Wie Alles Begann

Kapitel 17

Jakobs Flucht Und Verbannung

[AUDIO]

1. Mose 27,41 bis 32,1.

Weil Esau so wütend war, dass er seinen Bruder umzubringen drohte, musste Jakob aus dem Heim seines Vaters fliehen. Aber dessen Segen nahm er mit sich, denn Isaak hatte die an den Bund geknüpften Verheißungen ihm gegenüber erneuert und ihm als deren Erben aufgetragen, sich aus der Verwandtschaft seiner Mutter in Mesopotamien eine Frau zu suchen. Schweren Herzens machte sich Jakob auf seine einsame Wanderung. Nur mit seinem Stock in der Hand musste er Hunderte von Kilometern durch ein Land ziehen, das von wilden Räuberstämmen bewohnt war. Vor lauter Gewissensbissen und aus Angst versuchte er, den Menschen aus dem Weg zu gehen, damit sein aufgebrachter Bruder ihm nicht auf die Spur kam. Er befürchtete, den Segen, den Gott ihm zugedacht hatte, für immer verloren zu haben. Und sofort war Satan zur Stelle, um ihm mit seinen Versuchungen zuzusetzen.

Am Abend des zweiten Tages war er schon ziemlich weit von den Zelten seines Vaters entfernt. Er fühlte sich als Ausgestoßener, und ihm war bewusst, dass sein eigenes Fehlverhalten diese Probleme verursacht hatte. Tiefe Verzweiflung überkam ihn. Er wagte kaum zu beten. Aber er fühlte sich so einsam, dass er die Notwendigkeit des Schutzes durch Gott so deutlich wie nie zuvor verspürte. Unter Tränen und tief gedemütigt bekannte er seine Sünde und flehte um ein Zeichen, dass er nicht gänzlich verlassen sei. Doch noch immer fand sein belastetes Gewissen keine Erleichterung. Er hatte sein ganzes Selbstvertrauen verloren und befürchtete, dass ihn der Gott seiner Väter verstoßen habe.

Aber Gott verließ Jakob nicht. Seine Gnade galt immer noch seinem schuldig gewordenen, kleingläubigen Diener. In seiner Barmherzigkeit offenbarte ihm der Herr genau das, was Jakob brauchte - einen Erlöser. Er hatte gesündigt, aber tiefe Dankbarkeit kam in ihm auf, als ihm ein Weg aufgezeigt wurde, auf dem er mit Gott wieder ins Reine kommen konnte.

Der Traum Von Der Himmelsleiter

Müde von der Reise legte sich der Wanderer auf die Erde, mit einem Stein als Kopfkissen. Im Schlaf sah er eine helle, glänzende Leiter, deren unteres Ende auf der Erde stand, während ihre Spitze bis an den Himmel reichte. Auf dieser Leiter stiegen Engel auf und nieder, und darüber war der Herr der Herrlichkeit zu sehen. Aus dem Himmel ertönte seine Stimme: "Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott." (1. Mose 28,13) Das Land, auf dem er als Flüchtling und Verbannter ruhte, wurde ihm und seinen Nachkommen zugesichert, zusammen mit dem Versprechen: "Durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden." (1. Mose 28, 14) Diese Zusage war schon Abraham und Isaak gegeben worden, und nun wurde sie gegenüber Jakob erneuert. Bezüglich seiner gegenwärtigen Einsamkeit und seines Kummers hörte Jakob die tröstenden und ermutigenden Worte: "Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dieses Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe." (1. Mose 28,15)

Der Herr kannte die schlechten Einflüsse in Jakobs künftiger Umgebung und auch die Gefahren, denen er ausgesetzt sein würde. In seiner Gnade enthüllte Gott vor dem reuevollen Sünder die Zukunft, damit dieser die göttliche Absicht mit ihm begriff und vorbereitet war, den Versuchungen zu widerstehen, die sicher auf ihn zukämen, wenn er - auf sich allein gestellt - von Götzendienern und durchtriebenen Männern umgeben sein würde. Er sollte immer den hohen Maßstab vor Augen haben, den es anzustreben gilt. Dabei würde ihn das Wissen, dass durch ihn Gottes Absicht erfüllt wird, beständig antreiben, Gott treu zu bleiben.

