Das bessere Leben

Kapitel 6

Nicht richten, sondern besser machen

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"Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet"

Das Mühen des Menschen, die Seligkeit durch eigene Werke zu gewinnen, führt ihn unweigerlich dahin, sich durch Menschengebote vor der Sünde schützen zu wollen. Wenn er sieht, daß er das Gesetz nicht erfüllen kann, stellt er eigene Regeln und Richtlinien auf, die ihm zum Gehorsam verhelfen sollen. Dadurch aber wird der Sinn von Gott weg und auf das Ich gelenkt. Die Liebe zu Gott erstirbt im Herzen, und damit schwindet auch die zu den Mitmenschen. Das menschliche Gedankengebäude mit seinen zahlreichen Vorschriften macht seine Erbauer zu Richtern über alle, die gegenüber den menschlichen Satzungen in irgendeiner Weise zu kurz kommen. Vor lauter Selbstsucht und Haarspalterei müssen aller Edelmut und alle Großzügigkeit grausam ersticken, und aus dem Menschen wird ein ichsüchtiger Richter und ein kleinlicher Topfgucker.

Leute solcher Art waren die Pharisäer. Ihre Religionsübungen vermittelten ihnen nicht das Gefühl ihrer eigenen Schwäche und machten sie auch nicht dankbar für die herrlichen Gnadengaben, die Gott ihnen geschenkt hatte. Sie wurden dadurch vielmehr mit geistlichem Hochmut angefüllt und wußten von nichts anderem zu reden als vom Ich, den eigenen Gefühlen, dem eigenen Wissen und der eigenen Verfahrensweise. Sie richteten alle andern nach dem Maßstabe ihres eigenen Standpunktes. Im Gewande der Selbstgerechtigkeit bestiegen sie den Richtersitz und beurteilten und verdammten von da aus.

Was wunder, wenn auch das Volk dieses Geistes wurde, sich in Gewissenssachen einmengte und einer den andern in Angelegenheiten richtete, die der Betreffende allein mit sich und Gott abzumachen hatte! Jesus hat diesen Geist und diesen Brauch im Auge gehabt, wenn er sagte: "Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet." Das bedeutet: Macht euch nicht zum Gesetz anderer. Glaubt nicht, daß eure Ansichten, eure Pflichtauffassung und eure Schriftauslegung ohne weiteres auch für andere maßgebend sei, und geht vor allem nicht her, sie in eurem Herzen zu verdammen, wenn ihr Verhalten eurer Anschauung nicht entspricht. Richtet andere auch nicht in dem Sinne, daß ihr ihre Beweggründe in Frage stellt.

"Richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, welcher wird ans Licht bringen, auch was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen." 1.Korinther 4,5. Wir können nicht im Herzen des anderen lesen. Da wir selber Fehler haben, kommt es uns nicht zu, über andere zu Gericht zu sitzen. Der vergängliche Mensch kann nur nach dem Äußeren urteilen. Menschen zu richten, kommt nur dem zu, der die verborgenen Beweggründe jeder Handlung kennt und Rücksicht und Mitleid beim einzelnen walten läßt.

"Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der da richtet. Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest." Römer 2,1. Wer jemand anderes verdammt oder richtet, wird mitschuldig, begeht er doch die gleiche Sünde. Er verkündigt damit sein eigenes Urteil, und dies Urteil allein kann Gott für gerecht erklären. Er wird diesen Spruch des Menschen gegen sich selbst annehmen.

"Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge?"

Noch nicht einmal das Wort: "Weil du ebendasselbe tust, was du richtest" macht die Größe der Sünde dessen ganz verständlich, der sich anmaßt, seinen Bruder zu beurteilen und zu verurteilen. Jesus sagte weiter: "Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?"

Dies Wort bezieht sich auf solche Leute, die so schnell an anderen Fehler entdecken. Glauben sie im Wesen und Leben des Nächsten einen Makel entdeckt zu haben, so gehen sie flink her und sorgen dafür, daß er bekannt wird. Jesus dagegen bezeugt, daß mit solch unchristlichem Verhalten ein Wesenszug zutage tritt, der sich zu dem beanstandeten Fehler verhält wie der Balken zum Splitter. Es fehlt an der Gesinnung des Tragenkönnens und der Liebe, wenn man aus der Mücke einen Elefanten macht. Wer mit der ganzen Hingabe an Christus nicht Zerknirschung erlebt hat, dessen Leben spendet nicht den milden Balsam der Heilandsliebe. Er gibt nicht das richtige Bild vom Evangelium voll seines sanften, freundlichen Geistes und verletzt Menschen, die dem Herrn köstlich sind, weil Christus sie erkauft hat. Dem Bilde gemäß, das der Heiland hier gebraucht, macht sich der Tadelsüchtige größerer Sünde schuldig als der von ihm Beschuldigte. Begeht er doch nicht allein die gleiche Sünde, sondern fügt auch noch Hochmut und Tadelgeist hinzu.

Christus ist die einzige wirklich vorbildliche Persönlichkeit. Wer sich selbst anderen als vorbildlich hinstellt, drängt sich auf den Platz Christi. Da der Vater alles Gericht dem Sohn übergeben hat (Johannes 5,22), greift jeder unrechtmäßigerweise in das heilige Recht des Sohnes Gottes ein, wenn er sich ein Urteil über die Beweggründe anderer anmaßt. Diese selbstgemachten Richter und Rechter stellen sich auf die Seite des Antichristen, "der da ist der Widersacher und sich überhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, so daß er sich setzt in den Tempel Gottes und vorgibt, er sei Gott". 2.Thessalonicher 2,4.

Der kalte, richtende, unversöhnliche Geist des Pharisäismus ist eine Sünde mit sehr verhängnisvollen Folgen. Das religiöse Leben ohne Liebe ist zugleich ein Leben ohne Jesus. Wer keine Liebe hat, dem ist seine Sonne untergegangen. Den Verlust kann er weder durch emsige Tätigkeit noch durch unchristlichen Eifer wettmachen. Es gibt Leute, die einen erstaunlichen Spürsinn für die Entdeckungen der Fehler anderer Menschen haben; doch Jesus sagt zu allen Kindern dieses Geistes: "Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest!" Wer sich etwas zuschulden kommen läßt, ist auch der erste, der Böses argwöhnt. Als unsere Stammeltern gesündigt hatten, fingen sie gleich an, einander zu beschuldigen. In diesen Fehler wird der Mensch unweigerlich verfallen, wenn die Gnade Christi nicht in ihm wacht.

