Wie Alles Begann

Kapitel 43

Moses Lebensende

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5. Mose 31,1-8 und32,48 bis 34,7.

Im Umgang mit seinem Volk stellte Gott seine strikte, unparteiische Gerechtigkeit unter Beweis, vermischt mit seiner Liebe und Barmherzigkeit. Das geht deutlich aus der Geschichte des Volkes Israel hervor. Gott hatte den Israeliten große Segnungen zukommen lassen. Seine liebevolle Güte ihnen gegenüber wird im Lied von Mose in einem ergreifenden Bild geschildert: "Er ging mit ihnen um wie ein Adler, der seine Jungen fliegen lehrt: Der wirft sie aus dem Nest, begleitet ihren Flug, und wenn sie fallen, ist er da, er breitet seine Schwingen unter ihnen aus und fängt sie auf. So hat der Herr sein Volk geführt, der Herr allein, kein anderer Gott." (5. Mose 32,11.12 Hfa) Und dennoch - wie rasch und schwer bestrafte er sie für ihre Übertretungen!

Gottes unendliche Liebe zeigte sich darin, dass er seinen einzigartigen Sohn in den Tod gab, um die verlorenen Menschen zu erlösen. Christus kam auf diese Erde, um ihnen den Charakter seines Vaters zu offenbaren. Sein Leben war voller Taten göttlicher Güte und göttlichen Mitgefühls. Und doch sagte Jesus selbst: "Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz." (Matthäus 5,18) Dieselbe Stimme, die den Sünder mit geduldigem, liebendem und inständigem Flehen einlädt, zu ihm zu kommen, um bei ihm Vergebung und Frieden zu finden, wird im Gericht denen zurufen, die seine Gnade zurückgewiesen haben: "Geht weg von mir, ihr Verfluchten!" (Matthäus 25,41) In der ganzen Heiligen Schrift finden wir Gott nicht nur als liebenden Vater dargestellt, sondern auch als gerechten Richter. Er liebt es, Barmherzigkeit zu erweisen, und vergibt "Schuld, Verfehlung und Auflehnung", aber lässt "nicht alles ungestraft hingehen" (2. Mose 34,7b GNB).

Josua Als Moses Nachfolger Eingesetzt

Der große Herrscher aller Völker hatte gesagt, dass Mose die Israeliten nicht in das Gelobte Land führen dürfe. Auch das ernste Bitten seines Dieners konnte dieses Urteil nicht rückgängig machen. Mose wusste, dass er bald sterben würde. Trotzdem hatte seine Fürsorge für die Israeliten nicht einen Augenblick nachgelassen. Gewissenhaft hatte er sich auch weiterhin bemüht, sie auf den Einzug in das ihnen zugesagte Erbe vorzubereiten.

Auf Gottes Anweisung hin begab er sich mit Josua zum heiligen Zelt, über das sich die Wolkensäule herabsenkte und über dessen Eingang verharrte. Feierlich wurde das Volk Josuas Verantwortung anvertraut. Das Wirken von Mose als Führer Israels war beendet. Aber auch jetzt noch dachte er mehr an sein Volk als an sich selbst. Vor der versammelten Menge ermutigte er im Namen Gottes seinen Nachfolger mit der feierlichen Zusage: "Der Herr selbst wird vor dir herziehen. Er wird dir helfen und dich niemals im Stich lassen. Hab keine Angst und lass dich von keinem Gegner einschüchtern!" (5. Mose 31,8 GNB) Dann wandte sich Mose an die Ältesten und Aufseher des Volkes und ermahnte sie eindringlich, die Unterweisungen pflichtgetreu zu befolgen, die er von Gott empfangen und an sie weitergegeben hatte.

Als das Volk auf den betagten Mann schaute, der bald von ihnen genommen werden sollte, erinnerten sie sich mit neuer und größerer Wertschätzung an seine väterliche Güte, seine weisen Ratschläge und seine unermüdliche Arbeit. Wie oft hatten seine Gebete, wenn ihre Sünden Gottes Gerichte herausgefordert hatten, bei Gott erreicht, dass das Volk verschont wurde! Ihr Kummer wurde durch ihre Reue vergrößert. Bitter erinnerten sie sich, dass ihr Eigensinn Mose zur Sünde verleitet hatte, derentwegen er nun vorzeitig sterben musste.