In diesem Traum wurde Jakob der Erlösungsplan gezeigt - zwar nicht im vollen Umfang, aber so viel, wie für ihn zu der Zeit erforderlich war. Auf diese geheimnisvolle Leiter, die Jakob im Traum sah, bezog sich später Christus in seinem Gespräch mit Nathanael, als er sagte: "Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn." (Johannes 1,51) Bevor sich der Mensch gegen Gottes Herrschaft auflehnte, konnte er direkt mit Gott sprechen. Aber die Sünde, die Adam und Eva begingen, bewirkte die Trennung der Erde vom Himmel, sodass der Mensch kein direktes Gespräch mehr mit seinem Schöpfer führen konnte. Doch Gott überließ die Welt nicht ihrer hoffnungslosen Einsamkeit. Die Leiter stellte Jesus Christus dar, den von Gott bestimmten Mittler. Hätte er nicht durch seine eigenen Verdienste den Abgrund überwunden, welchen die Sünde verursacht hatte, hätten auch die Engel keine Verbindung mit der gefallenen Menschheit aufnehmen können. Christus verbindet den schwachen und hilflosen Menschen mit Gott, der unerschöpflichen Kraftquelle.

Das alles wurde Jakob in seinem Traum gezeigt. Einen Teil dieser Offenbarung begriff er sofort, aber mit deren großen, geheimnisvollen Wahrheiten beschäftigte er sich sein Leben lang. Nach und nach lernte er sie immer besser verstehen.

In der tiefen Stille der Nacht erwachte Jakob vom Schlaf. Die glänzenden Gestalten, die er in seiner Vision gesehen hatte, waren verschwunden. Nur die matten Umrisse der einsamen Berge und über ihnen der helle Sternenhimmel erreichten seine Augen. Doch er spürte deutlich, dass Gott bei ihm war, denn dessen unsichtbare Gegenwart füllte die Einsamkeit. "Der Herr ist an diesem Ort, und ich habe es nicht gewusst", sagte Jakob. "Hier ist das Haus Gottes - das Tor zum Himmel!" (1. Mose 28,16.17 NLB).

Jakobs Zeichen Seiner Dankbarkeit

"Am nächsten Morgen stand er in aller Frühe auf. Er nahm den Stein, den er als Kissen benutzt hatte, und stellte ihn als Gedenkstein auf. Dann goss er Öl über seine Spitze." (1. Mose 28,18 NLB) In Übereinstimmung mit dem Brauch, wichtiger Ereignisse zu gedenken, errichtete Jakob einen Stein, der an Gottes Gnade erinnern sollte. Wann immer er an diesem heiligen Ort vorbeikäme, wollte er hier verweilen und Gott anbeten. Er nannte den Platz "Bethel", das heißt "Haus Gottes". In tiefer Dankbarkeit wiederholte er für sich das Versprechen, dass Gott mit ihm sein werde. Dann legte er das feierliche Gelübde ab: "Wird Gott mit mir sein und mich behüten auf dem Weg, den ich reise, und mir Brot zu essen geben und Kleider anzuziehen und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, so soll der Herr mein Gott sein. Und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal, soll ein Gotteshaus werden; und von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben." (1. Mose 28,20-22)

Jakob versuchte hier keineswegs, mit Gott einen Handel abzuschließen. Der Herr hatte ihm ja bereits den Wohlstand zugesagt. Dieses Gelöbnis drückte lediglich seine große Dankbarkeit für die Zusicherung aus, dass ihn weiterhin Gottes Liebe und Barmherzigkeit begleiten werden. Jakob verstand, dass Gott Ansprüche an ihn stellte, die er anerkennen musste, weil die außergewöhnlichen Gnadenerweise, die er von Gott erhalten hatte, eine Gegengabe verlangten. So ruft uns in der Tat jeder empfangene Segen zur Antwort an den Geber aller guten Gaben auf. Ein Christ sollte oft sein vergangenes Leben vor seinem geistigen Auge Revue passieren lassen und sich an die kostbaren Erfahrungen erinnern, wie ihm Gott in Schwierigkeiten und Anfechtungen beistand, wie sich Türen öffneten, als alles dunkel und bedrohlich aussah, oder wie er neue Kraft erhielt, als er im Begriff stand, zusammenzubrechen. All dies soll ein Christ als Beweis dafür ansehen, dass Gottes Engel fürsorglich über ihm wachen. Angesichts dieser unzähligen Segnungen sollte er sich immer wieder demütig und dankbar fragen: "Was kann ich dem Herrn geben für alles, was er für mich getan hat?" (Psalm 116,12 NLB)

