Wie Alles Begann

Kapitel 65

Davids Grossmut Gegenüber Saul

[AUDIO]

1. Samuel 22,20 bis 28,2.

Dem entsetzlichen Blutbad Sauls in Nob unter den Priestern des Herrn "entkam ein Sohn Ahimelechs, des Sohnes Ahitubs, mit Namen Abja- tar, und floh zu David. Abjatar berichtete David, dass Saul die Priester des Herrn umgebracht habe. Da sagte David zu Abjatar: Ich wusste schon an jenem Tag, weil der Edomiter Doeg dort war, dass er es Saul sicher berichten würde. Ich bin schuldig am Tod aller aus dem Haus deines Vaters. Bleibe bei mir, fürchte dich nicht! Denn wer nach meinem Leben trachtet, trachtet auch nach deinem. Bei mir bist du in Sicherheit" (1. Samuel 22,20-23 Elb.).

Noch immer vom König gejagt, fand David nirgends Ruhe oder Sicherheit. Als sie nach Keila kamen, bewahrte seine mutige Schar die Stadt vor der Eroberung durch die Philister, doch nicht einmal unter diesen Menschen, für deren Befreiung sie sich eingesetzt hatten, waren sie sicher. Deshalb zogen sie sich aus Keila in die Wüste Sif zurück.

Jonatans Unerwarteter Besuch

Da es zu jener Zeit wenig Erfreuliches in Davids Leben gab, freute er sich umso mehr über einen unerwarteten Besuch von Jonathan, der seinen Zufluchtsort erfahren hatte. Kostbar war den beiden Freunden die kurze Zeit, die sie miteinander verbringen konnten. Sie berichteten einander von ihren vielfältigen Erlebnissen, und Jonatan forderte David auf: "Hab keine Angst! Mein Vater wird dich nicht in seine Gewalt bringen. Du wirst König über Israel werden, und ich werde der zweite Mann nach dir sein. Das weiß auch mein Vater ganz genau." Während sie sich über die wunderbare Führung Gottes im Leben von David unterhielten, gewann der verfolgte Flüchtling neue Zuversicht. "Die beiden schlossen einen Freundschaftsbund und riefen den Herrn als Zeugen dafür an. Dann kehrte Jonatan nach Hause zurück, während David in Horescha blieb." (1. Samuel 23,17.18 GNB)

Nach Jonatans Besuch sang David Loblieder und spielte dazu auf seiner Harfe, was ihm neuen Mut gab:

"Ich traue auf den Herrn. Wie sagt ihr denn zu mir:

Flieh wie ein Vogel auf die Berge! Denn siehe, die Gottlosen spannen den Bogen und legen ihre Pfeile auf die Sehnen, damit heimlich zu schießen auf die Frommen. Ja, sie reißen die Grundfesten um; was kann da der Gerechte ausrichten? Der Herr ist in seinem heiligen Tempel, des Herrn Thron ist im Himmel. Seine Augen sehen herab, seine Blicke prüfen die Menschenkinder. Der Herr prüft den Gerechten und den Gottlosen; wer Unrecht liebt, den hasst seine Seele." (Psalm 11,1-5)

Einige Bewohner der Einöde von Sif, in deren unwirtliches Gebiet David von Keila aus gezogen war, gingen zu Saul in Gibea und berichteten ihm, dass sie wüssten, wo sich David verborgen halte. Sie seien bereit, den König zu seinem Versteck zu führen. Aber David, der vor ihrer Absicht gewarnt worden war, verließ seinen Aufenthaltsort und suchte Zuflucht in den Bergen zwischen Maon und dem Toten Meer.

David Verschont Saul In Einer Höhle

Wieder wurde Saul gemeldet: "›David ist jetzt in der Wüste En-Gedi.‹ Saul wählte 3000 der besten Krieger Israels aus und machte sich in der Nähe der Steinbockfelsen auf die Suche nach David und seinen Männern." (1. Samuel 24,2.3 NLB) David hatte nur 600 Mann bei sich, während Saul mit einem Heer von 3000 Kämpfern gegen ihn anrückte. In einer abgelegenen Höhle warteten David und seine Männer auf Gottes Weisung, was nun geschehen sollte. Als Saul den Bergpfad hinauf eilte, musste er kurz austreten. Dazu ging er ausgerechnet in jene Höhle, in der sich David mit seiner Schar versteckt hielt. Als Davids Leute das sahen, drängten sie ihren Anführer, Saul zu töten. Dass der König in ihrer Gewalt war, deuteten sie als klaren Beweis dafür, dass Gott selbst ihnen den Feind in die Hände gegeben hatte, um ihn umzubringen. David stand in der Versuchung, ihre Sicht der Dinge zu übernehmen, doch die Stimme seines Gewissens meldete sich und er sprach: "Der Herr bewahre mich davor, dass ich dem Gesalbten des Herrn etwas antue. Denn er ist ja der Gesalbte des Herrn." (1. Samuel 24,7 NLB)