Die Abberufung ihres geliebten Führers war für die Israeliten eine stärkere Zurechtweisung als alles, was sie hätte treffen können, wenn Mose am Leben geblieben und seine Mission weitergegangen wäre. Gott wollte sie spüren lassen, dass sie ihrem künftigen Anführer das Leben nicht so anstrengend machen sollten wie bei Mose. Gott spricht zu seinem Volk durch die Segnungen, die er ihm schenkt. Wenn diese aber nicht geschätzt werden, spricht er zu ihm, indem er die Segnungen wieder entzieht, damit es seine Sünden erkennt und sich wieder Gott von ganzem Herzen zuwendet.

Ein Letzter Segen Für Die Stämme Israels

Noch am selben Tag erhielt Mose den Befehl: "Geh ... auf den Berg Nebo ... Sieh von dort aus in das Land Kanaan hinüber, das ich dem Volk Israel zum Besitz geben werde! Danach wirst du auf dem Berg sterben und im Tod mit deinen Vorfahren vereint werden." (5. Mose 32,49.50 GNB) Mose hatte oft auf Gottes Geheiß gehorsam das Lager verlassen, um mit ihm zu sprechen, aber dieses Mal sollte er zu einem unbekannten, geheimnisvollen Gang aufbrechen. Er musste nun sein Leben in die Hände seines Schöpfers legen. Mose wusste, dass er allein sterben sollte. Kein irdischer Freund durfte ihm in seinen letzten Stunden beistehen. Ein furchterregendes Geheimnis lag über dem, was ihm bevorstand und sein Herz schreckte davor zurück. Die schwerste Prüfung aber war die Trennung von dem Volk, dem all seine Liebe und Fürsorge galt und mit dem seine Interessen und sein Leben so lange verbunden gewesen waren. Aber er hatte gelernt, Gott zu vertrauen. Darum vertraute er in bedingungslosem Glauben sich und sein Volk der Liebe und Gnade Gottes an.

Zum letzten Mal stand Mose vor dem versammelten Volk. Erneut ruhte der Geist Gottes auf ihm. Mit feierlichen, ergreifenden Worten sprach er über jeden Stamm einen Segen (vgl. 5. Mose 33,6-25). Danach schloss er mit einer Segnung für alle:

"Kein anderer Gott ist dem Gott Israels gleich, dem Gott Jeschuruns23! In seiner Majestät fährt er über den Himmel, auf den Wolken eilt er dir zu Hilfe. Der ewige Gott ist deine Zuflucht, Israel, in seinen Armen fängt er dich auf. Er hat deine Feinde vor dir vertrieben und dir befohlen: ›Vernichte sie!‹ Nun wohnst du in sicheren Grenzen, ausgesondert aus den übrigen Völkern. Tau und Regen schenkt dir der Himmel, Korn und Wein bringt die Erde in Fülle hervor. Wie glücklich bist du, Israel! Kein anderes Volk kann sich mit dir vergleichen, denn der Herr ist dein Helfer. Du kannst dich auf ihn verlassen, er ist für dich wie ein schützender Schild und ein scharfes, siegreiches Schwert. Deine Feinde müssen dich um Gnade bitten, doch du schreitest stolz über sie hinweg." (5. Mose 33,26-29 GNB)

Rückschau Auf Ein Bewegtes Leben

Dann wandte er sich schweigend von der Versammlung ab. Allein machte er sich auf den Weg zum Gipfel des Berges. Er stieg "auf den Berg Nebo, den Gipfel des Gebirges Pisga" (5. Mose 34,1). Dann stand er auf dieser einsamen Höhe und überschaute mit ungetrübten Augen die Landschaft, die sich vor ihm ausbreitete. Weit im Westen glänzte das Wasser des Mittelmeers. Im Norden ragte der Berg Hermon auf. Im Osten befand sich die Hochebene von Moab, und dahinter lag Baschan, wo Israel einen großen Sieg errungen hatte. Weit im Süden erstreckte sich die Wüste, durch die sie so lange gewandert waren.

