Macht Und Ohnmacht

Kapitel 34

Der Prophet Jeremia

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Jeremia 1,1-19; 3,6-25; 7,1-15; 26,1-19 und20,7-13.

Auch Jeremia gehörte zu denen, die auf eine anhaltende geistliche Wiederbelebung als Ergebnis der Reformation unter Josia gehofft hatten. Gott berief ihn bereits in jungen Jahren zum Prophetendienst, als Josia in seinem 13. Jahr regierte. Als Angehöriger der Priesterschaft wurde er von Kindheit an für den heiligen Dienst ausgebildet. In jenen glücklichen Jahren der Vorbereitung wurde ihm nicht bewusst, dass er von Geburt an "zum Propheten für die Völker" ausersehen war (Jeremia 1,5). Als dann Gottes Ruf an ihn erging, überwältigte ihn ein Gefühl der Unwürdigkeit. "Ach, Herr Herr", rief er aus, "ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung." (Jeremia 1,6)

Doch in dem jugendlichen Jeremia erkannte Gott einen, der seiner Aufgabe treu bleiben und trotz großen Widerstandes für das Recht eintreten würde. Bereits in seiner Kindheit hatte sich Jeremia als zuverlässig erwiesen, und nun sollte er als guter Kämpfer des Kreuzes Härten ertragen. "Sag nicht: ›Ich bin zu jung!‹", gebot der Herr seinem auserwählten Boten; "Geh, wohin ich dich sende, und verkünde, was ich dir auftrage! Hab keine Angst vor Menschen, denn ich bin bei dir und schütze dich. ... Du aber mach dich bereit, tritt vor sie hin und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage! Erschrick nicht vor ihnen, sonst sorge ich dafür, dass du wirklich vor ihnen erschrecken musst! Ich gebe dir Kraft, damit du dastehst wie eine Festung, wie eine eiserne Säule, wie eine stahlharte Mauer. Das ganze Land wirst du gegen dich haben, die Könige, die Beamten, die Priester und die Männer von Juda. Sie werden gegen dich kämpfen, aber sie werden dich nicht bezwingen, denn ich bin bei dir und schütze dich." (Jeremia 1,7.8.17-19 GNB)

Jeremias Langer Dienst

40 Jahre lang sollte Jeremia als Zeuge für Wahrheit und Gerechtigkeit vor der Nation stehen. In einer Zeit des Abfalls ohnegleichen sollte er durch sein Leben und seinen Charakter den einzig wahren Gott beispielhaft verehren. Während der schrecklichen Belagerungen von Jerusalem musste er das Sprachrohr für Jahwe sein. Er musste den Sturz des Hauses David und die Zerstörung des herrlichen Salomonischen Tempels Voraussagen. Und selbst wenn er wegen seiner furchtlosen Äußerungen eingekerkert werden würde, sollte er nachdrücklich gegen die Sünden predigen, die in den höchsten Kreisen begangen wurden. Er würde verachtet, gehasst und von den Menschen verworfen werden und am Ende selbst miterleben, wie seine Weissagungen über das drohende Gericht buchstäblich erfüllt wurden, und die schmerzvolle Trauer teilen, die auf die Zerstörung der todgeweihten Stadt folgte.

Doch inmitten des allgemeinen Verderbens, in das die Nation bald hineingeraten würde, durfte Jeremia oft über die elenden Zustände seiner Zeit hinweg auf eine herrliche Zukunft blicken, wenn Gottes Volk aus dem Feindesland befreit und wieder in Jerusalem angesiedelt sein wird. Er sah die Zeit voraus, wenn Gott sein Bundesverhältnis mit den Israeliten erneuern würde: "Mein Volk wird wie ein gut bewässerter Garten sein, nie mehr werden sie Mangel leiden müssen." (Jeremia 31,12b NLB; vgl. V. 31-34)

Jeremias Berufung

Seine Berufung zum Prophetendienst beschrieb Jeremia so: "Dann streckte der Herr seine Hand aus, berührte meine Lippen und sagte: ›Ich lege meine Worte in deinen Mund. Von heute an hast du Macht über Völker und Königreiche. Reiße aus und zerstöre, vernichte und verheere, baue auf und pflanze an!‹" (Jeremia 1,9.10 GNB)

