Leben und Wirken von Ellen G. White

Kapitel 49

Über den Stillen Ozean

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Ältester S. N. Haskell erließ in seinen Berichten und Ansprachen an die im Jahre 1891 abgehaltene Generalkonferenz ernste Aufrufe, dass Arbeiter nach fernen Ländern, die er kürzlich besucht hatte, geschickt werden möchten, und er drang besonderes darauf, dass für die Gründung einer Ausbildungsschule für christliche Arbeiter in Australien Vorkehrungen getroffen würden. Er war aufs tiefste von der Wichtigkeit dessen überzeugt, dass die jungen Leute in jedem großen Teile der Welt in ihrem eigenen Lande für den Dienst als Kolporteure, Lehrer und Prediger ausgebildet würden. Er bat, dass Lehrer ausgewählt werden möchten, um in Australien eine Schule zu eröffnen, und dass ferner Frau Ellen G. White und ihr Sohn W. C. White einige Zeit in jenem Felde zubringen möchten.

Gleich nach der Konferenz wurde von der Missionsbehörde beschlossen, sie einzuladen, die Reise im Herbste anzutreten. Dies würde sie im australischen Sommer nach ihrem neuen Arbeitsfelde bringen. Der im Oktober abgehende Dampfer war überfüllt, und die Abreise von San Francisco wurde bis zur Abfahrt des Schiffes "Alameda" am 12. November verschoben.

Ältester Geo. B. Starr und seine Frau, die erwählt worden waren, um an der zu gründenden australischen Schule Anteil zu haben, waren bis nach den Hawaii Inseln vorausgereist, wo sie vor den Ankunft der "Alameda" mehrere sehr geschäftige Wochen zugebracht hatten. Die andern Glieder der Gesellschaft waren W. C. White, Mary A. Davis, May Walling, Fannie Bolton und Emily Campbell.

Die Reise

Das Wetter während der meisten der fünfundzwanzig Tage war gut.

In Honolulu hielt das Schiff neunzehn Stunden an, und was für erfreuliche Stunden waren dies! Hier wurde die Reisgesellschaft von mehreren Geschwistern in Empfang genommen, und es wurden ihnen die Schönheiten des Ortes gezeigt und ihnen in dem Heim der Schwester Kerr ein Festmahl zubereitet. Unterdessen wurden Bekanntmachungen verbreitet, und am Abend sprach Frau White zu einer großen Zuhörerschar in dem Saale des christlichen Jünglingsvereins.

An ihrem vierundsechzigsten Geburtstag, an dem Tage vor der Ankunft des Schiffes in Camoa, schrieb Frau White:

"Wenn ich das vergangene Jahr überblicke, bin ich mit Dankbarkeit zu Gott erfüllt für seine erhaltende Fürsorge und Güte. Wir leben in gefährlichen Zeiten, da alle unsere Kräfte Gott geweiht sein müssen. Wir sollen Christo in seiner Demut, seiner Selbstverleugnung, seinem Leiden nachfolgen. Wir schulden Jesu alles, und ich weih mich seinem Dienste von neuem, um ihn vor dem Volke zu erhöhen und seine unvergleichliche Liebe zu verkündigen."

Am 3. Dezember, ungefähr zu Mittag, landete die "Alameda" an der Auckland-Werft. Sehr bald war eine Anzahl leitender Glieder der Auckland-Gemeinde an Bord und bewillkommte die Reisegesellschaft in Neuseeland. Alle wurden zu dem Heim des Bruders Edward Hare eingeladen. Während des Mittagmahles wurden viele Erlebnisse gelegentlich des ersten Besuches des Ältesten Haskell erzählt. Am Nachmittage wurden die Stadt und ihre schöne Umgebung besichtigt, und am Abend sprach Frau White in dem ersten Siebenten-Tags-Adventisten-Versammlungshause, das südlich vom Äquator errichtet worden war, zu einer begierigen Zuhörerschaft über die Liebe Jesu.

