In den Fußspuren des großen Arztes

Kapitel 28

Der dem Heim schuldige Dienst

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"Es gibt kein wichtigeres Missionsfeld als das, welches den Vätern und Müttern übertragen ist."

Die Wiederherstellung und Hebung der Menschheit beginnt im Heim. Das Werk der Eltern liegt allem anderen zugrunde. Die Gesellschaft ist aus Familien zusammengesetzt und besteht aus dem, was die Familienhäupter daraus machen. Aus dem Herzen "gehet das Leben" (Sprüche 4,23), und das Herz des Gemeinwesens, der Kirche und der Nation ist die Familie. Die Wohlfahrt der Gesellschaft, der Erfolg der Kirche, das Gedeihen der Nation hängt von den häuslichen Einflüssen ab.

Die Wichtigkeit und Gelegenheiten des häuslichen Lebens werden so recht in dem Leben Jesu dargestellt. Er, der vom Himmel kam, um unser Vorbild und Lehrer zu sein, verlebte dreißig Jahre als ein Glied des Haushalts zu Nazareth. Der biblische Bericht ist in bezug auf diese Jahre sehr kurz. Keine mächtigen Wunder zogen die Aufmerksamkeit der Menge auf sich. Keine begierige Menge folgte seinen Schritten oder lauschte seinen Worten, und doch erfüllte er während all dieser Jahre seine göttliche Mission. Er lebte als einer von uns, nahm teil an dem häuslichen Leben, unterwarf sich seiner Zucht, erfüllte dessen Pflichten und trug seine Lasten. Unter der schützenden Obhut eines einfachen Heimes, wo er die Erfahrungen unseres allgemeinen Loses teilte, nahm er "zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen." Lukas 2,52.

Während all dieser in Abgeschlossenheit zugebrachten Jahre gingen von seinem Leben Ströme der Teilnahme und Hilfsbereitschaft aus. Seine Selbstlosigkeit und geduldige Ausdauer, sein Mut und seine Treue, sein Widerstand gegen die Versuchung, sein nichtversagender Friede, seine ruhige Freudigkeit waren eine beständige Anregung. Er brachte eine reine, süße Atmosphäre in das Heim und sein Leben wirkte wie ein Sauerteig unter den Elementen der Gesellschaft. Niemand sagte, daß er ein Wunder vollbracht habe; aber eine unsichtbare Kraft -- die heilende, Leben gebende Macht der Liebe -- ging von ihm aus zu den Versuchten, Kranken und Betrübten. Von seiner Kindheit an diente er stets anderen, ohne sich ihnen irgendwie aufzudrängen, und deshalb hörten ihn viele gern, als er sein öffentliches Lehramt begann.

Die Kinderjahre des Heilandes sind mehr als ein Beispiel für die Jugend. Sie sind eine Lehre und sollten allen Eltern zur Ermutigung dienen. Der Kreis der Familien- und Nächstenpflichten bietet das erste Feld der Tätigkeit für solche, welche für die Erhebung ihrer Mitmenschen arbeiten wollen. Es gibt kein wichtigeres Arbeitsfeld als dasjenige, welches den Gründern und Hütern des Heimes übertragen ist. Kein Werk, welches menschlichen Wesen anvertaut ist, schließt größere oder weitreichendere Folgen in sich als die den Vätern und Müttern anvertraute Aufgabe.

Die Zukunft der Gesellschaft wird von den Kindern und der Jugend heutigen Tages bestimmt. Und was diese Jugend und Kinder sein werden, hängt von dem Heim ab. Dem Mangel an richtiger, häuslicher Erziehung kann der größere Teil von Krankheit, Elend und Verbrechen zugeschrieben werden, unter denen die Menschheit leidet. Wenn das häusliche Leben rein und wahrhaftig wäre, wenn die Kinder, welche davon ausgehen, vorbereitet wären, den Verantwortlichkeiten und Gefahren des Lebens entgegen zu treten, welch eine Veränderung würde man in der Welt sehen!

Es werden große Anstrengungen gemacht; Zeit, Geld und Arbeit werden fast in unbeschränktem Maße in Unternehmungen und Anstalten gespendet, um die Opfer schlechter Gewohnheiten zu bessern. Aber selbst diese Anstrengungen vermögen nicht der großen Not zu steuern. Wie gering ist der Erfolg! Wie wenige werden dauernd befreit!