Wenn der Mensch diesen Anklagegeist nährt, wird er sich nicht damit begnügen, auf den vermeintlichen Fehler seines Nächsten aufmerksam zu machen. Er wird zunächst mildere Maßnahmen ergreifen, den anderen auf den nach seiner Meinung richtigen Weg zu bringen, und, wenn die nichts fruchten, auch den Zwang nicht scheuen. Soweit es in seiner Macht liegt, wird er dem anderen seine Rechtsbegriffe aufzwingen. So haben's die Juden in den Tagen Christi gemacht und nach ihnen die Kirche, sobald sie von der Gnade Christi nichts mehr wußte. Aller Macht der Liebe bar, hat sie sich des mächtigen Arms des Staates bedient, ihre Lehren und Erlasse durchzusetzen. Und das ist das Geheimnis aller je erlassenen Religionsgesetze, das Geheimnis aller Verfolgungen von Abel bis auf unsere Zeit.

Christus treibt nicht, sondern zieht die Menschen zu sich. Den einzigen Druck übt er durch seine Liebe aus. Wenn die Kirche anfängt, nach weltlicher Macht Ausschau zu halten, erbringt sie damit den Beweis, daß ihr die Kraft Christi fehlt, daß es ihr an göttlicher Liebe ermangelt.

Die Schwierigkeit wurzelt beim einzelnen Angehörigen der Kirche. Bei ihm muß deshalb auch der Heilungsvorgang einsetzen. Jesus gebietet dem Verkläger, zuerst den Balken aus dem eigenen Auge zu ziehen, also von seinem Richtgeist zu lassen, seine eigene Sünde zu bekennen und abzulegen, ehe er andere zurechtzuweisen sucht. "Denn es ist kein guter Baum, der faule Frucht trage, und kein fauler Baum, der gute Frucht trage." Lukas 6,43. Der Anklagegeist, den du nährst, ist eine faule Frucht und beweist, daß der ganze Baum faul ist. Es nützt dir gar nichts, wenn du dir durch Selbstgerechtigkeit zu helfen suchst. Dir tut eine Herzensänderung not. Hast du diese erlebt, dann eignest du dich dazu, andere zu berichtigen; denn "wes das Herz voll ist, des geht der Mund über". Matthäus 12,34.

Wenn ein Mensch in seinem Leben in innere Schwierigkeiten gerät und du ihm mit Rat und Mahnung zur Seite stehen willst, dann wohnt deinen Worten ein Einfluß zum Guten nur insoweit inne, als sie dein Leben und deine Gesinnung als Eigenbesitz ausweisen. Du mußt gut sein, ehe du Gutes tun kannst. Du kannst niemand zu einer Umstellung beeinflussen, wenn du nicht selbst durch die Gnade Christi demütig, lauter und milde geworden bist. Hat sich dieser Wandel in dir vollzogen, dann kannst du gar nichts anderes als ein Segen sein, muß doch auch der Rosenbusch seine duftenden Blüten und der Weinstock seine köstlichen Trauben spenden.

Wenn Christus in dir die "Hoffnung der Herrlichkeit" (Kolosser 1,27) ist, hast du gar kein Verlangen danach, anderen aufzulauern und ihre Fehler bloßzustellen. Statt zu beschuldigen und zu verdammen, richtest du dein Augenmerk darauf, zu helfen, zu segnen und zu retten. Kommst du mit einem Irrenden in Berührung, dann wirst du die Ermahnung beachten: "Siehe auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest." Galater 6,1. Du wirst dich daran erinnern, wie oft auch du gefehlt hast und wie schwer es dir fiel, wieder auf den rechten Weg zu kommen, nachdem du einmal abgewichen warst. Du wirst deinen Bruder nicht noch weiter in die Nacht hinausstoßen, sondern ihn mitleidsvoll auf seine Gefahr aufmerksam machen.

Wer oft nach dem Kreuz von Golgatha blickt und sich vergegenwärtigt, daß seine Sünden den Heiland dahin gebracht haben, wird nie versuchen, seine Schuld mit der eines anderen zu vergleichen. Er wird nicht den Richtersitz besteigen, um andere zu beschuldigen. Wer im Schatten des Kreuzes von Golgatha wandelt, den werden kein Richtgeist und keine Selbstgerechtigkeit beherrschen.

Erst wenn du dir gewiß bist, daß du dein Ich, ja selbst dein Leben opfern kannst, um einen irrenden Bruder zu retten, hast du den Balken aus deinem Auge gezogen und bist damit bereit, auch deinem Bruder zu helfen. Nun magst du dich ihm nahen und ihm zu Herzen reden. Durch Tadel und Vorwürfe ist noch nie jemand aus seiner falschen Einstellung befreit worden. Dagegen sind auf diese Weise schon gar viele von Christus abwendig gemacht und dahin gebracht worden, sich gegen jedes bessere Wissen zu verschließen.

Sanftmut, Milde und gewinnendes Wesen werden die Irrenden retten und eine Menge Sünden bedecken. Die Offenbarung Christi in deinem Wesen übt neuschaffende Kraft auf alle aus, mit denen du in Berührung kommst. Möge Christus sich täglich in dir offenbaren, möge aus dir die Schöpfermacht seines Wortes hervorbrechen, dann besitzt du jenen stillen, sanften und doch so mächtigen Einfluß, durch den andere in die Schönheit des Herrn, unseres Gottes, verwandelt werden.

"Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben"

Jesus redet hier von Menschen, die gar nicht aus dem Käfig der Sünde heraus wollen. Ständig dem Verderben und dem Laster ausgesetzt, sind sie so heruntergekommen, daß sie das Böse lieben und nicht davon lassen wollen. Die Diener Christi sollen sich gar nicht erst mit solchen aufhalten, denen das Evangelium doch nur etwas Verächtliches ist.

Doch der Heiland ist noch nie an einem Menschen vorübergegangen, mochte er noch so tief in der Sünde stecken, der für die köstlichen himmlischen Wahrheiten noch aufnahmefähig war. Zöllnern und Ehebrechern bedeutete sein Wort den Anfang eines neuen Lebens. Maria Magdalena, der der Herr sieben Teufel ausgetrieben hatte, war die letzte an seinem Grabe und die erste, die er am Auferstehungsmorgen begrüßte. Aus jenem Saulus von Tarsus, einem der schlimmsten Feinde des Evangeliums, wurde ein Paulus und ein ergebener Diener Christi. Unter Haß und Verachtung, ja selbst unter Verbrechen und Verkommenheit mag doch eine Seele verborgen sein, die durch Christi Gnade gerettet werden kann, daß sie einst ein Edelstein in der Krone des Erlösers sei.

"Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan"

Der Herr gibt diese Verheißung in dreifacher Gestalt, um Unglauben, Mißverständnisse und falsche Auslegung auszuschalten. Er möchte gern alle Gottsucher auf den Glaubenspunkt bringen, daß bei ihm alles möglich ist. Aus diesem Grunde fügt er hinzu: "Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan."

