Wie Alles Begann

Kapitel 53

Die Älteren Richter

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Richter 6 bis 8 und 10.

Nach der Ansiedlung in Kanaan unternahmen die Stämme keine größeren Anstrengungen mehr, um die Eroberung des Landes zu vollenden. Da sie mit dem gewonnenen Gebiet zufrieden waren, ließ ihr Eifer bald nach. Der Eroberungskrieg hörte auf. "Als die Israeliten stärker wurden, zwangen sie die Kanaaniter zur Fronarbeit, trieben sie aber nicht aus dem Land." (Richter 1,28 GNB)

Der Herr hatte seinerseits die Verheißungen, die er Israel gegeben hatte, treu erfüllt. Josua hatte die Macht der Kanaaniter gebrochen und das Land unter die Stämme verteilt. Für sie blieb nur noch eine Aufgabe übrig: Im Vertrauen auf Gottes Hilfe die Enteignung der Bewohner des Landes zu Ende zu führen. Und darin versagten sie. Indem sie Bündnisse mit ihnen eingingen, übertraten sie ein ausdrückliches Gebot und unterließen es, die Bedingung zu erfüllen, unter der ihnen Gott den Besitz Kanaans verheißen hatte.

Dabei waren sie schon bei seiner ersten Mitteilung am Sinai vor der Abgötterei gewarnt worden. Unmittelbar nach der Verkündigung der Zehn Gebote erhielten sie durch Mose die folgende Botschaft hinsichtlich der Völker Kanaans: "Folgt nicht ihrem schlimmen Beispiel! Werft euch nicht vor ihren Göttern nieder, dient ihnen nicht! Stürzt ihre Götzenbilder um und zerschlagt ihre Steinmale. Ehrt mich allein, den Herrn, euren Gott, dann werde ich dafür sorgen, dass es in eurem Land genug zu essen gibt und ihr reichlich Wasser habt. Ich werde auch alle Krankheiten von euch fernhalten." Gott sicherte ihnen zu, ihre Feinde vor ihnen zu unterwerfen, solange sie ihm gehorsam blieben: "Angst und Schrecken werde ich vor euch hersenden. Ich werde die Völker, zu denen ihr kommt, in Verwirrung stürzen; alle eure Feinde werden vor euch die Flucht ergreifen. Panik werde ich vor euch her verbreiten und so die Hiwiter, Kanaaniter und Hetiter vertreiben. Allerdings werde ich sie nicht schon im ersten Jahr vollständig vertreiben, sonst bleiben weite Landstriche unbestellt und verwildern, und das Wild vermehrt sich so stark, dass ihr nicht mehr Herr darüber werdet. Deshalb werde ich sie nur nach und nach vor euch vertreiben, in dem Maß, in dem ihr euch vermehrt und das Land in Besitz nehmen könnt. ... Alle Bewohner dieses Landes gebe ich in eure Hand, sodass ihr sie vertreiben könnt. Schließt keinen Bund mit ihnen und lasst euch nicht mit ihren Göttern ein. Sie dürfen nicht mit euch zusammen in eurem Land leben, sonst werden sie euch dazu verleiten, mir untreu zu werden und ihre Götter zu verehren. Und das würde euch den Untergang bringen." (2. Mose 23, 24-25.27-33 GNB) Mose wiederholte diese Anweisungen vor seinem Tod in sehr ernster Weise, und Josua tat es noch einmal (vgl. 5. Mose 7,1-5; Jos 23,12.13).

Gott hatte sein Volk als ein mächtiges Bollwerk nach Kanaan gesetzt, um die Flut der moralischen Verdorbenheit aufzuhalten, damit sie nicht die Welt überschwemmte. Wenn die Israeliten Gott treu blieben, sollten sie nach Gottes Absicht weiterhin Land erobern. Er wollte ihnen größere und stärkere Völker in die Hand geben, als es die Kanaaniter waren. Seine Verheißung lautete: "Wenn ihr diese Gebote alle halten werdet ... und danach tut ... so wird der Herr alle diese Völker vor euch her vertreiben, dass ihr größere und stärkere Völker beerbt, als ihr es seid. Alles Land, darauf eure Fußsohle tritt, soll euer sein: Von der Wüste bis an den Berg Libanon und von dem Strom Euphrat bis ans Meer im Westen soll euer Gebiet sein. Niemand wird euch widerstehen können. Furcht und Schrecken vor euch wird der Herr über alles Land kommen lassen, das ihr betretet, wie er euch zugesagt hat." (5. Mose 11,22-25)

Die Folgen Der Mangelhaften Vertreibung Der Heidenvölker

Doch sie missachteten ihre hohe Bestimmung und wählten einen weniger beschwerlichen, bequemen Weg. So ließen sie die Gelegenheiten zur völligen Eroberung des Landes verstreichen; und viele Generationen lang wurden sie von den Überresten jener abgöttischen Völker bedrängt, die, wie der Prophet Mose vorausgesagt hatte, zu "Dornen in ihren Augen" und zu "Stacheln in ihren Seiten" (vgl. 4. Mose 33,55) wurden.

