Macht Und Ohnmacht

Kapitel 28

König Hiskias Reformen

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2. Chronik 29,1 bis 31,1.

In scharfem Gegensatz zur unbesonnenen Herrschaft von Ahas standen die Reformbestrebungen im Verlauf der Regierungszeit seines Sohnes. Hiskia bestieg den Thron mit dem festen Entschluss, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Juda vor dem Schicksal zu bewahren, das dem Nordreich gerade drohte. Die Botschaften der Propheten ließen keine halben Maßnahmen zu. Nur durch entschiedene Reformen konnten die angedrohten Gerichte abgewendet werden.

In dieser Krise erwies sich Hiskia als Mann der Stunde. Gleich nach der Thronbesteigung begann er mit der Ausführung seiner Pläne. Zuerst wandte er sein Augenmerk auf die Wiedereinführung des lange vernachlässigten Tempeldienstes. Dabei bemühte er sich ernsthaft um die Mitarbeit einer Gruppe von Priestern und Leviten, die ihrer heiligen Berufung treu geblieben waren. Im Vertrauen auf ihre aufrichtige Unterstützung sprach er offen mit ihnen über seinen Wunsch, sofort weitreichende Reformen einzuleiten.

"Unsere Väter haben dem Herrn die Treue gebrochen und ihn verlassen", bekannte er. "Sie taten, was der Herr, unser Gott, verabscheute. Auch von seinem Tempel wollten sie nichts mehr wissen. ... Es liegt mir am Herzen, mit dem Herrn, dem Gott Israels, einen Bund zu schließen, damit sich sein Zorn wieder von uns abwendet." (2. Chronik 29,6.10 Hfa)

Mit treffenden Worten umriss der König die Lage: der Tempel ist geschlossen und der gesamte Heiligtumsdienst beendet; überall im Reich und auf den Straßen von Jerusalem praktiziert man schamlosen Götzendienst. Dieser Abfall wäre vermeidbar gewesen, wenn die Führer von Juda dem Volk ein rechtes Beispiel vorgelebt hätten. So aber kam es zum Niedergang des Königreiches und dem Verlust des Ansehens bei den Nachbarvölkern. Das Nordreich löste sich rasch auf. Viele seiner Einwohner hatten ihr Leben verloren. Eine große Anzahl war bereits gefangen weggeführt worden. Bald würde ganz Israel in die Hände der Assyrer fallen und vernichtet werden. Dieses Schicksal würde mit Sicherheit auch Juda treffen - es sei denn, Gott verhinderte dies mit Macht durch seine auserwählten Vertreter.

Hiskia appellierte an die Priester, gemeinsam mit ihm die notwendige Erneuerung durchzuführen: "Ihr sollt eure Pflichten wieder aufnehmen. Der Herr hat euch dazu bestimmt, ihm in seiner Gegenwart zu dienen und ihm Opfer darzubringen." "Reinigt euch und das Haus des Herrn, des Gottes eurer Vorfahren. Entfernt alles Unreine aus dem Heiligtum!" (2. Chronik 29, 11.5 NLB)

Es war an der Zeit zu handeln. Die Priester gingen sofort ans Werk. Sie gewannen andere aus ihren Reihen, die an dieser Versammlung nicht teilgenommen hatten, und betrieben bereitwillig die Reinigung und Heiligung des Tempels. Das war nach der jahrelangen Entweihung und Vernachlässigung sehr schwierig. Aber die Priester und Leviten arbeiteten unermüdlich und konnten in bemerkenswert kurzer Zeit melden, dass ihre Aufgabe vollendet war. Die Tempeltüren waren nun ausgebessert und standen offen; die heiligen Gefäße waren zusammengesucht und wieder an Ort und Stelle gebracht worden; alles war für die Wiederherstellung des Dienstes am Heiligtum bereit.

