Vom Schatten Zum Licht

Kapitel 28

Das Unter-Suchungsgericht

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"Ich sah", sagt der Prophet Daniel, "wie Throne aufgestellt wurden,und einer, der uralt war, setzte sich. Sein Kleid war weiß wie Schnee und das Haar auf seinem Haupt rein wie Wolle; Feuerflammen waren sein Thron und dessen Räder loderndes Feuer. Und von ihm ging aus ein langer feuriger Strahl. Tausendmal Tausende dienten ihm, und zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht wurde gehalten, und die Bücher wurden aufgetan." (Daniel 7,9.10)

So wurde dem Propheten in einem Gesicht dieser großartige und ernste Tag gezeigt, an dem vor dem großen Richter der Welt Leben und Persönlichkeit eines jeden Menschen vorüberziehen und jedem Menschen gegeben "wird nach seinen Werken" (Römer 2,6). Der Uralte ist Gott der Vater. Der Psalmist sagt: "Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit." (Psalm 90,2) Der große Schöpfer aller Wesen, der Verfasser aller Gesetze wird bei diesem Gericht den Vorsitz haben. Heilige Engel, "tausendmal Tausende ... und zehntausendmal Zehntausende" (Daniel 7,10), werden als Diener und Zeugen diesem großen Gericht beiwohnen.

"Und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende." (Daniel 7,13.14) Hierbei handelt es sich nicht um die Wiederkunft Christi. Am Ende seines Vermittlerdienstes erscheint Christus im Himmel vor "dem, der uralt" ist (Daniel 7,13), um seine Herrschaft, seine Ehre und sein Reich zu empfangen. Dieses Kommen, und nicht die Wiederkunft Christi zur Erde, wurde in der Prophezeiung der 2300 Tage vorhergesagt, die 1844 endeten. In Begleitung himmlischer Engel betrat unser großer Hoherpriester das Allerheiligste und erscheint jetzt in der Gegenwart Gottes, um seinen letzten Dienst für die Menschen zu leisten. Er führt das Untersuchungsgericht durch, um die Verdienste seiner Versöhnung all jenen zukommen zu lassen, die sich ihrer würdig erweisen.

Die Bucher Im Himmel

Am Schattendienst des irdischen Heiligtums konnten nur die am Großen Versöhnungstag teilnehmen, die ihre Sünden vor Gott bekannt und bereut hatten und deren Sünden durch das Blut des Sündopfers auf das Heiligtum übertragen worden waren. Am großen Tag der endgültigen Versöhnung und beim Untersuchungsgericht werden nur die Fälle derjenigen Menschen behandelt, die sich zum Volk Gottes bekennen. Das Gericht über die Gottlosen ist eine bestimmte und besondere Angelegenheit und findet zu einem späteren Zeitpunkt statt. "Denn die Zeit ist da, dass das Gericht anfängt an dem Hause Gottes. Wenn aber zuerst an uns, was wird es für ein Ende nehmen mit denen, die dem Evangelium Gottes nicht glauben?" (1. Petrus 4,17)

Die Bücher, die im Himmel geführt wurden, in denen die Namen und Taten der Menschen aufgeschrieben sind, bestimmen die Entscheidungen in diesem Gericht. Der Prophet Daniel sagt: "Das Gericht wurde gehalten, und die Bücher wurden aufgetan." (Daniel 7,10) Der Schreiber der Offenbarung fügt bei der Schilderung desselben Vorgangs hinzu: "Und ein andres Buch wurde aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach ihren Werken." (Offenbarung 20,12)

Im Buch des Lebens stehen die Namen aller, die jemals in den Dienst Gottes traten. Jesus bat seine Jünger: "Freut euch ... dass eure Namen im Himmel geschrieben sind." (Lukas 10,20) Paulus spricht von seinen getreuen Mitarbeitern, "deren Namen im Buch des Lebens stehen" (Philipper 4,3). Mit Blick auf "eine Zeit so großer Trübsal ... wie sie nie gewesen ist", erklärte Daniel, dass Gottes Volk errettet werden soll, und zwar "alle, die im Buch geschrieben stehen" (Daniel 12,1). In der Offenbarung heißt es, dass nur solche Menschen die Stadt Gottes betreten dürfen, deren Namen "geschrieben stehen in dem Lebensbuch des Lammes" (Offenbarung 21,27).

