Macht Und Ohnmacht

Kapitel 1

Salomos Erste Regierungsjahre

[AUDIO]

1. Könige 3,3-15 und 5,9-14.

Während der Regierungszeit Davids und Salomos wurde Israel unter den Nationen stark und hatte viele Gelegenheiten, zugunsten der Wahrheit und des Rechts einen mächtigen Einfluss auszuüben. Der Name Jahwes wurde erhöht und in Ehren gehalten, und die Absicht, die mit der Ansiedlung Israels im Land der Verheißung verfolgt worden war, stand anscheinend vor ihrer Erfüllung. Schranken wurden niedergerissen und Wahrheitssucher aus den Ländern der Heiden nicht unbefriedigt abgewiesen. Bekehrungen fanden statt, und die Gemeinde Gottes auf Erden breitete sich aus und gedieh.

Noch zu Lebzeiten seines Vaters David, der zugunsten seines Sohnes abdankte, wurde Salomo gesalbt und zum König ausgerufen (vgl. 1. Könige 1,11-53). Er hatte schon früh einen vielversprechenden Eindruck gemacht und sollte nach Gottes Absicht immer mehr an Kraft und Herrlichkeit zunehmen und ihm charakterlich immer ähnlicher werden. Durch ihn sollte das Volk veranlasst werden, seine heilige Aufgabe als Hüter der göttlichen Wahrheit zu erfüllen.

David wusste, dass Gottes hohe Ziele mit Israel nur dann verwirklicht werden könnten, wenn Herrscher und Volk gemeinsam mit unaufhörlicher Wachsamkeit danach trachteten, den ihnen gesteckten Maßstab zu erreichen. Er wusste auch, dass sein Sohn Salomo nicht nur ein Krieger, Staatsmann und Herrscher sein musste, sondern auch ein charakterstarker, guter Mensch, ein Lehrer der Gerechtigkeit und ein Vorbild an Treue, um als junger Regent der Aufgabe gerecht zu werden, mit der ihn Gott nach seinem Wohlgefallen ehren wollte.

Mit gütigem Ernst forderte David Salomo eindringlich auf, mannhaft und edel zu sein, seinen Untertanen Barmherzigkeit und Liebe entgegenzubringen, in seinem ganzen Umgang mit den anderen Völkern den Namen Gottes zu ehren und die Schönheit eines heiligen Lebens zu verdeutlichen. Die vielen Prüfungen und einzigartigen Erfahrungen, durch die David zeit seines Lebens gegangen war, hatten ihn den Wert der höheren Tugenden schätzen gelehrt und ihn veranlasst, in seinem Vermächtnis an Salomo zu sagen: "Wer gerecht herrscht unter den Menschen, wer herrscht in der Furcht Gottes, der ist wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, am Morgen ohne Wolken." (2. Samuel 23,3b.4a)

Was für eine Gelegenheit bot sich doch Salomo! Wenn er die von Gott eingegebene Unterweisung seines Vaters befolgte, würde sich seine Herrschaft durch Gerechtigkeit auszeichnen, wie David sie in Psalm 72 beschrieben hat:

"Gott, gib dein Gericht dem König und deine Gerechtigkeit dem Königssohn, dass er dein Volk richte mit Gerechtigkeit und deine Elenden rette ... Er soll herabfahren wie der Regen auf die Aue, wie die Tropfen, die das Land feuchten. Zu seinen Zeiten soll blühen die Gerechtigkeit und großer Friede sein ... Er soll herrschen von einem Meer bis ans andere, und von dem Strom [Euphrat] bis zu den Enden der Erde ... Die Könige von Tarsis und auf den Inseln sollen Geschenke bringen, die Könige aus Saba und Seba sollen Gaben senden. Alle Könige sollen vor ihm niederfallen und alle Völker ihm dienen. Denn er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit, und den Elenden, der keinen Helfer hat. . Man soll immerdar für ihn beten und ihn täglich segnen ... Sein Name bleibe ewiglich; solange die Sonne währt, blühe sein Name. Und durch ihn sollen gesegnet sein alle Völker, und sie werden ihn preisen. Gelobt sei Gott der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder tut! Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich, und alle Lande sollen seiner Ehre voll werden! Amen! Amen!" (Psalm 72,1.2.6-8.10-12.15b.17-19)

