Auf den Spuren des großen Arztes

Kapitel 2

Tage des Dienens

[AUDIO]

Im Haus des Petrus in Kapernaum lag seine Schwiegermutter, an "hohem Fieber" erkrankt, und "sie baten Jesus für sie". Er "ergriff ihre Hand, und das Fieber verließ sie"; sie stand auf und diente ihrem Retter und seinen Jüngern. Lukas 4,38; Markus 1,30; Matthäus 8,15.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht in der ganzen Umgebung. Das Wunder war am Sabbat geschehen, aber aus Furcht vor den Rabbinern wagten die Leute nicht vor Sonnenuntergang zu kommen, um geheilt zu werden. Dann jedoch drängten die Heilungsuchenden von überallher zu der unscheinbaren Wohnung, in der sich Jesus befand. Die Kranken wurden auf Betten gebracht, sie kamen auf Krücken gestützt oder wankten mit Hilfe von Freunden mühsam in die Gegenwart des Heilands.

Stunde um Stunde kamen und gingen sie -- konnte doch niemand wissen, ob der Wundertätige auch am darauffolgenden Tag noch unter ihnen sein würde. Nie zuvor hatte es in Kapernaum einen Tag wie diesen gegeben. Rufe der Freude und des Jubels klangen durch die Nacht.

Erst als auch dem letzten Leidtragenden geholfen war, beendete Jesus sein Werk. Es war schon tiefe Nacht, als sich die Menge schließlich verlief und es ruhig wurde in Simons Haus. Der lange, aufwühlende Tag war nun vorüber, und auch Jesus suchte jetzt Ruhe. Aber während man in der Stadt noch schlief, "stand der Heiland am Morgen, noch vor Tage auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort." Markus 1,35.

Früh am Morgen aber kamen Petrus und seine Gefährten zu Jesus -- mit der Nachricht, daß man ihn in Kapernaum bereits wieder suchte. Erstaunt vernahmen sie das Wort Jesu: "Ich muß auch den andern Städten das Evangelium predigen vom Reich Gottes; denn dazu bin ich gesandt." Lukas 4,43.

In der Aufregung, die damals in Kapernaum herrschte, steckte die Gefahr, daß der wahre Zweck seiner Sendung verloren ging. Jesus kam es nicht darauf an, als reiner Wundertäter, als Heilkundiger für körperliche Krankheiten aller Art Aufmerksamkeit und Bewunderung zu erringen. Er wollte vielmehr die Menschen zu sich als ihrem Heiland ziehen. Die Leute träumten davon, daß er als König zur Errichtung einer weltlich-politischen Herrschaft gekommen sei -- er aber bemühte sich inständig, ihre Gesinnung vom Weltlichen auf das Geistliche zu lenken. Ausschließlich weltlicher Erfolg hätte seinem Werk geschadet.

Deshalb war ihm die Bewunderung der gedankenlosen Masse zuwider. Sein Leben diente nicht der Selbstverwirklichung. Die Verbeugungen der Welt vor Rang, Reichtum oder Begabung waren dem Menschensohn fremd. Er benutzte keine marktschreierischen Werbemethoden, um die Aufmerksamkeit potentieller Nachfolger zu erringen. Jahrhunderte vor seiner Geburt wurde schon von ihm vorausgesagt, daß "er nicht schreien noch rufen wird, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus." Jesaja 42,2.3.

Die Pharisäer taten sich mit ihrem pedantischen Befolgen selbstauferlegter Regeln und Zeremonien hervor, wollten ihren Gottesdienst und ihre guten Werke zur Schau stellen. Sie "bewiesen" ihren Eifer für das Religiöse, indem sie es zum Gegenstand von Dauerdiskussionen machten. Die Dispute zwischen den opponierenden Sekten waren laut und lang. Es war gar nicht ungewöhnlich, sogar auf den Straßen die Stimmen geifernden Streitens der Schriftgelehrten zu hören.

