Diener des Evangeliums

Kapitel 27

Wesentliche Erfordernisse zum Dienst

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Mitgefühl

Gott wünscht, seine Diener durch ein allgemeines Mitgefühl, eine reine Zuneigung zu vereinen. Die Atmosphäre der Christo ähnlichen Liebe, welche die Seele des Gläubigen umgibt, macht ihn zum Geruch des Lebens zum Leben und veranlaßt Gott, seine Bemühungen zu segnen. Das Christentum errichtet keine Trennungsmauer zwischen dem Menschen und seinem Mitmenschen, sondern verknüpft sie mit Gott und miteinander.

Beachte, wie zärtlich und mitleidsvoll der Herr in seinem Verhalten zu seinen Geschöpfen ist. Er liebt sein irrendes Kind und bittet es herzlich, umzukehren. Des Vaters Arm umfängt den reuevollen Sohn, des Vaters Mantel bedeckt seine zerrissenen Kleider, der Ring wird als Zeichen seiner hohen Familienangehörigkeit an seinen Finger gesteckt; und dennoch wie viele gibt es, die auf den verlorenen Sohn nicht nur mit Gleichgültigkeit, sondern auch mit Verachtung niederblicken! Dem Pharisäer gleich sagen sie: "Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie die andern Leute." Lukas 18,11. Wie aber, meint ihr, betrachtet Gott die vorgeblichen Mitarbeiter Christi, die, während eine Seele gegen die Flut der Versuchungen kämpft, halsstarrig, eigensinnig und eigennützig dabei stehen wie der ältere Bruder im Gleichnis?

Wie wenig teilen wir mit Christo das Mitgefühl, welches das stärkste Band der Gemeinschaft zwischen uns und ihm sein sollte, nämlich Mitleid mit herabgekommenen, schuldigen, leidenden Seelen, tot in Übertretungen und Sünden! Das unmenschliche Benehmen des Menschen gegen seine Mitmenschen ist unsre größte Sünde. Viele glauben, daß sie die Gerechtigkeit Gottes vertreten, während ihnen seine Zärtlichkeit und seine große Liebe gänzlich abgeht. Oft stehen diejenigen, denen sie mit Härte und Strenge entgegentreten, unter der Macht der Versuchung. Satan ringt mit diesen Seelen, und harte, gefühllose Worte entmutigen sie und lassen sie der Macht des Versuchers zur Beute fallen.

Wir bedürfen mehr christlicher Teilnahme, nicht nur Teilnahme für diejenigen, welche uns fehlerlos zu sein scheinen, sondern Teilnahme für arme, leidende, kämpfende Seelen, welche oft von Fehlern übereilt werden, die sündigen und wieder bereuen, die versucht und entmutigt sind. Wir sollen zu unsern Mitmenschen gehen, beseelt von demselben Mitleid für ihre Schwachheiten, das unser barmherziger Hohepriester empfindet. In den Fußspuren des großen Arztes 167.168.

Redlichkeit

Männer von erprobtem Mut und strenger Redlichkeit sind für diese Zeit notwendig, Männer, die sich nicht fürchten, ihre Stimme für das Recht zu erheben. Jedem Diener Christi möchte ich zurufen: Laßt Redlichkeit jede Handlung eurer amtlichen Pflichten kennzeichnen. Alle Zehnten, alle euch zu einem bestimmten Zweck anvertrauten Gelder sollten sofort dahin gebracht werden, wohin sie gehören. Für Gottes Reichssache bestimmte Gelder dürfen nicht zum eignen Bedarf verwandt werden mit dem Gedanken, sie später zu ersetzen. Dies verbietet der Herr. Es ist eine Versuchung von dem, der nichts als Böses wirkt. Der Diener Gottes sollte, wenn er Gelder für des Herrn Schatzkammer in Empfang nimmt, dem Geber eine mit dem Datum versehene Bescheinigung ausstellen und dann, ehe die Versuchung Raum gewinnen könnte, etwas davon für sich selbst zu gebrauchen, sie so niederlegen, daß sie auf Wunsch herbeigeschafft werden können.

Verbindung mit Christo

Eine enge Verbindung mit dem Oberhirten wird den Unterhirten zu einem treuen, lebendigen Vertreter Christi, zu einem Licht der Welt machen. Unser Glaube muß in allen Punkten klar verstanden werden; aber noch wichtiger ist es, daß der Prediger durch die Wahrheit, die er verkündigt, geheiligt wird.

Der Arbeiter, welcher die Bedeutung der Verbindung mit Christo kennt, wird einen beständig wachsenden Wunsch, eine stets zunehmende Befähigung empfangen, die Bedeutung des Dienstes für Gott zu erfassen. Seine Kenntnisse erweitern sich; denn an Gnade zunehmen heißt, ein immer größer werdendes Verständnis der Heiligen Schrift zu erlangen. Er ist wirklich ein Mitarbeiter mit Gott. Er erkennt es, daß er nur ein Werkzeug ist und sich stille des Meisters Händen überlassen muß. Es werden ihm Prüfungen zustoßen, denn ohne sie würde er nie seinen Mangel an Weisheit und Erfahrung erkennen. Aber sie werden ihm zum Segen gereichen, wenn er den Herrn mit Demut und Vertrauen sucht. Es mag manchmal scheinen, als ob er unterliege, aber seine scheinbare Niederlage mag Gottes Weise sein, ihn zu fördern und ihm bessere Selbsterkenntnis und festeres Gottvertrauen zu verleihen. Wenn er auch noch Fehler macht, wird er doch nicht in die gleichen wieder verfallen. Er wird stärker im Widerstand gegen das Böse, und andre ernten die Wohltat von seinem Beispiel.