Die Israeliten verschwägerten sich mit den fremden Völkern und nahmen deren Gebräuche an. Sie vermischten sich mit den Kanaanitern durch Heiraten, und der Götzendienst verbreitete sich wie eine Pest im Land. Sie "warfen sich nieder vor den Götzen, die ihnen zum Verhängnis wurden. Sie nahmen ihre Söhne und Töchter und brachten sie den Dämonen als Opfer dar ... dadurch entweihten sie das Land . Der Herr wurde zornig auf sein Volk, er sah sein Eigentum nur noch mit Abscheu." (Psalm 106,35-38.40 GNB)

Solange die Generation noch lebte, die von Josua unterwiesen worden war, gewann der Götzendienst nur wenig an Boden. Aber die Eltern hatten den Weg für den Abfall ihrer Kinder vorbereitet. Die Missachtung der Einschränkungen des Herrn seitens derer, die Kanaan in Besitz genommen hatten, ließ eine Saat des Bösen aufgehen, die viele Generationen lang immer wieder bittere Früchte trug. Eine einfache Lebensweise hatte den Israeliten körperliche Gesundheit gesichert. Doch die enge Verbindung mit den Heiden führte sie zu Nachgiebigkeit gegenüber der Esslust und den Begierden, wodurch die körperliche Kraft abnahm und die geistigen und moralischen Kräfte geschwächt wurden. Durch ihre Sünden wurden die Israeliten von Gott getrennt. Seine Kraft wurde ihnen genommen und sie konnten ihre Feinde nicht mehr besiegen. Auf diese Weise wurden sie gerade jenen Völkern untertan, die sie sich durch Gott hätten unterwerfen können.

Sie "verließen den Herrn, den Gott ihrer Väter, der sie aus Ägyptenland geführt hatte" (Richter 2,12). Er "führte sie wie eine Herde in der Wüste" (Psalm 78,52). "Sie erzürnten ihn mit ihren Höhen und reizten ihn zum Zorn mit ihren Götzen ... Er verwarf Israel so sehr, dass er seine Wohnung in Silo dahingab, das Zelt, in dem er unter Menschen wohnte; er gab seine Macht in Gefangenschaft und seine Herrlichkeit in die Hand des Feindes." (Psalm 78,58-61)

Doch Gott gab sein Volk nicht völlig auf. Es gab immer einen Überrest - einige, die Jahwe treu blieben. Von Zeit zu Zeit erweckte der Herr glaubensmutige Männer, die den Götzendienst abschafften und die Israeliten von ihren Feinden befreiten. War aber der Retter tot und das Volk unterstand nicht mehr seiner Gewalt, kehrte es allmählich wieder zu seinen Götzen zurück (vgl. Richter 2,18.19). Und so wiederholte sich die Geschichte von Abfall und Bestrafung, von Schuldbekenntnis und Befreiung immer aufs Neue.

Weitere Auseinandersetzungen

Erst waren die Könige von Mesopotamien und Moab Israels Unterdrücker (vgl. Richter 3,8.12). Nach ihnen waren es die Philister und die Kanaaniter von Hazor unter Siseras Führung (vgl. Richter 4,2.3). Othniel, Schamgar und Ehud, Debora und Barak wurden zu jener Zeit zu Befreiern ihres Volkes berufen (vgl. Richter 3,9.10; 3,31; 4,4-6). Als aber "die Israeliten [wiederum] taten, was dem Herrn missfiel, gab sie der Herr in die Hand der Midianiter" (Richter 6,1). Bis dahin hatten die östlich des Jordan wohnenden Stämme nur wenig von den Unterdrückern gespürt, aber beim jetzigen Unheil waren sie die Ersten, die zu leiden hatten.

Nach wie vor waren die Amalekiter im Süden Kanaans sowie die Midia- niter an der Ostgrenze und in den Wüstengebieten jenseits des Jordan unerbittliche Feinde Israels. Wohl hatten die Israeliten zur Zeit von Mose die Midianiter fast vernichtet, aber inzwischen war ihre Bevölkerung stark angewachsen, sodass sie wieder ein zahlreiches und mächtiges Volk geworden waren. Sie lechzten nach Rache. Als nun Gott seine schützende Hand von Israel zurückzog, war die Gelegenheit gekommen. Nicht nur die Stämme östlich des Jordan, sondern alle im Land litten unter ihren Plünderungszügen. Die wilden, grausamen Wüstenbewohner schwärmten "wie eine große Menge Heuschrecken" (Richter 6,5) mit ihren Herden über das Land. Wie eine verzehrende Plage breiteten sie sich vom Jordan bis zur Philister-Ebene aus. Sie kamen, sobald die Ernte zu reifen begann, und blieben, bis die letzten Früchte eingesammelt waren. Sie plünderten die Felder, beraubten und misshandelten die Bewohner und verschwanden dann wieder in der Wüste. Israeliten, die auf dem Land wohnten, mussten deshalb oft ihre Häuser verlassen und in befestigten Städten oder Festungen Zuflucht suchen, oder sie fanden Schutz in Höhlen und Schlupfwinkeln in den Bergen. Sieben Jahre lang dauerte diese schreckliche Bedrängnis. Als das Volk Israel in seinem Elend nun doch wieder auf Gottes Ermahnungen achtete und seine Sünden bekannte, erweckte ihm der Herr abermals einen Retter.