In krassem Gegensatz dazu stand das Leben Jesu. Da gab es keine lautstarken Dispute, keinen "Gottesdienst" der Sorte: "Schauen mir auch viele zu?", keine Beifallshascherei. Christus war in Gott geborgen, und Gott offenbarte sich im Wesen seines Sohnes. Zu dieser Offenbarung wollte Jesus die Herzen der Menschen hinwenden.

Er, die "Sonne der Gerechtigkeit", wollte diese Welt nicht blenden, um mit seiner Herrlichkeit die Sinne zu verwirren. Vielmehr steht von ihm geschrieben, daß er "hervorbrechen wird wie die schöne Morgenröte". Hosea 6,3. Ruhig und sanft trifft das Tageslicht auf die Erde, verdrängt die Dunkelheit und erweckt die Welt zum Leben. So ging die Sonne der Gerechtigkeit auf, "mit Heil unter ihren Flügeln". Maleachi 3,20.

"Siehe, das ist mein Knecht -- ich halte ihn -- und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat." Jesaja 42,1.

"Denn du bist der Geringen Schutz gewesen, der Armen Schutz in der Trübsal, eine Zuflucht vor dem Ungewitter, ein Schatten vor der Hitze." Jesaja 25,4.

"So spricht Gott, der Herr, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt und den Geist denen, die auf ihr gehen: Ich, der Herr, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, daß du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker." Jesaja 42,5-7.

"Aber die Blinden will ich auf dem Wege leiten, den sie nicht wissen; ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen. Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und das Höckerige zur Ebene. Das alles will ich tun und nicht davon lassen." Jesaja 42,16.

"Singet dem Herrn ein neues Lied, seinen Ruhm an den Enden der Erde, die ihr auf dem Meer fahret, und was im Meer ist, ihr Inseln und die darauf wohnen! Rufet laut, ihr Wüsten und die Städte darin samt den Dörfern, wo Kedar wohnt. Es sollen jauchzen, die in Felsen wohnen, und rufen von den Höhen der Berge! Sie sollen dem Herrn die Ehre geben und seinen Ruhm auf den Inseln verkünden!" Jesaja 42,10-12.

"Jauchzet, ihr Himmel, denn der Herr hat's getan! Jubelt, ihr Tiefen der Erde! Ihr Berge, frohlocket mit Jauchzen, der Wald und alle Bäume darin! Denn der Herr hat Jakob erlöst und ist herrlich in Israel." Jesaja 44,23.

Er offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn

Johannes der Täufer, der im Gefängnis des Herodes lag, war hinsichtlich Jesu Werk enttäuscht und verunsichert. Doch er blieb aufmerksam und erwartungsvoll und schickte zwei seiner Jünger mit der Frage zu Jesus: "Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?" Matthäus 11,3.

Der Heiland antwortete nicht sofort auf diese Frage. Während sie nun so dastanden und sich über sein Schweigen wunderten, kamen die Leidtragenden zu ihm. Da durchdrang die machtvolle Stimme Jesu die Ohren der Gehörlosen. Da öffnete ein Wort, eine Berührung seiner Hand die Augen der Blinden, die nun das Tageslicht, die Schönheit der Natur, die Gesichter von Freunden und das des Erlösers sehen konnten.

Seine Stimme erreichte die Ohren Sterbender, die daraufhin gesund und gekräftigt aufstehen konnten. Gebannte Dämonen gehorchten seinem Wort. Die Besessenen wurden frei und beteten Jesus an. Die armen und einfachen Leute, die von den Rabbinern als Unreine gemieden wurden, versammelten sich um ihn, der ihnen Worte des ewigen Lebens sagte.

So verlief der Tag -- und die Jünger des Johannes sahen und hörten das alles. Schließlich rief Jesus sie zu sich und bat sie, zu Johannes zu gehen und ihm zu erzählen, was sie miterlebt hatten; dann fügte er an: "Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert." Matthäus 11,6. Die Jünger überbrachten diese Botschaft -- und sie genügte Johannes.