Davids Männer waren noch immer nicht gewillt, Saul unbehelligt ziehen zu lassen. Sie erinnerten ihren Befehlshaber an die Worte Gottes: "›Ich werde dir deinen Feind in deine Hand geben, sodass du mit ihm tun kannst, was du willst.‹ David schlich sich nach vorne und schnitt heimlich einen Zipfel von Sauls Gewand ab." (1. Samuel 24,5 NLB) Doch selbst darüber machte er sich anschließend ein Gewissen, weil er das Gewand des Königs beschädigt hatte.

Saul erhob sich und verließ die Höhle, um die Suche fortzusetzen. Da hörte er eine Stimme, die ihn erschrecken ließ: "Mein Herr und König!" (1. Samuel 24,9) Er wandte sich um, um zu sehen, wer ihm zurief. Und siehe da, es war der Mann, den er schon so lange in seine Gewalt zu bringen versucht hatte, um ihn zu töten. David verbeugte sich tief vor dem König und anerkannte ihn damit als seinen Herrn. Dann redete er Saul mit den Worten an: "Warum hörst du auf Leute, die sagen, David wolle dir schaden? Heute kannst du mit eigenen Augen sehen, dass es nicht wahr ist. Denn der Herr hatte dich hinten in der Höhle in meine Hand gegeben, und ein paar meiner Männer verlangten von mir, dass ich dich töte. Doch ich habe dich verschont. Ich habe gesagt: ›Niemals werde ich ihm, meinem Herrn, etwas antun, denn er ist der Gesalbte des Herrn.‹ Sieh, mein Vater, was ich in der Hand halte. Es ist ein Zipfel deines Gewandes! Ich habe es abgeschnitten, aber ich habe dich nicht getötet. Das zeigt, dass ich dir nicht schaden will und dass ich nicht an dir schuldig geworden bin. Aber du jagst mich und willst mich töten." (1. Samuel 24,10-12 NLB)

Als Saul diese Worte hörte, fühlte er sich gedemütigt, und musste zugeben, dass David recht hatte. Er war tief bewegt, als er erkannte, dass er ganz in der Gewalt dessen gewesen war, den er töten wollte. David stand im Bewusstsein seiner Unschuld vor ihm. Tief betroffen rief Saul aus: "Bist du es wirklich, mein Sohn David?" Und er begann zu weinen. "Dann sagte er zu David: ›Du bist gerechter als ich, denn du hast mir Böses mit Gutem vergolten. Ja, du hast mir heute bewiesen, wie gut du mit mir umgehst. Der Herr hat mich dir ausgeliefert, und du hättest mich töten können, aber du hast es nicht getan. Wer würde schon seinen Feind entkommen lassen, wenn er ihn in seiner Gewalt hat? Was du heute für mich getan hast, dafür soll der Herr dich belohnen. Ich weiß genau, dass du König werden wirst, und deine Herrschaft über Israel wird Bestand haben." (1. Samuel 24,17-21 NLB) Nun schloss David mit Saul einen Bund, in dem er ihm versicherte, dass er - sollte er König werde - Sauls Haus wohlwollend behandeln und seinen Namen nicht auslöschen werde.

Sauls Reue Bleibt Unglaubwürdig

Da David Sauls Verhalten aus der Vergangenheit kannte, konnte er den Zusicherungen des Königs nicht trauen und auch nicht hoffen, dass dessen reuige Gesinnung lange anhalten würde. Während Saul nach Hause zurückkehrte, blieb David lieber in den schützenden Bergen.

