Macht Und Ohnmacht

Kapitel 7

Jerobeam Verführt Zum Götzendienst

[AUDIO]

1. Könige 12,25 bis 14,20.

Nachdem die zehn Stämme Israels, die sich gegen das Haus David aufgelehnt hatten, Jerobeam zum Herrscher eingesetzt hatten, befand sich dieser einstige Diener Salomos in einer Stellung, die es ihm ermöglichte, weise Reformen auf bürgerlichem und religiösem Gebiet herbeizuführen. Unter der Herrschaft Salomos hatte er seine Begabung und sein gesundes Urteilsvermögen unter Beweis gestellt. Die Kenntnisse, die er in den Jahren seines treuen Dienstes erworben hatte, befähigten ihn, mit Umsicht zu regieren. Aber Jerobeam versäumte es, sein Vertrauen auf Gott zu setzen.

Seine größte Befürchtung war, dass irgendwann in der Zukunft die Herzen seiner Untertanen durch den Herrscher auf dem Thron Davids geraubt werden könnten. Er schlussfolgerte: Falls die zehn Stämme regelmäßig die alte Hauptstadt der jüdischen Monarchie besuchen können, um wie zu Salomos Zeiten an den Gottesdiensten im Tempel teilzunehmen, könnten viele dazu neigen, der Regierung in Jerusalem ihre erneute Treue zu geloben. Nach einer Besprechung mit seinen Ratgebern beschloss Jerobeam, durch einen kühnen Schachzug die Wahrscheinlichkeit eines Aufstands gegen seine Herrschaft soweit wie möglich zu verringern. Erreichen wollte er dies durch die Gründung zweier Anbetungsstätten innerhalb der Grenzen seines neu gebildeten Reiches - eine in Bethel und eine in Dan. Die zehn Stämme sollten aufgefordert werden, sich an diesen beiden Orten statt in Jerusalem zur Anbetung Gottes zu versammeln.

Jerobeam Führt Götterbilder Ein

Bei der Vorbereitung dieser Umstellung kam Jerobeam der Gedanke, die Vorstellungskraft der Israeliten dadurch zu beflügeln, dass er ihnen mithilfe einer sichtbaren Darstellung die Gegenwart des unsichtbaren Gottes versinnbildlichte. Darum ließ er zwei Kälber aus Gold herstellen und sie in den Heiligtümern an den von ihm bestimmten Anbetungsstätten aufstellen. Mit dieser Darstellung der Gottheit übertrat Jerobeam jedoch das klare Gebot Jahwes: "Du sollst dir kein Götterbild machen ... Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen." (2. Mose 20,4a.5a Elb.)

So stark war Jerobeams Verlangen, die zehn Stämme von Jerusalem fernzuhalten, dass er die grundlegende Schwäche seines Planes übersah. Er bedachte nicht die große Gefahr, der er die Israeliten aussetzte, wenn er ihnen jenes Sinnbild der Gottheit vor Augen führte, mit dem ihre Vorfahren während der Jahrhunderte ihrer Sklaverei in Ägypten vertraut gewesen waren. Jerobeam, der auf seiner Flucht vor Salomo bis vor kurzem in Ägypten gewesen war (vgl. 1. Könige 11,40), hätte wissen müssen, wie töricht es war, dem Volk Gottes solch heidnische Darstellungen anzubieten. Seine feste Absicht, die nördlichen Stämme zur Aufgabe ihrer jährlichen Besuche in der heiligen Stadt zu bewegen, veranlasste ihn, diese äußerst leichtsinnige Maßnahme zu ergreifen. Er drängte das Volk: "Ihr braucht nicht länger zum Tempel in Jerusalem zu gehen. Hier ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten hierher geführt hat!" (1. Könige 12,28 GNB) Auf diese Weise wurden seine Untertanen aufgefordert, vor den goldenen Abbildern niederzuknien und fremde Formen der Anbetung anzunehmen.