Gideons Berufung

Gideon war der Sohn des Joasch aus dem Stamm Manasse. Das Geschlecht, zu dem diese Familie gehörte, nahm keine führende Stellung ein, aber es zeichnete sich durch Mut und Redlichkeit aus. Von Joaschs tapferen Söhnen sagt die Heilige Schrift: "Sie waren ... jeder anzusehen wie ein Königssohn." (Richter 8,18) Bis auf einen waren alle in den Kämpfen gegen die Midianiter gefallen, und dessen Name war von den Eindringlingen gefürchtet. An seinen Sohn Gideon erging nun Gottes Ruf, das Volk zu befreien. Er war gerade beim Weizendreschen. Er hatte eine kleine Menge Korn versteckt. Weil er sie nicht auf der gewöhnlichen Tenne zu dreschen wagte, tat er es heimlich bei einer Kelter. Die Zeit der Weinlese war ja noch lange nicht da, und darum wurden die Weingärten von den Feinden kaum beachtet. Während Gideon still und verborgen arbeitete, dachte er bekümmert über Israels Lage nach und überlegte, wie das Joch der Unterdrücker abgeschüttelt werden könnte.

Plötzlich "zeigte sich ihm der Engel des Herrn und sagte: ›Gott mit dir, du tapferer Krieger!‹ Gideon erwiderte: ›Verzeihung, mein Herr! Aber wenn wirklich Gott mit uns ist, wie konnte uns dann so viel Unglück treffen? Unsere Väter haben uns doch immer wieder erzählt: ›Der Herr hat uns aus Ägypten hierher geführt.‹ Wo sind denn nun alle seine Wundertaten geblieben? Nein, der Herr hat uns im Stich gelassen und uns den Midianitern ausgeliefert!‹" Der Bote des Himmels erwiderte: "Du bist stark und mutig. Geh und rette Israel aus der Hand der Midianiter. Ich sende dich!" (Richter 6,12-14 GNB)

Gideon erbat sich ein Zeichen zum Beweis, dass der Engel, der mit ihm sprach, der Engel des Bundes war, der in der Vergangenheit für Israel gekämpft hatte. Die Engel Gottes, die einst zu Abraham gekommen waren, hatten gezögert, dessen Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Doch nun nötigte Gideon den Himmelsboten, sein Gast zu sein. Er lief in sein Zelt, bereitete aus seinen bescheidenen Vorräten einen jungen Ziegenbock und ungesäuerte Brote zu und legte sie ihm vor. Aber der Engel gebot ihm: "Nimm das Fleisch und die Brote und lege es hin auf den Fels hier und gieß die Brühe darüber." (Richter 6,20) Gideon tat es und erhielt das gewünschte Zeichen: Der Engel berührte mit seinem Stab das Fleisch und die ungesäuerten Brote. Da loderte Feuer aus dem Fels und verzehrte das Opfer. Dann entschwand der Engel seinen Augen.

Auch Gideons Vater Joasch gehörte zu den Abtrünnigen unter seinen Landsleuten und hatte in der Nähe seines Wohnortes Ofra einen großen Altar für Baal errichtet, vor dem die Einheimischen anbeteten. Diesen sollte Gideon zerstören und über dem Felsen, auf dem sein Opfer verzehrt wurde, für Jahwe einen Altar errichten und dem Herrn opfern. Nur Priester durften Gott Opfer darbringen, und der Opferdienst war auf den Altar in Silo beschränkt. Aber der Begründer dieses rituellen Dienstes, auf den alle Opfer hinwiesen, hatte die Macht, diese Vorschriften zu ändern. Bevor Israel befreit werden konnte, musste ernsthaft gegen die Verehrung Baals protestiert werden. Gideon musste dem Götzendienst den Kampf ansagen, ehe er gegen die Feinde seines Volkes in den Kampf zog.

Gewissenhaft führte er Gottes Auftrag aus. Es war ihm klar, dass es Widerstand gäbe, wenn er öffentlich ans Werk ginge. Deshalb rief er seine Gehilfen heimlich zusammen. In einer Nacht wurde alles vollbracht. Der Zorn der Männer in Ofra war groß, als sie am nächsten Morgen kamen, um Baal anzubeten. Sie hätten Gideon umgebracht, wenn nicht Joasch seinen Sohn verteidigt hätte, weil er vom Besuch des Engels erfahren hatte. "Wollt ihr für Baal streiten?", fragte er. "Wollt ihr ihm helfen? Wer für ihn streitet, der soll noch diesen Morgen sterben. Ist er Gott, so streite er für sich selbst, weil sein Altar niedergerissen ist." (Richter 6,31) Wenn Baal seinen eigenen Altar nicht verteidigen konnte, wie sollte man ihm zutrauen, in der Lage zu sein, seine Anbeter zu beschützen?

Damit war jeder Gedanke an Gewaltanwendung gegen Gideon abgetan. Als er die Kriegsposaune erschallen ließ, gehörten die Männer von Ofra zu den Ersten, die sich um sein Banner scharten. Schnell sandte er Boten zu seinem eigenen Stamm Manasse und auch zu den Stämmen Asser, Sebulon und Naftali. Alle folgten dem Ruf.

Gideon wagte es nicht, das Heer ohne eine weitere Bestätigung, dass Gott ihn zu dieser Aufgabe berufen habe und mit ihm sein werde, anzuführen. Darum betete er: "Willst du Israel durch meine Hand erretten, wie du zugesagt hast, so will ich abgeschorene Wolle auf die Tenne legen: Wird der Tau allein auf der Wolle sein und der ganze Boden umher trocken, so will ich daran erkennen, dass du Israel erretten wirst durch meine Hand, wie du zugesagt hast." (Richter 6,36.37) Am Morgen war die Wolle nass und der Boden trocken. Aber nun kamen ihm Zweifel: Wolle zieht naturgemäß Feuchtigkeit aus der Luft an, also konnte der Test nicht maßgebend sein. Deshalb erbat er das umgekehrte Zeichen und flehte, dass seine übergroße Vorsicht dem Herrn nicht missfallen möge. Gott gewährte ihm auch diese Bitte.

