott schenkt. Wenn eine Gemeinde es versäumt, den Weg zu gehen, den Gott ihr in seiner Vorsehung zeigt, und nicht jeden Lichtstrahl und jede Offenbarung annimmt, verwandelt sich jede Art von Religion unausweichlich in reinen Formalismus, und der Geist der lebendigen Frömmigkeit verschwindet. Diese Wahrheit hat die Geschichte der Kirche wiederholt veranschaulicht. Gott verlangt von seinem Volk Werke des Glaubens und des Gehorsams, entsprechend der geschenkten Segnungen und Vorrechte. Gehorsam verlangt Opfer und schließt das Kreuz ein. Aus diesem Grund lehnten so viele angebliche Nachfolger Christi das Licht des Himmels ab und erkannten wie die Juden von einst nicht die Zeit ihrer Heimsuchung (Lukas 19,44). Weil sie stolz und ungläubig waren, überging der Herr die Oberen von damals und offenbarte seine Wahrheit den Hirten von Bethlehem und den Weisen aus dem Morgenland, weil sie das Licht annahmen, das sie empfangen hatten.