Der König versuchte, die Leviten, von denen einige in seinem Reich lebten, als Priester für seine neu erbauten Heiligtümer in Bethel und Dan zu gewinnen, aber seine Bemühungen hatten keinen Erfolg. Er sah sich deshalb gezwungen, Leute "aus den Reihen des Volkes, die nicht zu den Nachkommen Levis gehörten" (1. Könige 12,31 NLB), zu Priestern zu ernennen. Alarmiert über die Aussichten flohen viele treue Israeliten einschließlich zahlreicher Leviten nach Jerusalem, wo sie Gott gemäß seiner Anweisungen anbeten konnten.

Die Falsche Anbetung Wird Getadelt

Jerobeam "bestimmte den 15. Tag des achten Monats zum Festtag, ähnlich dem Fest in Juda. In Bethel opferte er dann den goldenen Kälbern, die er hatte gießen lassen. Und dort ernannte er auch Priester der Höhenheiligtümer, die er errichtet hatte" (1. Könige 12,32 NLB).

Diese dreiste Auflehnung des Königs gegen Gott durch die Beseitigung göttlich verordneter Einrichtungen durfte nicht ungestraft bleiben. Mitten in der Einweihungsfeier vor dem fremdartigen Altar, wo Jerobeam als Priester auftrat und Räucherwerk verbrannte, trat ein Mann Gottes aus Juda mit dem Auftrag vor ihn, ihn wegen der Einführung neuer Gottesdienstformen öffentlich anzuprangern. Der Prophet rief "zum Altar hin, was der Herr ihm gesagt hatte: ›Altar! Altar! So spricht der Herr: Dem Königshaus Davids wird ein Kind mit Namen Josia geboren werden. Der wird die Priester der Höhenheiligtümer, die Opfer auf dir verbrennen, töten, und Menschenknochen wird er auf dir verbrennen.‹ Am gleichen Tag tat er ein Zeichen und sagte: ›Der Herr hat versprochen, folgendes Zeichen zu geben: Dieser Altar bricht auseinander, und die Asche, die darauf liegt, wird verschüttet.‹" (1. Könige 13,2.3 NLB). Gleich darauf barst der Altar, "und die Asche ergoss sich daraus, wie der Prophet es nach dem Zeichen des Herrn vorhergesagt hatte". (1. Könige 13,5 NLB)

Als Jerobeam dies sah, erfüllte ihn solch heftiger Trotz gegen Gott, dass er den Überbringer der Botschaft festnehmen lassen wollte. Voller Zorn streckte er die Hand gegen den Propheten aus und befahl: "Nehmt den Mann fest!" (1. Könige 13,4 GNB) Seine Unbeherrschtheit wurde jedoch sofort bestraft: Seine ausgestreckte Hand verlor plötzlich alle Kraft und erstarrte, sodass er sie nicht mehr zurückziehen konnte.

Zu Tode erschrocken flehte der König den Propheten an, sich bei Gott für ihn einzusetzen: "Bete zu dem Herrn, deinem Gott, und bitte ihn für mich, meine Hand wieder gesund zu machen! Der Mann Gottes betete zum Herrn, und die Hand des Königs wurde wieder vollständig gesund." (1. Könige 13,6 NLB)

Vergeblich war Jerobeams Bemühen, einen fremden Altar, dessen Verehrung zu einer Missachtung der Anbetung Gottes im Tempel von Jerusalem geführt hätte, feierlich einzuweihen. Diese Botschaft des Propheten hätte den König zur Umkehr und zur Abkehr von seiner bösen Absicht führen sollen, das Volk von der wahren Gottesverehrung abzuhalten. Aber er verhärtete sein Herz und beschloss, seinen eigenen Weg weiterzugehen.

Während dieses Festes in Bethel waren die Herzen der Israeliten noch nicht völlig verriegelt. Viele waren für den Einfluss des Heiligen Geistes empfänglich. Der Herr beabsichtigte, jene, die schnell Schritte in Richtung Abfall unternahmen, von ihrem Weg abzubringen, ehe es zu spät war. Deshalb sandte er seinen Propheten, um ihr götzendienerisches Vorgehen zu unterbinden und sowohl dem König als auch dem Volk die Folgen dieses Abfalls zu offenbaren. Mit der Zerstörung des Altars drückte Gott sein Missfallen an dem Gräuel aus, der in Israel geschah.

