Auf den Spuren des großen Arztes

Kapitel 4

Die Berührung des Glaubens

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"Könnte ich nur sein Gewand berühren, so würde ich gesund." Matthäus 9,21. Es war eine arme Frau, die diese Worte aussprach -- eine Frau, die zwölf Jahre lang an einer Krankheit litt, die ihr das Leben zur Last machte. Ihren ganzen Besitz hatte sie inzwischen für Ärzte und Arzneien verbraucht -- nur, um schließlich zu erfahren, daß sie unheilbar sei. Als sie aber von dem Großen Arzt hörte, erwachte die Hoffnung wieder. Sie dachte: "Wenn ich ihm nur nahe genug kommen könnte, um mit ihm zu sprechen, dann würde ich vielleicht geheilt werden."

Jesus war auf dem Weg zum Haus des Jairus, des jüdischen Rabbi, der ihn angefleht hatte, seine Tochter gesund zu machen. "Meine Tochter liegt in den letzten Zügen; komm doch und lege deine Hände auf sie, damit sie gesund werde und lebe." Markus 5,23. Diese inständige Bitte hatte das empfindsame, mitfühlende Herz Jesu berührt, und so brach er mit dem Rabbi sofort zu dessen Haus auf.

Aber sie kamen nur langsam voran, denn die Menge bedrängte Jesus von allen Seiten. Auf diesem mühsamen Weg durch das Gedränge kam der Heiland in die Nähe des Platzes, wo die krankheitsgeplagte Frau stand. Immer wieder hatte sie vergeblich versucht, in seine Nähe zu kommen. Jetzt aber erkannte sie ihre Chance.

Sie sah kaum eine Möglichkeit, ihn anzusprechen; sie wollte sein langsames Vorwärtskommen auch nicht noch zusätzlich behindern. Aber sie hatte gehört, daß schon die Berührung seines Gewandes heilsam sei; und voller Angst, ihre einzige Chance auf Heilung zu verpassen, drängte sie sich vorwärts und sagte dabei zu sich selbst: "Könnte ich nur sein Gewand berühren, so würde ich gesund."

Christus kannte jeden ihrer Gedanken -- und so bahnte er sich einen Weg dorthin, wo sie stand. Er erkannte ihre große Not und wollte ihren Glauben stärken.

Als er nun nahe an ihr vorüberging, reckte sie sich nach vorn und schaffte es gerade, den Saum seines Gewandes zu berühren. Und genau in diesem Moment wußte sie, daß sie geheilt war. In dieser einen Berührung kam der ganze Glaube ihres Lebens zum Tragen, und auf der Stelle verschwanden Schmerzen und Schwäche. Unvermittelt spürte sie eine Erregung wie von einem Stromschlag, die durch jede Faser ihres Wesens floß. Ein Empfinden vollkommenen Gesundseins überkam sie; "sie spürte es am Leibe, daß sie von ihrer Plage geheilt war". Markus 5,29.

Jetzt brannte die Frau darauf, dem mächtigen Arzt ihre Dankbarkeit zu bekunden -- hatte er doch mit einer Berührung mehr zuwege gebracht als all die anderen Ärzte in zwölf langen Jahren. Aber dann wagte sie es doch nicht. Mit dankbarem Herzen versuchte sie, sich still und unauffällig aus der Menschenmenge zurückzuziehen. Da blieb Jesus plötzlich stehen, sah sich um und stellte die durchaus ernstgemeinte Frage: "Wer hat mich angerührt?"

Erstaunt schauten ihn die Jünger an und entgegneten: "Du siehst, daß dich die Menge umdrängt, und fragst: Wer hat mich berührt?" Markus 5,31. "Es hat mich jemand berührt", beharrte Jesus, "denn ich habe gespürt, daß eine Kraft von mir ausgegangen ist." Lukas 8,46. Er konnte die Berührung im Glauben durchaus von den zufälligen Berührungen der achtlosen Menge unterscheiden: Jemand hatte ihn mit einer tiefen Absicht angerührt und darauf Antwort erhalten.

