Wie Alles Begann

Kapitel 47

Das Bündnis Mit Den Gibeonitern

[AUDIO]

Josua 9,1 bis 10,15.

Von Sichem kehrten die Israeliten in ihr Lager bei Gilgal zurück. Dort erhielten sie bald Besuch von einer seltsamen Abordnung, die einen Vertrag mit ihnen schließen wollte. Die Botschafter gaben vor, aus einem fernen Land zu kommen, und ihr Aussehen schien das zu bestätigen: Ihre Kleidung war alt und abgetragen, die Sandalen waren geflickt, ihre Vorräte schimmlig und die Häute, die ihnen als Weinbehälter dienten, waren gerissen und wieder zusammengebunden, als ob sie auf dem Weg eilig ausgebessert worden wären.

In ihrer weit entlegenen Heimat - angeblich jenseits der Grenzen Palästinas - hätten ihre Landsleute - so sagten sie - von den Wundertaten Jahwes für sein Volk gehört und sie hierher gesandt, um ein Bündnis mit Israel zu schließen. Die Israeliten waren von Gott ausdrücklich davor gewarnt worden, mit den Götzendienern Kanaans Bündnisse einzugehen. Den Anführern kamen bei den Worten der Fremden auch Zweifel an deren Ehrlichkeit: "Vielleicht wohnt ihr mitten unter uns", sagten sie. Darauf erwiderten die Gibe- oniter nur: "Wir sind deine Knechte." Aber als Josua sie direkt fragte: "Wer seid ihr und woher kommt ihr?" (Josua 9,7.8), wiederholten sie ihre frühere Aussage und fügten zum Beweis ihrer Aufrichtigkeit hinzu: "Und nun seht hier unser Brot: Es war noch warm, als wir von zu Hause aufbrachen; jetzt ist es hart geworden und zerbröckelt. Seht unsere Weinschläuche: Sie waren noch neu, als wir sie füllten, aber jetzt sind sie rissig. Und unsere Kleider und Schuhe sind zerschlissen von der langen Reise." (Josua 9,12.13 GNB)

Diese Darstellung wirkte überzeugend. "Die Obersten befragten den Mund des Herrn nicht. Und Josua machte Frieden mit ihnen und schloss einen Bund mit ihnen, dass sie am Leben bleiben sollten. Und die Obersten der Gemeinde schworen es ihnen." (Josua 9,14.15) So kam der Vertrag zustande. Drei Tage später aber entdeckten die Obersten Israels die Wahrheit. So "kam es heraus, dass die Fremden in Wirklichkeit in nächster Nähe mitten im Gebiet Israels lebten" (Josua 9,16 GNB). Weil die Gibeoniter wussten, dass sie den Israeliten unmöglich widerstehen konnten, hatten sie zu dieser List gegriffen, um ihr Leben zu retten.

Der Eid Wird Eingehalten

Als die Israeliten erfuhren, dass man sie getäuscht hatte, war ihre Entrüstung groß. Und sie steigerte sich noch, als sie schon nach drei Tagen die Städte der Gibeoniter erreichten, die mitten im Land lagen. "Als aber die ganze Gemeinde gegen die Obersten murrte", weigerten sich diese, den Vertrag zu brechen, obwohl er durch Betrug zustande gekommen war, denn sie hatten "ihnen geschworen bei dem Herrn, dem Gott Israels" (Josua 9,18.19). "So verschonte Josua sie und erlaubte den Israeliten nicht, die Gibeoniter zu töten." (Jos 9,26 NLB) Die Gibeoniter hatten sich verpflichtet, all ihren Götzendienst aufzugeben und die Anbetung Jahwes anzunehmen. Insofern war die Verschonung ihres Lebens keine Verletzung des göttlichen Gebots, die götzendienerischen Kanaaniter auszurotten. Die Israeliten hatten mit ihrem Eid nichts Sündhaftes geschworen. Und obwohl der Eid durch Betrug erlangt worden war, durfte er nicht missachtet werden. Eine Verpflichtung, die jemand durch sein Wort eingegangen ist, sollte heilig gehalten werden - sofern sie ihn nicht dazu nötigt, Unrechtes zu tun. Kein Gedanke an Gewinn, Eigennutz oder Vergeltung kann die Unverletzlichkeit eines Eides oder Gelöbnisses berühren. "Lügenmäuler sind dem Herrn ein Gräuel" (Sprüche 12,22), heißt es in der Schrift. Und: "Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg? ... Wer seinen Eid hält, auch wenn es ihm schadet." (Psalm 15,1b.4b; vgl. Psalm 24,3.4b)

Die Gibeoniter durften am Leben bleiben, aber sie mussten am Heiligtum als Leibeigene alle niedrigen Dienste verrichten. "So machte sie Josua an diesem Tag zu Holzhauern und Wasserschöpfern für die Gemeinde und den Altar des Herrn." (Josua 9,27) Diese Bedingungen nahmen sie dankbar an, wussten sie doch genau, dass sie im Unrecht waren und froh sein mussten, ihr Leben auf irgendeine Art gerettet zu haben. "Nun, wir sind in deiner Hand", sagten sie zu Josua, "mach mit uns, was du für richtig hältst." (Josua 9,25 GNB) Jahrhundertelang blieben ihre Nachkommen mit dem Dienst am Heiligtum verbunden.

