Wie Alles Begann

Kapitel 22

Mose

[AUDIO]

2. Mose 1,6 bis 4,26.

Um sich während der Hungersnot ernähren zu können, hatten die Ägypter ihr Vieh und ihre Felder dem König verkauft und sich schließlich zu dauernder Leibeigenschaft verpflichtet. Aber Josef verschaffte ihnen eine weise Möglichkeit, wieder freizukommen: Er gestattete ihnen, Pächter des Königs zu werden, indem sie ihr Land von ihm zurückerhielten und dafür ein Fünftel ihrer Erzeugnisse als Tribut bezahlten (vgl. 1. Mose 47,16-26).

Jakobs Nachkommen wurden dagegen nicht gezwungen, solche Bedingungen einzugehen. Mit Rücksicht auf die Dienste, die Josef dem ägyptischen Volk geleistet hatte, hatte man ihnen nicht nur einen Teil des Landes als Heimat überlassen, sondern sie brauchten auch keine Steuern zu bezahlen und wurden reichlich mit Nahrung versorgt, solange die Hungersnot anhielt. Der König erkannte öffentlich an, dass Ägypten im Überfluss lebte, weil der Gott Josefs auf gnädige Weise eingegriffen hatte, während andere Völker durch die Hungersnot zugrunde gingen. Er sah auch, dass das Herrscherhaus unter Josefs Verwaltung sehr reich geworden war. Deshalb erwies er aus Dankbarkeit der Familie Jakobs sein königliches Wohlwollen.

Zum Frondienst Gezwungen

Aber die Zeit verstrich, und der mächtige Mann starb, dem Ägypten so viel verdankte. Auch seine Zeitgenossen, die den Segen seines Wirkens erlebt hatten, sanken ins Grab. Und dann "kam ein neuer König auf in Ägypten, der wusste nichts von Josef" (2. Mose 1,8). Nicht, dass er Josefs Verdienste um das Land nicht gekannt hätte, aber er wollte sie nicht anerkennen und sie so weit wie möglich in Vergessenheit geraten lassen. Deshalb sprach er zu seinem Volk: "Siehe, das Volk Israel ist mehr und stärker als wir. Wohlan, wir wollen sie mit List niederhalten, dass sie nicht noch mehr werden. Denn wenn ein Krieg ausbräche, könnten sie sich auch zu unseren Feinden schlagen und gegen uns kämpfen und aus dem Land ausziehen." (2. Mose 1,9.10)

Die Israeliten waren inzwischen recht zahlreich geworden, denn "sie vermehrten sich ... dass sie schon bald das ganze Land bevölkerten" (2. Mose 1,7 NLB). Unter Josefs fördernder Fürsorge und dem Wohlwollen des damaligen Pharao hatten sie sich rasch über das zugewiesene Gebiet ausgebreitet. Aber sie waren ein besonderes Volk geblieben, das mit den Sitten und der Religion der Ägypter nichts gemein hatte. Ihre stets wachsende Zahl weckte nun beim König und seinem Volk die Angst, sie könnten sich im Fall eines Krieges mit den Feinden Ägyptens verbinden. Aber das Staatsinteresse verbot es, sie aus dem Land zu vertreiben, denn viele Israeliten waren fähige und sachverständige Handwerker, die sehr viel zum Reichtum des Volkes beitrugen. Solche Leute brauchte der König, um seine prachtvollen Tempel und Paläste bauen zu können. Deshalb ordnete er sie den Ägyptern zu, die sich selbst mitsamt ihrer Habe der Krone verkauft hatten. Bald setzte man Arbeitsaufseher über sie ein. Die Versklavung war nun vollständig. "Sie zwangen die Israeliten mit Gewalt zur Fronarbeit und machten ihnen durch die harte Arbeit das Leben schwer: Die Israeliten mussten aus Lehm Ziegel herstellen und auf den Feldern arbeiten." (2. Mose 1,13.14 NLB) "Doch je mehr die Ägypter sie unterdrückten, desto zahlreicher wurden die Israeliten! Da bekamen die Ägypter Angst vor ihnen." (2. Mose 1,12 NLB)

Der König und seine Ratgeber hatten gehofft, die Israeliten durch harte Arbeit unter Kontrolle halten zu können und damit sowohl deren Anzahl zu vermindern als auch ihren Freiheitsdrang zu bändigen. Als ihnen das misslang, griffen sie zu grausameren Maßnahmen. An die ägyptischen Hebammen erging der Befehl, alle männlichen Kinder der Hebräer bei ihrer Geburt zu töten. Satan selbst war der Urheber dieses Plans. Er wusste, dass aus den Israeliten ein Befreier hervorgehen sollte. Indem er nun den König dazu anstachelte, deren neugeborene Knaben zu töten, hoffte er, Gottes Absichten durchkreuzen zu können. Aber die Hebammen hatten Ehrfurcht vor Gott und wagten nicht, den grausamen Befehl auszuführen. Der Herr billigte ihr Verhalten und segnete sie dafür.