Beim ersten Gottesdienst vereinigten sich die Oberen der Stadt mit König Hiskia, den Priestern und Leviten, um Vergebung für die Sünden des Volkes zu erflehen. Auf dem Altar wurden Sündopfer dargebracht, "um Sühne zu schaffen für ganz Israel ... Als nun das Brandopfer verrichtet war, beugten der König und alle, die sich bei ihm befanden, die Knie und beteten an" (2. Chronik 29,24b.29). Erneut erklangen in den Tempelhöfen Worte des Lobes und der Anbetung Gottes. Die Lieder von David und Asaf wurden mit Freuden gesungen, denn die Anbeter erkannten, dass sie nun aus der Knechtschaft der Sünde und des Abfalls befreit worden waren. "Hiskia und das ganze Volk freuten sich über das, was Gott dem Volk bereitet hatte; denn die Sache war sehr schnell geschehen." (2. Chronik 29,36 Elb.)

Die Aufrufe Der Propheten Bringen Frucht

Gott hatte wirklich die führenden Männer von Juda dafür vorbereitet, sich an die Spitze einer entschiedenen Erneuerungsbewegung zu stellen, um den Abfall aufzuhalten. Durch seine Propheten hatte er dem Volk Botschaft um Botschaft mit ernsten Bitten gesandt, die von den zehn Stämmen des Reiches Israel - die nun dem Feind überantwortet waren - verachtet und zurückgewiesen wurden. Aber in Juda verblieb ein frommer Überrest, und an ihn richteten die Propheten ihren Aufruf. Eindringlich hatte Jesaja gebeten: "Kehrt um, ihr Israeliten, zu dem, von welchem ihr so sehr abgewichen seid!" (Jesaja 31,6) Und Micha hatte mit Zuversicht erklärt: "Ich aber schaue aus nach dem Herrn, ich warte auf den Gott, der mir hilft. Mein Gott wird mein Rufen erhören. ... ›Sei nicht so schadenfroh, du Feindin meines Volkes! Ich liege am Boden, aber ich stehe wieder auf; ich sitze im Dunkeln, aber der Herr ist mein Licht. Ich hatte gegen ihn gesündigt, deshalb bekam ich seinen Zorn zu spüren. Aber er wird mir auch wieder beistehen und mir zu meinem Recht verhelfen. Er wird mich aus dem Dunkel ins Licht führen; ich werde es erleben, dass er mich rettet.‹" (Micha 7,7-9 GNB)

In der dunklen Zeit, als so mancher verzagte Mensch vor verschlossenen Tempeltüren stand, brachten solche und ähnliche Botschaften Trost und Hoffnung, denn sie offenbarten Gottes Bereitschaft, allen jenen zu vergeben und sie anzunehmen, die sich von ganzem Herzen zu ihm wandten. Als nun die Führer eine Reform einleiteten, war der Großteil des Volkes - müde von der Sündenknechtschaft - bereit, ihnen zu folgen.

Jene, die im Heiligtum ihren Bund mit Jahwe erneuern und Vergebung empfangen wollten, fanden in den Prophezeiungen der heiligen Schriften wunderbare Ermutigung. Die ernsten Warnungen vor dem Götzendienst, die Mose öffentlich vor dem Volk Israel ausgesprochen hatte, waren von Vorhersagen begleitet gewesen, dass Gott willig sei, jene zu erhören und ihnen zu vergeben, die ihn in Zeiten des Abfalls von ganzem Herzen suchen. "Wenn diese schwere Zeit in ferner Zukunft über euch hereinbricht, werdet ihr schließlich wieder zum Herrn, eurem Gott, zurückkehren und auf seine Worte hören. Denn der Herr, euer Gott, ist barmherzig. Er lässt euch nicht fallen, vernichtet euch nicht und vergisst auch nicht den Bund, den er mit euren Vorfahren schloss." (5. Mose 4,30.31 NLB)

Im prophetischen Gebet, das von Salomo bei der Einweihung des Tempels, dessen Dienst Hiskia und seine Gefährten nun wiederherstellten, gesprochen worden war, hatte es geheißen: "Wenn dein Volk Israel vor dem Feind geschlagen wird, weil sie an dir gesündigt haben, und sie bekehren sich dann zu dir und bekennen deinen Namen und beten und flehen zu dir in diesem Hause, so wollest du hören im Himmel und die Sünde deines Volkes Israel vergeben." (1. Könige 8,33.34) Diesem Gebet war das Siegel göttlicher Zustimmung aufgeprägt worden, denn danach fiel Feuer vom Himmel, um "das Brandopfer und die Schlachtopfer" zu verzehren. "Die Herrlichkeit des Herrn" hatte den Tempel erfüllt (2. Chronik 7,1).