Salomo Weiht Sich Gott

In seiner Jugend machte Salomo Davids Wahl zu seiner eigenen, wandelte viele Jahre lang rechtschaffen und führte ein Leben, das sich durch unbedingten Gehorsam gegen Gottes Gebote auszeichnete. Kurz nach Antritt seiner Regierung begab er sich mit den Beratern seines Staates nach Gibeon, wo sich immer noch das heilige Zelt befand, das in der Wüste gebaut worden war, und traf sich dort mit seinen ausgewählten Räten, "den Obersten über 1000 und über 100", "den Richtern" und "allen Fürsten in Israel, mit den Häuptern der Sippen" (2. Chronik 1,2), um Gott Opfer darzubringen und sich dem Dienst des Herrn völlig zu weihen. Da er einen Begriff von der Größe der Pflichten hatte, die mit der Königswürde verbunden waren, wusste Salomo auch, dass Menschen, die schwere Bürden tragen, die Quelle der Weisheit suchen und sich leiten lassen müssen, wenn sie ihren Verpflichtungen angemessen nachkommen wollen. Deshalb ermutigte er seine Berater, sich mit ihm zu vereinen, um ihre Annahme bei Gott sicherzustellen.

Salomos Verlangen Und Gottes Gaben

Vor allen irdischen Gütern wünschte sich der König Weisheit und Verstand, um die Aufgabe zu vollbringen, die ihm Gott aufgetragen hatte. Ihn verlangte nach einer schnellen Auffassungsgabe, einem großmütigen Herzen und einem sanften Geist. In jener Nacht erschien der Herr Salomo in einem Traum und sagte: "Wünsche dir, was du willst; ich will es dir geben!" In seiner Antwort gab der junge und unerfahrene Herrscher seinem Gefühl der Hilflosigkeit und seinem Verlangen nach Beistand und Unterstützung Ausdruck. "Du hast in großer Treue an deinem Diener, meinem Vater David, gehandelt, so wie auch er stets treu zu dir gehalten und dir aufrichtig gedient hat. Du hast ihm deine große Treue auch darin erwiesen, dass du ihm einen Sohn gegeben hast, der einst auf seinem Thron sitzen sollte, wie das jetzt wirklich eingetreten ist." (1. Könige 3,5.6 GNB)

Dann fuhr er fort: "Herr, mein Gott! Du hast mich, deinen Diener, anstelle meines Vaters David zum König gemacht. Ich bin noch viel zu jung und unerfahren und fühle mich dieser Aufgabe nicht gewachsen. Und doch hast du mir das Volk anvertraut, das du dir erwählt hast, und ich trage die Verantwortung für so viele Menschen, die niemand zählen kann. Darum schenke mir ein Herz, das auf deine Weisung hört, damit ich dein Volk leiten und gerechtes Urteil sprechen kann. Wie kann ich sonst dieses große Volk regieren?" (1. Könige 3,7-9 GNB)

"Dem Herrn gefiel diese Bitte. Deshalb sagte er zu Salomo: Du hättest dir langes Leben oder Reichtum oder den Tod deiner Feinde wünschen können. Stattdessen hast du mich um Einsicht gebeten, damit du gerecht regieren kannst. Darum werde ich deine Bitte erfüllen und dir so viel Weisheit und Verstand schenken, dass kein Mensch vor oder nach dir mit dir verglichen werden kann. Aber auch das, worum du mich nicht gebeten hast, will ich dir geben: Ich werde dir Reichtum und hohes Ansehen schenken, sodass sich zu deinen Lebzeiten kein König darin mit dir messen kann. Und wenn du meine Gebote so treu befolgst wie dein Vater David, dann schenke ich dir auch ein langes Leben." (1. Könige 3,10-14 GNB; vgl. 2. Chronik 1,8-12)

Gott versprach, dass er so, wie er mit David gewesen war, auch mit Salomo sein werde. Wenn der König rechtschaffen vor dem Herrn wandelte und täte, was ihm Gott geboten hatte, würde sein Thron gefestigt werden und seine Regierung dazu dienen, Israel zu einem "weisen und verständigen Volk" zu machen (vgl. 5. Mose 4,6 Elb.) und es zum Licht für die benachbarten Völker zu erheben.

Die Worte, die Salomo in seinem Gebet zu Gott vor dem altehrwürdigen Altar zu Gibeon sprach, offenbarten seine Demut und sein starkes Verlangen, Gott zu ehren. Er erkannte, dass er ohne göttliche Hilfe der ihm übertragenen Verantwortung hilflos wie ein kleines Kind gegenüberstand. Er wusste, dass es ihm an Urteilskraft fehlte. Sein Gespür für sein großes Bedürfnis danach führte ihn dazu, Gott um Weisheit zu bitten. In seinem Herzen trug er kein selbstsüchtiges Verlangen nach einer Erkenntnis, die ihn anderen überlegen machte. Ihm kam es darauf an, die ihm übertragenen Pflichten treu erfüllen zu können. Er wählte darum die Gabe, die ihn befähigen würde, durch seine Herrschaft Gott zu verherrlichen. Nie war Salomo so reich, weise und wahrhaft groß wie damals, als er bekannte: "Ich bin noch viel zu jung und unerfahren und fühle mich dieser Aufgabe nicht gewachsen." (1. Könige 3,7b GNB)

