Macht Und Ohnmacht

Kapitel 35

Die Ankündigung Des Unheils

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2. Könige 23,36 bis 24,17; Jeremia 19,1-15; 22,13-19; 23,1-8; 25,1-29, 35 und 36.

In den ersten Jahren der Herrschaft von Jojakim häuften sich die Warnungen vor dem drohenden Unheil. Das Wort des Herrn, das die Propheten verkündet hatten, stand vor der Erfüllung. Die lange Vorherrschaft der Assy- rer im Norden ging zu Ende. Ägypten im Süden, auf dessen Stärke der König von Juda vergeblich seine Hoffnung setzte, sollte bald eine entscheidende Niederlage erleiden. Völlig unerwartet stieg im Osten eine neue Weltmacht empor. Babylon würde bald alle anderen Nationen überschatten.

Binnen weniger Jahre würde Gott den König von Babylon als Zornesrute für das unbußfertige Juda benutzen. Mehrmals belagerte und eroberte Nebukadnezars Armee Jerusalem. Schar auf Schar von Juden - zuerst nur wenige, später jedoch Tausende und Zehntausende - wurden gefangen nach Mesopotamien geführt und mussten dort in der Verbannung leben. Die jüdischen Könige Jojakim, Jojachin und Zedekia wurden zu Vasallen gemacht. Doch einer nach dem anderen lehnte sich gegen den babylonischen Herrscher auf. Über die aufrührerische Nation mussten immer schärfere Maßnahmen verhängt werden, bis schließlich das ganze Land verwüstet und Jerusalem niedergebrannt wurde. Auch der von Salomo erbaute Tempel wurde zerstört. Das Königreich Juda sollte fallen und nie wieder seine frühere Stellung unter den Völkern der Erde einnehmen.

Kennzeichnend für jene wechselvollen, für die Israeliten gefährlichen Zeiten waren die vielen göttlichen Botschaften, die Jeremia dem Volk überbrachte. So bot der Herr den Kindern Juda reichlich Gelegenheit, sich von den Verstrickungen aus den Bündnissen mit Ägypten zu befreien und den Streit mit den Herrschern von Babylon zu vermeiden. Als die angedrohte Gefahr näherrückte, versuchte er, mit einer Reihe von Gleichnissen auf das Volk einzuwirken und in ihm ein Gefühl der Verantwortung vor Gott zu erwecken, wodurch es ermutigt werden sollte, freundschaftliche Beziehungen zu Babylon zu pflegen.

Die Treue Der Rechabiter Als Vorbild

Um die Wichtigkeit des bedingungslosen Gehorsams gegenüber den Forderungen Gottes zu veranschaulichen, versammelte Jeremia einige Rechab- iter in einem Nebenraum des Tempels, setzte ihnen Wein vor und forderte sie auf, ihn zu trinken. Erwartungsgemäß lehnten sie das entschieden ab. "Wir trinken keinen Wein", erklärten sie, "unser Ahnherr Jonadab, der Sohn Rechabs, hat uns und unseren Nachkommen für alle Zeit befohlen: ›Trinkt keinen Wein!‹" (Jeremia 35,6 GNB)

"Da erging das Wort des Herrn an Jeremia. Er sagte zu ihm: Ich, der Herrscher der Welt, der Gott Israels, befehle dir: Geh und verkünde den Leuten von Juda und Jerusalem: ›Der Herr sagt: Wollt ihr euch nicht endlich dazu bewegen lassen, auf mich zu hören? Was Jonadab, der Sohn Rechabs, seinen Söhnen befohlen hat, das haben sie eingehalten: Er hat ihnen befohlen, keinen Wein zu trinken, und sie trinken keinen Wein bis auf den heutigen Tag. Sie haben die Anordnung ihres Ahnherrn befolgt.‹" (Jeremia 35,12-14 GNB)

Auf diese Weise machte Gott den auffallenden Gegensatz zwischen dem Gehorsam der Rechabiter und dem Ungehorsam seines Volkes deutlich. Die Rechabiter hatten die Weisung ihres Stammvaters befolgt und ließen sich auch jetzt nicht zur Übertretung verführen. Die Menschen in Juda dagegen hatten nicht auf die Worte des Herrn gehört und mussten infolgedessen bald seine strengsten Gerichte erleiden.

