Wie Alles Begann

Kapitel 38

Der Umweg Um Edom

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4. Mose 20,14 bis 21,9; 5. Mose 2,2-8.

Das israelitische Lager bei Kadesch befand sich nicht weit von der Grenze zu Edom. Mose und das Volk wollten den geraden Weg einschlagen, der durch dieses Gebiet in das Gelobte Land führte. Wie von Gott befohlen, schickten sie deshalb eine Botschaft an den Edomiter-König: "So lässt dir dein Bruder Israel sagen: Du kennst all die Mühsal, die uns betroffen hat, dass unsere Väter nach Ägypten hinabgezogen sind und wir lange Zeit in Ägypten gewohnt haben und dass die Ägypter uns und unsere Väter schlecht behandelt haben. Und wir schrien zum Herrn; der hat unsere Stimme gehört und einen Engel gesandt und uns aus Ägypten geführt. Und siehe, wir sind in Kadesch, einer Stadt an deiner Grenze. Lass uns durch dein Land ziehen. Wir wollen nicht durch Äcker oder Weinberge gehen, auch nicht Wasser aus den Brunnen trinken. Die Landstraße wollen wir ziehen, weder zur Rechten noch zur Linken weichen, bis wir durch dein Gebiet hindurchgekommen sind." (4. Mose 20,14-17) Auf diese höfliche Bitte kam aber die drohende Antwort: "Ihr dürft nicht durch mein Land ziehen, sonst ziehe ich euch mit meinem Heer entgegen." (4. Mose 20,18 NLB)

Überrascht von dieser Zurückweisung richteten die Israeliten ein zweites Gesuch an den König und versprachen: "Wir wollen auf der gebahnten Straße ziehen, und wenn wir von deinem Wasser trinken, wir und unser Vieh, so wollen wir's bezahlen. Wir wollen nichts als nur zu Fuß hindurchziehen." (4. Mose 20,19)

"Nein, ihr dürft nicht hindurchziehen" (4. Mose 20,20 NLB), lautete erneut die Antwort. Bewaffnete Truppen der Edomiter waren bereits an den schwer zugänglichen Pässen aufgestellt worden, sodass ein friedliches Vorrücken in diese Richtung unmöglich wurde. Gewalt anzuwenden war den Israeliten aber verboten. Deshalb mussten sie den weiten Weg um Edom herum antreten.

Hätte das Volk auf Gott vertraut, als sie in diese Prüfung gerieten, hätte der Herr der Heerscharen sie durch Edom hindurchgeführt. Die Einwohner Edoms hätten Angst vor ihnen gehabt und ihnen statt Feindseligkeit Wohlwollen entgegengebracht. Aber die Israeliten handelten nicht unverzüglich auf Gottes Wort hin. Während sie jammerten und murrten, verpassten sie die goldene Gelegenheit. Als sie dem König schließlich ihr Anliegen vortrugen, schlug er es ab.

Seit dem Auszug aus Ägypten hatte sich Satan ununterbrochen bemüht, ihnen Hindernisse und Versuchungen in den Weg zu legen, damit sie Kanaan nicht in Besitz nahmen. Durch ihren Unglauben hatten sie ihm wiederholt die Tür geöffnet, sodass er Gottes Absicht durchkreuzen konnte.

Es ist wichtig, Gottes Wort zu vertrauen und daraufhin prompt zu handeln, solange seine Engel bereitstehen, um für uns zu wirken. Böse Engel versuchen ständig, uns an jedem Schritt nach vorn zu hindern. Wenn Gott in seiner Vorsehung seinen Kindern gebietet, im Glauben voranzugehen, weil er Großes für sie tun will, verleitet Satan sie dazu, Gott durch ihr Zögern und Zaudern zu missfallen. Er versucht, Streitigkeiten, Murren oder Unglauben zu entfachen, um sie so der Segnungen zu berauben, die ihnen Gott geben möchte. Gottes Diener sollten allzeit bereit sein voranzugehen, sobald Gottes Vorsehung den Weg öffnet. Ihr Zögern gibt Satan eine Gelegenheit, die Oberhand zu gewinnen.

