Macht Und Ohnmacht

Kapitel 18

Eine Quelle Wird Wieder Rein

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2. Könige 2,19-22.

In den Zeiten der Erzväter war das Jordantal "wasserreich ... wie der Garten des Herrn" (1. Mose 13,10). In diesem schönen Tal hatte sich Lot einst niedergelassen, als er "mit seinen Zelten bis nach Sodom" zog (1. Mose 13,12). Nach der Zerstörung der Städte in der Ebene glich die Gegend ringsumher einer trostlosen Einöde und gehörte seitdem zur Wüste Judäas.

Ein Teil des schönen Tals mit seinen lebenspendenden Quellen und Flüssen blieb jedoch zum Wohl der Menschen erhalten. Es war reich an Kornfeldern und Wäldern aus Dattelpalmen und anderen Obstbäumen. Hier lagerte sich das Volk Israel, nachdem es den Jordan überquert hatte, und genoss zum ersten Mal die Früchte des verheißenen Landes. Vor ihnen hatten die Mauern Jerichos gestanden, einer heidnischen Festung, die den Mittelpunkt der Verehrung der Aschera bildete, der abscheulichsten und entwürdigendsten aller kanaanitischen Kultformen. Bald jedoch fielen ihre Mauern ein, und ihre Einwohner wurden getötet. Zu der Zeit wurde dem Volk Israel von Josua feierlich erklärt: "Wer versucht, die Stadt Jericho wieder aufzubauen, den trifft der Fluch des Herrn. Wenn er die Fundamente legt, kostet es ihn seinen erstgeborenen Sohn. Wenn er die Tore einsetzt, kostet es ihn seinen Jüngsten." (Josua 6,26 GNB)

Fünf Jahrhunderte danach lag die verfluchte Stätte immer noch verwüstet da. Selbst die Brunnen, die das Wohnen in diesem Teil des Tales so erstrebenswert gemacht hatten, litten unter den schädlichen Auswirkungen des Fluches. Aber in den Tagen des Abfalls, als Ahab unter dem Einfluss Isebels die Anbetung Ascheras wieder zuließ, wurde auch Jericho, das einstige Zentrum dieser Verehrung, neu erbaut - allerdings mit furchtbaren Folgen für den Erbauer. Hiel von Bethel kostete es "seinen erstgeborenen Sohn Abiram, als er den Grund legte, und seinen jüngsten Sohn Segub, als er die Tore einsetzte, nach dem Wort des Herrn" (1. Könige 16,34).

Elisa Macht Ungeniessbares Wasser Gesund

Unweit von Jericho lag inmitten üppiger Haine eine der Prophetenschulen. Dorthin begab sich Elisa nach der Himmelfahrt Elias. Während seines Aufenthalts kamen die Männer der Stadt zu ihm und sagten: "Wie du siehst, Herr, ist diese Stadt sehr schön gelegen. Doch das Wasser ist schlecht, und es verursacht Fehlgeburten." (2. Könige 2,19 NLB) Die Quelle, die früher rein und belebend gewesen war und weitgehend zur Wasserversorgung der Stadt und des umliegenden Gebietes beigetragen hatte, war nun unbrauchbar.

Elisa antwortete den Männern von Jericho: "Bringt mir eine neue Schale mit Salz!" Nachdem man ihm dies gebracht hatte, ging er "damit hinaus zu der Quelle, schüttete das Salz hinein und sagte: ›So spricht der Herr: Ich habe dieses Wasser gesund gemacht. Es wird nicht länger Tod und Fehlgeburten bringen.‹" (2. Könige 2,20.21 NLB)

Nicht durch Menschenweisheit, sondern durch das wunderbare Eingreifen Gottes wurde das Wasser von Jericho wieder genießbar. Die Leute, welche die Stadt wiederaufgebaut hatten, verdienten die Gunst des Himmels nicht. Doch der, der da "lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte" (Matthäus 5,45b), hielt es für gut, in diesem Fall durch solch ein Zeichen seines Erbarmens seine Bereitschaft zur Heilung Israels von dessen geistlichen Krankheiten zu offenbaren.

