Wie Alles Begann

Kapitel 64

Saul Will David Töten

[AUDIO]

1. Samuel 18,1 bis 22,19.

Nachdem David Goliat erschlagen hatte, wollte ihn Saul nicht in sein Vaterhaus zurückgehen lassen. Er behielt ihn bei sich. "Nach seinem Gespräch mit Saul fühlte sich Jonatan mit David tief verbunden, und er liebte ihn wie sein eigenes Leben." Jonatan und David schlossen einen Bund, der sie als Brüder verband, und der Königssohn schenkte "ihm sein Gewand, seine Rüstung, sein Schwert, seinen Bogen und seinen Gürtel." (1. Samuel 18,1-4 NLB) David wurde mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut, doch er blieb bescheiden und erwarb sich die Zuneigung des Volkes wie auch des königlichen Hofes.

"David zog für Saul in den Kampf und war erfolgreich in allem, was Saul ihm auftrug. Schließlich machte Saul ihn zum Heerführer." (1. Samuel 18,5 NLB) David war umsichtig und zuverlässig. Ganz offensichtlich war Gottes Segen mit ihm. Zeitweise erkannte Saul seine eigene Untauglichkeit, Israel zu regieren. Er spürte, dass sein Königtum sicherer wäre, wenn er jemanden um sich hätte, der Unterweisungen vom Herrn empfing. Auch erwartete Saul, dass ihm die Verbindung zu David mehr eigene Sicherheit bringen würde. Weil David in Gottes Gunst und unter seinem Schutz stand, würde Saul dank Davids Gegewart auf den gemeinsamen Kriegszügen bewahrt bleiben.

Gottes Vorsehung hatte David und Saul zusammengeführt. Davids Stellung am Hof würde ihm Kenntnisse über die Staatsgeschäfte vermitteln und ihn so für sein künftiges hohes Amt vorbereiten. Diese würden es ihm ermöglichen, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen. Die Unsicherheit und Bedrängnis, die er durch Sauls Feindschaft erlebte, würde ihm seine Abhängigkeit von Gott bewusst machen und ihn dazu bringen, sein ganzes Vertrauen auf ihn zu setzen. Und auch die Freundschaft Jonathans mit David war eine Fügung Gottes, um das Leben des künftigen Herrschers von Israel zu bewahren. In all diesen Dingen verwirklichte Gott seine gnädigen Absichten mit David und dem Volk Israel.

Sauls Neid Und Eifersucht Auf David

Saul blieb nicht lange freundlich zu David. "Als das Heer nach dem Sieg Davids über den Philister nach Hause zurückkehrte, kamen die Frauen aus allen Städten König Saul entgegen. Sie sangen und tanzten vor Freude und spielten auf Tamburinen und Zimbeln. Sie sangen: ›Saul hat Tausende getötet, aber David Zehntausende!‹" (1. Samuel 18,6.7 NLB) Da ergriff eine dämonische Eifersucht das Herz des Königs. Er war wütend, weil David im Lied der israelitischen Frauen höher gepriesen wurde als er selbst. Statt diese Neidgefühle zu zügeln, offenbarte er seine ganze Charakterschwäche in den Worten: "Sie sagen, David habe Zehntausende getötet, und ich nur Tausende. Als Nächstes werden sie ihn zu ihrem König machen!" (1. Samuel 18,8 NLB)

Ein schwerwiegender Charakterfehler von Saul war sein starkes Verlangen nach Beifall. Dieser Wesenszug hatte sein ganzes Denken und Handeln bestimmt. Alles wurde von seinem Verlangen nach Lob und Selbsterhöhung bestimmt. Seinen Maßstab für Recht und Unrecht legte er am tiefen Niveau der Volksgunst fest. Wer nur dafür lebt, Menschen zu gefallen und nicht zuerst Gottes Zustimmung sucht, steht nicht auf sicherem Grund. Saul wollte im Urteil der Menschen unbedingt der Erste sein. Als dieses Loblied erklang, setzte sich beim König die Überzeugung fest, dass sich die Herzen des Volkes nun David zuneigen würden und dass dieser an seiner Stelle regieren würde.