Der Herr stellt keine anderen Bedingungen, als daß wir nach seiner Gnade hungern, seinen Rat wünschen und nach seiner Liebe dürsten. "Bittet!" Das Bitten setzt die Einsicht unserer Bedürftigkeit voraus. Wenn wir dann im Glauben bitten, werden wir empfangen. Der Herr hat uns sein Wort darauf gegeben und wird es auch halten. Wenn du als wirklich Bedürftiger zu ihm kommst, brauchst du nicht zu denken, daß deine Bitte um Erfüllung der göttlichen Verheißung eine Anmaßung sei. Wenn du um den nötigen Segen dafür bittest, daß du eine vollkommene Persönlichkeit nach dem Ebenbilde Jesu Christi werden kannst, dann darfst du dir seitens des Herrn ganz gewiß sein, eine Bitte ausgesprochen zu haben, die, in einer Verheißung begründet, auch ihre Erfüllung hat. Zu fühlen und zu wissen, daß du ein Sünder bist, gibt dir gerade Ursache, um göttliche Gnade und Barmherzigkeit zu flehen. Die Bedingung, unter der du dich Gott nahen darfst, besteht nicht in deiner Heiligkeit, sondern in deinem Wunsche, daß Gott dich von aller Sünde reinigen und von aller Ungerechtigkeit befreien möge. Unsere tiefe Not, unsere große Hilflosigkeit macht uns Gott und seine Erlösungskraft zu einer Notwendigkeit und beweist, daß wir immer wieder bittend zu ihm kommen müssen.

"Suchet!" Trachtet nicht nur nach seinem Segen, sondern sucht Gott selbst zu gewinnen. "Ergib dich ihm, und habe Frieden." Hiob 22,21. "Suchet, so werdet ihr finden." Gott sucht dich, und wenn in dir der Wunsch entsteht, zu ihm zu kommen, dann ist er auf das Wirken seines Geistes zurückzuführen. Zeige dich nicht unempfänglich! Christus tritt für die Versuchten, die Irrenden und die Treulosen ein. Er will sie zu seinen Nachfolgern machen. "Wirst du ihn suchen, so wirst du ihn finden." 1.Chronik 28,9.

"Klopfet an!" Wir kommen zu Gott, weil er uns besonders dazu eingeladen hat, und er möchte uns sehr gern in seinem Empfangsraum willkommen heißen. Die ersten Jünger, die Jesus nachfolgten, gaben sich nicht mit einer kurzen, auf dem Wege geführten Unterhaltung zufrieden. "Sie sprachen zu ihm: Rabbi, ... wo bist du zur Herberge? ... Sie kamen und sahen's und blieben den Tag bei ihm." Johannes 1,38.39.

So können auch wir selbst zu der innigsten Gemeinschaft und zum Verkehr mit Gott kommen. "Wer unter den Schirm des Höchsten sich begibt, der weilet im Schatten des Allmächtigen." Psalm 91,1. Mögen alle, die den Segen Gottes wünschen, nur anklopfen und im Warten an der Gnadentür sprechen: Du, Herr, hast gesagt: "Wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan."

Jesus ließ seine Blicke über die Versammlung schweifen, die ihn hatte hören wollen, und wünschte von ganzem Herzen, daß alle Zuhörer die Gnade und Freundlichkeit Gottes schätzten. Um ihnen ihre Not und die Bereitwilligkeit Gottes, zu geben, recht vor Augen zu stellen, wies er sie auf das Beispiel des hungrigen Kindes hin, das seinen irdischen Vater um Brot bittet. "Welcher ist unter euch Menschen, so ihn sein Sohn bittet ums Brot, der ihm einen Stein biete?" Er erinnerte sie also damit an die natürliche Liebe eines Vaters zu seinem Kinde und sagte weiter: "So nun ihr, die ihr doch arg seid, könnt dennoch euren Kindern gute Gaben geben, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten!"

Kein Mensch von Herz würde ein hungriges, um Brot bittendes Kind einfach stehen lassen. Sollte man es für möglich halten, daß er gefühllos bleibt und es sogar quält, indem er erst allerlei verspricht, um es hernach nicht zu halten? Könnte er wohl ein ordentliches Stück Brot versprechen und nachher einen Stein anbieten? Wie kommt dann der Mensch dazu, Gott mit der Meinung zu entehren, daß er für das Rufen seiner Kinder kein Ohr habe!

"So denn ihr, die ihr arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!" Lukas 11,13. Der Heilige Geist, der Gott vertritt, ist die größte aller Gaben. Alle "guten Gaben" sind darin eingeschlossen. Der Schöpfer kann uns nichts Erhabeneres, nichts Besseres geben. Wenn wir den Herrn anflehen, uns in unserer Not beizustehen, uns durch seinen Heiligen Geist zu führen, dann wird er unser Gebet nicht unbeachtet lassen. Mag es auch vorkommen, daß ein Vater seines hungrigen Kindes vergißt, so wird doch bei Gott der Schrei aus armen, sehnsuchtsvollen Herzen nicht ungehört verhallen. Wie wunderbar zart schildert er doch seine Liebe! Wer in dunklen Tagen das Gefühl hat, Gott achte seiner nicht, dem gilt die Botschaft aus dem Vaterherzen: "Zion aber sprach: Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen. Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet." Jesaja 49,14-16.

Jede Verheißung des Wortes Gottes kann uns dann zum Gebetsinhalt werden, wenn wir uns auf das gegebene Wort Jahwes stützen. Was wir an geistlichem Segen brauchen, dürfen wir durch Jesus für uns beanspruchen. Wir können dem Herrn in kindlicher Einfalt gern im einzelnen sagen, was wir bedürfen. Wir können ihm unsere zeitlichen Bedürfnisse vorlegen, indem wir ihn um Nahrung und Kleidung bitten, und auch unsere geistigen, das Brot des Lebens und das Gewand der Gerechtigkeit Christi. Dein himmlischer Vater weiß, daß du dies alles brauchst, und fordert dich nur auf, ihm deine diesbezügliche Bitte vorzulegen. Alle Gnadengaben werden uns nur in Jesu Namen zuteil. Gott wird diesen Namen ehren und uns aus dem Reichtum seiner Güte mit allem Notwendigen väterlich versorgen.

Vergiß nun aber nicht, daß du dein Kindesverhältnis zu Gott anerkennst, wenn du dich ihm als deinem Vater nahst. Du hast damit nicht nur seiner Güte zu vertrauen, sondern auch in allem seinen Willen gelten zu lassen in dem Bewußtsein, daß seine Liebe unwandelbar ist. Du gibst dich seinem Werke hin. Nun wohl, denen, die Jesus eingeladen hat, vor allem nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit zu trachten, gibt er die Verheißung: "Bittet, so wird euch gegeben."

Die Gaben dessen, der alle Gewalt im Himmel und auf Erden hat, gehören den Kindern Gottes zu. Diese Gaben sind so köstlich, daß sie uns nur durch eine so wertvolle Gabe wie das Blut des Erlösers zuteil werden. Sie erfüllen aber auch des Herzens tiefstes Sehnen. Sie bleiben in Ewigkeit und sind doch allen zur Freude zugänglich, die sich Gott als seine Kindlein nahen. O mach dir Gottes Verheißungen zu eigen, halt sie ihm als sein Versprechen vor, dann wirst du Freude die Fülle empfangen!

"Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!"

Wenn Jesus uns der Liebe Gottes gewiß macht, will er auch die brüderliche Liebe betonen. Um das zum Ausdruck zu bringen, hat er hier ein Wort geprägt, das in seiner Tiefe auf das ganze Gemeinschaftsleben der Menschen anwendbar ist.

Die Juden waren immer nur darauf bedacht, etwas zu empfangen. Sie machten sich viel Angst und Sorge um die Mehrung ihrer Macht, ihres Ansehens und des ihnen zu leistenden Dienstes. Christus aber lehrt, daß wir uns nicht um die Frage sorgen sollen, wieviel wir empfangen möchten, sondern wieviel wir geben können. Der Maßstab fremder Pflichten gegen uns ist mit dem Maß der von uns gegen die anderen erfüllten Pflicht gegeben.

Versetze dich in des anderen Lage. Vergegenwärtige dir sein Fühlen, seine Schwierigkeiten, seine Enttäuschungen, seine Freuden und seine Leiden. Denke, du stecktest in seiner Haut, und dann tu ihm danach, wie du wünschest, daß in gleicher Lage dir getan würde. Dies ist ein rechtes Gesetz der Redlichkeit. Anders ausgedrückt lautet es: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." 3.Mose 19,18. So haben's schon die Propheten je und je als Hauptsache verkündigt. Es ist himmlisches Gesetz, das sich in allen entfalten wird, die seiner Weisung folgen.

Die Herzensbildung beruht auf dieser goldenen Regel, die am getreuesten Jesus in seinem Wesen und Leben abgebildet hat. Wie sanft und lieblich erscheint uns doch der Heiland in seiner täglichen Lebensführung! Welche Güte umgab ihn! Seine Kinder werden desselben Geistes sein. Wem Christus innewohnt, den umgibt ein Hauch Gottes. Seine reinen weißen Kleider duften nach dem Garten des Herrn. Sein Antlitz strahlt das Licht des Ewigen wider und leuchtet auf dem Wege denen, die straucheln und müde geworden sind.

Stellt jemand wirklich das Edelbild einer vollkommenen Persönlichkeit dar, dann wird er keinesfalls das Mitgefühl und das Zartgefühl Christi vermissen lassen. Der Einfluß der Gnade macht das Herz weich, veredelt und läutert das Fühlen und verleiht jenes von oben stammende Feingefühl. Doch die goldene Regel hat noch eine tiefere Bedeutung. Jeder, den die mannigfaltige Gnade Gottes zum Haushalter gemacht hat, wird aufgerufen, den in Unwissenheit und Finsternis befindlichen Menschen von seinem Gut mitzuteilen; denn wäre er an ihrer Stelle, so würde er ja auch gern am Segen teilhaben. Der Apostel Paulus schrieb: "Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen, der Weisen und der Nichtweisen." Römer 1,14. Von allem, was du um die Liebe Gottes weißt, ja von allem, was du an seinen reichen Gnadengütern mehr empfangen hast als der in tiefster Nacht und größtem Elend befindliche Mensch auf Erden, bist du diesem selben Menschen schuldig, etwas abzugeben.

So ist's auch mit den Gaben und Segnungen dieses Lebens. Was du mehr als deine Mitmenschen besitzt, setzt dich im Maße deines Überschusses in Schuld bei ihnen, den weniger Begünstigten. Besitzen wir Reichtum, verfügen wir über mancherlei Bequemlichkeiten, dann liegt uns die feierliche Pflicht ob, für elende Kranke, Witwen und Waisen zu sorgen, würden wir doch bei Umkehrung der Verhältnisse genau das gleiche von ihnen erwarten.

Die goldene Regel enthält auf der andern Seite die gleiche Wahrheit, die sich auch anderswo in der Bergpredigt findet: "Mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden." Was wir anderen antun, wird, je nachdem es gut oder böse ist, als Segen oder als Fluch zu uns zurückkommen. Wir erhalten stets wieder, was wir gegeben haben. Was wir anderen an irdischen Segnungen zuteil werden ließen, wird uns oft genug in ähnlicher Weise entgolten. In einer Notlage mag uns unsere Guttat mit himmlischer Münze vierfach zurückerstattet werden. Aber außerdem haben wir auch reichen Lohn schon in diesem Leben dadurch, daß die Liebe Gottes reicher auf uns einströmt, und das ist ja das Höchste, was uns an himmlischer Herrlichkeit und an himmlischen Gütern zuteil werden kann. Genauso kehrt nun auch die böse Tat zu uns zurück. Wer sich erlaubt hat zu verdammen und zu entmutigen, muß in seinem eigenen Leben ebenfalls durch die Gegend schreiten, wohin er andere hat gehen lassen. Er wird genau das zu erleiden haben, was andere Menschen durch seinen Gefühlsmangel und seine Lieblosigkeit erdulden mußten.

So hat es Gott in seiner Liebe verordnet. Will er doch gegen unsere eigene Hartherzigkeit Haß in uns entzünden und unsere Herzen aufschließen, daß Jesus darin wohne. So werden wir jenseits des Bösen gestellt, genießen Gutes, und was uns Fluch schien, wird zum Segen.

Die Grundlagen der goldenen Regel und des Christentums sind die gleichen. Wer davon etwas abstreichen will, betrügt. Eine Religion, durch die wir solche Menschen geringschätzen würden, die Christus mit dem hohen Preis seiner eigenen Dahingabe bewertet hat, eine Religion, die uns den Nöten, Leiden und Rechten des Menschen gegenüber fahrlässig machen würde, hat keinen Anspruch auf Geltung. Wenn wir das Anrecht der Armen, Leidenden und Sünder auf Hilfe mißachten, erweisen wir uns als Verräter Christi. Das Christentum hat deshalb so wenig Macht in der Welt, weil die Menschen, die sich nach dem Namen Christi nennen, im Leben sein Wesen verleugnen. Durch diesen Sachverhalt wird der Name des Herrn gelästert.

Von der Apostelgemeinde jener Tage, als die Herrlichkeit des auferstandenen Heilandes ihr noch leuchtete, steht geschrieben, daß "nicht einer sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären". "Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte." "Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen." "Und sie waren täglich und stets beieinander einmütig im Tempel und brachen das Brot hin und her in den Häusern, nahmen die Speise mit Freuden und lauterem Herzen, lobten Gott und hatten Gnade bei dem ganzen Volk. Der Herr aber tat hinzu täglich, die gerettet wurden, zu der Gemeinde." Apostelgeschichte 4,32.34.33; Apostelgeschichte 2,46.47.

Durchforsche Himmel und Erde, und du wirst vergeblich nach einer mächtigeren Offenbarung der Wahrheit suchen als der, die sich im Werk der Barmherzigkeit an denen zeigt, die Teilnahme und Hilfe brauchen. Das ist die Wahrheit in Christus. Wer den Namen Christi bekennt und die goldene Regel durchführt, dessen Heilsverkündigung wird die gleiche Kraft begleiten wie zur Zeit der Apostel.

