Vom Schatten Zum Licht

Kapitel 21

Weg Von Gott -- Hin Zur Welt

[AUDIO]

Als Miller und seine Mitarbeiter die Lehre von der Wiederkunft Christi verkündigten, taten sie dies mit der einzigen Absicht, ihre Mitmenschen dazu zu bewegen, sich auf das Gericht vorzubereiten. Sie bemühten sich, Menschen, die bereits einen Glauben hatten, auf die einzig wahre Hoffnung der Kirche und auf die Notwendigkeit einer tieferen christlichen Erfahrung aufmerksam zu machen. Auch bemühten sie sich darum, unbekehrten Menschen bewusst zu machen, dass sie ihre Sünden unverzüglich bereuen und zu Gott umkehren sollten. "Sie versuchten nicht, irgendjemanden zu einer Sekte oder Religionsgemeinschaft zu bekehren, und arbeiteten daher unter allen Gruppen und Gemeinschaften, ohne in ihre Organisation oder ihre Regeln einzugreifen".

Miller sagte: "In allen meinen Arbeiten habe ich nie gewollt oder beabsichtigt, irgendeine Sonderrichtung außerhalb der bestehenden Kirchen aufzubauen oder eine auf Kosten einer andern zu begünstigen. Ich wollte ihnen allen nützen. In der Annahme, dass sich alle Christen auf das Kommen Jesu freuten und dass die, welche es nicht so sehen konnten wie ich, trotzdem jene lieben würden, die diese Lehre annähmen, ahnte ich nicht, dass jemals gesonderte Versammlungen nötig werden könnten. Mein einziges Ziel war, Menschen zu Gott zu bekehren, der Welt das kommende Gericht bekannt zu machen und meine Mitmenschen zu jener Vorbereitung des Herzens zu bewegen, die sie befähigt, ihrem Gott in Frieden zu begegnen. Die große Mehrheit derer, die durch mein Wirken bekehrt wurden, verbanden sich mit den verschiedenen bestehenden Kirchen." (BMM, 328) Da Miller beabsichtigte, bestehende Gemeinden zu erwecken, war man ihm eine Zeit lang wohl gesonnen. Doch als Prediger und religiöse Führer die Adventbotschaft ablehnten und versuchten, jede Diskussion über dieses Thema zu unterdrücken, haben sie die Lehre nicht nur von der Kanzel aus bekämpft, sondern gestatteten ihren Mitgliedern auch nicht mehr, die Vorträge über die Wiederkunft Christi zu besuchen oder bei geselligen Zusammenkünften in ihren Gemeinden über ihre Hoffnung zu sprechen. So sahen sich die Gläubigen großen Schwierigkeiten gegenüber und waren ratlos. Einerseits liebten sie ihre Gemeinden und wollten sich nicht von ihnen trennen. Als sie aber mit ansehen mussten, wie das Zeugnis des Wortes unterdrückt und ihnen das Recht zur Erforschung der Prophetie versagt wurde, erkannten sie, dass es ihnen ihre Treue zu Gott verbot, sich zu fügen. Sie konnten jene, die das Zeugnis des Wortes verwarfen, nicht mehr als die Gemeinde Christi, als einen "Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit" (1. Timotheus 3,15) ansehen. So fühlten sie sich gezwungen, sich von ihren früheren Gemeinden zu trennen. Im Sommer 1844 traten etwa 50.000 Menschen aus ihren Kirchen aus.

Verweltlichung Durch Ablehnung Der Wahrheit

Zu jener Zeit beobachtete man in den meisten Kirchen der Vereinigten Staaten eine auffällige Veränderung. Über Jahre hatte man sich allmählich zunehmend weltlichen Bräuchen und Gewohnheiten angepasst, was einen entsprechenden Niedergang des geistlichen Lebens zur Folge hatte. In jenem Jahr aber gab es in fast allen Kirchen im Land Anzeichen eines plötzlichen und besonders auffälligen Verfalls. Wenn auch niemand den Grund angeben konnte, wurde dieser doch allgemein bemerkt, und man befasste sich von den Kanzeln wie auch in der Presse damit.

An einer Versammlung der Presbyterianer in Philadelphia stellte Albert Barnes, Verfasser eines bekannten Bibelkommentars und Pastor einer der bedeutendsten Gemeinden jener Stadt, fest, "dass er seit 20 Jahren im Dienst sei und dass er, abgesehen von der letzten Feier, das Abendmahl noch nie ausgeteilt habe, ohne mindestens einige Glieder in die Gemeinde aufzunehmen. Aber nun gebe es keine Erweckungen, keine Bekehrungen mehr, auch praktisch kein sichtbares Wachstum in der Gnade unter den Bekennern, und niemand komme in sein Studierzimmer, um mit ihm über sein Seelenheil zu sprechen. Mit der Zunahme des Geschäftsverkehrs und den blühenden Aussichten des Handels und der Industrie gehe eine Zunahme der weltlichen Gesinnung Hand in Hand. So ergeht es zudem allen Kirchen" (CJ, 23. 5.1844).