Die Auswahl Von Gideons Streitmacht

Das gab Gideon Mut. Er führte seine Streitkräfte in den Kampf gegen die Eindringlinge. "Die Midianiter und dazu die Amalekiter und die Beduinen aus dem Osten versammelten ihre ganze Streitmacht und überschritten den Jordan. In der Ebene von Jesreel schlugen sie ihr Lager auf." (Richter 6,33 GNB) Die gesamte Streitmacht unter Gideons Befehl betrug nur 32 000 Mann. Doch trotz der riesigen Menge von Feinden sagte der Herr zu ihm: "Dein Heer ist zu groß! So kann ich die Midianiter nicht in eure Hand geben. Sonst werden die Leute von Israel am Ende prahlen und sagen: ›Der eigenen Hand verdanken wir unsere Rettung!‹ Darum lass im ganzen Lager ausrufen, dass alle, die Angst haben, nach Hause gehen." (Richter 7,2.3 GNB) Wer keine Gefahren und Mühsal auf sich nehmen wollte oder wessen Herz durch weltliche Interessen vom Werk Gottes abgehalten wurde, bedeutete für Israels Heer keine Verstärkung. Seine Anwesenheit wäre nur ein Grund für Schwäche.

Bevor man in den Kampf zog, musste in Israel laut Gesetz im ganzen Heer Folgendes bekannt gemacht werden: "Ist jemand da, der ein neues Haus gebaut und noch nicht eingeweiht hat? Er soll heimkehren, damit er nicht im Kampf fällt und ein anderer das Haus an seiner Stelle bewohnt. Oder ist jemand da, der einen neuen Weinberg angelegt und noch nicht davon geerntet hat? Er soll heimkehren, damit er nicht fällt und ein anderer die erste Lese hält. Oder ist jemand da, der sich mit einem Mädchen verlobt, es aber noch nicht geheiratet hat? Er soll heimkehren, damit er nicht fällt und ein anderer seine Braut bekommt." Schließlich sollen sie noch hinzufügen: "Ist jemand da, der Angst hat und sich vor dem Feind fürchtet? Er soll heimkehren, damit er nicht die anderen ansteckt und auch ihnen den Mut nimmt." (5. Mose 20,5-8 GNB)

Gideon hatte diese übliche Verkündigung unterlassen, weil sein Heer im Vergleich zu dem des Feindes so klein war. Als Gott ihm nun eröffnete, dass es noch zu groß sei, war er sehr erstaunt. Aber der Herr sah den Stolz und den Unglauben seines Volkes. Angefacht durch Gideons mitreißende Appelle, hatten sie sich leicht anwerben lassen, aber beim Anblick der Menge von Midi- anitern wurden viele ängstlich. Doch gerade sie hätten nach einem Sieg Israels den Ruhm für sich in Anspruch genommen, statt ihn Gott zuzuschreiben.

Gideon gehorchte der Weisung des Herrn und sah schweren Herzens 22 000 Mann, also mehr als zwei Drittel seiner gesamten Streitmacht, nach Hause ziehen. Doch erneut erreichte ihn ein Wort des Herrn: "Dein Heer ist immer noch zu groß. Führe die Männer hinunter zur Quelle, dort will ich selbst die Auswahl treffen. Ich werde dir sagen, wer mit dir gehen soll und wer nicht." (Richter 7,4 GNB) Die Leute wurden zum Flussufer geführt und dachten, dass sie nun gleich gegen den Feind vorrücken würden. Einige wenige nahmen noch schnell etwas Wasser mit der Hand auf und schlürften es im Weitergehen, aber die meisten knieten nieder und tranken in aller Ruhe das Wasser direkt aus dem Fluss. Von 10 000 Männern schöpften nur 300 Wasser mit ihren Händen - und gerade diese erwählte der Herr. Alle anderen durften den Heimweg antreten.

Oft wird der Charakter eines Menschen auf die einfachste Weise geprüft. Wer in Zeiten der Gefahr darauf aus ist, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, auf den ist in einem Notfall kein Verlass. Für träge und genießerische Leute ist im Werk des Herrn kein Platz. Die wenigen Männer, die er erwählte, ließen sich nicht durch eigene Bedürfnisse von ihrer Pflichterfüllung abhalten. Diese 300 besaßen nicht nur Mut und Selbstbeherrschung, sondern waren auch Männer des Glaubens. Sie hatten sich nicht durch Götzendienst verunreinigt. Gott konnte sie leiten, und durch sie konnte er Israel befreien. Erfolg hängt nicht von Zahlen ab. Gott kann sowohl durch wenige wie auch durch viele erretten. Er wird nicht so sehr durch die große Anzahl geehrt als durch den Charakter derer, die ihm dienen.

