Macht Und Ohnmacht

Kapitel 56

Die Erneuerung Des Bundes

[AUDIO]

Nehemia 8,1 bis 9,6 und 10,29-40.

Das Fest des Posaunenblasens am ersten Tag des siebten Monats war gekommen (vgl. 4. Mose 29,1), und viele hatten sich in Jerusalem versammelt. Das Bild, das sich ihnen bot, war traurig. Die Mauer war zwar wieder aufgebaut, und die Tore waren wiederhergestellt (vgl. Nehemia 7,1), aber ein großer Teil der Stadt lag noch immer in Trümmern.

Eine Holztribüne wurde mitten auf einer der breiteren Straßen aufgebaut. Ringsum sah man die traurigen Mahnmale der glorreichen Vergangenheit Judas. Auf der Tribüne stand Esra - inzwischen ein betagter Mann -, rechts und links neben ihm waren seine levitischen Brüder versammelt. Ihre Blicke schweiften über ein Meer von Köpfen, denn aus dem ganzen umliegenden Land war das Bundesvolk zu dieser Versammlung gekommen. "Esra lobte den Herrn, den großen Gott, und das ganze Volk antwortete: ›Amen! Amen!‹ ... Dann knieten sie sich nieder, und mit dem Gesicht zur Erde beteten sie den Herrn an." (Nehemia 8,6 NLB)

Doch sogar hier gab es Anzeichen der Sünde in Israel. Durch die Mischehen mit Angehörigen anderer Völker war die hebräische Sprache verhunzt worden. Die Sprecher mussten sehr sorgfältig darauf achten, das Gesetz in der Sprache des Volkes so zu erklären, dass es alle verstehen konnten. Mithilfe einiger Priester und Leviten erklärte Esra dem Volk die Grundlagen des Gesetzes Gottes. "Die vorgelesenen Abschnitte übersetzten sie aus dem Hebräischen in die aramäische Umgangssprache und erklärten das Gesetz, damit das Volk es wirklich verstehen konnte." (Nehemia 8,8 Hfa)

Ein Tag Der Freude

"Das ganze Volk hörte der Verlesung des Gesetzbuches aufmerksam zu." (Nehemia 8,3b NLB) Konzentriert und ehrfürchtig hörten die Leute auf die Worte des Höchsten. Als man ihnen das Gesetz erklärte, wurden sie von ihrer Schuld überzeugt und beklagten ihre Übertretungen. Doch dieser Tag war ein Festtag, ein Tag der Freude, eine heilige Zusammenkunft, die das Volk nach dem Willen des Herrn fröhlich und freudig begehen sollte. Deshalb wurden sie gebeten, ihre Trauer zu zügeln und sich zu freuen, weil Gott ihnen Barmherzigkeit erwiesen hatte. "Seid nicht traurig und weint nicht! Heute ist ein heiliger Tag, ein Festtag zur Ehre des Herrn, eures Gottes!", sagte Nehemia. "Geht nun, esst und trinkt! Nehmt das Beste, was ihr habt, und gebt auch denen etwas, die nichts haben. Der heutige Tag ist ein Festtag zur Ehre des Herrn! Macht euch keine Sorgen, denn die Freude am Herrn umgibt euch wie eine schützende Mauer." (Nehemia 8,9b.10 GNB)

Der Vormittag war religiösen Diensten gewidmet, und den übrigen Teil der Zeit verbrachte das Volk damit, in Dankliedern die Segnungen Gottes zu rühmen und die reichen Gaben zu genießen, die er geschenkt hatte. Auch den Armen, die nichts hatten, was sie zubereiten konnten, wurde ein Anteil übergeben. Große Freude herrschte, weil man die Lesung des Gesetzes verstanden hatte.

Am folgenden Tag wurde das Gesetz weiter vorgelesen und erklärt. Zur festgesetzten Zeit - am zehnten Tag des siebenten Monats - führte man nach dem Gebot Gottes die feierlichen Handlungen des großen Versöhnungstages durch (vgl. 3. Mose 16).