Das Gebiet der Gibeoniter umfasste vier Städte. Sie standen nicht unter der Herrschaft eines Königs, sondern wurden von Ältesten beziehungsweise Ratsherren regiert. Gibeon, die bedeutendste von ihnen, "war eine große Stadt wie eine der Königsstädte ... und alle seine Bürger [waren] streitbare Männer" (Josua 10,2). Dass sich die Bewohner einer solchen Stadt zur Rettung ihres Lebens eines derart demütigenden Mittels bedienten, ist ein eindrucksvoller Beweis für die großen Angst, die Israel unter den Kanaanitern ausgelöst hatte.

Die Gibeoniter Hätten Anders Verschont Werden Können

Aber den Gibeonitern wäre es besser ergangen, wenn sie zu den Israeliten ehrlich gewesen wären. Die Unterwerfung unter Jahwe rettete zwar ihr Leben, aber die Täuschung brachte ihnen Schande und Zwangsarbeit ein. Gott hatte Vorkehrung getroffen, dass alle, die sich vom Heidentum lossagen und Israel anschließen, auch an den Segnungen des Bundes teilhaben sollten. Sie fielen unter die Bezeichnung "Fremdlinge, die unter euch wohnen" (4. Mose 19,10). Mit wenigen Ausnahmen erfreuten sie sich derselben Gnaden erweise und Vorrechte wie die Israeliten. Die Anweisung des Herrn lautete: "Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Land, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst." (3. Mose 19,33.34) Was das Passafest und die Opfer betraf, war folgende Anweisung ergangen: "Für die ganze Gemeinde gelte nur eine Satzung, für euch wie auch für die Fremdlinge ... dass vor dem Herrn der Fremdling sei wie ihr." (4. Mose 15,15)

Das war die Grundlage, auf der die Gibeoniter hätten aufgenommen werden können, wenn sie nicht zur Täuschung Zuflucht genommen hätten. Für die Bewohner einer "königlichen Stadt", deren Bürger alle "streitbare Männer" (Josua 10,2) waren, bedeutete es bestimmt keine geringe Demütigung, Generationen hindurch Holzhauer und Wasserschöpfer zu sein. Weil sie jedoch für den Betrug das Kleid der Armut angenommen hatten, haftete es ihnen nun als Zeichen dauernder Knechtschaft an. Auf diese Weise bezeugte der Sklavenstand in allen ihren Geschlechtern, wie Gott die Unwahrheit hasst.

Die Israeliten Stehen Zu Den Gibeonitern

Die Unterwerfung der Gibeoniter unter die Israeliten erfüllte die Könige Kanaans mit Entsetzen. Sie ergriffen sofort Vergeltungsmaßnahmen gegen jene, die mit den Eindringlingen Frieden geschlossen hatten. Unter der Führung von Adoni-Zedek, dem König von Jerusalem, schlossen fünf kanaaniti- sche Könige ein Bündnis gegen Gibeon. Ihr Vordringen geschah schnell. Die Gibeoniter waren nicht auf eine Verteidigung vorbereitet und sandten eine Botschaft an Josua nach Gilgal: "Zieh deine Hand nicht ab von deinen Knechten; komm eilends zu uns herauf, rette und hilf uns! Denn es haben sich gegen uns versammelt alle Könige der Amoriter, die auf dem Gebirge wohnen." (Josua 10,6) Die Gefahr drohte nicht allein den Gibeonitern, sondern auch den Israeliten. Die Stadt Gibeon, die die Pässe nach Mittel- und Südpalästina beherrschte, musste gehalten werden, wenn sie das Land erobern wollten.

Josua bereitete sogleich die Unterstützung für die Gibeoniter vor. Die Einwohner der belagerten Stadt hatten befürchtet, er würde ihre Bitte wegen ihres vorherigen Betruges abschlagen. Aber weil sie sich der Herrschaft Israels unterworfen und die Anbetung Jahwes angenommen hatten, fühlte er sich verpflichtet, sie zu schützen. Diesmal handelte er nicht, ohne Gottes Rat einzuholen, und der Herr ermutigte ihn zu dem Unternehmen. "Fürchte dich nicht vor ihnen", sagte er, "denn ich habe sie in deine Hände gegeben. Niemand unter ihnen wird vor dir bestehen können." "Da zog Josua hinauf von Gilgal und das ganze Kriegsvolk mit ihm und alle streitbaren Männer." (Josua 10,8.7)

