Auf den Spuren des großen Arztes

Kapitel 3

Zusammenarbeit mit der Natur und mit Gott

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Sein Leben auf dieser Erde führte der Heiland in Einklang mit der Natur und mit Gott. So offenbarte er uns das Geheimnis eines produktiven Lebens.

Jesus war ein ernsthafter, beständiger Arbeiter. Niemals lebte ein Mensch, der so mit Verantwortung belastet war wie er. Niemals trug jemand eine so schwere Bürde an Kummer und Sünden der Welt. Niemals mühte sich jemand mit solch selbstaufopferndem Einsatz um das Wohl der Menschheit. Gleichwohl führte er ein Leben in Gesundheit. Physisch ebenso wie geistlich war er mit dem "unschuldigen und unbefleckten" Opferlamm (1.Petrus 1,19) zutreffend dargestellt. Körperlich wie seelisch war er ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit, die Gott allen Menschen bei Gehorsam gegenüber seinen Gesetzen zugedacht hatte.

Wenn die Menschen Jesus anschauten, sahen sie ein Gesicht, in dem göttliches Mitgefühl mit hoher Geisteskraft verbunden war. Er schien von einer Aura geistigen Lebens umgeben zu sein. Wenngleich sein Benehmen freundlich und fern jeder Überheblichkeit war, beeindruckte er die Menschen doch durch eine starke Ausstrahlung, die manchmal verborgen schien und doch nicht ganz verborgen bleiben konnte.

Während seines Dienstes wurde er fortwährend von hinterhältigen, heuchlerischen Menschen verfolgt, die ihm ans Leben wollten. Ständig schlichen ihm Spione nach, um seine Aussprüche auszuhorchen und dabei womöglich etwas gegen ihn verwenden zu können. Die scharfsinnigsten und gebildetsten Köpfe des Landes versuchten, ihn in Streitgesprächen zu besiegen. Aber niemals konnten sie etwas gegen ihn ausrichten. Jedesmal mußten sie vom Ort der Kontroverse abziehen -- verwirrt und beschämt durch den einfachen Lehrer aus Galiläa. Seine Lehren waren so erfrischend und machtvoll, wie sie die Menschen nie zuvor gehört hatten. Sogar seine Feinde mußten bekennen: "Noch nie hat ein Mensch so geredet wie dieser." Johannes 7,46.

Seine Kindheit erlebte Jesus unter einfachen Verhältnissen in ländlicher Umgebung, wobei er von den negativen Einflüssen seiner Zeit relativ unbelastet blieb. Er fügte sich in die Aufgaben des häuslichen Familienlebens, lernte Gehorsam bei anstrengender körperlicher Arbeit im Beruf des Zimmermanns und fand Erholung in der Natur. Intensiv bemühte er sich um ein Verständnis ihrer Geheimnisse und gewann dabei ein reiches Wissen. Er studierte Gottes Wort, und zu seinen glücklichsten Stunden zählte die Zeit, da er nach getaner Arbeit die weite Landschaft aufsuchen, in ruhigen Tälern intensiv nachdenken und auf Bergen oder in Wäldern ungestörte Gemeinschaft mit Gott haben konnte. Frühmorgens ging er oft an einen abgelegenen Ort, wo er meditierte, in den Schriften des Alten Testaments las oder betete. Die Morgendämmerung begrüßte er mit Gesang, mit Dankliedern lockerte er auch seine Arbeitszeit auf und übertrug so seine Freude vom Himmel auf die Erschöpften und Entmutigten in seiner Umgebung.

Einen großen Teil seines Lebens verbrachte Jesus im Freien. Seine Wege von einem Ort zum andern legte er zu Fuß zurück; seine Verkündigungen fanden meistens unter freiem Himmel statt. Um auch seine Jünger in dieser Hinsicht zu prägen, zog er sich oft aus dem turbulenten Treiben der Städte in die Ruhe der freien Landschaft zurück. Dort ließen sich die Lehren der Einfachheit, des Vertrauens und der Selbstverleugnung besser vermitteln. Es war unter den schützenden Bäumen am Ufer des Sees Genezareth, wo die Zwölf zu Aposteln berufen und die Bergpredigt gehalten wurde.

Am liebsten sammelte Christus die Menschen unter freiem Himmel, an grasbewachsenen Hügeln oder am Ufer eines Sees um sich. Hier, umgeben von den Werken seiner eigenen Schöpfung, konnte er ihre Gedanken vom Technisch-Künstlichen zum Natürlichen lenken. Denn in Wachstum und Entwicklung der Natur werden die Prinzipien seines Reichs sichtbar. Während die Menschen ihre Augen zu den von Gott geschaffenen Hügeln erheben und die wunderbaren Werke seiner Hände betrachten sollten, konnte er ihnen wertvolle Lehren göttlicher Wahrheit vermitteln. So wurden ihnen später die Unterweisungen des göttlichen Lehrers von den Gegebenheiten der Natur in Erinnerung gebracht. Das hob die manchmal traurige Gemütslage und ließ das Herz Ruhe finden.

Den zwölf Jüngern, die ihn in seiner Arbeit tatkräftig unterstützten, gewährte Jesus oft eine freie Zeit, damit sie ihre Heime aufsuchen und ausruhen konnten; andererseits aber blieben ihre Versuche vergeblich, ihn von seiner Arbeit abzubringen. Den ganzen Tag kümmerte er sich um die Menschen, die zu ihm kamen; abends und frühmorgens zog er sich ins "Heiligtum" der Berge zurück, um Gemeinschaft mit seinem Vater zu haben.