Der Herr will retten und nicht zerstören. Er freut sich, Sünder selig zu machen. "So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: Ich habe kein Gefallen am Tod des Gottlosen." (Hesekiel 33,11) Durch Warnungen und inständige Bitten fordert er die Abtrünnigen auf, ihr sündhaftes Treiben einzustellen und sich zu ihm zu bekehren, damit sie leben. Er verleiht seinen erwählten Boten eine heilige Kühnheit, damit die Hörer der Botschaft zur Reue bewogen werden können. Wie entschieden hat der Mann Gottes den König zurechtgewiesen! Diese Härte war auch notwendig, denn die bestehenden Übel hätten auf keine andere Weise getadelt werden können. Der Herr erfüllte seinen Diener mit Mut, damit bei den Zuhörern ein bleibender Eindruck erweckt wurde. Die Botschafter des Herrn sollten niemals Menschen fürchten, sondern unerschrocken für das Recht eintreten. Solange sie Gott vertrauen, brauchen sie sich nicht zu fürchten, denn ihr Auftraggeber gibt ihnen die Gewissheit seiner schützenden Fürsorge.

Der Prophet Lässt Sich Zum Ungehorsam Verführen

Als der Prophet seine Botschaft ausgerichtet hatte und weggehen wollte, forderte ihn Jerobeam auf: "Komm mit mir in den Palast und iss etwas, und ich will dir auch ein Geschenk geben." "Selbst wenn du mir die Hälfte deiner Habe anbieten würdest", erwiderte der Prophet hierauf, "würde ich nicht mit dir gehen. Ich würde an diesem Ort nichts essen und nichts trinken. Denn der Herr hat mir folgendes Gebot mitgegeben: ›Du darfst nichts essen und nichts trinken und du darfst auch nicht auf demselben Weg, den du gekommen bist, zurückgehen.‹" (1. Könige 13,7-9).

Für den Propheten wäre es gut gewesen, wenn er seiner Absicht treu geblieben und ohne Verzögerung nach Judäa zurückgekehrt wäre. Als er auf einem anderen Weg heimreiste, holte ihn ein alter Mann ein, der vorgab, ebenfalls ein Prophet zu sein. Er belog den Mann Gottes, indem er behauptete: "Auch ich bin ein Prophet, so wie du. Und ein Engel gab mir die Botschaft vom Herrn: ›Nimm ihn mit in dein Haus und gib ihm zu essen und Wasser zu trinken.‹" (1. Könige 13,18 NLB) Er wiederholte diese Lüge so oft und bedrängte ihn mit seiner Einladung, bis sich der Mann Gottes zur Umkehr überreden ließ.

Weil sich der wahre Prophet solch ein Verhalten entgegen seiner Pflicht erlaubte, ließ ihn Gott die Strafe der Übertretung erleiden. Während er noch mit dem Mann, der ihn zur Rückkehr nach Bethel bewogen hatte, zu Tisch saß, kam der Geist des Allmächtigen über den falschen Propheten, und "er sagte zu dem Mann Gottes aus Juda: ›So spricht der Herr: Du hast die Botschaft des Herrn missachtet und dem Gebot, das dir der Herr, dein Gott, gab, nicht gehorcht. Du bist an diesen Ort zurückgekehrt ... deshalb wird dein Leichnam nicht im Grab deiner Väter bestattet werden.‹" (1. Könige 13,21.22 NLB).

Diese unheilvolle Weissagung ging bald buchstäblich in Erfüllung. "Als der Prophet aus Juda fertig gegessen und getrunken hatte, sattelte sein Gastgeber seinen eigenen Esel für ihn, und er machte sich wieder auf den Weg. Doch während er ritt, fiel ihn ein Löwe an und tötete ihn. Sein Leichnam lag auf der Straße, und der Esel und der Löwe standen daneben. Leute kamen vorbei und sahen den Leichnam auf der Straße liegen ... und sie erzählten es in der Stadt, in der der alte Prophet lebte. Als der alte Prophet, der ihn von seinem Weg zurückgebracht hatte, das hörte, sagte er: ›Das ist der Mann Gottes, der dem Gebot des Herrn nicht gehorcht hat.‹" (1. Könige 13,23-26 NLB)