Der Täufer erinnerte sich jetzt an die entsprechenden Prophezeiungen über den Messias, zum Beispiel an diese: "Der Geist Gottes des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, daß sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn (...), zu trösten alle Trauernden." Jesaja 61,1.2. Dieser Verheißene war Jesus von Nazareth! Der Beweis seiner Göttlichkeit lag darin, daß er mit Macht den Nöten der leidenden Menschheit abhalf; seine Herrlichkeit zeigte sich gerade dadurch, daß er freiwillig unsere gefallene menschliche Natur annahm.

Christi Werke wiesen ihn nicht nur als den Messias aus, sondern zeigten auch, in welcher Form sein Reich auf dieser Welt entstehen sollte. Johannes ist dieselbe Wahrheit offenbart worden wie Elia am Berg Horeb, als "ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, vor dem Herrn her kam; der Herr aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer." Nach dem Feuer aber sprach Gott zu dem Propheten in "einem stillen, sanften Sausen". 1.Könige 19,11.12. So tat auch Jesus sein Werk -- nicht unter Umsturz politischer Verhältnisse, nicht durch Schauwunder und Effekthascherei, sondern indem er durch ein Leben der Barmherzigkeit und Selbstaufopferung die Gemüter der Menschen ansprach.

Das Reich Gottes kommt also nicht mit dem Herausstellen von Äußerlichkeiten; es kommt durch die stille Eingebung seines Wortes, durch das Wirken seines Geistes in unserem Innern, durch die Gemeinschaft der Seele mit ihm, der ja ihr Leben ist. Die größte Offenbarung seiner Macht zeigt sich, wenn die menschliche Natur die Vollkommenheit des Charakters Jesu erreicht.

Die Nachfolger Christi sollen das Licht dieser Welt sein; aber Gott erwartet nicht, daß sie aus eigener Kraft leuchten. Er unterstützt kein auf Selbstverwirklichung bedachtes Streben, nicht das Ziel, die eigene Perfektion herauszustellen. Vielmehr wünscht er, daß ihre Herzen von den Grundsätzen des Himmels erfüllt werden; dann werden sie, wo immer sie mit Menschen in Berührung kommen, dieses Licht weitergeben. Ihre unbedingte Treue in jeder Lebenslage wird so einen leuchtenden Hinweis auf Gott darstellen.

Reichtum oder eine hohe gesellschaftliche Stellung, kostspielige Architektur und Ausstattung sind für den Fortschritt des Werkes Gottes nicht wesentlich, ebensowenig Errungenschaften, die den Beifall der Welt auf sich lenken und zu Eitelkeit führen. Sensationelle Darstellungen -- und mögen sie auch noch so grandios wirken -- sind in Gottes Augen wertlos. Über dem Sichtbaren und Vergänglichen rangiert bei ihm das Unsichtbare und Ewige. Das Erstere hat nur insoweit Wert, wie es dem Letzteren dient. So kann man auch die erlesensten Werke der Kunst nicht mit der Schönheit vergleichen, die das Wirken des Heiligen Geistes im Charakter eines Menschen hervorbringt.

Als Gott seinen Sohn in die Welt sandte, vertraute er den Menschen unvergängliche Reichtümer an -- Reichtümer, zu denen im Vergleich alle seit Beginn der Welt gehorteten Schätze der Menschen ein Nichts sind. Christus kam auf diese Erde und machte die seit Ewigkeiten wirkende Liebe Gottes vor den Menschen sichtbar. Das ist der Schatz, den wir durch unsere Verbindung mit ihm empfangen und weitergeben sollen.

Menschliche Anstrengungen werden im Werk Gottes nur in dem Maße wirksam, wie sich der Mitarbeiter hingebungsvoll in den Dienst Gottes stellt und es der Gnade Christi gestattet, sein Leben umzuwandeln. Wir unterscheiden uns von der Welt, weil Gott uns sein Siegel aufgeprägt hat, weil er in uns sein liebendes Wesen darstellt. Unser Erlöser bekleidet uns mit seiner Gerechtigkeit.