Unsere Zeit, unsere Gaben und unser Besitz sollten Gott geweiht sein, weil er uns diese Segnungen anvertraut hat. Wann immer wir eine außergewöhnliche Erfahrung gemacht haben oder uns unerwartete Hilfe zuteil geworden ist, sollten wir Gottes Güte anerkennen, aber nicht nur mit Worten, sondern wie Jakob mit Opfern und Gaben für sein Werk. So wie wir beständig die Segnungen von Gott empfangen, sollten wir auch ihm beständig etwas geben.

"Von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben", sagte Jakob (1. Mose 28,22). Sollten wir, die wir die volle Erkenntnis und alle Vorrechte des Evangeliums genießen, uns damit begnügen, Gott weniger zurückzugeben als die Menschen damals, die in einem weniger begünstigten Zeitalter lebten? Sind nicht unsere Verpflichtungen größer, weil auch die Segnungen größer sind, die wir erhalten? Aber wie gering schätzt man sie ein! Wie töricht ist doch das Bemühen, unsere Zeit, unser Geld und unsere Liebe mit geradezu mathematischer Genauigkeit gegen Gottes unermessliche Liebe und gegen sein Geschenk von unbegreiflichem Wert aufzurechnen! Der Zehnte für Christus! Was für eine dürftige, ja beschämende Erwiderung für etwas, was so viel gekostet hat! Vom Kreuz auf Golgatha ruft Christus zu rückhaltloser Hingabe auf. Alles, was wir haben, alles, was wir sind, sollte Gott geweiht sein.

Jakobs Dienst Als Brautpreis

Mit neuem, beständigem Vertrauen auf Gottes Zusagen und in der Gewissheit der Gegenwart und Obhut himmlischer Engel "machte sich Jakob auf den Weg und ging in das Land, das im Osten liegt" (1. Mose 29,1). Aber wie so ganz anders verlief seine Ankunft, wenn man sie mit der des Boten Abrahams vergleicht, die nahezu 100 Jahre zuvor stattgefunden hatte! Der Knecht Elieser war damals mit einem Tross von Begleitern auf Kamelen gekommen und hatte zahlreiche Geschenke aus Gold und Silber mitgebracht. Isaaks Sohn jedoch kam als einsamer Wanderer, mit wunden Füßen, und besaß nichts außer seinem Stock. Wie Abrahams Diener wartete Jakob an einer Quelle. Dort traf er Rahel, Labans jüngere Tochter. Diesmal war es Jakob, der bereit war zu dienen: Er wälzte den Stein vom Brunnen und tränkte die Herden. Als er sich als Verwandter zu erkennen gab, wurde er im Hause Labans willkommen geheißen. Obwohl er allein und ohne Vermögen angekommen war, erkannte man schon nach wenigen Wochen, wie wertvoll sein Fleiß und seine Geschicklichkeit waren. Deshalb bat ihn Laban zu bleiben und vereinbarte mit ihm, dass er sieben Jahre lang für Laban arbeiten sollte. Dann könne er Rahel heiraten.

