Wie Alles Begann

Kapitel 63

David Besiegt Goliat

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1. Samuel 16,14 bis 17,54.

Als König Saul bewusst wurde, dass er von Gott verworfen worden war, und die volle Bedeutung der anklagenden Worte erfasste, die der Prophet Samuel an ihn gerichtet hatte, regten sich in ihm Gefühle bitterer Empörung und Verzweiflung. Es war keine echte Reue, die das stolze Haupt des Königs gebeugt hatte. Er konnte weder den beleidigenden Charakter seiner Sünde deutlich erkennen, noch bemühte er sich darum, sein Leben zu bessern. Stattdessen brütete er über der vermeintlichen Ungerechtigkeit Gottes, weil dieser ihn vom Thron Israels gestoßen und seine Nachkommen von der Thronfolge ausgeschlossen hatte. In Gedanken war er ständig damit beschäftigt, wie das Verderben abgewendet werden könnte, das über sein Haus gekommen war. Er meinte, dass seine Tapferkeit, mit der er seinen Feinden begegnet war, die Sünde seines Ungehorsams wettmachen müsste. Saul nahm Gottes Zurechtweisung nicht in Demut an. Vielmehr schlug sein Hochmut in Verzweiflung um, bis er am Rande des Wahnsinns stand. Seine Ratgeber rieten ihm, nach den Diensten eines begabten Musikers zu suchen - in der Hoffnung, dass die besänftigenden Töne eines wohlklingenden Instruments seinen aufgewühlten Geist beruhigen könnten. Es war Gottes Vorsehung, dass der geschickte Harfenspieler David vor den König gebracht wurde. Seine erhabenen und himmlisch inspirierten Melodien hatten die gewünschte Wirkung. Die bedrückende Schwermut, die sich wie eine dunkle Wolke über Sauls Gemüt gelegt hatte, war wie weggeblasen.

David Durchschaut Saul Allmählich

Wenn seine Dienste am Hof Sauls nicht gebraucht wurden, kehrte David zu seinen Herden im Hügelland zurück. In seinem Geist und Verhalten bewahrte er sich seine Bescheidenheit. Wann immer es nötig war, rief man ihn wieder an den Hof, um dem geplagten Monarchen zu dienen und dessen Gemüt zu besänftigen, bis der böse Geist ihn verließ. Doch obwohl Saul Gefallen an David und dessen Musik zum Ausdruck brachte, kehrte der junge Hirte immer wieder mit einem Gefühl der Erleichterung und Freude aus dem Haus des Königs auf seine Weiden im Hügelland zurück.

Davids Gunst bei Gott und den Menschen wuchs. Er war in den Wegen des Herrn erzogen worden und nahm sich jetzt im Herzen vor, den Willen Gottes noch genauer zu erfüllen als je zuvor. Es gab viel Neues, worüber er nachdenken musste. Er war am Hof des Königs gewesen und hatte Einblick in die Verantwortlichkeiten eines Monarchen gewonnen. Er hatte einige der Versuchungen gesehen, denen Saul ausgesetzt war, und manches Geheimnis im Charakter und Verhalten des ersten Königs von Israel durchschaut. Er hatte gesehen, wie eine dunkle Wolke des Kummers die Herrlichkeit des Königshauses überschattete, und wusste, dass die Familie Sauls in ihrem Privatleben alles andere als glücklich war. All dies trug dazu bei, dass David, der zum künftigen König über Israel gesalbt worden war, selbst beunruhigt wurde. Doch wenn er in tiefem Nachdenken versunken war und ihn sorgenvolle Gedanken quälten, nahm er seine Harfe zur Hand und entlockte ihr Melodien, die seinen Geist zum Geber alles Guten emporhoben. Dann wurden die dunklen Wolken, die den Horizont der Zukunft zu überschatten schienen, bald vertrieben.

Davids Vorbereitung Auf Seine Verantwortung

Gott lehrte David, was Vertrauen heißt. So wie er einst Mose für dessen Aufgabe ausgebildet hatte, bereitete er auch den Sohn Isais darauf vor, Führer seines auserwählten Volkes zu werden. Durch die umsichtige Betreuung seiner Herden lernte David die Fürsorge des großen Hirten für die Schafe seiner Weide zu schätzen.

