Diener des Evangeliums

Kapitel 21

Geschicklichkeit

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Zur Seelengewinnung ist Geschicklichkeit und Weisheit erforderlich. Der Heiland unterdrückte nie die Wahrheit, aber er sprach sie stets in Liebe aus. Zu seinem Verkehr mit andern war er sehr zartfühlend, immer freundlich und rücksichtsvoll. Er wurde nie grob, sprach nie unnötigerweise ein strenges Wort, verursachte keiner empfindlichen Seele nutzlosen Schmerz. Er tadelte nicht die menschliche Schwäche. Wohl rügte er furchtlos die Heuchelei, den Unglauben und die Sünde, aber mit von Tränen erstickter Stimme äußerte er die scharfen Worte des Tadels. Er ließ die Wahrheit nie als etwas Grausames erscheinen, sondern bekundete immer eine tiefe Zärtlichkeit für die Menschheit. Jede Seele war köstlich in seinen Augen. Er trat mit göttlicher Würde auf, ließ sich aber mit dem zärtlichen Mitleid und mit großer Achtung zu jedem Glied der Gottesfamilie herab. Er sah in allen Menschen Seelen, die zu retten seine Aufgabe war.

Pauli Anpassungsvermögen

Der Prediger soll nicht meinen, daß den Ungläubigen die ganze Wahrheit bei irgendeiner Gelegenheit auf einmal gebracht werden müsse; er sollte sorgfältig erwägen, wann zu sprechen, was zu sagen und was unerwähnt zu lassen sei. Damit begeht er keine Täuschung, sondern das ist das Verfahren Pauli. "Wiewohl ich frei bin von jedermann," schrieb er an die Korinther, "habe ich doch mich selbst jedermann zum Knechte gemacht, auf daß ich ihrer viele gewinne. Den Juden bin ich geworden wie ein Jude, auf daß ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich geworden wie unter dem Gesetz, auf daß ich die, so unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie ohne Gesetz geworden (so ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi), auf daß ich die, so ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich geworden wie ein Schwacher, auf daß ich die Schwachen gewinne. Ich bin jedermann allerlei geworden, auf daß ich allenthalben ja etliche selig mache." 1.Korinther 9,19-22.

Paulus näherte sich den Juden nicht in der Weise, daß er ihr Vorurteil erregte. Er sagte ihnen nicht gleich, daß sie an Jesum von Nazareth glauben müßten, sondern er verweilte zunächst bei den Prophezeiungen, die vom Messias, von seiner Mission und seinem Werk redeten. Schritt für Schritt führte er seine Zuhörer weiter und zeigte ihnen die Wichtigkeit, Gottes Gesetz zu ehren. Er zollte dem Zeremonialgesetz die gebührende Achtung und zeigte, daß es Christus war, der die jüdische Haushaltung und den Opferdienst einsetzte. Allmählich kam er dann zum ersten Kommen des Erlösers und bewies, wie im Leben und Sterben Christi jede Einzelheit des Opferdienstes erfüllt worden war.

Den Heiden trat Paulus näher, indem er Christus hochhielt und ihnen darauf die bindenden Ansprüche des Gesetzes vorführte. Er zeigte, wie das vom Kreuz auf Golgatha widerstrahlende Licht der ganzen jüdischen Haushaltung Bedeutung und Herrlichkeit verlieh.

Auf diese Weise änderte der Apostel seine Wirkungsart und paßte seine Botschaft den Verhältnissen an, in denen er sich befand. Nach geduldiger Arbeit war er auch sehr erfolgreich, wenngleich es viele gab, die sich nicht überzeugen lassen wollten. Auch heute finden sich viele, die auf keinerlei Weise von der Wahrheit überzeugt werden können, und Gottes Mitarbeiter muß nach der besten Art und Weise suchen, um keine Vorurteile oder Kampfeslust zu erregen. Gerade hier haben einige einen Fehler gemacht. Ihren eignen Neigungen folgend, haben sie Türen verschlossen, durch die sie bei einer andern Methode Zugang zu Herzen und durch diese wieder zu andern Herzen hätten finden können.