Die Feindschaft gegen die Diener Gottes mag bei Menschen, die der Macht Satans nachgegeben haben, vorübergehend von Versöhnlichkeit und Wohlwollen abgelöst werden, aber dieser Wandel ist nicht immer von Dauer. Wenn böswillige Menschen sich daran beteiligt haben, den Dienern des Herrn mit Worten und Taten übel zuzusetzen, kommen sie doch manchmal zu der inneren Überzeugung, falsch gehandelt zu haben. Der Geist Gottes ringt mit ihnen, und sie demütigen ihr Herz vor dem Herrn und vor denen, deren Einfluss sie zu vernichten gesucht haben. Sie mögen ihr Verhalten ihnen gegenüber ändern. Doch sobald sie den Einflüsterungen des Bösen erneut die Tür öffnen, leben die früheren Zweifel wieder auf, die alte Feindschaft erwacht, und sie machen wieder dasselbe, was sie bereut und zeitweilig unterlassen haben. Erneut verleumden, beschuldigen und verurteilen sie gerade diejenigen aufs Härteste, denen sie zuvor noch demütigst ihre Schuld eingestanden hatten. Solche Menschen kann Satan, nachdem sie einen derartigen Weg eingeschlagenen haben, mit weit größerer Macht benutzen, als zuvor, weil sie wider besseres Wissen gesündigt haben.

Samuels Tod

"Um diese Zeit starb Samuel. Ganz Israel versammelte sich und hielt die Totenklage für ihn. Dann bestatteten sie ihn in seinem Heimatort Rama." (1. Samuel 25,1a GNB) Samuels Tod wurde in ganz Israel als unersetzlicher Verlust empfunden. Mit ihm war ein großer, gütiger Prophet und hervorragender Richter dahingegangen. Die Trauer des Volkes war tief und aufrichtig. Von Jugend an hatte Samuel Israel mit lauterem Herzen gedient. Obwohl Saul der anerkannte König gewesen war, hatte Samuel einen weitaus größeren Einfluss ausgeübt, weil er ein Leben der Treue, des Gehorsams und der Hingabe geführt hatte. Wir lesen, dass er Israel "sein Leben lang" richtete (1. Samuel 7,15).

Als die Israeliten das Leben Sauls mit demjenigen von Samuel verglichen, erkannten sie, wie unklug es gewesen war, sich einen König zu wünschen, nur um den Nachbarvölkern gleich zu sein. Viele beobachteten den Zustand der Gesellschaft mit großer Sorge, da sich Gottlosigkeit und Unglaube immer mehr verbreiteten. Das Beispiel ihres Herrschers übte einen weitreichenden Einfluss aus, und die Israeliten hatten allen Grund, darüber zu klagen, dass Samuel, der Prophet des Herrn, nun gestorben war.

Israel hatte den Gründer und Leiter seiner heiligen Schulen verloren, aber darüber hinaus auch den Mann, zu dem jeder mit seinen großen Sorgen gehen konnte. Sie hatten den verloren, der stets vor Gott für das Wohl des Volkes eingetreten war. Samuels Fürbitte hatte ihnen ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, denn "das Gebet eines gerechten Menschen hat große Macht" (Jakobus 5,16b NLB). Jetzt hatte das Volk allgemein das Empfinden, von Gott verlassen zu sein. Der König schien dem Wahnsinn nahe, das Recht wurde gebeugt und die Ordnung wich dem Chaos.

Ausgerechnet jetzt, wo das Volk von inneren Streitigkeiten zerrissen war und der besonnene, von Gott geleitete Rat Samuels besonders nötig gewesen wäre, legte Gott seinen betagten Diener zur Ruhe. Mit bitteren Gedanken standen die Israeliten vor seinem schlichten Ruheplatz und erinnerten sich an ihre Torheit, ihn als ihren Regenten abgelehnt zu haben. Seine Gemeinschaft mit dem Himmel war so eng gewesen, dass der Eindruck entstand, er würde ganz Israel mit dem Thron Jahwes verbinden. Samuel hatte sie gelehrt, Gott zu lieben und ihm zu gehorchen. Nun, da er tot war, sahen sie sich einem König ausgeliefert, der mit Satan verbunden war und das Volk von Gott und dem Himmel wegführen würde.