Indem Saul der Eifersucht Raum gab, wurde seine Seele vergiftet. Obwohl ihm der Prophet Samuel erklärt hatte, dass Gott ausführt, was immer er will, und niemand ihn daran hindern kann, offenbarte der König, dass er keine rechte Vorstellung von den Absichten und der Macht Gottes besaß. Der Herrscher Israels widersetzte sich dem Willen des Ewigen. Während seiner ganzen Regierungszeit hatte Saul nicht gelernt, sich selbst zu beherrschen. Er erlaubte seinen Gefühlen über seinen Verstand zu herrschen, bis er von seinen Wutausbrüchen übermannt wurde. Vom Wahnsinn getrieben war er bereit, jeden zu töten, der es wagte, ihm zu widersprechen. Nach diesen Wutanfällen befielen ihn Gefühle der Niedergeschlagenheit und der Selbstverachtung und er wurde von heftigen Gewissensbissen überwältigt.

Sauls Erste Versuche, David Umzubringen

Saul liebte es, David beim Harfenspiel zuzuhören und dann schien es, als ob der Böse Geist vorübergehend verscheucht würde. Aber während ihm der junge Mann eines Tages liebliche Melodien auf seinem Instrument vorspielte und dazu seine Stimme zum Lob Gottes erhob, schleuderte Saul plötzlich seinen Speer nach dem Sänger, um ihn zu töten. David aber blieb durch Gottes Eingreifen bewahrt und entkam unverletzt der Wut des wahnsinnigen Königs.

Je mehr Sauls Hass auf David wuchs, desto eifriger suchte er nach einer Gelegenheit, ihn umzubringen. Aber keiner seiner Pläne gegen den Gesalbten des Herrn war erfolgreich. Saul überließ sich ganz und gar dem Einfluss des bösen Geistes, der ihn beherrschte. David dagegen vertraute dem, der ein mächtiger Ratgeber und starker Retter ist. "Die Ehrfurcht vor dem Herrn ist der Anfang der Weisheit." (Sprüche 9,10 NLB) David betete beständig darum, vor Gott ein untadeliges Leben führen zu können.

Um von der Gegenwart seines Rivalen befreit zu werden, "verbannte Saul David aus seiner Nähe und gab ihm den Oberbefehl über tausend Mann ... Doch ganz Israel und Juda liebte David." (1. Samuel 18,13.16 NLB) Das Volk erkannte sehr bald, dass David ein tüchtiger Mann war und die Aufgaben, die ihm übertragen wurden, weise und geschickt erledigte. Die Ratschläge des jungen Mannes waren verständig und wohlüberlegt. Man war auf der sicheren Seite, wenn man sie beherzigte. Sauls Urteilsvermögen dagegen war manchmal unzuverlässig. Seine Entscheidungen waren nicht klug.

Obwohl Saul immer auf eine Gelegenheit wartete, David zu vernichten, fürchtete er ihn, weil der Herr ganz offensichtlich mit ihm war. Davids untadeliger Charakter erregte den Zorn des Königs. Das Leben und die Anwesenheit Davids empfand Saul als Vorwurf, da ein Vergleich mit seinem eigenen Charakter zu seinem Nachteil ausfiel. Es war Neid, der Saul so unglücklich machte und den bescheidenen Diener seines Throns in Gefahr brachte. Wie viel unsägliches Unheil hat doch dieser Charakterzug in unserer Welt schon angerichtet! Im Herzen Sauls war dieselbe Feindseligkeit vorhanden, die schon Kain gegen seinen Bruder Abel aufgebracht hatte. Gott ehrte Abel, weil seine Werke gerecht waren, Kains Werke hingegen waren böse und deshalb konnte ihn der Herr nicht segnen. Neid ist ein Kind des Stolzes. Wenn er im Herzen genährt wird, führt er zu Hass und schließlich zu Rachsucht und Mord. Als Satan Sauls Wut gegen jemanden entfachte, der ihm nichts zuleide getan hatte, offenbarte er seinen eigenen Charakter.