"Ein Gedenkbuch" wird vom Herrn geschrieben "für die, welche den Herrn fürchten und an seinen Namen gedenken" (Maleachi 3,16). Ihre Worte des Glaubens, ihre Taten der Liebe sind im Himmel aufgeschrieben. Nehemia bezieht sich darauf, wenn er sagt: "Gedenke, mein Gott, um dessentwillen an mich und lösche nicht aus, was ich in Treue am Hause meines Gottes und für den Dienst in ihm getan habe!" (Nehemia 13,14) Im Gedenkbuch Gottes ist jede gerechte Tat verewigt. Jede überwundene Versuchung, jede bezwungene Bosheit, jedes Wort empfindsamen Mitleids ist dort getreulich vermerkt. Jede Tat der Aufopferung, jeder erlittene Schmerz, jeder ertragene Kummer um Christi willen ist dort eingetragen. Der Psalmist sagt: "Zähle die Tage meiner Flucht, sammle meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie." (Psalm 56,9)

Dort sind aber auch sämtliche Sünden der Menschen verzeichnet. "Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was verborgen ist, es sei gut oder böse." (Prediger 12,14) Der Erlöser sagte, "dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden" (Matthäus 12,36.37). Die schlechten Absichten und Beweggründe sind in einem lückenlosen Verzeichnis vermerkt, denn Gott wird zeigen, "was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen" (1. Korinther 4,5). "Siehe, es steht vor mir geschrieben ... beides, ihre Missetaten und ihrer Väter Missetaten miteinander, spricht der Herr." (Jesaja 65,6.7)

Jede Tat eines Menschen geht an dem Auge Gottes vorbei und wird entweder als Tat der Treue oder der Untreue eingetragen. Neben jedem Namen ist in den Büchern des Himmels jedes schlechte Wort, jede selbstsüchtige Tat, jede unerfüllte Pflicht, jede heimliche Sünde und jede geschickte Heuchelei mit unbestechlicher Genauigkeit aufgezeichnet. Unbeachtete Warnungen und vernachlässigter Tadel des Himmels, vergeudete Zeit, unbenutzte Gelegenheiten, Einfluss zum Bösen oder zum Guten mit seinen weit reichenden Folgen, alles wird durch Engel aufgezeichnet.

Das Gesetz Gottes ist die Norm, nach der das Leben und die Persönlichkeit eines Menschen im Gericht gemessen werden. Der weise Mann sprach: "Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das gilt für alle Menschen. Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was verborgen ist, es sei gut oder böse." (Prediger 12,13.14) Und der Apostel Jakobus ermahnte seine Brüder: "Redet so und handelt so wie Leute, die durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen." (Jakobus 2,12)

Christus Unser Fürsprecher

Wer im Gericht für würdig befunden wird, wird an der Auferstehung der Gerechten teilhaben. Jesus sagte: "Welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten . sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, weil sie Kinder der Auferstehung sind." (Lukas 20,35.36) Und weiter erklärt er: "Und werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens." (Johannes 5,29) Die gerechten Toten werden erst nach dem Gericht auferweckt, das sie der "Auferstehung des Lebens" für würdig befunden hat. Sie werden also bei Gericht nicht persönlich anwesend sein, wenn ihr Leben untersucht und über sie entschieden wird.

Jesus wird als ihr Verteidiger auftreten und vor Gott für sie Fürbitte einlegen. "Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist." (1. Johannes 2,1) "Denn Christus ist nicht eingegangen in das Heiligtum, das mit Händen gemacht und nur ein Abbild des wahren Heiligtums ist, sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen." (Hebräer 9,24) "Daher kann er auch für immer selig machen, die durch ihn zu Gott kommen; denn er lebt für immer und bittet für sie." (Hebräer 7,25)