Christus stellte diese Frage aber nicht, um für sich eine Antwort zu bekommen. Vielmehr nutzte er dies Ereignis als Lehre für das Volk, für seine Jünger und für die geheilte Frau. Er wollte die Leidtragenden mit Hoffnung erfüllen, wollte zeigen, daß es der Glaube war, der zur Heilung führte. Das Vertrauen der Frau durfte nicht unbeachtet bleiben. Anhand ihres dankbaren Bekenntnisses sollte Gott verherrlicht werden. Christus wollte ihr seine Zustimmung zu ihrer Glaubenstat bewußtmachen. Sie sollte nicht mit halbem Segen weggehen. Jesus wollte sie nicht im unklaren lassen darüber, daß er ihr Leiden kannte, auch nicht über seine mitfühlende Liebe und die Anerkennung für den Glauben an seine Macht, ausnahmslos alle zu retten, die zu ihm kommen.

Er sah die Frau an und bestand darauf, zu erfahren, wer ihn angerührt habe. Da erkannte sie, daß sie nicht im Verborgenen bleiben konnte. Also trat sie zitternd aus der Menge und warf sich ihm zu Füßen. Unter Tränen der Dankbarkeit erzählte sie ihm vor allen Leuten, warum sie sein Gewand berührt hatte und daß sie sofort gesund geworden sei. Sie fürchtete, ihre Berührung seines Gewandes sei anmaßend gewesen -- aber Jesus sagte kein Wort der Kritik. Er sprach nur Worte der Zustimmung; sie kamen aus einem Herzen der Liebe, erfüllt von Mitgefühl für menschliches Elend. "Meine Tochter", sagte er freundlich, "dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden!" Lukas 8,48. Wie wohltuend diese Worte für sie waren! Nun minderte die Furcht, sie könnte ihn beleidigt haben, nicht mehr ihr Glück.

Die neugierige Menge, die sich um Jesus drängte, erhielt keine neue Lebenskraft; nur die leidende Frau, die ihn im Glauben berührte, wurde geheilt. So unterscheidet sich auch in geistlicher Hinsicht der beiläufige Kontakt von der Berührung im Glauben. An Christus nur als den Heiland der Welt insgesamt zu glauben, kann niemals die einzelne Seele heilen. Der Glaube, der den Menschen rettet, ist nicht nur die Zustimmung zur Wahrheit des Evangeliums. Nur das ist der wahre Glaube, der Christus als persönlichen Erlöser annimmt. Gott gab seinen eingeborenen Sohn, damit ich, wenn ich an ihn glaube, "nicht verloren werde, sondern das ewige Leben habe". Johannes 3,16.

Wenn ich zu Jesus komme, muß ich gemäß seinem Wort glauben, daß ich seine errettende Gnade erhalte. Das Leben, das ich dann lebe, werde ich "im Glauben an den Sohn Gottes leben, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat". Galater 2,20.

Viele halten den Glauben für eine bloße Meinung. Aber rettender Glaube ist eine Interaktion, bei der diejenigen, die Christus annehmen, ein Bündnis mit Gott eingehen. Ein lebendiger Glaube bedeutet einen Zuwachs an Lebendigkeit und ein festes Vertrauen, das die Seele durch die Gnade Christi zu einer siegreichen Macht werden läßt.

Der Glaube ist sogar mächtiger als der Tod. Wenn man die Kranken dazu bringen kann, ihre Augen im Glauben fest auf den heilwirkenden Gott zu richten, werden wir wunderbare Folgen sehen. Es wird dem Körper und der Seele Leben bringen.

Wenn ihr mit Menschen arbeitet, die Gefangene übler Lebensgewohnheiten sind, dann richtet ihren Blick nicht auf die Verzweiflung und das Ende, dem sie entgegengehen, sondern auf Jesus. Heftet ihren Blick auf die Herrlichkeit der neuen Erde. Das wird der Heilung von Körper und Seele zuträglicher sein als alle Schreckensbilder des Sterbens, die man den Hilflosen und scheinbar Hoffnungslosen vor Augen malt.

"Nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig"

Der Diener eines römischen Hauptmanns war an Gicht erkrankt. Nun hatten bei den Römern Diener im allgemeinen den Stand von Sklaven. Sie wurden auf Marktplätzen gekauft oder verkauft und oft entwürdigend und grausam behandelt. Dieser Hauptmann aber war mit seinem Diener in Freundschaft verbunden und wünschte sehnlichst dessen Genesung. Er glaubte daran, daß Jesus ihn heilen konnte. Bisher war er dem Heiland zwar noch nicht begegnet, aber die Berichte, die er gehört hatte, erfüllten ihn mit Vertrauen.