Frühe am nächsten Tage setzte die "Alameda" ihre Reise fort und lief am 8. Dezember um sieben Uhr morgens in dem Hafen von Sidney ein. Ältester A. G. Daniells und Frau erwarteten uns an der Werft. Während der Woche, die in ihrem Heim zugebracht wurde, sprach Frau White zweimal zu der Sidney-Gemeinde.

Am 16. Dezember erreichte die Reisegesellschaft Melbourne und wurde vom Ältesten Geo. C Tenney und seinen Mitarbeitern im Verlagshause aufs herzliche bewillkommt. In Erwartung der Ankunft Frau Whites hatte Ältester Tenney sein neues Haus geräumt, und er bestand darauf, dass sie und ihre Helfer einziehen und es zu ihrem Heime machen sollten.

Die australische Konferenzsitzung

Es war nur eine Woche bis zur Eröffnung der australischen Konferenz, die vom 24. Dezember an in Federal Hall, Nord Fitzoy, Melbourn, abgehalten werden sollte. Es wohnten dieser Konferenz ungefähr hundert Vertreter von den Gruppen Sabbathaltern in Viktoria, Tasmanien, Südaustralien und Neusüdwales bei.

Zu dieser Zeit waren in ganz Australien und Tasmanien ungefähr vierhundertfünfzig Sabbathalter. In der Hauptstadt einer jeden der betretenen Kolonien war eine Gemeinde gegründet worden, und in diesen leitenden Städten wohnte die Mehrzahl der Glieder.

Während der Konferenz wurde der Frage viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie von der Handvoll Gläubigen, auf denen die Verantwortlichkeit ruhte, das Licht der Botschaft emporzuhalten, dieselbe nach allen Teilen des großen australischen Kontinents getragen werden könnte. Tausende mit Wahrheit angefüllte Bücher waren von treuen Kolporteuren in die Häuser der Leute gebracht worden, und es wurden jetzt Pläne für die Beschäftigung von Bibelarbeitern gelegt, die nach dem durch das Lesen dieser Bücher erweckten Interesse sehen sollten.

Erwägung von Schulinteressen

Die Mehrzahl derer, die in Australien die Wahrheit angenommen hatten, waren in den Städten wohnende Handelsleute. Als ihre Kinder das Alter erreichten, da sie die öffentlichen Volkschulen verlassen und Vorbereitung treffen mussten, um zum Unterhalt der Familie beizutragen, fand es sich, dass es wegen ihrer Beobachtung des Sabbats sehr schwierig für sie war, Beschäftigung zu bekommen oder ein Handwerk zu erlernen. Einige wünschten, dass ihre Kinder zu Arbeitern im Werke herangebildet würden. Aber wie konnte dies getan werden? Die Kolonien gingen durch eine Zeit ernster finanzieller Bedrückung, und viele von den Sabbathaltern, mit Tausenden von andern, waren in großer Sorge und mit Arbeit überbürdet, um die Ihrigen mit den Notwendigkeiten des Lebens zu versorgen. Wie konnten sie also zu einer solchen Zeit das kostspielige Unternehmen beginnen, eine Erziehungsanstalt für die Gemeinschaft zu gründen und zu unterhalten?

Die Kolporteure baten, dass die Schule sofort gegründet werde. Viele von ihnen waren schon frühe in ihrem Leben auf ihre eigene Hilfe angewiesen gewesen und hatten nur wenig Schulbildung genossen, und ihre Arbeit unter den Leuten hatte sie zu dem Bewusstsein gebracht, dass sie die Gelegenheit haben müssten, sich für tüchtigeren Dienst auszubilden. Sie sagten, dass wenn in Australien nicht bald eine Schule gegründet werde, sie gezwungen sein würden, die kostspielige Reise nach Amerika zu machen, um sich dort die für den besten Erfolg ihrer Arbeit notwendige Schulbildung anzueignen. Sie sagten auch, dass während einige wenige von ihnen imstande sein würden, dies zu tun, viele, die nicht die Mittel hätten, nach Schulen auf der andern Seite des Meeres zu gehen, eine Schule in Australien besuchen würden.