Schon bei den ersten Anweisungen, die Gott Mose bezüglich des Durchzugs durch Edom gab - nachdem er erklärt hatte, dass die Edomiter Angst vor ihnen hätten -, untersagte der Herr dem Volk, diesen Vorteil auszunutzen. Weil seine Macht für Israel wirkte, würde die Furcht der Edomiter diese zu einer leichten Beute machen. Deshalb sollten die Israeliten keinen Krieg gegen sie führen.

Der Befehl lautete: "Hütet euch ja davor, sie zu bekriegen; ich werde euch von ihrem Land nicht einen Fußbreit geben, denn das Gebirge Seir habe ich den Söhnen Esaus zum Besitz gegeben." (5. Mose 2,4.5) Die Edomiter waren Nachkommen Abrahams und Isaaks. Um dieser seiner Diener willen war Gott den Nachkommen Esaus gnädig. Er hatte ihnen das Gebirge Seir als Besitz zugewiesen. In ihrem Land sollten sie nicht beunruhigt werden - es sei denn, sie würden sich selbst durch ihre Sünden dem Einfluss der Gnade Gottes entziehen. Die Bewohner Kanaans sollten von den Israeliten vertrieben und vollständig vernichtet werden, weil das Maß ihrer Lasterhaftigkeit voll war. Aber für die Edomiter dauerte die gewährte Gnadenzeit noch an. Deshalb sollten sie barmherzig behandelt werden. Gott übt gern Barmherzigkeit und bekundet Mitleid, ehe er seine Strafgerichte verhängt. Darum wies er die Israeliten an, die Edomiter zu schonen, bevor er sie aufforderte, Kanaans Einwohner auszurotten.

Die Vorfahren Edoms und Israels waren Brüder. Zwischen ihnen sollte deshalb brüderliche Freundlichkeit und Höflichkeit herrschen. Den Israeliten wurde sogar untersagt, weder jetzt noch in Zukunft die Kränkung zu vergelten, die sie ihnen durch die Verweigerung des Durchzugs angetan hatten. Die Israeliten sollten auch nicht damit rechnen, jemals einen Teil des Landes Edom zu besitzen. Obwohl sie Gottes auserwähltes und bevorrechtetes Volk waren, mussten sie die Einschränkungen annehmen, die ihnen auferlegt wurden. Gott hatte ihnen ein ansehnliches Erbe versprochen, aber sie sollten nicht meinen, sie allein hätten Rechte auf der Erde und dürften alle anderen Völker beiseite drängen. Sie wurden angewiesen, sich im Umgang mit den Edomitern vor jedem Unrecht zu hüten. Wohl durften sie mit ihnen Handel treiben, um die benötigten Lebensmittel zu erwerben. Sie sollten aber die erhaltene Ware sofort bezahlen. Gott ermutigte Israel, ihm zu vertrauen und seinem Wort zu gehorchen, indem er es an seine Führung erinnerte: "Denn der Herr, dein Gott, hat dich gesegnet ... An nichts hast du Mangel gehabt." (5. Mose 2,7) Die Israeliten waren keineswegs von den Edomitern abhängig, denn sie hatten einen Gott, dessen Schätze unerschöpflich sind. Sie sollten sich auch nicht mit Gewalt oder Betrug etwas von deren Besitz aneignen. Im Umgang mit ihnen sollten sie immer den Grundsatz des Gesetzes vorleben: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (3. Mose 19,18)

Wenn sie mit dieser Einstellung durch Edom gezogen wären, wie es Gottes Absicht war, hätte der Durchzug nicht nur ihnen selbst, sondern auch den Bewohnern des Landes zum Segen werden können, indem er diesen die Gelegenheit geboten hätte, Gottes Volk und seine Gottesverehrung kennenzulernen. Die Edomiter hätten mit eigenen Augen gesehen, wie der Gott Jakobs denen Wohlergehen schenkt, die ihn lieben und ehren. Doch das alles verhinderte der Unglaube der Israeliten. Gott hatte ihnen zwar auf ihr Jammern hin Wasser verschafft, aber er ließ zu, dass ihr Unglaube die entsprechende Strafe zur Folge hatte. Wieder mussten sie die Wüste durchqueren und ihren Durst aus der wunderbaren Quelle stillen. Das wäre nicht länger nötig gewesen, wenn sie nur Gott vertraut hätten.