In dieser Abgeschiedenheit hielt Mose Rückschau auf sein Leben voller Veränderungen und Belastungen, nachdem er sich von höfischen Ehren und einer möglichen Königsherrschaft in Ägypten abgewandt hatte, um sein Los mit Gottes auserwähltem Volk zu verbinden. Mose dachte an die vielen Jahre mit Jitros Herden in der Wüste, an die Erscheinung des Engels des Herrn im brennenden Busch und an seine Berufung, Israel zu befreien. Er sah die gewaltigen Wunder wieder vor sich, durch die Gott seine Macht zum Wohl seines erwählten Volkes offenbart hatte, und seine langmütige Gnade in den Jahren der Wüstenwanderung und der Rebellion. Trotz all dessen, was der Herr für sie getan hatte, trotz aller Gebete und trotz des Wirkens von Mose waren von allen Erwachsenen aus dem großen Volk, das Ägypten verlassen hatte, nur zwei Gott so treu geblieben, dass sie das Gelobte Land betreten konnten. Als Mose auf das Ergebnis seiner Arbeit zurückblickte, schien es ihm, als sei sein Leben voller Prüfungen und Opfer nahezu vergeblich gewesen.

Dennoch bedauerte er nicht, diese Last auf sich genommen zu haben. Er wusste, dass ihm Gott selbst diese Aufgabe übertragen hatte. Anfangs war er vor der Verantwortung zurückgeschreckt, Israel aus der Sklaverei zu führen. Aber seit er damit begonnen hatte, war er dieser Aufgabe treu geblieben. Selbst als ihm Gott vorschlug, ihn aus der Verantwortung zu entlassen und das widerspenstige Israel zu vernichten, konnte Mose dem nicht zustimmen. Auch wenn seine Prüfungen schwer gewesen waren, hatte er doch besondere Beweise der Gunst Gottes genossen. Auf der Wüstenwanderung erwarb er sich einen reichen Erfahrungsschatz, indem er Zeuge der Macht und Herrlichkeit Gottes wurde und sich in der Gemeinschaft seiner Liebe befand. Er war der Meinung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, "mit dem Volk Gottes geplagt zu werden, als den zeitlichen Genuss der Sünde zu haben" (Hebräer 11,25 Elb.).

Als er auf seine Erlebnisse als Anführer des Volkes Gottes zurückschaute, trübte eine falsche Handlung seine Lebensgeschichte. Wenn diese Sünde ausgelöscht werden könnte, brauchte er sich nicht mehr vor dem Tod zu fürchten. Ihm wurde versichert, dass Reue und der Glaube an das verheißene Opfer alles seien, was Gott verlangte. Da bekannte Mose noch einmal seine Sünde und flehte im Namen von Jesus um Vergebung.

Ein Panorama Des Verheissenen Landes

Und nun breitete sich in einer Vision das Panorama des ganzen verheißenen Landes vor ihm aus. Jedes seiner Teile wurde ihm vor Augen geführt, aber nicht blass und verschwommen in trüber Ferne, sondern klar und in voller Schönheit. Mose war vom Anblick entzückt. Das Land wurde ihm aber nicht in seiner damaligen Verfassung vorgestellt, sondern so, wie es unter Gottes Segen und im Besitz Israels einmal werden sollte. Ihm war, als sähe er ein zweites Eden - Berge, auf denen die Zedern des Libanon wuchsen, Hügel, die mit grauen Ölbäumen bedeckt waren oder den Duft der Weinbeeren ausströmten, weite grüne Ebenen, die im Blumenschmuck leuchteten und sehr fruchtbar waren, Palmen der tropischen Region, wogende Weizen- und Gerstenfelder, sonnige Täler, in denen das Rauschen der Bäche und der Gesang der Vögel erklangen, stattliche Städte, schöne Gärten, fischreiche Seen, weidende Herden an den Hängen und selbst zwischen den Felsen wilde Bienen, die Honig sammelten. Es war wirklich ein Land, wie Mose es - vom Geist Gottes erfüllt - den Israeliten geschildert hatte: "gesegnet vom Herrn ... mit dem Köstlichsten vom Himmel droben, dem Tau, und mit der Flut, die drunten liegt, mit dem Köstlichsten, was die Sonne hervorbringt . mit dem Besten uralter Berge . mit dem Köstlichsten der Erde und ihrer Fülle" (5. Mose 33,13-16a).

