Diener des Evangeliums

Kapitel 30

Christum predigen

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Von vielen Seiten sind die Bemerkungen gemacht worden, daß unsre Redner in ihren Vorträgen das Gesetz und nicht Jesum predigen. Genau genommen ist diese Behauptung nicht wahr, aber etwas Grund mag doch dazu vorliegen. Haben nicht schon oft Männer gepredigt, die in den Dingen Gottes noch keine rechten Erfahrungen gemacht und die Gerechtigkeit Christi noch nicht angenommen haben? Viele unsrer Prediger haben nur Reden gehalten, Beweise über biblische Gegenstände aufgeführt und die errettende Kraft des Erlösers kaum erwähnt. Ihr Zeugnis ermangelte des reinigenden Blutes Christi. Ihre Gabe glich dem Opfer Kains. Er brachte dem Herrn die Früchte des Feldes, die an sich Gott angenehm waren; auch waren es gute Früchte, aber es fehlte ihnen die innewohnende Kraft des Opfers -- das Blut des geschlachteten Lammes, welches das Blut Christi darstellte. Genau dasselbe ist es mit einer Predigt ohne Christum. Sie trifft nicht das Herz; sie erweckt nicht die Frage: Was muß ich tun, daß ich selig werde?

Von allen, die den Namen Christen tragen, sollten die Siebenten-Tags-Adventisten Christum am meisten vor der Welt erheben. Die Verkündigung der drei Engelsbotschaften fordert die Vorführung der Sabbatwahrheit. Diese muß mit den andern in der Botschaft eingeschlossenen Wahrheiten verkündigt werden, aber der große Mittelpunkt aller Reden muß Jesus Christus bilden. Am Kreuze Christi begegnen sich Gnade und Wahrheit; Gerechtigkeit und Friede küssen einander. Des Sünders Blick muß auf Golgatha gerichtet werden; mit dem einfachen Glauben eines kleinen Kindes muß er auf das Verdienst des Heilandes trauen, seine Gerechtigkeit annehmen und an seine Gnade glauben.

Gottes Liebe

Durch die Liebe Gottes liegen die Schätze der Gnade Christi offen vor der Gemeinde und der Welt. "Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." Johannes 3,16. Welche wunderbare, unbegreifliche Liebe, die Christum bewog, für uns zu sterben, als wir noch Sünder waren! Welch einen Verlust erleidet die Seele, die, trotzdem sie die großen Anforderungen des Gesetzes versteht, nicht anerkennt, daß da, wo die Sünde mächtig geworden, Christi Gnade noch viel mächtiger ist!

Wird das Gesetz in richtiger Weise dargestellt, so offenbart es die Liebe Gottes; wird es aber in einer kalten, leblosen Weise besprochen, dann nimmt es kein Wunder, daß Herzen selbst durch die Wahrheit nicht erweichen. Es ist fast natürlich, daß der Glaube über die Verheißungen Gottes stolpert, wenn Diener des Evangeliums Jesum nicht in seiner richtigen Beziehung zum Gesetz darstellen.

Einige Diener in der Reichssache Gottes sind zu bereit gewesen, Anklagen gegen den Sünder auszusprechen; die Liebe des Vaters, die den Sohn für die Menschen in den Tod gab, ist in den Hintergrund getreten. Möchte der Lehrer der Wahrheit doch dem Sünder zu wissen tun, was Gott in Wirklichkeit ist -- ein Vater, der mit verlangender Liebe wartet, den verlornen Sohn wieder aufzunehmen, ihn nicht mit Vorwürfen überschüttet, sondern ein Fest des Willkommens für ihn veranstaltet! O daß wir vom Herrn die Art und Weise lernen möchten, Seelen zu gewinnen!

Gott will den Sinn von der logischen Überzeugung auf eine innigere, höhere, reinere und herrlichere leiten. Oft haben menschliche Schlußfolgerungen das Licht ausgelöscht, welches Gott in hellen Strahlen den Menschen leuchten lassen wollte, um sie zu überzeugen, daß der Herr der Natur würdig ist, Lob und Ehre zu nehmen, weil er der Schöpfer aller Dinge ist.

Einige Prediger machen das Versehen, ihre Predigten ganz beweisführend abzufassen. Es gibt Zuhörer, welche die Lehren der Wahrheit vernehmen und von den ihnen vorgeführten Beweisen beeinflußt werden; wird ihnen dann Christus als der Heiland der Welt dargestellt, dann kann der gesäte Same aufgehen und Frucht bringen zur Ehre Gottes. Aber wie oft wird es versäumt, auf das Kreuz auf Golgatha hinzuweisen. Einige mögen zum letztenmal einer Predigt lauschen, und die nicht benutzte goldene Gelegenheit ist für immer verloren. Wäre aber in Verbindung mit der Lehre der Wahrheit Christus und seine Liebe verkündigt worden, dann könnten diese für ihn gewonnen worden sein.