Der König beobachtete David ganz genau. Er hoffte, ihn bei einem Fehltritt oder einer Unbesonnenheit zu ertappen, was ihm als Vorwand gedient hätte, Schande über David zu bringen. Er glaubte nicht eher ruhen zu können, bis er dem jungen Mann das Leben genommen hätte und ihn seine Böse Tat vor dem Volk sogar noch rechtfertigen würde. Er stellte David eine Falle und drängte ihn, den Krieg gegen die Philister noch energischer zu führen. Als Belohnung für seinen Wagemut versprach er ihm die Hand seiner ältesten Tochter. Auf diesen Vorschlag antwortete David bescheiden: "Wer bin ich, und welche Stellung hat meine Familie in Israel, dass gerade ich der Schwiegersohn des Königs werden sollte?" (1. Samuel 18,18 NLB) Als der Monarch aber bald darauf die Prinzessin einem anderen zur Frau gab, zeigte sich seine Unaufrichtigkeit.

Als Michal, die jüngste Tochter von Saul, gegenüber David Zuneigung zeigte, ergab sich für den König eine weitere Gelegenheit, gegen seinen Feind Ränke zu schmieden. Er bot ihm Michals Hand an, vorausgesetzt, er werde als Brautpreis den Beweis für die Niederlage und den Tod von 100 Feinden der Nation erbringen. "In Wirklichkeit hoffte er, dass David in der Schlacht gegen die Philister fallen würde." (1. Samuel 18,25 NLB) Doch Gott beschützte seinen Diener. David kehrte als Sieger aus der Schlacht zurück, brachte den Beweis von 200 erschlagenen Philistern und wurde des Königs Schwiegersohn. "Michal, Sauls Tochter, hatte David lieb." (1. Samuel 18,20) Das machte den Monarchen wütend, weil er feststellen musste, dass sein Komplott denjenigen noch erhöhte, den er eigentlich vernichten wollte. Mehr denn je war er davon überzeugt, dass dies der Mann wurde, von dem der Herr gesagt hatte, er sei besser als er, und der an seiner Stelle auf Israels Thron regieren sollte. Nun ließ er seine Maske fallen und erteilte Jonathan und den Palastoffizieren den Befehl, David, den er so sehr hasste, zu töten.

Jonatan Und Michal Setzen Sich Für David Ein

Doch Jonatan informierte David über die Absicht des Königs und bat ihn, sich zu verbergen, während er sich bei seinem Vater dafür einsetzen wolle, das Leben des Befreiers Israels zu schonen. Er zählte dem König gegenüber alles auf, was David unternommen hatte, um die Ehre und sogar das Leben des Volkes zu erhalten, und welch eine schreckliche Schuld der Mörder dessen auf sich lüde, den Gott dazu benutzt hatte, die Feinde zu zerstreuen. Das berührte das Gewissen des Königs, und er beruhigte sich. "Saul hörte auf Jonatan und schwor: ›So wahr der Herr lebt, David soll nicht getötet werden.‹" (1. Samuel 19,6 NLB) David wurde zu Saul zurückgebracht und diente ihm wie zuvor.

Wieder brach Krieg aus zwischen den Israeliten und den Philistern. David befehligte das Heer gegen Israels Feinde. Die Israeliten errangen einen großen Sieg, und das Volk rühmte Davids Weisheit und Heldenmut. Dies erregte Sauls frühere Bitterkeit gegen ihn. Als der junge Mann wieder einmal vor ihm auf der Harfe spielte und den Palast mit wohlklingenden Melodien erfüllte, wurde der König einmal mehr von seiner Wut übermannt. Er schleuderte einen Speer auf David, um ihn an die Wand zu spießen. Aber der Engel des Herrn lenkte die tödliche Waffe ab. David entkam und floh in sein Haus. Saul entsandte Späher, die ihn ergreifen und töten sollten, wenn er am Morgen herauskäme.