Unzählige verlangen nach einem besseren Leben, aber es fehlt ihnen der Mut und der Entschluß, mit der Macht der Gewohnheit zu brechen. Sie schrecken vor der Anstrengung, der Mühe und dem Opfer, welches dies erfordert, zurück und ihr Leben ist elend und ruiniert. Auf diese Weise werden Männer von glänzendstem Verstand, Männer mit hohen Aussichten und edlen Kräften, die von Natur befähigt waren, verantwortliche Stellungen auszufüllen herabgewürdigt und gehen für dieses und das zukünftige Leben verloren.

Wie schwer ist für solche, die sich bekehrt haben, der Kampf, um ihre Männlichkeit wieder zu gewinnen! Viele ernten ihr ganzes Leben hindurch in einem zerrütteten Zustande ihres Körpers, in einem schwankenden Willen und Verstand, in der geschwächten Seelenstärke die Ernte ihrer bösen Saat. Wie viel mehr könnte ausgerichtet werden, wenn man dem Übel am Anfang entgegentreten würde!

Das Werk ruht zum großen Teil in den Händen der Eltern. Wenn man bei den Bemühungen, die gemacht werden, um dem Fortschritt der Unmäßigkeit und anderer Übelstände, welche gleich einem Krebs an dem sozialen Körper fressen, Einhalt zu tun, mehr Aufmerksamkeit darauf verwenden würde, die Eltern zu belehren, wie sie die Gewohnheiten und den Charakter ihrer Kinder bilden könnten, so würde hundertmal mehr Gutes erreicht werden. Es liegt in ihrer Macht, die Gewohnheit, welche eine so schreckliche Kraft zum Bösen ist, zu einer Kraft zum Guten zu machen. Sie haben es mit einem Strom an seiner Quelle zu tun, und es bleibt ihnen überlassen, denselben in den richtigen Weg zu leiten.

Eltern können für ihre Kinder den Grund zu einem gesunden glücklichen Leben legen. Sie können sie hinaussenden mit moralischer Kraft, der Versuchung zu widerstehen und mit Mut und Stärke, es erfolgreich mit den Aufgaben des Lebens aufzunehmen. Sie können sie zu dem Vorsatz begeistern und die Kraft in ihnen entwickeln, ihr Leben zu Gottes Ehre und zu einem Segen für die Welt anzuwenden. Sie können gerade Pfade für ihre Füße machen, welche durch Sonnenschein und Schatten zu den herrlichen Höhen droben führen.

Ein Beispiel, an dem man lernen kann

Die Mission des Heimes erstreckt sich über seine eignen Glieder hinaus. Das christliche Heim sollte ein Vorbild sein, welches die Vorzüglichkeit wahrer Lebensgrundsätze veranschaulicht. Eine solche Darstellung wird eine Macht zum Guten in der Welt sein. Der Einfluß eines rechten Heimes ist viel wirksamer auf menschliche Herzen und menschliches Leben als irgend eine Predigt, die gehalten werden kann. Wenn die Jugend aus einem solchen Heim hinausgeht, teilt sie die angeeigneten Lehren anderen mit. Edlere Lebensgrundsätze werden in andere Familien eingeführt und ein erhebender Einfluß wirkt im allgemeinen.

Gastfreundschaft

Es gibt viele andere, für die wir unser Heim zu einem Segen machen können. Unsere geselligen Unterhaltungen sollten nicht von den Vorschriften weltlicher Sitten beherrscht werden, sondern von dem Geiste Christi und den Lehren seines Wortes. Die Israeliten schlossen in all ihren Festen die Armen ein, den Fremdling und die Leviten, welche die Diener des Priesters im Heiligtum und religiöse Lehrer und Missionare waren. Diese wurden als Gäste des Volkes betrachtet, welche bei allen Gelegenheiten geselliger und religiöser Freudentage Gastfreundschaft genossen und für welche in Krankheit und in der Not freundlich gesorgt wurde. Ebensolche Personen sollten wir in unseren Familien willkommen heißen. Wieviel könnte ein solches Willkommen zur Aufmunterung und Ermutigung der Krankenpfleger oder des Lehrers, der sorgenbelasteten und hartarbeitenden Mütter oder der Schwachen und Bejahrten, die so oft ohne Heim sind und mit Armut und vielen Entmutigungen zu kämpfen haben, beitragen!