Ungeachtet des Formalismus der Juden war dieser Römer davon überzeugt, daß deren Religion der seinen überlegen war. Er hatte die Schranken nationalistischen Vorurteils und Hasses schon durchbrochen, die die Eroberer von den Eroberten trennten. Dem jüdischen Gottesdienst erwies er Achtung und den Juden als den Anbetern Gottes Freundlichkeit. In Jesu Lehre, wie sie ihm berichtet worden war, fand er das, was das Bedürfnis seiner Seele stillte. Alles geistlich Gesinnte in ihm wurde von den Worten des Heilands angesprochen. Weil er sich aber selbst für unwürdig hielt, sich Jesus zu nähern, appellierte er an die jüdischen Ältesten, um die Heilung seines Dieners zu bitten.

Die Ältesten tragen den Fall Jesus vor und weisen nachdrücklich darauf hin, daß der Hauptmann "es wert ist, daß du ihm die Bitte erfüllst; denn er hat unser Volk lieb, und die Synagoge hat er uns erbaut". Lukas 7,4.5.

Aber auf dem Weg zum Haus des Hauptmanns erhält Jesus eine Nachricht von ihm: "Ach Herr, bemühe dich nicht; ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach gehst." Lukas 7,6. Trotzdem geht Jesus weiter auf das Haus zu. Da kommt der Hauptmann selbst ihm entgegen und vervollständigt, was er sagen wollte: "Darum habe ich auch mich selbst nicht für würdig geachtet, zu dir zu kommen; sondern sprich ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er hin; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's." Lukas 7,7.8. Vgl. Matthäus 8,8.9.

Was er damit sagen wollte, war Folgendes: "Ich repräsentiere die Macht Roms, und meine Soldaten erkennen meine Autorität ihnen gegenüber an. Analog dazu verkörperst du die Macht des unendlichen Gottes, und alles Erschaffene gehorcht deinem Wort. Somit kannst du der Krankheit befehlen, zu verschwinden, und sie wird dir gehorchen. Sprich also nur ein solches Wort -- und mein Diener wird geheilt sein."

Da sprach Jesus: "Dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und der Diener wurde gesund zu derselben Stunde." Matthäus 8,13.

Die jüdischen Ältesten hatten sich gegenüber Jesus für den Hauptmann eingesetzt, weil er ihrem Volk einen Gefallen erwiesen hatte. Er sei der Hilfe würdig, weil "er uns eine Synagoge erbaut hat". Der Hauptmann selbst aber sagte über sich: "Ich bin unwürdig." Dennoch scheute er sich nicht, Jesus um Hilfe zu bitten. Er setzte nicht auf sein eigenes ethisches Niveau, sondern auf die Gnade des Heilands. Das große Bedürfnis danach war sein einziges Argument.

In diesem Sinne kann jeder Mensch zu Christus kommen. "Nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig." Titus 3,5. Hast du das Gefühl, daß du nicht darauf hoffen kannst, Segen von Gott zu erhalten, weil du ein Sünder bist? Dann mach dir aufs neue klar, daß Jesus in diese Welt kam, um Sünder zu retten. Wir selbst haben nichts, was uns vor Gott angenehm machen könnte; die einzige "Rechtfertigung", die wir jemals vorbringen können, ist unser Zustand der völligen Verlorenheit. Das macht seine Erlösungskraft unverzichtbar. Wenn wir darauf verzichten, eigene Leistungen vorzuweisen, können wir auf das Kreuz von Golgatha schauen und sagen: "So wie ich bin, ohn' alle Zier, komm ich, Herr, durch dein Blut zu dir." The Ministry of Healing 65.

"Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt." Markus 9,23. Es ist der Glaube, der uns mit dem Himmel verbindet und uns Stärke verleiht, um gegenüber den dunklen Mächten zu bestehen. In Christus hat uns Gott die Möglichkeit eröffnet, jeden schlechten Charakterzug zu besiegen und jeder Versuchung, wie stark sie auch sei, zu widerstehen. Aber viele spüren, daß es ihnen an Glauben fehlt, und bleiben deshalb fern von Christus. Helft diesen Menschen, in ihrer Hilflosigkeit und Unwürdigkeit auf die Gnade ihres mitfühlenden Heilands zu vertrauen. Schaut nicht auf euch selbst, sondern auf Christus. Er, der Kranke geheilt und Dämonen ausgetrieben hat, als er unter uns Menschen war, ist nach wie vor derselbe mächtige Erlöser. Und nehmt seine Zusagen wie Blätter vom Baum des Lebens an: "Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen." Johannes 6,37. Wenn ihr zu ihm kommt, dann glaubt, daß er euch annimmt, weil er es versprochen hat. Niemals, wirklich niemals könnt ihr scheitern, wenn ihr so handelt.

