Macht Und Ohnmacht

Kapitel 29

Besuch Aus Babylon

[AUDIO]

Jesaja 38 und 39 (bzw. 2. Könige 20) und 2. Chronik 32,24-31.

Mitten in seiner erfolgreichen Regierungszeit wurde König Hiskia plötzlich von einer unheilbaren Krankheit befallen. Kein Mensch konnte ihm mehr helfen. Als die letzte Spur von Hoffnung geschwunden war, erschien der Prophet Jesaja mit folgender Botschaft: "Dies hat mir der Herr gesagt: Bring deine Angelegenheiten in Ordnung, denn du wirst sterben. Du wirst nicht mehr genesen." (Jesaja 38,1b NLB)

Der Ausblick schien äußerst düster zu sein, doch der König konnte noch zu dem beten, der bisher seine "Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten" (Psalm 46,2) gewesen war. "Hiskia drehte sich zur Wand und betete: ›Ach, Herr, denk doch daran, dass ich dir immer treu war! Ich habe dir mit ganzem Herzen gehorcht und stets getan, was dir gefällt.‹ Hiskia brach in Tränen aus und weinte laut." (Jesaja 38,2.3 GNB) Seit den Tagen Davids hatte kein König regiert, der in einer Zeit des Abfalls und der Entmutigung so machtvoll für den Aufbau des Reiches Gottes gewirkt hatte wie Hiskia. Der sterbende Herrscher hatte seinem Gott treu gedient und das Vertrauen des Volkes auf Jahwe, ihren höchsten Herrscher, gestärkt. Wie David konnte er nun inständig bitten: "Lass mein Gebet vor dich kommen, neige deine Ohren zu meinem Schreien. Denn meine Seele ist übervoll an Leiden, und mein Leben ist nahe dem Tode." (Psalm 88,3.4) "Denn du bist meine Zuversicht, Herr, mein Gott, meine Hoffnung von meiner Jugend an. Auf dich habe ich mich verlassen ... Verlass mich nicht, wenn ich schwach werde ... Gott, sei nicht ferne von mir; mein Gott, eile, mir zu helfen! ... Gott, verlass mich nicht ... bis ich deine Macht verkündige Kindeskindern und deine Kraft allen, die noch kommen sollen." (Psalm 71,5.6.9.12.18)

Die Verlängerung Seines Lebens

Gott, dessen "Barmherzigkeit . noch kein Ende" hat (Klagelieder 3,22), erhörte das Gebet seines Dieners. "Daraufhin erhielt Jesaja folgende Botschaft des Herrn, noch bevor er den Hof verlassen hatte: ›Geh noch einmal zurück zu Hiskia, dem Fürsten meines Volkes. Sag ihm: So spricht der Herr, der Gott deines Stammvaters David: Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen. Ich will dich gesund machen. In drei Tagen wirst du in das Haus des Herrn gehen. Ich will deinem Leben noch 15 Jahre hinzufügen und dich und deine Stadt vor dem König von Assyrien retten. Das tue ich um meiner Ehre willen und meinem Diener David zuliebe.‹" (2. Könige 20,4-6 NLB)

Erfreut kehrte der Prophet Jesaja mit dieser verheißungsvollen Aussicht um. Er ordnete an, dass ein "Verband aus gepressten Feigen auf die entzündete Stelle" des Körpers gelegt wird (2. Könige 20,7b GNB). Zugleich richtete er ihm die Botschaft der Gnade und der schützenden Fürsorge Gottes aus. Wie Mose im Land Midian (vgl. 2. Mose 4,1ff), wie Gideon angesichts des himmlischen Boten (vgl. Richter 6,17) und wie Elisa kurz vor der Entrückung seines Herrn (vgl. 2. Könige 2,14), bat auch Hiskia um eine Bestätigung dafür, dass diese Botschaft vom Himmel stammte.