Die einsamen Hügel und wilden Schluchten, die David mit seinen Herden durchzog, waren Schlupfwinkel von Raubtieren. Nicht selten brach ein Löwe gierig vor Hunger aus einem Dickicht am Jordan oder ein Bär aus seinem Lager in den Hügeln hervor, um die Herde anzugreifen. Nach dem Brauch jener Zeit war David nur mit einer Schleuder und einem Hirtenstock ausgerüstet, doch er bewies schon früh Stärke und Mut, wenn es galt, die ihm anvertraute Herde zu schützen. Als er später Saul diese Begegnungen beschrieb, sagte er: "Als ich die Schafe meines Vaters hütete, kam es vor, dass ein Löwe oder Bär sich ein Tier von der Herde holen wollte. Dann lief ich ihm nach, schlug auf ihn ein und rettete das Opfer aus seinem Rachen. Wenn er sich wehrte und mich angriff, packte ich ihn an der Mähne und schlug ihn tot." (1. Samuel 17,34.35 GNB) Solche Erfahrungen stellten Davids Herz auf die Probe und förderten seinen Mut, seine Tapferkeit und seinen Glauben.

Schon bevor David an den Hof gerufen worden war, hatte er sich durch heldenhafte Taten ausgezeichnet. Der Offizier, der den König auf ihn aufmerksam machte, nannte ihn "mutig und tapfer im Kampf und wortgewandt" und sagte: "Der Herr ist mit ihm." (1. Samuel 16,18 NLB.)

Ein Erneuter Kampf Mit Den Philistern

Als Israel gegen die Philister in den Krieg zog, traten drei Söhne Isais in das Heer Sauls ein, aber David blieb zu Hause. Nach einer gewissen Zeit jedoch machte David einen Besuch im Lager Sauls. Er sollte im Auftrag seines Vaters seinen älteren Brüdern eine Botschaft und Geschenke überbringen und herausfinden, ob sie noch in Sicherheit und bei guter Gesundheit waren. Aber ohne Isais Wissen war der jugendliche Schafhirte mit einer höheren Aufgabe betraut worden. Israels Heer war in Gefahr, und David war durch einen Engel beauftragt worden, sein Volk zu retten.

Als David in die Nähe des Lagers kam, hörte er einen Tumult, als ob ein Gefecht bevorstünde. "Er traf gerade im Lager ein, als das Heer mit Geschrei und Schlachtrufen in den Kampf zog." (1. Samuel 17,20 NLB) Die Heere Israels und der Philister standen sich in Schlachtaufstellung gegenüber. David lief zum Heer der Israeliten und begrüßte seine Brüder. Während er mit ihnen sprach, trat aus den feindlichen Lagern Goliat hervor, der Vorkämpfer der Philister, und forderte die Israeliten mit beleidigenden Worten auf, aus ihren Reihen einen Mann aufzubieten, der sich mit ihm im Zweikampf messen sollte. Diese Herausforderung wiederholte er. Als David sah, wie angsterfüllt die Israeliten waren, und hörte, wie dieser Philister sie Tag für Tag verhöhnte, ohne dass sich ein Kämpfer fand, der den Angeber zum Schweigen brachte, entbrannte sein Zorn. Er war erfüllt vom Verlangen, die Ehre des lebendigen Gottes und das Ansehen seines Volkes zu retten.

Die israelitischen Kämpfer waren niedergeschlagen und mutlos. Untereinander hörte man sie reden: "Habt ihr diesen Mann gesehen, der da heraufkommt? ... Er kommt nur, um Israel zu verspotten." Beschämt und entrüstet rief David: "Wer ist dieser unbeschnittene Philister überhaupt, dass er das Heer des lebendigen Gottes verhöhnen darf?" (1. Samuel 17,25.26 NLB)

Als Eliab, der älteste Bruder Davids, diese Worte hörte, wusste er genau, welche Gefühle das Gemüt des jungen Mannes erregten. Schon als Schafhirte hatte David Kühnheit, Mut und Stärke in einem selten erlebten Maß gezeigt. Der geheimnisvolle Besuch Samuels in ihrem Vaterhaus und dessen stiller Weggang hatten damals das Misstrauen seiner Brüder über die wahre Absicht dieses Besuches geweckt. Als sie sahen, dass David von Samuel mehr geehrt wurde als sie, hatte das ihre Eifersucht erregt, und sie behandelten ihn nicht mit der Achtung und Liebe, die er aufgrund seiner Rechtschaffenheit und brüderlichen Herzlichkeit verdient hätte. Sie sahen auf ihn herab als einen kleinen Hirtenjungen. Nun fasste Eliab die bloße Frage Davids als Kritik an seiner eigenen Feigheit auf, weil er selbst keine Anstalten gemacht hatte, den Riesen der Philister zum Schweigen zu bringen. Zornig rief der ältere Bruder aus: "Was tust du hier überhaupt? ... Was ist mit den paar Schafen, die du in der Steppe hüten solltest? Ich kenne deinen Stolz und deine Verschlagenheit. Du bist nur gekommen, um den Kampf zu sehen!" Respektvoll, aber entschieden entgegnete David: "Was habe ich denn getan? Ich habe doch nur eine Frage gestellt!" (1. Samuel 17,28.29 NLB)

