In den Fußspuren des großen Arztes

Kapitel 32

Das Kind

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"Welches soll des Knaben Weise und Werk sein?"

Nicht nur die Gewohnheiten der Mutter, sondern auch die Erziehung des Kindes waren in der Anweisung des Engels an seine hebräischen Eltern mit eingeschlossen. Es war nicht genug, daß Simson, das Kind, welches Israel befreien sollte, bei seiner Geburt ein gutes Vermächtnis antrat. Eine sorgfältige Erziehung mußte darauf folgen. Der Knabe mußte von frühester Jugend auf an eine strenge Mäßigkeit gewöhnt werden.

Ähnliche Unterweisungen wurden in bezug auf Johannes den Täufer gegeben. Der Vater empfing vor der Geburt des Kindes folgende Botschaft vom Himmel: "Und du wirst des Freude und Wonne haben, und viele werden sich seiner Geburt freuen. Denn er wird groß sein vor dem Herrn, Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken; und wird noch im Mutterleibe erfüllet werden mit dem heiligen Geist." Lukas 1,14.15.

Der Heiland erklärte, daß unter den edlen Männern, die im Himmel angeschrieben sind, kein größerer sei als Johannes der Täufer. Das ihm übertragene Werk erforderte nicht nur körperliche Kraft und Ausdauer, sondern die höchsten Fähigkeiten des Geistes und der Seele. Die körperliche Erziehung als Vorbereitung für sein Werk war so wichtig, daß der erhabenste Engel des Himmels mit einer Botschaft gesandt wurde, um die Eltern zu belehren.

Die gegebenen Unterweisungen betreffs der hebräischen Kinder lehren uns, daß nichts, was das körperliche Wohlbefinden des Kindes anbelangt, vernachlässigt werden sollte. Nichts ist unwichtig. Alles, was einen Einfluß auf die Gesundheit des Körpers ausübt, hat auch Folgen für Geist und Charakter. Der frühesten Erziehung des Kindes kann nicht zu viel Wichtigkeit beigelegt werden. Die in den ersten Jahren der Kindheit empfangenen Lehren und gebildeten Gewohnheiten üben einen größeren Einfluß auf die Bildung des Charakters und die Richtung des Lebens aus als alle Belehrungen und Unterweisungen späterer Jahre.

Eltern sollten dies wohl beachten. Sie sollten die Grundsätze verstehen, welche der Fürsorge und Erziehung der Kinder zugrunde liegen. Sie sollten imstande sein, ihre Kinder so aufzuziehen, daß dieselben körperlich, geistig und moralisch gesund sind. Eltern sollten die Naturgesetze kennen lernen. Sie sollten mit dem Organismus des menschlichen Körpers bekannt werden. Sie sollten die Tätigkeit der verschiedenen Organe, sowie ihre Beziehung zu einander und ihre Abhängigkeit von einander verstehen. Sie sollten die Beziehungen der geistigen zu den körperlichen Kräften beachten, sowie die zur gesunden Tätigkeit der beiden erfolgreichen Verhältnisse. Ohne solche Vorbereitung die Verantwortlichkeit der Elternschaft zu übernehmen ist eine Sünde.

Die Ursachen, welche der Sterblichkeit, der Krankheit und Entartung zugrunde liegen, die heutzutage sogar in den zivilisiertesten und begünstigsten Ländern herrschen, werden zu wenig beachtet. Die menschliche Rasse verkommt immer mehr. Über ein Drittel sterben im Säuglingsalter; von denen, die das Mannesalter erreichen, leidet weitaus die größte Zahl an Krankheit irgend einer Art, und nur wenige erreichen die Grenze des menschlichen Lebens.

Die meisten der Übel, welche der Menschheit Elend und Verderben bringen, könnten verhindert werden und die Macht dazu ruht zum größten Teil in den Händen der Eltern. Es ist nicht etwa eine "geheime Vorsehung", welche die kleinen Kinder hinwegrafft. Gott wünscht nicht ihren Tod. Er gibt sie den Eltern, damit sie dieselben zu brauchbaren Menschen hier und hernach für den Himmel erziehen. Würden Väter und Mütter tun, was sie könnten, um ihren Kindern ein gutes Vermächtnis zu sichern, und dann durch richtige Behandlung versuchen, etwaige angeborene Verkehrtheiten zu bessern, welch eine Veränderung zum Besseren würde die Welt dann sehen!