Wenn Gott Männer und Frauen in seinen Dienst ruft, fragt er zuvor nicht danach, ob sie weltlichen Reichtum, hohe Bildung oder rhetorisches Talent besitzen. Er fragt ganz anders: "Sind sie demütig genug, daß ich ihnen meinen Weg zeigen kann? Kann ich sie meine Worte sprechen lassen? Werden sie mich darstellen?"

Gott kann uns genau in dem Ausmaß gebrauchen, in dem wir das Wirken seines Geistes in uns zulassen. Das Ziel ist, vor den Menschen Gottes Bild darzustellen. Seine Nachfolger sollen als ihre Beglaubigung vor der Welt die unvergänglichen Merkmale des göttlichen Wesens aufweisen.

"Er wird die Lämmer in seinem Arm sammeln"

Als Jesus in den Ortschaften Judäas unterwegs war, drängten sich Mütter mit ihren kranken und sterbenden Kindern durch die Menge, immer darauf aus, nah genug an ihn heranzukommen, damit er ihnen helfen konnte.

Stellen wir uns diese Mütter vor: blaß, abgespannt, fast verzweifelnd -- aber dennoch entschlossen und beharrlich. Beladen mit Leid suchen sie den Heiland auf. Manchmal, wenn sie von der wogenden Menge weggedrängt werden, bahnt sich Jesus selbst Schritt für Schritt einen Weg zu ihnen, bis er sie erreicht. Hoffnung kommt in ihren Herzen auf. Und Freudentränen fließen, als er sich ihnen schließlich zuwendet und sie in seine Augen sehen können, die so viel Mitleid und Liebe ausdrücken.

Der Heiland geht nun auf eine Frau in dieser Gruppe besonders ein; er weckt ihr Vertrauen, indem er zu ihr sagt: "Was soll ich für dich tun?" Sie hat nur einen inständigen Wunsch: "Meister, bitte mach mein Kind gesund!" Jesus nimmt das Kleine aus ihren Armen -- und die Krankheit verschwindet mit seiner Berührung. Keine Todesblässe mehr, das lebenspendende Blut fließt kräftig durch die Adern, die Muskulatur erstarkt. Zudem hört die Mutter Worte des Trostes und Friedens; dann aber ist auch schon der nächste Fall -- ein ebenso dringender -- an der Reihe. Wieder übt Jesus seine lebenspendende Macht aus, und alle preisen und ehren ihn, der solche wunderbare Taten vollbringt.

Wir befassen uns gern mit dem Großartigen in Jesu Leben. Wir sprechen am liebsten von den Wundern, die er getan hat, von seinen übernatürlichen Handlungen. Aber daß er sich auch mit scheinbar nebensächlichen Dingen beschäftigt hat, ist sogar ein noch überzeugenderer Beweis seiner Größe. Sehen wir uns folgenden Bericht an:

Es war jüdischer Brauch, die Kinder zu einem Rabbiner zu bringen, damit er seine Hände segnend auf sie lege; aber Jesu Jünger hielten das Werk des Heilands für zu wichtig, um es deswegen zu unterbrechen. Wenn also Mütter mit dem Wunsch kamen, Jesus möge ihre Kinder segnen, fuhren die Jünger sie unwillig an. Sie hielten diese Kinder für zu jung, als daß sie einen Gewinn von dieser Segnung haben könnten. Sie meinten, Jesus wäre über deren Gegenwart gar nicht erfreut. Aber der Heiland verstand die Sorge und Last der Mütter, die ihre Kinder entschieden gemäß dem Wort Gottes erziehen wollten. Er hatte ihre Gebete erhört. Er selbst hatte sie in seine Gegenwart gezogen.