Im Februar desselben Jahres sagte Professor Charles G. Finney vom Oberlin-College: "Wir müssen erkennen, dass die protestantischen Kirchen unseres Landes im großen Ganzen entweder allen sittlichen Reformen dieses Zeitalters gleichgültig oder sogar feindlich gegenüberstanden. Es gibt zwar einzelne Ausnahmen, doch sie reichen nicht aus, um den allgemeinen Trend zu verändern. Es gibt noch eine andere Tatsache, die dies bestätigt: das fast gänzliche Fehlen von Erweckungen in den Gemeinden. Die geistliche Abgestumpftheit durchdringt beinahe alles und lehrt uns das Fürchten. Das bezeugt die religiöse Presse des ganzen Landes. ... Mit sehr großem Interesse widmen sich die Gemeindeglieder der Mode und gehen Hand in Hand mit den Gottlosen zu Vergnügungen, zum Tanz und zu andern Festlichkeiten. ... Doch wir brauchen nicht weiter über dieses peinliche Thema zu sprechen. Es genügt, dass die Beweise sich mehren und uns schwer bedrücken, dass die Kirchen im Allgemeinen auf traurige Weise entarten. Sie sind sehr weit von dem Herrn entfernt, und er hat sich von ihnen zurückgezogen."

Und ein Autor der Zeitschrift "Religious Telescope" bezeugt: "Wir haben nie einen so allgemeinen Verfall wahrgenommen wie gerade jetzt. Wahrlich, die Kirche sollte aufwachen und die Ursache dieses Notstandes ergründen, denn als eine solche Not muss jeder, der Zion liebt, diesen Zustand ansehen. Wenn wir die wenigen und vereinzeltem Fälle wahrer Bekehrung und die nahezu beispiellose Unbußfertigkeit und Sturheit der Sünder ansehen, rufen wir fast unwillkürlich aus: ›Hat Gott vergessen gnädig zu sein, oder ist die Tür der Barmherzigkeit geschlossen?‹"

Ein solcher Zustand hat immer einen Ursprung in der Gemeinde selbst. Geistliche Finsternis, die Völker, Kirchgemeinden und einzelne Menschen heimsucht, kommt nicht durch einen willkürlichen Entzug der göttlichen Gnade, sondern durch die Vernachlässigung oder Ablehnung göttlichen Lichts durch den Menschen. Ein treffendes Beispiel dieser Wahrheit ist die Geschichte der jüdischen Nation zur Zeit Christi. Die Juden hatten sich der Welt übergeben und Gott und sein Wort vergessen, wodurch ihr Verstand vernebelt und ihre Herzen irdisch und sinnlich wurden. Deshalb wussten sie nichts über die Ankunft des Messias, und in ihrem Stolz und Unglauben verwarfen sie den Erlöser. Nicht einmal dann entzog Gott dem jüdischen Volk die Erkenntnis über oder die Teilhabe an den Segnungen der Erlösung. Wer aber die Wahrheit verwarf, verlor jedes Verlangen nach den Gaben des Himmels. Sie hatten "aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis" gemacht (Jesaja 5,20), bis das Licht, das in ihnen war, Finsternis wurde, "wie groß wird dann die Finsternis sein!" (Matthäus 6,23)

Es passt zu den Absichten Satans, wenn Menschen die Formen der Religion beibehalten, wahre Frömmigkeit aber vermissen lassen. Nachdem die Juden das Evangelium verworfen hatten, hielten sie eifrig an ihren alten Ritualen fest. Sie sonderten sich rigoros nach außen ab, während sie zugeben mussten, dass Gott nicht mehr unter ihnen war. Die Prophezeiung Daniels deutete so unmissverständlich auf die Zeit des Messias hin und sagte so deutlich seinen Tod voraus, dass die Rabbiner vom Studium des Buches Daniel abrieten und schließlich alle verfluchten, die versuchen würden, die Zeit zu berechnen. Jahrhundertelang stand das Volk Israel dem Gnadenangebot der Erlösung gleichgültig, blind und unbußfertig gegenüber und kümmerte sich nicht um die Segnungen des Evangeliums. Das ist eine ernste und schreckliche Warnung vor der Gefahr, das Licht des Himmels zu verwerfen.

Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen. Wer vorsätzlich eine klar erkannte Pflicht bewusst ignoriert, weil sie seinen Neigungen entgegensteht, wird schließlich nicht mehr in der Lage sein, Irrtum von Wahrheit zu unterscheiden. Sein Verstand wird verfinstert, sein Gewissen verhärtet, sein Herz verstockt und seine Seele von Gott getrennt. Wo die Botschaft der göttlichen Wahrheit verschmäht oder verachtet wird, kommt Finsternis über die Gemeinde, Glaube und Liebe erkalten und es schleichen sich Entfremdung und Spaltungen ein. Gemeindeglieder richten ihr Interesse und ihr Bestreben nach weltlichen Dingen aus und Sünder verharren in ihrer Unbußfertigkeit.