Ein Besonderes Zeichen Gottes

"Was ist das Zeichen", fragte der König den Propheten, "dass mich der Herr gesund machen wird und ich in des Herrn Haus hinaufgehen werde am dritten Tag?" Jesaja antwortete ihm: "Dies Zeichen wirst du vom Herrn haben, dass der Herr tun wird, was er zugesagt hat: Soll der Schatten an der Sonnenuhr zehn Striche vorwärts gehen oder zehn Striche zurückgehen?" Hiskia erwiderte: "Es ist leicht, dass der Schatten zehn Striche vorwärts gehe. Das will ich nicht, sondern dass er zehn Striche zurückgehe." (2. Könige 20,8-10)

Nur durch ein unmittelbares Eingreifen Gottes konnte der Schatten auf der Sonnenuhr um zehn Striche zurückbewegt werden. Dies sollte das Zeichen für Hiskia sein, dass der Herr sein Gebet erhört hatte. "Da rief der Prophet Jesaja den Herrn an, und der Herr ließ den Schatten an der Sonnenuhr des Ahas zehn Striche zurückgehen, die er vorwärts gegangen war." (2. Könige 20,11)

Das Danklied Von Hiskia

Als der König von Juda wieder zu Kräften gekommen war, pries er in Liedern die Gnade des Herrn und gelobte, in seiner verbleibenden Lebenszeit freudig dem König der Könige zu dienen. Seine Dankbarkeit für Gottes barmherziges Handeln ist beispielhaft für alle, die ihr Leben zum Ruhm ihres Schöpfers verbringen wollen.

"Ich sagte in meiner Not: Jetzt, im allerbesten Alter, stehe ich am Tor der Totenwelt und darf mein Leben nicht zu Ende leben! Hier, in der Welt der Lebenden, darf ich den Herrn nicht länger sehen; dort, wo alles zu Ende ist, erblicke ich keinen Menschen mehr. Das Haus, in dem ich lebe, wird abgebrochen und weggetragen wie ein Hirtenzelt. Wie ein Weber, der sein Tuch einrollt, so habe ich mein Leben ausgewebt; nun wird es vom Webstuhl abgeschnitten. Tag und Nacht fühle ich mein Ende nahen. Morgens bin ich wie zerschlagen und denke: Er zermalmt meine Knochen wie ein Löwe. Ja, Tag und Nacht fühle ich mein Ende nahen. Wie eine Schwalbe piepst meine Stimme, mein Klagen tönt wie das Gurren der Taube. Mit müden Augen starre ich zum Himmel. Ich kann nicht mehr, Herr! Tritt du für mich ein!

Doch was richte ich mit Worten bei ihm aus? Er hat getan, was er mir angekündigt hat. In bitterem Leid verbringe ich meine Jahre und schleppe mich Schritt für Schritt dahin. Ach, Herr, erhalte mich am Leben!‹ Mein bitterer Schmerz hat sich in Glück verwandelt! In herzlicher Liebe hast du mich umfangen und mein Leben vor dem Grab bewahrt; denn alle meine Schuld hast du genommen und sie weit hinter dich geworfen. Dort unten bei den Toten preist dich niemand; wer tot ist, dankt dir nicht mit Liedern. Wer schon ins Grab gesunken ist, hofft nicht mehr auf deine Treue. Allein die Lebenden danken dir, so wie ich dir heute danke. Die Väter sagen es ihren Kindern: Auf dich ist Verlass. Der Herr ließ sich erbitten und half mir! Darum lasst uns singen und ihn preisen vor seinem Tempel, solange wir leben." (Jesaja 38,10-20 GNB)

Die Gesandten Aus Babylon

In den fruchtbaren Tälern des Euphrat und des Tigris lebte ein altes Volk, das zur Weltherrschaft bestimmt war, obwohl es zu jener Zeit von den Assy- rern beherrscht wurde. Unter diesem Volk gab es kluge Männer, die sich auf dem Gebiet der Astronomie sehr gut auskannten. Als sie an den Sonnenuhren den Rückgang von zehn Strichen beobachteten, wunderten sie sich sehr. Ihr König Merodach-Baladan erfuhr, dass dieses Wunder geschehen war - als Zeichen für den König von Juda, dass ihm der Gott des Himmels die Lebenszeit verlängert hatte. Der König schickte daraufhin Gesandte zu Hiskia, um ihn zur Genesung zu beglückwünschen und mehr über den Gott zu hören, der ein solch großes Wunder tun konnte.