Die Feier Des Laubhüttenfestes

Vom 15. bis zum 22. Tag des Monats feierten das Volk und seine Leiter das Laubhüttenfest. Es wurde in allen Städten ausgerufen: "Geht hinaus auf die Berge und holt Ölzweige, Balsamzweige, Myrtenzweige, Palmenzweige und Zweige von Laubbäumen, dass man Laubhütten mache, wie es geschrieben steht. Und das Volk ging hinaus und holte sie und machte sich Laubhütten, ein jeder auf seinem Dach und in seinem Hof und in den Vorhöfen am Hause Gottes ... Und es war eine sehr große Freude. Und es wurde jeden Tag aus dem Buch des Gesetzes Gottes vorgelesen, vom ersten Tag an bis zum letzten." (Nehemia 8,15-18)

Während die Versammelten Tag für Tag den Worten des Gesetzes gelauscht hatten, waren ihnen ihre eigenen Übertretungen und die Sünden der vergangenen Geschlechter zum Bewusstsein gekommen. Sie erkannten, dass ihnen der Herr wegen ihres Abfalls seine schützende Fürsorge entzogen hatte und die Nachkommen Abrahams in fremde Länder zerstreut worden waren. Sie entschlossen sich, ihn um Gnade zu bitten und zu geloben, nach seinen Geboten zu leben. Ehe sie jenen feierlichen Gottesdienst begannen, der am zweiten Tag nach dem Ende des Laubhüttenfestes stattfinden sollte, trennten sie sich von den Heiden unter ihnen.

Die Erneuerung Des Bundes

Als das Volk niederfiel und vor dem Herrn seine Sünden bekannte und um Vergebung flehte, ermutigten die Leiter die Versammelten, darauf zu vertrauen, dass Gott ihre Gebete erhört, wie er es verheißen hatte. Sie sollten aber nicht um ihrer Sünden willen klagen und weinen und sie bereuen, sondern auch glauben, dass ihnen Gott vergeben hat. Ihren Glauben sollten sie dadurch zeigen, dass sie gemeinsam von den barmherzigen Taten des Herrn sangen und ihn für seine Güte priesen. "Auf, preist den Herrn, euren Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit!", sagten ihre Lehrer (Nehemia 9,5 GNB).

Darauf ertönte aus der versammelten Menge, die dabei ihre Hände zum Himmel erhob, ein Lied: "Dein großer Name, Herr, sei gepriesen!

Alles Preisen und Rühmen der Menschen reicht nicht an ihn heran. Du, Herr, allein bist Gott! Du hast den Himmel geschaffen, die Himmelswelt mit dem Heer der Engel. Du hast die Erde und das Meer geschaffen und alle Geschöpfe, die dort leben. Ihnen allen hast du das Leben geschenkt, und die Himmelsmächte beten dich an!" (Nehemia 9,6 GNB)

Nach dem Lobgesang schilderten die Leiter den Versammelten die Geschichte Israels und zeigten, wie groß Gottes Güte seinen Kindern gegenüber und wie groß ihre Undankbarkeit gewesen war. Dann schloss die Gemeinde einen Bund, indem sie versprach, alle Gebote Gottes zu halten. Sie hatten die Strafe für ihre Sünden erlitten. Nun erkannten sie an, dass Gott gerecht an ihnen gehandelt hatte, und gelobten, seinem Gesetz zu gehorchen.

Damit dies "eine bindende Verpflichtung" blieb und in dauerhafter Form zur Erinnerung an diesen eingegangenen Bund aufbewahrt werden konnte, wurde sie aufgeschrieben und von den Priestern, Leviten und Fürsten unterzeichnet (Nehemia 10,1 GNB). Dies sollte sie an ihre Pflichten erinnern und als Schranke gegen Versuchungen dienen.

Heilige Versprechen

Das Volk legte einen feierlichen Eid ab, "sich an das Gesetz zu halten, das Gott uns durch Mose, seinen Bevollmächtigten, gegeben hat, und alle Gebote, Vorschriften und Anweisungen des Herrn, unseres Gottes, zu befolgen" (Nehemia 10,30 GNB). In ihrem Eid eingeschlossen war auch das Versprechen, keine Mischehen mit den heidnischen Bewohnern einzugehen.