Die Wiederherstellung war von Dauer. "So wurde das Wasser gesund bis auf diesen Tag nach dem Wort Elisas." (2. Könige 2,22) Seitdem ist das Wasser jahrhundertelang weiter geflossen und hat diesen Teil des Jordantals zu einer lieblichen Oase gemacht.

Aus der Geschichte von der Gesundung des Wassers lassen sich viele Lehren ziehen. Die neue Schale, das Salz, die Quelle - all das ist höchst bedeutungsvoll.

Lehren Vom Salz

Durch das Einschütten von Salz in die bittere Quelle erteilte Elisa dieselbe Lehre wie Jesus Jahrhunderte später seinen Jüngern, als er sagte: "Ihr seid das Salz der Erde." (Matthäus 5,13) Das Hinzufügen von Salz zur verunreinigten Quelle brachte Leben und Segen, wo vorher Verderben und Tod gewesen war. Indem Gott seine Kinder mit Salz vergleicht, will er sie lehren, dass er sie deshalb zu Empfängern seiner Gnade macht, damit sie Werkzeuge zur Errettung anderer werden können. Das Ziel in der Erwählung eines Volkes vor allen anderen bestand nicht nur darin, es als seine Söhne und Töchter anzunehmen, sondern durch sie der Welt die erlösende Gnade zu vermitteln. Der Herr erwählte Abraham nicht bloß, damit dieser sein besonderer Freund sei (vgl. Jesaja 41,8; Jakobus 2,23b), sondern um ein Vermittler der besonderen Vorrechte zu werden, die er den Völkern gewähren wollte.

Die Welt braucht Beweise für ein aufrichtiges Christentum. Das Gift der Sünde wirkt am Herzen der Gesellschaft. Ob große Städte oder auch kleinere - alle sind von Sünde und Sittenverfall durchsetzt. Die Welt ist voller Krankheit, Leiden und Bosheit. Überall gibt es Menschen, die sich in Armut und Nöten befinden, die vom Bewusstsein ihrer Schuld geplagt werden und aus Mangel an Errettung verlorengehen. Das Evangelium wird ihnen zwar ständig vor Augen gehalten, aber sie gehen dennoch verloren, weil das Beispiel derer, die für sie ein "Geruch des Lebens" sein sollten, ein "Geruch des Todes" ist (2. Korinther 2,16). Ihre Seelen trinken Bitterkeit, weil die Brunnen vergiftet sind, die doch einer Wasserquelle gleichen sollten, "die in das ewige Leben quillt" (Johannes 4,14c).

Das Salz muss mit der Substanz vermengt werden, zu der es hinzugefügt wird; es muss sie durchdringen und sich darin auflösen, um sie zu erhalten. In gleicher Weise werden durch persönliche Kontakte und Gemeinschaft Menschen mit der rettenden Kraft des Evangeliums erreicht. Sie werden nicht in Massen, sondern als Einzelwesen errettet. Persönlicher Einfluss ist eine Macht. Es geht darum, mit dem christlichen Einfluss zu wirken, Menschen aufzurichten, wo Christus aufrichtet, richtige Grundsätze vorzuleben und den fortschreitenden moralischen Verfall der Welt aufzuhalten. Es geht darum, jene Gnade zu verbreiten, die nur Christus schenken kann. Durch die Macht eines beispielhaften Lebens, verbunden mit aufrichtigem Glauben und inniger Liebe, soll das Leben anderer Menschen bereichert und ihr Charakter verbessert werden.