"Ich aber habe euch wieder und wieder gesagt, was ihr tun sollt", sagte der Herr, "und ihr habt nicht auf mich gehört. Immer von Neuem habe ich meine Diener, die Propheten, zu euch gesandt und euch mahnen lassen: Kehrt doch um von euren verkehrten Wegen, hört auf, Böses zu tun, lauft nicht den fremden Göttern nach und bringt ihnen keine Opfergaben, dann könnt ihr in dem Land wohnen bleiben, das ich euch und euren Vorfahren gegeben habe! Aber ihr wolltet nicht auf mich hören. Die Nachkommen Jonadabs haben die Anordnung ihres Ahnherrn befolgt, aber ihr, das Volk von Juda, habt auf mich nicht gehört. Darum bringe ich jetzt über euch, die Leute von Juda und die Bewohner Jerusalems, all das Unglück, das ich euch angedroht habe. Das sage ich, der Herrscher der Welt, der Gott Israels. Ich hatte euch befohlen, was ihr tun sollt; aber ihr habt nicht darauf gehört. Ich hatte euch gerufen, aber ihr habt nicht geantwortet." (Jeremia 35,14-17 GNB)

Wenn Menschen durch den bezwingenden Einfluss des Heiligen Geistes erweicht und beherrscht werden, nehmen sie Rat an. Wenn sie jedoch Ermahnungen zurückweisen, bis ihr Herz verhärtet ist, überlässt sie der Herr anderen Einflüssen. Lehnen sie die Wahrheit ab, dann glauben sie der Unwahrheit, und diese führt sie in die Falle des Verderbens.

Gott hatte die Juden angefleht, ihn nicht zum Zorn zu reizen, sie aber hatten ihm kein Gehör geschenkt. Schließlich wurde das Urteil über sie ausgesprochen. Sie sollten gefangen nach Babylon verschleppt werden. Gott benutzte die Babylonier als Werkzeug, mit dem er sein ungehorsames Volk züchtigen wollte. Die Leiden der Juden sollten dem empfangenen Licht und den Warnungen entsprechen, die sie verachtet und zurückgewiesen hatten. Lange hatte Gott sein Gericht hinausgeschoben, aber nun sollte sein Unmut über sie kommen - als ein letzter Versuch, sie auf ihrem bösen Weg aufzuhalten.

Die Rechabiter dagegen empfingen einen bleibenden Segen. Der Prophet verkündete: "Ihr habt die Anordnung eures Ahnherrn Jonadab befolgt; alles, was er euch befohlen hat, habt ihr getan. Deshalb wird es Jonadab, dem Sohn Rechabs, nie an Nachkommen fehlen, die der Weisung ihres Ahnherrn treu bleiben und mir auf ihre Weise dienen!" (Jeremia 35,18.19 GNB) So belehrte Gott sein Volk, dass sich Treue und Gehorsam für Juda ebenso segensreich auswirken würden wie für die Rechabiter, die das Gebot ihres Stammvaters ernst nahmen.

Diese Lehre gilt auch uns. Wenn schon die Anordnungen eines guten und weisen Vorfahren, der seine Nachkommen vor den schädlichen Folgen der Unmäßigkeit bewahren wollte, treu befolgt wurden, wie viel mehr sollte dann die überragende Autorität des heiligen Gottes in Ehren gehalten werden! Unser Schöpfer und Gebieter, dessen Macht unendlich ist und dessen Gerichte schrecklich sind, möchte die Menschen mit allen Mitteln dazu bewegen, dass sie ihre Sünden erkennen und bereuen. Durch seine Diener verweist er auf die bitteren Folgen des Ungehorsams und warnt mit allem Ernst vor der Sünde. Das Wohlergehen seines Volkes beruht nur auf seiner Barmherzigkeit und der eifrigen Wachsamkeit seiner erwählten Diener. Ein Volk, das seinen Rat verwirft und seine Zurechtweisung verachtet, kann er nicht erhalten und beschützen. Eine Zeitlang mag er seine vergeltenden Gerichte zurückhalten, aber nicht auf Dauer.

