Diener des Evangeliums

Kapitel 37

Persönlicher Dienst

[AUDIO]

Viele Prediger legen zu viel Wert aufs Redenhalten und vernachlässigen die wahre Herzensarbeit. Es muß mehr persönliche Arbeit für Seelen getan werden. In christlichem Mitgefühl muß der Prediger dem einzelnen Menschen näher treten und versuchen, in ihm Verständnis für die großen Dinge des ewigen Lebens zu erwecken. Die Herzen mögen so hart sein wie die festgetretene Landstraße -- anscheinend eine nutzlose Bemühung, ihnen den Heiland vorzuführen. Aber wo die Logik versagt, wo die Beweisgründe ihren Zweck verfehlen, kann die Liebe Christi, die sich im persönlichen Dienst bekundet, das steinerne Herz erweichen, so daß der Wahrheitssame Wurzel fassen kann.

Der Dienst am Evangelium bedeutet viel mehr als predigen; er bedeutet ernste persönliche Arbeit. Die Gemeinde auf Erden besteht aus irrenden Männern und Frauen, die einer geduldigen, mühsamen Arbeit bedürfen, damit sie erzogen und herangebildet werden, ein Werk zu tun, das hier dem Herrn angenehm ist und droben mit Herrlichkeit und Unsterblichkeit gekrönt werden kann. Wir bedürfen Seelsorger -- treue Hirten -- die Gottes Volk weder schmeicheln noch hart behandeln, sondern es mit dem Brot des Lebens speisen -- Männer, die in ihrem täglichen Leben die bekehrende Kraft des Heiligen Geistes erfahren und eine starke, uneigennützige Liebe für die Seelen empfinden, für die sie wirken.

Der Unterhirte muß Umsicht und Takt üben, wenn er auf Entfremdung, Bitterkeit, Neid und Eifersucht in der Gemeinde stößt; er muß im Geiste Christi wirken, um die gehörige Ordnung wiederherzustellen. Sowohl durch sein Wirken am Rednerpult als auch durch persönliche Arbeit müssen Warnungen getreulich gegeben, Sünden getadelt, Unrechtes richtiggestellt werden. Das launische Herz mag Einwand gegen die Botschaft erheben, und der Diener Gottes kann falsch beurteilt und kritisiert werden. Dann muß er daran denken, daß "die Weisheit von oben her ist aufs erste keusch, danach friedsam, gelinde, läßt sich sagen, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ohne Heuchelei. Die Frucht aber der Gerechtigkeit wird gesät im Frieden denen, die den Frieden halten." Jakobus 3,17.18.

Das Werk des Dieners am Evangelium ist, "zu erleuchten jedermann, welche da sei die Gemeinschaft des Geheimnisses, das von der Welt her in Gott verborgen gewesen ist". Epheser 3,9. Tritt jemand in dies Werk ein und wählt sich den Teil, der am wenigsten Selbstaufopferung verlangt, gibt sich mit dem Predigen zufrieden und überläßt die Arbeit des persönlichen Dienstes einem andern, dann wird sein Werk dem Herrn nicht angenehm sein. Seelen, für die Christus starb, kommen um aus Mangel an richtig geleiteter persönlicher Arbeit, und wer unwillens ist, solche persönliche, zum Weiden der Herde notwendige Arbeit zu tun, hat seinen Beruf falsch verstanden.

Der Prediger muß zu rechter Zeit oder zur Unzeit bereit sein, die Gelegenheit zu ergreifen, Gottes Reichssache zu fördern. "Zu rechter Zeit" meint: er muß auf die Gelegenheiten im Hause, in der Gebetsstunde und da, wo man über religiöse Gegenstände spricht, achten; "zur Unzeit" heißt: bereit sein, ob im Familienkreis, auf dem Felde, am Wege oder auf dem Markt, die Sinne der Menschen in passender Weise auf die großen Lehren der Bibel zu richten und mit liebreichem, ernstem Geiste ihnen die Ansprüche Gottes klarzulegen. Viele, viele solche Gelegenheiten läßt man unbenutzt vorübergehen, weil man glaubt, daß es zur Unzeit sei. Wer aber weiß, welch eine Wirkung eine weise Ansprache aufs Gewissen haben mag? Es steht geschrieben: "Frühe säe deinen Samen und laß deine Hand des Abends nicht ab; denn du weißt nicht, ob dies oder das geraten wird; und ob beides geriete, so wäre es desto besser." Prediger 11,6. Der Sämann mag den Samen der Wahrheit mit schwerem Herzen säen, auch mögen manchmal seine Anstrengungen erfolglos erscheinen; ist er aber treu, so wird er Früchte seiner Arbeit sehen, denn Gottes Wort sagt: "Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen, und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben." Psalm 126,6.