Aarons Tod

Also wandten sich die großen Scharen Israels wieder nach Süden und suchten ihren Weg durch ödes Wüstenland. Das erschien ihnen nach dem flüchtigen Blick auf die grünenden Flächen zwischen Edoms Bergen und Tälern nun noch viel trostloser.

Aus der Gebirgskette, die diese trübselige Wüste überragt, erhebt sich der Berg Hor. Auf seinem Gipfel sollte Aaron sterben und begraben werden. Als die Israeliten diesen Berg erreichten, bekam Mose Gottes Befehl: "Nimm aber Aaron und seinen Sohn Eleasar und führe sie auf den Berg Hor und zieh Aaron seine Kleider aus und zieh sie seinem Sohn Eleasar an. Und Aaron soll dort zu seinen Vätern versammelt werden und sterben." (4. Mose 20,25.26)

Miteinander stiegen die beiden alten Männer und der jüngere mühsam den Berg hinauf. Moses und Aarons Haare waren nach 120 Jahren weiß wie Schnee. In ihrem langen, ereignisreichen Leben hatten sie die schwersten Prüfungen und die höchsten Ehren erfahren, die je Menschen zuteil geworden sind. Sie waren hochbegabte Männer, die alle Kräfte durch den Umgang mit dem Unendlichen entfaltet und veredelt hatten. In ihrem ganzen Leben hatten sie sich selbstlos für Gott und ihre Mitmenschen eingesetzt. Ihre Gesichtszüge verrieten große Verstandeskraft, Entschlossenheit, vornehme Gesinnung und ein starkes Gefühlsleben.

Viele Jahre lang hatten Mose und Aaron in Sorgen und Mühen Seite an Seite gestanden. Gemeinsam hatten sie zahllosen Gefahren getrotzt, aber auch überwältigende Segnungen von Gott empfangen. Nun war die Zeit gekommen, wo sie sich trennen mussten. Sehr langsam stiegen sie hinauf, denn jeder Augenblick des Beisammenseins war kostbar. Es ging steil und mühsam nach oben. Als sie des Öfteren innehielten, um auszuruhen, sprachen sie über die Vergangenheit und die Zukunft. Soweit das Auge reichte, erstreckte sich vor ihnen das Gebiet ihrer Wüstenwanderung. Unten in der Ebene lagerten die großen Scharen Israels. Für sie hatten diese erwählten Männer die besten Jahre ihres Lebens eingesetzt; an deren Wohlergehen hatten sie tiefen Anteil genommen und für sie so große Opfer gebracht. Irgendwo hinter den Bergen Edoms lag der Weg, der in das Gelobte Land führte - das Land, dessen Segnungen Mose und Aaron nicht genießen sollten. Aber in ihren Herzen gab es kein Aufbegehren. Kein klagendes Wort kam über ihre Lippen. Doch ernste Trauer lag auf ihren Gesichtern, wenn sie daran dachten, was sie vom Erbe ihrer Vorväter ausschloss.

Aarons Werk für Israel war getan. 40 Jahre zuvor - damals 83 Jahre alt - hatte ihn Gott zusammen mit Mose zu seiner bedeutungsvollen Aufgabe berufen. Mit seinem Bruder hatte er die Israeliten aus Ägypten geführt. Er hatte dessen Hände gestützt, als das Heer Israels gegen Amalek kämpfte. Er durfte mit auf den Berg Sinai steigen, in Gottes Gegenwart treten und dessen Herrlichkeit schauen. Der Herr hatte Aarons Familie das Priestertum übertragen und ihn mit der Weihe zum Hohenpriester beehrt. Er hatte ihn in seinem heiligen Amt bewahrt, als das schreckliche Gottesgericht offenbar wurde, das Korach und dessen Anhängern ein Ende bereitete. Durch Aarons Fürsprache wurde der Plage Einhalt geboten. Als seine beiden Söhne starben, weil sie Gottes ausdrücklichen Befehl missachtet hatten, begehrte er weder auf, noch war ein Wehklagen zu vernehmen. Und doch weist die Geschichte seines edlen Lebens auch Flecken auf. Aaron hatte sich schwer versündigt, als er am Sinai den Forderungen des Volkes nachgab und das goldene Kalb herstellte, und dann erneut, als er zusammen mit Mirjam auf Mose neidisch war und sich gegen ihn auflehnte. Schließlich versündigte er sich zusammen mit Mose am Herrn bei Kadesch, als er dem Befehl nicht gehorchte, mit dem Felsen zu reden, damit dieser Wasser spende.