Wenn in diesem Gericht die Bücher aufgeschlagen werden, wird das Leben eines jeden, der an Jesus geglaubt hat, vor Gott untersucht. Unser Fürsprecher beginnt mit denen, die zuerst auf Erden lebten, kommt dann zu jeder der folgenden Generationen und schließt mit den Lebenden ab. Jeder Name wird erwähnt, jeder Fall genau untersucht. Namen werden angenommen, Namen werden verworfen. Werden in den Büchern von irgendjemandem Sünden gefunden, die weder bereut noch vergeben wurden, wird sein Name aus dem Buch des Lebens entfernt und seine guten Taten aus dem Gedächtnisbuch Gottes gestrichen. Der Herr erklärte Mose: "Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt." (2. Mose 32,33) Und der Prophet Hesekiel sagt: "Wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht ... sollte der am Leben bleiben? An alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden." (Hesekiel 18,24)

Alle Menschen, die ihre Sünde wirklich bereut und im Glauben das Blut Jesu als versöhnendes Opfer angenommen haben, erhalten im Buch des Himmels neben ihrem Namen den Eintrag "vergeben". Da sie nun an der Gerechtigkeit Christi teilhaben und erkannt wurde, dass ihr Charakter mit dem Gesetz Gottes übereinstimmt, werden ihre Sünden getilgt und sie für würdig befunden, das ewige Leben zu erhalten. Der Herr erklärt durch den Propheten Jesaja: "Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht." (Jesaja 43,25) "Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln." (Offenbarung 3,5) "Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater." (Matthäus 10,32.33)

Das rege Interesse, das Entscheidungen irdischer Gerichtshöfe bei den Menschen wecken, ist nur ein schwaches Beispiel für das Interesse, das in den himmlischen Höfen vorhanden ist, wenn die Namen, die im Buch des Lebens eingetragen sind, vom Richter der Welt untersucht werden. Der göttliche Vermittler bringt sein Plädoyer vor, dass allen, die durch den Glauben an sein Blut Überwinder wurden, ihre Übertretungen vergeben werden sollen, damit sie in ihre Heimat in Eden wieder eingesetzt und als gemeinsame Erben mit ihm selbst zu ihrer "frühere[n] Herrschaft" (Micha 4,8) gekrönt werden können. Satan wollte in seinem Bemühen, die Menschheit zu täuschen und zu versuchen, den göttlichen Plan bei der Schöpfung des Menschen vereiteln. Nun aber bittet Christus darum, dass der Plan ausgeführt wird, als ob der Mensch nie gefallen wäre. Für sein Volk bittet er nicht nur um vollständige Vergebung und Rechtfertigung, sondern auch um Anteil an seinem Ruhm und einen Sitz auf seinem Thron.

Während Jesus für seine Nachfolger Fürbitte einlegt, verklagt Satan sie vor Gott als Gesetzesübertreter. Der große Verführer hat versucht, sie zu Skeptikern zu machen, damit sie ihr Gottvertrauen verlieren, sich von seiner Liebe trennen und sein Gesetz brechen. Nun weist er auf ihren Lebensbericht hin, auf ihre Charaktermängel, auf ihre Unähnlichkeit mit Christus, womit sie ihrem Erlöser Schande bereitet haben, und auf alle Sünden, zu denen er sie verleitet hat. Indem er sich auf diese Vorkommnisse stützt, beansprucht er sie als seine Untertanen.

Jesus entschuldigt ihre Sünden nicht, weist aber auf ihre Reue und ihren Glauben hin und bittet um Vergebung. Er hebt seine verwundeten Hände vor dem Vater und den heiligen Engeln hoch und sagt: "Ich kenne dich mit Namen", "in die Hände habe ich dich gezeichnet" (2. Mose 33,12; Jesaja 49,16). "Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist, ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten." (Psalm 51,19) Und dem Ankläger seines Volkes erklärt er: "Der Herr schelte dich, du Satan! Ja, der Herr, der Jerusalem erwählt hat, schelte dich! Ist dieser nicht ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist?" (Sacharja 3,2) Christus wird seine Getreuen mit seiner eigenen Gerechtigkeit bekleiden, damit er sie seinem Vater darstellen kann "als eine Gemeinde, die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe" (Epheser 5,27). Ihre Namen stehen im Buch des Lebens, und von ihnen ist geschrieben: "Die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert." (Offenbarung 3,4)