Die Pflege der Säuglinge

Je ruhiger und einfacher das Leben des Kindes ist, desto günstiger wird es für seine körperliche und geistige Entwicklung sein. Die Mutter sollte sich bemühen, jederzeit ruhig und sanft zu sein und sich beherrschen zu können. Viele kleine Kinder sind außerordentlich empfänglich für nervöse Erregungen, und der Mutter freundliche ruhige Art und Weise wird einen besänftigenden Einfluß haben, welcher für das Kind von unberechenbarem Segen sein wird.

Säuglinge gebrauchen Wärme, aber es wird oft der folgenschwere Fehler begangen, sie in überhitzten Zimmern zu halten und sie zum großen Teil der frischen Luft zu berauben. Die Gewohnheit, des Säuglings Gesicht im Schlaf zu bedecken, ist schädlich, weil es die freie Atmung hindert.

Es sollte von dem Kindchen alles fern gehalten werden, was das System schwächen oder vergiften kann. Die größte Sorgfalt sollte angewandt werden, um alles für das Kind frisch und rein zu halten. Es mag nötig sein, die Kleinen vor plötzlichem oder zu großen Temperaturwechsel zu schützen, aber man sollte darauf achten, daß sie schlafend oder wachend, Tag oder Nacht reine, belebende Luft einatmen.

Die Kleidung des Kindes

Bei der Herstellung der Babyausstattung sollte mehr Rücksicht auf Behaglichkeit, Bequemlichkeit und Gesundheit genommen werden als auf Mode oder das Verlangen, Bewunderung zu erregen. Die Mutter sollte keine Zeit zu Stickereien und Spitzenarbeit verwenden, um die Kleinen herauszuputzen. Sie belastet sich dadurch mit unnötiger Arbeit auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit und der Gesundheit ihres Kindes. Sie sollte nicht über Näharbeit gebückt sitzen, welche Augen und Nerven anstrengt zu einer Zeit, wo sie viel Ruhe und wohltätige Bewegung haben sollte. Sie sollte sich ihrer Verpflichtung voll und ganz bewußt sein, ihre Kraft zu schonen, damit sie imstande sei, den Anforderungen, die an sie gestellt werden nachzukommen.

Wenn die Kleidung des Kindes Wärme, Schutz und Behaglichkeit in sich vereint, wird eine der Hauptursachen der Erregung und Ruhelosigkeit entfernt werden. Das Kleine wird eine bessere Gesundheit besitzen und die Mutter wird die Pflege des Kindes nicht so schwer finden, daß es ihre Kraft und Zeit übersteigt.

Feste Bänder oder Jäckchen hindern die Tätigkeit des Herzens und der Lunge und sollten vermieden werden. Niemals sollte ein Teil des Körpers durch Kleidung beengt sein, welche irgend ein Organ preßt oder die Freiheit der Bewegung einschränkt. Die Kleidung aller Kinder sollte lose genug sein, um die freieste und vollste Atmung zuzulassen und so angefertigt sein, daß die Schultern das Gewicht derselben tragen.

In manchen Gegenden herrscht die Sitte, Hals, Arme und Beine kleiner Kinder unbedeckt zu lassen. Diese Sitte kann nicht scharf genug verurteilt werden. Die von dem Mittelpunkt des Blutkreislaufes entfernten Gliedmaßen erfordern mehr Schutz als die übrigen Körperteile. Die Adern, welche das Blut nach den Gliedmaßen führen, sind groß, damit sie eine genügende Menge Blut zur Wärme und Ernährung zuführen können. Wenn aber die Glieder unbeschützt oder ungenügend bekleidet sind, so ziehen sich die Arterien und Venen zusammen, die empfindlichen Teile des Körpers werden kalt und der Blutumlauf wird behindert.

Bei heranwachsenden Kindern bedürfen alle Kräfte der Natur eines jeglichen Vorteils, um sie in den Stand zu setzen, den Körper vollkommen aufzubauen. Wenn die Gliedmaßen ungenügend beschützt werden, so können die Kinder, und insbesondere Mädchen, nur bei mildem Wetter draußen sein. Sie werden deshalb aus Furcht vor Erkältung zu Hause gehalten. Wenn die Kinder gut bekleidet sind, wird es ihnen nur von Nutzen sein, sich reichlich in der frischen Luft zu bewegen, es sei Sommer oder Winter.

Mütter, welche wünschen, daß ihre Knaben und Mädchen eine kräftige Gesundheit besitzen, sollten sie richtig kleiden und sie ermutigen, bei leidlichem Wetter viel draußen zu sein. Es mag Mühe erfordern, die Ketten der Gewohnheit zu brechen und die Kinder gesundheitsgemäß zu kleiden und zu erziehen; aber der Erfolg wird reichlich jede Bemühung lohnen.