Es war Gottes Absicht, dass diese beiden überragenden Führer seines Volkes Christus vertreten sollten. Aaron trug Israels Namen auf seiner Brust. Er teilte dem Volk den Willen Gottes mit. Am Versöhnungstag betrat er als Mittler für ganz Israel das Allerheiligste "nicht ohne Blut" (Hebräer 9,7). Nach dieser Handlung kam er heraus und segnete das Volk. Genau so wird nach Abschluss seines Versöhnungswerks Christus kommen, um die Gläubigen zu segnen, die auf ihn gewartet haben. Gerade dieser erhabene Charakter seiner heiligen Aufgabe als Vertreter unseres Hohenpriesters im Himmel verlieh Aarons Sünde bei Kadesch ein so großes Gewicht.

Zutiefst betrübt nahm Mose Aaron die heiligen Gewänder ab und legte sie Eleasar an. Dieser wurde damit von Gott zu dessen Nachfolger berufen. Wegen der erwähnten Schuld bei Kadesch blieb es Aaron versagt, als Hoher- priester in Kanaan zu amtieren, das erste Opfer im Gelobten Land darzubringen und auf diese Weise Israels Erbe zu weihen. Mose hingegen musste seine schwere Aufgabe weiterhin tragen und das Volk bis unmittelbar an die Grenze Kanaans führen. Dort sollte er das zugesagte Land sehen, aber betreten durfte er es nicht. Hätten diese Diener Gottes vor dem Felsen bei Kadesch die Prüfung, ohne zu murren, bestanden, wie ganz anders hätte sich ihre Zukunft gestaltet! Doch eine unrechte Tat lässt sich nicht ungeschehen machen. So kann es kommen, dass ein ganzes Lebenswerk nicht aufzuwiegen vermag, was in einem einzigen Augenblick verlorenging, weil man der Versuchung nachgab oder nur gedankenlos war.

Die Abwesenheit der beiden großen Führer vom Lager weckte Befürchtungen - zusammen mit der Tatsache, dass sie von Eleasar begleitet wurden, der bereits als Aarons Nachfolger im heiligen Dienst feststand. Deshalb wartete man besorgt auf ihre Rückkehr. Als sich die Israeliten unter ihrer großen Schar umschauten, stellten sie fest, dass fast alle Erwachsenen, die einst Ägypten verlassen hatten, in der Wüste umgekommen waren. Da überfiel sie eine unheilvolle Ahnung, weil sie an das Urteil dachten, das Gott über Mose und Aaron ausgesprochen hatte. Manche wussten, warum ihre Führer den geheimnisvollen Aufstieg auf den Berg Hor unternommen hatten. Die Besorgnis um sie wurde durch bittere Erinnerungen und Selbstanklagen noch verstärkt.

Endlich erkannten sie Mose und Eleasar, die langsam den Berg herabstiegen. Aber Aaron war nicht bei ihnen. Eleasar trug die priesterlichen Gewänder. Damit wurde deutlich, dass er als Nachfolger seines Vaters den heiligen Dienst angetreten hatte. Als sich das Volk schweren Herzens um seinen Führer scharte, erzählte ihnen Mose, dass Aaron auf dem Berg Hor in seinen Armen verschieden war und sie ihn dort begraben hatten. Da brach die ganze Volksgemeinde in lautes Wehklagen aus. Alle hatten nämlich Aaron lieb gewonnen, wenn sie ihm auch oft Kummer bereitet hatten. So "trauerten alle Israeliten 30 Tage lang um ihn" (4. Mose 20,29 NLB).

