Auf den Spuren des großen Arztes

Kapitel 41

Umgang mit anderen

[AUDIO]

Jeder Umgang mit anderen Menschen erfordert Selbstbeherrschung, Nachsicht und Mitgefühl. Wir unterscheiden uns so sehr in unserer Veranlagung, unseren Gewohnheiten und unserer Ausbildung, daß unsere Sichtweisen völlig verschieden sind.

Jeder entscheidet auf seine Weise. Unser Verständnis von Wahrheit und unsere Vorstellungen von Lebensführung sind verschieden. Es gibt keine zwei Menschen, deren Lebenserfahrungen sich völlig gleichen. Die Prüfungen des einen sind nicht die Prüfungen eines anderen. Pflichten, die einer mit Leichtigkeit verrichtet, sind für einen anderen höchst schwierig und schwer zu begreifen.

Die Natur des Menschen ist so labil, so unwissend und so anfällig für falsche Vorstellungen, daß jeder bei der Beurteilung anderer sorgfältig sein sollte. Wir wissen wenig davon, wie sich unsere Handlungen auf die Lebenserfahrung anderer auswirken. Was wir tun oder sagen, mag uns nur von geringer Tragweite erscheinen, während wir -- wenn unsere Augen geöffnet würden -- sehen könnten, daß davon die wichtigsten Ergebnisse für das Gute oder das Böse abhängen.

Rücksichtnahme auf die Beladenen

Es gibt Menschen, deren Leben immer in ruhigen, geordneten Bahnen verlief. Ihre Herzen haben kaum wirklichen Schmerz kennengelernt, und sie haben so selten Kummer und Leid wegen anderer erlebt, daß sie die Situation von Menschen mit wirklichen seelischen Lasten nicht verstehen können. Es ist ihnen nicht möglich, solche Belastungen einzuschätzen, wie auch ein Kind nicht imstande ist, die Sorge und Mühe seines kummerbeladenen Vaters zu verstehen. Das Kind mag sich über die Ängste und Ratlosigkeiten seines Vaters wundern; sie erscheinen ihm unnötig. Aber wenn es im Laufe der Jahre eigene Erfahrungen gesammelt hat, wenn es selbst lernen mußte, seine Lasten zu tragen, wird es auf das Leben seines Vaters zurückschauen und verstehen, was einst so unverständlich war. Traurige Erfahrungen ließen den Charakter reifen.

Der Dienst solcher belasteten Menschen wird oft nicht verstanden, ihre Leiden werden nicht gewürdigt, bis der Tod sie hinwegrafft. Wenn dann andere diese Lasten übernehmen müssen, und auf die gleichen Schwierigkeiten stoßen, denen sie begegnet waren, werden sie besser verstehen, auf welche Weise ihr Glaube und Mut geprüft wurden.

Oft erscheinen dann die Fehler, die man einst so lautstark beanstandet hatte, als nicht mehr so gravierend. Die Erfahrung lehrt nämlich Mitgefühl. Gott stellt Menschen auf verantwortungsvolle Positionen. Wenn sie Fehler begehen, hat er die Macht, diese Menschen zu ändern oder aus ihren Positionen zu entfernen. Wir sollten also darauf achten, das Werk des Richtens, das Gottes Sache ist, nicht selbst in die Hand zu nehmen.

Das Verhalten Davids gegenüber Saul mag uns als Beispiel dienen. Gemäß der Anweisung Gottes war Saul zum König über Israel gesalbt worden. Wegen seines Ungehorsams entschied der Herr, daß das Königreich von ihm genommen werden sollte. Wie liebevoll, höflich und nachsichtig war ungeachtet dessen das Benehmen Davids ihm gegenüber!

Als er David nach dem Leben trachtete, kam Saul in die Wildnis und betrat ohne Wachbegleitung gerade die Höhle, in der David mit seinen Kriegern versteckt lag. "Da sprachen die Männer Davids zu ihm: Siehe, das ist der Tag, von dem der Herr zu dir gesagt hat: Siehe, ich will deinen Feind in deine Hände geben, daß du mit ihm tust, was dir gefällt ... Und er sprach zu seinen Männern: Das lasse der Herr ferne von mir sein, daß ich das tun sollte und meine Hand legen an meinen Herrn, den Gesalbten des Herrn; denn er ist der Gesalbte des Herrn." 1.Samuel 24,5.7.