Ablehnungen Wie Zur Zeit Jesu

Die erste Engelsbotschaft aus Offenbarung 14, die die Zeit des Gerichts Gottes ankündigt und die Menschen auffordert, Gott zu fürchten und ihn anzubeten, war dazu vorgesehen, das wahre Volk Gottes von den verderblichen Einflüssen der Welt zu trennen und seinen tatsächlichen Zustand der Verweltlichung und des Abfalls zu erkennen. Durch diese Botschaft sandte Gott eine Warnung an die Gemeinde. Hätte die Gemeinde sie beachtet, wären die Missstände beseitigt worden, die sie von Gott trennten. Hätten sie die Botschaft vom Himmel angenommen, ihre Herzen vor dem Herrn gedemütigt und sich ernsthaft darauf vorbereitet, in seiner Gegenwart bestehen zu können, hätten sich der Geist und die Macht Gottes unter ihnen gezeigt. Die Gemeinde hätte abermals den hohen Grad der Einheit, des Glaubens und der Liebe erreicht, den sie in apostolischen Zeiten hatte, als alle Gläubigen "ein Herz und eine Seele" (Apostelgeschichte 4,32) waren und "das Wort Gottes mit Freimut" (Apostelgeschichte 4,31) redeten. "Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden." (Apostelgeschichte 2,47)

Wenn das Volk, das sich zu Gott bekennt, das Licht so annähme, wie es aus dem Wort scheint, würde es die Einheit, um die Christus betete und die der Apostel mit "Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens" beschreibt, erreichen. Dadurch entsteht, wie er sagt, "ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe" (Epheser 4,3-5).

Solche Segnungen erfuhren die, welche die Adventbotschaft annahmen. Sie kamen aus verschiedenen Glaubensgemeinschaften, aber konfessionelle Schranken waren bald niedergerissen, widersprechende Glaubensbekenntnisse verschwanden, die unbiblische Hoffnung eines tausendjährigen Friedensreichs auf Erden und falsche Ansichten über die Wiederkunft wurden berichtigt, Stolz und weltliches Gehabe hinweggefegt und Ungerechtigkeit beseitigt. Herzen vereinten sich in inniger Gemeinschaft, Liebe und Freude traten an die erste Stelle. Was diese Lehre für die wenigen vollbracht hat, die sie annahmen, hätte sie für alle erreichen können, wenn sie angenommen worden wäre.

Die einzelnen Glaubensgemeinschaften missachteten aber diese Warnung. Ihre Prediger, die als Wächter "über das Haus Israel" die Zeichen der Wiederkunft Jesu als Erste hätten erkennen müssen, versäumten es, die Wahrheit entweder aus dem Zeugnis der Propheten oder an den Zeichen der Zeit zu erkennen. Da weltliche Hoffnungen und Ehrgeiz ihr Herz erfüllten, erkalteten zugleich ihre Liebe zu Gott und ihr Glaube an sein Wort. Als ihnen die Lehre über die Wiederkunft verkündigt wurde, weckte sie in ihnen nur Vorurteile und Unglauben. Dass die Botschaft größtenteils durch Laien verkündigt wurde, war für sie ein Gegenargument. Wie in früheren Zeiten wurde dem deutlichen Zeugnis Gottes mit der Frage begegnet: "Glaubt denn einer von den Oberen oder Pharisäern an ihn?" (Johannes 7,48) Als man herausfand, wie schwierig es war, die Argumente aus den prophetischen Zeitangaben zu widerlegen, rieten viele vom Studium der Prophezeiungen ab und erklärten, die prophetischen Bücher seien versiegelt und könnten nicht verstanden werden. Viele vertrauten den Pastoren blind und lehnten es ab, den Warnungen zuzuhören. Andere waren von der Wahrheit überzeugt, wagten aber nicht, sich dazu zu bekennen, "um nicht aus der Synagoge ausgestoßen zu werden" (Johannes 12,42). Die Botschaft, die Gott der Gemeinde als Prüfung und Läuterung gesandt hatte, offenbarte nur allzu deutlich, welch große Anzahl ihr Herz der Welt statt Christus zugewandt hatte. Ihre Verbindung zur Welt war stärker als die zum Himmel. Sie entschieden sich, auf die Stimme der weltlichen Weisheit zu hören und kehrten sich von der Botschaft der Wahrheit ab, die den Zustand ihres Herzens aufdeckte.

Als sie die Warnung des ersten Engels zurückwiesen, lehnten sie das Mittel ab, das der Himmel für ihre geistliche Erneuerung vorgesehen hatte. Sie verachteten den Botschafter der Gnade, der die Missstände hätte beseitigen können, die sie von Gott trennten, und mit noch größerem Eifer suchten sie die Freundschaft der Welt. Hier lag die Ursache dieses bedenklichen Zustands der Verweltlichung, des Abfalls und des geistlichen Todes, wie er in den Kirchen 1844 vorherrschte.

Babylon Ist Gefallen

In Offenbarung 14 folgte ein zweiter Engel auf den ersten, der rief: "Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon59, die große Stadt; denn sie hat mit dem Zorneswein ihrer Hurerei getränkt alle Völker." (Offenbarung 14,8) Der Name "Babylon" geht auf die Kurzform "Babel" zurück und bedeutet Verwirrung. In der Heiligen Schrift wird diese Bezeichnung für die verschiedenen Formen falscher oder abgefallener Religionen verwendet. In Offenbarung 17 wird Babylon als eine Frau dargestellt, ein Bild, das in der Bibel symbolisch für eine Gemeinde verwendet wird, wobei eine tugendhafte Frau eine reine Gemeinde darstellt, eine liederliche Frau hingegen eine abtrünnige Kirche.