Gottes Diener müssen vielseitig, hochherzig sein; sie dürfen nicht nach einer einseitigen, starren Weise arbeiten, sondern müssen es erfassen, daß ihr Vorführen der Wahrheit sich ändern muß nach der Klasse von Menschen, unter denen sie wirken, und den Umständen, die sie umgeben.

Der Prediger muß mit großem Zartgefühl vorangehen, wenn er auf Abneigung, Bitterkeit und Widerstand stößt. Mehr als irgendein andrer bedarf er jener Weisheit, die "aufs erste keusch, danach friedsam, gelinde, läßt sich sagen, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ohne Heuchelei" ist. Jakobus 3,17. So wie der Tau und die milden Regenschauer sanft auf die welken Pflanzen fallen, so zartfühlend müssen seine Worte sein, wenn er die Wahrheit verkündet. Er soll Seelen gewinnen, nicht aber abstoßen. Er muß beflissen sein, in solchem Falle für den sich keine Regeln niederlegen lassen, geschickt zu handeln.

Viele Seelen sind durch Mangel an Geschicklichkeit und Weisheit des Dieners Christi auf verkehrte Wege geraten und dadurch der Reichssache Gottes verloren gegangen. Zartgefühl und gutes Urteilen vergrößern die Nützlichkeit des Arbeiters ums hundertfache. Spricht er die rechten Worte zur passenden Zeit und zeigt er den richtigen Geist, dann wird er einen wohltuenden Einfluß auf das Herz dessen ausüben, dem er zu helfen sucht.

In neuen Feldern

Arbeitet ihr in neuen Feldern, so haltet es nicht für eure Pflicht, den Zuhörern sofort zu sagen: Wir sind Siebenten-Tags-Adventisten; wir glauben, daß der siebente Tag der Sabbat ist; wir glauben nicht an die Unsterblichkeit der Seele. Dadurch würde oft eine abschreckende Schranke zwischen euch und denen aufgerichtet werden, die ihr zu erreichen wünscht. Sprecht zu ihnen, wie sich die Gelegenheit bietet, über Lehrpunkte, in denen ihr euch einigen könnt. Betont die Notwendigkeit einer praktischen Gottseligkeit. Gebt ihnen Beweise, daß ihr Christen seid, Frieden wünscht und ihre Seelen liebt. Laßt sie sehen, daß ihr gewissenhaft handelt. Auf diese Weise werdet ihr ihr Vertrauen gewinnen, und dann wird sich schon die Zeit für Lehrsätze bieten. Gewinnt das Herz, bereitet den Boden vor, und dann sät den Samen, indem ihr in Liebe die Wahrheit vorführt, wie sie in Christo Jesu ist.

Gott hilft denen, die ihn um Weisheit bitten. Wir sollen nicht auf Gelegenheiten warten; wir müssen solche suchen und stets bereit sein, Grund der Hoffnung zu geben, die in uns ist. Bleibt das Herz des Dieners Christi im Gebet zu Gott erhoben, so wird ihm geholfen werden, das rechte Wort zur rechten Zeit zu reden.

Versuchen wir, andre zurechtzuweisen oder zur Umgestaltung ihres Lebens auf sie einzuwirken, so sollten wir sehr vorsichtig mit unsern Worten sein, denn sie sind ein Geruch des Lebens zum Leben oder des Todes zum Tode. Viele sprechen, wenn sie einen Tadel oder Rat erteilen, in scharfen, strengen Worten, die nicht geeignet sind, die verwundete Seele zu heilen. Durch solche schlecht gewählten Ausdrücke wird das Gemüt gereizt, und oft lehnen die Irrenden sich auf.

Wer die Grundsätze der Wahrheit vertreten will, bedarf des himmlischen Öls der Liebe. Unter allen Umständen muß ein Tadel in Liebe ausgesprochen werden. Dann werden unsre Worte zur Besserung dienen und nicht erbittern. Christus wird durch seinen Heiligen Geist den Worten Kraft und Nachdruck verleihen. Das ist sein Amt.