Diener des Evangeliums

Kapitel 41

Arbeitsteilung

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Eine ernsthafte, vielleicht unvermutete Hemmung im Erfolg der Wahrheit findet sich oft in den Gemeinden selbst. Wird Anstrengung gemacht, unsern Glauben Nichtgläubigen vorzuführen, dann ziehen die Gemeindeglieder sich oft zurück, als ob sie gar keinen Anteil an der Sache hätte, und lassen den Prediger die ganze Last allein tragen. Aus diesem Grunde hat zuweilen die Arbeit unsrer fähigsten Prediger nur wenig Erfolg gezeitigt. Die allerbesten Predigten mögen gehalten werden, die Botschaft mag gerade den Bedürfnissen der Leute entsprechen, und doch werden keine Seelen gewonnen, um sie Christo als Garben darzustellen.

Wirkt ein Prediger an einem Ort, wo schon Seelen im Glauben stehen, dann sollte er fürs erste nicht so sehr danach trachten, Ungläubige zu bekehren, als Gemeindeglieder zur Mitarbeit heranzuziehen. Er muß auf sie persönlich einwirken, muß sie beeinflussen, selbst nach einer tieferen Erfahrung zu streben und für andre zu wirken. Sind sie bereit, den Prediger durch Gebet und Arbeit zu unterstützen, dann wird ein größerer Erfolg seine Bemühungen begleiten.

Nichts Dauerndes kann für die Gemeinden an verschiedenen Orten getan werden, wenn sie nicht angeregt werden, die auf ihnen ruhende Verantwortlichkeit zu empfinden. Jedes Glied der Gemeinschaft muß fühlen, daß das Heil der eignen Seele von seinen eignen persönlichen Bemühungen abhängt. Ohne Anstrengung werden keine Seelen gerettet. Der Prediger kann die Menschen nicht selig machen. Wohl kann er ein Leitweg sein, durch welchen Gott seinem Volk Licht zuströmen läßt; ist aber das Licht einmal gegeben, dann bleibt es den Gliedern überlassen, es anzuwenden und auf andre scheinen zu lassen. Testimonies for the Church II, 121.

Die Heranbildung von Hilfskräften in der Gemeinde

Der Prediger darf nicht glauben, daß es seine Pflicht sei, alles Reden, Wirken und Beten selbst zu tun; er muß in jeder Gemeinde Hilfskräfte heranbilden. Verschiedene Glieder können abwechselnd die Versammlungen leiten oder Bibellesungen halten. Dadurch werden die ihnen von Gott gegebenen Talente verwertet, und gleichzeitig empfangen die Betreffenden eine Ausbildung im Dienste des Evangeliums.

In gewisser Hinsicht kann man des Predigers Stellung mit der eines Aufsehers über eine Abteilung Arbeiter oder der eines Kapitäns über eine Schiffsmannschaft vergleichen. Sie müssen darauf achten, daß die ihnen unterstellten Männer die ihnen zugeteilten Arbeiten richtig und schnell ausführen, und nur im Notfall haben sie selbst Hand anzulegen.

Der Besitzer einer großen Mühle fand eines Tages seinen Werkmeister unten am Radgrund, wo er einige einfache Reparaturen vornahm, während sechs Arbeiter dabei standen und zusahen. Der Eigner erforschte die genau Tatsache, um sicher zu sein, keine Ungerechtigkeit zu begehen, ließ dann den Werkmeister zu sich rufen und überreichte ihm seine Kündigung mit voller Auszahlung seines Gehalts. Erstaunt erbat der Aufseher sich eine Erklärung. Sie wurde ihm in folgenden Worten gegeben: "Ich habe sie angestellt, damit Sie sechs Leute an der Arbeit halten sollen. Diese sechs fand ich unbeschäftigt, während Sie die Arbeit eines einzelnen taten, die irgendeiner der sechs hätte gerade so gut machen können. Ich kann doch nicht das Gehalt von sieben Arbeitern zahlen, damit Sie die sechs lehren, wie man faulenzt."

Diese Begebenheit mag auf einige Fälle anwendbar sein und auf andre nicht. Aber viele Prediger wissen nicht wie oder versuchen es nicht, die Gemeindeglieder zu den verschiedenen Zweigen der Gemeindearbeit tätig heranzuziehen. Würden sie ihre Aufmerksamkeit darauf richten, ihre Herde an die Arbeit zu bekommen und daran zu behalten, dann würden sie mehr Gutes vollbringen, mehr Zeit zum Studium und zu Missionsbesuchen haben und auch viele Ursachen zu Reibungen vermeiden.

Natürlich werden einige, weil sie keine Erfahrung haben, Fehler begehen; aber es muß ihnen auf eine freundliche Weise gezeigt werden, wie sich die Arbeit besser verrichten läßt. So kann der Prediger Männer und Frauen anleiten, in der guten Sache, die so sehr unter dem Mangel an Arbeitern leidet, Verantwortungen zu tragen. Gerade solche Männer brauchen wir, und am besten gewinnen sie die notwendige Erfahrung, indem sie sich mit Herz und Hand an der Arbeit halten.