In der Bibel wird die heilige und beständige Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde mit der Verbindung zweier Menschen in der Ehe dargestellt. Durch einen feierlichen Bund hat der Herr sein Volk an sich gebunden. Er versprach ihm, sein Gott zu sein, und sein Volk gelobte, ihm allein zu gehören. Er sagt: "Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit, ich will mich mit dir verloben in Gerechtigkeit und Recht, in Gnade und Barmherzigkeit." (Hosea 2,21) Und abermals: Ich "will euch bringen nach Zion." (Jeremia 3,14) Paulus benutzt dieselbe Redewendung im Neuen Testament, wenn er sagt: "Ich habe euch verlobt mit einem einzigen Mann, damit ich Christus eine reine Jungfrau zuführte." (2. Korinther 11,2)

Die Untreue der Gemeinde Christi, dass sie ihr Vertrauen und ihre Liebe von ihm abwandte und der Liebe zu weltlichen Dingen Raum gab, wird mit der Verletzung eines Ehegelübdes verglichen. Die Sünde Israels, die darin bestand, sich von seinem Herrn abzuwenden, wird unter diesem Bild dargestellt, und die großartige Liebe Gottes, die auf eine solche Weise verachtet wurde, wird im folgenden Text eindrucksvoll geschildert: "Und ich schwor dir's und schloss mit dir einen Bund, spricht Gott, der Herr, dass du solltest mein sein." (Hesekiel 16,8) Du "wurdest überaus schön und kamst zu königlichen Ehren. Und dein Ruhm erscholl unter den Völkern deiner Schönheit wegen, die vollkommen war durch den Schmuck, den ich dir angelegt hatte, spricht Gott, der Herr. Aber du verließest dich auf deine Schönheit. Und weil du so gerühmt wurdest, triebst du Hurerei." (Hesekiel 16,13-15) "Aber das Haus Israel hat mir nicht die Treue gehalten, gleichwie eine Frau wegen ihres Liebhabers nicht die Treue hält, spricht der Herr." (Jeremia 3,20) "Du Ehebrecherin, die du dir Fremde anstelle deines Mannes nimmst!" (Hesekiel 16,32)

Das Neue Testament wandte sich mit ähnlichen Worten an bekennende Christen, welche die Freundschaft zur Welt mehr begehrten als die Gunst Gottes. Der Apostel Jakobus sagt: "Ihr Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes." (Jakobus 4,4 Elb.)

In Offenbarung 17 wird Babylon als Frau dargestellt, die "in Purpur und Scharlach [gekleidet war] und geschmückt mit Gold, Edelsteinen und Perlen, und in der Hand hielt sie einen goldenen Becher - der war voll von Abscheulichkeiten und dem Unrat ihrer Unzucht. Und auf ihre Stirn war ein Name geschrieben, ein Geheimnis: Babylon die Große, Mutter der Huren und Gräuel der Erde. Und ich sah diese Frau, trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu. Und bei ihrem Anblick geriet ich in großes Staunen" (Offenbarung 17,4-6 ZÜ). Von Babylon wird ferner gesagt, sie sei "die große Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige auf Erden" (Offenbarung 17,18). Die Macht, die jahrhundertelang einen machthaberischen Einfluss auf christliche Monarchen ausgeübt hatte, war Rom. Purpur und Scharlachfarbe, Gold, kostbare Steine und Perlen zeigen in anschaulicher Weise die Pracht und den mehr als königlichen Prunk des anmaßenden Bischofssitzes in Rom. Keine andere Macht konnte so treffend als "betrunken ... vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu" (Offenbarung 17,6) bezeichnet werden. Babylon wird auch der Sünde einer gesetzeswidrigen Verbindung mit "den Königen auf Erden" (Offenbarung 17,2) angeklagt. Die jüdische Gemeinde wurde durch ihre Abkehr vom Herrn und ihre Verbindung zu den Heiden zur Hure. Rom brachte sich in gleicher Weise ins Verderben, indem es die Unterstützung weltlicher Mächte suchte. Damit fiel es unter dasselbe Urteil wie einst Israel und Juda.