Die Konferenz ernannte ein Komitee, um Pläne zu legen, und ein anderes Komitee, um die Frage der Lage der Schule zu studieren, und bewilligte das Abhalten einer Arbeiterschule während auf die Auswahl der Lage und die Errichtung der Gebäude gewartet wurde.

Krankheit und Änderung der Pläne

Es war geplant worden, dass Frau White mit ihrem Sohne und den Ältersten Daniells und Starr der Neuseeland-Konferenz, die im April 1892 abgehalten werden sollte, beiwohnen sollte; aber kurz nach dem Schluss der Melbourne-Versammlung erlitt sie einen heftigen Anfall von Nervenentzündung. Als es klar wurde, dass sie die Neuseeland-Versammlung nicht besuchen konnte, mietete sie eine geräumige Wohnung in Preston, einer nördlichen Vorstadt von Melbourne, und sagte, dass sie tun werde, was sie könne, um ihre lang versprochene Arbeit an dem Leben Christi zu vollenden.

Von Zeit zu Zeit, wenn das Wetter günstig war, sprach Frau White in den Sabbatversammlungen der Melbourne-Gemeinde. Als sie manchmal nicht imstande war, die Treppen zur Federal Hall hinaufzusteigen, wurde sie zum Rednerpulte getragen, und als sie bei zwei oder drei Gelegenheiten nicht fähig war, zu stehen, sprach sie in einem bequemen Stuhle sitzend.

Die Eröffnung der australasischen Bibelschule

Während des Winters 1892 beobachtete Frau White mit regstem Interesse die Versuche, die gemacht wurden, um die geplante Schule zu eröffnen. Im April bat sie die leitenden Brüder in Amerika, die Möglichkeiten der Zukunft zu erkennen und für die Ausbildung einer großen Anzahl Arbeiter, die in unbetretene Gebiete eindringen könnten, Vorkehrungen zu treffen. "O, welche großen Menschenmassen sind noch nicht gewarnt worden!" schrieb sie. "Ist es recht, dass solche überreichlichen Gelegenheiten und Vorrechte für das Werk in Amerika vorgesehen werden sollten, während hier in diesem Felde solch ein Mangel an der richtigen Art von Arbeitern herrscht? Wo sind Gottes Missionare?"

"Unser Feld ist die Welt", erklärte sie. "Der Heiland gebot seinen Jüngern, ihre Arbeit in Jerusalem zu beginnen, und dann durch Judäa und Samaria bis zu den äußersten Enden der Erde vorzudringen. Nur ein geringer Teil der Leute nahm die Lehren an; aber die Boten trugen die Botschaft schnell von Ort zu Ort, gingen von einem Lande zum andern und pflanzten das Banner des Evangeliums in allen nahen und fernen Plätzen der Erde auf."

Im Juni machte das Komitee, das mit der Sache beauftrag worden war, bekannt, dass am der St. Kilda-Straße in Melbourne zwei große Häuser in George's Terrace für die Schule gemietet worden seien.

Frühe im August kamen Ältester L. J. Rosseau und Frau von Amerika an, und am 24. August begann ein Termin von sechzehn Wochen. Die Lehrer waren: Ältester Rousseau als Vorsteher der Schule; Ältester Starr für Bibelunterricht; W. L. H. Baker und Frau Rousseau für Unterricht in den gewöhnlichen Fächern; Frau Starr als Wirtschafterin. Die Schule hatte bald vierundzwanzig Schüler, von denen beinahe alle Erwachsene waren. Zwölf waren Kolporteure gewesen oder bereiteten sich für jenes Werk vor. Die Hälfte der andern zwölf waren Arbeiter in andern Zweigen des christlichen Dienstes gewesen.