Vollkommene Klärung

Damit wird sich die Verheißung des Neuen Bundes vollkommen erfüllen: "Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken" (Jeremia 31,34). "Zur selben Zeit und in jenen Tagen wird man die Missetat Israels suchen, spricht der Herr, aber es wird keine da sein, und die Sünden Judas, aber es wird keine gefunden werden." (Jeremia 50,20) "Zu der Zeit wird, was der Herr sprießen lässt, lieb und wert sein und die Frucht des Landes herrlich und schön bei denen, die erhalten bleiben in Israel. Und wer da wird übrig sein in Zion und übrig bleiben in Jerusalem, der wird heilig heißen, ein jeder, der aufgeschrieben ist zum Leben in Jerusalem." (Jesaja 4,2.3)

Die Arbeit des Untersuchungsgerichtes und die Tilgung der Sünden müssen vor der Wiederkunft des Herrn abgeschlossen sein. Weil die Toten aufgrund der Eintragungen in den Büchern gerichtet werden, ist es unmöglich, dass die Sünden der Menschen schon vor dem Gericht aus den Büchern gelöscht werden, denn dieses hat ja die Aufgabe, ihre Fälle zu untersuchen. Der Apostel Petrus sagt aber deutlich, dass die Sünden der Gläubigen getilgt werden, "damit die Zeit der Erquickung komme von dem Angesicht des Herrn und er den sende, der euch zuvor zum Christus bestimmt ist: Jesus" (Apostelgeschichte 3,20). Wenn das Untersuchungsgericht abgeschlossen ist, wird Christus kommen, um jedem das zu geben, was ihm nach seinen Werken zusteht.

Im Schattendienst auf Erden segnete der Hohepriester die Gemeinde, nachdem er Versöhnung für Israel erreicht hatte. So wird auch Christus nach Abschluss seines Vermittlerdienstes "nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil" (Hebräer 9,28). Wie der Priester die Sünden aus dem Heiligtum entfernte und über dem Haupt des Sündenbocks bekannte, so wird Christus all diese Sünden auf Satan legen, den Urheber und Anstifter der Sünde. Dieser Sündenbock, der die Sünden Israels trug, wurde weggeführt "in die Wüste" (3. Mose 16,22). So wird Satan, der die Last sämtlicher Sünden tragen muss, zu denen er Gottes Volk verführte, tausend Jahre lang an die Erde gebunden sein, die dann wüst und leer und ohne Bewohner sein wird. Er wird schließlich im Feuer, das auch alle Gottlosen vernichtet, die volle Strafe für seine Sünden erleiden. Damit wird der große Erlösungsplan vollendet sein. Dann ist die Sünde vollständig ausgerottet und all jene sind befreit, die bereit waren, dem Bösen zu widerstehen.

Zu der vorhergesagten Zeit - nach Ablauf der 2300 Tage im Jahre 1844 - begann die Untersuchung mit der Austilgung der Sünden. Wer jemals den Namen Christi angenommen hat, wird einer genauen Prüfung unterzogen. Lebende und Tote müssen gerichtet werden "nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach ihren Werken" (Offenbarung 20,12).

Sünden, die weder bereut noch aufgegeben wurden, werden nicht vergeben und aus den Büchern getilgt, sondern am Tag des Gerichtes Gottes Zeugnis gegen den Sünder ablegen. Er mag seine Missetaten am helllichten Tag oder bei finsterer Nacht begangen haben, sie liegen offen vor unserem Richter. Engel Gottes beobachteten jede Sünde und zeichneten sie in dem lückenlosen Berichtsbuch auf. Man mag seine Sünde vor dem Vater, der Mutter, der Ehefrau, den Kindern oder den Freunden verheimlichen, niemand außer dem Schuldigen mag den leisesten Verdacht eines Unrechts hegen: Doch sie liegt offen vor den himmlischen Wesen. Weder das Dunkel der finstersten Nacht noch die diskreteste Geheimhaltung unlauterer Unternehmungen reichen aus, einen einzigen Gedanken vor dem Allwissenden zu verschleiern. Gott besitzt einen genauen Bericht über jede unehrliche Abrechnung und jede ungerechte Behandlung. Den Ewigen täuscht weder ein Schein von Frömmigkeit, noch unterläuft ihm ein Fehler bei der Beurteilung eines Charakters. Menschen mögen von denen getäuscht werden, die im Herzen verdorben sind, aber Gott sieht durch alle Masken hindurch und liest alle verborgenen Gedanken.