"Die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt"

Zur Zeit Christi lebten die Einwohner Palästinas in befestigten Städten, die zumeist auf Hügeln oder Bergen lagen. Zu den Toren, die bei Sonnenuntergang geschlossen wurden, führten steile Felsenpfade. Der Wanderer, der gegen Abend in die Nähe der Heimatstadt kam, mußte das letzte schwierige Wegstück gar oft in eiliger Hast zurücklegen, um das Tor vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Wer zu spät kam, mußte draußen bleiben.

Jesus benutzte das Bild eines solchen schmalen Steilpfades, der nach Hause und zur Ruhe führte, um den Pfad des Christen zu veranschaulichen. Der Weg, den ich euch gewiesen habe, sagte er, ist schmal. Es ist schwer, durchs Tor zu kommen, schließt doch die goldene Regel allen Stolz und alle Selbstsucht aus. Es gibt allerdings auch einen breiteren Weg. Der führt aber ins Verderben. Wenn ihr den Weg geistlichen Lebens wählt, geht's dauernd aufwärts, ist dieser doch ein Steilpfad. Auch werdet ihr wenig Gesellschaft haben, denn die Masse wählt den Weg nach unten.

Auf dem Wege zum Tode kann die ganze Menschheit wandern; da hat sie mit all ihrer Weltlichkeit, ihrer Selbstsucht, ihrem Stolz, ihrer Unehrlichkeit und ihrer sittlichen Verkommenheit Platz. Da ist auch Raum für jedes Menschen Ansicht und Lehre, der eigenen Neigung zu folgen, zu tun, was die Eigenliebe gerade eingibt. Auf dem Wege des Verderbens zu gehen, bedingt gar nicht erst ein Suchen nach diesem Wege. Ist doch die Pforte weit und der Weg breit, und die Füße wenden sich schon von Natur aus nach dem Pfade, der im Tode endet.

Der Weg zum Leben aber ist schmal, und die Pforte ist eng. Wenn du noch an einer Lieblingssünde festhältst, wird dir der Weg zu schmal vorkommen, so daß du ihn nicht betreten kannst. Du mußt deinen eigenen Weg, deinen eigenen Willen, deine üblen Gewohnheiten aufgeben, wenn du auf dem Wege des Herrn bleiben willst. Wer Christus dienen will, darf nichts auf die Meinung der Welt geben noch sich nach ihr richten. Der Weg zum Himmel ist zu schmal zur Befriedigung des Ehrgeizes ums Ich, zu steil und steinig für Liebhaber der Bequemlichkeit. Arbeit, Geduld, Selbstverleugnung, Tadel, Armut, Widerspruch der Sünder, das war Christi Teil und muß auch unser Teil sein, wenn wir je ins Paradies Gottes gelangen wollen.

Es wäre aber ganz falsch, hieraus den Schluß zu ziehen, daß der Weg nach oben der schwierigere und die Straße nach unten die leichtere sei. Auf dem ganzen Weg, der zum Tode führt, sind Mühe und Not, Sorge und Enttäuschung verteilt und stehen da gleichsam als Warnungsschilder, nicht weiterzugehen. Gott macht es aus Liebe den Verächtern und Halsstarrigen schwer, sich selbst zu vernichten. Natürlich gestaltet Satan seine Straße so, daß sie lieblich anzusehen ist; aber es ist alles Betrug. Auf dem Wege des Bösen entstehen bittere Vorwürfe und nagende Sorgen. Es mag angenehm erscheinen, Stolz und weltlichen Ehrgeiz zu hegen. Das Ende aber sind Kummer und Schmerz. Selbstsüchtiges Vorhaben mag schmeichelhafte Aussichten bieten und Genuß verheißen; doch wir werden nur vergälltes Glück finden, und die Hoffnungen, die sich auf unser eigenes Wohlergehen richten, können unser Leben nicht bereichern. Wohl mag das Tor am Ende des breiten Weges mit Blumen geschmückt sein, aber unterwegs treten wir auf Dornen. Hinter dem Hoffnungslicht an diesem Tore gerät man gar bald in die Nacht der Verzweiflung. Wer diesen Weg verfolgt, steigt ins Schattenreich ewiger Nacht hinunter.

"Der Verächter Weg bringt Verderben." Aber die Wege der Weisheit "sind liebliche Wege, und alle ihre Steige sind Frieden". Sprüche 13,15; Sprüche 3,17. Jede dem Herrn Jesus geltende Gehorsamstat, jede ihm geweihte Selbstverleugnungstat, jedes mutig getragene Leid, jeder Sieg über die Versuchung bringt uns der Herrlichkeit des endgültigen Sieges einen Schritt näher. Wählen wir Christus zum Führer, dann wird er uns sicher leiten. Selbst der größte Sünder braucht den richtigen Weg nicht zu verfehlen. Und der im Unsichern Tastende kann im reinen und heiligen Lichte wandeln. Obwohl der Weg so schmal ist und so heilig, daß auf ihm keine Sünde geduldet werden kann, ist doch Hilfe für alle vorhanden, und es kann niemand aus Zweifel und Furcht sprechen, Gott stehe ihm doch nicht bei.

Der Weg mag rauh, der Anstieg steil erscheinen; zur Rechten und Linken mögen Abgründe gähnen; es mögen auf unserer Reise mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden sein; sind wir müde und sehnen uns nach Ruhe, müssen wir vielleicht doch weiter voran; wenn wir matt sind, mag uns immer noch Kampf beschieden sein, und mutlos geworden, heißt es dennoch weiter zu hoffen. Ist jedoch bei alledem Christus unser Führer, dann werden wir schließlich die ersehnte Ruhestatt erreichen. Christus selbst ist vor uns diesen rauhen Pfad gegangen und hat uns schon den Weg geebnet.

Am Rande des steilen Pfades, der zum ewigen Leben führt, finden sich überall Brunnen der Freude, den Müden zur Erquickung. Wer immer auf diesem Wege der Weisheit wandelt, wird selbst im Leiden seine große Freude bewahren; wandelt doch der, den seine Seele liebt, wenn auch unsichtbar, neben ihm. Bei jedem Schritt nach aufwärts spürt er deutlicher seine stützende Hand, fallen hellere Strahlen aus der Herrlichkeit des Unsichtbaren auf seinen Weg. Und sein Lobgesang schwingt sich immer höher bis zum Throne Gottes, wo er sich mit den Liedern der Engel vereint. "Der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht am Morgen, das immer heller leuchtet bis zum vollen Tag." Sprüche 4,18.