Der Heiland bittet uns: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr meßt, wird euch zugemessen werden." Matthäus 7,1.2. Denkt daran, daß die Aufzeichnungen eures Lebens bald von Gott untersucht werden. Bedenkt auch, daß er gesagt hat: "Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest. Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest." Römer 2,1.

Nachsicht bei Unrecht

Wir dürfen nicht zulassen, daß unser Gemüt sich über irgendeinen wirklichen oder vermeintlichen Fehler erregt, den man an uns begangen hat. Das Ich ist der Feind, den wir am meisten fürchten müssen. Kein anderes Fehlverhalten entfaltet unheilvollere Wirkung auf den Charakter als menschliche Leidenschaft, die nicht der Kontrolle durch den Heiligen Geist untersteht. Kein anderer Sieg, den wir erringen können, wird so kostbar sein, wie der Sieg über unser Ich.

Wir sollten nicht zulassen, daß unsere Gefühle leicht verletzbar werden. Wir leben nicht, um unsere Gefühle oder unser Ansehen zu bewahren, sondern um Seelen zu retten. Wenn wir an der Rettung von Seelen arbeiten, werden wir aufhören, uns um die kleinen Streitereien zu kümmern, die in unserem menschlichen Miteinander so oft auftreten. Was auch immer andere über uns denken oder uns antun mögen, es darf unsere Einheit mit Christus und die Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist nicht stören. "Denn was ist das für ein Ruhm, wenn ihr um schlechter Taten willen geschlagen werdet und es geduldig ertragt? Aber wenn ihr um guter Taten willen leidet und es ertragt, das ist Gnade bei Gott." 1.Petrus 2,20.

Übt keine Vergeltung. Soweit es euch möglich ist, beseitigt jede Ursache für Mißverständnisse. Vermeidet jeglichen Streit. Tut alles, was ohne Aufgabe von Grundsätzen in eurer Macht liegt, um andere zu besänftigen. "Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder und dann komm und opfere deine Gabe." Matthäus 5,23.24.

Wenn man ungeduldig mit dir spricht, dann erwidere nie in demselben Geist. Bedenke: "Eine linde Antwort stillt den Zorn." Sprüche 15,1. Und im Schweigen liegt eine wunderbare Macht. Eine Gegenrede macht jemanden der schon ärgerlich ist, oft nur noch ärgerlicher, aber Ärger, dem man in liebevollem, nachsichtigem Geist mit Schweigen begegnet, klingt schnell ab.

Unter einem Schwall verletzender, kritischer Worte konzentriere deine Gedanken auf Gottes Wort. Laß Geist und Herz bei Gottes Verheißungen verweilen. Wenn du schlecht behandelt oder fälschlich angeklagt wirst, dann wiederhole dir folgende kostbare Verheißungen, anstatt mit einer ärgerlichen Antwort zu reagieren: "Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem." Römer 12,21. "Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen und wird deine Gerechtigkeit heraufführen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag." Psalm 37,5.6.

"Es ist aber nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird." Lukas 12,2.

"Du hast Menschen über unser Haupt kommen lassen, wir sind in Feuer und Wasser geraten. Aber du hast uns herausgeführt und uns erquickt." Psalm 66,12.

Wir neigen dazu, Mitgefühl und Worte der Ermutigung von unseren Mitmenschen zu erwarten anstatt von Jesus. In seiner Gnade und Treue gestattet Gott oftmals denen, in die wir unser Vertrauen gesetzt haben, uns zu enttäuschen, damit wir begreifen, wie sinnlos es ist, auf Menschen zu bauen und sich auf Irdisches zu verlassen. Laßt uns vollkommen, demütig und selbstlos auf Gott vertrauen. Er kennt die Sorgen, die wir bis in die Tiefen unseres Daseins fühlen, aber nicht formulieren können. Wenn alles dunkel und unverständlich erscheint, dann erinnere dich an die Worte Christi: "Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren." Johannes 13,7.

Betrachtet die Geschichte Josephs und Daniels. Der Herr verhinderte die Verschwörungen von Menschen nicht, die ihnen schaden wollten; aber er sorgte dafür, daß all das Böse sich für seine Diener, die inmitten der Prüfung und des Konfliktes ihren Glauben und ihre Treue bewahrten, zum Guten auswirkte.

