Diener des Evangeliums

Kapitel 101

Der Geist der Unabhängigkeit

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Ehe ich Australien verließ und auch seitdem ich wieder in Amerika wohne, bin ich belehrt worden, daß noch viel Arbeit in diesem Lande getan werden muß. Unsere älteren Arbeiter sterben dahin, nur wenige Bahnbrecher im Werke weilen unter uns. Viele von den schweren Bürden, welche ehemals die erfahrungsreichen Männer trugen, fallen jetzt auf jüngere Leute.

Dies Übertragen von Verantwortungen auf mehrere junge Leute bringt manche Gefahren mit sich, gegen die wir uns verwahren müssen. Die Welt ist voll Streit um die Oberherrschaft. Der Geist, sich von den Mitarbeitern loszureißen, der Geist der Unordnung macht sich überall geltend. Etliche betrachten jede Bemühung, Ordnung durchzuführen, sogar als gefährlich, als ein Beschränken der persönlichen Freiheit, das deshalb ebenso sehr gefürchtet werden sollte wie das Papsttum. Diese betrogenen Seelen sind stolz auf ihre Freiheit, ganz unabhängig denken und handeln zu können. Sie erklären, daß sie sich nicht an Menschenwort halten und niemand verantwortlich sind. Ich bin belehrt worden, daß Satan besondere Anstrengungen macht, um die Menschen dahin zu bringen, daß sie glauben, Gott habe ein Wohlgefallen daran, wenn sie unabhängig von dem Rat ihrer Brüder ihre eigenen Wege wählen.

Hierin liegt eine ernste Gefahr für das Wohl unsres Werkes. Wir müssen verständig, vernünftig, im Einklang mit dem Urteil gottesfürchtiger Ratgeber vorangehen; nur darin liegt unsre Sicherheit und Kraft. Sonst kann Gott nicht mit uns, bei uns und für uns wirken.

Wie sehr würde Satan triumphieren, wenn er Erfolg hätte, sich unter dies Volk zu drängen und das Werk in Unordnung zu bringen zu einer Zeit, da gründliche Organisation wesentlich ist und die größte Macht sein wird, falsche Erhebungen fernzuhalten und Ansprüche zu widerlegen, die durch Gottes Wort nicht bestätigt sind! Wir müssen die Zügel gleichmäßig straff halten, damit die Einrichtung der Organisation und Ordnung, die so weise und sorgfältig aufgebaut wurde, nicht umgestoßen werde. Beglaubigungsscheine dürfen denen, welche gegen die Ordnung sind und das Werk zu dieser Zeit beherrschen möchten, nicht ausgehändigt werden.

Einige haben den Gedanken verbreitet, daß mit dem Herannahen des Endes jedes Gotteskind unabhängig von irgendwelcher religiösen Organisation handeln werde. Aber der Herr hat mich unterwiesen, daß es in unserm Werk keine solche Unabhängigkeit gibt. So wie die Sterne am Himmel alle unter dem Gesetz stehen, wie der eine den andern beeinflußt, den Willen Gottes auszuführen, alle gemeinsam dem Gesetz, das ihre Bewegungen leitet, gehorchen, so muß Gottes Volk sich aneinander anschließen, um des Herrn Werk ununterbrochen und wahrhaft zu fördern.

Die heftigen, kurz dauernden Antriebe einiger vorgeblicher Christen lassen sich gut mit starken uneingefahrenen Pferden vergleichen. Zieht eins nach vorn, so zieht das andre zurück; auf die Stimme ihres Herrn springt eins vorwärts, das andre bleibt unbeweglich stehen. Wollen die Menschen in dem großen, erhabenen Werk dieser Zeit nicht in Übereinstimmung wirken, so wird es Verwirrung geben. Es ist kein gutes Zeichen, wenn Männer sich nicht mit ihren Brüdern verbinden, sondern allein stehen wollen. Die Diener Gottes sollten solche Brüder in ihr Vertrauen ziehen, die sich frei fühlen, jedes Abweichen von richtigen Grundsätzen klarzulegen. Wer Christi Joch trägt, kann nicht auseinanderreißen; er zieht mit Christo.

Einige Arbeiter ziehen mit aller ihnen verliehenen Kraft, aber sie haben noch nicht gelernt, daß sie nicht allein ziehen müssen. Anstatt sich abzuschließen, müssen sie im Einklang mit ihren Mitarbeitern wirken. Tun sie das nicht, so wird ihre Wirksamkeit zu unrechter Zeit und in verkehrter Weise sein. Oft werden sie das Gegenteil tun von dem, was Gott wünscht, und auf diese Weise schadet ihr Werk mehr, als es frommt.

Anderseits müssen die Leiter unter dem Volke Gottes sich vor der Gefahr bewahren, Arbeitsweisen einzelner Prediger zu verdammen, die von dem Herrn geleitet, ein besonderes Werk zu tun, wofür nur wenige geschickt sind. Brüder in verantwortlichen Stellungen sollten langsam sein, Maßnahmen zu kritisieren, die nicht in vollkommener Übereinstimmung mit ihren eigenen Arbeitsweisen stehen. Sie dürfen nicht voraussetzen, daß jeder Plan ihre eigene Persönlichkeit widerspiegeln sollte. Sie sollen den Verfahren eines andern vertrauen; denn wenn sie einem Mitarbeiter, der mit demütigem und geheiligtem Eifer ein besonderes, nach Gottes Willen bestimmtes Werk ausführt, ihr Vertrauen entziehen, hindern sie den Fortschritt der Reichssache des Herrn.