Als der König merkte, dass sein Plan fehlgeschlagen war, wurde er zornig und gab einen dringlicheren und umfassenderen Befehl heraus. Das ganze Volk wurde aufgerufen, die hilflosen Opfer aufzuspüren und umzubringen. "Schließlich befahl der Pharao seinem ganzen Volk: ›Werft alle neugeborenen hebräischen Jungen in den Nil, aber verschont die Mädchen.‹" (2. Mose 1,22 NLB)

Die Rettung Von Mose

Während dieser Erlass noch in Kraft war, wurde Amram und Jochebed, frommen Israeliten aus dem Stamm Levi, ein Sohn geboren. Der Junge war "ein schönes Kind", und die Eltern waren fest entschlossen, ihn vor dem Tod zu bewahren. Sie glaubten, dass die Zeit für Israels Befreiung näher rückte und Gott einen Erlöser für sein Volk bereitstellen werde. Der Glaube an Gott gab ihnen Kraft. Sie "fürchteten sich nicht vor des Königs Gebot" (Hebräer 11,23).

Drei Monate lang konnte die Mutter das Kind verbergen. Dann merkte sie, dass es bei ihr nicht mehr sicher war. Sie flocht ein Kästchen aus Binsen und machte es mit Erdharz und Pech wasserdicht. Da hinein legte sie den Säugling und setzte das Kästchen in das Schilf am Ufer des Nils. Sie wagte es nicht, selbst dort zu bleiben, um es zu bewachen, denn sie wollte weder das Leben des Kindes noch ihr eigenes in Gefahr bringen. Aber seine Schwester Mirjam hielt sich, scheinbar unbekümmert, in der Nähe auf und beobachtete gespannt, was mit ihrem kleinen Bruder geschah. Auch andere Wächter waren noch da. Die ernsten Gebete der Mutter hatten das Kind unter Gottes Schutz gestellt. Nun schwebten unsichtbare Engel über seinem bescheidenen Körbchen, und Engel leiteten die Tochter des Pharao dorthin. Das kleine Kästchen erregte die Neugier der Prinzessin. Als sie das schöne Kind, das darin lag, sah, war ihr sofort die ganze Geschichte klar. Seine Tränen erweckten ihr Mitleid. Voller Mitgefühl dachte sie an die unbekannte Mutter, die zu diesem außergewöhnlichen Mittel gegriffen hatte, um das Leben ihres kostbaren Kindes zu bewahren. Darum entschloss sie sich, es zu retten und als ihr eigenes anzunehmen.

Mirjam hatte heimlich jeden Schritt verfolgt. Als sie den freundlichen Blick bemerkte, mit dem das Kind betrachtet wurde, wagte sie, näher heranzukommen. Schließlich fragte sie: "Soll ich eine Hebräerin holen, die das Kind für dich stillt?" (2. Mose 2,7 NLB) Das erlaubte man ihr. Die Schwester lief mit der freudigen Nachricht zur Mutter und kam sogleich mit ihr zur Tochter des Pharao zurück. "Nimm dieses Kind mit nach Hause und stille es für mich ... Ich werde dich für deine Hilfe bezahlen", sagte die Prinzessin (2. Mose 2,9 NLB).

Der Einfluss Einer Gläubigen Mutter

Gott hatte die Gebete der Mutter erhört und ihren Glauben belohnt. Mit tiefer Dankbarkeit übernahm sie diese beglückende Aufgabe, die sie nun in Sicherheit ausführen konnte. Gewissenhaft nutzte sie die Gelegenheit, ihr Kind für Gott zu erziehen. Sie war sicher, dass ihr Sohn für eine große Aufgabe bewahrt worden war. Sie wusste, dass sie ihn bald seiner königlichen Pflegemutter überlassen musste, wo er von Einflüssen umgeben sein würde, die ihn von Gott wegzuführen drohten. Das alles machte sie, wenn sie ihn unterwies, noch eifriger und sorgfältiger, als das bei ihren beiden anderen Kindern der Fall war. Sie setzte alles daran, um Mose Ehrfurcht vor Gott sowie Liebe zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit beizubringen. Aufrichtig und ernst betete sie darum, dass ihr kleiner Sohn vor jedem verderblichen Einfluss bewahrt bleiben möge. Sie machte ihm die Torheit und Sünde des Götzendienstes klar. Schon früh lehrte sie ihn, sich im Gebet vor dem lebendigen Gott zu beugen. Er allein könne ihn in jeder Notlage hören und ihm auch helfen.

Jochebed behielt den Jungen, solange sie konnte. Aber als er ungefähr zwölf Jahre alt war, musste sie ihn zurückgeben. Aus seinem bescheidenen Heim kam er nun in den Königspalast zur Tochter des Pharao. Sie nahm ihn "als ihren eigenen Sohn" an (2. Mose 2,10). Die Prägung aus seiner Kindheit ging ihm dort aber nicht verloren. Was ihn seine Mutter gelehrt hatte, war nicht vergessen. Es wirkte wie ein Schild, der ihn vor dem Stolz, der Treulosigkeit und den Lastern schützte, die inmitten des höfischen Glanzes gediehen.