Am Eröffnungstage wurden von den Ältesten Daniells, Lenny, Starr, White und Rousseau kurze Ansprachen gehalten, sowie auch von Frau White, die in ihren Bemerkungen deutlich den weiten Wirkungskreis einer denominationellen Erziehungsanstalt und das enge Verhältnis, in dem sie zur schleunigen Vollendung des Werkes Gottes auf Erden steht, vorführte. Aber ihre besondere Bürde schien die zu sein, den Lehrern und Schülern die Tatsache tief einzuprägen, dass Gott in seiner Vorsehung den Boten des Kreuzes ein Land nach dem andern eröffnet und dass in diesen für das Evangelium reisen Ländern aufrichtige Herzen begierig nach dem Lichte der Wahrheit verlangen.

"Die Pläne und die Arbeit der Menschen", sagte sie, "halten mit der Vorsehung Gottes nicht Schritt; denn während etliche in diesen Ländern, die da vorgeben, der Wahrheit zu glauben, durch ihre Stellungnahme erklären: ‚Wir wollen nicht deinen Weg, o Herr, sondern unsern Weg', gibt es viele, die Gott bitten, dass sie verstehen möchten, was Wahrheit ist. An geheimen Orten weinen und beten sie, dass sie Licht in der Heiligen Schrift sehen möchten, und der Herr des Himmels hat seinen Engeln befohlen, mit Menschen zusammen zu wirken, um seine weiten Pläne auszuführen, so dass alle, die Leben haben wollen, die Herrlichkeit Gottes schauen können."

"Wir müssen da folgen, wo Gottes Vorsehung den Weg öffnet", fuhr die Sprecherin fort, "und wenn wir voranschreiten, werden wir finden, dass Gott uns vorausgegangen ist und uns das Arbeitsfeld weit über unsere Mittel und Fähigkeiten hinaus, dasselbe zu besetzen, erweitert hat. Das große Bedürfnis des offen vor uns liegenden Feldes sollte an alle appellieren, denen Gott Mittel und Fähigkeiten gegeben hat, damit sie sich und alles, was sie haben, Gott weihen."

Die, welche eine Ausbildung erlangen, sollten auch nicht in ihren Missionsbestrebungen durch Grenzen der Kasse und der Nationalität beschränkt sein. Wo sie auch arbeiten würden, sollten ihre Anstrengungen von einem schnellen Siege begleitet sein. "Die von gottgeweihten Missionaren zu erzielenden Resultate", erklärte Frau White, "sind sehr umfangreich. Das Feld der Missionstätigkeit ist nicht durch Kaste oder Nationalität beschränkt. Das Feld ist die Welt, und das Licht der Wahrheit soll in einer viel kürzeren Zeit, als viele es für möglich halten, nach den dunkelsten Plätzen der Erde dringen."1

Bei dieser Eröffnung der australasischen Bibelschule, die sich später zum australasischen Missionskollegium entwickelte, war es, als Frau White sagte:

"Das Missionswerk in Australien und Neuseeland befindet sich noch in seinen Anfangstadien, aber dasselbe Werk muss in Australien, Neuseeland, in Afrika, Indien, China und auf den Inseln des Meeres getan werden, das im Heimatlande verrichtet worden ist."2

Mit Schwachheiten umgeben

Das durch die Nerventzündung bewirkte Leiden, das im Januar begann, dauerte bis zum folgenden November, Ihre Krankenpflegerin und ihre Sekretärinnen gaben ihr sorgfältige und kräftige Behandlungen, um der Krankheit Einhalt zu tun; aber während der Wintermonate machte das Leiden stetige Fortschritte. Doch fuhr sie mit ihrem Schreiben fort. Im Bette aufgerichtet, schrieb sie Briefe an Freunde, Zeugnisse an leitende Arbeiter im Werke und viele Kapitel für "Desire of Ages".