In früheren Zeiten verlangte es der Brauch, dass der Bräutigam vor Abschluss des Ehevertrages dem Schwiegervater eine Geldsumme oder deren Gegenwert in Naturalien bezahlen musste, die seinen Verhältnissen entsprach. Das war eine Art Absicherung der Ehebeziehung. Den Vätern erschien es zu unsicher, das Glück ihrer Töchter Männern anzuvertrauen, die nicht für den Unterhalt einer Familie vorgesorgt hatten. Waren sie zu wenig sparsam oder besaßen sie nicht genügend Tatkraft, einen Beruf auszuüben oder Vieh und Land zu erwerben, befürchtete man, sie würden im Leben versagen. Aber es gab eine Regelung, um diejenigen einer Prüfung zu unterziehen, die keinen Brautpreis bezahlen konnten. Man gestattete ihnen, für den Vater zu arbeiten, dessen Tochter sie liebten. Die Länge der Dienstzeit wurde nach der Höhe des verlangten Brautpreises bemessen. War der Bewerber in seinem Dienst treu und erwies er sich auch in anderer Hinsicht als würdig, erhielt er die Tochter zur Frau. Gewöhnlich gab der Vater seiner Tochter die erhaltene Heiratsgabe mit in die Ehe. Im Fall von Rahel und Lea allerdings behielt Laban den Brautpreis selbstsüchtig für sich. Darauf nahmen seine Töchter auch kurz vor ihrer Abreise aus Mesopotamien Bezug, als sie sagten: "Er hat uns verkauft und unseren Kaufpreis verzehrt." (1. Mose 31,15)

Diese uralte Sitte hatte ihr Gutes, wenn sie auch - wie im Fall Labans - manchmal missbraucht wurde. Musste der Freier erst seinen Dienst leisten, um die Braut heiraten zu können, verhinderte man damit eine übereilte Eheschließung. Dadurch ergab sich die Gelegenheit, sowohl die Echtheit seiner Gefühle als auch seine Fähigkeit, eine Familie zu ernähren, zu prüfen. Weil man heutzutage das genaue Gegenteil tut, erlebt man oft schlimme Folgen. Recht oft haben Personen vor der Heirat nicht ausreichend Gelegenheit, die Lebensgewohnheiten und Eigenarten des anderen kennenzulernen. Was ihr Alltagsleben betrifft, sind sie sich tatsächlich noch fremd, wenn sie am Altar das Jawort sprechen. Viele entdecken zu spät, dass sie nicht zueinander passen. Das Ergebnis ihrer Verbindung ist dann Elend das ganze Leben lang. Wie oft leiden Frauen und Kinder unter der Faulheit, der Unfähigkeit oder den schlechten Gewohnheiten ihres Mannes bzw. Vaters. Hätte man wie in alten Zeiten den Charakter des Bewerbers vor der Heirat besser unter die Lupe genommen, wäre viel Unglück verhindert worden.

"So diente Jakob um Rahel sieben Jahre, und es kam ihm vor, als wären es einzelne Tage, so lieb hatte er sie." (1. Mose 29,20) Aber der selbstsüchtige und habgierige Laban wollte auf einen so wertvollen Gehilfen nicht verzichten. Deshalb griff er zu einer herzlosen und gemeinen List: Er gab ihm Lea statt Rahel zur Frau.112 Die Tatsache, dass sich Lea zu diesem Betrug hergab, bewirkte bei Jakob das Gefühl, sie nicht lieben zu können. Seinem entrüsteten Vorwurf begegnete Laban mit dem Angebot, ihm auch Rahel zur Frau zu geben - für sieben weitere Dienstjahre. Der Vater bestand aber darauf, dass Lea nicht zurückgewiesen werden durfte, weil das Schande für die Familie bedeutet hätte. Dadurch geriet Jakob in eine schmerzliche und verzwickte Lage. Schließlich entschloss er sich, Lea zu behalten und auch Rahel zu heiraten. Rahel blieb immer seine große Liebe. Diese Bevorzugung aber rief Neid und Eifersucht hervor. Die Gegnerschaft zwischen den beiden Schwestern und Ehefrauen machte ihm das Leben schwer.