Kostbare Verheissungen

Auch die Bewohner von Juda gehörten zu den Menschen, zu denen Gott gesagt hatte: "Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein." (2. Mose 19,6) In der Ausübung seines Prophetendienstes verlor Jeremia niemals aus den Augen, wie wichtig ein geheiligtes Herz für die unterschiedlichen Beziehungen im Leben ist, vor allem im Dienst des Allerhöchsten. Deutlich sah er den Sturz des Königreiches und die Zerstreuung der Juden unter die Völker voraus, aber im Glauben schaute er über all dies hinweg auf die Zeit der Wiederherstellung. Er hatte die göttliche Verheißung empfangen: "Die aber, die von meiner Herde übrig geblieben sind, will ich wieder zusammenbringen. Aus allen Ländern der Erde ... Denn es kommt der Tag ... da will ich einen Nachkommen Davids zum König ernennen. Er wird mit großer Weisheit regieren und für Recht und Gerechtigkeit im Land sorgen. In den Tagen seiner Herrschaft wird Juda gerettet werden und Israel sicher wohnen. Diesem König wird man den Namen geben: ›Der Herr ist unsere Gerechtigkeit.‹" (Jeremia 23,3.5.6 NLB)

Somit waren die Weissagungen über das hereinbrechende Gericht mit Verheißungen über die letztendliche, herrliche Errettung vermengt. Wer seinen Frieden mit Gott machen und in einer Welt des Abfalls ein heiliges Leben führen wollte, sollte befähigt werden, in jeder Prüfung machtvoll für ihn zu zeugen. Die zukünftige Errettung sollte noch ruhmreicher sein als die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten. Der Herr erklärte durch seinen Propheten: "Es wird auch der Tag kommen ... da wird man beim Schwören nicht mehr sagen: ›So wahr der Herr lebt, der das Volk Israel aus dem Land Ägypten herausgeführt hat‹. Stattdessen wird man sagen: ›So wahr der Herr lebt, der alle, die zum Volk Israel gehören, aus dem Land im Norden zurückbrachte und aus allen Ländern, in die er sie vertrieben hatte, damit sie wieder in ihrer Heimat leben.‹" (Jeremia 23,7.8 NLB)

So lauteten die wunderbaren Weissagungen, die Jeremia in den letzten Jahren des Königreiches Juda verkündete, als die Babylonier die Herrschaft antraten und ihre Armee zur Belagerung vor die Mauern Jerusalems führten. Für die treuen Anbeter klangen diese Heilsverheißungen wie liebliche Musik. Wer noch die Ratschläge des bundestreuen Gottes in Ehren hielt, wiederholte daheim in den Familien die Worte des Propheten so oft wie möglich. Selbst die Kinder wurden davon stark und nachhaltig beeindruckt.

Der Junge Daniel Und Seine Gefährten

Aus ihren Reihen kamen auch Daniel und seine Freunde. Mit ihrer gewissenhaften Einhaltung der biblischen Gebote gaben sie vor den Völkern der Erde dem wahren Gott die Ehre. Was diese hebräischen Jünglinge in ihrem Elternhaus gelernt hatten, machte sie stark im Glauben und zuverlässig in ihrem Dienst für den lebendigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Als Jerusalem zur Zeit von Jojakim zum ersten Mal von Ne- bukadnezar erobert wurde, entführte er Daniel und seine Gefährten zusammen mit anderen, um sie für den Dienst am babylonischen Hof auszubilden (vgl. Daniel 1,1-6). Dies war für die jungen Hebräer eine außergewöhnliche Glaubensprüfung. Wer gelernt hatte, den Verheißungen Gottes zu vertrauen, fand darin hinlänglich Kraft, um während des erzwungenen Aufenthalts in einem fremden Land in allen Lebenslagen zu bestehen. Die Heilige Schrift war Richtschnur und Stütze.

Jeremias Umfassender Dienst

Als Deuter der Gerichte, die nun über Juda hereinzubrechen begannen, verteidigte Jeremia eindrucksvoll die Gerechtigkeit Gottes und seine barmherzigen Absichten selbst bei strengsten Züchtigungen. Der Prophet wirkte unermüdlich. Um möglichst alle Volksschichten zu erreichen, begab er sich auch häufig in die verschiedenen Gebiete außerhalb von Jerusalem.