Das kam so: Eine Mutter ging mit ihrem Kind aus dem Haus, um Jesus aufzusuchen. Unterwegs erzählte sie einer Nachbarin von ihrem Vorhaben. Da wünschte auch diese den Segen Jesu für ihre Kinder. So kamen schließlich eine ganze Reihe von Müttern mit ihren -- zum Teil auch schon älteren -- Kindern zu Jesus. Als nun die Mütter ihren Wunsch vortrugen, vernahm Jesus voller Mitgefühl die ängstliche, besorgte Bitte. Aber er wartete noch, um zu sehen, wie seine Jünger reagieren würden.

Als er nun mitbekam, wie die Jünger sie tadelten und -- in der Meinung, ihm damit einen Gefallen zu tun -- sie wegschicken wollten, zeigte er ihnen ihren Irrtum und sagte: "Laßt die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes." Markus 10,14. Dann nahm er die Kinder in die Arme, legte seine Hände auf sie und gab ihnen den Segen, wegen dem sie gekommen waren.

Nun waren die Mütter getröstet; von Jesu Worten gestärkt und gesegnet gingen sie nach Hause. Sie hatten jetzt wieder den Mut, ihre Last mit neuer Freudigkeit auf sich zu nehmen und voller Hoffnung für ihre Kinder zu arbeiten.

Wenn wir das weitere Leben dieser kleinen Gruppe beobachten könnten, sähen wir, wie die Mütter ihren Kindern das Ereignis jenes Tages ins Gedächtnis zurückriefen und ihnen oft die liebevollen Worte des Heilands wiederholten. Wir würden feststellen, wie die Erinnerung an diese Worte die Kinder in späteren Jahren oftmals davor bewahrte, von dem Weg abzukommen, den Gott für sie vorgesehen hatte.

Christus ist heute derselbe mitfühlende Heiland wie während seines Erdenlebens. Er möchte den Müttern heute genauso helfen wie damals in Judäa, als er die Kinder in seine Arme nahm. Unsere Kinder, die uns am Herzen liegen, sind genauso mit seinem Blut erkauft wie die Kinder damals.

Jesus kennt die Last jeder Mutter. Er, der eine Mutter hatte, die mit Armut und Entbehrungen kämpfte, hat Mitgefühl mit jeder Mutter in ihren Mühen. Er, der einen weiten Weg zurücklegte, um das ängstliche Herz einer Kanaaniterin zu erleichtern, wird für heutige Mütter genausoviel tun. Er, der der Witwe von Nain ihren einzigen Sohn zurückgab, der sich noch in den Todesqualen am Kreuz an seine eigene Mutter erinnerte, wird auch heute vom Leid der Mütter angerührt. In jedem Kummer und jeder Not wird er trösten und helfen.

Laßt Mütter zu Jesus kommen, wenn sie ratlos sind; bei ihm werden sie genügend Gnade finden, ihnen in der Sorge um ihre Kinder zu helfen. Die Tür steht für jede Mutter offen, die ihre Lasten dem Heiland zu Füßen legen möchte. Er, der gesagt hat: "Laßt die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht" (Markus 10,14), lädt auch heute noch Mütter ein, ihre Kinder zu ihm zu bringen, um sie segnen zu lassen.

Jesus sah in den Kindern, die zu ihm gebracht wurden, Männer und Frauen, Erben seiner Gnade und Bürger seines Reichs. Einige von ihnen würden um seinetwillen Märtyrer werden. Er wußte, daß diese Kinder ihm weitaus bereitwilliger zuhören und ihn als ihren Erlöser annehmen würden als Erwachsene, von denen viele mit Vorurteilen belastet und hartherzig waren. Wenn er lehrte, tat er das auf ihrer Verständnisebene. Er, die Majestät des Himmels, gab ihnen Antwort auf ihre Fragen und vereinfachte seine wichtigen Lehren ihrem kindlichen Verständnis entsprechend. Er pflanzte die Saat der Wahrheit in ihre Seelen, die in späteren Jahren aufgehen und Frucht für das ewige Leben tragen würde.