Der Weg zu Christo

Mehr Leute als wir annehmen, verlangen danach, den Weg zu Christo zu finden. Alle, welche die letzte Gnadenbotschaft verkünden, sollten es nicht versäumen, Christum als des Sünders einzige Zuflucht zu erheben. Manche Prediger halten es für unnötig, Buße und Glauben zu predigen; sie halten es für eine abgemachte Sache, daß ihre Zuhörer mit dem Evangelium bekannt sind und daß man ihnen andre Gegenstände vorführen muß, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Aber viele Menschen haben wenig Erkenntnis über den Erlösungsplan; sie bedürfen über diesen allerwichtigsten Gegenstand mehr Belehrung als über irgend etwas andres.

Lehrvorträge sind wichtig, damit die Menschen die Kette der Wahrheit Glied auf Glied zu einem vollkommenen Ganzen zusammenfügt, erkennen; aber kein Vortrag sollte je gehalten werden, ohne den gekreuzigten Christus als die Grundlage des Evangeliums darzustellen. Die Prediger würden viel leichter die Herzen erreichen, wenn sie sich mehr mit der praktischen Gottseligkeit beschäftigten. Wenn neue Felder in Angriff genommen werden, um die Wahrheit einzuführen, sind die Vorträge oft großenteils theoretisch. Die Leute werden durch das, was sie hören, in ihren bisherigen Anschauungen schwankend. Viele erkennen die Kraft der Wahrheit und möchten gern auf einem sichern Grund stehen. Dann ist es an der Zeit, vor allem andern den Glauben Jesu dem Herzen und Gewissen einzuprägen. Schließt man die Versammlungen, ohne diese praktische Arbeit getan zu haben, dann geht viel verloren.

Manchmal entschließen sich Männer und Frauen für die Wahrheit, der Wucht der vorgeführten Beweise wegen, ohne jedoch bekehrt zu sein. Des Predigers Arbeit ist nicht vollendet, bis er seinen Zuhörern die Notwendigkeit eines neuen Herzens klar gemacht hat. In jedem Vortrag sollten wiederholt Aufforderungen an die Hörer ergehen, ihren Sünden zu entsagen und sich zu Christo zu wenden. Die volkstümlichen Sünden und Befriedigungen unsrer Zeit sollten gerügt und die praktische Gottseligkeit eingeschärft werden. Der wahre Diener Gottes, der aus Herzensgrund die Wichtigkeit der von ihm gesprochenen Worte fühlt, ist nicht imstande, seine Teilnahme mit Seelen, für die er arbeitet, zu unterdrücken.

O, daß mir Ausdrücke von hinreichender Kraft zu Gebote ständen, um auf meine Mitarbeiter am Evangelium den Eindruck zu machen, den ich wünsche. Meine Brüder, ihr gebraucht die Worte des Lebens; ihr arbeitet mit Seelen, die der höchsten Entwicklung fähig sind. Christus gekreuzigt, Christus erstanden, Christus aufgefahren gen Himmel, Christus kommt wieder -- diese Wahrheiten sollten das Herz des Predigers so erweichen, so erfreuen und so erfüllen, daß er sie in Liebe mit tiefem Ernst den Hörern vorführt. Dann wird der Prediger ganz aus dem Auge verloren, und Jesus wird offenbar.

Verherrlicht Jesum, ihr, die ihr das Volk lehrt, verherrlicht ihn in der Predigt, im Gesang, im Gebet. Laßt eure ganze Kraft darauf gerichtet sein, verwirrte, verirrte, verlorne Seelen auf "Gottes Lamm" zu weisen. Erhebt ihn, den auferstandnen Heiland und sagt allen, die es hören wollen: Kommt zu ihm, der "uns hat geliebt und sich selbst dargegeben für uns". Epheser 5,2. Laßt das Evangelium der Erlösung den Hauptinhalt einer jeden Predigt, den Text jedes Liedes sein; laßt es ausströmen in jedes Gebet. Bringt nichts in eure Wahrheit hinein, um Christum, die Weisheit und die Macht Gottes zu ergänzen. Haltet das Wort des Lebens hoch, stellt Christum dar als die Hoffnung des Bußfertigen, die Feste jedes Gläubigen. Offenbart den Betrübten und Niedergeschlagenen den Weg des Friedens und zeigt hin auf die Gnade und Vollkommenheit des Heilandes.

Es gibt nur einen Weg, der aus der Dunkelheit aufwärts zum Licht führt, bis er den Thron Gottes berührt -- den Weg des Glaubens. Dieser Pfad ist nicht dunkel oder unsicher; es ist nicht ein Weg, ausgesonnen durch menschlichen Verstand, oder ein Pfad, von Menschenhänden gemacht, worauf von jedem Wanderer Wegegelder zu entrichten sind. Der Zutritt zu ihm kann nicht durch Werke der Buße erreicht werden.

Der von Gott vorgesehene Weg ist so vollständig, so vollkommen, daß der Mensch durch seine Werke seiner Vollkommenheit nichts hinzufügen kann. Er ist breit genug, um den verhärtetsten Sünder aufzunehmen, der wirklich bereut, und doch so schmal, daß nicht eine Sünde auf ihm Raum finden kann. Es ist der für die Erlösten des Herrn bereitete Weg, damit sie darauf wandeln.