Babylons Töchter

Babylon wird als "die Mutter der Huren" bezeichnet. Ihre "Töchter" müssen symbolisch gesprochen jene Kirchen sein, die an den Lehren und Traditionen Babylons festhalten. Auch folgen sie ihrem Beispiel, wenn sie die Wahrheit und die Anerkennung bei Gott opfern, um eine unheilige Allianz mit der Welt einzugehen. Die Botschaft von Offenbarung 14 verkündigt den Fall Babylons, der auch auf religiöse Gemeinschaften angewandt werden muss, die einmal rein waren und sich später befleckten. Da dieser Botschaft die Warnung vor dem Gericht vorausgeht, muss sie in den letzten Tagen verkündet werden. Sie kann sich deshalb nicht nur auf die römische Kirche beziehen, denn diese Kirche ist schon seit Jahrhunderten in einem gefallenen Zustand. Darüber hinaus wird das Volk Gottes in Offenbarung 18 aufgefordert, Babylon zu verlassen (V. 4). Nach diesem Text müssen noch viele aus Gottes Volk in Babylon sein. In welchen religiösen Gemeinschaften ist der größere Teil der Nachfolger Christi zu finden? Zweifellos in den verschiedenen Kirchen, die sich zum evangelischen Glauben bekennen. Als diese Kirchen aufkamen, nahmen sie eine ehrbare Haltung für Gott und seine Wahrheit ein, deshalb waren sie gesegnet. Sogar die ungläubige Welt musste zugeben, dass die Annahme der Prinzipien des Evangeliums segensreiche Ergebnisse zur Folge hatte, wie der Prophet zu Israel sagte: "Dein Ruhm erscholl unter den Völkern deiner Schönheit wegen, die vollkommen war durch den Schmuck, den ich dir angelegt hatte, spricht Gott der Herr." (Hesekiel 16,14) Aber dasselbe Verlangen, das Israel Fluch und Ruin gebracht hatte, wurde nun auch ihnen zum Verhängnis. Es war der Wunsch, die Lebensgewohnheiten der gottlosen Menschen zu übernehmen und das Verlangen, ihre Freunde zu werden. "Du verließest dich auf deine Schönheit. Und weil du so gerühmt wurdest, triebst du Hurerei und botest dich jedem an, der vorüberging, und warst ihm zu Willen." (Hesekiel 16,15)

Viele protestantische Kirchen folgten dem Beispiel Roms und gingen eine ehrlose Verbindung mit "den Königen auf Erden" ein - die Staatskirchen durch ihre Beziehungen zu weltlichen Behörden und andere Gemeinschaften, indem sie um die Gunst der Welt warben. Der Ausdruck "Babylon" - Verwirrung - kann zu Recht auf diese Kirchen angewandt werden, die alle behaupten, ihre Lehren der Bibel zu entnehmen, und doch sind sie in zahllose Sekten mit verschiedenen weit auseinandergehenden Bekenntnissen und Theorien zersplittert.

Neben einer sündhaften Verbindung mit der Welt weisen Kirchen, die sich von Rom getrennt haben, noch andere Merkmale Roms auf.

Ein römisch-katholischer Autor behauptet: "Falls die römische Kirche sich in der Verehrung der Heiligen je der Abgötterei schuldig machte, so steht ihre Tochter, die anglikanische Kirche, ihr nicht nach; denn sie hat zehn Kirchen, die der Jungfrau Maria gewidmet sind, gegenüber einer, die Christus geweiht ist." (CCCI, 21/22, Vorwort)

Dr. Samuel Hopkins macht in "A Treatise on the Millennium" [Eine Abhandlung über das Tausendjährige Reich] folgende Aussage: "Wir haben keinen Grund, den antichristlichen Geist und seine Gebräuche darauf zu beschränken, was heute die römische Kirche genannt wird. Die protestantischen Kirchen tragen viel von dem Antichristen in sich und sind weit davon entfernt, völlig reformiert zu sein ... von Verderbtheit und Gottlosigkeit." (HW, II, 328) Über die Trennung der presbyterianischen Kirche von Rom schreibt Dr. Thomas Guthrie: "Vor 300 Jahren verließ unsere Kirche mit einer offenen Bibel auf ihrer Fahne und dem Wahlspruch ›Erforschet die Schrift‹ auf ihrer Urkunde die Tore Roms." Dann stellt er die bedeutungsvolle Frage: "Aber kam sie wirklich rein aus Babylon hervor?" (GGE, 237)

Charles H. Spurgeon sagte: "Die anglikanische Kirche scheint ganz und gar durchsäuert zu sein von der Lehre, dass das Heil in den Sakramenten liege; aber die sich von dieser Kirche getrennt haben, sind gleichermaßen von philosophischem Unglauben durchdrungen. Auch die, von denen wir bessere Dinge erwartet hätten, wenden sich, eine nach der andern, von den Grundsätzen des Glaubens ab. Das innerste Herz Englands ist, glaube ich, ganz durchlöchert von einem verderblichen Unglauben, der es immer noch wagt, auf die Kanzel zu steigen und sich christlich zu nennen."

Anpassung - Die Ursache Des Abfalls

Was war der Anfang des großen Abfalls? Wie kam es dazu, dass die Kirche von der Einfachheit des Evangeliums abwich? Sie passte sich den Bräuchen des Heidentums an, um den Heiden die Annahme des Christentums zu erleichtern. Der Apostel Paulus erklärte schon in seinen Tagen: "Es regt sich schon das Geheimnis der Bosheit." (2. Thessalonicher 2,7) Solange die Apostel lebten, blieb die Gemeinde verhältnismäßig rein. Doch "gegen Ende des 2. Jahrhunderts veränderten sich die meisten Gemeinden. Als die alten Jünger gestorben waren, schwand unter ihren Kindern und den Neubekehrten die frühere Einfachheit ... und nahm kaum merkbar neue Formen an" (RER, VI, § 17, 51). Um Leute leichter zum Christentum zu bekehren, wurden die hohen Ansprüche gesenkt, und man erzeugte dadurch "eine heidnische Flut, die in die Kirche hineinströmte, die ihre Gewohnheiten, Bräuche und Götzen mitbrachte" (GL, 278). Da die christliche Religion die Gunst und Unterstützung weltlicher Herrscher anstrebte, wurde sie vordergründig durch Scharen von Menschen akzeptiert. Doch weil viele nur dem Schein nach Christen wurden, "blieben sie im Wesentlichen Heiden und beteten insgeheim ihre Götzen weiterhin an" (GL, 278).