Als Jesus den Jüngern gebot, den Kindern nicht zu verwehren, zu ihm zu kommen, sprach er zugleich zu seinen Nachfolgern aller Zeiten -- zu Amtsträgern in den Gemeinden, Predigern, Helfern, zu allen Christen. Jesus ist es, der die Kinder zu sich zieht, und er bittet uns: "Laßt sie zu mir kommen", als wollte er sagen: "Sie werden kommen, wenn ihr sie nicht daran hindert."

Achte darauf, daß dein Charakter Christus nicht falsch darstellt. Halte mit deiner gleichgültigen und harten Wesensart die Kinder nicht von Jesus ab. Gib ihnen nie Anlaß zu der Annahme, der Himmel sei für sie kein angenehmer Ort, wenn du auch dort bist. Sprich von Religion nicht als etwas, das Kinder noch nicht verstehen können; handle auch nicht so, als ob gar nicht erwartet wird, daß sie sich schon in ihrer Kindheit für Christus entscheiden. Vermittle ihnen nicht den falschen Eindruck, daß die Religion von Christus etwas Düsteres sei, daß zum Heiland zu kommen bedeutet, auf alles verzichten zu müssen, was das Leben schön macht.

Wenn der Heilige Geist die Herzen der Kinder beeinflußt, dann unterstützt sein Werk. Lehrt sie, daß der Heiland auch Kinder ruft und daß ihm nichts größere Freude bereiten kann, als wenn sie sich -- zu ihrem Besten -- ihm schon in jungen Jahren übergeben.

Die Verantwortung der Eltern

Mit unbeschreiblichem Feingefühl sieht der Heiland die Seelen an, die er mit seinem Blut freigekauft hat. Sie sind es, die er mit seiner Liebe umgeben möchte; er blickt mit großem Wohlwollen auf sie. Sein Herz sehnt sich nicht nur nach den wohlerzogenen und braven Kindern, sondern auch nach denen, die ererbte oder durch Vernachlässigung erworbene unausstehliche Charaktereigenschaften aufweisen.

Viele Eltern erkennen nicht, wie sehr sie selbst für diese Unarten ihrer Kinder verantwortlich sind. Sie haben nicht das Einfühlungsvermögen und die Weisheit, um mit den Irrenden -- die sie selbst zu solchen gemacht haben -- richtig umzugehen. Aber Jesus sieht voller Mitleid auf diese Kinder, denn er schließt von der Ursache auf die Wirkung. Der Gläubige kann zum Mitarbeiter Jesu werden, indem er diese irrenden Kinder zum Heiland führt. Klug und umsichtig kann er ihre Herzen für Jesus gewinnen, kann ihnen Mut und Hoffnung geben und sie durch Christi Gnade dann charakterlich umgewandelt sehen, so daß von ihnen gesagt werden kann: "Solchen gehört das Reich Gottes."

Fünf kleine Gerstenbrote sättigen eine große Menschenmenge

Den ganzen Tag über war das Volk bei Jesus und seinen Jüngern geblieben, als er einmal am See Genezareth lehrte. Gern hatten sie seinen freundlichen Worten gelauscht -- die so einfach und klar waren, daß sie auf ihre Seelen wie die Salbe von Gilead wirkten. Vgl. Jeremia 8,22; 46,11. Seine heilenden Hände hatten Kranke gesund gemacht und Sterbende am Leben erhalten. Dieser Tag war ihnen deshalb wie der Himmel auf Erden vorgekommen -- und so wußten sie schließlich gar nicht mehr, wie lange es her war, seit sie etwas gegessen hatten.

Die Sonne stand schon tief im Westen, doch das Volk wollte immer noch nicht gehen. Schließlich kamen die Jünger zu Jesus und drangen darauf, die Menge jetzt heimzuschicken. Viele seien doch von weither gekommen und hätten seit dem Morgen nichts gegessen; in den umliegenden Ortschaften könnten sie jetzt noch etwas kaufen. Aber Jesus sagte: "Es ist nicht nötig, daß sie fortgehen. Gebt ihr ihnen zu essen." Matthäus 14,16. Dann wandte er sich an Philippus und fragte ihn: "Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben?" Johannes 6,5.