"Gehet ein durch die enge Pforte"

Der Reisende, der sich beeilen mußte, das Stadttor noch vor Sonnenuntergang zu erreichen, durfte sich nicht irgendeines Anziehungspunktes wegen auf des Weges Seite schlagen. Er mußte alle seine Kraft auf die Erreichung des Zieles richten. Die gleiche Zielstrebigkeit ist nach dem Ausspruch Jesu im Christenleben erforderlich. Jesus hat uns die Herrlichkeit seines Wesens schauen lassen, die auch die wahre Herrlichkeit seines Königtums ausmacht. Darin liegt zwar keine Verheißung irdischer Herrschaft, aber doch ist dies dein Hochziel, wert aller Anstrengung. Jesus ruft dich nicht zum Kampf um die Vorherrschaft eines Reiches dieser Welt; daraus darfst du aber nicht schließen, es gebe hier keinen Kampf auszufechten, keinen Sieg zu gewinnen. Er gebietet dir zu ringen und zu streiten, um in sein geistliches Königreich zu kommen.

Des Christen Leben ist ein Kampf --, ein Feldzug. Den Sieg trägt jedoch keiner in menschlicher Kraft davon. Das Schlachtfeld ist des Menschen Herz. Die Schlacht, die wir kämpfen -- ein ungeheurer und wohl auch der größte Kampf, geht um die Übergabe des Ichs an den Willen Gottes, um die Auslieferung des Herzens an die Herrschaft der Liebe. Der alte Mensch, nach dem Geblüt und dem Willen des Fleisches geboren, kann nicht ins Reich Gottes eingehen. Er muß seine vererbten Neigungen und seine alten Gewohnheiten aufgeben.

Wer sich zum Eintritt ins Reich des Geistes entschließt, wird bald feststellen, daß alle Macht und Leidenschaft einer ungezügelten Natur zusammen mit den Mächten aus dem Reich der Finsternis sich gegen ihn stellen. Selbstsucht und Stolz werden sich wider alles erheben, was ihre Sündhaftigkeit bloßstellen könnte. Wir können nicht aus uns selbst böse Wünsche und Gewohnheiten besiegen, die um die Herrschaft ringen. Wir können den mächtigen Feind, der uns in seinen Fängen hält, nicht überwinden. Gott allein kann uns den Sieg geben. Er will, daß wir uns selber, unseres Willens und unseres Weges Herr sein sollen. Doch kann er ohne unsere Einwilligung und unseren Krafteinsatz nichts in uns ausrichten. Der Geist Gottes wirkt sich durch die dem Menschen verliehenen Fähigkeiten und Kräfte aus. Gott fordert den Einsatz unserer Willenskraft.

Wir können den Sieg nicht ohne viel ernstes Gebet erringen und auch nicht ohne Demut bei jedem Schritt. Unser Wille wird nicht zur Zusammenarbeit mit göttlichen Mächten gezwungen, das bleibt Sache freien Entschlusses. Wäre es möglich, in dir den Heiligen Geist zu hundertfach stärkerer Wirkung zu bringen, dann würdest du doch nicht zu einem Christen werden und auch nicht fürs Himmelreich geeignet sein; die Festung Satans würde nicht geschleift. Du mußt deinen Willen auf die Seite des Gotteswillens stellen. Aus dir selbst kannst du deine Absichten, Wünsche und Neigungen dem Willen Gottes nicht unterwerfen. Doch wenn du bereit bist, willig zu werden, wird Gott an deiner Statt das Werk vollbringen und selbst zerstören die "Anschläge und alles Hohe, das sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Gedanken unter den Gehorsam Christi". Dann wirst du schaffen, daß du selig wirst, mit Furcht und Zittern. "Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, zu seinem Wohlgefallen." 2.Korinther 10,5; Philipper 2,12.13.

Viele jedoch fühlen sich von der Schönheit Christi und der himmlischen Herrlichkeit angezogen, schrecken aber vor den Bedingungen zurück, unter denen allein sie ihrer teilhaftig werden können. Auf dem breiten Weg gibt es gar viele, die nicht recht damit zufrieden sind, daß sie dort wandeln. Sie wollen aus der Knechtschaft der Sünde heraus und geben sich auch alle Mühe, gegen ihre Gewohnheitssünden anzugehen. Sie schauen nach dem schmalen Weg und der engen Pforte; doch selbstisches Vergnügen, Weltliebe, Stolz und unheiliger Ehrgeiz schieben sich als Schranke zwischen sie und den Heiland. Von ihrem Eigenwillen, von den Zielen ihrer Zuneigung und ihres Strebens loszukommen, erfordert ein Opfer, vor dem sie sich scheuen und wovor sie zurückschrecken. "Viele werden ... danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können." Lukas 13,24. Sie sehnen sich nach dem Guten, strengen sich auch an, es zu erreichen, erwählen es aber nicht. Sie setzen nicht ihren ganzen Willen dafür ein, es um jeden Preis zu erringen.

Die einzige Hoffnung auf Überwindung liegt für uns darin, unseren Willen dem Willen Gottes beizugesellen, mit ihm zusammen zu wirken, und zwar Stunde um Stunde und Tag für Tag. Wir können nicht bleiben, wie wir sind, und dennoch ins Reich Gottes eingehen. Wenn wir je die Heiligung erlangen, dann nur durch Verleugnung des Ichs und Annahme der Gesinnung Christi. Stolz und Eigendünkel müssen gekreuzigt werden. Sind wir willens, den von uns geforderten Preis zu zahlen? Sind wir entschlossen, unseren Willen vollkommen dem Willen Gottes anzupassen? Die umgestaltende Gnade Gottes wird uns nicht eher zuteil, bis wir zu dem allen bereit sind.

Der Kampf, in den wir ziehen müssen, ist der "gute Kampf des Glaubens". "Daran ich auch arbeite und ringe in der Wirkung des, der in mir kräftig wirkt" (Kolosser 1,29), hat der Apostel Paulus gesagt.

Jakob hat sich am größten Wendepunkt seines Lebens zum Gebet gewandt. Es stand ihm dabei ein ungeheures Hochziel vor Augen: die Umwandlung seines Wesens. Doch während er zu Gott betete, griff ihn seiner Meinung nach ein Feind an, und nun rang er die ganze Nacht hindurch um sein Leben. Aber sein inneres Ziel änderte sich trotz seiner Lebensgefahr nicht. Als er seine Kraft fast verausgabt hatte, da trat der Engel mit seiner göttlichen Kraft hervor, und bei seiner Berührung erkannte Jakob den, mit dem er die ganze Nacht hindurch gerungen hatte. Verletzt und hilflos fiel er seinem Heiland an die Brust und bat ihn um seinen Segen. Er ließ sich weder abweisen, noch hörte er auf zu bitten, und so erfüllte Christus dem hilflosen, reuigen Menschen die Bitte entsprechend seiner Verheißung: "O halte er fest an meinem Schatz, und schaffe er mir den Frieden, den Frieden schaffe er mir." Jakob bat entschlossen: "Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn." Jesaja 27,5; 1.Mose 32,27.