Hat sich dieser Vorgang nicht fast in jeder Kirche, die sich protestantisch nennt, wiederholt? Nach dem Ableben der Gemeindegründer, die noch den wahren Geist der Erneuerung hatten, übernahmen ihre Nachfolger die Führung und entwarfen ein neues Erscheinungsbild. Während sie einerseits blind an den Glaubensbekenntnissen ihrer Väter festhielten und sich jeder neuen Wahrheit verweigerten, die diese noch nicht erkannt hatten, wichen diese Kinder der Reformatoren andererseits weitgehend von der Demut, Selbstverleugnung und dem Verzicht auf das Weltliche ab. So verschwand die ursprüngliche Einfachheit. Eine Welle der Weltlichkeit mit ihren Gewohnheiten, Bräuchen und Götzen überschwemmte die Kirche.

Ach, wie sehr wird diese "Freundschaft mit der Welt", die aber "Feindschaft mit Gott ist" (Jakobus 4,4) unter den bekennenden Nachfolgern Christi gepflegt! Wie weit haben sich die großen Kirchen überall im Christentum vom biblischen Stand der Demut, Selbstverleugnung, Einfachheit und Gottesfurcht entfernt! John Wesley sagte einmal, als er von dem richtigen Gebrauch des Geldes sprach: "Verschwendet keinen Teil einer so köstlichen Gabe für die bloße Befriedigung der Augenlust durch überflüssige oder kostspielige Kleidung oder unnötigen Putz. Verschwendet keinen Teil für die kunstvolle Ausschmückung eurer Häuser, für überflüssige oder teure Einrichtungen, für kostbare Bilder, Gemälde, Vergoldungen. ... Gebt nichts aus, um ein hoffärtiges Leben zu führen, um die Bewunderung oder das Lob der Menschen zu gewinnen. ... ›Solange es dir wohl geht, wird man Gutes von dir reden.‹ Solange du dich ›kleidest mit Purpur und köstlicher Leinwand‹ und ›alle Tage herrlich und in Freuden lebst‹, werden viele ohne Zweifel deinen erlesenen Geschmack, deine Freigebigkeit und Gastfreundschaft loben. Erkaufe aber ihren Beifall nicht so teuer; begnüge dich lieber mit der Ehre, die von Gott kommt." (WW, Sermon 50) In vielen Kirchen werden jedoch heutzutage solche Lehren verachtet.

Einer Kirche anzugehören war in der Welt populär geworden. Regierende, Politiker, Juristen, Ärzte, Kaufleute wurden zu Kirchenmitgliedern, um sich dadurch Achtung und Vertrauen in der Gesellschaft zu erwerben und um ihre eigenen weltlichen Interessen zu fördern. So versuchten sie, ihre unredlichen Geschäfte unter einem christlichen Mantel zu verbergen. Die verschiedenen religiösen Gemeinschaften, gestärkt durch den Reichtum und den Einfluss dieser getauften Weltmenschen, gewannen dadurch eine noch größere Popularität und Gunst. Prächtige Kirchen wurden an belebten Straßen gebaut und auf die verschwenderischste Weise ausgeschmückt. Kirchgänger trugen kostbare und nach neuester Mode gefertigte Kleidung. Ein begabter Prediger, der Menschen fesseln und unterhalten konnte, wurde gut bezahlt. Seine Predigten durften weit verbreitete Sünden nicht ansprechen; sie sollten "zeitgemäß" und dem modernen Ohr angepasst sein. Moderne Sünder wurden in Kirchenregister eingetragen und "Modesünden" mit dem Deckmantel der Frömmigkeit zugedeckt.

Eine führende amerikanische Zeitung, die sich mit der Haltung der bekennenden Christen im 19. Jahrhundert beschäftigt, schrieb: "Allmählich hat sich die Kirche dem Zeitgeist ergeben und ihre gottesdienstlichen Formen den modernen Bedürfnissen angepasst. ... Tatsächlich benutzt die Kirche heute alles, was hilft, die Religion anziehend zu machen." Ein Schreiber im New Yorker "Independent" sagt über den Methodismus: "Die Trennungslinie zwischen den Gottesfürchtigen und den Gottlosen verblasst zu einem Halbschatten, und auf beiden Seiten sind eifrige Menschen bemüht, alle Unterschiede zwischen ihrer Handlungsweise und ihren Vergnügungen zu verwischen. ... Die Volkstümlichkeit der Religion trägt ungeheuer viel dazu bei, die Zahl derer zu vermehren, die sich ihre Segnungen verschaffen möchten, ohne redlich ihren Pflichten nachzukommen."