Gott sei für die Worte gedankt: "Baue auf und pflanze an!" Damit wurde Jeremia die Absicht Gottes zugesichert, erneut aufzurichten und zu heilen. Schreckliche Botschaften mussten in den folgenden Jahren furchtlos ausgerichtet werden, nämlich Prophezeiungen über schnell nahende Strafgerichte. Von den Ebenen Mesopotamiens her sollte "Unheil über alle Bewohner dieses Landes" losbrechen. "Dann will ich mein Urteil über die Leute von Juda sprechen und sie strafen für alles Böse, das sie getan haben", verkündete der Herr. "Denn sie haben mich verlassen und haben anderen Göttern geopfert; sie haben sich Götzenbilder gemacht und sie angebetet." (Jeremia 1,14.16 GNB) Doch sollte der Prophet hinzufügen, dass allen, die sich von ihrem bösen Tun abwenden, Vergebung zugesichert ist.

Appelle An Das Volk

Als ein weiser Baumeister versuchte Jeremia gleich zu Beginn seines Lebenswerkes die Männer in Juda zu ermuntern, durch eine gründliche Bekehrung ein breites und tiefes Fundament für ihr geistliches Leben zu legen. Lange hatten sie mit einem Material gebaut, das der Apostel Paulus mit "Holz, Heu und Stroh" (1. Korinther 3,12b) und Jeremia mit Schlacke verglich. Sie sind "unedle Metalle", sagte er über das unbußfertige Volk, "weil ... der Herr sie verworfen" hat (Jeremia 6,28b.30 NLB). Nun wurde ihnen ans Herz gelegt, weise im Blick auf die Ewigkeit zu bauen, den Schutt des Abfalls und Unglaubens zu beseitigen und als Baustoff für das Fundament reines Gold, geläutertes Silber und edle Steine zu verwenden - nämlich Glaube, Gehorsam und gute Werke, die allein vor dem Angesicht Gottes Bestand haben.

Das Wort des Herrn lautete: "O Israel, mein treuloses Volk, komm zu mir zurück! Ich will nicht mehr zornig auf dich sein, und weil ich gütig bin, will ich dir deine Treulosigkeit nicht ewig nachtragen. Aber du musst eingestehen, dass du falsch gehandelt hast. Gib zu, dass du dich von mir abgewandt und unter jedem dicht belaubten Baum fremde Götter verehrt hast. ... Kommt zurück nach Hause, ihr ungehorsamen Kinder . denn ich bin euer Herr . Ich freute mich darauf, dass ihr ›Mein Vater‹ rufen würdet, und glaubte, dass ihr mich nie verlassen würdet . Kommt doch zu mir zurück, meine Kinder, die ihr von mir weggelaufen seid!" (Jeremia 3,12-14a.19b.22a NLB)

Diesen erstaunlichen Aufrufen an sein irrendes Volk fügte der Herr sogar noch die Worte hinzu, mit denen sie sich an ihn wenden konnten: "Ja, Herr, wir kommen zu dir zurück, denn du bist unser Gott! Das Rufen und Schreien zu den Götzen auf den Bergen und Hügeln kann uns nicht helfen; nur du, unser Gott, bringst Israel Hilfe. ... In Schande liegen wir da, und Schmach bedeckt uns. Wir haben uns gegen dich, unseren Gott, vergangen. So war es von jeher und so ist es bis heute geblieben. Wir haben nicht auf dich gehört." (Jeremia 3,22b-25 GNB)

Die Erneuerung unter Josia hatte zwar das Land von den Götzenaltären gereinigt, aber die Herzen der meisten Israeliten waren nicht verändert. Die Saat der Wahrheit war aufgegangen und versprach eine reichliche Ernte, aber sie wurde durch Dornen erstickt (vgl. Matthäus 13,7). Ein weiterer Rückfall dieser Art musste verhängnisvoll sein. Deshalb versuchte der Herr das Volk aufzurütteln, damit es die Gefahr erkannte. Nur bei echter Treue zu Jahwe konnte es auf göttliches Erbarmen und Wohlergehen hoffen.