In seinen Zeugnissen für die Gemeinde verwies Jeremia stets auf die Lehren des Gesetzbuches, das während der Regierungszeit des Josia hohe Achtung genossen hatte. Dabei betonte er erneut, wie wichtig das Bundesverhältnis mit dem barmherzigen Gott ist, der ihnen einst auf dem Berg Sinai die Zehn Gebote gegeben hatte. Im ganzen Königreich hörte man Jeremias Warnen und Flehen, sodass alle Bewohner Gelegenheit hatten, Gottes Willen für sein Volk zu erfahren.

Der Prophet wies darauf hin, dass unser himmlischer Vater mit seinen Gerichten eingriff, damit "die Heiden erkennen, dass sie Menschen sind" (Psalm 9,21). Der Herr hatte sein Volk im Voraus gewarnt: "Wenn ihr euch mir dann immer noch widersetzt und mir nicht gehorchen wollt, werde ich euch ... unter die Völker zerstreuen und euch mit gezücktem Schwert forttreiben. Euer Land wird zur Wüste und eure Städte werden zu Trümmerhaufen." (3. Mose 26,21.33 NLB)

Das Gericht Uber Jojakim

In der Zeit, in der die Fürsten und das Volk die eindringlichen Botschaften über das bevorstehende Unheil vernahmen, verbrachte ihr Herrscher Jojakim seine Zeit mit selbstsüchtigen Vergnügungen. Er hätte ein weiser geistlicher Führer sein und als Erster seine Sünden bekennen, Reformen durchführen und gute Werke tun sollen. Doch er nahm sich vor: "Ich will mir einen herrlichen Palast bauen, mit großen, luftigen Zimmern und vielen Fenstern." Und dieses Haus, das "mit Zedernholz ... getäfelt und leuchtend rot gestrichen" sein sollte (Jeremia 22,14 NLB), wurde mit dem Geld und der Arbeitskraft erbaut, die er durch Betrug und Unterdrückung beschafft hatte.

Voller Zorn verkündete der göttliche Bote das Gottesurteil über den treulosen Herrscher: "Wehe dir! Du baust deinen Palast auf Unrecht", rief er, "und stockst ihn auf, ohne dich um Gerechtigkeit zu kümmern. Du lässt die Leute für dich arbeiten und gibst ihnen keinen Lohn. Meinst du, du musst dich dadurch als König erweisen, dass du Prachtbauten aus Zedernholz errichtest wie andere Könige? Hat dein Vater nicht auch gut gegessen und getrunken und es sich wohl sein lassen? Aber er regierte gerecht, weil er sich an die Weisungen Gottes hielt, und deshalb ging es ihm gut. Den Schwachen und Armen verhalf er zum Recht, deshalb stand alles gut. ›Wer so handelt, zeigt, dass er mich kennt‹, sagt der Herr. Aber du siehst nur deinen eigenen Vorteil und denkst an nichts anderes. Du vergießt das Blut unschuldiger Menschen und unterdrückst dein Volk mit harter Gewalt. Darum sagt der Herr über König Jojakim, den Sohn von Josia: ›Es wird für ihn keine Totenklage geben. Niemand wird rufen: ,Ach, Brüder, ach, Schwestern, warum musste er sterben!' Sie werden auch nicht klagen: ,Ach, unser Herrscher! Ach, seine Majestät!' Er bekommt kein Begräbnis, er wird beseitigt wie ein toter Esel: Sie schleifen ihn weg und werfen ihn draußen vor den Toren Jerusalems hin.‹" (Jeremia 22,13.15- 19 GNB)

In wenigen Jahren sollte dieses schreckliche Gericht an Jojakim vollzogen werden. Aber vorher unterrichtete der barmherzige Herr die unbußfertige Nation über seine feste Absicht. Im vierten Regierungsjahr von Jojakim sagte "der Prophet Jeremia ... zum ganzen Volk von Juda und zu allen Einwohnern Jerusalems: In den letzten 23 Jahren, seit dem 13. Regierungsjahr des Königs Josia, des Sohnes des Amon, des Königs von Juda, hat mir Gott Botschaften für euch aufgetragen. Und ich habe sie, ohne nachzulassen, immer wieder treu an euch weitergegeben. Aber ihr habt nicht darauf gehört" (Jeremia 25,2.3 NLB).