Howard Crosby sagt: "Es ist eine sehr ernste Sache, dass Christi Kirche so wenig den Absichten ihres Herrn nachkommt. Wie die Juden vor alters durch ein freundschaftliches Verhältnis zu Götzendienern ihre Herzen von Gott abwandten . so verlässt die heutige Kirche Christi durch ihre falsche Partnerschaft mit der ungläubigen Welt die göttlichen Richtlinien ihres wahren Lebens und gibt sich den verderblichen, wenngleich oft scheinbar folgerichtigen Gewohnheiten einer unchristlichen Gesellschaft hin, benutzt Argumente und kommt zu Schlussfolgerungen, die den Offenbarungen Gottes fremd und dem Wachstum in der Gnade entgegenstehen." (CHC, 141/142)

Der Verlust Christlicher Werte

In dieser Flut von Weltlichkeit und Vergnügungssucht gehen Selbstverleugnung und Selbstaufopferung um Christi willen fast vollständig verloren. "Manche Männer und Frauen, die sich jetzt in unseren Kirchen rege betätigen, wurden als Kinder dazu angehalten, Opfer zu bringen, damit sie imstande wären, für Christus etwas zu geben oder zu tun. . Doch falls es nun an Mitteln fehlt . darf niemand aufgefordert werden, etwas zu geben. O nein, haltet einen Basar ab, veranstaltet ein Theaterstück, ein Scheinverhör, ein altertümliches Abendessen oder eine Mahlzeit - irgendetwas, was das Volk belustigt."

Gouverneur Washburn von Wisconsin erklärte in seiner Jahresbotschaft vom 9. Januar 1873: "Es scheint notwendig zu werden, Gesetze zu erlassen, um Schulen schließen zu können, die geradezu spielsüchtige Mensehen heranzüchten. Man findet sie überall. Selbst die Kirche (ohne Zweifel unwissentlich) wird manchmal dabei ertappt, dass sie des Teufels Werk ausführt. Wohltätigkeitskonzerte, Geschenkveranstaltungen, Verlosungen, oft für religiöse und Wohltätigkeitszwecke, häufig aber auch, um weit geringeren Absichten zu dienen, werden veranstaltet; Lotterien, Verlosungen usw. erfüllen den Zweck, Geld zu bekommen, ohne den entsprechenden Wert dafür zu geben. Nichts ist so demoralisierend oder berauschend, besonders für die Jugend, als der Gewinn von Geld oder Gut, ohne dafür zu arbeiten. Wenn sich achtbare Personen mit derartigen Glücksunternehmen befassen und ihr Gewissen damit beruhigen, dass das Geld für einen guten Zweck verwendet werde, dann ist es nicht verwunderlich, dass die Jugend dieses Landes so oft in Gewohnheiten verfällt, die durch die Spannung bei Glücksspielen regelmäßig hervorgerufen wird."

Der Geist der Anpassung an die Welt durchdringt die christlichen Kirchen. Während einer Predigt in London malte Robert Atkins ein dunkles Bild vom geistlichen Zerfall, der in England vorherrscht: "Die wahrhaft Gerechten auf Erden verschwinden von der Erde und niemand nimmt es zu Herzen. Die heutigen Bekenner der Religion in jeder Kirche lieben die Welt, passen sich ihr an, trachten nach persönlicher Bequemlichkeit und streben nach Ansehen. Sie sind berufen, mit Christus zu leiden, aber sie schrecken schon vor einem Schmähwort zurück. ... Abfall, Abfall, Abfall!, steht an der Front jeder Kirche geschrieben, und wüssten sie es nur und könnten sie es fühlen, so gäbe es noch Hoffnung; doch ach, sie rufen: ›Wir sind reich und haben genug und brauchen nichts‹." (ASAL, Traktat Nr. 39)

Dies ist die große Sünde, die Babylon zur Last gelegt wird, durch den "Wein ihrer Hurerei wurden die Bewohner der Erde betrunken". (Offenbarung 17,2) Das berauschende Getränk, das sie der Welt anbietet, sind die falschen Lehren, die Babylon als Folge der ungesetzlichen Verbindung mit den Großen dieser Welt angenommen hat. Die Freundschaft mit der Welt verdirbt ihren Glauben. Und nun übt Babylon durch die Verbreitung von Lehren, die den klaren Aussagen der Heiligen Schrift widersprechen, ihrerseits einen verderblichen Einfluss auf die Welt aus.

Rom entzog dem Volk die Bibel und verlangte von den Menschen, die eigenen Lehren anzunehmen. Die Reformation ermöglichte es, dass die Menschheit das Wort Gottes zurück erhielt. Doch ist es nicht allzu wahr, dass die Gläubigen in unserer Zeit von ihren Kirchen mehr auf Glaubensbekenntnisse eingeschworen werden als auf die Lehren der Heiligen Schrift? Charles Beecher sagt über die protestantischen Kirchen: "Sie schrecken vor jedem rauen Wort gegen die Glaubensbekenntnisse mit der gleichen Empfindlichkeit zurück, mit der jene heiligen Väter sich über irgendein hartes Wort, das der aufkommenden Verehrung der Heiligen und Märtyrer gegolten hätte, entsetzt haben würden. ... Die protestantischen evangelikalen Gemeinschaften haben sich gegenseitig die Hände so gebunden, dass unter ihnen allen niemand Prediger werden kann, ohne das eine oder andere Buch außerhalb der Bibel anzunehmen. ... Es ist keine Einbildung, wenn man sagt, dass die Macht der Glaubensbekenntnisse anfängt, die Bibel ebenso zu verbieten, wie Rom dies wirklich getan hat, wenn auch auf eine listigere Weise." (BBSC)