Wie weitreichend in seinen Folgen war doch der Einfluss dieser einen hebräischen Frau - einer Sklavin im Exil! Das ganze zukünftige Leben von Mose und sein großer Auftrag als Führer Israels sind ein Zeugnis dafür, wie wichtig die Aufgabe einer christlichen Mutter ist. Keine andere kommt ihr gleich. Eine Mutter hält in einem sehr hohen Maß das Schicksal ihrer Kinder in den eigenen Händen. Sie hat mit einem sich entwickelnden Verstand und Charakter zu tun und arbeitet nicht nur für diese Zeit, sondern auch für die Ewigkeit. Jede Mutter sät eine Saat, die aufgehen und Frucht tragen wird - entweder zum Guten oder zum Bösen. Sie muss keine schöne Gestalt auf eine Leinwand malen oder eine solche aus Marmor meißeln, sondern einem jungen Menschen das Bild Gottes einprägen. Insbesondere für die Charakterbildung der Kinder im frühen Alter trägt eine Mutter die volle Verantwortung. Was in dieser Zeit dem sich entwickelnden Geist eingeprägt wird, kommt den Kindern ein ganzes Leben lang zugute. Eltern sollten schon in den jungen Jahren ihrer Kinder mit der Unterweisung und Erziehung darauf abzielen, dass sie Christen werden. Sie sind uns anvertraut, damit wir sie erziehen - aber nicht zu Erben eines irdischen Thrones, sondern um als Könige mit Gott in alle Ewigkeit zu regieren (vgl. Offenbarung 1,6a).

Jeder Mutter sollte bewusst sein, welch unschätzbar wertvolle Gelegenheiten sich ihr bieten. Am großen Tag der Rechenschaft wird ihr Wirken auf den Prüfstand kommen. Dann wird sich herausstellen, wie viel Versagen und wie viele Verbrechen von Männern und Frauen auf die Unwissenheit und die Nachlässigkeit derer zurückzuführen sind, deren Pflicht es war, ihre Kinder auf den richtigen Weg zu führen. Dann wird man feststellen, dass viele, die durch ihre Begabungen, ihre Wahrhaftigkeit und Rechtschaffenheit der Welt zum Segen wurden, ihre Grundsätze, die die Triebfeder für ihren Einfluss und Erfolg bildeten, einer betenden christlichen Mutter verdanken.

Mose Am Hof Des Pharao

Am Hof des Pharao erhielt Mose die beste zivile und militärische Ausbildung. Der Monarch hatte beschlossen, seinen Adoptiv-Enkel zum Thronfolger zu machen. Für diese hohe Stellung wurde der Junge ausgebildet. "Mose wurde in aller Weisheit der Ägypter gelehrt und war mächtig in Worten und Werken." (Apostelgeschichte 7,22) Durch seine Begabung als Heerführer wurde er zum Liebling der ägyptischen Armee. Man schätzte ihn überall als bemerkenswerte Persönlichkeit. Damit war Satans Absicht gescheitert. Gerade den Erlass, der alle neugeborenen männlichen Kinder der Hebräer zum Tod verurteilte, hatte Gott zum Positiven gewendet: Er war der Anlass, den zukünftigen Führer seines Volkes für diese Aufgabe erziehen und ausbilden zu lassen.

Engel unterrichteten die Ältesten Israels davon, dass die Zeit der Befreiung nahe sei und Gott Mose dazu bestimmt habe, diese Aufgabe durchzuführen. Engel ließen auch Mose wissen, dass ihn Jahwe dazu auserwählt habe, sein Volk aus der Sklaverei zu befreien. In der Annahme, dass die Israeliten ihre Freiheit mit Waffengewalt erkämpfen müssten, rechnete Mose damit, die Scharen Israels gegen die Heere Ägyptens anzuführen. Während ihn solche Gedanken beschäftigten, hütete er sich vor Gefühlsäußerungen, denn er befürchtete, aufgrund der Bindung an seine Adoptiv-Mutter oder an den Pharao sei er nicht frei, den Willen Gottes zu erfüllen.

Nach ägyptischem Recht mussten alle Inhaber des Pharaonenthrones Mitglieder der Priesterkaste werden. Als vorgesehener Erbe sollte auch Mose in die Geheimnisse der Staatsreligion eingeführt werden. Diese Aufgabe fiel den Priestern zu. Obwohl Mose ein eifriger und unermüdlicher Schüler war, ließ er sich nicht dazu bewegen, an der Anbetung ihrer Götter teilzunehmen. Man drohte ihm mit dem Verlust der Krone und wies darauf hin, dass ihn die Prinzessin verstoßen werde, wenn er weiterhin am Glauben der Hebräer festhalte. Trotzdem blieb er unerschütterlich bei seinem Entschluss, nur den einen Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde, zu verehren. Er versuchte Priester und Anbeter von der Torheit einer abergläubischen Verehrung toter Dinge zu überzeugen. Niemand konnte seine Argumente widerlegen oder seinen Vorsatz ändern. Doch wegen seiner hohen Stellung und der Gunst, die er bei König und Volk genoss, wurde seine Standfestigkeit zu diesem Zeitpunkt noch geduldet.

