Diener des Evangeliums

Kapitel 45

Das Gebet für die Kranken

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Heilung ist das Wesentlichste des Evangeliums. Der Heiland wünscht, daß seine Diener die Kranken, die Hoffnungslosen und die Trauernden ermuntern, seine Kraft erfassen. Gottes Diener sind Kanäle seiner Gnade, und durch sie wünscht er, seine heilende Kraft auszuüben. Es ist ihre Pflicht, die Kranken und Leidenden auf Armen des Glaubens zum Heiland zu bringen. Sie sollten so eng mit ihrem Herrn verbunden sein und in ihrem Leben so deutlich das Wirken seiner Wahrheit offenbaren, daß er sie zu einem segensreichen Mittel für solche machen kann, die der körperlichen und auch der seelischen Heilung bedürfen.

Es ist unser Vorrecht, mit den Kranken zu beten und ihnen zu helfen, das Band des Glaubens zu erfassen. Gottes Engel sind denen nahe, die in dieser Weise der leidenden Menschheit dienen. Wenden sich Kranke an den geweihten Botschafter Christi und versucht dieser, ihre Aufmerksamkeit auf göttliche Dinge zu lenken, so führt er ein Werk aus, das die ganze Ewigkeit hindurch bestehen wird. Nähert er sich den Kranken mit dem Trost der Hoffnung, den er durch den Glauben an Christum und die Annahme der göttlichen Verheißungen empfangen hat, dann wird er in seiner Erfahrung reicher an geistlicher Kraft.

Mit erwachendem Gewissen ruft manche geängstigte Seele aus, die unter körperlichen Schmerzen als Folge ihrer fortgesetzten Übertretungen leidet: "Gott, sei mir Sünder gnädig! Mache mich zu deinem Kind!" Dann ist es an der Zeit, daß der Diener Christi, stark im Glauben, dem Kranken sagt: Es gibt eine Hoffnung für den Reumütigen, in Jesu findet jede Seele, die nach Hilfe und Annahme verlangt, Befreiung und Frieden. Wer in Sanftmut und Liebe das Evangelium der leidenden Seele bringt, die so sehr ihrer Hoffnungsbotschaft bedarf, ist ein Mundstück dessen, der sich selbst für die Menschheit hingab. Spricht er hilfreiche, passende Worte und betet er für den Kranken, dann wendet Jesus die Heilmittel an. Gott spricht durch menschliche Lippen. Das Herz wird erreicht. Das Menschliche ist mit dem Göttlichen in Berührung gekommen.

Der Diener des Evangeliums sollte es aus Erfahrung wissen, daß die lindernde Gnade Christi Gesundheit, Frieden und völlige Freude mitteilt. Er sollte Christum als den kennen, der die Mühseligen und Schwerbeladenen einladet, zu ihm zu kommen und Ruhe zu finden. Er darf niemals vergessen, daß des Heilandes liebende Gegenwart beständig jedes menschliche Werkzeug umgibt, das von Gott berufen ist, geistliche Segnungen mitzuteilen. Dieser Gedanke wird seinem Glauben Lebenskraft und seinen Bitten Ernst verleihen.

Dann kann er denen, die ihn um Hilfe bitten, die gesundheitgebende Kraft der Wahrheit Gottes mitteilen, von den Wundern Christi reden und die Sinne der Kranken auf den großen Arzt richten, der sowohl Licht und Leben als auch Trost und Frieden ist. Er kann ihnen sagen, daß sie nicht zu verzagen brauchen, daß der Heiland sie liebt und daß sie, wenn sie sich ihm übergeben, seiner Liebe, seiner Gnade und erhaltenden Kraft sicher sind. Er muß sie dringend bitten, in den Verheißungen Gottes zu ruhen, da es seine Erfahrung ist, daß er, der diese Verheißungen gegeben hat, unser bester und treuster Freund ist. Bemüht er sich, den Sinn himmelwärts zu richten, so wird er finden, daß der Gedanke an das zärtliche Mitgefühl des großen Helfers, der den heilenden Balsam recht anzuwenden weiß, dem Kranken ein Gefühl der Ruhe und Stille verleiht.

Der göttliche Helfer ist im Krankenzimmer gegenwärtig; er hört jedes Wort des Gebets, das in der Einfachheit wahren Glaubens an ihn gerichtet wird. Seine Jünger sollen heute ebenso ernstlich wie die Jünger vor alters für die Kranken beten. Dann werden auch Genesungen folgen, denn "das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen". Jakobus 5,15.