Verborgenes Und Anvertrautes

Was für ein feierlicher Gedanke! Jeder Tag, der in die Ewigkeit mündet, trägt seine Beweislast in den Büchern im Himmel. Gesprochene Worte, begangene Taten können nicht rückgängig gemacht werden. Engel haben Gutes und Böses in die Bücher eingetragen. Selbst dem mächtigsten Eroberer der Erde ist es unmöglich, den Bericht auch nur eines einzigen Tages rückgängig zu machen. Unsere Taten, unsere Worte, ja unsere geheimsten Gedanken tragen mit dazu bei, unser Schicksal zum Wohl oder zum Wehe zu entscheiden. Selbst wenn wir alles vergessen haben mögen, das Zeugnis für oder gegen uns bleibt bestehen.

Wie Gesichtszüge durch den Künstler mit untrüglicher Genauigkeit auf die Leinwand reproduziert werden, so wird der Charakter getreu in die himmlischen Bücher eingetragen. Doch wie wenig machen wir uns Gedanken über den Bericht, in den himmlische Wesen Einblick haben. Könnte der Schleier gelüftet werden, der die sichtbare von der unsichtbaren Welt trennt, und könnten die Menschen den Engeln zusehen, wie sie jedes Wort und jede Tat aufzeichnen, von denen im Gericht Rechenschaft verlangt wird, wie viele Worte, die täglich geäußert werden, blieben dann unausgesprochen, wie viele Taten ungetan!

Der Gebrauch eines jeden anvertrauten Talentes wird im Gericht genauestens geprüft. Wie haben wir die Mittel verwendet, die uns der Himmel anvertraut hat? Wird der Herr sein Eigentum mit Zinsen zurückerhalten, wenn er kommt? Haben wir die Fähigkeiten, die uns übertragen wurden, mit Kraft, Herz und Verstand zum Ruhm Gottes und zum Segen der Welt eingesetzt? Wie haben wir unsere Zeit, unsere Feder, unsere Stimme, unseren Einfluss genutzt? Was haben wir für Christus an einem Armen, einem Bekümmerten, einer Waise oder einer Witwe getan? Gott machte uns zu Treuhändern seines heiligen Wortes. Was haben wir mit dem Licht gemacht, das uns verliehen wurde, um Menschen zu Christus zu führen? Ein bloßes Bekenntnis, an den Erlöser zu glauben, ist wertlos. Nur die Liebe, die sich in den Werken zeigt, wird als echt anerkannt. Und doch ist es in der Sicht des Himmels allein die Liebe, die einer Tat ihren Wert verleiht. Was immer aus Liebe geschieht, wie klein es nach menschlicher Einschätzung auch erscheinen mag, wird von Gott anerkannt und belohnt.

Die Bücher des Himmels offenbaren die verborgene Selbstsucht der Menschen. Dort existiert der Bericht über unerfüllte Pflichten an den Mitmenschen und über Vergesslichkeit gegenüber Erwartungen des Erlösers. Dort werden wir sehen, wie oft Zeit, Gedanken und Kraft Satan überlassen wurden, die eigentlich Christus gehörten. Die Engel überbringen dem Himmel einen traurigen Bericht. Vernunftbegabte Wesen, bekenntliche Nachfolger Christi, sind durch den Erwerb weltlicher Güter und durch irdische Vergnügungen ganz in Anspruch genommen. Geld, Zeit und Kraft werden Äußerlichkeiten und dem eigenen Genuss geopfert, während es nur selten Momente gibt, die dem Gebet, dem Suchen in der Schrift, der Hingabe und dem Sündenbekenntnis gewidmet werden.

Satan schmiedet unzählige Pläne, um unsere Gedanken in Beschlag zu nehmen, damit wir uns nicht mit jenem wichtigen Werk befassen, mit dem wir doch bestens vertraut sein sollten. Der Erzbetrüger hasst die großen Wahrheiten, die ein versöhnendes Opfer und einen allmächtigen Mittler zeigen. Er weiß, dass alles davon abhängt, ob es ihm gelingt, die Gedanken von Christus und seiner Wahrheit abzulenken.