Als der Frühling herannahte, zeigte sich etwas Besserung, und im Oktober beschloss sie, das trockenere Klima von Adelaide, Südaustralien, zu versuchen. Sie hielt sich dort sechs Wochen auf, und ihr Aufenthalt erwies sich für sie als wohltuend.

Ein Überblick über ihre Erfahrung

In einem am 23. Dezember an die auf der Generalkonferenz versammelten Brüder geschriebenen Briefe gab Frau White einen Überblick über ihre Erfahrung während dieser langen Krankheit wie folgt:

"Ich freue mich, euch von der mir vom Herrn erwiesenen Güte, Barmherzigkeit und von seinem Segen zu berichten. Ich bin noch mit Schwachheiten umgeben, aber mein Zustand bessert sich. Der große Heiler ist für mich tätig, und ich preise seinen heiligen Namen. Meine Gliedmaßen nehmen an Stärke zu, und obgleich ich Schmerzen leide, sind dieselbe doch lange nicht so heftig wie sie es in den vergangenen zehn Monaten gewesen sind. Ich bin jetzt soweit wieder hergestellt, dass ich, wenn ich mich an dem Geländer anhalte, ohne Beistand die Treppe auf und abgehen kann. Durch meine ganze lange Krankheit hindurch bin ich aufs sichtlichste von Gott gesegnet worden. In meinen stärksten Kämpfen mit heftigen Schmerzen erfuhr ich die Zusicherung: ‚Lass dir an meiner Gnade genügen.' Wenn es zu Zeiten schien, dass ich die Schmerzen nicht ertragen könne, wenn ich nicht schlafen konnte, schaute ich im Glauben auf Jesum, so war seine Gegenwart bei mir, jeder dunkle Schatten rollte hinweg, ein feierliches Licht umgab mich, und selbst das Zimmer war von dem Lichte seiner göttlichen Gegenwart erfüllt. "Ich habe gefühlt, dass ich Leiden willkommen heißen könnte, wenn diese köstliche Gnade es begleitet. Ich wusste dass der Herr gut und gnädig und voller Barmherzigkeit, Mitleid und zärtlicher, teilnehmender Liebe ist.

In meiner Hilflosigkeit und meinem Leiden hat sein Lob meine Seele erfüllt und ist dasselbe auf meinen Lippen gewesen, als ich darüber nachdachte, in welch einer schlimmeren Lage ich mich ohne die erhaltende Gnade Gottes befinden würde. Mein Augenlicht ist mir immer noch geschenkt, mein Gedächtnis ist mir erhalten, und mein Geist ist im Erkennen der Schönheit und der Köstlichkeit der Wahrheit nie klarer und tätiger gewesen.

"Welch reiche Segnungen sind vorhanden! Mit dem Psalmisten konnte ich sagen: ‚Aber wie köstlich sind vor mir, Gott, deine Gedanken! Wie ist ihrer eine so große Summe! Sollte ich sie zählen, so würde ihrer mehr sein denn des Sands. Wenn ich aufwache, bin ich noch bei dir." Psalm 139,17.18. Die letzteren Worte drücken meine Gefühle und meine Erfahrung aus. Wenn ich aufwache, so ist mein erster Gedanke und der erste Ausdruck meines Herzens: ‚Lobe den Herrn! Ich liebe dich, o Herr, du weißt dass ich dich liebe! Teurer Heiland, du hast mich mit deinem eigenen Blute erkauft. Du hast mich für wert angesehen, sonst hättest du nicht den unendlichen Preis für meine Erlösung bezahlt. Du, mein Erlöser, hast dein Leben für mich dahingegeben, und du sollst nicht vergebens für mich gestorben sein.' ...