Michal informierte David von der Absicht ihres Vaters. Sie drängte ihn zur Flucht, um sein Leben zu retten, und ließ ihn aus dem Fenster hinab, sodass er entkommen konnte. Er floh zu Samuel nach Rama. Der Prophet fürchtete sich nicht vor dem Missfallen des Königs und nahm David freundlich auf. Was für eine friedliche Stätte war Samuels Zuhause im Gegensatz zum königlichen Palast! Hier, inmitten der Berge, setzte der verehrte Diener Gottes seine Tätigkeit fort. Bei ihm lebte eine Gruppe von Propheten, die gründlich nach dem Willen Gottes forschte. Andächtig hörten sie den Unterweisungen Samuels zu. David konnte in diesen wertvollen Stunden vom Lehrer Israels viel lernen.

Gott Vereitelt Sauls Mordpläne

David ging davon aus, dass Saul seinen Truppen niemals befehlen würde, an diesen heiligen Ort vorzudringen. Doch dem umnachteten Geist dieses verzweifelten Königs schien kein Ort mehr heilig zu sein. Davids Verbindung zu Samuel erregte die Eifersucht des Königs. Damit der in ganz Israel als Prophet Gottes verehrte Mann seinen Einfluss nicht für das Emporkommen seines Rivalen einsetzen konnte, schickte der König Offiziere dorthin, um David nach Gibea zu holen, wo Saul seinen mörderischen Plan auszuführen gedachte.

Die Abgesandten begaben sich auf den Weg in der Absicht, David umzubringen, aber ein Größerer als Saul hinderte sie daran. Unsichtbare Engel begegneten ihnen wie einst Bileam, als dieser Israel verfluchen wollte. "Als sie ankamen und sahen, wie unter der Leitung Samuels die anderen Propheten weissagten, kam der Geist Gottes über Sauls Männer, und auch sie begannen prophetisch zu reden." (1. Samuel 19,20 NLB) Sie weissagten, was in der Zukunft geschehen werde, und verkündeten die Herrlichkeit und die Majestät Jahwes. So überwand Gott den menschlichen Zorn und offenbarte seine Macht, dem Bösen Einhalt zu gebieten, indem er seinen Diener mit einer Wache von Engeln umgab.

Diese Nachrichten erreichten Saul, während er ungeduldig darauf wartete, David in seine Gewalt zu bekommen. Aber anstatt darin Gottes Zurechtweisung zu sehen, wurde er noch gereizter und schickte andere Boten aus. Doch auch sie wurden vom Geist Gottes überwältigt und weissagten gemeinsam mit den ersten. Da sandte der König eine dritte Gesandtschaft aus. Als sie jedoch die Prophetenschar erreichten, wurden auch sie vom Wirken Gottes erfasst und begannen zu weissagen. Nun beschloss Saul, sich selbst auf den Weg zu machen, denn er konnte seinen ungestümen Hass nicht mehr bändigen. Der König wollte auf keine weitere Gelegenheit warten, um David zu töten, sondern ihn, sobald er seiner habhaft würde, mit eigener Hand umbringen, koste es was es wolle.

Doch ein Engel Gottes begegnete Saul auf dem Weg und lenkte ihn. Der Geist Gottes hielt ihn in seiner Macht, sodass Saul im Weitergehen betete, weissagte und geistliche Lieder sang. Er prophezeite das Kommen des Messias, des Erlösers der Welt. Beim Haus des Propheten in Rama angekommen, legte er das Obergewand - das Zeichen seiner Würde - ab und lag unter dem Einfluss des göttlichen Geistes den ganzen Tag und die ganze Nacht vor Samuel und dessen Schülern. Die Leute liefen zusammen, um das seltsame Schauspiel zu sehen, und erzählten weit herum, was mit dem König geschehen war. So kam gegen Ende seiner Herrschaft noch einmal das Sprichwort in Israel auf: "Gehört Saul auch zu den Propheten?" (1. Samuel 19,24c NLB)