Daraufhin hatte der Herr in einem Traum Salomo zugesagt, dass sein Gebet erhört worden sei und den Anbetern an dieser Stätte Gnade erwiesen werde. Die Verheißung lautete: "Wenn ... dann mein Volk ... sich demütigt, dass sie beten und mein Angesicht suchen und sich von ihren bösen Wegen bekehren, so will ich vom Himmel her hören und ihre Sünde vergeben und ihr Land heilen." (2. Chronik 7,13.14) Während der Reformation unter Hiskia fanden diese Verheißungen eine großartige Erfüllung.

Die Wiedereinsetzung Des Passafestes

Dem guten Anfang, der mit der Tempelreinigung gemacht worden war, folgte eine breitere Bewegung, an der sowohl Juda als auch Israel teilnahmen. In seinem Eifer, den Heiligtumsdienst wirklich segensreich für das Volk zu gestalten, beschloss Hiskia, alle Israeliten wie einst zur Feier des Passafestes zu versammeln.

Viele Jahre lang war das Passafest nicht mehr als nationales Ereignis gefeiert worden. Die Teilung des Reiches nach dem Ende der Regierungszeit von Salomo hatte dies als undurchführbar erscheinen lassen. Aber die schrecklichen Strafgerichte, die über die zehn Stämme hereingebrochen waren, weckten in manchen Herzen eine Sehnsucht nach Besserem. Auch die aufrüttelnden Botschaften der Propheten taten ihre Wirkung. Durch königliche Boten wurde weit und breit die Einladung zum Passafest in Jerusalem verkündet, "von einer Stadt zur anderen durch die Gebiete von Ephraim und Manasse bis nach Sebulon" (2. Chronik 30,10a Hfa). Die Überbringer der freundlichen Einladung wurden von den Unbußfertigen meist leichtfertig abgewiesen. Aber dennoch gab es einige, die nach tieferer Gotteserkenntnis suchten. Sie "demütigten sich und kamen nach Jerusalem" (2. Chronik 30,11).

Im Land Juda wurde die Einladung allgemein befolgt, denn Gott "bewirkte, dass alle einmütig dem Aufruf folgten, den der König und die führenden Männer nach dem Gebot des Herrn erlassen hatten" (2. Chronik 30,12 GNB). Es war ein Aufruf, der dem Willen Gottes entsprach, wie er ihn durch seine Propheten offenbart hatte.

Das Ereignis war für die versammelte Menge von größtem Nutzen. Von den Straßen verschwanden die Götzenschreine, die dort während der Regierungszeit von Ahas aufgestellt worden waren. Am festgesetzten Tag wurde Passa gefeiert. Das Volk verbrachte die Woche damit, Dankopfer darzubringen und zu erfahren, was es nach Gottes Willen tun sollte. Täglich lehrten die Leviten die Erkenntnis von Jahwe, und alle, die sich von Herzen auf die Begegnung mit Gott vorbereitet hatten, erlangten Vergebung. Eine große Freude ergriff die anbetende Menge. "Jeden Tag sangen die Leviten und Priester das Loblied des Herrn, begleitet von den mächtigen Instrumenten des Herrn." (2. Chronik 30,21b NLB) Alle priesen einmütig den Herrn, der sich als so gütig und gnädig erwiesen hatte.