Die Beachtung Des Gesetzes

Jeremia machte wiederholt auf die Ratschläge im Gesetzbuch aufmerksam. Mehr als irgendein anderer Prophet betonte er die Lehren des mosaischen Gesetzes und zeigte, wie segensreich sie sich auf das Volk und jeden Einzelnen auswirken. "Erkundigt euch nach den Wegen, auf denen eure Vorfahren gegangen sind, und prüft, was der Weg ist, der mir gefällt! Auf dem sollt ihr gehen", riet er. "Dann werdet ihr innerlich ruhig werden." (Jeremia 6,16 NLB)

Einmal wies ihn der Herr an, sich an eines der Haupttore der Stadt zu stellen. Dort verkündigte er sehr eindringlich die Wichtigkeit der Sabbatheiligung. Die Einwohner von Jerusalem liefen Gefahr, die Heiligkeit des Sabbats aus den Augen zu verlieren. Deshalb wurden sie mit großem Ernst davor gewarnt, weiterhin an diesem Tag ihren weltlichen Beschäftigungen nachzugehen. Unter der Bedingung des Gehorsams wurde ihnen Segen verheißen: "Hört aber ihr doch jetzt auf mich! Ich, der Herr, verspreche euch: Wenn ihr am Sabbat die Arbeit ruhen lasst und keine Lasten durch diese Tore nach Jerusalem hineintragt, sondern den Sabbat heilig haltet, werden weiterhin Könige aus dem Hause Davids mit ihren Pferden und Wagen durch diese Tore in die Stadt einziehen. Sie werden mit ihren Fürsten kommen, begleitet von den Männern des Stammes Juda und von allen Einwohnern Jerusalems. Dann soll die Stadt für immer bewohnt bleiben." (Jeremia 17,24.25 NLB)

Dieser Segensverheißung als Lohn der Treue wurde eine Prophezeiung furchtbarer Strafgerichte hinzugefügt, die über die Stadt hereinbrechen würden, wenn ihre Bewohner Gottes Gesetz missachteten. Sollten sie diesen Ermahnungen ihres Herrn, des Gottes ihrer Väter, kein Gehör schenken und den Sabbat nicht heiligen, würden die Stadt und ihre Paläste durch Feuer völlig zerstört werden (vgl. Jeremia 17,27).

Auf diese Weise vertrat der Prophet nachdrücklich die wahren Grundsätze eines richtigen Lebenswandels gemäß dem Gesetzbuch. Aber die Verhältnisse im Land waren derart, dass eine Wende zum Besseren nur durch ganz entschiedene Maßnahmen erreicht werden konnte. Deshalb forderte Jeremia die Verstockten mit allem Ernst auf: "Pflügt den Acker völlig um, statt unter die Dornen zu säen! ... Jerusalem, wasche deine Bosheit von deinem Herzen ab, damit du gerettet wirst!" (Jeremia 4,3.14a GNB)

Aber die große Masse des Volkes ließ den Ruf zur Reue und Erneuerung unbeachtet. Seit dem Tod des guten Königs Josia wurden die Herrscher der Nation ihrer Vertrauensstellung nicht mehr gerecht und hatten viele in die Irre geführt. Auf Joahas, der durch das Eingreifen des Königs von Ägypten abgesetzt worden war, folgte Jojakim, ein älterer Sohn von Josia (vgl. 2. Chronik 36,1-5). Schon bei dessen Regierungsantritt hegte Jeremia wenig Hoffnung, sein geliebtes Land vor der Zerstörung und das Volk vor der Gefangenschaft bewahren zu können. Doch er durfte nicht schweigen, wenn dem Königreich völlige Vernichtung drohte. Diejenigen, die noch treu zu Gott hielten, mussten zum Durchhalten ermutigt, die Sünder dagegen zur Abkehr von der Bosheit bewogen werden.

Jeremias Tempelreden

In dieser Krise waren nur öffentliche und weitreichende Maßnahmen wirksam. Der Herr beauftragte Jeremia, sich in den Tempelvorhof zu stellen und zu allen Leuten zu sprechen, die dort ein- und ausgingen. Die ihm anvertrauten Botschaften durfte er nicht um ein einziges Wort verkürzen, damit die Sünder in Jerusalem die bestmögliche Gelegenheit bekämen, aufmerksam zuzuhören und sich von ihren bösen Wegen abzuwenden.