David Sucht Hilfe Bei Jonatan

Erneut wurde die Absicht des Verfolgers vereitelt. Saul sicherte David zu, Frieden mit ihm zu halten, aber David hatte wenig Vertrauen in die Reue des Königs. Er benutzte die Gelegenheit zur Flucht, ehe sich Sauls Laune, so wie zuvor, wieder änderte. Sein Herz war schwer und er sehnte sich nach einem Wiedersehen mit seinem Freund Jonatan. Im Bewusstsein seiner Unschuld suchte er den Sohn des Königs auf und klagte tief bewegt: "Was hab ich getan? Was ist meine Schuld? Was hab ich gesündigt vor deinem Vater, dass er mir nach dem Leben trachtet?" (1. Samuel 20,1) Jonathan glaubte, sein Vater hätte seine Absicht geändert und würde David nicht mehr nach dem Leben trachten. Darum sagte er zu ihm: "Das ist nicht wahr ... Du wirst nicht sterben. Er erzählt mir immer alles, was er vorhat, Wichtiges und Unwichtiges. Ich weiß, dass er mir so etwas nicht verschweigen würde. Es ist einfach nicht wahr!" (1. Samuel 20,2 NLB) Nachdem Gott seine Macht so ausergewöhn- lich offenbart hatte, konnte Jonathan nicht glauben, dass sein Vater David noch immer Leid zufügen wollte, denn dies wäre offene Rebellion gegen Gott gewesen. Aber David ließ sich nicht überzeugen. Mit eindringlichem Ernst erklärte er Jonatan: "So wahr der Herr lebt und so wahr du lebst: Es ist nur ein Schritt zwischen mir und dem Tod!" (1. Samuel 20,3)

Zur Zeit des Neumondes wurde in Israel stets ein heiliges Fest gefeiert. Diesmal fiel das Fest auf den Tag nach dem Gespräch zwischen David und Jonathan, die beide an der Tafel des Königs erwartet wurden. Aber weil sich David davor fürchtete, vereinbarten die beiden, dass David seine Brüder in Bethlehem besuchen werde. Nach seiner Rückkehr sollte er sich auf einem Feld nicht weit von der Festhalle verborgen halten, und der Gegenwart des Königs drei Tage fernbleiben. In diesen Tagen würde Jonathan Sauls Reaktion genau beobachten. Sollte der König fragen, wo sich Isais Sohn aufhielte, würde Jonatan sagen, er sei zu seinem Vater gegangen, um dort dem Opferfest beizuwohnen. Wenn der König keinerlei Ärger zeigte und sagte: "Es ist recht" (1. Samuel 20,7), würde David beruhigt an den Hof zurückkehren können. Sollte er aber über dessen Abwesenheit in Zorn geraten, würde dies Davids Flucht bedeuten.

Am ersten Festtag stellte der König keine Frage zu Davids Abwesenheit. Aber als dessen Platz auch am zweiten Tag leer blieb, fragte er: "Warum ist der Sohn Isais nicht zu Tisch gekommen, weder gestern noch heute?" Jonatan antwortete: "David hat mich gebeten, ihn nach Bethlehem gehen zu lassen. Er sagte: ›Lass mich doch gehen, denn wir feiern das Opferfest unserer Familie in der Stadt, und mein Bruder verlangt, dass ich kommen soll. Wenn du mir Gutes tun willst, dann lass mich gehen, damit ich meine Brüder sehen kann.‹ Deshalb ist er nicht an der Tafel des Königs erschienen." (1. Samuel 20,28.29 NLB) Als Saul das hörte, geriet er in unbändigen Zorn und behauptete, solange David lebe, könne Jonatan den Thron Israels nicht besteigen. Er befahl, David sofort holen zu lassen, um ihn zu töten. Erneut trat Jonatan bittend für seinen Freund ein: "Warum soll er getötet werden? Was hat er denn getan?" (1. Samuel 20,32 GNB) Doch dieser Einspruch steigerte Sauls teuflische Wut nur noch. Er schleuderte den für David vorgesehenen Speer nun gegen seinen eigenen Sohn.