Die vorgesehenen sieben Tage für das Passafest verstrichen allzu rasch. Deshalb beschlossen die Gläubigen, noch weitere sieben Tage lang mehr über die Gebote des Herrn zu erfahren. Die Priester unterwiesen sie weiter im Gesetzbuch, während das Volk täglich zum Tempel strömte, um Gott zu loben und zu danken. Am Ende der großen Veranstaltung war allen klar, wie wunderbar Gott bei der Bekehrung des abtrünnigen Juda wirkte und auf diese Weise die Welle des Götzendienstes eindämmte, die das Land zu überfluten drohte. Die Propheten hatten nicht umsonst so ernst gewarnt. "In ganz Jerusalem herrschte große Festfreude; denn seit Salomo, der Sohn Davids, König in Israel gewesen war, hatte es so etwas in Jerusalem nicht mehr gegeben." (2. Chronik 30,26 GNB)

Wiederherstellung Der Anbetung Von Jahwe

Für die Anbeter war die Zeit gekommen, in ihre Heime zurückzukehren. "Die Priester und die Leviten standen auf und segneten das Volk, und ihre Stimme wurde erhört, und ihr Gebet kam in Gottes heilige Wohnung im Himmel." (2. Chronik 30,27) Gott hatte alle angenommen, die reumütig ihre Sünden bekannt und sich mit festen Absichten an ihn um Vergebung und Hilfe gewandt hatten.

Aber es galt noch eine wichtige Aufgabe zu verrichten, an der sich alle, die nach Hause zurückkehrten, tatkräftig beteiligen mussten. Es war dies der Nachweis für die Echtheit der eingeleiteten Reform. Im Bericht heißt es: "Als das Fest zu Ende war, zogen die versammelten Israeliten erst noch in die anderen Städte Judas. Überall zerschlugen sie die Steinmale, hieben die geweihten Pfähle um und zerstörten die Opferstätten und Altäre der fremden Götter, bis nichts mehr von ihnen übrig blieb. Außer in Juda taten sie dies auch im ganzen Gebiet der Stämme Benjamin, Efraim und Manasse. Dann erst kehrten sie in die Wohnorte zurück, wo sie ihren Grundbesitz hatten." (2. Chronik 31,1 GNB)

Die Erfolgreiche Herrschaft Hiskias

Hiskia und seine Wegbegleiter führten im Königreich noch verschiedene Reformen zur Förderung des geistlichen und zeitlichen Wohles durch (vgl. 2. Chronik 31,2-19). Hiskia "tat, was vor dem Herrn, seinem Gott, recht und gut ist, und bewies ihm damit seine Treue. Als er den Tempeldienst wieder ordnete und dem Gesetz des Herrn und seinen Geboten wieder Geltung verschaffte, tat er dies alles, weil er seinem Gott mit ganzem Herzen gehorchen wollte. Darum ließ es ihm der Herr auch gelingen" (2. Chronik 31,20.21 GNB). "Keiner von allen Königen Judas vor oder nach Hiskia vertraute so wie er dem Herrn, dem Gott Israels. Hiskia hielt sein Leben lang treu zum Herrn und befolgte die Gebote, die der Herr durch Mose gegeben hatte. Darum stand der Herr ihm auch bei und gab ihm Erfolg in allem, was er unternahm." (2. Könige 18,5-7a GNB)

Die Herrschaft Hiskias war von einer Reihe bemerkenswerter Fügungen gekennzeichnet, die den umliegenden Völkern deutlich machten, dass der Gott Israels auf der Seite seines Volkes stand. Der Erfolg der Assyrer in der ersten Zeit seiner Regierung, als sie Samaria eroberten und den geschlagenen Rest der zehn Stämme unter die Nationen zerstreuten, brachte viele dazu, die Macht des Gottes der Hebräer zu bezweifeln. Durch ihre Erfolge hatten die Einwohner von Ninive schon lange die Botschaft Jonas verworfen und sich trotzig gegen die Absichten des Himmels gewandt.

Einige Jahre nach dem Fall von Samaria erschienen die siegreichen Heere von Assyrien wieder in Palästina. Diesmal lenkten sie ihre Streitkräfte gegen die befestigten Städte von Juda und erzielten dabei gewisse Erfolge. Aber wegen Schwierigkeiten in anderen Gebieten ihres Reiches zogen sie sich eine Zeitlang zurück. Erst einige Jahre später, gegen Ende der Regierungszeit His- kias, sollten die Völker der Welt erkennen, ob die Götter der Heiden schließlich den Sieg davontragen würden.