Der Prophet gehorchte. Er stellte sich in den Eingang zum Haus des Herrn und erhob seine warnende Stimme. Unter der Eingebung des Allmächtigen flehte er sie an: "Hört zu, ihr Leute von Juda! Hört alle her, die ihr durch diese Tore in den Tempel geht, um den Herrn anzubeten! So spricht der Gott Israels, der Herrscher der Welt: Ändert euer Leben und Tun! Dann dürft ihr hier wohnen bleiben. Glaubt nicht, dass es euch etwas hilft, wenn ihr ständig wiederholt: Dies ist der Tempel des Herrn, dies ist der Tempel des Herrn, hier wohnt der Herr! Damit betrügt ihr euch selbst! Nein, ihr müsst euer Leben und Tun gründlich ändern! Geht gerecht miteinander um; nutzt nicht Fremde, Waisen und Witwen aus; vergießt nicht das Blut unschuldiger Menschen! Lauft nicht den fremden Göttern nach, die euch ins Unglück bringen! Nur dann könnt ihr hier wohnen bleiben, in dem Land, das ich euren Vorfahren als Erbbesitz gegeben habe." (Jeremia 7,2-7 GNB)

Hier zeigt sich deutlich, wie ungern der Herr Menschen straft. Er hält seine Gerichte zurück, um die Unbußfertigen eindringlich warnen zu können. Er, "der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden" (Jeremia 9,23), fühlt sich zu seinen irrenden Kindern hingezogen. Auf jede nur mögliche Weise möchte er sie auf den Weg zum ewigen Leben führen. Er hatte die Israeliten aus der Sklaverei befreit, damit sie ihm dienten, dem einzig wahren und lebendigen Gott. Obwohl sie lange im Götzendienst irregegangen waren und seine Warnungen missachtet hatten, erklärte er sich sogar jetzt noch bereit, die Züchtigung hinauszuschieben und ihnen eine weitere Gelegenheit zur Reue zu geben. Er machte ihnen klar, dass das drohende Verderben nur durch eine gründliche Herzenserneuerung abzuwenden sei. Sich auf den Tempel und dessen Gottesdienste zu verlassen, sei vergeblich. Riten und Zeremonien könnten keine Sünde sühnen. Auch wenn sie sich darauf beriefen, das auserwählte Volk zu sein, könne sie doch nur eine Veränderung des Herzens und der Lebensgewohnheiten vor den unausweichlichen Folgen fortgesetzter Übertretung bewahren.

So lautete die Botschaft Jeremias "in den Städten Judas und auf den Straßen von Jerusalem ... Hört die Worte dieses Bundes" - die klaren Gebote Gottes, wie sie in den heiligen Schriften überliefert sind - "und handelt danach"! (Jeremia 11,6 Elb.) Diese Botschaft verkündigte er, als er zu Beginn der Herrschaft von Jojakim im Vorhof des Tempels stand.

In kurzen Zügen erinnerte er an die Erfahrungen seit dem Auszug aus Ägypten. Beim Bundesschluss hatte Gott gesagt: "Gehorcht mir, dann werde ich euer Gott sein, und ihr werdet mein Volk sein. Tut, was ich euch sage, damit es euch gut geht!" Aber dieser Bund wurde immer wieder schamlos gebrochen. Obwohl ein auserwähltes Volk, haben die Israeliten "stattdessen getan, was ihnen in den Sinn kam und was ihr böses Herz ihnen eingab zu tun. Sie drehten mir den Rücken zu" (Jeremia 7,23.24 NLB).

"Warum verlässt dann dieses Volk immer wieder den richtigen Weg?", fragte der Herr (Jeremia 8,5a Hfa). Weil - so Jeremia - das Volk widerspenstig gewesen war und Gottes Zurechtweisung abgelehnt hatte (vgl. Jeremia 5,3). "Treue und Wahrheit habt ihr verloren, ihr sprecht nicht einmal mehr darüber!" (Jeremia 7,28b Hfa), klagte er. "Alle Zugvögel kennen ihre Ordnung und gehen und kommen zu der Zeit, die ich ihnen bestimmt habe: der Storch, die Taube, die Schwalbe, die Drossel. Nur mein Volk hält sich nicht an die Ordnungen, die ich ihm gegeben habe." (Jeremia 8,7 GNB) ">Sollte ich so ein Verhalten nicht bestrafen?‹, spricht der Herr. ›Sollte ich mich an einem solchen Volk nicht rächen?‹" (Jeremia 9,8 NLB)