Philippus blickte über die riesige Menschenmenge und erkannte, wie unmöglich es war, diese mit Nahrung zu versorgen. Deshalb antwortete er: "Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, daß jeder ein wenig bekomme." Johannes 6,7.

Da fragte Jesus, wieviel Nahrung denn unter der Menschenmenge verfügbar sei. Der Jünger Andreas antwortete: "Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele?" Johannes 6,9. Jesus ließ sich dies wenige bringen und bat die Jünger, das Volk auf dem grasigen Boden lagern zu lassen. Dann nahm er den Proviant, "sah auf zum Himmel, dankte und brach's und gab die Brote den Jüngern, und die Jünger gaben sie dem Volk. Und sie aßen alle und wurden satt und sammelten auf, was an Brocken übrigblieb, zwölf Körbe voll." Matthäus 14,19.20.

Kraft seiner göttlichen Macht versorgte Christus diese Menschenmenge; aber wie einfach war die verteilte Nahrung -- nur Fische und Gerstenbrote, also die übliche Kost der Fischersleute von Galiläa!

Selbstverständlich hätte Jesus dem Volk ein opulentes Mahl verschaffen können, aber Nahrung, die nur der Befriedigung des Geschmackes dient, hätte ihnen kein gutes Beispiel gegeben. Denn mit diesem Wunder wollte Jesus ihnen eine Lektion in einfacher Lebensweise erteilen.

Wenn wir heutigen Menschen in unseren Lebens- und Eßgewohnheiten ähnlich einfach wären und in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen lebten, so wie es Adam und Eva anfangs taten, könnten die Bedürfnisse der gesamten Menschheitsfamilie reichlich befriedigt werden. Aber Egozentrik und Nachgiebigkeit gegenüber der Eßlust haben Sünde und Elend mit sich gebracht, und zwar einerseits durch Exzesse, andererseits durch Mangel.

Es war nie das Ziel Jesu, die Menschen durch Befriedigung ihrer Luxusbedürfnisse für sich zu gewinnen. Für jene Menschenmenge, die nach einem langen, aufwühlenden Tag müde und hungrig war, bedeutete die einfache Mahlzeit ein Beweis sowohl der Macht Jesu als auch seiner einfühlsamen Sorge für sie hinsichtlich der gewöhnlichen Bedürfnisse des Lebens. Der Heiland hat seinen Nachfolgern nie den Luxus dieser Welt versprochen; es kann sogar sein, daß sie beständig in Armut leben müssen. Aber er hat zugesagt, daß ihre Grundbedürfnisse befriedigt werden und daß sie etwas erwartet, was besser ist als aller irdischer Reichtum: die beständige Wohltat seiner Gegenwart.

Als die Menschenmenge gegessen hatte, blieb noch reichlich Nahrung liegen. Da bat Jesus seine Jünger: "Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt." Johannes 6,12. Dieses Wort bedeutete mehr, als nur die Reste in Körbe zu sammeln. Seine Lehre reichte viel weiter:

Nichts soll verschwendet werden. Wir dürfen keinen Vorteil, der uns zu bestimmten Zeiten geboten wird, ungenutzt vorbeiziehen lassen. Wir sollten nichts vernachlässigen, was dazu dienen kann, einem Menschen wohlzutun. Sammeln wir alles auf, was die Not der Hungernden in der Welt lindern kann. Und mit derselben Sorgfalt sollen wir auch mit dem Brot des Himmels umgehen, um die Bedürfnisse der Seele zu stillen. Wir sollen von einem jeden Wort Gottes leben. Nichts von dem, was Gott je ausgesprochen hat, darf verlorengehen. Nicht ein einziges Wort, das unsere ewige Errettung betrifft, dürfen wir vernachlässigen; nicht ein Wort darf nutzlos auf den Boden fallen.