Mose sah, wie das auserwählte Volk in Kanaan sesshaft wurde, jeder Stamm in seinem eigenen Gebiet. Er erhielt einen Einblick in seine Geschichte nach der Besitznahme des Gelobten Landes. Die lange, traurige Geschichte seines Abfalls und seiner Bestrafung wurde vor ihm ausgebreitet. Er sah, wie die Israeliten wegen ihrer Sünden unter die Heiden zerstreut wurden, wie die Herrlichkeit von ihnen wich, ihre schöne Stadt in Trümmern lag und sie als Gefangene in fremden Ländern lebten. Er sah, wie sie in das Land ihrer Väter zurückkehrten und zuletzt unter die Herrschaft Roms gerieten.

Vorausschau Auf Den Messias

Er durfte den Zeitenlauf verfolgen und das erste Kommen des Erlösers erblicken. Er sah Jesus als neugeborenes Kind in Bethlehem. Er hörte die Stimmen der Engelschar, die Loblieder zur Ehre Gottes sangen und Frieden auf Erden verkündeten. Er sah den Stern am Himmel, der die Weisen aus dem Morgenland zu Jesus führte. Eine tiefe Erkenntnis ging ihm auf, als er an die prophetischen Worte dachte: "Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen." (4. Mose 24,17) Er sah das einfache, bescheidene Leben von Christus in Nazareth, dessen Dienst der Liebe, des Mitgefühls und der Heilungen und dessen Zurückweisung durch ein stolzes, ungläubiges Volk. Erstaunt vernahm Mose, wie sie großspurig Gottes Gesetz verherrlichten, aber denjenigen verachteten und ablehnten, der es ihnen verkündet hatte. Er sah Jesus auf dem Ölberg unter Tränen von seiner geliebten Stadt Abschied nehmen. Dann musste er die endgültige Verwerfung des Volkes, das Gott so reich gesegnet hatte, mit ansehen - des Volkes, für das er gebetet, sich abgemüht und aufgeopfert hatte und für das er bereit gewesen war, seinen Namen aus dem Buch des Lebens tilgen zu lassen. Als er die Worte hörte: "Deshalb wird Gott euren Tempel verlassen, und er wird verwüstet daliegen" (Matthäus 23,38 GNB), zerriss es ihm vor Kummer fast das Herz. Bittere Tränen quollen aus seinen Augen - aus Mitgefühl mit dem Kummer des Sohnes Gottes.

Mose folgte dem Erlöser nach Gethsemane, sah dessen Todesqualen im Garten, den Verrat, die Verhöhnung, die Geißelung, die Kreuzigung. Er erkannte nun: So wie er in der Wüste die Schlange aufgerichtet hatte, musste "der Menschensohn erhöht werden ... damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben" (Johannes 3,14.16). Kummer, Entrüstung und Entsetzen erfüllten Mose, als er die Heuchelei und den satanischen Hass sah, den die jüdische Nation ihrem Erlöser entgegenbrachte - dem mächtigen Engel, der in der Wüste ihren Vätern vorangezogen war! Er hörte den qualvollen Aufschrei von Christus: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Markus 15,34) Dann sah Mose ihn in Josefs neuem Grab liegen. Hoffnungslos schien das Dunkel der Verzweiflung die Welt einzuhüllen. Als er aber nochmals hinschaute, sah er ihn als Sieger aus dem Grab hervorkommen und zum Himmel auffahren, begleitet von Engeln, die ihn liebten, und einer Menge Auferstandener. Er sah, dass die glänzenden Tore des Himmels zu seinem Empfang geöffnet waren, und die Engelschar ihren Herrn mit Siegesliedern willkommen hieß. Und dann wurde Mose offenbart, dass er selbst zu denen gehören werde, die den Erlöser begleiten und ihm die ewigen Tore öffnen. Als er auf dieses Geschehen blickte, leuchtete sein Antlitz von heiligem Glanz. Wie geringfügig erschienen ihm nun die Mühen und Opfer, die er zu erdulden hatte, im Vergleich mit denen des Sohnes Gottes; wie leicht im Gegensatz zur "ewige[n] und über alle Maßen gewichtigen Herrlichkeit" (2. Korinther 4,17)! Wie froh war er, dass er - wenn auch nur in geringem Maß - an den Leiden des Heilandes hatte teilhaben dürfen!