Tief bekümmert und aufgewühlt verließ der Prinz die königliche Tafel und nahm nicht länger am Fest teil. Seine Seele war von Kummer erfüllt, als er sich zur verabredeten Zeit an dem Ort einfand, wo David die Absichten des Königs erfahren sollte. Sie fielen einander um den Hals und weinten bitterlich. Die finstere Leidenschaft des Königs überschattete das Leben der beiden jungen Männer. Sie fanden kaum Worte in ihrem tief empfundenen Schmerz. Die letzten Worte, die David von Jonatan hörte, ehe sich ihre Wege trennten, waren: "Geh in Frieden, denn wir haben einen Bund im Namen des Herrn geschlossen. Dafür wird der Herr zwischen uns und unseren Kindern für immer Zeuge sein." (1. Samuel 20,42 NLB)

David Sucht Zuflucht Im Heiligtum

Der Königssohn kehrte nach Gibea zurück, David aber eilte nach Nob, einer Stadt, die auch zum Stamm Benjamin gehörte und nur wenige Kilometer von Gibea entfernt lag. Man hatte die Stiftshütte von Silo dorthin gebracht, und das Amt des Hohenpriesters hatte Ahimelech inne. David wusste nicht, wo er sonst Zuflucht finden könnte, als beim Diener Gottes. Als David hastig und allem Anschein nach ganz alleine daherkam - das Gesicht von Angst und Kummer gezeichnet - blickte ihn der Hohepriester verwundert an. Er fragte, was ihn hergeführt habe. Der junge Mann lebte in ständiger Angst, entdeckt zu werden. In seiner äußersten Not nahm er Zuflucht zu einer Lüge. Er erzählte dem Priester, er komme in geheimen Auftrag des Königs, der höchste Eile erfordere. Hier zeigte David einen Mangel an Glauben. Seine Sünde führte später zum Tod des Hohenpriesters. Hätte David die Dinge wahrheitsgemäß berichtet, hätte Ahimelech gewusst, was er zu seiner Rettung hätte tun können. Gott fordert, dass sich seine Kinder auch in größter Gefahr durch Wahrhaftigkeit auszeichnen. David bat den Priester um fünf Laibe Brot. Obwohl dem Mann Gottes in diesem Moment nur heiliges Brot zur Verfügung stand, gelang es David, Ahimelechs Bedenken zu zerstreuen. Er erhielt das Brot, um seinen Hunger zu stillen.

Doch nun drohte neue Gefahr. Doeg, der Oberste über Sauls Hirten, ein Edomiter, der sich zum Glauben Israels bekannte, löste gerade an dieser Anbetungsstätte sein Gelübde ein. Als David diesen Mann sah, suchte er eiligst nach einem andere Zufluchtsort und nach einer Waffe, um sich, falls nötig, damit verteidigen zu können. Er bat Ahimelech um ein Schwert. Dieser antwortete ihm, er habe nur Goliats Schwert, das in der Stiftshütte als Andenken aufbewahrt werde. "Ein besseres Schwert gibt es nicht", entgegnete David, "gib es mir." (1. Samuel 21,10 NLB). Als er das Schwert ergriff, mit dem er einst den Helden der Philister erschlagen hatte, fasste er wieder neuen Mut.

Davids Wankendes Vertrauen Zu Gott

David floh zu Achisch, dem König von Gat, weil er meinte, unter Israels Feinden sicherer zu sein als im Herrschaftsbereich Sauls. Aber man berichtete Achisch, dass David jener Mann sei, der vor Jahren den großen Helden der Philister erschlagen habe. Und nun fand er sich bei den Gegnern Israels, wo er eigentlich Zuflucht gesucht hatte, selbst in großer Gefahr. Da täuschte er seine Feinde, indem er sich wahnsinnig stellte und konnte ihnen schließlich so entrinnen.

Davids erster Fehler war sein mangelndes Gottvertrauen in Nob und sein zweiter die Täuschung vor Achisch. Bis dahin hatte er edle Charakterzüge gezeigt und mit seinem einwandfreien moralischen Verhalten die Gunst des Volkes gewonnen. Aber in dieser Bewährungsprobe geriet sein Glaube ins Wanken. Menschliche Schwächen kamen zum Vorschein. In jedem Mann sah er einen Spion und Verräter. Voller Vertrauen hatte David in größter Not auf Gott geschaut und den Riesen der Philister besiegt. Im Glauben war er in Gottes Namen vorangegangen. Doch als Gehetzter und Verfolgter verlor er vor lauter Not und Gefahr seinen himmlischen Vater aus den Augen.