Die Zeit für eine eingehende Herzensprüfung war gekommen. Während der Herrschaft von Josia hatte das Volk noch einmal Hoffnung geschöpft. Aber nun konnte der König nicht mehr als Fürsprecher für sie eintreten, denn er war in einer Schlacht gefallen. Die Sünden der Nation waren derart, dass es für eine vermittelnde Fürsprache fast zu spät war. "Wenn auch Mose und Samuel vor mir stünden", erklärte der Herr, "so habe ich doch kein Herz für dies Volk. Treibe sie weg von mir und lass sie weggehen! Und wenn sie zu dir sagen: ›Wo sollen wir hin?‹, dann antworte ihnen: So spricht der Herr: ›Wen der Tod trifft, den treffe er; wen das Schwert trifft, den treffe es; wen der Hunger trifft, den treffe er; wen die Gefangenschaft trifft, den treffe sie!‹" (Jeremia 15,1.2)

Sollte das Gnadenangebot Gottes nochmals abgelehnt werden, würde das unbußfertige Südreich von den gleichen Strafgerichten heimgesucht werden wie das Nordreich ein Jahrhundert zuvor. Nun lautete die Botschaft des Herrn: "Wenn ihr euch nicht nach dem richtet, was ich euch sage, wenn ihr nicht nach meinen Geboten lebt, die ich euch gegeben habe, und wenn ihr meinen Knechten, den Propheten, keine Beachtung schenkt, die ich doch unablässig, immer wieder, zu euch sende, obwohl ihr doch nicht auf sie hört, dann will ich diesen Tempel genauso zerstören, wie ich das Heiligtum in Silo zerstört habe. Und der Name eurer Stadt soll von allen Völkern dieser Erde als Fluchwort gebraucht werden." (Jeremia 26,4-6 NLB)

Alle, die im Tempelhof diese Predigt von Jeremia hörten, verstanden recht gut diesen Hinweis auf Silo. Damals hatten die Philister Israel besiegt und die Bundeslade weggeführt. Der Priester Eli hatte über die Schandtaten seiner Söhne im heiligen Amt wie auch über die im ganzen Land herrschenden Sünden leichtfertig hinweggesehen. Sein Versäumnis, diese Missstände zu beseitigen, stürzte Israel in ein furchtbares Unheil. Seine Söhne fielen in der Schlacht, Eli selbst starb auch, die Bundeslade wurde Beute der Feinde Israels, und 30.000 Menschen wurden erschlagen (vgl. 1. Samuel 4). All das geschah, weil man es der Sünde gestattete, sich ungerügt und unkontrolliert auszubreiten. Die Israeliten hatten sich eingebildet, dass die bloße Anwesenheit der heiligen Bundeslade - ungeachtet der sündhaften Gepflogenheiten - den Sieg über die Philister sichern werde. Genauso waren die Einwohner Judas zur Zeit von Jeremia der Meinung, dass die strikte Einhaltung der von Gott verordneten Dienste im Tempel genügte, um sie vor einer gerechten Bestrafung für ihr böses Treiben zu bewahren.

Das ist ein warnendes Beispiel für alle Verantwortungsträger in der Gemeinde Gottes heute! Es gilt, gewissenhaft gegen Übertretungen vorzugehen, die der Sache der Wahrheit schaden! Wer ein Verwalter des Gesetzes Gottes zu sein beansprucht, darf sich nicht einbilden, er könne sich durch eine äußerliche Wertschätzung der Gebote vor den Folgen göttlicher Gerechtigkeit schützen. Keiner sollte es ablehnen, um seiner Sünde willen getadelt zu werden, und niemand sollte die Diener Gottes des Übereifers beschuldigen, wenn sie sich bemühen, die Gemeinde vom bösen Tun zu reinigen. Gott, der die Sünde hasst, verpflichtet seine gesetzestreuen Diener zu einer klaren Absage jeglicher Bosheit. Zeigen sich Männer und Frauen uneinsichtig und verweigern den Gehorsam, sind die Folgen heute ebenso ernst wie damals für das alte Israel. Der Herr hat eine Grenze gesetzt, über die seine Strafgerichte nicht hinausgezögert werden können. Die Verwüstung Jerusalems in den Tagen von Jeremia ist eine ernste Warnung an das geistliche Israel unserer Tage, denn die Ratschläge und Ermahnungen Gottes durch seine erwählten Werkzeuge können nicht ungestraft missachtet werden.