Eine Ermutigung Für Gideon

Die Israeliten stellten sich auf der Kuppe eines Hügels auf, von dem sie das Tal und die Scharen der Feinde überschauen konnten. "Die Midianiter und Amalekiter und alle aus dem Osten hatten sich niedergelassen in der Ebene wie eine Menge Heuschrecken, und ihre Kamele waren nicht zu zählen wegen ihrer großen Menge, wie der Sand am Ufer des Meeres." (Richter 7,12) Gideon zitterte, als er an den Kampf des kommenden Tages dachte. Aber in der Nacht sprach der Herr zu ihm und gebot ihm, zusammen mit seinem Diener Pura in das Lager der Midianiter hinabzugehen. Er deutete dabei an, er werde dort etwas Ermutigendes hören. Gideon ging, und als er schweigend im Dunkeln wartete, hörte er, wie ein Krieger einem anderen seinen Traum erzählte: "Ich habe im Traum gesehen, wie ein Gerstenbrot vom Berg herab in unser Lager rollte. Es stieß an unser Zelt, warf es um und kehrte das Unterste zuoberst." Die Entgegnung des anderen versetzte den unbemerkten Lauscher in Erregung: "Das kann nur eine Bedeutung haben: Der Israelit Gideon wird uns besiegen; Gott hat uns und unser Lager in seine Hand gegeben!" (Richter 7,13.14 GNB) Gideon erkannte die Stimme Gottes, die durch jene fremden Midianiter zu ihm sprach. Er kehrte zurück zu den wenigen Männern, die unter seinem Befehl standen, und rief ihnen zu: "Steht auf! Der Herr hat das Lager der Midianiter in eure Hand gegeben." (Richter 7,15 GNB)

Durch göttliche Anleitung wurde ihm ein Angriffsplan gegeben, den er sofort ausführte. Die 300 Männer wurden in drei Einheiten geteilt. Jeder erhielt eine Posaune und eine Fackel, die in einem Tonkrug verborgen war. Die Männer waren so aufgestellt, dass sie von verschiedenen Seiten auf das midi- anitische Lager zukamen. Auf ein Signal aus Gideons Kriegstrompete ließen die drei Gruppen in der stockfinsteren Nacht ihre Posaunen erschallen. Dann zerschlugen sie ihre Krüge und hielten die brennenden Fackeln hoch. Zugleich stürmten sie mit dem furchterregenden Kriegsgeschrei: "Ein Schwert für den Herrn und für Gideon!" auf die Feinde los (Richter 7,20 NLB).

Die Niederlage Der Midianiter

Im Nu war das schlafende Heer wach. Auf allen Seiten sah es sich von brennenden Fackeln umgeben. Aus jeder Richtung hörte es Posaunenschall und das Geschrei der Angreifer. Da die Midianiter glaubten, der Gewalt einer Übermacht ausgeliefert zu sein, wurden sie von panischem Schrecken erfasst. Laut aufschreiend rannten sie um ihr Leben, und weil sie die eigenen Kameraden für Feinde hielten, erschlugen sie sich gegenseitig.

Als sich die Nachricht vom Sieg der Israeliten verbreitete, kamen Tausende von den Männern, die nach Hause entlassen worden waren, zurück und schlossen sich der Verfolgung der fliehenden Feinde an. In der Hoffnung, jenseits des Flusses ihr eigenes Gebiet zu erreichen, schlugen die Midianiter den Weg zum Jordan ein. Aber Gideon sandte Boten zum Stamm Ephraim und bewog sie, die Flüchtenden an den südlichen Furten abzufangen. Inzwischen überquerte er selbst mit seinen 300 Männern den Fluss. Sie waren zwar erschöpft, jagten aber dennoch den Feinden nach, dicht hinter denen, die schon auf die andere Seite gelangt waren. Er holte die Oberbefehlshaber des feindlichen Heeres ein - die beiden Fürsten Sebach und Zalmunna, die mit 15 000 Mann entkommen waren -, zerstreute ihre Streitmacht vollständig, nahm diese Anführer gefangen und erschlug sie.

Nicht weniger als 120 000 Eindringlinge kamen bei dieser außergewöhnlichen Niederlage ums Leben. Die Macht der Midianiter war gebrochen, sodass sie nie wieder Krieg gegen Israel führen konnten. Überall verbreitete sich die Nachricht, dass der Gott Israels wieder für sein Volk gekämpft hatte. Worte können das Entsetzen der umliegenden Völker nicht beschreiben, als sie erfuhren, mit welch einfachen Mitteln die Macht eines kühnen, kriegerischen Volkes überwunden worden war.

Gideon, den Gott als Anführer erwählte, um die Midianiter zu besiegen, nahm keine herausragende Stellung in Israel ein. Er war weder Fürst noch Priester noch Levit. Er hielt sich selbst für den Geringsten in seinem Vaterhaus. Aber Gott sah in ihm den mutigen und rechtschaffenen Mann, der sich selbst nicht viel zutraute, aber willig war, der Führung des Herrn zu folgen. Gott erwählt für sein Werk nicht immer hochbegabte Männer, sondern solche, die er am besten gebrauchen kann. "Ehe man zu Ehren kommt, muss man Demut lernen." (Sprüche 15,33) Am besten kann der Herr durch jene wirken, die sich ihrer Unzulänglichkeit am stärksten bewusst sind und sich auf ihn als Führer und Kraftquelle verlassen. Er wird sie stark machen, indem er ihre Schwachheit mit seiner Macht vereint. Er macht sie klug, indem er ihre Unwissenheit mit seiner Weisheit verbindet.

Wenn echte Demut praktiziert würde, könnte Gott viel mehr für sein Volk tun. Aber nur wenigen kann große Verantwortung übertragen und Erfolg geschenkt werden, ohne dass sie sich überheben und ihre Abhängigkeit von Gott vergessen. Das ist der Grund, weshalb der Herr bei der Auswahl seiner Werkzeuge diejenigen übergeht, die in den Augen der Welt als groß, talentiert und brillant gelten. Sie sind allzu oft stolz und selbstzufrieden und meinen, ohne Gottes Rat handeln zu können.