"Durch den Glauben wollte Mose, als er groß geworden war, nicht mehr als Sohn der Tochter des Pharao gelten, sondern wollte viel lieber mit dem Volk Gottes zusammen misshandelt werden, als eine Zeitlang den Genuss der Sünde haben, und hielt die Schmach von Christus für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens; denn er sah auf die Belohnung." (Hebräer 11,24-26) Mose war befähigt, eine herausragende Stellung unter den Großen der Erde einzunehmen, am Hof des herrlichsten Königreichs zu glänzen und dessen Zepter der Macht zu führen. Sein hoher Intellekt hebt ihn unter den großen Männern aller Zeiten hervor. Als Historiker, Dichter, Denker, Heerführer und Gesetzgeber sucht er seinesgleichen. Doch obwohl sich ihm die allergrößten Möglichkeiten boten, hatte er die moralische Kraft, die verlockenden Aussichten auf Reichtum, Macht und Ruhm zu verschmähen. Er "wollte viel lieber mit dem Volk Gottes misshandelt werden, als eine Zeitlang den Genuss der Sünde haben" (Hebräer 11,25).

Mose war über die endgültige Belohnung unterwiesen worden, die Gottes demütige und gehorsame Diener einst empfangen werden. Im Vergleich dazu sank jeder irdische Gewinn zur Bedeutungslosigkeit herab. Der prächtige Pharaonenpalast und der Herrscherthron wurden ihm als lockender Anreiz vor Augen gehalten, aber er wusste, dass an Königshöfen sündige Vergnügungen zu Hause waren, die die Menschen dort Gott schnell vergessen lassen. Er schaute über den prachtvollen Palast und über die Königskrone hinaus auf die hohen Ehrungen, die einmal den "Heiligen des Höchsten" verliehen werden (Daniel 7,27) - in einem Königreich, in dem es keine Sünde gibt. Im Glauben sah er eine unvergängliche Krone, die der König des Himmels den Überwindern aufsetzen wird. Dieser Glaube bewog ihn, sich von den irdischen Herrschern abzuwenden und sich diesem bescheidenen, armen, verachteten Volk anzuschließen, das sich dafür entschieden hatte, Gott zu gehorchen, statt der Sünde zu dienen.

Mose Erschlagt Einen Ägypter

Mose blieb bis zu seinem 40. Lebensjahr am Hof. Oft dachte er an die erbärmlichen Lebensbedingungen seines Volkes. Er besuchte seine versklavten Brüder und ermutigte sie mit der Zusicherung, dass Gott für ihre Befreiung sorgen werde. Beim Anblick von Ungerechtigkeit und Unterdrückung kam oft Ärger in ihm hoch, und er brannte darauf, das ihnen zugefügte Unrecht zu rächen. Als er eines Tages wieder einmal draußen unterwegs war, sah er, wie ein Ägypter einen Hebräer schlug. Da rannte er hin und tötete den Ägypter. Mit Ausnahme des Israeliten gab es keinen Zeugen für die Tat. Mose vergrub den Leichnam schnell im Sand. Damit hatte er gezeigt, dass er bereit war, für die Sache seines Volkes einzutreten. Er hoffte, sie würden sich erheben, um ihre Freiheit wiederzuerlangen. Mose "meinte aber, seine Brüder sollten es verstehen, dass Gott durch seine Hand ihnen Rettung bringe; aber sie verstanden es nicht" (Apostelgeschichte 7,25). Sie waren für die Freiheit noch nicht reif.

Am folgenden Tag sah Mose, wie zwei Israeliten miteinander stritten, von denen einer offensichtlich im Unrecht war. Da wies er den Schuldigen zurecht. Der aber widersetzte sich Mose und bestritt ihm das Recht, sich einzumischen, und klagte ihn niederträchtig an, ein Verbrechen begangen zu haben: "Wer hat dich zum Aufseher oder Richter über uns gesetzt?", fragte er. "Willst du mich auch umbringen, wie du den Ägypter umgebracht hast?" (2. Mose 2,14)

Die ganze Angelegenheit machte unter den Ägyptern schnell die Runde und kam in maßloser Übertreibung bald auch Pharao zu Ohren. Man stellte dem König den Vorfall als sehr schwerwiegend dar. Mose habe die Absicht, sein Volk gegen die Ägypter anzuführen, die Regierung zu stürzen und sich selbst auf den Thron zu setzen. Solange er lebe, könne es für das Königtum keine Sicherheit geben. Sofort beschloss der Monarch, dass Mose sterben müsse. Der erkannte aber die Gefahr, konnte entkommen und in Richtung Arabien fliehen.

Der Herr aber lenkte seinen Weg. Bei Jitro, dem Priester und Fürsten von Midian, der auch ein Verehrer Jahwes war, fand er Unterschlupf. Später heiratete Mose eine Tochter Jitros. Er blieb 40 Jahre lang im Dienst seines Schwiegervaters und hütete dessen Herden.

Als Mose den Ägypter erschlug, war er in denselben Fehler verfallen, den seine Vorfahren so oft begangen hatten: Zwar hatte ihnen Gott versprochen, sich für sie einzusetzen, doch sie nahmen das Heft selbst in die Hand. Gott wollte sein Volk nicht durch einen Krieg befreien, wie Mose dachte. Durch seine eigene Macht und Stärke sollte das geschehen, damit ihm allein der Ruhm zugeschrieben werde.