"Deshalb sagt der Herr, der Herrscher der Welt: ›Weil ihr nicht auf mein Wort gehört habt, lasse ich nun alle Völker des Nordens kommen, an ihrer Spitze meinen Bevollmächtigten Nebukadnezar, den König von Babylonien. Sie sollen über euch und euer Land herfallen, auch über eure Nachbarn und ihre Länder. Ich gebe euch alle der Vernichtung preis, und eure Länder sollen für immer zum Trümmerfeld werden. Wer es sieht, wird aufschreien und sich mit Entsetzen abwenden. Ich mache allem Jubel und aller Freude bei euch ein Ende; der Jubelruf von Bräutigam und Braut wird nie mehr zu hören sein. Das Geräusch der Handmühle am Morgen wird verstummen und abends in den Häusern keine Lampe mehr brennen. Alles wird in Trümmern liegen. 70 Jahre lang werdet ihr und eure Nachbarvölker dem König von Babylonien unterworfen sein." (Jeremia 25,8-11 GNB)

Die Verdeutlichung Der Gerichtsbotschaft

Obwohl das Vernichtungsurteil unmissverständlich verkündet wurde, begriff die Volksmenge, die es hörte, kaum seine entsetzliche Tragweite. Um sie tiefer zu beeindrucken, versuchte der Herr die Bedeutung seiner Worte zu veranschaulichen. Er forderte Jeremia auf, das Schicksal des Volkes mit dem Leeren eines Bechers zu vergleichen, der mit dem Wein des göttlichen Zorns angefüllt ist. Zu den Ersten, die aus diesem Leidenskelch trinken sollten, gehörten "Jerusalem und die Städte in Juda - samt ihren Königen und führenden Männern". Danach kam "der Pharao, der König Ägyptens, mit seinem ganzen Hof und seinen Fürsten, mit all seinem Volk" an die Reihe und viele andere Nationen - bis Gottes Absicht erfüllt war (Jeremia 25,18.19 GNB).

Um die Art des bevorstehenden Strafgerichts noch deutlicher zu machen, bekam der Prophet den Auftrag: "Wähle einige von den Ältesten des Volkes und von den angesehensten Priestern als Zeugen aus und geh mit ihnen durchs Scherbentor hinaus ins Hinnom-Tal." (Jeremia 19,1b.2a GNB) Dort sollte der Diener Gottes unter Hinweis auf den Abfall von Juda einen Tonkrug zerschmettern und in Vollmacht verkünden: "Ich zerschlage dieses Volk und diese Stadt, wie man Tongeschirr in Scherben schlägt, sodass es sich nicht mehr zusammenkitten lässt." (Jeremia 19,11a GNB)

Der Prophet tat, was ihm befohlen war. Nachdem er in die Stadt zurückgekehrt war, stellte er sich in den Tempelhof und erklärte in Gegenwart des ganzen Volkes: "So spricht der Herr, der Herrscher der Welt, der Gott Israels: ›Ich bringe über die Stadt Jerusalem und die Städte in Juda all das Unglück, das ich ihnen angedroht habe; denn sie haben sich hartnäckig geweigert, auf meine Worte zu hören.‹" (Jeremia 19,15 GNB)

Doch die Prophetenworte führten nicht zum Sündenbekenntnis und zur Reue, sondern erregten den Zorn der Machthaber, sodass sie Jeremia gefangen setzten. Eingekerkert und in den Stock gespannt erreichte der Prophet dennoch die Menschen in seiner Umgebung mit den Botschaften des Himmels. Seine Stimme konnte durch Verfolgung nicht zum Schweigen gebracht werden. Das Wort der Wahrheit, so sagte er, "brennt ... in mir wie ein rasendes Feuer. Und so sehr ich mich mühe, es zu ertragen: Ich kann es einfach nicht!" (Jeremia 20,9 NLB).