"Gott aber erweist seine Güte zu uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren." Römer 5,8.

Und "wenn Gott für uns ist, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben -- wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?" Römer 8,31.32.

"Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn." Römer 8,38.39.

"Du kannst mich reinigen"

Von allen Krankheiten, die man im Orient kannte, galt der Aussatz, die Lepra, als die gefürchtetste. Sie war unheilbar, ansteckend und schrecklich in den Auswirkungen auf ihre Opfer. Sie erfüllte selbst die Unerschrockensten mit Angst. Die Juden sahen in ihr ein Strafgericht für begangene Sünden und nannten sie deshalb "die Geißel" oder "den Finger Gottes". Wegen ihrer allgemeinen Verbreitung, Unausrottbarkeit und ihres meist tödlichen Verlaufs galt sie als ein Symbol für die Sünde schlechthin.

Der Leprakranke wurde vom mosaischen Gesetz für unrein erklärt. Alles, was er berührte, wurde ebenfalls unrein. Sein Atem verunreinigte die Luft. Wie einer, der bereits gestorben war, wurde er aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Stand jemand im Verdacht, an Lepra erkrankt zu sein, mußte er sich den Priestern zeigen, die ihn zu untersuchen und seinen Fall zu entscheiden hatten. Wurde der Aussatz bestätigt, isolierte man ihn von seiner Familie, sonderte ihn aus der Gemeinschaft Israels aus und verurteilte ihn zur ausschließlichen Lebensgemeinschaft mit denen, die ähnlich geplagt waren. Sogar Könige und andere Autoritätspersonen nahm man von dieser Vorgehensweise nicht aus. Ein Fürst, der von dieser fürchterlichen Krankheit befallen war, mußte seine Herrschaft niederlegen und alle gesellschaftlichen Kontakte aufgeben.

Fernab von seinen Freunden und Verwandten mußte der Aussätzige den Fluch seiner Krankheit ertragen. Er war verpflichtet, sein eigenes Elend zu verkünden, seine Kleider zu zerreißen und Warnungen auszurufen, daß alle seine ansteckende Gegenwart meiden sollten. Der Ruf "Unrein! Unrein!", der klagend ertönte, war ein Signal, das man stets mit Furcht und Schrecken vernahm.

In der Region, in der Jesus den Menschen diente, gab es viele solche Kranke, und als sie die Nachricht von seiner Tätigkeit erreichte, war da einer, in dessen Herz der Same des Glaubens aufzugehen begann: Wenn er zu Jesus gehen konnte, würde er vielleicht geheilt. Aber wie kann er Jesus finden? Als Ausgestoßener in der Isolation lebend -- wie kann er sich da dem Heilkräftigen überhaupt zeigen? Und wird Christus ihn heilen? Wird er nicht wie die Pharisäer und selbst die Ärzte einen Fluch über ihn aussprechen und ihm befehlen, von den Siedlungen der Menschen fernzubleiben?

Er denkt indessen an all das, was ihm von Jesus erzählt worden ist: Kein einziger, der bei ihm Hilfe gesucht hat, ist abgewiesen worden. Und so entschließt sich dieser Elende, den Heiland zu suchen. Obwohl er aus den Ortschaften ausgeschlossen ist, könnte es ja sein, daß er Jesus auf einer Nebenstraße entlang dem Gebirge begegnet oder, wenn er gerade außerhalb der Ortschaften lehrt. Leicht wird es nicht sein -- aber dies bleibt seine einzige Hoffnung.

Obwohl noch weit entfernt, fängt der Aussätzige doch schon ein paar Worte des Heilands auf. Er sieht ihn, wie er den Kranken die Hände auflegt, er sieht die Gelähmten, Blinden und von verschiedenen Erkrankungen Todgeweihten gesund aufstehen und Gott für ihre Heilung preisen. Da wächst sein Glaube. Näher und näher wagt er sich an die zuhörende Menge um Jesus heran. Die ihm auferlegten Verbote, die gefährdete Gesundheit der Versammelten, die Furcht, mit der ihn alle ansehen -- all das ist vergessen. Er sieht nur noch seine große Chance, im Glauben geheilt zu werden.