Gottes Wort enthält bestimmte Anweisungen, wie wir für die Wiederherstellung Kranker beten sollen. Aber das Darbringen solcher Gebete ist eine sehr feierliche Handlung und sollte nicht ohne sorgfältige Überlegung vorgenommen werden. In vielen Fällen, wo man um die Heilung Kranker bittet, ist das, was man Glauben nennt, nur Vermessenheit.

Viele Personen ziehen sich Krankheit durch ihre Selbstbefriedigung zu. Sie haben nicht in Übereinstimmung mit dem Naturgesetz oder den Grundsätzen strenger Reinheit gelebt. Andre haben die Gesundheitsgesetze beim Essen und Trinken, Kleiden oder Arbeiten mißachtet. Oft ist irgendein Laster die Ursache der Schwäche von Körper und Geist. Würden diese Personen des Segens der Gesundheit teilhaftig werden, so würden viele von ihnen fortfahren, denselben Weg achtloser Übertretung von Gottes Natur-- und Sittengesetzen zu verfolgen. Sie würden den Schluß daraus ziehen, daß, wenn Gott sie in Erhörung der Gebete heilt, sie dann die Freiheit haben, ihre gesundheitswidrigen Gewohnheiten fortzusetzen und einem verdorbenen Appetit ohne Einschränkung zu frönen. Würde Gott ein Wunder tun und diesen Personen die Gesundheit wiederschenken, so würde er dadurch die Sünde ermutigen.

Es ist vergebliche Arbeit, das Volk zu lehren, auf Gott als einen Arzt für ihre Gebrechen zu blicken, solange sie nicht unterrichtet werden, ungesunde Gewohnheiten abzulegen. Um seinen Segen in Erhörung des Gebets zu empfangen, müssen sie mit dem Bösen brechen und lernen, Gutes zu tun. Ihre Umgebung muß gesundheitlich, ihre Lebensweise richtig sein. Sie müssen in Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes leben, sowohl mit dem Natur-- als auch mit dem Sittengesetz.

Sündenbekenntnis

Wünscht jemand, daß für seine Genesung gebetet wird, so sollte es ihm klar gemacht werden, daß die Übertretung von Gottes Gesetz, sei es das Natur -- oder das Sittengesetz, Sünde ist und daß er, wenn er den Segen des Himmels empfangen will, seine Sünden bekennen und lassen muß.

Die Schrift gebietet uns: "Bekenne einer dem andern seine Sünden und betet füreinander, daß ihr gesund werdet." Jakobus 5,16. Dem, der um Gebete für sich bittet, sollten folgende Gedanken vorgehalten werden: Wir können nicht ins Herz schauen oder die Geheimnisse deines Lebens ergründen; die sind nur dir und Gott bekannt. Wenn du deine Sünden bereust, so ist es deine Pflicht, sie zu bekennen.

Sünden persönlichen Charakters sollten Christo bekannt werden, dem einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen; denn "ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist". 1.Johannes 2,1. Jede Sünde ist ein Vergehen gegen Gott und muß ihm durch Christum bekannt werden. Jede offenbare Sünde sollte auch öffentlich bekannt werden. Unrecht, das einem Mitmenschen zugefügt wurde, sollte mit dem Betreffenden in Ordnung gebracht werden. Wenn jemand, der Gesundheit sucht, sich des Afterredens schuldig gemacht hat, wenn er in der Familie, der Nachbarschaft oder Gemeinde Zwietracht gesät hat, wenn er Entfremdung und Uneinigkeit hervorgerufen oder durch schlechte Gewohnheiten andre zur Sünde verführt hat, so sollten diese Dinge vor Gott und vor denen bekannt werden, denen Schaden zugefügt wurde. "So wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend." 1.Johannes 1,9.

Wenn das Unrecht gutgemacht ist, so mögen wir die Bedürfnisse des Kranken dem Herrn in stillem Glauben vorführen, wie sein Geist es eingibt. Er kennt jeden persönlich bei Namen und sorgt für einen jeden, als wenn kein andrer auf Erden sei, für den er seinen lieben Sohn hingab. Weil Gottes Liebe so groß und unwandelbar ist, sollten die Kranken ermutigt werden, ihm zu vertrauen und getrost zu sein. Um sich selbst besorgt zu sein, verursacht Schwäche und Unbehagen. Wenn sie sich über Niedergeschlagenheit und Schwermut erheben, wird ihre Aussicht auf Genesung viel größer sein; denn "des Herrn Auge sieht auf die, ... die auf seine Güte hoffen". Psalm 33,18.