Letzte Warnung An Die Gläubigen

Wenn treue Lehrer das Wort Gottes auslegen, treten oft gelehrte Theologen oder Prediger auf, die behaupten, die Schrift zu verstehen. Sie verunglimpfen gesunde Lehren als Ketzereien und halten so Suchende von der Wahrheit ab. Wäre die Welt nicht hoffnungslos betrunken von dem Wein Babylons, könnten viele durch die klaren und gut verständlichen Wahrheiten überzeugt und bekehrt werden. Der Glaube erscheint aber so verwirrend und widersprüchlich, dass die Menschen nicht wissen, was sie als Wahrheit annehmen sollen. Die Schuld an der Unbußfertigkeit der Welt lastet auf der Kirche.

Im Sommer 1844 wurde die zweite Engelsbotschaft aus Offenbarung 14 zum ersten Mal gepredigt und fand damals unmittelbare Anwendung auf die Kirchen der Vereinigten Staaten, in denen die Warnung des Gerichts am weitesten verkündigt und zugleich am deutlichsten verworfen wurde und der Abfall am schnellsten um sich griff. Die zweite Engelsbotschaft erfüllte sich 1844 nicht vollständig. Als Folge der Ablehnung des Lichts der Adventbotschaft erlebten die Kirchen damals einen Sittenzerfall, der aber noch nicht vollständig war. Da sie die besonderen Wahrheiten für jene Zeit weiterhin verwarfen, fielen sie immer tiefer. Bis jetzt kann allerdings noch nicht gesagt werden, dass Babylon gefallen sei, denn sie hat noch nicht alle "Bewohner der Erde" mit dem "Wein ihrer Hurerei betrunken" gemacht. Weltlichkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den wichtigen Wahrheiten für unsere Zeit existiert und gewinnt in den Gemeinden der protestantischen Kirchen in allen Ländern der christlichen Welt immer mehr an Boden. Diese Kirchen schließt der zweite Engel in seine feierliche wie auch schreckliche Beschuldigung ein. Doch der Abfall hat seinen Höhepunkt noch nicht erreicht.

Die Heilige Schrift erklärt, dass Satan vor der Wiederkunft des Herrn "mit großer Kraft und lügenhaften Zeichen und Wundern und mit jeglicher Verführung zur Ungerechtigkeit" wirken wird, und dass die, welche "die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, dass sie gerettet würden", kräftige Irrtümer empfangen werden, "sodass sie der Lüge glauben" (2. Thessalonicher 2,9-11). Erst wenn dieser Zustand erreicht und die Vereinigung der Kirchen mit der Welt in der ganzen Christenheit abgeschlossen ist, wird der Fall Babylons vollständig sein. Dieser Prozess geht schrittweise voran, und die Erfüllung von Offenbarung 14,8 liegt noch in der Zukunft.

Ungeachtet ihrer geistlichen Finsternis und Entfremdung von Gott befinden sich in den Kirchen, die Babylon ausmachen, noch treue Nachfolger Christi. Viele unter ihnen haben noch nie von den besonderen Wahrheiten für unsere Zeit gehört. Nicht wenige sind mit ihrem gegenwärtigen Zustand unzufrieden und sehnen sich nach klarerem Licht. Vergebens suchen sie nach dem Ebenbild Christi in den Kirchen, zu denen sie gehören. Je weiter sich ihre Gemeinden von der Wahrheit entfernen und je enger sich diese mit der Welt verbinden, desto größer wird der Unterschied zwischen den beiden Gruppen, was letztlich zur Trennung führt. Es wird die Zeit kommen, wenn diejenigen, die Gott über alles lieben, nicht mehr länger mit solchen Menschen in Verbindung bleiben können, die "das Vergnügen mehr [lieben] als Gott; dabei haben sie den äußeren Schein von Gottesfurcht, deren Kraft aber verleugnen sie" (2. Timotheus 3,4.5 Schl.).

Offenbarung 18 weist auf die Zeit hin, in der die Kirchen, weil sie die Warnung der dreifachen Engelsbotschaft aus Offenbarung 14,6-12 ablehnten, den Zustand erreicht haben werden, den der zweite Engel prophezeit hat. Dann wird Gottes Volk, das noch in Babylon ist, aufgefordert werden, sich von dieser Bindung zu lösen. Dies wird die letzte Botschaft sein, die an die Welt gerichtet wird, und sie wird ihre Aufgabe erfüllen. Wenn diejenigen, die "der Wahrheit nicht glaubten, sondern Lust hatten an der Ungerechtigkeit" (2. Thessalonicher 2,12), ihren Wahnvorstellungen überlassen bleiben und der Lüge glauben, wird das Licht der Wahrheit in die Herzen derer scheinen, die offen sind, es zu empfangen, und alle Kinder Gottes, die noch in Babylon sind, werden dem Ruf folgen: "Geht hinaus aus ihr, mein Volk!" (Offenbarung 18,4)