20 Jahre Hirtendienst Für Laban

20 Jahre lang blieb Jakob in Mesopotamien und arbeitete für Laban. Dieser missachtete die verwandtschaftlichen Beziehungen und war nur darauf bedacht, den bestmöglichen Nutzen aus ihrer Verbindung zu ziehen. 14 mühselige Dienstjahre forderte er für beide Töchter, und in der restlichen Zeit veränderte er Jakobs Lohn zehnmal. Trotzdem diente ihm Jakob fleißig und treu. In seinem letzten Gespräch mit Laban schilderte er anschaulich, wie er sich mit unermüdlicher Wachsamkeit für die Belange seines anspruchsvollen Herrn eingesetzt hatte: "Zwanzig Jahre bin ich bei dir gewesen, deine Schafe und Ziegen haben keine Fehlgeburt gehabt; die Widder deiner Herde hab ich nie gegessen; was die wilden Tiere zerrissen, brachte ich dir nicht, ich musste es ersetzen; du fordertest es von meiner Hand, es mochte mir des Tages oder des Nachts gestohlen sein. Des Tages kam ich um vor Hitze und des Nachts vor Frost, und kein Schlaf kam in meine Augen." (1. Mose 31,38-40)

Ein Hirte musste seine Herden Tag und Nacht bewachen. Gefahr drohte ihnen von Räubern und zahlreichen wilden Tieren. Diese richteten in den Herden oft verheerenden Schaden an, wenn sie nicht gewissenhaft gehütet wurden. Jakob standen viele Helfer für die Betreuung der riesigen Herden Labans zur Seite, aber er wurde für alles, was geschah, zur Verantwortung gezogen. Zu gewissen Zeiten im Jahr musste er selbst dauernd bei ihnen sein. Während der Trockenheit musste er sie vor dem Verdursten, in der kalten Jahreszeit bei Nachtfrost vor dem Erfrieren bewahren. Jakob hatte als der leitende Hirte eine Anzahl Knechte als Unterhirten in seinem Dienst. Fehlte eines der Schafe, hatte der leitende Hirte den Verlust zu tragen. Deshalb zog er die Knechte, denen er die Pflege der Tiere anvertraut hatte, streng zur Verantwortung, wenn er diese nicht in guter Verfassung vorfand.

Hirten Als Sinnbild Für Christus

Das Bild des fleißigen, fürsorglichen Hirten, dessen ganzes Mitgefühl den anvertrauten hilflosen Geschöpfen gilt, haben die inspirierten Schreiber benutzt, um einige der wichtigsten Wahrheiten des Evangeliums zu verdeutlichen. Christus wird im Hinblick auf sein Volk mit einem Hirten verglichen. Nach dem Sündenfall sah er seine Schafe dazu verurteilt, auf ihren dunklen, sündigen Wegen umzukommen. Um diese Umherstreunenden zu retten, verließ er Ehre und Ruhm, die er im Haus seines Vaters genossen hatte. Er sagte: "Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken." Ich will "meiner Herde helfen, dass sie nicht mehr zum Raub werden soll ... Kein wildes Tier im Land soll sie mehr fressen" (Hesekiel 34,16.22.28). Man hört, wie seine Stimme die Tiere in ihren Pferch zurückruft. "Ein Laubdach wird zum Schatten dienen bei Tag vor der Hitze und als Zuflucht und Obdach vor Wolkenbruch und Regen." (Jesaja 4,6 Elb.) Unermüdlich setzt er sich für seine Herde ein. Er stärkt die Schwachen, hilft den Leidenden, sammelt die Lämmer in seine Arme und trägt sie an seiner Brust. Seine Schafe lieben ihn. "Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen vor ihm; denn sie kennen die Stimme der Fremden nicht." (Johannes 10,5)

Jesus sagte: "Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt setzt sein Leben ein für die Schafe. Der Lohnarbeiter, der nicht Hirt ist, dem die Schafe nicht gehören, der sieht den Wolf kommen und lässt die Schafe im Stich und flieht, und der Wolf reisst und versprengt sie. Er ist eben ein Lohnarbeiter, und ihm liegt nichts an den Schafen. Ich bin der gute Hirt und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich." (Johannes 10,11-14 ZÜ)

Als Oberhirte hat Christus die Pflege seiner Herde den Pastoren, seinen Unterhirten, anvertraut. Er möchte, dass sie mit ihr genauso fürsorglich umgehen, wie er selbst es getan hat. Sie sollen die heilige Verantwortung für den Auftrag erkennen, den er ihnen anvertraut hat. Er hat ihnen feierlich geboten, treu zu sein, die Herde zu weiden, die Schwachen zu stärken, die Müden aufzurichten und sie vor reißenden Wölfen zu schützen. Um seine Schafe zu retten, ließ Christus sein Leben. An dieser Liebe, die er bewiesen hat, sollen sich seine Hirten ein Beispiel nehmen: "Der Lohnarbeiter ... dem die Schafe nicht gehören", hat kein wirkliches Interesse an der Herde. Er arbeitet nur des Geldes wegen und sorgt nur für sich selbst. Er ist auf den eigenen Vorteil bedacht statt auf die Belange seiner Aufgabe. In Zeiten der Gefahr wird er fliehen und die Herde allein lassen.