Die Armee Josuas mit ihrem einfachen Posaunenblasen bei der Umrundung von Jericho sowie die kleine Schar Gideons vor den Heeren Midians wurden durch Gottes Macht zu wirksamen Werkzeugen, um seine gewaltigen Feinde zu besiegen. Ohne Gottes Macht und Weisheit sind die ausgeklügeltsten Pläne der Menschen zum Scheitern verurteilt. Die am wenigsten versprechenden Methoden haben dagegen Erfolg, wenn sie von Gott angeordnet sind und in Demut und im Vertrauen ausgeführt werden. Genauso wichtig ist es für den geistlichen Kampf eines Christen, Gott zu vertrauen und seinem Willen zu gehorchen, wie es für Gideon und Josua bei ihren Kämpfen gegen die Kanaaniter zutraf. Durch die wiederholten Offenbarungen seiner Macht zugunsten der Israeliten wollte Gott ihren Glauben festigen, damit sie in jeder Not vertrauensvoll seine Hilfe suchten. Er ist heute ebenso bereit, die Bemühungen seines Volkes zu unterstützen und große Dinge durch schwache Werkzeuge zu vollbringen. Der ganze Himmel wartet auf unsere Bitten um Weisheit und Stärke. Gott kann "überschwänglich tun ... über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen" (Epheser 3,20).

Der Neid Der Kleingläubigen

Gideon kehrte von der Vertreibung der Feinde zurück und erlebte von seinen eigenen Landsleuten nichts als Tadel und Anklage. Als er die Männer Israels zum Kampf gegen die Midianiter aufgerufen hatte, war der Stamm Ephraim zurückgeblieben. In dessen Augen war das ein zu gefährliches Unterfangen. Und da Gideon die Ephraimiter nicht eigens aufgerufen hatte, benutzte der Stamm diese Ausrede, um sich seinen Brüdern nicht anschließen zu müssen. Als aber die Siegesnachrichten eintrafen, waren sie neidisch, weil sie nicht beteiligt waren. Nach der Niederlage der Midianiter hatten sie allerdings auf Gideons Anweisung die Jordanfurten besetzt und damit ein Entkommen der Flüchtigen verhindert. Auf diese Weise waren viele Feinde erschlagen worden, unter ihnen auch die beiden Fürsten Oreb und Seeb. So setzten die Ephraimiten den Kampf fort und halfen mit, den Sieg zu vollenden. Trotzdem waren sie eifersüchtig und zornig, als ob Gideon seinem eigenen Willen und Urteil gefolgt wäre. Sie sahen in Israels Sieg nicht Gottes Hand. Sie schätzten seine Macht und Gnade bei ihrer Befreiung nicht - und gerade diese Tatsache bewies, dass sie unwürdig waren, seine besonderen Werkzeuge zu sein.

Als sie mit den Siegestrophäen heimkehrten, machten sie Gideon zornige Vorwürfe: "Warum hast du uns nicht gerufen, als du in den Kampf gegen die Midianiter gezogen bist? Das hättest du uns nicht antun dürfen!" Er aber fragte: "Der Sieg, den ich errungen habe, ist nichts, verglichen mit dem, was euch geglückt ist. Ihr kennt doch das Sprichwort: ›Die Nachlese Ephraims ist besser als die Lese Abiesersh Gott hat die Anführer der Midianiter in eure Hand gegeben; das stellt alles in den Schatten, was ich getan habe." (Richter 8,1-3 GNB)

Der Geist der Eifersucht hätte hier leicht einen Streit entfachen und einen blutigen Konflikt verursachen können. Aber Gideons bescheidene Antwort besänftigte den Zorn der Männer Ephraims, und sie kehrten friedlich in ihre Heime zurück. So fest und unnachgiebig Gideon in grundsätzlichen Dingen war, im Krieg ein "tapferer Held" (Richter 6,12b Elb.), bewies er hier einen Geist der Höflichkeit, wie man ihn selten findet.

Gideons Demut Und Sein Fehler

In ihrer Dankbarkeit für die Befreiung von den Midianitern schlugen die Israeliten vor, Gideon zu ihrem König zu machen. Der Thron sollte auch seinen Nachkommen zugesichert werden. Aber dieses Angebot war eine offene Verletzung der Grundsätze einer Gottesherrschaft (Theokratie). Gott war der König Israels. Hätten sie einen Menschen auf den Thron gehoben, wäre dies einer Ablehnung Gottes als Herrscher gleichgekommen. Das erkannte Gideon, und seine Antwort zeigt, wie edel und aufrichtig seine Beweggründe waren. Gideon erklärte: "Ich will nicht Herrscher über euch sein, und mein Sohn soll auch nicht Herrscher über euch sein, sondern der Herr soll Herrscher über euch sein." (Richter 8,23)

Aber Gideon wurde in einen anderen Irrtum verführt, der Unglück über seine Familie und ganz Israel brachte. Die Zeit der Untätigkeit, die oft auf schwere Kampfzeiten folgt, ist vielfach gefährlicher als die Zeit der Auseinandersetzung. Dieser Gefahr war Gideon nun ausgesetzt. Ihn packte die Unruhe. Bisher war er damit zufrieden gewesen, Gottes Befehle auszuführen. Nun aber fing er an, selbst Pläne zu schmieden, statt auf göttliche Weisungen zu warten. Immer wieder zeigt die Geschichte: Wenn die Heere des Herrn einen besonderen Sieg errungen haben, verdoppelt auch Satan seine Anstrengungen, um Gottes Werk zugrunde zu richten. Darum flüsterte er Gideon Gedanken und Pläne ein, die das Volk Israel in die Irre führten.