Mose sah die Jünger ausziehen, um in der Welt das Evangelium zu verbreiten. Er sah, dass Gott Abrahams Nachkommen nicht verworfen hatte, obwohl das Volk Israel "nach dem Fleisch" (Römer 9,3) versäumt hatte, seine hohe Bestimmung, zu der Gott es berufen hatte, zu erfüllen. Es hatte aus Unglauben versagt, zum Licht der Welt zu werden. Es hatte Gottes Barmherzigkeit verachtet und die Segnungen als auserwähltes Volk verwirkt. Die großartigen Absichten, die Gott durch Israel erreichen wollte, sollten erfüllt werden. Alle, die durch Christus zu Kindern des Glaubens wurden, galten als Abrahams Nachkommen und waren Erben der Bundesverheißungen (vgl. Galater 3,29). Wie Abraham waren sie dazu berufen, Gottes Gesetz und die gute Nachricht von seinem Sohn zu bewahren und in der Welt bekanntzumachen. Mose sah, wie das Licht des Evangeliums durch die Jünger zu jedem Volk getragen wurde, "das in der Finsternis saß" (Matthäus 4,16 ZÜ), und wie Tausende aus den Ländern der Heiden zu diesem aufstrahlenden Licht strömten. Als er das wahrnahm, freute er sich über das Wachstum und das Wohlergehen Israels.

Abfall Auch In Der Christenheit

Dann zog ein weiteres Bild an ihm vorüber. Eben hatte ihm Gott gezeigt, wie Satan die Juden dazu verführte, Christus zu verwerfen, während sie beteuerten, das Gesetz Gottes zu ehren. Nun sah er die christliche Welt einer ähnlichen Täuschung erliegen: Sie bekannten zwar, Christus anzunehmen, verwarfen aber das Gesetz seines Vaters. Mose hatte gehört, wie die Priester und Ältesten wütend schrien: "Weg, weg mit dem!" und "Kreuzige, kreuzige ihn!" (Johannes 19,15; Lukas 23,21) Nun vernahm er von angeblich christlichen Lehrern den Ruf: "Weg mit dem Gesetz!" Mose sah, wie der Sabbat mit Füßen getreten wurde und man eine falsche Einrichtung an seine Stelle setzte. Erneut packte Mose Staunen und Entsetzen. Wie konnten jene, die an Christus glaubten, das Gesetz verwerfen, das er doch mit eigener Stimme auf dem heiligen Berg verkündet hatte? Wie konnten Menschen, die Gott ehrten, das Gesetz außer Kraft setzen, das die Grundlage seiner Herrschaft im Himmel und auf Erden bildet? Mit Freude bemerkte Mose, dass es doch einige wenige Treue gab, die Gottes Gesetz noch immer ehrten und hochhielten. Er schaute den letzten großen Kampf der irdischen Mächte, um jene zu vernichten, die Gottes Gesetz beachteten.

Die Vollendung Der Erlösung

Mose blickte auf die Zeit voraus, in der sich Gott aufmachen wird, um die Bewohner der Erde wegen ihrer Bosheit zu bestrafen, während jene, die seinen Namen in Ehren gehalten haben, am Tag seines Zorns beschützt und geborgen sein werden. Er hörte Gottes Friedensbund, den dieser mit denen schloss, die seine Gebote gehalten hatten, als seine Stimme aus dem Heiligtum ertönte und Himmel und Erde erbebten. Er sah die Wiederkunft von Christus in Kraft und Herrlichkeit, wie die gerechten Toten zum ewigen Leben auferweckt und die lebenden Heiligen verwandelt wurden, ohne dem Tod unterworfen zu werden. Er sah sie vereint und mit Freudengesängen in die Stadt Gottes auffahren.

Noch eine weitere Szene wurde ihm vor Augen geführt: die vom Fluch befreite Erde, lieblicher als das verheißene Land, das kürzlich vor ihm ausgebreitet worden war. Dort gibt es keine Sünde mehr, der Tod hat keinen Zutritt. Dort finden die Scharen der Erlösten ihre ewige Heimat. Mit unaussprechlicher Freude schaute Mose auf dieses Bild - die Vollendung einer Befreiung, die weit herrlicher war, als er es sich in seinen kühnsten Hoffnungen jemals ausgemalt hatte. Die irdischen Wanderungen gehören für immer der Vergangenheit an. Das Israel Gottes hat endlich das Gelobte Land erreicht.