Doch diese Erfahrung war für ihn sehr lehrreich. Sie führte ihn dazu, seine eigene Schwäche und die Notwendigkeit einer beständigen Abhängigkeit von Gott zu erkennen. Wie wertvoll ist doch das wohltuende Wirken des Heiligen Geistes im Leben von bedrückten und verzweifelten Menschen. Er ermutigt die Verzagten, stärkt die Schwachen, erfüllt die angefochtenen Diener Gottes mit Mut und steht ihnen bei. Was haben wir doch für einen Gott, der mit den Irrenden gnädig umgeht und uns im Unglück oder in Zeiten großer Sorge seine Geduld und sein Mitgefühl zeigt.

Jedes Versagen der Kinder Gottes ist auf ihren Mangel an Glauben zurückzuführen. Wenn Schatten die Seele verdunkeln und wir uns nach Licht und Führung sehnen, müssen wir nach oben schauen, denn jenseits der Finsternis ist Licht. David hätte nicht einen Augenblick lang Gott misstrauen sollen. Er hatte allen Grund, ihm zu vertrauen: Er war der Gesalbte des Herrn, und in jeder Gefahr hatten ihn Gottes Engel beschützt. Ihm wurde Mut verliehen, um Großartiges zu vollbringen. Wenn er nun in der schwierigen Situation, in die er geraten war, seine Gedanken auf Gottes Allmacht und Majestät gerichtet hätte, würde er selbst im Schatten des Todes inneren Frieden gefunden haben. Voller Zuversicht hätte er Gottes Verheißung an sich erfahren können: "Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Gnade wird nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, spricht der Herr, dein Erbarmer." (Jesaja 54,10 Elb.)

Zuflucht In Der Höhle Bei Adullam

David suchte in den Bergen Judas Schutz vor Sauls Nachstellungen. Es gelang ihm, in die Höhle bei Adullam zu fliehen, die mit einer kleinen Streitmacht gegen ein großes Heer verteidigt werden konnte. "Als seine Brüder und alle, die zum Haus seines Vaters gehörten, davon erfuhren, schlossen sie sich ihm schon bald an." (1. Samuel 22,1 NLB) Davids Familie fühlte sich nicht sicher, da sie wusste, dass sich Sauls unvernünftige Verdächtigungen wegen ihrer Verwandtschaft mit David auch gegen sie richten konnten. Sie hatte nun erfahren, was allmählich in ganz Israel bekannt geworden war, dass Gott David zum künftigen Herrscher seines Volkes auserwählt hatte. Obwohl er zurzeit nur als Flüchtling in einer abgelegenen Höhle lebte, fühlte sie sich bei ihm vor der irrsinnigen Wut des eifersüchtigen Königs sicherer als irgendwo anders.

In der Höhle von Adullam war die ganze Familie in Liebe und Eintracht beisammen. Isais Sohn konnte musizieren und zum Harfenspiel singen: "Siehe, wie fein und lieblich ist's, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!" (Psalm 133,1) Das Misstrauen seiner eigenen Brüder war für ihn eine bittere Erfahrung. Doch die Zwietracht wich dem Frieden, was das Herz des Vertriebenen erfreute. Hier dichtete David den 57. Psalm.

Wenig später stießen noch weitere Männer, die den Forderungen des Königs entgehen wollten, zu Davids Schar. Viele hatten längst das Vertrauen in den Herrscher Israels verloren, weil sie sahen, dass er nicht mehr unter der Leitung des Geistes Gottes stand. "Und noch weitere kamen: Männer, die in Not waren, sich verschuldet hatten oder verbittert waren. Schließlich war David der Anführer von etwa 400 Mann." (1. Samuel 22,2 NLB) David hatte hier ein eigenes kleines Reich, in dem Ordnung und Disziplin herrschten. Aber selbst in diesem Schlupfwinkel der Berge konnte er sich nicht sicher fühlen. Ständig erhielt er Hinweise darauf, dass der König seine mörderischen Absichten noch nicht aufgegeben hatte.