Demut

Gottes Diener muß in hohem Grade Demut besitzen. Wer die tiefste Erfahrung in göttlichen Dingen gemacht hat, ist am weitesten entfernt von Stolz und Selbstüberhebung. Weil er einen hohen Begriff von der Herrlichkeit Gottes hat, schätzt er den niedrigsten Platz in seinem Dienst zu ehrenhaft für sich.

Als Mose nach vierzigtägigem Verkehr mit Gott vom Berge herabstieg, wußte er nicht, daß sein Angesicht so glänzte, daß es denen, die ihn sahen, Schrecken einflößte.

Paulus hatte eine sehr geringe Meinung von seinem Fortschritt im christlichen Leben. Er spricht von sich selbst als von dem vornehmsten Sünder und bekennt: "Nicht daß ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei." Philipper 3,12. Und doch war Paulus vom Herrn hoch geehrt worden.

Unser Heiland nennt Johannes den Täufer den größten aller Propheten, und doch erklärte Johannes, als er gefragt wurde, ob er Christus sei, daß er unwürdig sei, seines Herrn Schuhriemen aufzulösen. Als seine Jünger ihm klagten, daß alle sich dem neuen Lehrer zuwandten, erinnerte Johannes sie daran, daß er selbst nur der Vorläufer dessen sei, der da kommen sollte.

Diener dieses Sinnes werden heute gebraucht. Die sich selbst Genügenden, die mit sich selbst zufrieden sind, können im Werke Gottes gut entbehrt werden. Unser Herr verlangt nach Boten, die, weil sie an sich das Bedürfnis des versöhnenden Blutes Christi verspüren, nicht im Bewußtsein ihrer eignen Kraft, sondern in der vollen Gewißheit des Glaubens ins Werk treten und die erkennen, daß sie ständig der Hilfe Christi bedürfen, um zu wissen, wie sie mit Seelen zu verfahren haben.

Ernsthaftigkeit

Es muß sich ein viel größerer Ernst bekunden. Die Zeit geht schnell dahin, und wir brauchen Männer, die willens sind, zu arbeiten wie Christus wirkte. Es ist nicht genug, ein ruhiges Gebetsleben zu führen. Das Nachdenken allein befriedigt nicht den Bedarf der Welt. Die Religion soll nicht nur ein persönlicher Einfluß in unserm Leben sein; wir müssen weitblickende, tatkräftige, ernste Christen sein, die danach verlangen, andern die Wahrheit zu bringen.

Die Menschen müssen die Botschaft des Heils durch den Glauben an Jesum hören, und zwar muß sie ihnen in ernster, getreuer Weise gebracht werden. Seelen müssen gesucht, es muß für sie gebetet, gearbeitet werden. Unsre einförmigen, leblosen Gebete müssen in eindringliche, ernstliche Bitten umgestaltet werden.

Beständigkeit

Der Charakter vieler, die vorgeben, fromm zu sein, ist unvollkommen und einseitig. Sie beweisen, daß sie als Schüler in Christi Schule ihre Aufgaben nur teilweise gelernt haben. Einige, welche die Sanftmut Jesu nachahmen, zeigen nichts von seinem Fleiß, Gutes zu tun. Andre sind tätig und eifrig, aber sie prahlen; sie haben die Demut noch nicht gelernt. Noch andre lassen Christum ganz außerhalb ihres Wirkens; sie mögen angenehm in ihrem Benehmen sein, mögen Mitgefühl mit ihren Mitmenschen bekunden, aber in ihren Herzen thront der Heiland nicht; sie verstehen nicht die Sprache des Himmels. Sie beten nicht, wie Jesus betete, schätzen die Seelen nicht nach Christi Maßstab; sie können keine Schwierigkeiten ertragen, um Seelen zu retten. Etliche kennen wenig von der umbildenden Macht der Gnade, werden eigennützig, kritisch und hart; andre sind fügsam und nachgebend und wenden sich hierhin und dorthin, ihren Mitmenschen zu gefallen.

Wie eifrig auch die Wahrheit vertreten werden mag, so werden doch die gesprochenen Worte wenig ausrichten, wenn das tägliche Leben nicht die heiligende Kraft bezeugt. Unbeständigkeit verhärtet das Herz, beschränkt den Geist des Arbeiters und legt Steine des Anstoßes in den Weg derer, für die er arbeitet.

Das tägliche Leben

Der Prediger sollte jeder nicht notwendigen zeitlichen Schwierigkeit enthoben sein, damit er sich ganz seinem heiligen Beruf widmen kann. Er muß viel mit Gott verkehren und sich ganz unter die Zucht Gottes stellen, damit sein Leben die Früchte wahrer Selbstbeherrschung offenbare. Seine Ausdrucksweise sollte tadellos sein; keine derbe Redensart, kein gemeines Wort darf über seine Lippen kommen. Seine Kleidung stehe im Einklang mit dem Charakter seiner Arbeit. Prediger und Lehrer müssen danach trachten, den in der Heiligen Schrift vorgesetzten Standpunkt zu erreichen; sie dürfen die kleinen, oft für unwichtig gehaltenen Dinge nicht übersehen, deren Vernachlässigung oft zum Vernachlässigen größerer Verantwortlichkeiten führt.

Die Arbeiter in des Herrn Weinberg haben zu ihrer Ermutigung das Beispiel des Guten in allen Zeitaltern; ihnen hilft auch die Liebe Gottes, der Dienst der Engel, die Teilnahme Jesu und die Hoffnung, Seelen für das Rechte zu gewinnen. "Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich." Daniel 12,3.

Der Prediger am Pult

"Wir geben niemand irgendein Ärgernis, auf daß unser Amt nicht verlästert werde." 2.Korinther 6,3.