Solange wir in der Welt leben, werden wir widrigen Einflüssen ausgesetzt sein. Es wird Provokationen geben, um unsere Beherrschung zu prüfen; und die christlichen Tugenden werden dadurch entwickelt, daß man diesen Provokationen mit dem richtigen Geist begegnet. Wenn Christus in uns wohnt, werden wir inmitten von Verdruß und Ärger geduldig, freundlich, nachsichtig und heiter bleiben. Tag für Tag und Jahr um Jahr werden wir unser Ich besiegen und dabei dankbare Freude empfinden.

Dies ist die uns bestimmte Aufgabe; aber ohne Hilfe von Jesus, feste Entschiedenheit, unerschütterliche Zielorientierung, beständige Wachsamkeit und unaufhörliches Gebet kann sie nicht erfüllt werden. Jeder von uns hat hier einen persönlichen Kampf auszufechten. Nicht einmal Gott kann unseren Charakter veredeln oder unserem Leben Sinn geben, wenn wir nicht seine Mitarbeiter werden. Diejenigen, die im Kämpfen nachlassen, verlieren die Stärke und Freude, die aus dem Sieg erwachsen.

Ein "Tagebuch der Sorgen", in dem wir alle unsere Prüfungen, Schwierigkeiten und Kümmernisse aufzeichnen, brauchen wir nicht zu führen. Alle diese Dinge sind in den himmlischen Büchern verzeichnet, und der Himmel wird sich auch darum kümmern. Wenn wir die unangenehmen Dinge im Gedächtnis behalten, vergessen wir vieles andere, über das nachzudenken sich lohnt, zum Beispiel die barmherzige Freundlichkeit Gottes, die uns in jedem Moment umgibt, und die Liebe, über die selbst Engel staunen, daß Gott seinen Sohn für uns in den Tod gab. Wenn ihr als Mitarbeiter Christi meint, daß ihr größere Sorgen und Prüfungen zu bewältigen hättet als andere, dann bedenkt, daß es für euch einen Frieden gibt, der denen unbekannt ist, die diese Lasten scheuen. Im Dienst für Christus liegen Trost und Freude. Laßt die Welt erkennen, daß ein Leben mit ihm kein Mißerfolg sein kann.

Wenn ihr einmal nicht in fröhlicher Stimmung seid, dann sprecht nicht über eure Gefühle. Belastet nicht andere damit. Eine kalte, freudlose Religion zieht niemals Seelen zu Christus. Vielmehr zieht sie sie von ihm weg in die Netze, die Satan den Füßen der Abirrenden ausgespannt hat. Denke nicht an deine Entmutigungen, sondern an die Kraft, die du in Christi Namen erbitten kannst. Laß deine Vorstellungskräfte Halt finden in der unsichtbaren Welt. Richte deine Gedanken auf die Beweise der großen Liebe Gottes, die du erfahren hast. Glaube kann Prüfungen ertragen, Versuchungen widerstehen und in Enttäuschungen durchhalten. Jesus lebt und arbeitet als unser Anwalt. Alles, was seine Vermittlung uns sichert, gehört uns.

Glaubt ihr nicht, daß Christus diejenigen schätzt, die sich für ihn ganz entschieden haben? Glaubt ihr nicht, daß er diejenigen besucht, die, wie der geliebte Jünger Johannes in der Verbannung, um seinetwillen an rauhen und entbehrungsreichen Orten leben? Gott wird es nicht zulassen, daß einer dieser aufrichtigen Arbeiter allein gegen große Schwierigkeiten kämpfen muß und vielleicht den Kampf verliert. Er bewahrt jeden, dessen Leben mit Christus in ihm verborgen ist, als ein kostbares Juwel. Von einem solchen Menschen sagt er: "Ich will dich ... wie einen Siegelring halten; denn ich habe dich erwählt." Haggai 2,23.