Unterwerfung unter Gottes Willen

Beim Gebet für die Kranken sollte man daran gedenken, daß "wir nicht wissen, was wir beten sollen, wie sich's gebührt". Römer 8,26. Wir wissen nicht, ob der erwünschte Segen das Beste sein wird oder nicht. Deshalb sollten unsre Gebete diesen Gedanken einschließen: "Herr du kennst jedes Geheimnis der Seele, du bist bekannt mit diesen Personen. Jesus, ihr Fürsprecher, gab sein Leben für sie; seine Liebe für sie ist größer als unsre je sein kann. Wenn es deshalb zu deiner Ehre und zum Heil der Kranken gereicht, so bitten wir im Namen Jesu, daß sie gesund werden möchten. Wenn es nicht dein Wille ist, daß sie wiederhergestellt werden, so bitten wir, daß deine Gnade sie trösten und deine Gegenwart sie an ihren Leiden aufrechterhalten möge."

Gott weiß das Ende vom Anfang, er ist mit den Herzen aller Menschen bekannt. Er kann jedes Geheimnis der Seele lesen. Er weiß, ob diejenigen, für welche Gebete dargebracht werden, imstande sind oder nicht, die Prüfungen zu erdulden, welche über sie kommen werden, wenn sie am Leben bleiben. Er weiß, ob ihr Leben für sie selbst und für die Welt ein Segen oder ein Fluch sein wird. Aus diesem Grunde sollten wir, während wir mit Ernst unsre Bitten vorbringen, sagen: "Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!" Lukas 22,42. Jesus fügte diese Worte der Unterwerfung unter die Weisheit und den Willen Gottes hinzu, als er im Garten Gethsemane betete: "Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir." Matthäus 26,39. Und wenn sie für ihn, den Sohn Gottes, passend waren, wieviel mehr sind sie den Lippen sterblicher, irrender Menschen angepaßt!

Der folgerichtige Weg ist, unsre Wünsche unserm allweisen himmlischen Vater zu übergeben und ihm dann in vollkommener Hingabe alles anzuvertrauen. Wir wissen, daß Gott uns hört, wenn wir nach seinem Willen bitten. Aber ihn mit unsern Bitten ohne Unterwürfigkeit drängen wollen, ist nicht recht; unsre Gebete dürfen nicht die Form eines Befehls annehmen, sondern müssen als Bitte vorgebracht werden. Es gibt Fälle, wo Gott entschieden durch seine göttliche Macht zur Wiederherstellung der Gesundheit wirkt. Aber nicht alle Kranken werden geheilt. Viele werden in Jesu zur Ruhe gelegt. Johannes wurde auf der Insel Patmos geboten zu schreiben: "Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an. Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach." Offenbarung 14,13. Hieraus sehen wir, daß, wenn Personen nicht wieder gesund werden, man deshalb nicht urteilen darf, daß es ihnen an Glauben fehlte.

Wir alle wünschen auf unsre Gebete unverzügliche und unmittelbare Erhörung und sind geneigt, entmutigt zu werden, wenn sie sich verzögert oder in andrer Form kommt, als wir erwarteten. Aber Gott ist zu weise und zu gütig, unsre Gebete stets gerade zu der Zeit und auf die Weise zu erfüllen, wie wir es wünschen. Er will mehr und Besseres für uns tun, als alle unsre Wünsche ausführen. Und weil wir seiner Weisheit und Liebe vertrauen können, sollten wir ihn nicht bitten, nach unserm Willen zu gehen, sondern sollten versuchen, in seine Absicht einzudringen und sie zu erfüllen. Unsre Wünsche und Bestrebungen sollten in seinem Willen aufgehen.

Diese Erfahrungen, welche den Glauben prüfen, dienen zu unserm Besten. Dadurch wird es offenbar, ob unser Glaube wahrhaftig und aufrichtig ist, ob er auf dem Worte Gottes allein ruht, oder ob er von Umständen abhängt und deshalb unsicher und veränderlich ist. Der Glaube wird durch Übung gestärkt. Wir müssen zur Vollkommenheit in der Geduld gelangen, indem wir daran gedenken, daß die Schrift köstliche Verheißungen für solche enthält, die auf dem Herrn harren.