Ein Vorbild Für Heutige Leiter

Wer heute eine Vertrauensstellung bekleidet, sollte die in Salomos Gebet ausgedrückte Lehre beherzigen. Je höher die Stellung ist, die jemand einnimmt, je mehr Verantwortung er zu tragen hat und je weiter sein Einfluss reicht, desto größer ist auch die Notwendigkeit, sich von Gott abhängig zu machen. Er sollte immer daran denken, dass die Berufung zu einer Aufgabe die Verpflichtung nach sich zieht, sich vor seinen Mitmenschen umsichtig zu verhalten. Er sollte vor Gott die Haltung eines Lernenden einnehmen. Eine hohe Stellung verleiht keinen heiligen Charakter. Nur wer Gott ehrt und seine Gebote hält, ist wahrhaft groß.

Der Gott, dem wir dienen, sieht die Person nicht an (vgl. Apostelgeschichte 10,34b). Er, der Salomo ein weises Urteilsvermögen verlieh, ist bereit, seinen Kindern heute denselben Segen zu schenken. Sein Wort sagt: "Wenn es aber jemandem unter euch an Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der jedermann gern gibt." (Jakobus 1,5) Wenn ein Verantwortungsträger mehr nach Weisheit verlangt als nach Reichtum, Macht oder Ruhm, wird er nicht enttäuscht werden. Er wird vom großen Lehrer nicht nur lernen, was er tun soll, sondern auch, wie er es tun kann, um Gottes Zustimmung zu erhalten.

Solange ein Mensch, den Gott mit Urteilskraft und Fähigkeiten ausgerüstet hat, dem Herrn geweiht bleibt, wird er kein Verlangen nach einer hohen Stellung zeigen, noch wird er andere beherrschen oder kontrollieren wollen. Menschen müssen notwendigerweise Verantwortungen tragen, doch wird ein wahrer Leiter nicht nach der Vormachtstellung trachten, sondern um ein verständiges Herz bitten, um zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können.

Wer zum Führen berufen wird, hat es nicht leicht. Doch jede Schwierigkeit sollte er als eine Aufforderung zum Gebet betrachten. Nie sollte er versäumen, die große Quelle aller Weisheit um Rat zu fragen. Durch den Meister gestärkt und erleuchtet, wird er imstande sein, unheiligen Einflüssen zu widerstehen, Recht von Unrecht und Gut von Böse zu unterscheiden. Ein solcher wird gutheißen, was Gott billigt, sich aber entschieden dem Einfluss verkehrter Grundsätze in Gottes Werk widersetzen.

Die Ersten Regierungsjahre Salomos

Die Weisheit, die Salomo von Gott vor Reichtum, Ehre oder langem Leben begehrt hatte, wurde ihm gegeben. Auch seine Bitte um einen scharfen Verstand, ein weites Herz und einen sanften Geist wurde erhört: "Gott schenkte Salomo große Weisheit und Einsicht und ein Wissen, so unermesslich wie der Sand am Meeresstrand. Salomo übertraf darin sogar die Weisen Arabiens und Ägyptens. Er wusste mehr als alle Menschen ... Sein Ruhm verbreitete sich unter allen benachbarten Völkern." (1. Könige 5,9-11 GNB)

Die Menschen in "ganz Israel ... fürchteten den König; denn sie sahen, dass die Weisheit Gottes in ihm war, Gericht zu halten" (1. Könige 3,28). Die Herzen des Volkes fielen Salomo zu, wie sie einst David zugefallen waren, und sie gehorchten ihm in allen Dingen. "Salomo ... festigte seine Königsherrschaft; der Herr, sein Gott, stand ihm bei und ließ ihn sehr mächtig werden." (2. Chronik 1,1 GNB)

Viele Jahre lang zeichnete sich Salomos Leben durch Hingabe an Gott, Rechtschaffenheit, Grundsatztreue und unbedingten Gehorsam gegenüber Gottes Geboten aus. Er leitete selbst alle wichtigen Unternehmungen und regelte klug die Regierungsgeschäfte. Sein Reichtum und seine Weisheit, die prächtigen Bauten und die öffentlichen Arbeiten, die er in den ersten Jahren seiner Regierung ausführte, die Tatkraft, Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Großzügigkeit, die er in Wort und Tat bekundete, gewannen ihm die Zuneigung seiner Untertanen und die Bewunderung und Verehrung der Herrscher vieler Länder.