Die Verbrennung Der Schriftrolle Jeremias

Um diese Zeit kam der Befehl des Herrn zur Niederschrift der Botschaften, die er denen mitteilen wollte, nach deren Rettung sich sein mitleidiges Herz sehnte. "Nimm eine Schriftrolle", forderte der Herr seinen Diener auf, "und schreibe alle Worte auf, die ich zu dir über Israel, Juda und die anderen Völker geredet habe. Beginn mit der ersten Botschaft aus der Zeit Josias und schreib alles auf, was ich dir bis zum heutigen Tag gesagt habe. Vielleicht nehmen die Männer Judas dann das Unheil ernst, das ich ihnen angedroht habe, und kehren von ihren bösen Wegen um, damit ich ihnen ihre Schuld und ihre bösen Taten vergeben kann" (Jeremia 36,2.3 NLB).

Jeremia gehorchte und rief dafür einen treuen Freund, den Schreiber Baruch, zu Hilfe. Dem diktierte er "alle Weissagungen, die der Herr ihm gegeben hatte" (Jeremia 36,4 NLB). Sorgfältig auf eine Pergamentrolle geschrieben, bildeten sie eine ernste Verurteilung der Sünden, warnten vor den sicheren Folgen des fortwährenden Abfalls und rieten dringend zur Absage an alles Böse.

Als die Aufzeichnung vollendet war, sandte Jeremia, der noch ein Gefangener war, Baruch los, um die Schriftrolle der Menge vorzulesen, die sich aus Anlass eines nationalen Fastentages "im neunten Monat des fünften Jahres der Herrschaft König Jojakims" beim Tempel versammelt hatte. Der Prophet begründete dies mit den Worten: "Vielleicht flehen sie dann zum Herrn um Gnade und kehren von ihren falschen Wegen um. Denn der Zorn und die Erbitterung des Herrn sind groß, mit denen er diesem Volk gedroht hat." (Jeremia 36,9.7 NLB)

Baruch gehorchte und "las der versammelten Menge die Worte Jeremias im oberen Tempelhof vor" (Jeremia 36,10 GNB). Danach wurde er vor die Fürsten gerufen, damit er auch ihnen die Worte vorlas. Sie hörten mit großem Interesse zu und versprachen, den König über alles Gehörte zu unterrichten. Sie rieten jedoch dem Schreiber, sich zu verbergen, denn sie fürchteten, der König werde das Zeugnis verwerfen und die daran Beteiligten töten.

Als die Fürsten König Jojakim von Baruchs Lesung erzählten, ordnete er sofort an, die Buchrolle zu ihm zu bringen und in seiner Gegenwart zu verlesen. Ein königlicher Diener namens Jehudi holte die Rolle und begann, die Worte des Tadels und der Warnung zu verlesen. Es war Winterzeit, und der König und seine Minister saßen um ein offenes Feuer und hörten zu. Schon bald unterbrach Jojakim wutentbrannt die Lesung. "Jedes Mal, wenn Jehudi drei oder vier Spalten gelesen hatte, schnitt der König diese mit einem Schreibermesser von der Schriftrolle ab und warf den Abschnitt in die Flammen, bis schließlich die gesamte Rolle vernichtet war." (Jeremia 36,23 NLB) Er war weit davon entfernt, wegen der Gefahr, die ihm und seinem Volk drohte, zu zittern.

"Weder der König noch seine Minister erschraken, als Jehudi diese Worte verlas. Sie zerrissen auch nicht ihre Kleider vor Trauer oder Scham." Obwohl einige Fürsten "den König eindringlich [baten], die Rolle unter keinen Umständen zu vernichten", hörte er nicht auf sie. Sein Zorn richtete sich gegen Jeremia und Baruch, und er befahl ihre Verhaftung. "Doch der Herr hielt sie versteckt" (Jeremia 36,24-26 NLB).

Gott hatte die Anbeter im Tempel, die Fürsten und den König auf die in der Buchrolle enthaltenen Ermahnungen aufmerksam gemacht, um die Menschen in Juda auf diese Weise gnädig zu ihrem Besten zu warnen. "Wenn die Bewohner Judas von dem Unheil hören, das ich über sie bringen will, werden sie vielleicht von ihren falschen Wegen umkehren und ihr Leben ändern." (Jeremia 36,3 Hfa) Gott tun Menschen Leid, die sich in der Verblendung ihrer Verderbtheit abkämpfen. Er möchte ihren getrübten Verstand durch Zurechtweisungen und Drohungen erleuchten, damit die Hochgestellten ihre Unwissenheit spüren und ihre Irrtümer beklagen. Er möchte den Selbstgefälligen helfen, damit sie mit ihren eingebildeten Errungenschaften unzufrieden werden und durch eine enge Verbindung mit dem Himmel geistliche Segnungen erstreben.