Christus sagte: "Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machest, so lade nicht deine Freunde, noch deine Brüder, noch deine Verwandten, noch deine Nachbarn, die da reich sind; auf daß sie dich nicht etwa wiederladen und dir vergolten werde; sondern wenn du ein Mahl machest, so lade die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden, so bist du selig; denn sie haben's dir nicht zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden in der Auferstehung der Gerechten." Lukas 14,12-14.

Der Empfang dieser Gäste wird euch keine großen Lasten auferlegen. Ihr werdet nicht nötig haben, für dieselben eine mühevolle oder kostspielige Bewirtung vorzubereiten. Ihr werdet keine Pracht zu entfalten brauchen. Die Wärme eines frohen Willkommens, ein Platz an eurem Herd, ein Sitz an eurem Tisch, das Vorrecht, den Segen der Gebetsstunde mit euch zu teilen, würde für viele Seelen gleich einem Strahl vom Himmel sein.

Unsere Teilnahme sollte die Grenzen des eignen Ichs und die Abgeschlossenheit der Wände der Familie überschreiten. Köstliche Gelegenheiten bieten sich denjenigen, die ihr Heim zum Segen für andere machen wollen. Gesellschaftlicher Einfluß ist eine wunderbare Macht. Wir können denselben, wenn wir wollen als ein Mittel gebrauchen, anderen um uns herum zu helfen.

Unser Heim sollte ein Zufluchtsort für die versuchte Jugend sein. Es gibt viele unter ihnen, welche an dem Scheidewege stehen. Jeder Einfluß, jeder Eindruck bestimmt die Wahl, welche ihr jetziges und zukünftiges Schicksal bildet. Das Böse ladet sie überall ein. Die Plätze desselben sind freundlich und anziehend; sie haben ein Willkommen für jeden Eintretenden. Überall um uns herum sind junge Leute, die kein Heim haben und viele, deren Heim keine helfende, erhebende Kraft besitzt und die Jugend gerät in das Böse. Sie gehen in dem Schatten unserer eignen Türen in das Verderben hinein.

Diese Jugend braucht eine Hand, welche ihnen in Mitgefühl entgegengestreckt wird. Freundliche Worte in einfacher Sprache, kleine unauffällig erwiesene Aufmerksamkeiten werden die Wolken der Versuchung verscheuchen, welche sich über der Seele sammeln. Der wahre Ausdruck der vom Himmel geborenen Teilnahme besitzt Macht, die Herzenstüren derer zu öffnen, welche den Wohlgeruch christlicher Worte und die einfache zarte Berührung des Geistes der Liebe Christi nötig haben. Wenn wir Teilnahme an der Jugend bekunden, sie in unsere Familien einladen und sie mit freundlichen, hilfsbereiten Einflüssen umgeben würden, könnten wir viele finden, die gern ihre Schritte auf den Pfad lenken würden, der nach oben führt.

Die Gelegenheiten des Lebens

Unsere Zeit hier ist kurz. Wir können nur einmal durch diese Welt gehen; deshalb laßt uns auf unserem Gang das meiste aus dem Leben machen. Das Werk, zu welchem wir berufen sind, erfordert weder Reichtum, soziale Stellung noch große Fähigkeit. Es erfordert nur einen wohlwollenden, selbstaufopfernden Geist und ein festes Ziel. Ein Licht, wie klein es auch sein mag, wenn stets brennend erhalten, mag das Mittel sein, viele andere Lichter anzuzünden.

Der Bereich unseres Einflusses mag eng scheinen, unsere Fähigkeiten gering, unsere Gelegenheiten wenige, unsere Kenntnisse beschränkt; aber wunderbare Möglichkeiten bieten sich uns, wenn wir die Gelegenheiten in unserem eignen Heim treulich ausnützen. Wenn wir unsere Herzen und unser Heim den göttlichen Grundsätzen des Lebens öffnen wollen, sollen nach allen Richtungen hin lebensgebende Kräfte von uns ausströmen. Von unserem Heim werden Ströme der Heilung ausgehen, die Leben, Schönheit und Fruchtbarkeit bringen, wo jetzt nur Dürre und Trockenheit ist.