Die Diät des Kindes

Die beste Nahrung für den Säugling ist die ihm von der Natur vorgesehene. Dieselbe sollte ihm deshalb nicht ohne guten Grund entzogen werden. Es ist herzlos von einer Mutter, sich um der Bequemlichkeit oder des Vergnügens halber von der süßen Pflicht befreien zu wollen, ihr Kindchen selbst zu nähren.

Die Mutter, welche es zuläßt, daß ihr Kind von einer anderen ernährt wird, sollte wohl erwägen, welche Folgen dies haben kann. Die Amme übertragt in höherem oder geringerem Maße ihren eigenen Charakter und ihr eigenes Temperament auf das von ihr genährte Kind.

Die Wichtigkeit, die Kinder zu richtigen diätischen Gewohnheiten zu erziehen, kann kaum überschätzt werden. Die Kleinen müssen lernen, daß sie essen, um zu leben, und nicht leben, um zu essen. Die Erziehung des Säuglings sollte in den Armen der Mutter beginnen. Das Kind sollte in regelmäßigen Zwischenräumen Nahrung erhalten und wenn es älter wird, seltener. Es sollte keine Süßigkeiten oder die Speise Erwachsener bekommen, welche es nicht verdauen kann. Sorgfalt und Regelmäßigkeit in der Ernährung der Säuglinge wird nicht nur die Gesundheit fördern und die Kinder ruhig und freundlich gesinnt machen, sondern auch den Grund zu Gewohnheiten legen, die in späteren Jahren ein Segen für sie sind.

Wenn die Kinder dem Säuglingsalter entwachsen sind, sollte man noch immer große Sorgfalt darauf verwenden, ihren Geschmack und Appetit zu erziehen. Oft wird ihnen erlaubt, zu essen, wann sie wollen und was sie wollen, ohne Rücksicht auf die Gesundheit. Die Mühe und das Geld, welche so oft für ungesunde Naschereien verschwendet werden, verleiten die Jugend zu dem Gedanken, daß der höchste Zweck im Leben und die höchste Glückseligkeit sei, dem Appetit frönen zu können. Solche Erziehung bewirkt Völlerei und Schwelgerei, darauf folgt Krankheit, gegen welche dann gewöhnlich giftige Arzneien angewendet werden.

Eltern sollten den Appetit ihrer Kinder erziehen und sollten den Genuß ungesunder Speisen nicht erlauben. Aber in der Bemühung, die Diät zu regeln, sollten wir vorsichtig sein, nicht in den Irrtum zu verfallen, von den Kindern zu verlangen, etwas zu essen, was unschmackhaft ist oder sie nötigen, mehr als nötig zu essen. Kinder haben Rechte, sie haben auch Lieblingsgerichte, und wenn diese Lieblingsgerichte zuträglich sind, sollte ihr Wunsch Beachtung finden.

Regelmäßigkeit im Essen sollte sorgfältig beachtet werden. Nichts sollte zwischen den Mahlzeiten gegessen werden, keine Süßigkeiten, Nüsse, Obst oder irgend welche Nahrung. Unregelmäßiges Essen zerstört den gesunden Zustand der Verdauungsorgane zum Schaden der Gesundheit und des Frohsinns. Wenn dann die Kinder zu Tisch kommen, mögen sie keine gesunde Nahrung; ihr Gaumen verlangt nach Dingen, welche ihnen schaden.

Mütter, die den Gelüsten der Kinder auf Kosten der Gesundheit und fröhlichen Stimmung nachgeben, säen einen bösen Samen, welcher aufgehen und Früchte tragen wird. Die Selbstbefriedigung wächst mit den Kindern auf und die geistigen und körperlichen Kräfte werden gefährdet. Mütter, welche dies tun, ernten mit Schmerzen die Frucht des Samens, den sie gesät haben. Sie sehen ihre Kinder aufwachsen, untüchtig und an Geist und Körper nicht imstande, im öffentlichen Leben oder im Heim eine edle, nützliche Stelle auszufüllen. Die geistlichen sowohl wie die geistigen und körperlichen Kräfte leiden unter dem Einfluß ungesunder Nahrung. Das Gewissen wird infolge derselben abgestumpft und die Empfänglichkeit für gute Eindrücke wird verringert.

Während die Kinder belehrt werden sollten, den Appetit zu beherrschen und nur zu essen, was gesund ist, sollte ihnen klar gemacht werden, daß sie sich nur das versagen, was ihnen schaden würde. Sie geben schädliche Dinge für etwas Besseres auf. Der Tisch sollte einladend und anziehend gemacht werden und mit den guten Dingen bedeckt sein, welche Gott so reichlich verliehen hat. Die Essenszeit sollte eine fröhliche Zeit sein. Wenn wir uns der Gabe Gottes erfreuen, laßt uns durch dankbares Loben es dem Geber beweisen.