Über das Begräbnis des israelitischen Hohenpriesters berichtet die Heilige Schrift nur: "Dort starb Aaron und wurde daselbst begraben." (5. Mose 10,6) In welch auffallendem Gegensatz zu den heutigen Bräuchen steht diese Bestattung, die nach der ausdrücklichen Anweisung Gottes vollzogen wurde. Heutzutage bietet die Beerdigung eines hochgestellten Mannes oft Anlass zu pompösem, extravagantem Aufwand. Als Aaron starb - einer der berühmtesten Männer, die jemals gelebt haben -, waren nur zwei der nächsten Angehörigen Zeugen seines Todes und seiner Beerdigung. Das einsame Grab auf dem Berg Hor blieb den Blicken Israels für immer verborgen. Mit dem großen Aufwand, der so oft wegen eines Toten entfaltet wird, kann man Gott nicht ehren; auch nicht durch die großen Kosten, die entstehen, wenn der Leichnam der Erde übergeben wird.

Ganz Israel trauerte um Aaron, aber niemand empfand den Verlust so schmerzlich wie Mose. Aarons Tod erinnerte ihn zwangsläufig daran, dass auch sein eigenes Ende nahe war. So kurz seine Zeit auf Erden auch noch sein mochte - der Verlust seines ständigen Gefährten traf ihn tief. Viele Jahre lang hatte Aaron als Einziger Freud und Leid, Hoffnungen und Befürchtungen mit ihm geteilt. Nun musste Mose das Werk allein fortsetzen. Aber er wusste, dass Gott sein Freund war. Auf ihn stützte er sich nun umso mehr.

Bald nachdem die Israeliten den Berg Hor verlassen hatten, erlitten sie eine Niederlage gegen Arad, einen der Könige Kanaans. Als sie aber Gott ernstlich um Hilfe baten, wurde sie ihnen gewährt, und ihre Feinde wurden in die Flucht geschlagen. Doch dieser Sieg regte sie weder zur Dankbarkeit an, noch wurden sie sich dadurch ihrer Abhängigkeit von Gott bewusst, sondern er machte sie stolz und selbstsicher. Schon bald verfielen sie wieder in ihre alte Gewohnheit des Murrens. Jetzt waren sie unzufrieden, weil sie nicht schon 40 Jahre zuvor - unmittelbar nach ihrer Rebellion anlässlich des Berichts der Kundschafter - in Kanaan hatten einziehen dürfen. Sie bezeichne- ten die lange Wüstenwanderung als eine unnötige Verzögerung und schlussfolgerten, dass sie damals ihre Feinde ebenso leicht hätten besiegen können wie heute.

Folgen Des Selbst Verschuldeten Umwegs

Als sie ihre Wanderung nach Süden fortsetzten, führte sie der Weg durch ein heißes, sandiges Tal ohne jeden Schatten, ohne jede Vegetation. Der Weg schien weit und beschwerlich, und sie litten unter Müdigkeit und Durst. Wieder einmal bestanden sie eine Glaubens- und Geduldsprobe nicht. Weil sie immer nur die Schattenseiten ihrer Erlebnisse sahen, entfernten sie sich innerlich immer mehr von Gott. Sie vergaßen völlig die Tatsache, dass ihnen der Umweg um Edom erspart geblieben wäre, wenn sie nicht gemurrt hätten, als ihnen bei Kadesch das Wasser ausging. Gott hatte etwas Besseres für sie geplant. Eigentlich hätten sie ihm dankbar sein müssen, dass er ihre Sünde so mild bestraft hatte. Stattdessen bildeten sie sich ein, sie könnten längst im Besitz des Gelobten Landes sein, wenn Gott und Mose sie nicht daran gehindert hätten. Nachdem sie sich selbst in Schwierigkeiten gebracht hatten und ihr Schicksal damit härter geworden war, als Gott es geplant hatte, beschuldigten sie ihn auch noch für ihr Unglück. Sie hegten bittere Gedanken darüber, wie er sie behandelte. Schließlich waren sie mit allem unzufrieden. Ägypten erschien ihnen wieder einmal angenehmer und begehrenswerter als die Freiheit und das Land, in das Gott sie führte.

