Wie Alles Begann

Kapitel 62

Davids Salbung Zum König

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1. Samuel 16,1-13.

Nur wenige Kilometer südlich von Jerusalem, der "Stadt des großen Königs" (Matthäus 5,35), liegt Bethlehem, wo David, der Sohn Isais, zur Welt kam. Dies geschah mehr als tausend Jahre bevor das Jesuskind dort in eine Krippe gelegt und von den Weisen aus dem Morgenland angebetet wurde. Jahrhunderte vor der Ankunft des Erlösers bewachte der jugendliche David seine Schafherden, während sie auf den Hügeln um Bethlehem weideten. Der einfache Hirtenjunge sang mit frischer, kräftiger Stimme seine selbstverfassten Lieder und spielte dazu auf seiner Harfe. Der Herr hatte David erwählt und bereitete ihn hier in der Einsamkeit bei seinen Herden für die Aufgabe vor, die er ihm in späteren Jahren anvertrauen wollte.

Während David in der Zurückgezogenheit sein schlichtes Hirtendasein führte, sprach Gott, der Herr, schon über ihn zum Propheten Samuel: "›Wie lange willst du noch um Saul trauern? Ich habe mich von ihm als König über Israel abgewandt. Jetzt fülle dein Horn mit Öl und mache dich auf den Weg. Suche in Bethlehem einen Mann namens Isai auf, denn ich habe mir unter seinen Söhnen einen als König ausgewählt ... Nimm eine junge Kuh mit ... und sage, dass du gekommen bist, um dem Herrn ein Opfer zu bringen. Lade Isai dazu ein, und ich werde dir zeigen, was du tun und welchen seiner Söhne du für mich salben sollst.‹ Samuel tat, was der Herr ihm gesagt hatte. Als er in Bethlehem ankam, bekamen die Ältesten der Stadt Angst und fragten: ›Kommst du in Frieden?‹ ›Ja, in Frieden‹, antwortete Samuel." (1. Samuel 16,1-5 NLB)

Die Ältesten von Bethlehem nahmen die Einladung zum Opfermahl an, und Samuel rief auch Isai und dessen Söhne dazu. Man errichtete einen Altar und hielt das Opfer bereit. Die ganze Familie Isais war anwesend, mit Ausnahme Davids, des jüngsten Sohnes. Er musste die Schafe hüten, denn man konnte sie nicht gefahrlos unbewacht lassen.

Die Auswahl Des Neuen Königs

Als Samuel das Opfer dargebracht hatte, aber noch bevor er am Opfermahl teilnahm, begann er seine prophetische Prüfung der stattlichen Söhne Isais. Der Älteste, Eliab, glich Saul in Größe und Schönheit am ehesten. Sein freundliches Gesicht und sein harmonischer Wuchs zogen die Aufmerksamkeit des Propheten auf sich. Als er die geradezu fürstliche Haltung an ihm wahrnahm, dachte er: "Das ist bestimmt der, den der Herr als König ausgesucht hat." (1. Samuel 16,6 Hfa) Er wartete auf die göttliche Zustimmung, um ihn zu salben. Aber Jahwe sah nicht auf die äußere Erscheinung. Eliab hatte keine Ehrfurcht vor Gott. Hätte er den Thron bestiegen, wäre aus ihm ein stolzer, fordernder Herrscher geworden. Gott sagte daher zu Samuel: "Lass dich nicht von seinem Äußeren oder seiner Größe blenden, ich habe ihn nicht erwählt. Der Herr entscheidet nicht nach den Maßstäben der Menschen! Der Mensch urteilt nach dem, was er sieht, doch der Herr sieht ins Herz." (1. Samuel 16,7 NLB) Keine äußere Schönheit kann einen Menschen Gott empfehlen. Die Weisheit und Vortrefflichkeit, die sich im Charakter und Verhalten zeigen, drücken die wahre Schönheit eines Menschen aus. Die inneren Werte, die Schönheit des Herzens, sind für unsere Annahme beim Herrn der Heerscharen entscheidend. Das sollten wir zutiefst bedenken, wenn wir uns und andere beurteilen. Von Samuels Irrtum können wir lernen, wie nichtig eine Einschätzung ist, die auf einem schönen Gesicht oder einer ansehnlichen Gestalt beruht. Wir können erkennen, wie unfähig der menschliche Verstand ist, die Geheimnisse des Herzens oder die Meinung Gottes ohne besondere Erleuchtung durch dessen Geist zu erfassen. Gottes Gedanken und Wege bezüglich seiner Geschöpfe gehen über unser begrenztes Verständnis hinaus. Aber wir können sicher sein, dass Gott seine Kinder dazu bringt, genau den Platz auszufüllen, für den sie geeignet sind. Er befähigt sie, genau das Werk zu tun, das er ihnen anvertraut, wenn sie sich nur dem Willen Gottes unterstellen. Dann werden seine segensreichen Pläne nicht durch menschlichen Eigensinn vereitelt.