Moses Vorbereitung In Midian

Doch auch diese überstürzte Handlung wendete Gott so, dass seine Absicht erfüllt wurde. Mose war für seine große Aufgabe noch nicht gerüstet. Erst musste er die gleiche Lektion lernen, die auch Abraham und Jakob gelehrt bekommen hatten: Sich nicht auf menschliche Kraft oder Weisheit, sondern allein auf Gottes Macht zu verlassen, wenn es um die Erfüllung seiner Verheißungen ging. Darüber hinaus gab es noch weitere Lehren, die Mose in der Einsamkeit dieser Bergwelt lernen sollte. In der Schule der Selbstverleugnung und Entbehrung sollte er sich Geduld aneignen, um seine Leidenschaften zu beherrschen. Ehe er weise regieren konnte, musste er selbst Gehorsam lernen. Nur in völliger Übereinstimmung mit Gott konnte er Israel die Offenbarung des göttlichen Willens vermitteln. Aufgrund eigener Erfahrungen sollte er darauf vorbereitet werden, allen Hilfsbedürftigen gegenüber väterliche Fürsorge walten zu lassen.

Menschen hätten in einer so langen Zeit mühevoller Arbeit und Ungewissheit nur einen großen Zeitverlust gesehen. Aber Gott berief in seiner unendlichen Weisheit Mose, den künftigen Führer seines Volkes, dazu, 40 Jahre lang den bescheidenen Dienst eines Hirten auszuüben. Die Gewohnheiten wie Fürsorge, Selbstvergessenheit und liebevoller Umgang mit der Herde, die er auf diese Weise entwickelte, bereiteten ihn darauf vor, ein mitfühlender, langmütiger Hirte Israels zu werden. Das war eine Erfahrung, die keine noch so vorzügliche menschliche Ausbildung oder Kultur hätte ersetzen können.

Mose hatte vieles gelernt, was er wieder verlernen musste. Die Einflüsse, die ihn in Ägypten umgaben - die Liebe seiner Adoptiv-Mutter, seine hohe Stellung als Enkel des Königs, der überall gegenwärtige Luxus, das Vornehme, Feinsinnige und Geheimnisvolle einer falschen Religion, die Pracht des Götzendienstes und die feierliche Erhabenheit von Architektur und Bildhauerei - das alles hatte ihn während seiner Ausbildung stark beeinflusst und bis zu einem gewissen Grad seine Gewohnheiten und seinen Charakter geformt. Nur die Zeit, eine andere Umgebung und die Gemeinschaft mit Gott konnten diese Prägung beseitigen. Dem Irrtum abzusagen und die Wahrheit anzunehmen bedeutete für Mose ein Ringen, als ginge es um das eigene Leben. Doch Gott würde ihm helfen, falls die innere Auseinandersetzung die menschlichen Kräfte überstrapazierte.

Bei allen, die berufen wurden, eine Aufgabe für Gott zu erfüllen, kommt eine menschliche Seite zum Vorschein. Das waren keine Menschen mit festgefahrenen Gewohnheiten und Charakteren, die sich mit ihrem Zustand zufriedengaben. Sie sehnten sich aufrichtig danach, von Gott Weisheit zu erhalten, um zu lernen, wie sie für ihn arbeiten könnten. Der Apostel Jakobus schrieb: "Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf." (Jakobus 1,5 EÜ) Aber Gott wird niemandem Licht von oben schenken, der damit zufrieden ist, in der Finsternis zu bleiben. Um von Gott Hilfe zu erlangen, muss man sich seine eigene Schwäche und Unzulänglichkeit eingestehen. Man muss seinen eigenen Verstand bei der großen Veränderung, die in einem vor sich gehen soll, einsetzen. Man braucht die Bereitschaft zu ernsten und andauernden Gebeten und Anstrengungen. Schlechte Neigungen und Gewohnheiten müssen abgelegt werden. Den Sieg kann nur erringen, wer sich entschlossen bemüht, diese Fehler zu korrigieren und sich an guten Grundsätzen zu orientieren. Viele erreichen allerdings nie die Stellung, die sie einnehmen könnten, denn sie erwarten, dass Gott die Dinge für sie tut, für die er ihnen schon die Kraft zur Verfügung gestellt hat, um sie selbst zu regeln. Alle, die im Dienst für Gott brauchbar sein wollen, müssen durch eine sehr strenge geistige und moralische Schule gehen. Gott wird ihnen dabei helfen, indem er seine göttliche Kraft mit menschlichem Bemühen vereint.

Umschlossen von gewaltigen Bergen war Mose allein mit Gott. Ägyptens prachtvolle Tempel konnten ihn nicht mehr mit ihrem Aberglauben und ihren Unwahrheiten beeindrucken. In der feierlichen Erhabenheit der ewigen Berge erblickte er die Majestät des Höchsten. Im Gegensatz dazu wurde ihm bewusst, wie ohnmächtig und bedeutungslos die Götter Ägyptens waren. Überall stand der Name des Schöpfers geschrieben. Mose schien es, als befinde er sich in dessen Gegenwart und werde von dessen Macht überschattet. Hier wurden sein Stolz und seine Selbstzufriedenheit hinweggefegt. In seinem einfachen, harten Wüstenleben verschwanden die Auswirkungen des bequemen, luxuriösen Wohllebens in Ägypten. Mose wurde geduldig, ehrfurchtsvoll und bescheiden, "ein sehr demütiger Mensch, mehr als alle Menschen auf Erden" (4. Mose 12,3). Er war stark im Glauben an den mächtigen Gott Jakobs.