Gott sendet keine Boten, die den Sündern schmeicheln und gefallen. Der Herr lässt keine Friedensbotschaften verkündigen, um durch sie ungeheiligte Menschen in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen. Stattdessen legt er dem Gewissen des Sünders schwere Bürden auf und durchbohrt sein Inneres mit den scharfen Pfeilen des Schuldbewusstseins. Dienende Engel führen ihm die furchtbaren Gerichte Gottes vor Augen, um das Gefühl für seine Not zu vertiefen und ihn zum Ruf zu veranlassen: "Was muss ich tun, um gerettet zu werden?" (Apostelgeschichte 16,30 NLB) Aber die Hand, die bis in den Staub erniedrigt, Sünde straft und Stolz und Ehrgeiz zuschanden macht, richtet zugleich auch den Reuigen und Wundgeschlagenen wieder auf. Mit tiefstem Mitgefühl fragt derselbe, der die Züchtigung zulässt: "Was soll ich für dich tun?" (Lukas 18,41 NLB)

Wenn der Mensch gegen den heiligen und barmherzigen Gott gesündigt hat, kann er nichts Besseres tun, als seine Irrwege aufrichtig zu bereuen und vor ihm weinend und zerknirscht zu bekennen. Das erwartet Gott von ihm. Er nimmt nur ein "zerschlagenes Herz" und einen "zerbrochenen Geist" an (Psalm 51,19 Elb.).

Die Gerichtsankündigung Über Jojakim

König Jojakim und seine Fürsten wiesen jedoch vor lauter Hochmut und Stolz die Einladung Gottes zurück. Sie wollten sich nicht warnen lassen und nicht bereuen. Mit dem Verbrennen der heiligen Schrift wiesen sie Gottes letztes Gnadenangebot zurück. Gott hatte erklärt: Falls sie dieses Mal seine Stimme missachteten, würde er schreckliche Vergeltung üben. Sie weigerten sich, auf ihn zu hören; und er verkündigte seine endgültige Gerichtsentscheidung über Juda. Sein besonderer Zorn werde den Mann heimsuchen, der sich stolz gegen den Allmächtigen erhoben hat.

"Deshalb spricht der Herr über König Jojakim von Juda: ›Keiner seiner Nachkommen wird ihm auf dem Thron Davids nachfolgen. Sein Leichnam soll unbegraben hingeworfen werden und der Hitze des Tages genauso schutzlos ausgesetzt sein wie dem Frost in der Nacht. Ich will ihn, seine Nachkommen und alle seine Handlanger für ihre bösen Taten bestrafen. Über sie, die Bewohner Jerusalems und alle Männer von Juda soll das Unheil hereinbrechen, das ich ihnen angekündigt habe.‹" (Jeremia 36,30.31 NLB)

Eine Neue Schriftrolle

Mit dem Verbrennen der Schriftrolle war die Angelegenheit jedoch nicht erledigt. Die geschriebenen Worte konnte man leichter beseitigen als die Zurechtweisungen und Warnungen, die sie enthielten, und als das schnell herannahende Strafgericht, das Gott über das rebellische Volk Israel ausgesprochen hatte. Aber sogar die Schriftrolle wurde neu erstellt: "Nimm dir eine neue Schriftrolle", befahl der Herr seinem Diener, "und schreibe auf sie alle vorigen Worte, die auf der ersten Schriftrolle standen, die Jojakim, der König von Juda, verbrannt hat." (Jeremia 36,28) Die erste Niederschrift der Weissagungen über Juda und Jerusalem war zwar zu Asche geworden, aber die Worte lebten im Herzen von Jeremia weiter "wie ein brennendes Feuer" (Je- remia 20,9b). "Da nahm Jeremia eine neue Rolle und diktierte seinem Schreiber Baruch alle Botschaften noch einmal. Dieser schrieb alles genau so auf, wie es Jeremia vorsagte und wie es in der Rolle gestanden hatte, die König Jojakim im Feuer hatte verbrennen lassen. Doch diesmal fügte Jeremia noch weitere, ähnliche Worte hinzu." (Jeremia 36,32 NLB) Menschliche Wut hatte die Arbeit des Propheten zu vereiteln versucht. Aber gerade das Mittel, mit dem Jojakim den Einfluss des Dieners von Jahwe hatte einschränken wollen, bot eine weitere Möglichkeit, Gottes Forderungen zu verdeutlichen.