Eliab schied also bei der Prüfung Samuels aus. Darauf beobachtete der Prophet mit prüfendem Blick der Reihe nach seine sechs Brüder, die ebenfalls am Opfermahl teilnahmen. Aber bei keinem bedeutete ihm der Herr, dass er ihn erwählt habe. Mit schmerzlicher Spannung hatte Samuel auf den letzten jungen Mann geschaut und war verwirrt und verunsichert. Dann fragte er Isai: "Sind das alle deine Söhne?" Der Vater antwortete: "Der jüngste fehlt noch, David, der hütet die Schafe." Samuel befahl, auch ihn zu rufen, und sagte: "Wir setzen uns nicht zum Opfermahl hin, bevor er hier ist!" (1. Samuel 16,11 GNB)

Der einsame Hirte wurde vom unerwarteten Ruf des Boten aufgeschreckt, der ihm die Nachricht brachte, der Prophet sei nach Bethlehem gekommen und habe nach ihm gesandt. Erstaunt fragte sich David, weshalb der Prophet und Richter Israels gerade ihn sehen wolle. Aber er gehorchte, ohne zu zögern. "Er war bräunlich, mit schönen Augen und von guter Gestalt." Während Samuel den ansehnlichen, mannhaften und bescheidenen jungen Hirten mit Freude betrachtete, sagte die Stimme des Herrn zu ihm: "Er ist es, salbe ihn!" (1. Samuel 16,12 GNB) David hatte sich bis dahin in seinem schlichten Hirtendienst als mutig und gewissenhaft erwiesen, und jetzt hatte Gott ihn zum Oberhaupt seines Volkes erwählt. "Und während David inmitten seiner Brüder stand, nahm Samuel das Öl, das er mitgebracht hatte, und goss es über Davids Kopf aus. Von diesem Tag an kam der Geist des Herrn über ihn und verließ ihn nicht mehr." (1. Samuel 16,13 NLB) Der Prophet hatte die Aufgabe erfüllt, die ihm übertragen worden war, und kehrte erleichtert nach Rama zurück.

Samuel hatte niemandem die wirkliche Bedeutung seines Auftrags mitgeteilt - nicht einmal der Familie Isais. Davids Salbung war "geheim" vollzogen worden. Sie war für den jungen Mann ein Zeichen für seine spätere hohe Bestimmung. Das Wissen darum sollte ihm bei den vielfältigen Erlebnissen und Gefahren der kommenden Jahre ein Antrieb sein, der Absicht Gottes, die er in seinem Leben erfüllen sollte, treu zu bleiben.