"Seit den ersten paar Wochen meines Leidens habe ich betreffs meiner Pflicht, nach diesem fernen Lande zu kommen, keine Zweifel gehegt; ja noch mehr, meine Zuversicht in meines himmlischen Vaters Absicht in meinem Leiden ist bedeutend gestärkt worden. Ich kann die ganze Absicht Gottes jetzt nicht verstehen, aber ich bin sicher, dass es ein Teil seines Planes war, dass ich in dieser Weise leiden sollte, und ich fühle mich in dieser Sache vollkommen ruhig und zufrieden. Mit dem Geschriebenen, das mit dieser Post abgesandt werden soll, habe ich, seit ich Amerika verließ, zweitausend Briefbogenseiten geschrieben. Ich hätte dieses alles nicht schreiben können, wenn der Herr mich nicht in so großem Maße gestärkt und gesegnet hätte. Meine rechte Hand versagte mir nicht ein einziges Mal. Mein Arm und meine Schulter sind voller Schmerzen gewesen, die schwer zu ertragen waren, aber die Hand ist imstande gewesen, die Feder zu halten und die Worte niederzuschreiben, die der Geist des Herrn mir gegeben hat.

"Ich habe eine äußerst köstliche Erfahrung durchgemacht, und meinen Mitarbeitern in dem Werke Gottes bezeuge ich: ‚Der Herr ist gut und hoch zu loben.'"3

Die australische Konferenz im Januar 1893

Die fünfte Sitzung der australischen Konferenz wurde in Nord Fitzroy, Melbourne, vom 6. bis 15 Januar 1893 abgehalten. Während dieser Versammlung sprach Frau White siebenmal über Themata, die sich auf praktische Gottseligkeit bezogen.

Eines Tages gab sie einen Überblick über die Entstehung und den Fortschritt des Verlagswerkes der Gemeinschaft. Sie bat dringend, dass die Brüder in Australien die ernstesten Anstrengungen machen, um sich zu starken Arbeitern in diesem und jedem andern Zweige christlicher Tätigkeit auszubilden.

Arbeiten in Neuseeland

Nach Abschluss der australischen Konferenz beschloss Frau White, die lange verschobene Reise nach Neuseeland anzutreten. Sie war begleitet von Emily Campbell, die ihr als Sekretärin wie auch als Pflegerin diente. Ihr Sohn W. C. White und Ältester Starr und Frau befanden sich auch die meiste Zeit bei ihr.

Als sie am 8. Februar in Auckland ankamen, wurden sie vom Ältesten M. C. Israel empfangen und nach einem möblierten Hause geleitet, das die Auckland-Gemeinde ihnen zur Verfügung gestellt hatte.

Während der zwölf Tage, die in ernster Arbeit für die Auckland-Gemeinde zugebracht wurden, sprach Frau White achtmal. Danach brachte sie drei Wochen bei den Geschwistern zu Kaeo, der ältesten Siebenten-Tags-Adventistengemeinde in Neuseeland, zu. Hier traf sie eine Anzahl versprechende junge Leute an, für welche sie ernstlich arbeitete.

Sowohl in Auckland wie in Kaeo drang Frau White in die Geschwister, mit ihren Familien die jährliche Konferenz zu besuchen, die am letzten März in Napier abgehalten werden sollte. Diese Konferenz sollte eine Lagerversammlung sein, die erste, die je südlich vom Äquator abgehalten werden würde. Hierüber schrieb sie:

"Wir fühlten, dass diese erste Lagerversammlung soweit wie möglich eine Probe von jeder andern Lagerversammlung sein sollte, die in Zukunft abgehalten werden würde. Immer und immer wieder sagte ich zu den Geschwistern: ‚Schaue zu, sprach er, dass du machest alles nach dem Bilde. Das dir auf dem Berge gezeiget ist.' Hebräer 8,5 ... Jesus sagte zu seinen Jüngern: ‚Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.'" Matthäus 5,48.