Sprecht dann von den Verheißungen; sprecht von Jesu Bereitschaft, euch zu segnen. Er vergißt uns nicht einen einzigen Moment lang. Wenn wir trotz widriger Umstände vertrauensvoll in seiner Liebe bleiben und enge Gemeinschaft mit ihm suchen, wird das Bewußtsein seiner Gegenwart in uns eine tiefe, ruhige Freude erzeugen. Christus sagt von sich selbst: "Ich tue nichts von mir selber, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich. Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Er läßt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt." Johannes 8,28.29.

Die Gegenwart des Vaters umgab Christus, und nichts widerfuhr ihm außer dem, was eine unendliche Liebe zum Segen der Welt zuließ. Hier lag seine Quelle des Trostes, und sie ist es auch für uns. Wer mit dem Geist Christi erfüllt ist, bleibt in Christus. Was auch immer auf ihn zukommt, kommt vom Heiland, der ihn mit seiner Gegenwart umgibt. Nichts kann an ihn herankommen, außer wenn der Herr es erlaubt. Alle unsere Leiden und Sorgen, alle unsere Versuchungen und Prüfungen, unsere Traurigkeit und unser Kummer, alle unsere Verfolgungen und Entbehrungen, all das muß uns zum Besten dienen. Alle Erfahrungen und Umstände sind Gottes Helfer, durch die uns Gutes gebracht wird.

Redet nicht Böses

Wenn wir eine Vorstellung von der Langmut Gottes uns gegenüber haben, werden wir andere nicht richten oder anklagen. Als Christus auf Erden lebte, wären seine Gefährten sehr überrascht gewesen, wenn sie, nachdem sie ihn kennengelernt hatten, von ihm nur Worte der Anklage, der Kritik oder der Ungeduld gehört hätten. Laßt uns nie vergessen, daß diejenigen, die ihn lieben, in ihrem Charakter Jesus darstellen sollen.

"Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor." Römer 12,10.

"Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen ererbt." 1.Petrus 3,9.

Höflichkeit

Der Herr Jesus fordert uns dazu auf, die Rechte eines jeden Menschen zu achten. Dabei gilt es sowohl die sozialen Rechte der Menschen als auch ihre Rechte als Christen zu berücksichtigen. Alle sollen wir mit Feingefühl und Takt als Söhne und Töchter Gottes behandeln.

Der christliche Glaube wird einen Menschen zur Höflichkeit erziehen. Christus war höflich, auch gegenüber seinen Verfolgern; und seine wahren Nachfolger werden dieselbe Haltung beweisen. Seht auf Paulus, als er vor Herrscher gestellt wurde. Seine Rede vor König Agrippa ist ein Beispiel wahrer Höflichkeit und überzeugender Beredsamkeit. Das Evangelium unterstützt nicht die förmliche Höflichkeit, wie sie in der Welt üblich ist, sondern die Höflichkeit, die aus wahrer Herzensfreundlichkeit erwächst.

Die sorgfältigste Verfeinerung der im Leben allgemein üblichen Anstandsregeln genügt nicht, um ein mürrische Wesen, hartes Urteilen und unpassende Reden zu beseitigen. Eine wahre Wesensänderung wird niemals eintreten, solange das Ich als das wichtigste Ziel angesehen wird. Die Liebe muß im Herzen wohnen. Ein konsequenter Christ bezieht die Motive seines Handelns aus einer tiefen, herzlichen Liebe zu seinem Herrn. Aus den Wurzeln seiner Zuneigung zu Christus erwächst ein selbstloses Interesse an seinen Mitmenschen. Die Liebe verleiht ihm Anmut, Anstand und ein gepflegtes Auftreten. Sie erhellt den Gesichtsausdruck und zügelt die Stimme; sie verfeinert und verbessert das ganze Wesen.

Die Wichtigkeit kleiner Dinge

Das Leben besteht hauptsächlich nicht aus großartigen Leistungen und wunderbaren Errungenschaften, sondern aus kleinen Dingen. Durch diese kleinen Dinge, die so unwichtig erscheinen, geschieht es am häufigsten, daß Gutes oder Böses in unser Leben gebracht wird.

Wenn wir in den kleinen Dingen versagen, bilden sich schlechte Gewohnheiten und schließlich ein mißgestalteter Charakter; wenn dann größere Prüfungen kommen, treffen sie uns unvorbereitet. Nur durch grundsatztreues Handeln in den Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens können wir die Kraft erlangen, die gefährlichsten und schwierigsten Momente unseres Lebens fest und treu durchzustehen.