Der Name des Herrn wurde während der ersten Jahre der Herrschaft Salomos hoch in Ehren gehalten. Die Weisheit und Gerechtigkeit, die der König an den Tag legte, bezeugten allen Völkern die vortrefflichen Eigenschaften des Gottes, dem er diente. Israel war eine Zeitlang das Licht der Welt und legte Zeugnis von der Größe Jahwes ab. Die wahre Herrlichkeit der frühen Herrschaftsjahre Salomos lag nicht in seiner überragenden Weisheit, seinem unvorstellbaren Reichtum, seiner weitreichenden Macht oder seinem Ruhm, sondern in der Ehre, die er dem Namen des Gottes Israels durch den klugen Gebrauch der himmlischen Gaben zuteil werden ließ.

Als die Jahre verstrichen und sein Ruhm wuchs, versuchte Salomo, Gott dadurch zu ehren, dass er seine geistige und geistliche Stärke zu vermehren trachtete und weiterhin andere an den erhaltenen Segnungen teilhaben ließ. Keiner wusste so gut wie er, dass er nur durch die Gunst Jahwes in den Besitz von Macht, Weisheit und Urteilsvermögen gelangt war und er diese Gaben empfangen hatte, damit die Welt durch ihn eine Erkenntnis des Königs aller Könige erhalten sollte.

Die Sprüche Salomos

Salomo interessierte sich besonders für die Natur, doch seine Forschungen beschränkten sich nicht nur auf ein bestimmtes Wissensgebiet. Durch eifriges Studium aller erschaffenen Dinge - der belebten wie der unbelebten - gewann er einen immer klareren Begriff von deren Schöpfer. Die Kräfte der Natur, die Steine und die Tiere, jeder Baum, jeder Strauch und jede Blume waren für ihn Offenbarungen der Weisheit Gottes; und je mehr er zu lernen versuchte, desto beständiger nahmen seine Erkenntnis Gottes und seine Liebe zu ihm zu.

Salomos göttlich inspirierte Weisheit fand ihren Ausdruck in Lobgesängen und vielen Sprüchen. "Er verfasste 3000 Weisheitssprüche und 1005 Lieder. Er sprach darin über alle Arten von Bäumen von der Libanon-Zeder bis zum Ysop, der an Mauern wächst, und ebenso über die großen Landtiere, die Vögel, die Kriechtiere und Fische." (1. Könige 5,12.13 GNB)

In den Sprüchen Salomos werden die Grundsätze eines heiligen Lebens und eines hohen Strebens dargelegt - Prinzipien, die dem Himmel entstammen, zur Frömmigkeit führen und jede Tat unseres Lebens bestimmen sollten. Dank der weiten Verbreitung dieser Grundsätze und der Anerkennung, dass Gott aller Lobpreis und alle Ehre gebührt, waren die ersten Jahre der Herrschaft Salomos eine Zeit des sittlichen Aufstiegs und des materiellen Wohlstands.

"Wie glücklich ist ein Mensch, der die Weisheit gefunden und Erkenntnis erlangt hat!", schrieb er. "Weisheit besitzen ist besser als Silber, wertvoller als das reinste Gold. Sie ist kostbarer als Edelsteine; nichts, was man sich wünschen könnte, ist mit ihr vergleichbar. Mit der rechten Hand bietet sie dir langes Leben und mit der linken Wohlstand und Ansehen. Sie erfüllt dein Leben mit Glück und Sicherheit. Sie ist der wahre ›Baum des Lebens‹; wer sie erlangt und festhält, kann sich glücklich preisen!" (Sprüche 3,13-18 GNB) "Der Weisheit Anfang ist: Erwirb Weisheit und erwirb Einsicht mit allem, was du hast." (Sprüche 4,7) "Den Herrn ernst nehmen ist der Anfang aller Erkenntnis." (Sprüche 1,7a GNB) "Die Furcht des Herrn hasst das Arge; Angeberei und Hochmut, bösem Wandel und falschen Lippen bin ich feind." (Sprüche 8,13)

Hätte Salomo doch diese wunderbaren Worte der Weisheit in seinen späteren Lebensjahren beachtet! Er hatte erklärt: "Der Weisen Mund breitet Einsicht aus." (Sprüche 15,7) Er unterwies die Könige der Erde, dem König der Könige das Lob darzubringen, das sie ihm als irdischem Herrscher zu spenden wünschten. Wäre er doch selbst nie dahin gekommen, mit "falschen Lippen" in "Angeberei und Hochmut" (vgl. Sprüche 8,13) die Ehre, die Gott allein gebührt, für sich in Anspruch zu nehmen!