Weil ihm befohlen worden war, auf dem Felsen, wo ihm der Engel erschienen war, zu opfern, schlussfolgerte er, dass er zum Priesteramt berufen sei. Ohne auf eine göttliche Bestätigung zu warten, ließ er einen geeigneten Platz vorbereiten, um eine gottesdienstliche Ordnung einzurichten, die der am Heiligtum glich. Er wurde von der Gunst des Volkes getragen und hatte keine Schwierigkeiten, diesen Plan auszuführen. Auf sein Ersuchen hin gab man ihm alle Ohrringe der Midianiter als seinen Anteil an der Beute. Das Volk sammelte ferner viele andere wertvolle Dinge, darunter auch die reich verzierten Gewänder der Midianiter-Fürsten. Aus den gelieferten Materialien machte Gideon ein Efod und ein Brustschild, eine Nachbildung dessen, was der Hohepriester trug. Dies wurde ihm selbst, seiner Familie und dem Volk Israel zum Fallstrick. Dieser unberechtigte Gottesdienst verführte viele schließlich dazu, den Herrn gänzlich zu verlassen und Götzen zu dienen. Nach Gideons Tod schloss sich eine große Anzahl, darunter auch seine eigene Familie, diesem Abfall an. Derselbe Mann, der einst die Abgötterei besiegte, brachte das Volk wieder von Gott weg.

Nur wenige machen sich den weitreichenden Einfluss ihrer Worte und Taten klar. Wie oft haben Irrtümer der Eltern bei den Kindern und Enkeln noch verheerende Folgen, wenn sie selbst schon längst im Grab ruhen. Jeder übt irgendwie einen Einfluss auf andere aus und wird für die Folgen verantwortlich gemacht. Worte und Taten sind von prägender Macht, und unser irdisches Leben wirkt noch lange nach. Der Eindruck, den unsere Handlungen hinterlassen, wird sich als Segen oder Fluch auf uns selbst auswirken. Dieser Gedanke verleiht dem Leben einen feierlichen Ernst und sollte uns zur demütigen Bitte veranlassen, dass Gott uns durch seine Weisheit lenken möge.

Menschen in höchsten Stellungen können andere auf falsche Wege führen; die Erfahrensten können sich irren; die Stärksten können straucheln und fallen. Unser Lebensweg muss ständig von oben erleuchtet sein. Unsere einzige Sicherheit liegt im bedingungslosen Vertrauen zu dem, der gesagt hat: "Folge mir nach!" (Markus 2,14b u. a.)

Erneute Abgötterei Und Unterdrückung

"Als aber Gideon gestorben war, kehrten sich die Israeliten ab und ... sie dachten nicht an den Herrn, ihren Gott, der sie errettet hatte aus der Hand aller ihrer Feinde ringsumher, und erzeigten sich nicht dankbar dem Hause des Jerubbaal - das ist Gideon - für alles Gute, das er an Israel getan hatte." (Richter 8,33-35) Ungeachtet all dessen, was die Israeliten ihm als Richter und Befreier verdankten, machten sie seinen unehelichen Sohn Abimelech zu ihrem König, der mit einer Ausnahme alle rechtmäßigen Kinder Gideons umbrachte, um seine Macht zu sichern. Wenn Menschen keine Ehrfurcht vor Gott kennen, dauert es meist nicht lange, bis bei ihnen auch Ehre und Rechtschaffenheit verlorengehen. Wenn wir Gottes Gnade recht schätzen, werden wir auch diejenigen würdigen, die - wie Gideon - zum Segen seines Volkes Werkzeuge in Gottes Hand gewesen sind. Das grausame Vorgehen Israels gegen das Haus Gideons konnte nur in einem Volk geschehen, das Gott gegenüber sehr undankbar war.

Nach Abimelechs Tod geboten gottesfürchtige Richter der Götzenanbetung eine Zeitlang Einhalt. Aber es dauerte nie lange, bis Israel zu den Gewohnheiten der heidnischen Völker seiner Umgebung zurückkehrte. Bei den Stämmen im Norden hatten die Götter Syriens und Sidons viele Anhänger. Im Südwesten brachten die Abgötter der Philister und im Osten jene von Moab und Ammon Israel von der Anbetung des Gottes ihrer Väter ab. Aber dem Abfall folgte unmittelbar die Strafe. Die Ammoniter unterwarfen die östlichen Stämme, überschritten den Jordan und drangen in das Gebiet von Juda und Ephraim ein. Im Westen zogen die Philister aus ihrer Ebene am Mittelmeer herauf. Sie brandschatzten und plünderten weit und breit. Wieder einmal schien Israel seinen unbarmherzigen Feinden preisgegeben zu sein.

Und wieder suchte das Volk Hilfe bei dem, den es verlassen und beleidigt hatte. "Da schrien die Israeliten zu dem Herrn und sprachen: Wir haben an dir gesündigt, denn wir haben unseren Gott verlassen und den Baalen gedient." (Richter 10,10) Aber ihr Kummer bewirkte keine echte Reue. Das Volk klagte, weil seine Sünden Leiden mit sich brachten - nicht aber, weil es Gott durch Übertretung seines heiligen Gesetzes Schande bereitet hatte. Wahre Reue ist mehr als Traurigkeit über die Sünde. Sie ist die entschiedene Abkehr vom Bösen.