Als sie dem Geist der Unzufriedenheit nachgaben, sahen sie sogar Mängel in den Segnungen, die sie empfangen hatten. "Das Volk wurde verdrossen auf dem Weg und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise." (4. Mose 21,4.5)

Gewissenhaft hielt Mose daraufhin den Israeliten ihre große Sünde vor. Allein Gottes Macht hatte sie beschützt und geleitet "durch die große und furchtbare Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpione und lauter Dürre und kein Wasser war" (5. Mose 8,15). Täglich waren sie durch ein göttliches Wunder auf ihrer Wanderung versorgt worden. Durch Gottes Führung hatten sie Wasser gefunden, um die Durstigen zu erfrischen. Vom Himmel war Brot gefallen, sodass sie ihren Hunger stillen konnten. Frieden und Sicherheit hatten ihnen am Tag die Schatten spendende Wolke und die Feuersäule in der Nacht geschenkt. Engel hatten sie beschützt, wenn es felsige Berge hinaufging oder sie über raue Wüstenpfade zogen. Trotz aller Mühsal, die sie zu ertragen hatten, war niemand in ihren Reihen von Schwäche befallen. Ihre Füße waren auf der langen Wanderung nicht wund geworden, ihre Kleider nicht abgenutzt (vgl. 5. Mose 8,4). Gott hatte die Raubtiere vor ihnen gezähmt und die giftigen Reptilien des Waldes und der Wüste ferngehalten. Wenn sie sich trotz all dieser Zeichen seiner Liebe weiterhin beschwerten, würde Gott ihnen seinen Schutz entziehen, bis sie seine barmherzige Fürsorge wieder schätzen lernten und in Reue und Demut zu ihm zurückkehrten.

Tod Durch Giftige Schlangen

Weil sie von Gottes Macht beschirmt wurden, hatten sie die zahllosen Gefahren, die sie ständig umgaben, gar nicht wahrgenommen. In ihrer Undankbarkeit und ihrem Unglauben hatten sie dauernd den Tod vor Augen. Nun ließ der Herr tatsächlich den Tod über sie kommen. In der Wüste gab es giftige Schlangen, "feurige Schlangen" genannt, weil ihr Biss schlimme Folgen hatte: Er verursachte eine heftige Entzündung und einen schnellen Tod. Als Gott seine schützende Hand von den Israeliten zurückzog, wurden viele von diesen giftigen Tieren angegriffen.

Nun herrschten im ganzen Lager Entsetzen und Verwirrung. Fast in jedem Zelt gab es Sterbende oder Tote. Niemand war sicher. Oft zerrissen schrille Schreie die Stille der Nacht und verrieten neue Opfer. Alle waren damit beschäftigt, den Leidenden zu helfen oder mit verzweifelter Sorge diejenigen zu schützen, die noch nicht gebissen worden waren. Keine Klagen kamen jetzt über ihre Lippen. Verglichen mit dem jetzigen Leid waren die früheren Schwierigkeiten und Anfechtungen nicht der Rede wert.

Das Volk zeigte jetzt Reue und Demut vor Gott. Sie kamen mit ihrem Bekenntnis und der dringenden Bitte zu Mose: "Wir haben gesündigt, dass wir wider den Herrn und wider dich geredet haben." (4. Mose 21,7) Kurz zuvor hatten sie ihn noch angeklagt, ihr schlimmster Feind zu sein und an all ihrem Elend und ihrer Not Schuld zu haben. Doch schon während ihnen die Worte auf der Zunge lagen, wussten sie, dass ihre Vorwürfe ungerecht waren. Sobald es jedoch echte Probleme gab, flüchteten sie zu Mose als dem Einzigen, der bei Gott für sie eintreten konnte. "Bitte den Herrn", schrien sie verzweifelt, "dass er die Schlangen von uns nehme." (4. Mose 21,7)