Gott kann und will die gebrauchen, welche keine gründliche Ausbildung in der Schule der Menschen hatten. Ein Zweifeln an Gottes Macht, solches zu tun, ist offenbarer Unglaube, ist ein Beschränken der Allmacht dessen, bei dem nichts unmöglich ist. O, daß sich weniger von dieser nicht gerechtfertigten, mißtrauischen Vorsicht zeigen möchte! Sie veranlaßt, daß so viele Kräfte der Gemeinde unbenutzt bleiben; sie verschließt den Weg, so daß der Heilige Geist die Menschen nicht gebrauchen kann; sie hält die untätig, welche gern und willig für Christi Sache wirken möchten; sie entmutigt und hindert viele, ins Werk einzutreten, die mit Gottes Hilfe fähige Arbeiter geworden wären, wenn man ihnen Gelegenheit dazu gegeben hätte.

Dem Propheten schien jedes Rad, als wäre es im andern und die mit den Rädern eng verbundene Erscheinung der Lebewesen verwickelt und unerklärlich. Aber die Hand unendlicher Weisheit zeigt sich zwischen den Rädern, und eine vollkommene Ordnung ergibt sich aus ihrem Zusammenwirken. Jedes Rad, geleitet von der Hand Gottes, wirkt in vollständiger Ausgeglichenheit mit jedem andern. Ich habe gesehen, daß menschliche Werkzeuge geneigt sind, nach zu viel Macht zu streben und daß sie danach trachten, das Werk selbst zu leiten. Sie lassen Gott den Herrn, den mächtigen Werkmeister, zu oft unbeachtet in ihren Verfahrensweisen und Plänen und vertrauen ihm zu wenig in der Förderung des Werkes. Keiner sollte sich auch nur für einen Augenblick einbilden, daß er imstande sei, solche Dinge zu regieren, die dem großen "Ich bin" zukommen. Gott bereitet in seiner Vorsehung einen Weg zu, damit das Werk von menschlichen Werkzeugen getan werden kann. Darum möge jeder Mann auf seinem Posten der Pflicht stehen, für diese Zeit seinen Anteil ausführen und wissen, daß Gott sein Lehrmeister ist.

Die Generalkonferenz

Ich bin oft vom Herrn unterwiesen worden, daß keines Menschen Urteil irgendeinem Mann unterworfen werden sollte. Niemals sollte die Meinung eines Mannes oder das Urteil einiger Männer als genügend Weisheit und Kraft betrachtet werden, um das Werk zu leiten und zu sagen, welcher Plan befolgt werden müsse. Wenn aber auf der Generalkonferenz das Urteil der aus allen Teilen des Feldes versammelten Brüder ausgeführt wird, so dürfen persönliche Unabhängigkeit und persönliches Urteil nicht hartnäckig aufrechterhalten, sondern müssen aufgegeben werden. Niemals darf ein Arbeiter die beharrliche Aufrechterhaltung seiner unabhängigen Stellung als eine Tugend betrachten, wenn sie gegen den Entscheid der Gesamtgemeinschaft geht.

Zuweilen, wenn eine kleine Gruppe von Männern, die mit der allgemeinen Leitung des Werkes betraut waren, im Namen der Generalkonferenz versuchten, unweise Pläne auszuführen und Gottes Werk zu beeinträchtigen, habe ich gesagt, daß ich die Generalkonferenz, dargestellt durch diese wenigen Männer, nicht länger als die Stimme Gottes ansehen könnte. Damit sei aber nicht gesagt, daß die Entscheidung einer Generalkonferenz, die aus einer Versammlung richtig gewählter Vertreter von allen Teilen des Feldes besteht, nicht geachtet werden sollte. Gott hat es so verordnet, daß die Vertreter seiner Gemeinde von allen Teilen der Erde Machtbefugnis haben sollen, wenn sie als eine Generalkonferenz versammelt sind. Der Fehler, den etliche in Gefahr stehen zu begehen, besteht darin, daß dem Verstand und Urteil eines Mannes oder einer geringen Anzahl von Männern das volle Maß der Machtbefugnis und des Einflusses zugesprochen wird, womit Gott seine Gesamtgemeinschaft betraut hat in dem Urteil und der Stimme der Generalkonferenz, die sich versammelt, um für das Gedeihen und die Förderung seines Werkes Pläne zu legen.

Wenn diese Macht, die Gott seiner Gemeinde verliehen hat, einzig und allein einem Manne zugeschrieben und ihm die Machtbefugnis gegeben wird, für andre zu urteilen, dann wird die wahre biblische Ordnung umgestoßen. Satan würde in einer höchst hinterlistigen Weise manchmal beinahe überwältigend auf einen solchen Mann einwirken, hoffend, durch diesen einen Mann viele andre zu beeinflussen. Laßt uns das, was wir einem Mann oder einer kleinen Anzahl von Männern geneigt sind zu geben, vielmehr der dazu befugten höchsten Organisation der Gemeinde geben. Testimonies for the Church IX, 257-261.