Als die Jahre vergingen und er mit den Herden einsame Gegenden durchzog, dachte er darüber nach, in welchem Zustand sich wohl sein unterdrücktes Volk befand. Er erinnerte sich daran, wie Gott seine Vorfahren geführt hatte. Er rief sich die Verheißungen ins Gedächtnis zurück, die dem auserwählten Volk gegeben worden waren. Tag und Nacht stiegen seine Gebete für Israel zum Himmel empor. Das Licht himmlischer Engel umflutete ihn. Hier schrieb er unter der Eingebung des Heiligen Geistes das Buch Genesis (das erste Buch Mose). Auf diese Weise erwiesen sich die vielen Jahre, die Mose einsam in der Wüste verbrachte, in so mancher Hinsicht als sehr segensreich - nicht nur für Mose und sein Volk, sondern auch für die Welt in allen späteren Zeiten.

Moses Berufung

"Lange Zeit aber danach starb der König von Ägypten. Und die Israeliten seufzten über ihre Knechtschaft und schrien, und ihr Schreien über ihre Knechtschaft kam vor Gott. Und Gott erhörte ihr Wehklagen und gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Gott sah auf die Israeliten und nahm sich ihrer an." (2. Mose 2,23-25) Die Zeit für Israels Befreiung war gekommen. Aber Gottes Absicht sollte auf eine Art und Weise verwirklicht werden, die allen menschlichen Stolz in den Staub tritt. Der Befreier sollte als demütiger Hirte auftreten, nur mit einem Stab in der Hand. Aber gerade diesen Stab wollte Gott zum Sinnbild seiner Macht erheben.

Als Mose eines Tages am Horeb, dem "Berg Gottes" (2. Mose 3,1), die Herden weidete, sah er einen Busch in Flammen stehen. Zweige, Blätter und der Stamm - alles brannte, schien aber nicht verzehrt zu werden. Er ging hin, um diese wunderbare Erscheinung näher zu betrachten. Da hörte er eine Stimme aus den Flammen, die ihn bei seinem Namen rief. Mit bebenden Lippen antwortete er: "Hier bin ich!" (2. Mose 3,4) Er wurde davor gewarnt, ohne Ehrfurcht näherzukommen: "Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! ... Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs." (2. Mose 3,5.6) Es war derselbe, der sich in der Vergangenheit den Vorfahren als Engel des Bundes offenbart hatte. "Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen." (2. Mose 3,6)

Demut und Ehrfurcht sollten das Benehmen aller kennzeichnen, die in Gottes Gegenwart treten. Im Namen seines Sohnes dürfen wir voller Zuversicht zu Gott kommen, aber wir dürfen uns ihm nicht mit der kühnen Überheblichkeit nahen, als stehe er mit uns auf gleicher Stufe. Es gibt Menschen, die den großen, allmächtigen, heiligen Gott, "der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann" (1. Timotheus 6,16b), in einer Art anreden, als sprächen sie mit ihresgleichen oder gar mit einem Untergebenen. Manche verhalten sich in seinem Haus, wie sie das im Audienzsaal eines irdischen Herrschers nie wagen würden. Sie sollten sich daran erinnern, dass sie vor das Angesicht dessen treten, den die Seraphim anbeten und vor dem die Engel ihr Angesicht verhüllen. Gott gebührt höchste Verehrung, und wer sich seiner Gegenwart wirklich bewusst ist, wird sich in Demut vor ihm beugen. Wie Jakob, der in einer Traumvision Gott sah, wird er ausrufen: "Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels!" (1. Mose 28,17)

Als Mose in ehrfürchtiger Bewunderung vor Gott stand, hörte er die Worte: "Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Land in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt ... So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst." (2. Mose 3,7.8.10)

Bestürzt, ja entsetzt über diesen Befehl wich Mose zurück und sagte: "Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?" Die Antwort lautete: "Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berg." (2. Mose 3,11.12)

Mose dachte an die Schwierigkeiten, denen er begegnen würde, an die Blindheit, die Unwissenheit und den Unglauben seines Volkes, von dem viele fast nichts mehr von Gott wussten. Deshalb wandte er ein: "Siehe, wenn ich zu den Söhnen Israel komme und ihnen sage: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mich fragen: Was ist sein Name?, was soll ich dann zu ihnen sagen?" Da sprach Gott zu Mose: "Ich bin, der ich bin . So sollst du zu den Söhnen Israels sagen: [Der] ›Ich bin‹ hat mich zu euch gesandt." (2. Mose 3,13.14 Elb.)