Der Einfluss Der Schöpfung Auf David

Die große Ehrung, die David erfuhr, erfüllte ihn nicht mit Stolz. Trotz der hohen Stellung, die er einmal bekleiden sollte, ging er weiterhin still seiner Beschäftigung nach und war damit zufrieden, dass Gott seine Pläne zu seiner Zeit und auf seine Weise umsetzen werde. Genauso anspruchslos und bescheiden wie vor seiner Salbung kehrte der Hirtenknabe auf die Hügel zurück und hütete dort seine Herden sorgsam wie eh und je. Aber mit einer neuen Vision komponierte er seine Melodien und spielte auf seiner Harfe. Vor ihm lag eine Landschaft von großer Schönheit und Vielfalt. Weinstöcke voller Trauben glänzten im Sonnenschein. Die grün belaubten Bäume des Waldes neigten sich im Wind. Er sah, wie die Sonne den Himmel mit Licht durchflutete, "wie ein Bräutigam aus seinem Gemach tritt sie hervor; sie freut sich wie ein Held, die Bahn zu durchlaufen." (Psalm 19,6 Elb.) Da waren die steilen Berggipfel, die zum Himmel hinauf ragten. In der Ferne erhoben sich die kahlen Gebirgsklippen Moabs, und über allem thronte das zartblaue Himmelsgewölbe. Jenseits davon war Gott. David konnte ihn nicht sehen, aber seine Werke priesen den Schöpfer. Das Tageslicht vergoldete Wälder und Berge, Auen und Bäche und richtete seine Gedanken zum Vater des Lichtes empor, zum Geber aller guten und vollkommenen Gaben. Die tägliche Offenbarung des Wesens und der Majestät des Schöpfers erfüllten das Herz des jungen Dichters mit Anbetung und Freude. Beim Nachsinnen über Gott und dessen Werke wuchsen und erstarkten Davids geistige und seelische Kräfte für seine späteren Aufgaben. Jeden Tag wurde seine Zwiesprache mit Gott inniger. Ständig drang sein Geist in neue Tiefen ein und entdeckte dabei neue Themen, die ihn zum Dichten seiner Lieder und zum Harfenspiel anregten. Der volle Klang seiner Stimme erfüllte die Luft und hallte von den Hügeln wider wie eine Antwort auf die freudigen Gesänge der Engel im Himmel.

Wer kann die Auswirkungen jener mühevollen Jahre der Wanderschaft in der Abgeschiedenheit dieser Hügel ermessen? Seine Verbundenheit mit der Natur und mit Gott, die Sorge um die Herden, die Rettung aus mancherlei Gefahren, der Kummer und die Freuden seines bescheidenen Daseins - all das formte Davids Charakter. Darüber hinaus beeinflusste es sein ganzes zukünftiges Leben. Die Psalmen dieses frohen Sängers in Israel würden aber auch für alle künftigen Zeiten in den Herzen der Gläubigen Liebe entfachen und Vertrauen wecken und sie so näher zum ewig liebenden Herzen des Schöpfers bringen, aus dem alle leben.

In der Schönheit und Tatkraft seiner Jugendzeit bereitete sich David darauf vor, eine hohe Stellung unter den Edelsten der Erde einzunehmen. Seine Fähigkeiten waren für ihn Gottesgaben, die er zum Ruhm des göttlichen Gebers einsetzte. Seine reichlichen Gelegenheiten, zu beobachten und nachzusinnen, dienten dazu, ihn mit jener Weisheit und Frömmigkeit zu bereichern, die Gott und die Engel an ihm so schätzten. Während er über die vollkommenen Werke seines Schöpfers nachdachte, eröffnete sich seinem inneren Auge ein klareres Verständnis des Wesens Gottes. In unklare Themen kam Licht, Schwieriges wurde verdeutlicht, Verwirrendes wurde in Einklang gebracht, und jeder Strahl neuen Lichtes entfachte neue Begeisterung und erweckte in ihm noch schönere Lobeshymnen zur Ehre Gottes und des Erlösers. Die Liebe, die ihn bewegte, die Sorgen, die ihn bedrückten, die Siege, die er errang - all das waren Themen, über die er angestrengt nachdachte. Als er in allen Fügungen seines Lebens Gottes Liebe erkannte, schlug sein Herz höher in Anbetung und Dankbarkeit. Seine Stimme erklang noch melodischer, in seinen Harfenklängen lag noch freudigere Begeisterung. Der junge Hirte wurde dadurch innerlich immer gefestigter. Seine Erkenntnis nahm zu, denn der Geist des Herrn ruhte auf ihm.