Das Wunder der Brotvermehrung lehrt Abhängigkeit von Gott. Als Christus die Fünftausend speiste, lagen die Nahrungsmittel nicht parat; anscheinend gab es keinerlei Möglichkeiten der Hilfe. Da war nur er, mit fünftausend Männern und ihren Frauen und Kindern -- in der Wildnis. Er hatte die Menge nicht eingeladen, ihm dorthin zu folgen. Aber bestrebt, in seiner Gegenwart zu bleiben, waren sie gekommen -- ohne Einladung oder Aufforderung. Nun sah Jesus den Hunger und die Erschöpfung, nachdem sie den ganzen Tag seiner Rede zugehört hatten. Sie waren weit weg von ihrem Zuhause, und es wurde bald Nacht. Viele von ihnen hatten kein Geld, um Nahrung zu kaufen. Aber der, der um ihretwillen vierzig Tage in der Wüste gefastet hatte, wollte sie nicht fastend und hungernd in ihre Heime zurückkehren lassen.

Die Vorsehung Gottes hatte Jesus an den Ort geführt, an dem er sich jetzt befand, und entsprechend verließ er sich auf seinen himmlischen Vater, was die Mittel zur Überwindung der hier eingetretenen Notlage betraf. Analog sollen auch wir auf Gott vertrauen, wenn wir in schwierige Situationen geführt werden. In jeder Notlage sollen wir Hilfe von dem erbitten, dem unbegrenzte Möglichkeiten zu Gebote stehen.

Bei diesem Wunder erhielt Jesus etwas von seinem himmlischen Vater; dies gab er seinen Jüngern weiter, die Jünger wiederum gaben es dem Volk, und das Volk gab dann einer dem anderen. Genauso werden alle, die mit Christus vereint sind, von ihm das Brot des Lebens bekommen und es dann an andere austeilen. Seine Nachfolger sind die berufenen Diener der Verständigung zwischen Jesus und den Menschen.

Als die Jünger die Anweisung des Heilands "Gebt ihr ihnen zu essen!" hörten, tauchten in ihren Gedanken gleich alle damit verbundenen Schwierigkeiten auf. Deshalb fragten sie: "Sollen wir in die Dörfer gehen, um Nahrung zu kaufen?" Was aber hatte Jesus ihnen gesagt? "Gebt ihr ihnen zu essen!" Daraufhin brachten die Jünger alles zu ihm, was sie finden konnten. Er aber lud nicht sie zum Essen ein; vielmehr bat er sie, dem Volk zu dienen. Die Nahrungsmittel vermehrten sich nun in seinen Händen, und die Hände der Jünger blieben nie leer, sooft sie sie Jesus auch entgegenstreckten. Der winzige Vorrat reichte für alle. Als die Menge schließlich versorgt war, aßen auch die Jünger und Jesus die kostbare, vom Himmel geschenkte Nahrung.

Wenn nun wir die Bedürfnisse der Armen, der Unwissenden und der Geplagten wahrnehmen -- wie oft verläßt uns da der Mut. Wir fragen dann: "Was richten denn unsere geringe Kraft und unsere wenigen Möglichkeiten gegen diese immense Not aus? Sollen wir nicht lieber auf jemanden mit größerer Befähigung zu dieser Aufgabe warten, oder auf irgendeine Organisation, die das übernimmt?" Christus aber sagt: "Gebt ihr ihnen zu essen!" Setze die Mittel, die Zeit und die Fähigkeiten ein, die du hast. Bringe deine Gerstenbrote zu Jesus.

Wenn deine Mittel auch nicht reichen mögen, um Tausende zu versorgen, so können sie doch genug sein für einen. In der Hand Jesu können sie dann für mehrere reichen. Mach es wie die Jünger -- gib, was du hast. Christus wird deine Gabe vervielfachen. Er wird aufrichtiges, einfaches Vertrauen auf ihn belohnen. Was scheinbar nur ein winziger Vorrat ist, wird sich als eine reichliche Menge erweisen.

"Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen ... Gott aber kann machen, daß alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht (Psalm 112,9): ‚Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.' Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt." 2.Korinther 9,6-11.