David konnte an Samuels Begräbnis nicht teilnehmen, aber er trauerte so tief und aufrichtig um ihn wie ein treuer Sohn um einen liebevollen Vater. Er wusste, dass mit Samuels Tod ein weiteres Hindernis für Sauls Untaten gefallen war. Daher fühlte er sich nun noch stärker bedroht als zu Lebzeiten des Propheten. Während Sauls Aufmerksamkeit von der Totenklage für Samuel in Anspruch genommen war, nutzte David die Gelegenheit, um einen noch sichereren Ort zu suchen, deshalb floh er in die Wildnis von Paran. Dort verfasste er Psalm 120 und 121. Als er in dieser verlassenen Einöde darüber nachdachte, dass der Prophet gestorben und der König sein Feind war, dichtete er:

"Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!" (Psalm 121,2-4.7-8)

Davids Begegnung Mit Nabals Frau

Während sich David und seine Männer in der Wildnis von Paran aufhielten, beschützten sie die Herden eines reichen Mannes namens Nabal vor räuberischen Überfällen. Nabal verfügte in jener Gegend über ausgedehnte Besitztümer und war ein Nachkomme Kalebs. Von seinem Charakter her war er derb und knauserig.

Es war die Zeit der Schafschur, eine Zeit besonderer Gastfreundschaft. David benötigte für seine Leute dringend Nahrung. Darum sandte er, wie es der damaligen Sitte entsprach, zehn junge Männer zu Nabal und trug ihnen auf, ihm die Grüße ihres Herrn auszurichten. Sie sollten sagen: "Friede sei mit dir und deinem Haus und mit allem, was du hast! Ich habe gehört, dass du Schafschur hast. Nun, deine Hirten sind mit uns zusammen gewesen. Wir haben ihnen nichts zuleide getan, und sie haben nichts vermisst, solange sie in Karmel33 gewesen sind. Frage deine Leute danach, die werden es dir sagen. Und lass meine Leute Gnade finden vor deinen Augen, denn wir sind an einem Festtag gekommen. Gib deinen Knechten und deinem Sohn David, was du zur Hand hast." (1. Samuel 25,6-8)

David und seine Männer hatten Nabals Hirten und Herden wie eine Schutzmauer umgeben. Nun baten sie diesen reichen Mann, ihnen für die ihm geleisteten wertvollen Dienste etwas von seinem Überfluss für ihren Lebensunterhalt abzugeben. David hätte sich mit seinen Kriegern an den Herden schadlos halten können, doch sie verhielten sich anständig. Nabal hingegen nahm davon keine Notiz. Die Antwort, die er David geben ließ, war für seinen Charakter bezeichnend: "Wer ist David? Und wer ist der Sohn Isais? Es gibt jetzt viele Knechte, die ihren Herren davongelaufen sind. Sollte ich mein Brot und mein Wasser und mein Fleisch, das ich für meine Scherer geschlachtet habe, nehmen und Leuten geben, von denen ich nicht weiß, wo sie her sind?" (1. Samuel 25,10.11)

Als die jungen Leute mit leeren Händen zurückkamen und David Bericht erstatteten, war er entrüstet. David befahl seinen Männern, sich für eine Konfrontation zu rüsten. Er war entschlossen, den Mann zu bestrafen, der ihm das vorenthalten hatte, was ihm zustand. Darüber hinaus hatte er ihn noch beleidigt. Dieses unbesonnenen Vorgehen passte eher zu Sauls als zu Davids Wesen, doch der Sohn Isais würde durch Zeiten der Not noch viel Geduld lernen müssen.

Nachdem Davids Boten abgewiesen worden waren, eilte einer von Nabals Knechten zu dessen Frau Abigail und berichtete ihr den Vorfall: "David hat Boten aus der Wüste geschickt, die unseren Herrn grüßen sollten, aber er hat sie beschimpft. Dabei waren die Männer sehr gut zu uns und haben uns nie etwas getan. Während der ganzen Zeit, in der wir auf den Feldern umherzogen, wurde uns nie etwas gestohlen. Tag und Nacht waren sie für uns und die Schafe wie eine schützende Mauer, solange wir die Herden in ihrer Nähe weideten. Überleg doch, was du tun kannst, denn unser Herr und sein ganzes Haus stürzen sonst ins Unglück." (1. Samuel 25,14-17 NLB)