Der Besuch dieser von weit her gereisten Gesandten bot Hiskia die Gelegenheit, den lebendigen Gott zu rühmen. Er hätte ihnen leicht etwas über den Schöpfer und Erhalter des Lebens erzählen können, dessen Gunst ihn in seiner Hoffnungslosigkeit gnädig verschont hatte! Wie tiefgreifend hätte das Zeugnis seines Glaubens das Leben dieser Wahrheitssucher aus Chaldäa verändern können, wenn sie dazu veranlasst worden wären, die Oberherrschaft des lebendigen Gottes anzuerkennen!

Aber Stolz und Eitelkeit hatten das Herz von Hiskia erfüllt. Vor lauter Überheblichkeit enthüllte er den neidischen Augen all die Schätze, mit denen Gott sein Volk beschenkt hatte. Er "zeigte den Gesandten das Schatzhaus, Silber und Gold und Spezerei, kostbare Salben und sein ganzes Zeughaus und alle Schätze, die er hatte. Es gab nichts, was ihnen Hiskia nicht gezeigt hätte in seinem Haus und in seinem ganzen Reich" (Jesaja 39,2). Nicht um Gott zu verherrlichen, tat er dies, sondern um sich selbst vor den ausländischen Fürsten hervorzutun. Er hatte nicht bedacht, dass diese Männer Vertreter eines mächtigen Volkes waren und Gott weder fürchteten noch liebten. Wie leichtsinnig war es doch, ihnen so vertrauensselig die irdischen Reichtümer der Nation zu zeigen.

Mit dem Besuch der Gesandten sollten Dankbarkeit und Treue von Hiskia geprüft werden. "Als ... Boten aus Babel eintrafen und nach dem Wunder fragten, das im Land geschehen war, zog sich Gott von Hiskia zurück, um ihn auf die Probe zu stellen und zu sehen, wie es in seinem Herzen aussah." (2. Chronik 32,31 NLB) Hätte Hiskia diese Gelegenheit genützt, um die Macht, Güte und Barmherzigkeit des Gottes von Israel zu bezeugen, hätte der Bericht der Botschafter daheim wie ein Licht wirken können, das die Dunkelheit durchdringt. Er verherrlichte jedoch sich selbst mehr als den Herrn der Heerscharen. "Hiskia würdigte die Güte nicht, die ihm der Herr erwiesen hatte, sondern er wurde überheblich." (2. Chronik 32,25a NLB)

Die Folgen Dieser Handlungsweise

Was für verhängnisvolle Auswirkungen sollte das haben! Dem Propheten Jesaja wurde offenbart, dass die Gesandten daheim über die Reichtümer berichten würden und der König von Babylon mit seinen Ratgebern plane, mit den Schätzen aus Jerusalem sein Land zu bereichern. Hiskia hatte schwer gesündigt. "Deshalb wurde der Herr zornig auf ihn und auf Juda und Jerusalem." (2. Chronik 32,25b NLB)

"Kurz darauf kam der Prophet Jesaja zu König Hiskia und fragte: ›Was wollten diese Männer? Woher kamen sie?‹ Hiskia antwortete: ›Sie kamen aus einem fernen Land, aus Babel.‹ ›Was haben sie in deinem Palast gesehen?>, fragte Jesaja.> Sie sahen alles, was in meinem Palast ist‹, antwortete Hiskia. ›Es gibt nichts in meinen Schatzkammern, was ich ihnen nicht gezeigt hätten" (Jesaja 39,3.4 NLB)