Moses Tod

Die Vision verschwand und Moses Augen ruhten wieder auf dem Land Kanaan, das sich in der Ferne ausbreitete. Dann legte er sich wie ein müder Krieger nieder, um zu ruhen. "So starb Mose, der Knecht des Herrn, daselbst im Land Moab nach dem Wort des Herrn. Und er begrub ihn im Tal, im Land Moab gegenüber Bet-Peor. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag." (5. Mose 34,5.6) Viele, die nicht auf Moses Ratschläge hören wollten, solange er bei ihnen war, wären in der Gefahr gestanden, seinen Leichnam wie einen Götzen zu verehren, wenn sie sein Grab gekannt hätten. Deshalb blieb es den Menschen verborgen. Engel Gottes begruben den Körper seines treuen Dieners und bewachten das einsame Grab.

"Es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, den der Herr erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht, mit all den Zeichen und Wundern, mit denen der Herr ihn gesandt hatte ... und mit all der mächtigen Kraft und den großen Schreckenstaten, die Mose vollbrachte vor den Augen von ganz Israel." (5. Mose 34,10-12)

Hätte nicht diese eine Sünde das Leben von Mose befleckt, als er versagte und Gott für das Hervorbringen von Wasser aus dem Felsen von Kadesch nicht die Ehre gab, wäre er ins gelobte Land gekommen und ohne den Tod zu schmecken, verwandelt in den Himmel aufgenommen worden. Aber er sollte nicht lange im Grab bleiben. Christus selbst kam mit den Engeln, die Mose bestattet hatten, vom Himmel herab, um den schlafenden Heiligen aus dem Grab herauszurufen. Satan hatte triumphiert, als es ihm gelungen war, Mose zur Sünde gegen Gott zu veranlassen und so unter die Herrschaft des Todes zu bringen. Der große Widersacher erklärte, dass ihm Gottes Urteilsspruch "Du bist Erde und sollst zu Erde werden" (1. Mose 3,19) ein Anrecht auf die Toten gebe. Die Macht des Todes war bis dahin noch nie gebrochen worden, und alle, die in den Gräbern lagen, beanspruchte Satan als seine Gefangenen. Nie wieder würden sie aus seinem dunklen Gefängnis freikommen.

Moses Auferweckung

Zum ersten Mal stand Christus im Begriff, einem Toten Leben zu schenken. Als sich der Herr des Lebens und seine Engel dem Grab näherten, fürchtete Satan um seine Vormachtstellung. Mit seinen bösen Engeln war er zur Stelle, um jedes Eindringen in seinen Herrschaftsbereich abzuwehren. Er prahlte damit, dass dieser Diener Gottes sein Gefangener geworden sei. Er erklärte, dass nicht einmal Mose in der Lage gewesen sei, Gottes Gesetz zu halten. Er habe sich die Ehre angemaßt, die Gott zustehe - die gleiche Sünde, die zu seiner eigenen Verbannung aus dem Himmel geführt habe. Durch diese Übertretung sei Mose unter Satans Herrschaft geraten. Der Erzverräter brachte somit wieder die gleichen Anklagen vor, die er auch ursprünglich gegen Gottes Herrschaft erhoben hatte, und wiederholte seine Beschwerde, Gott behandle ihn ungerecht.

Christus ließ sich nicht auf einen Streit mit Satan ein. Er hätte die grausamen Folgen seiner Täuschungen im Himmel, die den Untergang einer großen Anzahl seiner Bewohner verursacht hatten, Vorbringen können. Er hätte auch auf Satans Lügen im Garten Eden hinweisen können, mit denen er Adam zur Sünde verführt und über das Menschengeschlecht den Tod gebracht hatte. Er hätte Satan daran erinnern können, dass er selbst es gewesen war, der Israel ständig zum Murren und Aufbegehren verführt hatte, was Moses Langmut und Geduld letztlich erschöpft und in einem unbedachten Augenblick zur Sünde verleitet hatte, weswegen er der Macht des Todes verfallen war. Aber Christus überließ das alles seinem Vater und sagte nur: "Der Herr strafe dich!" (Judas 9) Der Erlöser ließ sich nicht auf einen Streit mit seinem Gegner ein, sondern begann auf der Stelle damit, die Macht des gefallenen Feindes zu brechen und den Toten zum Leben zu erwecken. Hier lieferte der Sohn Gottes einen Beweis für seine Vormachtstellung, die Satan nicht anfechten konnte. Die Auferstehung wurde für alle Zeiten sichergestellt. Satan wurde seine Beute entrissen. Die gerechten Toten werden wieder leben.