Nicht alle verstehen diese Grundsätze. Viele, die des Herrn heilende Gnade suchen, denken, daß ihre Gebete unmittelbare und unverzügliche Erhörung finden müssen, oder ihr Glaube sei mangelhaft. Aus diesem Grunde sollte man solche, die durch Krankheit geschwächt sind, in aller Weisheit darüber aufklären, damit sie vorsichtig handeln. Sie sollten nicht ihre Pflicht gegen ihre Freunde, die sie zurücklassen mögen, mißachten oder es vernachlässigen, natürliche Mittel zur Wiederherstellung der Gesundheit anzuwenden.

Hier ist Gefahr, in Irrtum zu geraten. Indem sie glauben, daß sie durchs Gebet geheilt werden, fürchten sich manche, irgend etwas zu tun, was wie ein Mangel an Glauben aussehen könnte. Aber sie sollten nicht vernachlässigen, ihre Angelegenheiten zu ordnen, wie sie es tun würden, wenn sie erwarteten, durch den Tod weggerafft zu werden. Sie sollten sich auch nicht fürchten, Worte der Ermutigung und des Rates zu sprechen, welche sie in der Abschiedsstunde an ihre Geliebten richten möchten.

Heilmittel

Sucht eine Seele Heilung durch Gebet, so sollte sie nicht versäumen, von den Heilmitteln innerhalb ihres Bereiches Gebrauch zu machen. Solche Mittel zu gebrauchen, die Gott zur Linderung der Schmerzen und als Hilfe der Natur in ihrem Werk der Wiederherstellung vorgesehen hat, ist keine Verleugnung des Glaubens. Auch verleugnet man seinen Glauben keineswegs, wenn man mit Gott zusammenwirkt und sich in die Lage versetzt, welche der Genesung am günstigsten ist. Gott hat es in unsre Macht gelegt, über die Lebensgesetze Kenntnis zu erlangen. Das liegt in unserm Bereich, damit wir uns diese Kenntnis nutzbar machen. Wir sollten jedes Mittel zur Wiederherstellung der Gesundheit anwenden, jeden möglichen Vorteil wahrnehmen und in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen wirken. Wenn wir für die Wiederherstellung der Kranken gebetet haben, können wir mit desto mehr Eifer arbeiten und Gott danken, daß wir das Vorrecht haben, mit ihm zusammenzuwirken. Wir können seinen Segen auf die Mittel erflehen, welche er selbst vorgesehen hat.

Gottes Wort billigt den Gebrauch von Heilmitteln. Hiskia, der König von Israel, war krank, und ein Prophet Gottes brachte ihm die Botschaft, daß er sterben sollte. Er schrie zum Herrn, und der Herr erhörte seinen Knecht und sandte ihm die Botschaft, daß seinem Leben fünfzehn Jahre zugefügt werden sollten. Ein Wort von Gott würde nun Hiskia sofort geheilt haben; aber es wurde die besondre Anweisung gegeben: "Bringet her ein Pflaster von Feigen! Und da sie das brachten, legten sie es auf die Drüse; und er ward gesund." 2.Könige 20,7.

Bei einer Gelegenheit salbte Jesus die Augen eines Blinden mit Kot und gebot ihm: "Gehe hin zu dem Teich Siloah und wasche dich. Da ging er hin und wusch sich und kam sehend." Johannes 9,7. Die Heilung konnte allein durch die Macht des großen Arztes vollbracht werden, aber Christus gebrauchte die einfachen Mittel der Natur. Während er keine Arzneien verschrieb, billigte er den Gebrauch einfacher und natürlicher Mittel.

Wenn wir für die Wiederherstellung der Kranken gebetet haben, laßt uns nicht den Glauben an Gott verlieren, wie auch der Fall verlaufen mag. Werden wir unsrer Lieben beraubt, laßt uns den bittren Kelch hinnehmen und daran gedenken, daß ihn eines Vaters Hand an unsre Lippen hält. Wird die Gesundheit wiedergeschenkt, so sollte man nicht vergessen, daß der Empfänger der Heilsgabe unter einer neuen Verpflichtung gegen den Schöpfer steht. Als die zehn Aussätzigen geheilt wurden, kehrte nur einer zu Jesu zurück, ihm die Ehre zu geben. Möge keiner von uns den vergeßlichen Neun gleichen, deren Herzen von der Barmherzigkeit Gottes unberührt blieben. "Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis." Jakobus 1,17. In den Fußspuren des großen Arztes 231-237.