Von diesem Geist der Beharrlichkeit wurde der Erzvater durch den beseelt, der mit ihm gerungen hatte. Der gab ihm auch den Sieg und änderte seinen Namen Jakob in den Namen Israel mit den Worten: "Du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen." 1.Mose 32,29. Wonach Jakob in eigener Kraft vergeblich getrachtet hatte, das gewann er durch Selbsthingabe und unentwegten Glauben. "Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat". 1.Johannes 5,4.

"Sehet euch vor vor den falschen Propheten"

Falsche Lehrer werden sich erheben, dich vom schmalen Pfade und von der engen Pforte abzubringen. Nimm dich vor solchen in acht! Sie gehen in Schafskleidern einher und sind doch innerlich reißende Wölfe. Jesus gibt uns einen Prüfstein, mit dem wir falsche Lehrer von den Lehrern der Wahrheit unterscheiden können. "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln?"

Es ist uns nicht gesagt, daß wir sie an ihren schönen Reden oder an ihrem großartigen Bekenntnis erkennen sollen. Sie sollen durchs Wort Gottes gerichtet werden. "Hin zur Weisung und hin zur Offenbarung! Werden sie das nicht sagen, so wird ihnen kein Morgenrot scheinen." Jesaja 8,20. Was für eine Botschaft bringen diese Lehrer? Führt sie euch zur Ehrfurcht und Furcht Gottes? Leitet sie eure Liebe zum Gehorsam gegen seine Gebote? Wenn ein Mensch nicht die Wichtigkeit des Sittengesetzes ahnt, wenn er Gottes Gebote leicht nimmt, wenn er eins von den kleinsten Geboten auflöst, die Leute also zu lehren, dann gilt er vor dem Himmel gar nichts. Dann dürfen wir wissen, daß sein Lehranspruch keine Berechtigung hat. Jener beteiligt sich an dem Werke, das der Fürst der Finsternis, der Feind Gottes, ins Leben gerufen hat.

Es sind nicht alle Christi, die seinen Namen bekennen und es äußerlich sind. Jesus sagt, daß viele, die in seinem Namen gelehrt haben, schließlich doch nicht ans Ziel gelangen. "Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch nie gekannt; weichet von mir, ihr Übeltäter!" Matthäus 7,22.23.

Es gibt Leute, die auf dem richtigen Wege zu sein glauben, während sie auf dem falschen wandeln. Während sie Christus als ihren Herrn beanspruchen und angeblich in seinem Namen große Werke verrichten, sind sie doch Werkzeuge der Ungerechtigkeit. "Was wohlgefällig ist, das führen sie im Munde; ihr Herz aber ist auf ihren Gewinn gerichtet." Hesekiel 33,31. Wer Gottes Wort verkündigt, ist ihnen "wie einer, der Liebeslieder singt, der eine schöne Stimme hat und gut spielen kann. Sie hören wohl deine Worte, aber sie tun nicht danach". Hesekiel 33,32.

Ein bloßes Bekenntnis der Jüngerschaft hat keinen Wert. Der rettende Glaube an Christus ist nicht so, wie ihn viele darstellen. Sie sprechen: Glaubet nur, dann braucht ihr das Gesetz nicht zu halten! Ein Glaube jedoch, der nicht zum Gehorsam führt, ist eine Anmaßung. Der Apostel Johannes schreibt: "Wer da sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist die Wahrheit nicht." 1.Johannes 2,4. Möge ja niemand sich dem Gedanken hingeben, daß besondere Schickungen ein Echtheitsbeweis ihres Werkes und der von ihnen vertretenen Ansichten seien. Wenn jemand sich nur oberflächlich mit dem Worte Gottes beschäftigt und ihm seine Eindrücke, Gefühle und Erfahrungen mehr als die göttliche Richtschnur gelten, haben wir den Beweis, daß kein Licht in ihm ist.

Gehorsam ist der Prüfstein der Jüngerschaft. Durch Halten der Gebote beweisen wir die Echtheit unseres Bekenntnisses zur Liebe. Wenn die Lehre, die wir annehmen, die Sünde im Herzen tötet, die Seele von ihren Flecken reinigt, Frucht der Heiligkeit hervorbringt, dann wissen wir, daß es sich um die Wahrheit Gottes handelt. Wenn Wohltat, Güte, Zartgefühl, Mitgefühl aus unserem Leben leuchten, wenn die Freude am rechten Wandel in unseren Herzen lebt, wenn wir Christus und nicht uns selbst erhöhen, dann dürfen wir der rechten Glaubensrichtung gewiß sein. "An dem merken wir, daß wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten." 1.Johannes 2,3.

Es "fiel ... doch nicht; denn es war auf den Felsen gegründet"

Das ganze Volk war von den Worten Christi tief bewegt. Die göttliche Schönheit der Grundsätze der Wahrheit übte große Anziehungskraft auf sie aus. Die ernsten Warnungen Christi hatten ihnen wie die Stimme des Herzen erforschenden Gottes geklungen. Seine Worte hatten die Wurzel ihres alten Denkens und Meinens bloßgelegt. Wenn sie seiner Lehre folgen wollten, mußten sie ihre alten Denk- und Tatgewohnheiten ändern. Dadurch aber gerieten sie mit ihren Religionslehrern in Zwiespalt; denn die Folge mußte ein Umsturz des ganzen Baues sein, an dem die Rabbiner seit Menschenaltern gearbeitet hatten. So kam es, daß trotz der Zustimmung zu seinen Worten wenige bereit waren, ihr Leben danach zu gestalten.

Jesus beendete seine Bergpredigt mit einem Bilde, das mit überraschender Deutlichkeit betonte, wie wichtig es sei, das Gehörte auch in die Tat umzusetzen. Unter den Zuhörern des Heilandes befanden sich viele, die ihr ganzes Leben in der Gegend des Galiläischen Meeres zugebracht hatten. Von dem Abhang aus, wo sie den Worten Christi lauschten, konnten sie Täler und Schluchten sehen, durch die die Bergbäche sich ihren Weg zum See bahnten. Im Sommer trockneten diese Flüsse oft völlig aus und hinterließen nur ein sandiges Bett. Wenn jedoch die Winterstürme über die Berge brausten, wurden die Bäche zu wilden, reißenden Strömen und überschwemmten dabei mitunter die Dörfer, die die unaufhaltsame Flut einfach forttrug. Selbst die Hütten, die die Bauern sich auf den Grasebenen, scheinbar außerhalb des Gefahrengebiets, erbaut hatten, wurden oft mit fortgerissen. Oben auf den Bergen jedoch gab es auch auf Felsen gebaute Häuser. In manchen Gegenden gab es sogar ganz feste Gebäude, die schon tausend Jahre lang den Stürmen standgehalten hatten. Sie waren mit großer Mühe und unter bedeutenden Schwierigkeiten errichtet worden. Man konnte nicht leicht hingelangen, und ihre Lage erschien unwirtlicher als die in der grünen Ebene. Doch sie waren auf Felsen gegründet, und Winde, Fluten und Stürme umtosten sie vergebens.