Ohne ihrem Mann etwas zu sagen oder mit ihm über ihre Absicht zu sprechen, machte Abigail einen reichlichen Vorrat an Lebensmitteln zurecht und schickte ihn, auf mehrere Esel geladen, unter der Obhut von Knechten voraus. Dann machte sie sich selbst auf, um Davids Schar zu begegnen. Sie fand sie im Schutz eines Hügels. "Als Abigail David sah, stieg sie rasch von ihrem Esel und verbeugte sich tief vor ihm. Sie warf sich ihm zu Füßen und sagte: ›Mich trifft alle Schuld in dieser Sache, mein Herr. Bitte, lass mich mit dir reden und hör dir an, was ich zu sagen habe.‹" (1. Samuel 25,23.24 NLB) Abigail redete David mit so viel Ehrerbietung an, als spräche sie zu einem gekrönten Monarchen. Nabal hatte höhnisch gerufen: "Wer ist David?", Abigail hingegen nannte ihn "mein Herr". Mit freundlichen Worten versuchte sie, seine Verbitterung zu besänftigen und ihren Mann zu entschuldigen. Ohne viel Aufhebens zu machen und frei von aller Überheblichkeit, aber erfüllt von Gottes Weisheit und Liebe zeigte Abigail große Loyalität gegenüber ihrer Familie. Sie machte David klar, dass das unfreundliche Verhalten ihres Mannes keinesfalls als vorsätzliche persönliche Beleidigung aufzufassen sei, sondern lediglich als Gefühlsausbruch eines unzufriedenen und eigennützigen Menschen.

"Nun, mein Herr, so wahr der Herr lebt und du selbst auch, der Herr hat dich vom Mord abgehalten und dich daran gehindert, dich selbst zu rächen. So sollen alle deine Feinde und alle, die dir schaden wollen, bestraft werden wie Nabal." (1. Samuel 25,26 NLB) Abigail rühmte sich nicht, David durch ihre Argumentation von seinem übereilten Vorhaben abgebracht zu haben, sondern gab Gott die Ehre und lobte ihn. Dann bot sie Davids Leuten ihre reichlichen Vorräte als Friedensgabe an und entschuldigte sich erneut, als ob sie selbst den Unwillen des Anführers heraufbeschworen hätte.

"Vergib deiner Magd die Anmaßung!", bat sie. "Der Herr wird meinem Herrn ein beständiges Haus bauen, denn du führst des Herrn Kriege. Es möge nichts Böses an dir gefunden werden dein Leben lang." (1. Samuel 25,28) Abigail wies David indirekt auf den Weg hin, den er gehen sollte: Er solle die Kriege des Herrn führen und sich nicht für persönlich erlittenes Unrecht zu rächen suchen, selbst wenn er als Verräter verfolgt würde. Sie fuhr fort: "Selbst wenn du verfolgt wirst und dich jemand umbringen will, wird der Herr, dein Gott, sich um dich sorgen und dein Leben beschützen! ... Wenn der Herr alle seine Zusagen erfüllt und dich zum Herrscher über Israel gemacht hat, wird dein Gewissen unbelastet sein, weil du nicht sinnlos Blut vergossen und dich eigenmächtig gerächt hast. Und wenn der Herr dies alles für dich getan hat, dann denke an mich!" (1. Samuel 25,29-31 NLB)

So konnte nur jemand sprechen, der an der Weisheit des Himmels Anteil hatte. Dem Duft einer Blüte gleich, der natürlich und unbewusst ausströmt, zeigte sich Abigails Glaube in ihrem Antlitz, ihren Worten und Taten. In ihr wohnte der Geist des Sohnes Gottes. Ihre Rede war mit Anmut gewürzt, voller Güte und Friedfertigkeit, und zeugte von einem himmlischen Einfluss. In David kamen nun freundlichere Empfindungen auf, und er erschrak beim Gedanken an die Folgen, die sein vorschnelles Handeln hätte haben können. "Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen." (Matthäus 5,9 Hfa) Gäbe es doch mehr solche Frauen wie diese Israelitin, die aufgebrachte Gefühle besänftigen, voreilige Entschlüsse verhindern und großes Unheil mit ruhigen, gezielten und weisen Worten verhüten!

Ein geheiligtes christliches Leben verbreitet immer Licht, Trost und Frieden. Es ist von Lauterkeit, Taktgefühl, Einfachheit und Hilfsbereitschaft geprägt. Es wird von jener selbstlosen Liebe geleitet, die den Einfluss des Menschen heiligt. Jeder Mensch, der ein von Christus erfülltes Leben führt, hinterlässt leuchtende Spuren, wo auch immer er hingeht. Abigail zeigte Weisheit, als sie tadelte und guten Rat erteilte. Unter der Macht ihres Einflusses und ihrer Vernunft schwand Davids Wut. Er sah ein, dass er im Begriff gewesen war, etwas Törichtes zu tun, und dass er seine Selbstbeherrschung verloren hatte.