Gottes Diener Sollen Auch Bei Widerstand Treu Sein

Dieser Geist der Auflehnung gegen Tadel, der Jeremia Verfolgung und Gefängnis einbrachte, lebt heute noch. Viele weigern sich, wiederholte Warnungen zu beachten, und hören lieber auf Irrlehrer, die ihrer Eitelkeit schmeicheln und ihre Übeltaten übersehen. In schwierigen Zeiten werden solche Menschen keine Zuflucht und Hilfe bei Gott finden.

Gottes erwählte Diener sollten mutig und geduldig alle Prüfungen und Leiden ertragen, die durch Vorwürfe, Geringschätzung oder Verdrehung ihrer Worte über sie kommen. Sie sollten weiterhin treu die Aufgabe erfüllen, die Gott ihnen gegeben hat, und immer daran denken, dass auch die Propheten vor alters und der Erlöser der Welt und dessen Apostel Beschimpfungen und Verfolgungen um des Wortes Gottes willen erduldet haben.

Jojakims Verpasste Chance

Wenn Jojakim nach Gottes Absicht die Ratschläge von Jeremia beherzigt hätte, würde er Nebukadnezars Gunst erlangt und sich selbst viel Kummer erspart haben. Der junge König hatte dem babylonischen Herrscher Untertanentreue geschworen. Wäre er darin treu geblieben, hätte er die Achtung der Heidenvölker gewonnen. Dies wiederum hätte wertvolle Gelegenheiten zur Bekehrung von Menschen geboten.

Der König von Juda verachtete jedoch die außergewöhnlichen Vorrechte, die ihm gewährt wurden, und verfolgte hartnäckig seinen eigenen Weg. Er lehnte sich gegen den babylonischen Herrscher auf und brach damit sein Ehrenwort. Dadurch wurde alles noch schlimmer. "Umherstreifende Truppen der Chaldäer, der Syrer, der Moabiter und der Ammoniter" wurden vom Herrn gegen ihn entsandt (2. Könige 24,2 GNB), und er war machtlos, sein Land davor zu bewahren, von diesen Räuberheeren überrannt zu werden. Schon nach wenigen Jahren wurde seiner unseligen Herrschaft ein schmähliches Ende gesetzt. Er war vom Himmel verworfen, unbeliebt bei seinem Volk und von den Herrschern Babylons verachtet, deren Vertrauen er missbraucht hatte. Dies war die Folge seines verhängnisvollen Fehlers, sich von dem Plan Gottes abzuwenden, der durch seinen berufenen Boten offenbart worden war.

Jojachin (auch unter dem Namen Jechonja und Konja bekannt), der Sohn von Jojakim, regierte als Thronfolger nur drei Monate und zehn Tage lang. Dann ergab er sich dem babylonischen Heer, das Jerusalem einmal mehr belagerte, weil sich auch dieser Herrscher aufgelehnt hatte. Dieses Mal führte Nebukadnezar "Jojachin, seine Frauen und den Hofstaat, die Königinmutter und alle führenden Männer Jerusalems als Gefangene nach Babel. Dazu nahm er 7000 Krieger und 1000 Kunsthandwerker und Schmiede mit, alles gesunde und kampferprobte Männer." Zugleich ließ der König von Babylon "alle Schätze aus dem Haus des Herrn und dem Königspalast fortschaffen" (2. Könige 24,15.16.13 NLB).

Die Macht des Königreiches Juda war nun gebrochen, seine Stärke an Männern und Schätzen war dahin; aber trotzdem durfte es seine eigene Regierung behalten. An seine Spitze stellte Nebukadnezar Matthanja, einen jüngeren Sohn von Josia, und gab ihm den Namen Zedekia.