Die Worte Davids wurden dem König vorgetragen. Dieser befahl den jungen Mann zu sich. Erstaunt hörte Saul auf die Worte des Hirten, als dieser sagte: "Mach dir keine Sorgen mehr ... Ich werde mit diesem Philister kämpfen!" (1. Samuel 17,32 NLB) Saul versuchte, David von seinem Vorhaben abzubringen, aber der junge Mann blieb bei seinem Entschluss. Schlicht und bescheiden erzählte er von seinen Erfahrungen beim Hüten der väterlichen Herden und fügte hinzu: ›Der Herr, der mich aus den Klauen des Löwen und des Bären gerettet hat, wird mich auch vor diesem Philister retten!‹ Schließlich war Saul einverstanden. ›Gut, so geh‹, sagte er. ›Der Herr ist mit dir!‹ (1. Samuel 17,37 NLB)

Davids Kampf Gegen Goliat

40 Tage lang hatte Israels Heer schon vor der hochmütigen Herausforderung durch den Riesen der Philister gezittert. Den Israeliten stockte das Herz, wenn sie diese mächtige Gestalt, "über drei Meter groß", vor sich sahen. "Gerüstet war er mit einem Helm, einem schweren Schuppenpanzer und mit Beinschienen, alles aus Bronze." Der Panzer bestand aus bronzenen Plättchen, die wie Fischschuppen übereinander lagen und so dicht gefügt waren, dass ihn möglichst kein Speer oder Pfeil durchbohren konnte. "Auf der Schulter trug er eine bronzene Lanze. Sein Brustpanzer wog 60 Kilogramm, sein Speer war so dick wie ein kleiner Baum, und allein die Eisenspitze des Speeres war über 7 Kilogramm schwer. Vor ihm her marschierte sein Schildträger mit einem riesigen Schild." (1. Samuel 17,4-7 Hfa).

Jeden Morgen und jeden Abend hatte sich Goliat vor das Lager der Israeliten gestellt und mit lauter Stimme ausgerufen: "Warum stellt ihr euch zur Schlacht auf? Ich stehe für die Philister und ihr steht für Saul. Wählt einen von euch aus! Er soll zu mir herabkommen und mit mir kämpfen. Wenn er mich besiegt und tötet, werden wir eure Sklaven. Wenn aber ich siege und ihn töte, müsst ihr unsere Sklaven werden und uns dienen." Und frech schloss er: "Habt ihr gehört: Ich fordere das ganze Heer Israels heraus! Schickt mir einen Mann, damit wir miteinander kämpfen!" (1. Samuel 17,8-10 GNB)

Zwar durfte David mit Sauls Erlaubnis Goliats Herausforderung annehmen, aber der König hatte nur wenig Hoffnung, dass David bei seinem mutigen Unterfangen Erfolg haben würde. Er befahl, dem jungen Mann seine eigene Waffenrüstung anzulegen. Man setzte David den schweren, bronzenen Helm auf den Kopf, legte den Schuppenpanzer über seine Schultern und gürtete das Schwert des Monarchen an seine Seite. Mit dieser Ausrüstung machte sich David auf den Weg. Doch bald kehrte er um. Der erste Gedanke bei den besorgten Zuschauern war: Er wagt es doch nicht, sein Leben im Kampf gegen einen solch ungleichen Gegner aufs Spiel zu setzen. Aber dieser Gedanke lag dem mutigen jungen Mann fern. Er kam nur zurück, weil er Saul bitten wollte, die schwere Rüstung ablegen zu dürfen: "Ich kann darin nicht gehen ... ich bin nicht daran gewöhnt." (1. Samuel 17,39 NLB) Er legte die königliche Waffenrüstung ab und ergriff stattdessen lediglich seinen Stab, seine Hirtentasche und eine einfache Steinschleuder. Aus dem Bach holte er sich fünf glatte Steine, steckte sie in seine Tasche, und mit der Schleuder in der Hand ging er auf den Philister zu.