Feindschaft Gegen Jeremia

Mit der Verkündigung der Botschaft an die Priester und das Volk machte sich Jeremia viele Feinde. Entrüstet riefen sie: ">Wie kannst du behaupten, im Namen des Herrn zu sprechen, wenn du ankündigst, dass der Tempel genauso zerstört werden soll wie das Heiligtum in Silo? Wie kannst du es wagen, uns anzudrohen, dass Jerusalem vollständig verwüstet werden soll, sodass keiner mehr darin wohnen wird?‹ Und das ganze Volk rottete sich im Tempel des Herrn gegen Jeremia zusammen." (Jeremia 26,9 NLB) Priester, falsche Propheten und das Volk wüteten gegen den, der ihnen keine Schmeichelworte sagen und keine Täuschungen Vorhersagen wollte. Auf diese Weise wurde die Botschaft Gottes verachtet und sein Diener mit dem Tod bedroht.

Jeremias Botschaft wurde den Fürsten von Juda eiligst zur Kenntnis gebracht. Diese eilten vom Königspalast zum Tempel, um sich vom Sachverhalt zu überzeugen. "Die Priester und Propheten trugen den führenden Männern und dem versammelten Volk ihre Anklage vor: ›Dieser Mann hat die Todesstrafe verdient‹, sagten sie. ›Er hat gegen diese Stadt schlimme Prophezeiungen ausgesprochen - das habt ihr ja mit euren eigenen Ohren gehört.‹" (Jeremia 26,11 NLB) Aber unerschrocken bekräftigte Jeremia öffentlich vor der Obrigkeit: "Der Herr hat mich gesandt, um gegen diesen Tempel und diese Stadt all das zu sagen, was ihr gehört habt. Ändert jetzt euer Leben und Tun und hört auf den Herrn, euren Gott! Dann wird es ihm Leid tun und das Unglück nicht über euch bringen, das er euch angedroht hat. Ich bin in eurer Hand. Macht mit mir, was euch gut und recht erscheint. Doch das sollt ihr wissen: Wenn ihr mich tötet, vergießt ihr das Blut eines Unschuldigen. Ihr ladet Blutschuld auf euch und auf diese ganze Stadt und ihre Bewohner. Denn es ist wirklich der Herr, der mich zu euch gesandt hat, um euch diese Warnung zu überbringen." (Jeremia 26,12-15 GNB)

Verteidiger Für Jeremia

Hätte sich der Prophet durch die Drohungen der Würdenträger einschüchtern lassen, wäre seine Botschaft wirkungslos geblieben, und er selbst hätte sein Leben verloren. Der Mut jedoch, mit dem er die ernste Warnung vortrug, verschaffte ihm Achtung beim Volk und die Gunst der Fürsten. Sie redeten mit den Priestern und den falschen Propheten und machten ihnen klar, wie töricht die von ihnen geforderten Maßnahmen seien. Ihre Worte fanden beim Volk Widerhall. So erweckte Gott Verteidiger für seinen Diener.

Auch die Ältesten protestierten vereint gegen die Entscheidung der Priester über das Schicksal von Jeremia. Sie beriefen sich dabei auf Micha, der auch schon prophezeit hatte: "Zion soll zu Ackerland umgepflügt und Jerusalem zu einem Trümmerhaufen gemacht werden, und auf dem Tempelberg wird Gestrüpp wuchern." Und sie fragten: "Haben nun etwa Hiskia, der König von Juda, und die Männer von Juda Micha deswegen getötet? Nein, Hiskia ist vielmehr vor dem Herrn erschrocken und hat ihn um Gnade angefleht. Daraufhin tat es dem Herrn Leid, dass er ein solches Unheil über Juda angedroht hatte, und er ließ es nicht geschehen. Und wir sollen jetzt eine so große Schuld auf uns laden, indem wir Jeremia töten?" (Jeremia 26,18.19 NLB)

Auf die Fürsprache dieser einflussreichen Männer hin wurde das Leben des Propheten verschont. Trotzdem hätten es viele Priester und falsche Propheten, welche die Strafpredigten unerträglich fanden, lieber gesehen, wenn er als Volksaufwiegler hingerichtet worden wäre.