Gott gebot daraufhin Mose, eine Schlange aus Bronze anzufertigen, die den lebendigen glich, und sie mitten unter dem Volk an einer Stange aufzurichten. Wer gebissen wurde und auf sie blickte, sollte geheilt werden. Mose führte den Auftrag aus. Durch das ganze Lager erscholl bald die freudige Nachricht: Wer gebissen wird, braucht nur den Blick auf die bronzene Schlange zu richten, um am Leben zu bleiben. Viele aber waren inzwischen bereits gestorben. Als nun Mose die Schlange an einem Pfahl aufrichtete, wollten manche nicht glauben, dass nur der Blick auf das metallene Bild ausreichte, um geheilt zu werden. Ihr Unglaube brachte ihnen den Tod. Doch viele setzten ihr Vertrauen auf das Heilmittel, das Gott vorgesehen hatte. Mit allem Eifer bemühten sich Väter und Mütter, Brüder und Schwestern, ihren leidenden und sterbenden Angehörigen zu helfen, ihre verlöschenden Augen auf die erhöhte Schlange zu richten. Wenn sie nur ein einziges Mal darauf sehen konnten, wurden sie wieder völlig gesund, auch wenn sie schon schwach und dem Tod nahe waren.

Die Bronzene Schlange -- Ein Symbol Für Den Erlöser

Das Volk verstand sehr wohl, dass die bronzene Schlange nicht die Macht hatte, das Leben derer zu retten, die sie anschauten. Die heilende Kraft kam allein von Gott. In seiner Weisheit wählte er diesen Weg, um ihnen seine Macht zu zeigen. Dieses einfache Mittel ließ sie erkennen, dass sie sich diese Plage wegen ihrer Sünden selbst zuzuschreiben hatten. Sie erhielten aber auch die Zusicherung, dass sie sich nicht zu fürchten brauchten, solange sie Gott gehorchten, denn er würde sie bewahren.

Das Aufrichten einer bronzenen Schlange enthielt für die Israeliten eine wichtige Lehre. Sie konnten sich nicht selbst vom tödlichen Gift in ihren Wunden retten. Gott allein konnte ihnen Heilung bringen. Aber sie mussten ihr Vertrauen zum Lösungsweg, den Gott geschaffen hatte, zum Ausdruck bringen: Sie mussten aufschauen, wenn sie leben wollten. Ihr Glaube zählte bei Gott, und dieses Vertrauen zeigten sie mit einem Blick auf die erhöhte Schlange. Sie wussten, dass die Schlange selbst keine Kraft besaß, sondern ein Sinnbild für Christus war. Auf diese Weise wurde ihnen nahegebracht, wie notwendig es ist, an seine Verdienste zu glauben. Bisher hatten viele Israeliten Gott ihre Opfer in der Meinung dargebracht, damit ihre Vergehen reichlich gesühnt zu haben. Sie verließen sich nicht auf den kommenden Erlöser, auf den diese Opfer schattenhaft hinwiesen. Nun aber zeigte ihnen Gott, dass ihre Opfer nicht mehr Kraft in sich hatten als die Schlange aus Bronze, sondern dazu bestimmt waren, ihre Gedanken auf Christus als das große Sündopfer zu lenken.

Jesus bezog sich einmal auf diese Begebenheit, indem er erklärte: "Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben." (Johannes 3,14.15) Alle, die je auf Erden lebten, haben den tödlichen Biss der "alten Schlange, die da heißt: Teufel und Satan" (Offenbarung 12,9), zu spüren bekommen. Die tödliche Wirkung der Sünde kann nur durch die Vorkehrung, die Gott getroffen hat, beseitigt werden. Die Israeliten retteten ihr Leben, wenn sie auf die erhöhte Schlange sahen. Dieser Blick erforderte Glauben. Sie blieben am Leben, weil sie Gottes Wort glaubten und auf das Heilmittel vertrauten, das ihnen Genesung versprach. So kann der Sünder auf Christus blicken und leben. Er empfängt Vergebung durch den Glauben an das Sühnopfer. Aber im Gegensatz zum reg- und leblosen Symbol besitzt Christus Macht und Fähigkeiten, um dem reumütigen Sünder zu helfen.

Der Sünder kann sich zwar nicht selbst retten, muss aber doch etwas zu seiner Rettung beitragen. "Wer zu mir kommt", sagte Jesus, "den werde ich nicht hinausstoßen." (Johannes 6,37) Wir müssen zu ihm kommen; und wenn wir unsere Sünden bereuen, dann müssen wir glauben, dass er uns annimmt und uns vergibt. Der Glaube ist zwar eine Gabe Gottes, aber es liegt in unserer Macht, ihn anzuwenden. Der Glaube ist die Hand, mit der wir die angebotene Gnade und Barmherzigkeit Gottes ergreifen.