Aber es schien unmöglich, betreffs dieser geplanten Lagerversammlung viel Enthusiasmus zu erwecken. Holzfäller-Lager und Gruppen von Zelten für Straßenbauer waren allbekannte Einrichtungen, die nicht sehr erwünscht waren; aber ein bequemes Lager für eine Zusammenkunft von Leuten, die versammelt waren, um Gott anzubeten, war für Neuseeland etwas ganz Neues.

Wegen der ungünstigen finanziellen Lage war es für viele ungewöhnlich schwierig, der Versammlung beizuwohnen. Bis zu Beginn der Versammlung war wenig Aussicht vorhanden, dass mehr als dreißig auf dem Lagergrunde anwesend sein würden. Für diese Anzahl waren Zelte errichtet. Aber gerade als die Versammlung begann, kamen die Geschwister von den verschiedenen Gemeinden unangekündigt an, bis zweimal so viel da waren wie man erwartet hatte. Während der letzten Woche der Versammlung waren achtzehn Zelte im Lager, die von dreiundfünfzig Personen besetzt waren. Viele andere wohnten in Zimmern nahebei. Diese mit den Geschwistern von der Napier-Gemeinde bildeten während des Tages eine ziemlich große Versammlung. An jedem Abend war das Zelt gut gefüllt.

Im Verlaufe der Versammlung wurde der Lagerversammlung aufs wärmste gebilligt, und es wurde beschlossen, dass die nächste jährliche Konferenz in einem Lager abgehalten werden sollte. Es wurden Beschlüsse gefasst, welche die australasische Bibelschule billigten, und es wurden Gelder beigesteuert -- fünfhundert Dollar für die Möbel und vierhundert Dollar als ein Hilfsfonds für Schüler. Zweihundertsiebenzig Dollar wurden als ein Lagerversammlungsfonds gegeben.

"Nach dem Schluss der Lagerversammlung in Napier", schrieb Frau White, "beschlossen wir, Wellington zu besuchen und auch ein paar Tage in Palmerston North zu verweilen, um dort für eine kleine Gruppe Sabbathalter, die um Hilfe gebeten hatten, zu wirken. Obwohl Schwachheiten immer noch bei Tage und bei Nacht meine Begleiter waren, schenkte mir der Herr Gnade, sie zu ertragen. Manchmal, wenn ich mich unfähig fühlte, den Versammlungen, auf denen ich sprechen sollte, beizuwohnen, sagte ich: ‚Im Glauben will ich mich vor das Volk stellen,' und wenn ich dies tat, wurde mir Kraft gegeben, mich über meine Schwachheiten zu erheben und die mir vom Herrn gegebene Botschaft zu verkündigen."

In Wellington wurde Frau White in dem Heim der Frau M. H. Tuxford bewillkommt, wo sie mehrere Monate zubrachte und von wo aus sie von Zeit zu Zeit die kleinen Gruppen von Gläubigen in Petone, Ormondville, Dannevirke, Palmerston North und Gisborne besuchte.

Ehe Frau White nach Australien zurückkehrte, wohnte sie der zweiten Neuseeland-Lagerversammlung bei, die in einer geschützten Gegend bei Wellington vom 30. November bis zum 12. Dezember 1893 abgehalten wurde. Es waren auf dieser Versammlung doppelt so viele anwesend wie auf der Napier-Versammlung. Ältester D. A. Olsen, Vorsteher der Generalkonferenz, kam während der ersten Tage der Versammlung an, und seine Arbeiten und zeitgemäßen Unterweisungen waren von unschätzbarem Werte. Er brachte erfreuliche Berichte von den großen Missionsfeldern, die er kürzlich besucht hatte, und er appellierte an die jungen Leute, sich für den Dienst im Schlusswerk des Evangeliums auszubilden.

Vom Ältesten Olsen und andern Arbeitern begleitet, eilte Frau White von Wellington nach Melbourne, um der ersten Lagerversammlung in Australien beizuwohnen.