Er bietet einen widerlichen Anblick: Die Krankheit hat ihn übel zugerichtet, sein zerfressener Körper sieht fürchterlich aus. Sobald ihn die Leute sehen, weichen sie zurück; aus Angst vor einer Berührung flüchten die Leute mit großem Gedränge. Einige versuchen, ihn daran zu hindern, sich Jesus zu nähern -- aber umsonst. Er sieht und hört sie nicht; die Bekundungen ihres Abscheus erreichen ihn jetzt nicht mehr. Er sieht nur noch den Sohn Gottes und hört nur noch dessen Stimme, die den Sterbenden Leben zuspricht.

Er wirft sich zu Jesu Füßen nieder mit dem Ausruf: "Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen." Und Jesus antwortet: "Ich will's tun; sei rein!" Dabei legt er seine Hand auf ihn. Matthäus 8,2.3.

Schlagartig geschieht an dem Aussätzigen eine Veränderung: Sein Blut wird gesund, die Nerven wieder reizempfänglich, die Muskeln wieder kräftig. Das unnatürlich Weiße und Schuppige der Haut, wie es für Leprakranke typisch ist, verschwindet; statt dessen wird sie wie die eines kleinen Kindes.

Wenn die Priester die Hintergründe von der Heilung des Aussätzigen erfuhren, konnte ihr Haß auf Jesus sie dazu bringen, ein falsches Urteil über den Zustand des Geheilten zu fällen. Denn ehe die Priester die Opfergabe annehmen durften, die von dem Gesundeten gemäß dem mosaischen Gesetz darzubringen war, hatten sie den Betreffenden zu untersuchen und seine völlige Genesung festzustellen. Jesus lag daran, eine unparteiische Entscheidung sicherzustellen. Er bat also den Mann, niemandem vom Hergang der Heilung zu erzählen, sondern sich unverzüglich mit der Opfergabe im Tempel zu zeigen, bevor noch irgendwelche Gerüchte bezüglich des Wunders aufkamen.

Besagte Untersuchung fand statt; die Priester, die den Aussätzigen zur Isolation verurteilt hatten, bestätigten nun seine Gesundung. Der Geheilte wurde wieder in seine Familie und in die Gesellschaft aufgenommen; daran erkannte er, wie wertvoll die ihm geschenkte Gesundheit war. Wieder im Vollbesitz seiner Kräfte, freute er sich über die Heimkehr zu seiner Familie. Trotz der Warnung Jesu konnte er allerdings die Umstände seiner Genesung nicht länger für sich behalten, und so ging er voller Freude umher und verkündigte die Macht des Einen, der ihn geheilt hatte.

Als dieser Mann zu Jesus kam, war er "voller Aussatz"; dessen tödliches Gift durchdrang seinen ganzen Körper. Die Jünger versuchten vergeblich, ihren Herrn davon abzuhalten, ihn zu berühren; denn wer einen Aussätzigen berührte, wurde selbst unrein. Aber als Jesus seine Hand auf den Kranken legte, wurde er schon nicht mehr angesteckt. Der Aussatz war bereits geheilt. Mit dem Aussatz namens Sünde verhält es sich genauso: sie ist tief verwurzelt, tödlich und durch menschliche Kraft kann man nicht von ihr loskommen. "Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle bis zum Haupt ist nichts Gesundes an euch, sondern Beulen und Striemen und frische Wunden, die nicht gereinigt noch verbunden noch mit Öl gelindert sind." Jesaja 1,5.6. Aber der Mensch gewordene Jesus blieb frei von Sünde, vielmehr war seine Gegenwart heilkräftig für die Sünder. Jeder, der ihm zu Füßen fällt und im Glauben sagt: "Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen!", wird die Antwort hören: "Ich will's tun; sei rein!"