Selbstdisziplin

Wir sind niemals allein. Ständig haben wir einen Begleiter, ob wir ihn nun auswählen oder nicht. Bedenke, daß Gott anwesend ist, wo auch immer du bist und was auch immer du tust. Nichts, was gesagt, getan oder gedacht wird, kann seiner Aufmerksamkeit entgehen.

Für jedes deiner Worte und jede deiner Taten gibt es einen Zeugen -- den heiligen Gott, der die Sünde haßt. Bedenke dies immer, bevor du sprichst oder handelst. Als Christ bist du ein Mitglied der königlichen Familie, ein Kind des himmlischen Königs. Sprich kein Wort, führe keine Handlung aus, die "den guten Namen, der über euch genannt ist" (Jakobus 2,7), in Mißkredit bringen.

Studiert sorgfältig den göttlich-menschlichen Charakter Jesu und fragt euch beständig: "Was würde Jesus tun, wenn er sich in meiner Situation befände?" Dies sollte unser verpflichtender Maßstab sein. Begib dich nicht unnötig in die Gesellschaft jener, die mit List und Tücke deine guten Absichten untergraben oder dich in Gewissenskonflikte bringen wollen. Tue unter Fremden, auf der Straße, in den öffentlichen Verkehrsmitteln und im Heim nichts, was auch nur den geringsten Anschein des Bösen erweckt. Tue aber jeden Tag etwas, um dein Leben, das Christus mit seinem eigenen Blut erkauft hat, zu verbessern, zu verschönern und zu veredeln.

Handle immer getreu deinen Grundsätzen, niemals impulsiv. Mäßige dein natürliches Temperament durch Sanftmut und Freundlichkeit. Halte nichts für unwichtig, auch nicht die kleinste Kleinigkeit. Mache keine leichtfertigen und schlüpfrigen Sprüche. Auch den Gedanken sollten wir nicht erlauben, frei umherzuschweifen. Sie müssen begrenzt und dem Gehorsam gegenüber Christus untergeordnet werden. Laßt sie auf heilige Dinge gerichtet sein, dann werden sie durch die Gnade Christi lauter und wahrhaftig sein.

Wir brauchen ein beständiges Bewußtsein der veredelnden Kraft reiner Gedanken. Die einzige Sicherheit für jede Seele besteht in richtigem Denken. Wie ein Mensch in seinem Herzen denkt, so ist er auch. Die Kraft der Selbstbeherrschung wird durch ihre Anwendung gestärkt. Was zunächst schwierig erscheint, wird durch beständige Wiederholung leicht, bis richtige Gedanken und Handlungen zur Gewohnheit werden. Wenn wir nur wollen, können wir uns von allem Minderwertigen und Niedrigen abwenden und auf einer höheren Ebene leben; wir werden von Menschen geachtet und von Gott geliebt werden.

Lob und Ermutigung

Macht es euch zur Gewohnheit, gut über andere zu sprechen. Verweilt bei den guten Eigenschaften derer, mit denen ihr Umgang habt, und beachtet ihre Fehler und Schwächen so wenig wie möglich.

Wenn ihr versucht seid, euch über jemanden zu beklagen, dann lobt etwas im Leben oder Charakter dieser Person. Pflegt die Dankbarkeit. Lobt Gott für seine wunderbare Liebe, in der er Christus für uns in den Tod gab. Es lohnt sich nie, unseren Klagen nachzuhängen. Gott fordert uns auf, an seine Gnade und unvergleichliche Liebe zu denken, damit wir von Lobpreis erfüllt werden.

Ernsthafte Arbeiter haben keine Zeit, sich mit den Fehlern anderer zu beschäftigen. Wir können es uns nicht leisten, unser eigenes Image auf Kosten der Fehler oder Schwächen anderer aufzupolieren. Über andere schlecht zu reden stellt einen zweifachen Fluch dar, der schwerer auf den Redner als auf den Hörer zurückfällt. Derjenige, der die Saat des Streits und der Zwietracht aussät, erntet die tödlichen Früchte in seiner eigenen Seele.