Der Herr antwortete ihnen durch einen seiner Propheten: "Habe ich euch nicht vor den Ägyptern, den Amoritern, Ammonitern und Philistern gerettet? Und als ihr zu mir um Hilfe riefet, weil euch die Phönizier, Amalekiter und Maoniter bedrängten, habe ich euch da nicht vor ihnen beschützt? Ihr aber habt euch von mir abgewandt und habt anderen Göttern geopfert. Deshalb werde ich euch jetzt nicht mehr helfen. Geht doch zu den Göttern, die ihr euch ausgesucht habt! Die sollen euch jetzt in der Not beistehen und euch retten!" (Richter 10,11-14 GNB)

Diese ernsten, furchtbaren Worte lenken die Gedanken auf ein anderes, zukünftiges Geschehen - den großen Tag des Jüngsten Gerichts - an dem alle, die Gottes Barmherzigkeit verworfen und seine Gnade verachtet haben, seiner Gerechtigkeit gegenüberstehen werden. Vor jenem Gericht müssen all diejenigen Rechenschaft ablegen, die ihre von Gott verliehenen Gaben an Zeit, Mitteln oder geistigen Fähigkeiten in den Dienst der Götter dieser Welt gestellt haben. Sie haben ihren wahrhaften, liebenden Freund verlassen und sind den Weg der Bequemlichkeit und der irdischen Vergnügungen gegangen. Sie hatten wohl die Absicht, sich irgendwann wieder Gott zuzuwenden, aber die Welt mit ihren Torheiten und Täuschungen nahm ihre Aufmerksamkeit ganz in Anspruch. Leichtsinnige Vergnügungen, Kleiderstolz und maßloses Essen verhärteten ihr Herz und stumpften ihr Gewissen ab, sodass sie die Stimme der Wahrheit nicht mehr hörten. Sie hielten nichts von Pflichtbewusstsein. Ewigkeitswerte wurden geringgeschätzt, bis das Herz jegliche Opferbereitschaft für den verlor, der den Menschen so viel gegeben hat. Aber zur Erntezeit werden sie das ernten, was sie gesät haben.

Der Herr sagt: "Ich habe euch gerufen, aber ihr seid nicht gekommen. Ich kam euch entgegen, aber ihr habt mich nicht beachtet. Ihr habt meinen Rat verachtet und meine Ermahnungen zurückgewiesen ... wenn es euch überrascht wie ein Unwetter und es wie ein Sturm über euch hereinbricht, wenn Angst und Sorgen euch überwältigen. Dann werden sie rufen und ich werde nicht antworten. Sie werden mich suchen und mich nicht finden. Denn sie hassen die Erkenntnis und haben keine Ehrfurcht vor dem Herrn. Sie wollen meinen Rat nicht und hören nicht auf meine Ermahnungen. So sollen sie die Früchte ihres Handelns ernten und müssen mit ihren eigenen Ratschlägen leben. Doch wer auf mich hört, wird ohne Angst in Frieden und Sicherheit leben." (Sprüche 1,24.25.27-31.33 NLB)

Ein Weiterer Befreier

Nun demütigte sich Israel vor dem Herrn. "Und sie beseitigten die fremden Götter aus ihrer Mitte und dienten dem Herrn. Da konnte er ihre Not nicht länger ertragen." (Richter 10,16 NLB) Gottes Herz war bekümmert aus Liebe. O welch langmütige Barmherzigkeit unseres Gottes! Als sein Volk die Sünden ablegte, die Gottes Gegenwart ausgeschlossen hatten, erhörte er seine Gebete und half ihm sogleich.

Der Herr erweckte einen Befreier in der Gestalt Jeftahs, eines Mannes aus Gilead, der mit den Ammonitern Krieg führte und deren Macht endgültig brach. 18 Jahre lang hatte Israel diesmal unter der Bedrückung seiner Feinde gelitten, doch sie vergaßen die Lehren, die ihnen durch Leiden beigebracht wurden, bald wieder.

Als Gottes Volk wieder auf üble Wege geriet, ließ es der Herr erneut durch mächtige Feinde bedrängen, dieses Mal durch die Philister. Viele Jahre lang wurde es fortwährend von diesem grausamen, kriegerischen Volk belästigt und zeitweise vollständig unterworfen. Israel hatte sich mit diesen Götzendienern vermischt und so lange an deren Vergnügungen und deren Anbetung teilgenommen, bis es in Geist und Interessen eins mit ihnen zu sein schien. Doch dann wurden diese vorgeblichen Freunde Israels bitterste Feinde, die mit allen Mitteln versuchten, sie gänzlich zugrunde zu richten.

Wie Israel damals, so geben Christen nur zu oft den Einflüssen der Welt nach und passen sich deren Grundsätzen und Gewohnheiten an, um die Freundschaft der Gottlosen zu gewinnen. Aber zuletzt wird sich herausstellen, dass diese vorgeblichen Freunde die allergefährlichsten Feinde sind. Die Bibel lehrt klar, dass es keine Übereinstimmung zwischen dem Volk Gottes und der Welt geben kann. "Wundert euch nicht, meine Brüder, wenn euch die Welt hasst", schrieb Johannes (1. Johannes 3,13). Unser Erlöser sagte: "Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat." (Johannes 15,18) Unter dem Deckmantel vorgeblicher Freundschaft verleitet Satan Gottes Kinder durch die Gottlosen zur Sünde, um sie von Gott zu trennen. Hat er ihnen ihre Schutzwehr erst einmal genommen, kehren sich seine Helfer gegen sie und versuchen, sie völlig zu verderben.