Wer die Segnungen der Fürsprache Christi nutzen möchte, sollte sich durch nichts von seiner Pflicht abhalten lassen, seine Heiligung in der Furcht Gottes zu vervollkommnen. Statt kostbare Stunden dem Vergnügen, dem Luxus oder der Gewinnsucht zu opfern, sollten sie dem ernsten, andächtigen Studium der Wahrheit gewidmet werden. Das Thema des Heiligtums und des Untersuchungsgerichts sollte dem Volk Gottes bestens vertraut sein. Alle sollten selbst die Stellung und das Werk ihres Hohenpriesters persönlich kennen. Sonst ist es für sie unmöglich, den Glauben auszuleben, der in dieser Zeit so wesentlich ist, oder den Platz einzunehmen, den Gott für sie vorgesehen hat. Jeder einzelne Mensch entscheidet durch sein Verhalten, ob er gerettet wird oder verloren geht. Jeder hat ein noch offenes Verfahren im Gericht Gottes. Jeder muss seinem großen Richter Auge in Auge gegenübertreten. Wie wichtig ist es darum, dass alle immer wieder über die feierliche Szene nachdenken, wenn das Gericht gehalten wird und die Bücher geöffnet werden, wenn jeder Einzelne am Ende der Tage gleichzeitig mit Daniel (vgl. Daniel 12,13) seinen Platz einnehmen muss.

Alle, die über diese Dinge Licht erhalten haben, müssen für die großen Wahrheiten, die Gott ihnen anvertraut hat, Zeugnis ablegen. Das Heiligtum im Himmel ist das Zentrum des Dienstes Christi für die Menschen. Dies betrifft jeden Erdenbürger. Es öffnet uns die Augen für den Erlösungsplan, bringt uns unmittelbar ans Ende der Zeit und offenbart uns den großartigen Ausgang des Kampfs zwischen Gerechtigkeit und Sünde. Es ist von außerordentlicher Bedeutung, dass wir alle diese Themen genauestens untersuchen und jedermann Rede und Antwort geben können, der uns fragt, warum wir solch große Hoffnung haben.

Die Folgenschwerste Zeit

Der Mittlerdienst Christi im himmlischen Heiligtum ist ein ebenso wesentlicher Teil des Heilsplans wie sein Tod am Kreuz. Mit seinem Tod begann er das Werk, zu dessen Vollendung er nach seiner Auferstehung in den Himmel fuhr. Im Glauben müssen wir "in das Innere hinter dem Vorhang" eingehen (Hebräer 6,19). "Dahinein ist der Vorläufer für uns gegangen." (Hebräer 6,20) Dort spiegelt sich das Licht vom Kreuz auf Golgatha wider, und dort erhalten wir einen klareren Einblick in die Geheimnisse der Erlösung. Die Erlösung des Menschen wurde durch einen unendlichen Preis erreicht, das Opfer entspricht den höchsten Anforderungen des gebrochenen Gesetzes Gottes. Jesus hat den Weg zum Thron des Vaters geebnet, und durch seine Vermittlung können die aufrichtigen Wünsche aller Menschen, die im Glauben zu ihm kommen, vor Gott gebracht werden.

"Wer seine Sünde leugnet, dem wird's nicht gelingen; wer sie aber bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen." (Sprüche 28,13) Wenn jene, die ihre Fehler verheimlichen und entschuldigen, sehen könnten, wie Satan über sie jubelt, wie er Christus und seine heiligen Engel mit ihrem Wandel verhöhnt, würden sie ihre Sünden schnellstens bekennen und ablegen. Durch Schwächen im menschlichen Charakter verschafft sich Satan die Kontrolle über das ganze Denken, und er weiß, wenn solche Schwächen gehegt werden, dass er Erfolg haben wird. Deshalb gaukelt er den Nachfolgern Christi durch üble List ständig vor, Überwindung sei unmöglich. Aber Jesus bittet mit seinen verwundeten Händen und seinem zerschlagenen Leib und sagt allen, die ihm nachfolgen wollen: "Lass dir an meiner Gnade genügen." (2. Korinther 12,9) "Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." (Matthäus 11, 29.30) Niemand soll glauben, dass seine Fehler unheilbar seien. Gott schenkt Glauben und Gnade, sie zu überwinden.