Die Pflege der Kinder während der Krankheit

In vielen Fällen kann die Krankheit von Kindern verkehrter Behandlung zugeschrieben werden. Unregelmäßigkeiten im Essen, ungenügende Bekleidung am kühlen Abend, Mangel an lebhafter Bewegung, um das Blut in gesundem Umlauf zu erhalten oder Mangel an genügend frischer Luft zu dessen Reinigung, mögen die Ursachen der Krankheit sein. Die Eltern sollten nachforschen, um die Ursache der Krankheit zu entdecken und dann die verkehrten Zustände so bald als möglich ändern.

Es liegt in dem Bereich aller Eltern, über die Pflege, Verhütung und Behandlung von Krankheit viel zu lernen. Besonders die Mütter sollten wissen, was in gewöhnlichen Krankheitsfällen in ihrer Familie zu tun ist. Sie sollten verstehen, ihr krankes Kind zu pflegen. Ihre Liebe und Einsicht sollte sie befähigen, demselben Dienste zu leisten, welche der Hand eines Fremden nicht gut überlassen werden können.

Das Studium der Naturlehre

Eltern sollten darauf sehen, ihre Kinder früh mit ihrem Körper und dessen richtiger Pflege vertraut zu machen und sie die einfachen Grundsätze der Physiologie zu lehren. Lehrt sie, wie man am besten die körperlichen, geistigen und geistlichen Kräfte erhalten kann und wie sie ihre Gaben gebrauchen sollten, damit ihr Leben gegenseitigen Segen und Gott Ehre bringt. Diese Wissenschaft ist für die Jugend unschätzbar. Eine Ausbildung in den Dingen, welche das Leben und die Gesundheit betreffen, ist wichtiger für sie, als eine Kenntnis vieler in den Schulen gelehrter Wissenschaften.

Eltern sollten mehr für ihre Kinder und weniger für die Gesellschaft leben. Denkt über das Wesen der Gesundheit nach und wendet eure Kenntnisse praktisch an. Lehrt eure Kinder von der Ursache auf die Wirkung zu schließen. Lehrt sie, daß sie den Naturgesetzen gehorchen müssen, wenn sie Gesundheit und Glückseligkeit wünschen. Seid nicht entmutigt, wenn ihr nicht so rasch eine Besserung seht, wie ihr wohl wünscht, sondern setzt geduldig und ausdauernd eure Arbeit fort.

Lehrt eure Kinder von der Wiege an, Selbstverleugnung und Selbstbeherrschung zu üben. Lehrt sie, sich der Schönheit der Natur zu erfreuen und in nützlicher Beschäftigung alle Körper- und Geisteskräfte systematisch zu üben. Erzieht sie so, daß sie eine gesunde Körperbeschaffenheit und gute Moral, eine fröhliche Veranlagung und ein sanftes Gemüt haben. Prägt ihrem zarten Verstand die Wahrheit ein, daß Gott nicht will, daß wir nur zur eigenen Selbstbefriedigung leben sollten, sondern zu unserem schließlichen Wohl. Lehrt sie, daß es von Schwäche zeugt und unrecht ist, der Versuchung nachzugeben, aber edel und männlich, derselben zu widerstehen. Diese Lehren werden sein wie ein in guten Boden gesäter Same und sie werden Früchte tragen, die eure Herzen fröhlich stimmen werden.

Vor allem anderen aber sollten Eltern ihre Kinder mit einer Atmosphäre der Freundlichkeit, Zuvorkommenheit und Liebe umgeben. Ein Heim, wo Liebe wohnt, und wo dieselbe in Blicken, Worten und Taten Ausdruck findet, ist ein Ort, wo Engel gern ihre Gegenwart offenbaren.

Eltern, laßt den Sonnenschein der Liebe, Freundlichkeit und glücklicher Zufriedenheit in eure eignen Herzen einziehen und laßt deren sanften, süßen Einfluß euer Heim durchwehen. Offenbart einen freundlichen, geduldigen Geist und ermutigt denselben in euren Kindern, indem ihr alle Tugenden pflegt, die das häusliche Leben verschönern. Die auf diese Weise geschaffene Atmosphäre wird für die Kinder sein, was Luft und Sonnenschein für die Pflanzenwelt sind; sie wird die Gesundheit und Kräfte des Körpers und Geistes fördern.