Gott gebot Mose, zuerst die Ältesten der Israeliten zu versammeln, die vornehmsten und rechtschaffensten unter ihnen, die wegen ihrer Sklaverei lange Leid getragen hatten. Ihnen solle er eine Botschaft von Gott ausrichten, verbunden mit der Zusage der Befreiung. Dann sollte er mit den Ältesten vor den König treten und ihm sagen: "Der Herr, der Gott der Hebräer, ist uns erschienen. So lass uns nun gehen drei Tagereisen weit in die Wüste, dass wir opfern dem Herrn, unserem Gott." (2. Mose 3,18)

Mose wurde allerdings vorgewarnt, dass sich der Pharao der Aufforderung, Israel ziehen zu lassen, widersetzen werde. Trotzdem solle der Diener Gottes nicht den Mut verlieren, denn der Herr werde diese Gelegenheit nutzen, um den Ägyptern wie seinem Volk seine Macht zu offenbaren. "Daher werde ich meine Hand ausstrecken und Ägypten schlagen mit all den Wundern, die ich darin tun werde. Danach wird er euch ziehen lassen." (2. Mose 3,20)

Mose erhielt auch Anweisungen bezüglich der Vorbereitungen, die sie für die Reise treffen sollten. Der Herr erklärte: "Und ich werde dafür sorgen, dass die Ägypter euch wohlgesinnt sind. Ihr werdet nicht mit leeren Händen fortgehen. Jede israelitische Frau soll sich von ihrer Nachbarin und ihrer Mitbewohnerin silbernen und goldenen Schmuck und schöne Kleider geben lassen." (2. Mose 3,21.22 NLB) Die Ägypter waren durch die Zwangsarbeit der Israeliten ungerechterweise reich geworden. Als diese den Weg in ihre neue Heimat antraten, war es nur recht und billig, dass sie ihren Lohn für die Jahre ihrer Mühsal einforderten. Sie sollten Wertgegenstände verlangen, die man leicht befördern konnte. Gott selbst werde für das Wohlwollen aufseiten der Ägypter sorgen. Die gewaltigen Wunder, die vor ihrer Befreiung geschehen sollten, würden die Unterdrücker in Angst und Schrecken versetzen, sodass sie den Forderungen ihrer Sklaven nachkommen werden.

Moses Ausreden Und Gottes Zusicherungen

Mose sah Schwierigkeiten vor sich, die unüberwindlich zu sein schienen. Welchen Beweis konnte er seinem Volk liefern, dass Gott ihn tatsächlich gesandt hatte? Er sagte daher: "Sie werden mir nicht glauben und nicht auf mich hören, sondern werden sagen: Der Herr ist dir nicht erschienen." (2. Mose 4,1) Nun erhielt er Beweise, die seine Sinne ansprachen. Zuerst sollte er seinen Stock auf die Erde werfen. Als er es tat, verwandelte sich dieser in eine Schlange, "und Mose floh vor ihr" (2. Mose 4,3). Dann erhielt er den Befehl, sie zu packen. In seiner Hand wurde sie wieder zum Stock. Danach sollte er seine Hand in eine Falte seines Gewandes stecken. Er gehorchte, "und als er sie wieder herauszog ... war sie aussätzig wie Schnee" (2. Mose 4,6). Auf Gottes Weisung hin steckte er die Hand erneut in die Stofffalte. Als er sie herauszog, war sie wieder wie die andere. Mit diesen Zeichen versicherte der Herr Mose, dass sein eigenes Volk wie auch der Pharao davon überzeugt werden würden, dass sich hier ein Mächtigerer als der König von Ägypten offenbarte.

Aber noch immer war Gottes Diener von dem Gedanken an diese ungewöhnliche und doch wunderbare Aufgabe, die ihm da bevorstand, überwältigt. In seiner Angst und Not führte er jetzt als Entschuldigung seinen Mangel an Beredsamkeit an: "Ach, Herr! Ich bin kein redegewandter Mann, weder seit gestern noch seit vorgestern, noch seitdem du zu deinem Knecht redest; denn unbeholfen ist mein Mund und unbeholfen meine Zunge." (2. Mose 4,10 Elb.) Er sei so lange von Ägypten fort gewesen, dass er die Sprache nicht mehr so gut beherrsche und sich ihrer nicht mehr so gewandt bedienen könne wie zu der Zeit, als er dort gelebt habe.

Der Herr sagte zu ihm: "Wer hat dem Menschen den Mund geschaffen? Oder wer hat den Stummen oder Tauben oder Sehenden oder Blinden gemacht? Habe ich's nicht getan, der Herr?" Und Gott gab ihm noch eine weitere Zusicherung: "So geh nun hin: Ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst." (2. Mose 4,11.12) Aber erneut bat Mose inständig darum, Gott möge einen Geeigneteren erwählen. Zuerst entsprangen diese Entschuldigungen echter Demut und Bescheidenheit, aber nachdem Gott ihm versprochen hatte, alle Hindernisse zu beseitigen und ihm schließlich Erfolg zu schenken, offenbarten jedes weitere Zurückschrecken und das Beklagen seiner Untauglichkeit Misstrauen gegenüber Gott. Darin war die Angst enthalten, Gott könne ihn nicht zu dem großen Werk befähigen, zu dem er ihn berufen hatte, oder dass er mit der Wahl seiner Person einen Fehler gemacht habe.