Wir leben nun in der Zeit des Großen Versöhnungstags. Im Schattendienst, als der Hohepriester für Israel die Versöhnung erwirkte, waren alle aufgefordert, ihre Sünden zu bekennen und sich vor Gott zu demütigen, damit sie nicht aus dem Volk verstoßen würden. In gleicher Weise sollten sich heute alle, die den Wunsch haben, dass ihr Name im Lebensbuch stehen bleibt, in den wenigen noch verbleibenden Tagen ihrer Gnadenzeit vor Gott beugen, ihre Sünden ernst nehmen und echte Reue zeigen. Ihre Herzen müssen gewissenhaft und gründlich durchforscht werden. Der Leichtsinn, dem so viele bekennende Christen verfallen sind, muss abgelegt werden. Jeder, der seine üblen Neigungen überwinden will, die um die Vorherrschaft kämpfen, steht vor einer harten Auseinandersetzung. Jeder muss sich individuell vorbereiten. Es gibt keine Kollektiverlösung. Die Reinheit und Frömmigkeit des einen kann den Mangel an Frömmigkeit eines anderen nicht ausgleichen. Obwohl alle Völker vor Gott im Gericht erscheinen müssen, wird er den Fall jedes Einzelnen so genau und gründlich untersuchen, als ob es kein anderes Wesen auf der Erde gäbe. Jeder muss geprüft und ohne Flecken, Runzel oder Ähnliches befunden werden.

Es sind feierliche Szenen, die beim Abschluss des Versöhnungswerks ablaufen. Folgenschwere Entscheidungen werden getroffen. Das Gericht findet jetzt im himmlischen Heiligtum statt. Seit vielen Jahren geht dieses Werk voran. Bald, niemand weiß wie bald, werden auch die Fälle der Lebenden behandelt werden. Unser Leben wird in der Ehrfurcht gebietenden Gegenwart Gottes untersucht werden. Mehr denn je ist es heute für alle nötig, die Ermahnungen des Erlösers zu beherzigen: "Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist." (Markus 13,33) "Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde." (Offenbarung 3,3)

Wenn das Untersuchungsgericht abschließt, ist das Schicksal eines jeden Menschen entschieden, es sei zum Leben oder zum Tod. Die Gnadenzeit endet kurz vor der Erscheinung des Herrn in den Wolken des Himmels. Über diese Zeit sagt Christus in der Offenbarung: "Wer Böses tut, der tue weiterhin Böses, und wer unrein ist, der sei weiterhin unrein; aber wer gerecht ist, der übe weiterhin Gerechtigkeit, und wer heilig ist, der sei weiterhin heilig. Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, einem jeden zu geben, wie seine Werke sind." (Offenbarung 22,11.12)

Gerechte wie Gottlose werden in ihrem sterblichen Zustand noch auf dieser Erde leben. Die Menschen werden pflanzen und bauen, essen und trinken und sind sich nicht bewusst, dass die endgültige und unwiderrufliche Entscheidung im himmlischen Heiligtum gefallen ist. Vor der Sintflut betrat Noah die Arche, Gott schloss ihn ein und die Gottlosen aus. Doch sieben Tage lang machte das Volk mit seinem sorglosen und vergnügungssüchtigen Leben weiter, spottete über die Warnungen vor einem drohenden Gericht und wusste nicht, dass sein Untergang bereits beschlossen war. "So wird es auch sein beim Kommen des Menschensohns" (Matthäus 24,39), sagte Christus. Still und von niemandem beachtet wird die entscheidende Stunde wie ein Dieb in der Nacht kommen, die das Schicksal eines jeden besiegelt und dem Ungerechten die göttliche Gnade für immer entzieht.

"So wacht nun ... damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt." (Markus 13,35.36) Gefährlich ist der Zustand derer, die beim Wachen müde werden und sich den Verlockungen der Welt zuwenden. Es kann sein, dass genau zu jener Stunde, in der sich der Geschäftsmann seinem Gewinnstreben hingibt, der Genussfreudige sein Vergnügen sucht und eine modebewusste Dame ihren Schmuck anlegt, der Richter der Welt das Urteil verkündet: "Man hat dich auf der Waage gewogen und zu leicht befunden." (Daniel 5,27)