In einigen Fällen ließ Jesus die Heilung Kranker nicht sofort geschehen; aber bei Aussatz wurde die Bitte um Gesundung sogleich nach ihrer Äußerung erhört. Wenn wir -- vergleichend betrachtet -- um weltliche Segnungen beten, wird auf unser Bitten vielleicht erst später geantwortet, oder Gott gibt uns vielleicht etwas anderes als das Erbetene; ganz anders aber ist es, wenn wir um Vergebung unserer Sünden bitten. Denn er will uns von Sünden reinigen, will uns zu seinen Kindern machen und uns ein geheiligtes Leben ermöglichen.

Christus "hat sich selbst für unsre Sünden dahingegeben, daß er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters". Galater 1,4. "Und das ist die Zuversicht, die wir haben zu Gott: Wenn wir um etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. Und wenn wir wissen, daß er uns hört, worum wir auch bitten, so wissen wir, daß wir erhalten, was wir von ihm erbeten haben." 1.Johannes 5,14.15.

"Ihr werdet Ruhe finden"

Jesus sah auf die Leidenden und Sorgenbeladenen, auf die, die alle Hoffnung verloren hatten, und auf die, welche mit weltlichen Vergnügungen das Verlangen ihrer Seele stillen wollten. Sie alle lud er ein, Ruhe in ihm zu finden. Voller Mitgefühl appellierte er an das sich abmühende Volk: "Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen." Matthäus 11,29.

Mit diesen Worten spricht Jesus jeden Menschen an. Denn ob sie es nun spüren oder nicht -- alle sind sie mühselig und beladen. Alle sind sie von Lasten niedergedrückt, von denen nur Christus befreien kann. Die schwerste Last, die wir tragen, ist die der Sünde. Wenn wir unter dieser Bürde bleiben müßten, dann würde sie uns zerdrücken. Aber der sündlose Eine hat unseren Platz eingenommen; "der Herr warf unser aller Sünde auf ihn". Jesaja 53,6.

Er trägt die Last unserer Schuld, er will die Bürde von unseren schwachen Schultern nehmen und uns Ruhe schenken. Auch die Last der Sorgen und des Leids will er übernehmen. Er lädt uns ein, alle unsere Sorgen auf ihn zu werfen, denn er trägt uns in seinem Herzen.

Der Älteste unserer Menschheitsgemeinde steht am Thron des Ewigen. Er sieht jede Seele an, die sich ihm als dem Retter zuwendet. Aus eigener Erfahrung kennt er die Schwächen der Menschheit; er weiß, was unsere Wünsche sind und kennt die Macht unserer Versuchungen -- war er doch "in allem versucht worden wie wir, doch ohne Sünde". Hebräer 4,15. Er paßt auf dich auf, du ängstliches Gotteskind. Wirst du gerade versucht? Er will dich da herausholen! Bist du gerade schwach? Er will dich wieder stärken! Bist du dir gerade über etwas nicht im klaren? Er will dir Klarheit verschaffen! Hat dich jemand oder etwas verletzt? Er will dich wieder heilen! Der Herr ist unermeßlich groß, er "zählt die Sterne und nennt sie alle mit Namen" -- und doch "heilt er, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden". Psalm 147,4.3.

Was auch immer deine Ängste und Schwierigkeiten sein mögen -- bring sie vor Gott! Dann wird deine Seele gestärkt, damit fertig zu werden. Der Weg zur Befreiung aus üblen Lagen und Schwierigkeiten, wird sich dir dann öffnen. Je schwächer und hilfloser du dich selbst fühlst, desto stärker wirst du in seiner Kraft werden. Je schwerer deine Lasten sind, desto glückseliger wird die Erleichterung sein, wenn du sie auf den geworfen hast, der sie für dich tragen will.

Umstände können Freunde voneinander trennen; die ruhelosen Ozeane zum Beispiel können sich zwischen sie schieben. Aber keinerlei Umstände, kein noch so großer räumlicher Abstand kann uns vom Heiland trennen. Wo immer wir auch sind -- Er steht zu unserer Rechten, um uns zu helfen, zu bewahren, zu stärken und aufzumuntern. Noch größer als die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind ist Christi Liebe zu seinen Erlösten. Es ist unser Vorrecht, uns in seiner Liebe geborgen zu wissen, zu sagen: "Ich will ihm vertrauen, denn er gab sein Leben für mich."

Menschliche Liebe kann sich ändern -- aber Christi Liebe kennt keinen Wandel. Wenn wir ihn um Hilfe anrufen, ist seine Hand zur Rettung ausgestreckt. "Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer." Jesaja 54,10.