Hausbesuche

Hat der Prediger das Evangelium vom Pulte aus verkündigt, dann ist sein Werk nur erst angefangen. Jetzt kommt für ihn die persönliche Arbeit. Er sollte die Leute in ihren Wohnungen aufsuchen und ernstlich und demütig mit ihnen reden und beten. Es gibt Familien, denen die Wahrheiten des Wortes Gottes unbekannt bleiben, wenn die Haushalter seiner Gnade nicht in ihre Wohnungen kommen und ihnen den höheren Weg zeigen. Aber die Herzen derer, die eine solche Arbeit verrichten, müssen im Einklang mit dem Herzen Jesu schlagen.

Der Befehl: "Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, auf daß mein Haus voll werde" (Lukas 14,23), schließt viel ein. Wenn Gottes Diener die Wahrheit in Familien lehren und denen, für die sie wirken, so recht nahe treten, wird Gott, mit dem sie so zusammenarbeiten, sie mit geistlicher Kraft ausrüsten. Christus wird sie in ihrem Werke leiten und ihnen Worte eingeben, die tief in die Herzen der Hörer dringen.

Es ist jedes Predigers Vorrecht, mit Paulus sagen zu können: "Ich habe euch nichts verhalten, daß ich nicht verkündigt hätte all den Rat Gottes." "Wie ich nichts verhalten habe, das da nützlich ist, daß ich's euch nicht verkündigt hätte und euch gelehrt öffentlich und sonderlich ... die Buße zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesus Christus." Apostelgeschichte 20,27.20.21.

Unser Heiland ging von Haus zu Haus, heilte die Kranken, tröstete die Traurigen, beruhigte die Leidenden und brachte den Untröstlichen Frieden. Er nahm kleine Kinder in die Arme, segnete sie und sprach den müden Müttern Hoffnung und Trost zu. Mit nie versagender Zärtlichkeit und Sanftheit trat er jeder Art menschlichen Elends und Leides entgegen. Nicht für sich sondern für andre wirkte der Heiland; er war aller Diener. Es war seine Speise, sein Trank, allen, mit denen er in Berührung kam, Hoffnung und Stärkung zu spenden. Und indem Männer und Frauen auf die Worte seines Mundes horchten, die grundverschieden von den Überlieferungen und Lehrsätzen der Rabbiner waren, erwachten neue Hoffnungen in ihren Herzen. Seine Lehren zeugten von einem Ernst, der seinen Worten überzeugende Kraft verlieh.

Meinen Brüdern im Predigtamt möchte ich sagen: Durch persönliches Wirken nähert euch den Leuten, wo sie sind. Werdet mit ihnen bekannt! Diese Arbeit kann nicht durch Stellvertretung getan werden; geliehene oder geschenkte Gelder können sie nicht ausführen; Predigten vom Pulte aus bringen sie nicht zustande. Das Lehren der Heiligen Schrift in den Familien ist die Arbeit eines Evangelisten, die mit dem Predigen verbunden werden muß. Wird sie unterlassen, so verfehlt die Predigt ihren Hauptzweck.

Die nach Wahrheit Suchenden bedürfen der zur rechten Zeit zu ihnen gesprochenen Worte; denn Satan redet zu ihnen durch seine Versuchungen. Stoßt ihr auf Widerstand, wenn ihr Seelen helfen wollt, so laßt euch nicht abschrecken. Scheint es auch, als ob nur wenig Gutes durch eure Arbeit erzielt wird, werdet nicht mutlos. Bleibt an der Arbeit; seid vorsichtig; erkennt die Zeit, wann zu sprechen und wann zu schweigen; sucht nach Seelen als die, welche Rechenschaft ablegen müssen, und achtet auf Satans Pläne, damit ihr nicht von eurer Pflicht abgelenkt werdet. Laßt euch nicht von Schwierigkeiten entmutigen oder einschüchtern, sondern tretet ihnen entgegen und überwindet sie mit starkem Glauben und festem Entschluß. Sät den Samen im Glauben mit freigebiger Hand.

Es kommt viel auf euer Benehmen zu denen an, die ihr besucht. Man kann einer Person die Hand zum Gruß auf eine solche Weise bieten, daß man sich sofort ihr Vertrauen erwirbt oder ihr so kalt entgegentreten, daß sie denken muß, man habe überhaupt keine Teilnahme für sie.

Wir dürfen uns nicht betragen, als ob es für uns eine Herablassung sei, mit den Armen zusammenzukommen. Sie sind in des Herrn Augen ebenso wertvoll wie wir, und wir müssen sie dementsprechend behandeln. Unsre Kleidung muß einfach sein, damit wir, wenn wir Arme besuchen, sie nicht in Verlegenheit bringen wegen des Unterschieds in ihrer und unsrer Erscheinung. Die Armen haben oft nur sehr wenig Freude; warum sollten Gottes Diener nicht Lichtstrahlen in ihre Wohnungen bringen? Wir bedürfen der zarten Teilnahme Jesu -- dann werden wir den Weg zu ihren Herzen finden.