Nun wies Gott Mose auf Aaron hin, seinen älteren Bruder. Der sprach perfekt Ägyptisch, weil er diese Sprache täglich benutzte. Mose wurde gesagt, dass ihm Aaron unterwegs entgegenkommen werde. Die nächsten Worte des Herrn waren ein eindeutiger Befehl:

"Du sollst zu ihm reden und die Worte in seinen Mund legen. Und ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr tun sollt. Und er soll für dich zum Volk reden; er soll dein Mund sein und du sollst für ihn Gott sein. Und diesen Stab nimm in deine Hand, mit dem du die Zeichen tun sollst." (2. Mose 4,15-17) Nun konnte Mose keinen Widerstand mehr leisten, denn alle Gründe für Ausreden waren ausgeräumt.

Als Mose Gottes Auftrag erhielt, misstraute er sich selbst. Er war langsam im Reden und ängstlich. Das Gefühl, ungeeignet zu sein, um dem Volk Israel gegenüber als Gottes Sprachrohr aufzutreten, überwältigte ihn. Nachdem er aber die Aufgabe einmal übernommen hatte, packte er sie von ganzem Herzen an und setzte sein ganzes Vertrauen auf Gott. Die Bedeutung seiner Aufgabe weckte in ihm die höchsten Geisteskräfte. Gott segnete seinen bereitwilligen Gehorsam. Mose wurde redegewandt, zuversichtlich, selbstbeherrscht und bestens für das größte Werk geeignet, das jemals einem Menschen übertragen wurde. Das ist ein Beispiel dafür, wie Gott eingreift, um denen Charakterstärke zu verleihen, die ihm ganz vertrauen und vorbehaltlos seinen Befehlen nachkommen.

Ein Mensch gewinnt Stärke und Leistungsfähigkeit, indem er die Verantwortung annimmt, die ihm Gott überträgt, und mit ganzem Herzen versucht, sich der Aufgabe gewissenhaft zu stellen. Mag auch sein Rang bescheiden und seine Fähigkeit begrenzt sein - jener Mensch wird wahre Größe erlangen, der sein Werk im Vertrauen auf Gottes Kraft treu verrichtet. Hätte sich Mose auf seine eigene Stärke und Klugheit verlassen und sich geradezu auf die große Aufgabe gestürzt, hätte er damit nur bewiesen, dass er für diesen Dienst völlig untauglich war. Wenn jemand sein Unvermögen eingesteht, ist das zumindest ein Zeichen dafür, dass er die Größe der Aufgabe, die ihm übertragen wurde, erkannt hat und er Gott zu seinem Ratgeber und zu seiner Stärke machen will.

Mose kehrte zu seinem Schwiegervater zurück und äußerte den Wunsch, seine Brüder in Ägypten zu besuchen. Jitro stimmte zu und segnete ihn: "Geh hin mit Frieden!" (2. Mose 4,18) Mit seiner Frau und den Kindern brach Mose auf. Er hatte nicht gewagt, den eigentlichen Grund der Reise anzugeben, damit ihnen nicht verboten wurde, ihn zu begleiten. Doch bevor sie Ägypten erreichten, hielt er es für das Beste, seine Familie aus Sicherheitsgründen nach Midian zurückzuschicken.

Auch seine geheime Furcht vor dem Pharao und den Ägyptern, deren Zorn er 40 Jahre zuvor auf sich gezogen hatte, hatte Moses Zögern, nach Ägypten zurückzukehren, noch verstärkt. Aber nachdem er sich entschieden hatte, Gottes Befehl zu gehorchen, und er bereits unterwegs war, offenbarte ihm der Herr, dass seine Feinde tot waren.

Ein Versäumnis Mit Folgen

Auf dem Weg von Midian nach Ägypten sandte ihm der Herr eine überraschende und schreckliche Warnung. Gott drückte sein Missfallen aus. Ein Engel trat Mose in drohender Haltung in den Weg, als wollte er ihn auf der Stelle töten. Das geschah ohne jede Erklärung. Aber Mose fiel ein, dass er eine der Forderungen Gottes missachtet hatte. Er hatte sich von seiner Frau beschwatzen lassen und es versäumt, seinen jüngsten Sohn zu beschneiden. Damit hatte er die Bedingung nicht erfüllt, die seinen Sohn dazu berechtigte, an den Segnungen des Bundes Gottes mit Israel teilzuhaben. Solch eine Unterlassung seitens des auserwählten Führers konnte nur dazu führen, dass Gottes Gebote beim Volk an Einfluss verloren. Weil seine Frau Zippora um das Leben ihres Mannes bangte, vollzog sie die Zeremonie gleich selbst. Daraufhin erlaubte der Engel Mose weiterzuziehen. Mit seinem Auftrag an Pharao begab sich Mose in große Gefahr. Sein Leben konnte nur von heiligen Engeln bewahrt werden. Solange er es aber unterließ, einer bestimmten Pflicht nachzukommen, war er nicht sicher, denn die Engel Gottes hätten ihn nicht beschützen können.

In der Zeit der "großen Trübsal" unmittelbar vor der Wiederkunft unseres Heilandes Jesus Christus (Daniel 12,1) werden die Gläubigen von himmlischen Engeln bewahrt werden. Aber für die Übertreter des Gesetzes Gottes wird es keine Sicherheit geben. Wer eines der Gebote Gottes missachtet, kann in dieser Zeit nicht damit rechnen, von Engeln beschützt zu werden.