In der Erwartung, dem stärksten Krieger Israels gegenüberzutreten, schritt der Riese selbstbewusst voran. Sein Waffenträger ging vor ihm her und er blickte um sich, als ob sich ihm nichts widersetzen könnte. Als er sich David näherte, erblickte er lediglich einen Burschen, den man aufgrund seiner Jugend fast noch einen Knaben nennen konnte. David sah frisch und gesund aus und seine ebenmäßige Gestalt kam ohne eine schützende Rüstung, gut zur Geltung. Doch seine jugendliche Erscheinung stand im krassen Gegensatz zum wuchtigen Körper des Philisters.

Erstaunt und wütend zugleich rief Goliat aus: "Bin ich ein Hund . dass du mit einem Stock auf mich zukommst?" Dann überschüttete er David mit den schrecklichsten Flüchen bei sämtlichen Göttern, die er kannte. Hohnlachend rief er aus: "Komm herüber, ich werde dein Fleisch den Vögeln und wilden Tieren vorwerfen!" (1. Samuel 17,43.44 NLB)

David ließ sich vom Helden der Philister nicht einschüchtern. Er lief auf seinen Gegner zu und rief: "Du trittst mir mit Schwert, Speer und Wurfspieß entgegen, ich aber komme im Namen des Herrn, des Allmächtigen - des Gottes des israelitischen Heeres, das du verhöhnt hast. Heute wird der Herr dich besiegen, und ich werde dich töten und dir den Kopf abhauen. Und dann werde ich die Leichen deiner Männer den Vögeln und wilden Tieren vorwerfen, und die ganze Welt wird wissen, dass es einen Gott in Israel gibt! Und jeder wird wissen, dass der Herr keine Waffen braucht, um sein Volk zu retten. Es ist sein Kampf. Der Herr wird euch in unsere Hände geben!" (1. Samuel 17,45-47 NLB)

In seiner Stimme lag ein Ausdruck von Furchtlosigkeit und sein schönes Gesicht widerspiegelte Triumph und Freude. Die mit klarer und klangvoller Stimme gerufenen Worte wurden vom Wind hinübergetragen, so dass Tausende von versammelten Kriegsleuten sie deutlich vernahmen. Goliats Zorn war entbrannt und steigerte sich ins Unermessliche. In seiner Wut schob er den Helm, der seine Stirn schützte, nach hinten und stürmte vorwärts, um sich an seinem Gegner zu rächen. Isais Sohn war auf seinen Feind gefasst. "Als sich der Philister auf ihn zubewegte, um ihn anzugreifen, lief David ihm rasch entgegen. Er griff in seine Hirtentasche, holte einen Kiesel heraus, schleuderte ihn und traf den Philister an der Stirn. Der Stein bohrte sich in seine Stirn, und er fiel mit dem Gesicht voran auf den Boden." (1. Samuel 17,48.49 NLB)

In beiden Heerlagern breitete sich Schrecken aus. Alle waren fest davon überzeugt gewesen, dass David umkommen würde. Aber kaum war der Stein durch die Luft geradewegs seinem Ziel entgegen geflogen, sahen sie den mächtigen Krieger taumeln und seine Hände ausstrecken, als wäre er plötzlich mit Blindheit geschlagen worden. Der Riese wankte, taumelte und stürzte wie eine gefällte Eiche zu Boden. David zögerte keinen Augenblick. Er sprang auf den im Staub liegenden Philister zu und packte dessen schweres Schwert mit beiden Händen. Kurz zuvor hatte der Riese noch geprahlt, er werde damit dem jungen Mann den Kopf von seinen Schultern schlagen und seinen Leichnam den Vögeln unter dem Himmel zum Fraß geben. Nun schwang David das Schwert durch die Luft, und im nächsten Augenblick rollte der Kopf des Prahlers in den Staub. Im Lager Israels erhob sich Jubelgeschrei.

Großes Entsetzen packte die Philister und führte zu einer kopflosen, überstürzten Flucht. Das Triumphgeschrei der Israeliten hallte von den Gipfeln der Berge wider, als sie ihre fliehenden Feinde verfolgten. Und sie "verfolgten sie bis nach Gat und vor die Tore von Ekron. Auf dem ganzen Weg von Schaarajim bis nach Gat und Ekron lagen die Leichen der toten Philister. Dann kehrten die Israeliten um und plünderten das Lager der Philister. David brachte den Kopf des Philisters nach Jerusalem, aber die Waffen des Philisters bewahrte er in seinem Zelt auf." (1. Samuel 17, 52-54 NLB)