Noch vor Ablauf dieses Fastentages legte das Volk ferner das Versprechen ab, seine Umkehr zum Herrn auch dadurch unter Beweis zu stellen, dass es den Sabbat nicht mehr entweihen wollte. Erst später setzte Nehemia seine Autorität ein, um heidnische Händler davon abzuhalten, am Sabbat nach Jerusalem zu kommen (vgl. Nehemia 13,15-22). Aber im Bestreben, das Volk vor der Versuchung zu bewahren, verpflichtete er es durch einen feierlichen Bund, das Sabbatgebot nicht durch Einkäufe bei diesen Händlern zu übertreten. Nehemia hoffte, dass dies die Händler entmutigen und ihre Geschäftemacherei beenden würde.

Es wurden auch Vorkehrungen zur Förderung der öffentlichen Gottesdienste getroffen. Die Versammelten verpflichteten sich, zusätzlich zum Zehnten jährlich eine festgesetzte Summe für den Dienst im Heiligtum aufzubringen. Sie verpflichteten sich weiter: "Wir werden Jahr für Jahr den ersten Teil des Ertrags unserer Äcker und die ersten Früchte unserer Obstbäume zum Haus des Herrn bringen. Wir werden unsere ältesten Söhne und die Erstgeborenen aller unserer Tiere aus den Schaf-, Ziegen- und Rinderherden, wie es das Gesetz vorschreibt, zu den Priestern bringen, die im Haus unseres Gottes Dienst tun." (Nehemia 10, 36.37 NLB)

Die Israeliten waren in tiefer Trauer über ihre Abtrünnigkeit zu Gott zurückgekehrt. Unter Tränen und Klagen hatten sie ihre Sünden eingestanden. Sie hatten anerkannt, dass Gott gerecht mit ihnen verfahren war. Sie gelobten, seinem Gesetz zu gehorchen. Nun mussten sie ihr Vertrauen in Gottes Verheißungen bekunden. Gott hatte ihre Reue angenommen. Von nun an konnten sie sich in der Gewissheit freuen, dass ihre Sünden vergeben waren und sie wieder in Gottes Gunst standen.

Nehemias Bemühungen, die Anbetung des wahren Gottes wiederherzustellen, waren von Erfolg gekrönt. Solange das Volk dem geleisteten Eid treu blieb und dem Wort Gottes gehorchte, würde der Herr seine Verheißung erfüllen und es mit reichen Segnungen überschütten.

Eine Ermutigung Für Reumütige Sünder

Für Menschen, die sich ihrer Sünde bewusst und von einem Gefühl ihrer Unwürdigkeit bedrückt sind, enthält dieser Bericht Lehren des Glaubens und der Ermutigung. Die Bibel stellt die Folgen des Abfalls in Israel wahrheitsgetreu dar. Aber sie schildert auch die tiefe Demütigung und Reue, die ernste Hingabe in der freigebigen Opferbereitschaft zu Zeiten ihrer Rückkehr zum Herrn.

Jede echte Hinwendung zum Herrn bringt bleibende Freude ins Leben. Wenn sich ein Sünder dem Einfluss des Heiligen Geistes öffnet, erkennt er seine eigene Schuld und Unreinheit im Unterschied zur Heiligkeit dessen, der in sein Herz schaut. Als Übertreter der Gebote sieht er sich als ein Verurteilter. Er braucht sich deshalb aber nicht der Verzweiflung zu überlassen, denn seine Vergebung ist schon gesichert. Er darf sich in dem Bewusstsein freuen, dass ein liebender himmlischer Vater seine Sünden vergeben hat. Es ist Gottes Ruhm, sündhafte und reumütige Menschen in seine liebevollen Arme zu schließen, ihre Wunden zu verbinden, sie von der Sünde zu reinigen und ihnen "die Kleider des Heils" anzuziehen (Jesaja 61,10b).