Für seine Eltern fand er eine Zufluchtsstätte beim König von Moab. Er selbst aber floh in die Wälder von Jaar-Heret, denn ein Prophet des Herrn hatte ihn gewarnt. Die Erfahrungen, die David machen musste, waren für ihn keineswegs unnötig oder wertlos. Gott nahm ihn in die Schule der Selbstdisziplin, damit er sowohl ein tüchtiger Heerführer als auch ein gerechter, gütiger König werden konnte. Samt seiner Flüchtlingsschar wurde er darauf vorbereitet, Sauls Aufgabe zu übernehmen, der aufgrund seines mörderischen Zorns und seiner blinden Unvernunft völlig unfähig geworden war, diese auszuführen.

Niemand kann Gottes Rat abweisen und dann immer noch jene Ruhe und Weisheit bewahren, die ihn zu gerechtem und umsichtigem Handeln befähigt. Keine Form der Unvernunft hat hoffnungslosere und schrecklichere Folgen als jene, die nur menschlicher Weisheit folgt und sich nicht von Gottes Weisheit leiten lässt.

Saul hatte Vorbereitungen getroffen, um David in der Höhle Adullam einzuschließen und ihn gefangen zu nehmen. Als entdeckt wurde, dass David diesen Zufluchtsort verlassen hatte, wurde der König sehr wütend. Davids Flucht war ihm ein Rätsel. Er konnte sich das nur so erklären, dass es in seinem Lager Verräter gab, die den Sohn Isais über seinen Aufenthaltsort und sein Vorhaben informiert hatten.

Sauls Rache An Ahimelech Und Der Priesterstadt Nob

Seinen Ratgebern gegenüber versicherte er, es sei eine Verschwörung gegen ihn im Gange. Durch das Angebot reicher Geschenke und Ehrenstellungen bestach er sie, ihm zu verraten, wer von seinen Leuten mit David befreundet sei. Doeg, der Edomiter, wurde zum Zuträger. Getrieben von Ehrgeiz und Habgier und voller Hass gegen den Hohenpriester, der seine Sünden gerügt hatte, berichtete er von Davids Besuch bei Ahimelech und stellte die Sache in einem solchen Licht dar, dass sich der Zorn Sauls gegen den Mann Gottes richtete. Die Worte dieser bösen Zunge - "von der Hölle entzündet" (Jakobus 3,6c) - stachelten im König die schlimmsten Leidenschaften an. Wutentbrannt entschied Saul, die ganze Familie des Priesters müsse sterben. Und der schreckliche Befehl wurde ausgeführt. Nicht nur Ahimelech, sondern auch alle Mitglieder der Familie seines Vaters - "85 Priester, die alle noch ihren leinenen Priesterschurz trugen" (1. Samuel 22,18 NLB) - kamen auf Sauls Anweisung durch Doegs Mörderhand ums Leben.

"Dann zog er nach Nob, in die Stadt der Priester, und tötete alles Lebende - Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder, Esel und Schafe." (1. Samuel 22,19 NLB) Zu all dem wurde Saul unter der Herrschaft Satans fähig. Als ihm Gott befohlen hatte, die Amalekiter zu vernichten, weil das Maß ihrer Schuld voll geworden war (vgl. 1. Mose 15,16), hielt er sich selbst für zu barmherzig, um das göttliche Urteil zu vollstrecken und verschonte das, was dem Untergang geweiht war. Doch nun konnte er ohne einen Befehl Gottes unter der Leitung Satans die Priester des Herrn töten und Verderben über die Bewohner von Nob bringen. Derart verdorben wird das menschliche Herz, wenn es die Führung Gottes zurückweist.

Diese Untat erregte in ganz Israel Entsetzen. Der von ihnen selbst erwählte König hatte dieses Verbrechen begangen! Er hatte damit nicht anders gehandelt als die Herrscher anderer Völker, die Gott nicht ehrten. Die Bundeslade war zwar in ihrer Mitte, aber ihre Priester, die sie nach dem Willen Gottes befragen konnten, waren mit dem Schwert erschlagen. Was würde als Nächstes kommen?