Der Apostel Petrus ermahnt alle Unterhirten: "Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde." (1. Petrus 5,2.3) Paulus sagte dazu: "So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden." (Apostelgeschichte 20,28.29)

Wer Mühe und Sorge, die zum Dienst des treuen Hirten gehören, als Last empfindet, wird vom Apostel ermahnt: "... nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund." (1. Petrus 5,2.3) Auf untreue Knechte würde der Herr gern verzichten. Die christliche Gemeinde wurde durch das Blut, das Christus vergoss, erkauft. Deshalb sollte sich jeder Hirte bewusst sein, dass die ihm anvertrauten Schafe einen unendlich hohen Preis gekostet haben. Jedes Einzelne von ihnen sollte für ihn von unschätzbarem Wert sein, und unermüdlich sollte er sich um dessen geistliches Wohl kümmern. Der Hirte, der vom Geist, den Christus offenbarte, erfüllt ist, folgt dessen selbstlosem Beispiel. Wie Christus ist auch er ständig um das Wohlergehen seiner Schützlinge bemüht. So wird die Herde unter seiner Fürsorge gedeihen.

Alle werden einmal Rechenschaft von ihrem Dienst ablegen müssen. Der Meister wird jeden Hirten fragen: "Wo ist nun die Herde, die dir befohlen war, deine herrliche Herde?" (Jeremia 13,20) "So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen", versprach der Apostel (1. Petrus 5,4).

Jakob Will Nach Kanaan Zurückkehren

Als Jakob nicht länger gewillt war, mit Laban zusammenzuarbeiten schlug er vor, nach Kanaan zurückzukehren. Er sagte zu seinem Schwieger vater: "Lass mich ziehen und reisen an meinen Ort und in mein Land. Gib mir meine Frauen und meine Kinder, um die ich dir gedient habe, dass ich ziehe; denn du weißt, wie ich dir gedient habe." Aber Laban bat ihn dringend zu bleiben und sagte: "Ich spüre, dass mich der Herr segnet um deinetwillen." (1. Mose 30,25-27) Er wusste genau, wie sein Eigentum unter der Fürsorge seines Schwiegersohnes anwuchs.

Jakob erwiderte: "Du hattest wenig, ehe ich herkam; nun aber ist's geworden zu einer großen Menge." (1. Mose 30,30) Mit der Zeit wurde Laban aber neidisch auf Jakobs größeren Wohlstand, denn dieser wurde "über die Maßen reich, sodass er viele Schafe, Mägde und Knechte, Kamele und Esel hatte" (1. Mose 30,43). Auch Labans Söhne beneideten ihn. Ihre gehässigen Reden kamen Jakob zu Ohren: "Jakob hat alles Gut unseres Vaters an sich gebracht, und nur von unseres Vaters Gut hat er solchen Reichtum zuwege gebracht. Und Jakob sah an das Angesicht Labans, und siehe, er war gegen ihn nicht mehr wie zuvor." (1. Mose 31,1.2)

Jakob wäre längst von dieser listigen Verwandtschaft weggezogen, hätte er nicht die Begegnung mit Esau gefürchtet. Nun aber begriff er, dass ihm Labans Söhne gefährlich werden konnten. Sie sahen seinen Besitz als ihr Eigentum an und könnten womöglich versuchen, sich ihn mit Gewalt anzueignen. Jakob war deshalb in großer Sorge und recht ratlos. Was sollte er tun? Er erinnerte sich an die gnädige Zusage von Bethel, legte seinen Fall Gott vor und suchte bei ihm Rat. In einem Traum erhielt er die Antwort: "Zieh wieder in deiner Väter Land und zu deiner Verwandtschaft; ich will mit dir sein." (1. Mose 31,3)