Lehren Vom Gereinigten Wasser

Hinsichtlich der verunreinigten Quelle zu Jericho erklärte der Herr: "Ich habe dieses Wasser gesund gemacht. Es wird nicht länger Tod und Fehlgeburten bringen." (2. Könige 2,21b NLB) Der verunreinigte Wasserstrom stellt den Menschen dar, der von Gott abgeschnitten ist. Die Sünde trennt nicht nur von Gott, sondern zerstört in der Seele sowohl das Verlangen als auch die Fähigkeit, ihn zu erkennen. Durch die Sünde wird der gesamte Organismus zerrüttet, der Geist geschwächt und alles Dichten und Trachten verdorben. Die seelischen Fähigkeiten werden beeinträchtigt. Es fehlen echter Glaube und Herzensfrömmigkeit. Die umwandelnde Macht Gottes hat keine Charakterveränderung bewirkt. Der Mensch ist schwach, und wegen mangelnder sittlicher Kraft wird er überwunden, beschmutzt und entwürdigt.

Bei einem Herzen, das gereinigt worden ist, ist alles verändert. Ein gewandelter Charakter bezeugt der Welt den innewohnenden Christus. Der Geist Gottes erweckt die Seele zu neuem geistlichen Leben und bringt die Gedanken und Wünsche in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen. Der inwendige Mensch wird zum Bild Gottes erneuert. So können schwache und irrende Männer und Frauen der Welt zeigen, dass die erlösende Macht der Gnade einen fehlerhaften Charakter in einen ausgeglichenen verwandeln kann, der reichlich Frucht bringt.

Wenn das Wort Gottes aufgenommen wird, gleicht das Herz weder einem Teich, dessen Wasser verdunstet, noch einer löchrigen Zisterne, deren Kostbarkeit versickert, sondern einem Gebirgsbach, der von unversiegbaren Quellen gespeist wird. Sein kühles, sprudelndes Wasser läuft von Felsen zu Felsen und erquickt die Müden, die Durstigen und die schwer Beladenen. Es gleicht einem beständig fließenden Gewässer, das allmählich an Tiefe und Breite gewinnt, bis sich seine lebenspendenden Fluten über die ganze Erde ausbreiten. Der Bach, der murmelnd dahinfließt, schenkt auf seinem Weg frisches Grün und Fruchtbarkeit. An seinen Ufern ist das Gras üppiger, die Blätter der Bäume sind dichter, die Blumen wachsen reichlicher. Wenn die Erde unter der sengenden Glut des Sommers verbrannt daliegt, weist noch immer ein grüner Streifen auf den Flusslauf hin.

So verhält es sich auch mit dem wahren Kind Gottes. Der Glaube an Christus erweist sich als ein belebender, alles durchdringender Urquell, als eine lebendige, tätige, geistliche Kraft. Sobald sich das Herz dem himmlischen Einfluss der Wahrheit und Liebe öffnet, wird sich dieser Urquell gleich einem Strom in die Wüste ergießen und überall dort, wo jetzt Dürre und Mangel herrschen, Fruchtbarkeit hervorbringen.

Wenn jene, die durch die Erkenntnis der biblischen Wahrheit gereinigt und geheiligt worden sind, von ganzem Herzen das Werk der Rettung von Menschen in Angriff nehmen, werden sie in der Tat zu einem "Geruch des Lebens zum Leben" (2. Korinther 2,16b). Indem sie täglich aus der unerschöpflichen Quelle der Gnade und Erkenntnis trinken, werden sie erfahren, dass ihr Herz vom Geist ihres Meisters überfließt und von ihrem selbstlosen Dienst viele andere Menschen körperlichen, geistigen und geistlichen Nutzen ziehen. Die Müden werden erquickt, die Kranken geheilt und die Sündenbeladenen von ihrer Last befreit. Aus weit entfernten Ländern wird man Dankeslieder von Menschen hören, deren Herz sich vom Dienst der Sünde zum Dienst der Gerechtigkeit gekehrt hat (vgl. Römer 6,19).

"Gebt, so wird euch gegeben" (Lukas 6,38), denn das Wort Gottes ist "eine Gartenquelle ... ein Brunnen mit fließendem Wasser ... das vom Libanon[ge- birge] strömt" (Hoheslied 4,15 Elb.).