Infolge der Sünde war Mose unter die Gewalt Satans geraten. An seinen eigenen Verdiensten gemessen, war er zu Recht ein Gefangener des Todes. Aber er wurde zum unsterblichen Leben erweckt, weil er im Namen des Erlösers darauf Anspruch hatte. Mose kam verklärt aus dem Grab hervor und fuhr mit seinem Befreier in die Stadt Gottes auf.

Solange Gottes Gerechtigkeit und Liebe schattenhaft im Opfertod von Christus veranschaulicht wurden, waren sie nie so eindrucksvoll dargestellt worden wie in seinem Umgang mit Mose. Gott schloss ihn von Kanaan aus, um zu verdeutlichen, was nie vergessen werden durfte: Dass er unbedingten Gehorsam verlangt und sich Menschen davor hüten sollten, die Ehre, die allein dem Schöpfer gebührt, für sich zu beanspruchen. Gott konnte Moses Bitte, doch am Erbe Israels teilhaben zu dürfen, nicht erhören, aber er hat seinen treuen Diener nicht vergessen oder verlassen. Der Gott des Himmels verstand die Leiden, die Mose erduldet hatte. Er hatte auf jede Tat im treuen Dienst während der langen Jahre der Auseinandersetzungen und Prüfungen geachtet. Auf dem Gipfel des Berges Pisga rief ihn Gott zu einem Erbe, das unendlich herrlicher war als das irdische Kanaan.

Als Jesus auf einem Berg verklärt wurde, waren Mose und Elia, der verwandelt und lebend in den Himmel aufgenommen worden war, zugegen (vgl. Matthäus 17,1-3; 2. Könige 2,11). Als Träger von Licht und Herrlichkeit hatte sie der Vater zu seinem Sohn gesandt. So ging schließlich in Erfüllung, worum Mose viele Jahrhunderte zuvor gebetet hatte: Nun stand er wirklich auf dem "gute[n] Bergland" (5. Mose 3,25), mitten im Erbe seines Volkes, und gab dem ein Zeugnis, der im Mittelpunkt aller Zusagen Gottes an Israel stand. Dies war Moses letztes persönliches Auftreten, das von menschlichen Augen wahrgenommen wurde - jenes Mannes, dem der Himmel eine so große Ehre erwiesen hat.

Ein Vorbild Auf Christus

Mose war ein Vorbild auf Christus. Er selbst hatte Israel verkündet: "Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen." (5. Mose 18,15) Gott hielt es für angebracht, Mose in der Schule des Leidens und der Armut zu erziehen, bevor er bereit war, die große Schar der Israeliten in das irdische Kanaan zu führen. Das Israel Gottes auf dem Weg in das himmlische Kanaan hat einen Anführer, der für seine Aufgabe als göttlicher Leiter keine menschliche Vorbereitung nötig hatte. Doch auch Christus wurde erst durch Leiden vollendet; "denn worin er selbst gelitten hat, als er versucht worden ist, kann er denen helfen, die versucht werden" (Hebräer 2,18 Elb.). Unser Erlöser wies keine menschliche Schwäche oder Unvollkommenheit auf. Dennoch starb er, um uns den Eingang in das himmlische Kanaan zu verschaffen.

"Mose war ein treuer Diener im Haus Gottes, und sein Beispiel bezeugte alles, was später von Gott offenbart werden sollte. Christus dagegen, der Sohn, wurde über das ganze Haus Gottes gesetzt. Gottes Haus sind wir, wenn wir zuversichtlich bleiben und an unserer Hoffnung auf Christus festhalten." (Hebräer 3,5.6 NLB)