Jakobs Flucht Aus Haran

Während einer Abwesenheit Labans bot sich die Gelegenheit zum Aufbruch. Schnell wurden die Herden zusammengetrieben und vorausgeschickt. Mit Frauen, Kindern und Knechten überquerte Jakob den Euphrat und zog eilig in Richtung Gilead an der Grenze Kanaans. Nach drei Tagen erfuhr Laban von ihrer Flucht. Sofort nahm er die Verfolgung auf und holte sie am siebten Tag ihrer Reise ein. Er kochte vor Wut und war entschlossen, sie zur Rückkehr zu zwingen. Er bezweifelte nicht, dass ihm das gelingen würde, denn sein Trupp war viel stärker. Die Flüchtlinge befanden sich tatsächlich in großer Gefahr.

Doch Laban führte seine feindselige Absicht nicht aus, weil Gott selbst eingegriffen hatte, um seinen Diener zu schützen. "Ich hätte wohl so viel Macht, dass ich euch Böses antun könnte", bekannte Laban, "aber eures Vaters Gott hat diese Nacht zu mir gesagt: Hüte dich, mit Jakob anders zu reden als freundlich" (1. Mose 31,29). Das hieß: Er sollte ihn weder mit Gewalt zur Umkehr zwingen noch durch schmeichelhafte Angebote locken.

Laban hatte die Mitgift seiner Töchter für sich behalten und Jakob immer unfreundlich und mit Arglist behandelt. Jetzt warf er ihm mit einer Heuchelei sondergleichen seine heimliche Abreise vor. Dadurch habe Jakob ihm als Vater keine Gelegenheit zu einem Abschiedsfest gegeben. Nicht einmal Lebewohl habe er seinen Töchtern und ihren Kindern sagen können.

Jakob dagegen hielt Laban ganz offen dessen selbstsüchtiges, habgieriges Verhalten vor und rief ihn zum Zeugen seiner eigenen Treue und Rechtschaffenheit an: "Hätte der Gott meines Großvaters Abraham und der Ehrfurcht gebietende Gott meines Vaters Isaak mir nicht beigestanden, dann hättest du mich mit leeren Händen fortgeschickt. Aber Gott hat gesehen, wie schwer ich für dich gearbeitet habe und wie schlecht du mich behandelt hast. Deshalb ist er letzte Nacht für mich eingetreten." (1. Mose 31,42 NLB)

Laban konnte die angeführten Tatsachen nicht leugnen und schlug nun vor, einen Friedensbund zu schließen. Jakob stimmte dem zu. Zum Zeichen ihrer Übereinkunft errichteten sie eine Steinsäule, der Laban den Namen Mizpa (d.h. Wachtturm) gab. Er sagte: "Der Herr wache als Späher über mir und dir, wenn wir voneinander gegangen sind." (1. Mose 31,49)

Laban sagte weiter zu Jakob: "Dieser Steinhaufen und dieser Gedenkstein, die ich zwischen uns errichtet habe, stehen zwischen uns als Zeugen unseres Vertrags. Ich werde diese Linie nicht in böser Absicht gegen dich und du wirst sie nicht in böser Absicht gegen mich überschreiten. Ich rufe den Gott unserer Vorfahren - den Gott deines Großvaters Abraham und den Gott meines Großvaters Nahor - an. Er soll denjenigen von uns bestrafen, der dem anderen Unrecht tut." (1. Mose 31,51-53 NLB) Darauf schwor ihm Jakob "bei dem Gott, dem sein Vater Isaak mit Ehrfurcht diente" (1. Mose 31,53 Hfa). Zur Bestätigung des Vertrages feierten sie gemeinsam ein Fest. Die Nacht verbrachten sie mit freundlicher Unterhaltung. Bei Tagesanbruch brach Laban mit seinen Leuten zur Heimkehr auf. Mit dieser Trennung verliert sich jede Spur einer weiteren Verbindung der Nachkommen Abrahams mit den Bewohnern Mesopotamiens.