Die Last Seines Dienstes

Von dem Tag seiner Berufung bis zum Abschluss seines Dienstes stand Je- remia vor Juda wie eine "Mauer aus Erz", gegen die menschlicher Zorn nichts ausrichten konnte. "Sie werden dir nichts anhaben können, selbst wenn sie noch so sehr gegen dich anstürmen sollten", hatte der Herr seinem Diener versichert. "Denn ich bin bei dir, um dir zu helfen ... Ja, ich will dich aus der Hand der Bösen reißen und aus der Faust der Gewalttätigen befreien." (Jeremia 15,20.21 NLB)

Von Natur aus ängstlich und eher zurückweichend, sehnte sich Jeremia nach dem Frieden und der Ruhe eines zurückgezogenen Lebens, wo er nicht Zeuge der dauernden Verstocktheit seines geliebten Volkes sein musste. Sein Herz litt schrecklich unter dem Verderben, das die Sünde verursacht hatte. "Wären meine Augen doch Tränenquellen! Ich würde Tag und Nacht die Toten meines Volkes beweinen. Hätte ich doch eine Herberge, irgendwo weitab in der Wüste! Ich würde so gern von meinem Volk weggehen, denn sie sind allesamt Ehebrecher und Betrüger." (Jeremia 8,23; 9,1 NLB)

Doch er musste das grausame Gespött erdulden. Wie Pfeile durchbohrte es seine empfindsame Seele, wenn er von denen angefeindet wurde, die seine Botschaft verachteten und seine Bürde für ihre Bekehrung auf die leichte Schulter nahmen. "Mein eigenes Volk macht sich über mich lustig", klagte er. "Den ganzen Tag lang singen sie ihre Spottlieder." (Klagelieder 3,14 NLB) "Für alle Welt bin ich zur Zielscheibe des Spottes geworden - tagaus, tagein. ... Sogar meine besten Freunde lauern darauf, dass ich irgendetwas falsch mache. Sie sagen: Vielleicht lässt er sich hereinlegen, dann bekommen wir ihn in unsere Gewalt und können uns an ihm rächen!‹" (Jeremia 20,7c.10b NLB)

Doch der Prophet bekam täglich neue Kraft zum Durchhalten. "Aber der Herr steht mir zur Seite", bekannte er vertrauensvoll. "Er ist ein starker Held. Darum müssen meine Feinde stolpern und können mich nicht besiegen. Voller Enttäuschung müssen sie einsehen, dass ihre Pläne misslungen sind. Sie erleiden eine Schmach, die ewig unvergessen bleiben wird. Singt Lieder für den Herrn und lobt ihn! Denn er rettet den Armen aus der Gewalt seiner Feinde." (Jeremia 20,11.13 NLB)

Die Erfahrungen, die Jeremia von seiner Jugend an ein Leben lang machen musste, lehrten ihn, "dass der Mensch sein Geschick nicht selbst in der Hand hat. Nicht er ist's, der seinen Lebensweg bestimmt." Und er lernte zu beten: "Strafe uns, Herr, aber bleibe gerecht; lass nicht deinem Zorn freien Lauf, denn das wäre unser Ende." (Jeremia 10, 23.24 GNB)

Wenn es galt, vom Kelch der Trübsal und des Leidens zu trinken, und wenn er in seinem Elend zu klagen versucht war: "Meine Kraft ist geschwunden, und meine Hoffnung auf den Herrn ist dahin" (Klagelieder 3,18 Hfa), erinnerte er sich an die Fürsorge Gottes in seinem Leben und rief triumphierend aus:

"Von Gottes Güte kommt es, dass wir noch leben. Sein Erbarmen ist noch nicht zu Ende, seine Liebe ist jeden Morgen neu und seine Treue unfassbar groß. Ich sage: Der Herr ist mein Ein und Alles; darum setze ich meine Hoffnung auf ihn. Der Herr ist gut zu denen, die nach ihm fragen, zu allen, die seine Nähe suchen. Darum ist es das Beste, zu schweigen und auf die Hilfe des Herrn zu warten." (Klagelieder 3,22-26 GNB)