Nur durch die Gerechtigkeit in Christus können wir die Segnungen des Gnadenbundes beanspruchen. Viele haben sich lange Zeit danach gesehnt und auch versucht, sie zu erlangen, haben sie aber nicht empfangen, weil sie die Vorstellung hegten, sie könnten selbst etwas tun, um sich ihrer würdig zu erweisen. Sie haben nicht von sich selbst weggesehen und geglaubt, dass Jesus als Erlöser völlig ausreicht. Wir dürfen nicht meinen, dass unsere eigenen Verdienste uns retten werden. Unsere einzige Hoffnung auf Erlösung ist Christus. "In keinem anderen ist das Heil; denn uns Menschen ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen." (Apostelgeschichte 4,12 ZÜ)

Die Erlösung Annehmen

Wenn wir Gott völlig vertrauen und uns auf die Verdienste von Jesus als Erlöser, der Sünden vergibt, verlassen, erhalten wir alle Hilfe, die wir brauchen. Niemand darf auf sich selbst sehen, als könne er sich aus eigener Macht erlösen. Weil wir dazu völlig außerstande sind, ist Jesus für uns gestorben. Er ist unsere einzige Hoffnung, unsere Rechtfertigung, unsere Gerechtigkeit vor Gott. Wenn wir unsere Sündhaftigkeit erkennen, brauchen wir weder zu verzweifeln noch zu befürchten, dass wir keinen Erlöser haben oder er uns gegenüber nicht gnädig eingestellt ist. Gerade in diesem Augenblick lädt er uns ein, in unserer völligen Hilflosigkeit zu ihm zu kommen und uns von ihm retten zu lassen.

Viele Israeliten sahen im Heilmittel, das der Himmel verordnet hatte, keine Hilfe. Um sie herum lagen Tote und Sterbende, und sie wussten, dass ihr Schicksal ohne Gottes Hilfe besiegelt war. Doch sie beklagten weiterhin ihre Wunden, ihre Schmerzen und ihren sicheren Tod, bis ihre Kräfte schwanden und ihre Augen brachen - obwohl sie sofort Heilung hätten erlangen können. Wenn wir uns unserer Mängel bewusst sind, sollten wir nicht all unsere Kraft damit verschwenden, sie zu beklagen. Wenn wir unseren hilflosen Zustand erkennen, in dem wir ohne Christus sind, sollten wir uns nicht entmutigen lassen, sondern uns auf die Verdienste des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers verlassen. Sieh auf und lebe! Jesus hat versprochen, dass er alle rettet, die zu ihm kommen. Obwohl Millionen Menschen, die Heilung nötig haben, die angebotene Gnade zurückweisen, wird niemand umkommen, der sein Vertrauen auf die Verdienste von Jesus setzt.

Viele wollen Christus nicht annehmen, bevor ihnen das ganze Geheimnis des Erlösungsplans klar geworden ist. Sie verweigern den gläubigen Blick auf das Kreuz, obwohl sie sehen, dass Tausende ihn geworfen und seine Wirkung erfahren haben. Andere schweifen im Irrgarten der Philosophie umher und suchen nach Gründen und Beweisen, die sie niemals finden werden, während sie die Hinweise ablehnen, die Gott uns zu geben bereit war. Sie weigern sich, im Licht der "Sonne der Gerechtigkeit" (Maleachi 3,20) zu leben, wenn ihnen nicht erklärt wird, warum sie leuchtet. Wer bei dieser Haltung bleibt, wird nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Gott wird niemals jeden Anlass zum Zweifel beseitigen. Er liefert genügend Beweise, auf die man seinen Glauben gründen kann. Wenn man sie nicht gelten lässt, bleibt der Verstand im Dunkeln. Hätten die von den Schlangen Gebissenen erst noch lange überlegt und gezweifelt, bevor sie sich zum Aufschauen entschlossen, wären sie alle umgekommen. Auch wir müssen zuerst aufsehen, dann wird uns der Blick des Glaubens Leben schenken.