Dem Menschen, der sein Haus auf den Felsen baut, ist nach dem Worte Jesu jeder gleich, der seine Worte aufnimmt und sein Wesen und Leben darauf gründet. Jahrhunderte vorher schon hatte der Prophet Jesaja geschrieben: "Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich." Petrus führte diese Worte des Propheten noch viele Jahre nach der Bergpredigt an und fügte hinzu: "Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündigt ist." Jesaja 40,8; 1.Petrus 1,25. Das Wort Gottes ist der einzige Halt in dieser Welt. Es ist ein sicherer Grund. Jesus sagt davon: "Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen." Matthäus 24,35. Die erhabenen Grundlagen des Gesetzes, die im Wesen Gottes offenbart sind, haben auch ihren Ausdruck in der Bergpredigt Christi gefunden. Wer darauf baut, baut auf Christus, den ewigen Fels. Wenn wir das Wort aufnehmen, nehmen wir Christus auf. Ja, nur wer so sein Wort aufnimmt, baut auch auf ihn. "Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus." "In keinem andern ist das Heil, ist auch kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden." 1.Korinther 3,11; Apostelgeschichte 4,12. Christus, das Wort, die Offenbarung Gottes, die Verwirklichung seines Wesens, seines Gesetzes, seiner Liebe, seines Lebens, ist der einzige Grund, auf dem wir unsere Persönlichkeit aufbauen und unerschüttert bleiben können.

Wir bauen auf Christus, wenn wir seinem Worte folgen. Nicht der ist gerecht, der sich nur der Gerechtigkeit freut, sondern der sie übt. Heiligung ist nicht nur glückseliges Gefühl; sie ist die Folge einer vollständigen Hingabe an Gott. Sie ist die Ausführung des Willens unseres Vaters im Himmel. Als die Kinder Israel sich an der Grenze des verheißenen Landes lagerten, genügte es ihnen nicht, Kunde von Kanaan zu haben oder Kanaans Lieder zu singen. Dadurch allein kamen sie nicht in den Besitz der Weinberge, Olivenhaine und Äcker. Die waren erst dann ihr Eigentum, als sie davon Besitz ergriffen, und dazu mußten sie die Bedingungen erfüllen, indem sie lebendigen Glauben an Gott bekundeten, sich seine Verheißungen zu eigen machten und auch seinen Befehlen gehorchten.

Religion besteht darin, die Worte Christi zu erfüllen, aber nicht etwa, um damit Gottes Gnade zu verdienen; denn das ist unmöglich, weil wir die Gabe seiner Liebe empfangen haben. Christus macht die Seligkeit des Menschen nicht von seinem bloßen Bekenntnis, sondern von seinem Glauben abhängig, der in Werken der Gerechtigkeit seinen Ausdruck finden muß. Von den Nachfolgern Christi wird die Tat, nicht das Wort allein, erwartet. Durch die Tat baut sich die Persönlichkeit. "Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder." Römer 8,14. Nicht deren Herzen der Geist berührt, nicht die sich dann und wann von ihm leiten lassen, sondern die der Geist Gottes treibt, die sind Kinder Gottes.

Hast du den Wunsch, ein Jünger Christi zu werden, und weißt nicht, wie du es beginnen sollst? Bist du in der Finsternis und kennst nicht den Weg zum Licht? Folge nur dem Licht, das du hast. Bestimme dein Herz zum Gehorsam gegen das, was dir aus dem Worte Gottes bekannt ist. Seine Kraft, ja sein Leben wohnt diesem Wort inne. Wenn du das Wort im Glauben aufnimmst, erhältst du daraus Kraft zum Gehorsam. Wenn du auf das Licht achtest, das du hast, wird dein Licht sich mehren. Du baust auf Gottes Wort, und deine Persönlichkeit wird so nach dem Vorbilde Christi gebaut.

Christus, der wahre Grund, ist ein lebendiger Stein. Sein Leben wird allen zuteil, die sich auf ihn gründen. "Bauet auch ihr euch als lebendige Steine zum geistlichen Hause." "Auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn." 1.Petrus 2,5; Epheser 2,21. Die Steine bilden mit dem Grunde ein Gefüge; denn in allen webt das gleiche Leben. Kein Sturm kann diesen Bau erschüttern; denn alles, was göttlichen Lebens teilhaftig wird, überdauert damit das andere.

Jeder Bau aber, der einen anderen Grund hat als Gottes Wort, wird zusammenstürzen. Wer den Juden zur Zeit Christi gleich auf den Grund menschlicher Meinungen und Ansichten baut, sich auf Formen und Formeln menschlicher Herkunft verläßt oder auch auf Werke, die er ohne die Gnade Christi zu tun vermag, baut seine Persönlichkeit auf lockeren Sand. Die furchtbaren Wasser der Versuchung werden den Grund unterspülen, und sein Haus wird als Wrack an den Strand der Zeit geschwemmt. "Darum spricht Gott der Herr:... Ich will das Recht zur Richtschnur und die Gerechtigkeit zur Waage machen. So wird Hagel die falsche Zuflucht zerschlagen, und Wasser sollen den Schutz wegschwemmen." Jesaja 28,16,17.

Doch heute ist noch Barmherzigkeit für den Sünder vorhanden. "So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe. So kehrt nun um von euren bösen Wegen. Warum wollt ihr sterben?" Hesekiel 33,11. Die Stimme, die noch heute zu den Unbußfertigen spricht, ist die Stimme dessen, der beim Anblick der geliebten Stadt in seinem Herzenskummer ausrief: "Jerusalem, Jerusalem, ... wie oft habe ich wollen deine Kinder versammeln, wie eine Henne ihr Nest unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Sehet, euer Haus soll euch wüste gelassen werden". Lukas 13,34.35. Jerusalem war sinnbildlich für die Welt, die seine Gnade verwarf und verachtete. Er klagte, du trotziges Herz, auch über dich! Als Jesus auf dem Berge weinte, hätte die Stadt Jerusalem im Falle der Reue ihrem Untergang entgehen können. Ein wenig noch harrte die Gabe Gottes ihrer Annahme. Und so spricht Christus auch zu dir, o Mensch, im Tonfall der Liebe: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir." "Jetzt ist die angenehme Zeit, ... jetzt ist der Tag des Heils!" Offenbarung 3,20; 2.Korinther 6,2. Die ihr eure Hoffnung auf euch selbst setzt, ihr baut auf Sand. Aber noch ist's nicht zu spät, der nahenden Gefahr zu entrinnen. Fliehe auf den sicheren Grund, ehe der Sturm losbricht! So "spricht Gott der Herr: Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, der fest gegründet ist". "Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden." "Fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit." Ihr werdet "nicht zuschanden noch zu Spott immer und ewiglich". Jesaja 28,16; Jesaja 45,22; Jesaja 41,10; Jesaja 45,17.