Oft war er durch die unaufhörliche Arbeit und die beständigen Querelen mit feindlich gesonnenen Rabbinern und ihren falschen Lehren so erschöpft, daß seine Mutter, seine Brüder und selbst seine Jünger befürchteten, er würde daran zugrunde gehen. Aber wenn er von den Stunden des Gebets zurückkehrte, die den aufreibenden Tag abschlossen, bemerkten sie den Ausdruck des Friedens auf seinem Gesicht, die Frische, Lebendigkeit und Energie, die sein ganzes Wesen zu durchströmen schienen. Von den Stunden, die er allein mit Gott verbrachte, kam er jeden Morgen mit dem Licht des Himmels für die Menschen zurück.

Eine notwendige Erholungspause

Gleich nach der Rückkehr von ihrer ersten missionarischen Reise bat Jesus seine Jünger, mit ihm die Einsamkeit zu suchen und ein wenig auszuruhen. Warum? Mit großer Freude über ihren Erfolg als Boten des Evangeliums waren sie zurückgekehrt -- da erreichte sie die Nachricht, daß König Herodes Johannes den Täufer hingerichtet hatte. Das bedeutete bitteres Leid und eine große Enttäuschung für sie.

Jesus wußte: Indem er den Tod des Täufers im Gefängnis zugelassen hatte, wurde der Glaube der Jünger hart auf die Probe gestellt. Mit einfühlsamer Freundlichkeit sah er nun ihre trauernden, verweinten Gesichter an. Auch er hatte Tränen in den Augen, und mit schwankender Stimme sagte er: "Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig." Markus 6,31.

In der Nähe von Bethsaida, am nördlichen Ende des Sees Genezareth, gab es einen einsamen Platz, schön anzusehen im frischen Grün des Frühlings, der Jesus und seinen Jüngern einen willkommenen Zufluchtsort bot. Diesen Platz wollten sie jetzt aufsuchen und fuhren deshalb mit ihrem Boot über den See. Hier konnten sie sich erholen, weit weg vom Trubel der Menschenmenge. Hier konnten die Jünger den Worten Jesu lauschen -- ungestört von den Einwürfen und Anschuldigungen der Pharisäer. Für kurze Zeit wenigstens wollten sie ihren Herrn für sich haben.

Jesus war nicht lange mit seinen Jüngern allein -- aber wie wertvoll erschien ihnen diese kurze Zeit. Sie redeten miteinander über die Evangeliumsarbeit und über Möglichkeiten, wie man Menschen noch wirksamer erreichen konnte. Jesus erschloß ihnen hierzu die Reichtümer der Wahrheit; und die Jünger wurden so mit Kraft von Gott gestärkt und von Hoffnung und Mut erfüllt.

Aber bald suchten die Menschen wieder nach Jesus. In der Annahme, daß er seinen üblichen Ruheplatz aufgesucht habe, folgten ihm die Leute dorthin. Damit war seine Hoffnung, doch eine gewisse Zeit der Erholung zu haben, dahin. Aber im tiefsten Inneren seiner geradlinigen und einfühlsamen Seele empfand der Gute Hirte nichts als Liebe und Mitleid für diese ruhelosen, nach Orientierung begierigen Menschen. Also diente er wieder den ganzen Tag lang ihren Bedürfnissen und ließ sie abends dann zur Nachtruhe heimgehen.

Bei einer Lebensführung, die so ganz und gar dem Wohl anderer gewidmet war, hielt es der Heiland jedoch für unbedingt nötig, sich von der rastlosen Aktivität, der pausenlosen Beschäftigung mit menschlichen Problemen auch einmal abzuwenden, sich zurückzuziehen und ungestörte Gemeinschaft mit seinem himmlischen Vater zu suchen. Als die Menge, die ihm nachgefolgt war, sich wieder entfernt hatte, ging er deshalb ins Gebirge, wo er mit Gott allein war, und übergab ihm seine Sorgen um diese leidenden, sündigen und erlösungsbedürftigen Menschen.

Wenn Jesus seinen Jüngern sagte, daß die Ernte groß sei und der Arbeiter wenig, wollte er ihnen damit nicht die Pflicht zu pausenloser Anstrengung aufladen, sondern sie an folgendes erinnern: "Darum bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende." Matthäus 9,38. Seinen ausgebrannten Mitarbeitern von heute gelten wie den ersten Jüngern die einfühlsamen Worte: "Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig." Markus 6,31.

Alle Mitarbeiter Gottes brauchen Zeiten der Ruhe, der Gemeinschaft mit ihrem eigenen Gemüt, mit der Natur und mit Gott. Denn sie sind gefordert, ein Leben zu führen, das mit der Welt, ihren Standards und Praktiken nicht harmoniert; auch brauchen sie eine persönliche Erfahrung darin, wie man den Willen Gottes kennenlernt.

Wir müssen ihn eigens zu unserem Herzen sprechen hören. Wenn wir jede andere Stimme zum Schweigen gebracht haben und in Ruhe vor Gott warten, dann läßt uns dieser innere Friede die Stimme Gottes viel deutlicher hören. Er bittet uns: "Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin!" Psalm 46,11. Jeder, der sich so regeneriert und wirksam auf den Dienst vorbereitet hat, wird inmitten geschäftiger Menschen und trotz der Belastungen des Lebens von einer lichten und friedvollen Atmosphäre umgeben. Er erhält aufs neue körperliche und geistige Kraft; sein Leben bekommt eine positive Ausstrahlung und offenbart eine gottgegebene Macht, die die Herzen der Menschen erreicht.