Durch einen nächtlichen Marsch brachte er seine Truppen bis zum anderen Morgen vor Gibeon. Kaum hatten die verbündeten Fürsten ihre Heere um die Stadt aufgestellt, "kam Josua plötzlich über sie" (Josua 10,9b). Der Angriff führte zur völligen Verwirrung der Gegner. Die ungeheure Menge floh vor Josuas Männern über den Bergpass nach Bet-Horon. Nachdem sie die Anhöhe erklommen hatten, stürmten sie auf der anderen Seite den steilen Hang hinunter. Dort brach ein furchtbarer Hagelsturm über sie herein: "Als sie vor Israel flohen ... ließ der Herr große Steine vom Himmel auf sie fallen ... Von ihnen starben viel mehr durch die Hagelsteine, als die Israeliten mit dem Schwert töteten." (Josua 10,11)

Die Sonne Steht Still

Während die Amoriter ihre überstürzte Flucht fortsetzten, um in den Bergfestungen Zuflucht zu suchen, sah Josua vom Bergkamm aus, dass der Tag zu kurz sein würde, um das Werk zu vollenden. Wenn die Feinde nicht vollkommen vernichtet würden, könnten sie sich wieder sammeln und den Kampf von neuem beginnen. Josua betete "zum Herrn und rief vor ganz Israel: ›Sonne, steh still über Gibeon, du, Mond, überm Tal von Ajalon!‹ Und die Sonne stand still, auch der Mond blieb stehen; Israels Feinde mussten untergehen . Fast einen Tag lang blieb die Sonne hoch am Himmel stehen und bewegte sich nicht von der Stelle." (Josua 10,12.13 GNB)

Ehe der Abend hereinbrach, hatte sich Gottes Verheißung erfüllt. Das ganze feindliche Heer war in Josuas Hand gegeben worden. Lange sollten die Ereignisse dieses Tages Israel in Erinnerung bleiben. "Es war kein Tag diesem gleich, weder vorher noch danach, dass der Herr so auf die Stimme eines Menschen hörte; denn der Herr stritt für Israel", lautete der Bericht (Josua 10,14). "Sonne und Mond verstecken sich, sie ziehen sich in ihr Haus zurück, weil deine leuchtenden Pfeile schwirren und dein blitzender Speer die Nacht erhellt. Du schreitest über die Erde, in deinem Zorn trittst du die Völker nieder." (Habakuk 3,10-12 GNB)

Der Geist Gottes hatte Josua zum Gebet angeregt, damit sich die Macht des Gottes Israels abermals beweisen konnte. Deshalb war die Bitte auch keine Anmaßung seitens des großartigen Anführers. Josua hatte die Verheißung erhalten, dass Gott diese Feinde Israels ganz sicher besiegen werde, doch er setzte so große Anstrengungen ein, als hinge der Erfolg allein vom Heer Israels ab. Jo- sua tat alles, was menschliche Kraft vermochte. Dann rief er im Glauben nach göttlicher Hilfe. Das Geheimnis des Erfolgs liegt in der Vereinigung göttlicher Kraft mit menschlicher Anstrengung. Die größten Erfolge erringen diejenigen, die sich bedingungslos auf den mächtigen Arm Gottes verlassen. Der Mann, der gebot: "Sonne, steh still über Gibeon, du, Mond, überm Tal von Ajalon!", ist derselbe, der im Lager von Gilgal stundenlang im Gebet ausgestreckt auf dem Boden lag. Menschen des Gebets sind Menschen mit Macht.

Gott Benutzt Naturgewalten Für Gerichte

Dieses gewaltige Wunder bezeugt, dass der Schöpfer seine Schöpfung jederzeit unter seiner Kontrolle hält. Satan bemüht sich, das göttliche Wirken in der körperlichen Welt vor den Menschen zu verbergen und das unermüdliche Wirken des Urhebers ihrer Sicht zu entziehen. Dieses Wunder weist all jene zurecht, die die Natur über den Gott der Natur stellen.

Gemäß seinem eigenen Willen ruft Gott die Naturkräfte auf, die Macht seiner Feinde zu besiegen - durch "Feuer, Hagel, Schnee und Nebel, Sturmwinde, die sein Wort ausrichten" (Psalm 148,8). Als die heidnischen Amoriter entschieden, sich seinen Absichten zu widersetzen, griff er ein und schleuderte "große Steine vom Himmel" auf die Feinde Israels (Josua 10,11a).

Die Bibel verweist uns auf eine noch größere Schlacht, die am Ende der Weltgeschichte stattfinden wird: "Der Herr hat sein Zeughaus aufgetan und die Waffen seines Zorns hervorgeholt." (Jeremia 50,25) "Bist du gewesen, wo der Schnee herkommt", fragte er Hiob, "oder hast du gesehen, wo der Hagel herkommt, die ich verwahrt habe für die Zeit der Trübsal und für den Tag des Streites und Krieges?" (Hiob 38,22.23)

Der Verfasser der Offenbarung schildert die Zerstörung, die stattfinden soll, wenn "eine große Stimme aus dem Tempel vom Thron" ausgehen wird, die spricht: "Es ist geschehen!" (Offenbarung 16,17). Er berichtet von seiner Vision: "Ein großer Hagel wie Zentnergewichte fiel vom Himmel auf die Menschen." (Offenbarung 16,21)