"Da sagte Jesaja zu Hiskia: ›Höre das Wort vom Herrn, des Allmächtigen: Es kommt eine Zeit, in der alles, was in deinem Palast ist - sämtliche Dinge, die deine Vorfahren bis heute zusammengetragen haben - nach Babylon gebracht wird. Es wird gar nichts hier bleiben, spricht der Herr. Sie werden sogar einige deiner eigenen Nachkommen, die du zeugen wirst, mitnehmen und zu Höflingen machen, die im Palast des babylonischen Königs dienen.‹ Da sagte Hiskia zu Jesaja: ›Diese Botschaft des Herrn, die du mir überbracht hast, ist gut." Denn er dachte sich: "Zu meinen Lebzeiten werden also Frieden und Sicherheit herrschend" (Jesaja 39,5-8 NLB)

Von Gewissensbissen geplagt, bereute Hiskia seine Überheblichkeit, ebenso taten es die Einwohner von Jerusalem. "Deswegen kam der Zorn des Herrn nicht über sie, solange Hiskia lebte." (2. Chronik 32,26 NLB) Aber die Saat des Bösen war ausgestreut worden und sollte mit der Zeit aufgehen und eine Ernte der Verwüstung und des Jammers hervorbringen. In den verbleibenden Jahren durfte der König von Juda noch den ansehnlichen Wohlstand genießen, weil er sich bemühte, vergangene Fehler gutzumachen und dem Namen des Herrn, dem er diente, Ehre zu erweisen. Doch sein Glaube sollte noch ernsthaft geprüft werden. Er musste lernen, dass er nur durch rückhaltloses Vertrauen auf Jahwe darauf hoffen konnte, die Mächte der Finsternis zu besiegen, denn diese planten bereits seinen Untergang sowie die endgültige Vernichtung seines Volkes.

Eine Lehre Für Uns

Die Geschichte von Hiskias Versagen beim Besuch der Gesandtschaft enthält eine wichtige Lehre für uns alle. Viel mehr als bisher sollten wir von unseren kostbaren Erfahrungen mit Gott erzählen, von dessen Erbarmen und Güte und von der unvergleichlichen Liebe des Erlösers. Wenn Verstand und Herz von der Liebe Gottes erfüllt sind, fällt es nicht schwer, anderen von seinem eigenen geistlichen Erleben zu erzählen. Erhabene Gedanken, edles Streben, klare Erkenntnis der Wahrheit, selbstlose Ziele, Sehnsucht nach Frömmigkeit und Heiligkeit können dann in Worte gefasst werden, die das Wesen des Schatzes im Herzen offenbaren.

Wir begegnen im Alltag Menschen, die unsere Hilfe und Beratung brauchen. Vielleicht befinden sie sich gerade in einer Gemütsverfassung, dass ein Wort zur rechten Zeit auf sie wirkt wie ein Nagel, der "an einem festen Ort eingeschlagen" wurde (Jesaja 22,25b Elb). Schon morgen mögen manche dieser Menschen nicht mehr zu erreichen sein. Welchen Einfluss üben wir auf diese Weggenossen aus?

Jeder Tag unseres Lebens ist mit Verantwortungen gefüllt, die wir tragen müssen. Mit unseren Worten und Taten üben wir immer einen Einfluss auf unsere Mitmenschen aus. Wie wachsam müssen wir daher mit unseren Worten umgehen und auf unsere Schritte achten! Eine leichtsinnige Handlung, ein unvorsichtiger Schritt - und eine brandende Woge starker Versuchung kann jemand in Richtung Abgrund schwemmen. Wir können Gedanken, die wir in die Herzen anderer gepflanzt haben, nicht zurückholen. Sollten sie schlecht gewesen sein, können sie Ereignisse und eine Flut von Bösem auslösen, die nicht mehr aufzuhalten sind.

Wenn wir andererseits durch unser gutes Vorbild Menschen bei der Entwicklung guter Grundsätze helfen, vermitteln wir ihnen die Kraft, Gutes zu tun. Ihrerseits üben sie den gleichen wohltuenden Einfluss auf andere aus. So wird Hunderten und Tausenden durch unseren Einfluss unbewusst geholfen. Der wahre Nachfolger von Christus stärkt die guten Absichten all derer, mit denen er in Berührung kommt. In einer ungläubigen Welt, die die Sünde liebt, enthüllt er die Macht der Gnade Gottes und dessen vollkommenen Charakter.