Gerade das Suchen nach Schlechtem bei anderen Menschen entwickelt dieses Schlechte in jenen, die danach suchen. Indem wir bei den Fehlern anderer verweilen, werden wir in dasselbe Bild verwandelt. Wenn wir aber auf Jesus schauen und von seiner Liebe und charakterlichen Vollkommenheit sprechen, werden wir in sein Bild verwandelt. Indem wir das hohe Ideal betrachten, das er uns vor Augen gestellt hat, werden wir in eine reine und heilige Atmosphäre erhoben, sogar in die Gegenwart Gottes. Wenn wir uns hier aufhalten, dann geht von uns ein Licht aus, das alle erstrahlen läßt, die mit uns in Berührung kommen.

Anstatt andere zu kritisieren und zu verdammen, sage dir: "Ich muß mich um meine eigene Errettung kümmern. Wenn ich mit Jesus zusammenarbeite, der meine Seele retten will, muß ich mich selbst sorgfältig beobachten. Ich muß jedes Übel aus meinem Leben entfernen. Ich muß jeden Fehler überwinden. Ich muß zu einer neuen Kreatur in Christus werden. Dann kann ich auch diejenigen, die gegen das Böse kämpfen, mit ermutigenden Worten stärken, anstatt sie zu schwächen." Wir gehen zu gleichgültig miteinander um. Zu oft vergessen wir, daß unsere Mitstreiter in der Arbeit für Gott Kraft und Ermunterung brauchen. Zeigt ihnen euer Interesse und euer Mitgefühl. Helft ihnen durch eure Gebete und laßt es sie wissen, daß ihr dies tut.

Geduld mit den Irrenden

Nicht alle, die vorgeben, Mitarbeiter Christi zu sein, sind wahre Jünger. Unter denjenigen, die seinen Namen tragen und sogar zu seinen Mitarbeitern gezählt werden, gibt es einige, in deren Charakter Christus nicht zu erkennen ist. Sie lassen sich nicht von seinen Prinzipien leiten. Diese Menschen verursachen oft Verwirrung und Entmutigung bei ihren Mitstreitern, die noch jung an christlicher Erfahrung sind; aber niemand sollte sich dadurch in die Irre führen lassen. Christus hat uns ein vollkommenes Beispiel gegeben. Er bittet uns, ihm nachzufolgen.

Bis zum Ende der Zeit wird es Unkraut unter dem Weizen geben. Als die Knechte des Landwirts in ihrem Eifer zugunsten seines Ruhmes die Erlaubnis erbaten, das Unkraut ausreißen zu dürfen, sagte der Meister: "Nein! damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte." Matthäus 13,29.30.

In seiner Gnade und Langmut hat Gott mit den Verstockten und sogar mit den Heuchlern Geduld. Unter den von Christus auserwählten Aposteln war auch Judas, der Verräter. Sollte es uns da überraschen oder entmutigen, daß es unter seinen heutigen Mitarbeitern auch Heuchler gibt? Wenn Christus, der das Herz sieht, denjenigen ertragen konnte, von dem er wußte, daß er zu seinem Verräter werden sollte, mit welcher Geduld sollten dann wir jene tragen, die vom Weg abgekommen sind.

Und auch von denen, die am meisten Fehler machen, sind nicht alle wie Judas. Der impulsive, übereilte und selbstsichere Petrus schien oft mehr Schaden anzurichten als Judas. Er wurde vom Heiland jedenfalls öfter getadelt. Aber was für ein Leben des Dienstes und Opfers führte er später! Was für ein Zeugnis stellt es für die Macht der Gnade Gottes dar! Soweit wir dazu imstande sind, sollen wir anderen das sein, was Jesus seinen Jüngern war, als er gemeinsam mit ihnen über diese Welt ging.

Betrachtet euch als Missionare, und zwar zuerst unter euren Mitarbeitern. Oft erfordert es viel Zeit und Mühe, eine Menschenseele für Christus zu gewinnen. Wenn sie sich dann von der Sünde abwendet und zur Rechtschaffenheit bekehrt, herrscht hierüber bei den Engeln große Freude. Denkst du denn, daß die dienenden Geister, die über diese Seelen wachen, sehr erfreut sind, wenn sie sehen, wie gleichgültig diese von einigen behandelt werden, die sich Christen nennen? Wenn Jesus mit uns so umginge, wie wir nur allzu oft miteinander umgehen, wer von uns könnte dann gerettet werden?