Dass den treulosen Boten diese Strafe ereilt hatte, war ein weiterer Beweis für die Zuverlässigkeit der Prophezeiung, die über den Altar ausgesprochen worden war. Denn wäre dem Propheten erlaubt worden, in Sicherheit seines Weges zu ziehen, nachdem er dem Wort des Herrn nicht gehorcht hatte, hätte der König diese Tatsache zum Versuch benutzt, seinen eigenen Ungehorsam zu rechtfertigen. Der zerborstene Altar, der gelähmte Arm und das schreckliche Schicksal dessen, der es gewagt hatte, einem ausdrücklichen Befehl Jahwes ungehorsam zu sein, hätten Jerobeam zeigen sollen, wie schnell ein beleidigter Gott seinen Unwillen äußert. Diese Gerichte hätten ihn warnen sollen, nicht in seinem Frevel zu verharren. Doch Jerobeam war von Reue weit entfernt, denn er "setzte weiterhin Priester aus den Reihen des Volkes für die Höhenheiligtümer ein. Jeder, der wollte, konnte dort als Priester dienen" (1. Könige 13,33 NLB). Dadurch versündigte sich Jerobeam nicht nur selbst schwer, sondern verführte auch "ganz Israel zur Sünde" (1. Könige 14,16b NLB). "Diese Sache wurde zur Sünde des Hauses Jerobeam und zum Anlass, es [schließlich] auszutilgen und zu vernichten von der Oberfläche der Erde hinweg." (1. Könige 13,34 Elb.)

Am Ende einer wechselvollen Regierungszeit von 22 Jahren erlitt Jerobe- am eine schwere Niederlage im Krieg mit Abija, dem Nachfolger Rehabeams. "Es gelang Jerobeam nicht mehr, seine alte Macht zurückzugewinnen, und schließlich beendete der Herr sein Leben und er starb." (2. Chronik 13,20 NLB)

Der Anfang Vom Ende Israels

Der Abfall, der während der Regierungszeit Jerobeams einsetzte, wurde immer ausgeprägter, bis er schließlich den völligen Untergang des Reiches Israel herbeiführte. Noch vor dem Tod Jerobeams verkündigte Ahija, ein greiser Prophet in Silo, der viele Jahre zuvor die Thronbesteigung Jerobeams vorausgesagt hatte: "Dann schlägt der Herr Israel, dass es schwankt wie ein Schilfrohr im Wasser. Er wird die Israeliten aus diesem guten Land, das er ihren Vorfahren gegeben hat, vertreiben und über den Euphrat hinaus verstreuen, denn sie haben den Zorn des Herrn erregt, als sie die Aschera-Bilder anbeteten. Er wird Israel verlassen, weil Jerobeam gesündigt und ganz Israel zur Sünde verführt hat." (1. Könige 14,15.16 NLB)

Doch der Herr gab das Volk Israel nicht auf, ohne vorher alles getan zu haben, um es zu seinem früheren Treueverhältnis zu ihm zurückzuführen. Lange, finstere Jahre hindurch, als ein Herrscher nach dem anderen kühn dem Himmel trotzte und sich Israel immer tiefer im Götzendienst verfing, sandte Gott seinem abtrünnigen Volk Botschaft um Botschaft. Durch seine Propheten bot er ihm jede Möglichkeit, die Flut des Abfalls aufzuhalten und zu ihm zurückzukehren. In den Jahrhunderten nach der Teilung des Reiches würden Elia und Elisa auftreten, und auch die liebevollen Aufforderungen von Hosea, Amos und Obadja würden im Land vernommen werden. Das Reich Israel blieb niemals ohne edle Zeugen der Macht Gottes, die von Sünde erretten kann. Selbst in den dunkelsten Zeiten blieben einige dem göttlichen Herrscher treu und lebten inmitten des Götzendienstes aus der Sicht des heiligen Gottes untadelig. Diese Getreuen wurden zum ansehnlichen Überrest gezählt, durch den der ewige Ratschluss Jahwes schließlich in Erfüllung gehen sollte.