Gerettet durch Bemühungen für andre

Eine Gemeinde, die wirkt, wächst auch. Die Glieder werden angeregt und gestärkt, indem sie andern helfen. Ich las von einem Mann, der an einem strengen Wintertage im starken Schneegestöber reiste und unter der Kälte so sehr litt, daß fast unbemerkbar seine Lebenskräfte versagten. Die Kälte übermannte ihn, und er stand im Begriff, den Kampf ums Leben aufzugeben, als er das Stöhnen eines andern Wanderers hörte, der ebenfalls infolge der Kälte im Sterben lag. Sein Mitleid wurde angeregt, und er beschloß, dem Unglücklichen zu helfen. Er rieb dessen eiskalte Glieder und versuchte unter großen Anstrengungen, ihn auf die Füße zu bringen. Da diese jedoch versagten, umfing er den Leidenden, von diesem Anblick gerührt, mit seinen Armen und trug ihn durch die Schneewehen, über welche er glaubte, nicht allein hinüberkommen zu können. Als er seinen Mitreisenden an einen sichern Platz gebracht hatte, erkannte er, daß er in Wahrheit nicht nur seinen Nächsten sondern auch sich selbst gerettet hatte. Seine ernstlichen Bemühungen, dem andern zu helfen, hatten das in seinen eignen Adern durch die Kälte erstarrende Blut belebt und eine gesunde Wärme bis in die äußersten Gliedmaßen seines Körpers gebracht.

Die Lehre, daß wir, indem wir andern Hilfe zuteil werden lassen, uns selbst helfen, muß jungen Gläubigen beständig durch Unterweisung und Beispiel eingeprägt werden, damit sie in ihrer christlichen Erfahrung die besten Ergebnisse erzielen. Die Niedergeschlagenen, denen der Weg zum ewigen Leben zu schwer dünkt, müssen sich aufmachen und andern helfen. Solche Anstrengungen, verbunden mit der Bitte um göttliches Licht, werden verursachen, daß ihre eignen Herzen unter dem belebenden Einfluß der Gnade Gottes lebhafter schlagen und ihre Liebe in gottähnlicherem Eifer erglüht. Ihr ganzes christliches Leben wird wirklicher, ernstlicher und gebetsreicher sein.

Wir dürfen nicht vergessen, daß wir Pilgrime und Fremdlinge auf Erden sind und ein besseres, ja ein himmlisches Vaterland suchen. Die sich mit dem Herrn durch ein Bündnis, ihm zu dienen, vereint haben, stehen unter der Verpflichtung, mit ihm in der Arbeit der Seelengewinnung zusammenzuwirken.

Gemeindeglieder sollten während der Woche ihren Anteil am Dienst Christi getreulich erfüllen und dann am Sabbat ihre Erfahrungen mitteilen. Dann wird die Versammlung Speise zur rechten Zeit sein und allen Anwesenden neues Leben und frische Kraft verleihen. Wenn Gottes Kinder die Notwendigkeit erkennen, so zu arbeiten, wie Christus für die Bekehrung des Sünders wirkte, werden die von ihnen am Sabbat abgelegten Zeugnisse Kraft in sich haben. Freudig werden sie die Köstlichkeit der Erfahrungen, die sie in der Arbeit für andre gemacht haben, bezeugen.

Die Gemeinde ist ein heiliges Gemeingut

Als Christus gen Himmel fuhr, vertraute er seinen Nachfolgern die Gemeinde mit allen ihren Bestrebungen als ein heiliges Gemeingut an. Die Arbeit für sie soll nicht allein dem Prediger oder einigen leitenden Männern überlassen werden, sondern ein jedes Glied muß sich bewußt sein, daß es einen feierlichen Bund mit dem Herrn geschlossen hat, nach besten Kräften, zu allen Zeiten und unter allen Umständen für die große Reichssache zu wirken. Ein jedes sollte etwas zu tun, eine Last zu tragen haben. Weit größere Fortschritte in geistlichen Dingen würden gemacht werden, wenn alle Gemeindeglieder eine persönliche Verantwortlichkeit fühlten. Diese auf ihnen ruhende heilige Last würde sie veranlassen, Gott oft um Kraft und Gnade zu bitten.

Der wahre Wert der Gemeinde wird nicht nach der von ihr behaupteten hohen Stellung, nicht nach den in ihren Büchern eingetragenen Namen geschätzt, sondern nach dem, was sie für den Meister tut, nach der Zahl ihrer ausharrenden, treuen Diener Christi. Persönliche, uneigennützige Bemühungen bewirken mehr für die Sache Christi, als Predigten und Glaubensbekenntnisse vermögen.

Die Prediger müssen die Gemeindeglieder lehren, daß sie, um geistlich wachsen zu können, die Last tragen müssen, die der Herr auf sie gelegt hat, nämlich die Bürde, Seelen zur Wahrheit zu führen. Alle, die diesen Verantwortlichkeiten nicht nachkommen, sollten besucht, es sollte mit ihnen gebetet und sich um sie bemüht werden. Laßt es nicht zu, daß die Leute sich auf euch als Prediger stützen; lehrt sie vielmehr, daß sie ihre Gaben gebrauchen müssen, um ihrer Umgebung die Wahrheit zu bringen. Auf diese Weise werden sie himmlische Engel als Mitarbeiter haben und eine Erfahrung erlangen, die ihren Glauben vergrößern und ihnen einen starken Halt an Gott geben wird.