Denkt daran, daß ihr nicht in den Herzen lesen könnt. Ihr kennt die Motive für jene Handlungen nicht, die euch falsch erscheinen. Es gibt viele, die keine richtige Erziehung genossen haben; ihr Charakter ist verschroben, sie sind hart und mürrisch und scheinen in jeder Hinsicht unehrlich zu sein. Aber die Gnade Christi kann sie umwandeln. Behandelt sie niemals gleichgültig, treibt sie nicht in Entmutigung oder Verzweiflung, indem ihr sagt: "Du hast mich enttäuscht, mit dir will ich nichts mehr zu tun haben." Ein paar Worte, übereilt gesprochen, zu denen wir provoziert wurden -- von denen wir denken, daß jene sie auch verdienen --, können die Tür für immer verschließen und uns jeder weiteren Einflußnahme berauben.

Das konsequente Leben, die geduldige Nachsicht und der Geist, der auch bei Provokationen ruhig bleibt, wirken immer am überzeugendsten. Wenn du Gelegenheiten und Vorteile hattest, die anderen nicht gewährt wurden, dann freue dich darüber und sei immer ein umsichtiger, sorgfältiger und freundlicher Lehrer.

Damit das Wachs einen klaren, deutlichen Aufdruck des Siegels annimmt, schlagt ihr das Siegel nicht hastig und gewaltsam darauf; vielmehr plaziert ihr es sorgfältig auf dem formbaren Wachs und drückt es ruhig und nachhaltig hinein, bis es in der Form hart geworden ist. Geht auf ähnliche Weise mit menschlichen Seelen um. Die Beständigkeit christlichen Einflusses stellt das Geheimnis seiner Macht dar, und diese hängt von der Standhaftigkeit ab, mit der ihr den Charakter Christi darstellt. Helft den Irrenden, indem ihr ihnen von euren Erfahrungen erzählt. Zeigt, wie Geduld, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft eurer Mitarbeiter in der Mission euch Mut und Hoffnung gaben, als ihr gravierende Fehler gemacht hattet.

Den Einfluß einer freundlichen, rücksichtsvollen Vorgehensweise gegenüber den Unbeständigen, Unvernünftigen und Unwürdigen werden wir wohl erst im Endgericht völlig ermessen können. Wenn uns Undankbarkeit und Verrat an heiligen, uns anvertrauten Glaubenswahrheiten begegnen, verleitet uns das dazu, unsere Verachtung oder unseren Unwillen zu zeigen. Dies erwarten die Schuldigen; hierauf sind sie vorbereitet. Aber freundliche Nachsicht überrascht sie, bewirkt einen Anreiz zum Guten und weckt das Verlangen nach einem edleren Leben.

"Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen." Galater 6,1.2.

Alle, die bekennen, Kinder Gottes zu sein, müssen sich darüber im klaren sein, daß sie als Missionare mit allen Arten von Charakteren in Berührung kommen. Da gibt es die Feinsinnigen und die Ungehobelten, die Demütigen und die Hochmütigen, die Religiösen und die Skeptiker, die Gebildeten und die Unwissenden, die Reichen und die Armen. Diese verschiedenen Gruppen können nicht alle gleich behandelt werden; jedoch brauchen alle Freundlichkeit und Mitgefühl. Im wechselseitigen Kontakt werden wir unser Wesen verfeinern. Einer ist vom anderen abhängig, weil wir durch unsere mitmenschlichen Beziehungen eng miteinander verbunden sind.

Durch unsere freundschaftlichen Kontakte tragen wir das Christentum in die Welt. Alle, die die göttliche Erleuchtung empfangen haben, sollen Licht auf den dunklen Weg jener werfen, denen der bessere Weg noch unbekannt ist. Unsere Kontaktfreudigkeit können wir erfolgreich in den Dienst Jesu stellen, indem wir Seelen zum Heiland führen. Christus soll nicht als ein begehrter, heiliger und lieblicher Schatz im Herzen verborgen werden, damit wir ihn für uns allein haben. Wir sollen Christus vielmehr wie eine Wasserquelle in uns tragen, die zum ewigen Leben sprudelt und alle erquickt, die mit uns in Berührung kommen.