Demütig nahm er die Zurechtweisung an und handelte damit nach seinen eigenen Worten: "Nur wer das Rechte tut, darf mich strafen. Wenn er mich in Güte zurechtweist, dann ist das eine Wohltat, gegen die ich mich nicht sträube." (Psalm 141,5 GNB) Er dankte Abigail und segnete sie, weil sie ihn recht beraten hatte. Viele halten es schon für lobenswert, Vorwürfe hinzunehmen, ohne ungeduldig zu werden. Aber nur wenige vermögen Tadel mit echtem Dank wegzustecken und jene gar zu segnen, die sie vor dem Weg des Unrechts bewahren wollen.

Als Abigail heimkehrte, fand sie Nabal und seine Gäste bei einem großen Fest, das zu einem Trinkgelage ausgeartet war. Darum berichtete sie ihrem Mann erst am nächsten Morgen von der Unterredung mit David. Nabal war im Grunde genommen ein Feigling und als er sah, dass ihm seine Torheit ganz unverhofft beinahe das Leben gekostet hätte, war er wie gelähmt. Die Angst, dass David weiterhin auf Rache aus sein könnte, erfüllte ihn mit solchem Entsetzen, dass er völlig hilf- und gefühllos niedersank. Nach zehn Tagen starb er. Das Leben, das Gott ihm geschenkt hatte, war für seine Umgebung nur ein Fluch gewesen. Mitten in seinem Jubeln und Feiern hatte Gott ihn angesprochen, so wie den reichen Bauern im Gleichnis von Jesus: "Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern." (Lukas 12,20)

Nach diesen Ereignissen heiratete David Abigail. Zwar hatte er bereits eine Frau, aber die Sitten der Völker seiner Zeit hatten sein Urteilsvermögen getrübt und beeinflussten sein Handeln. Selbst bedeutende und gute Menschen sind auf Abwege geraten, wenn sie den Gepflogenheiten der Welt folgten. David bekam die bitteren Konsequenzen der Heirat mehrerer Frauen sein Leben lang schmerzlich zu spüren.

David Verschont Saul Ein Zweites Mal

Nach Samuels Tod wurde David für einige Monate in Ruhe gelassen. Erneut zog er sich in die Einsamkeit ins Gebiet der Sifiter zurück. Aber sie waren ihm feindlich gesinnt. In der Hoffnung, sich die Gunst des Königs zu sichern, verrieten sie Saul Davids Versteck. Diese Nachricht rief die teuflische Leidenschaft Sauls wieder wach, die in seiner Seele schlummerte. Erneut bot er seine bewaffneten Männer auf und und führte sie hinaus, um David zu verfolgen. Doch freundlich gesinnte Späher meldeten David, dass Saul ihm schon wieder auf den Fersen sei. Mit einigen seiner Männer zog David aus, um den Standort seines Feindes ausfindig zu machen. Es war Nacht, als sie vorsichtig vorrückten und auf den Lagerplatz stießen. Sie sahen vor sich die Zelte des Königs und seines Gefolges. Niemand bemerkte sie, denn alles lag in tiefem Schlaf. Als David seine Gefolgsleute aufforderte, mit ihm mitten unter die Feinde zu gehen, und fragte: "Wer will mit mir hinab zu Saul ins Lager?", da antwortete Abischai sofort: "Ich will mit dir hinab." (1. Samuel 26,6)

Im dunklen Schatten der Berge betraten David und sein Begleiter das feindliche Lager. Als sie sich über die genaue Anzahl ihrer Feinde Klarheit zu verschaffen suchten, stießen sie auf den schlafenden Saul. Sein Speer steckte in der Erde, ein Krug mit Wasser stand neben seinem Kopf. Neben ihm lag Abner, sein Feldhauptmann, und um sie her lagen die Krieger, in tiefen Schlaf versunken. Abischai hob seinen Spieß und flüsterte David zu: "›Heute hat Gott dir deinen Feind ausgeliefert! ... Lass mich ihn mit diesem Speer durchbohren. Ich spieße ihn an den Boden. Ein einziger Stoß genügt; ich werde nicht ein zweites Mal zustechen müssen!‹ Er wartete auf die Erlaubnis. Doch er hörte nur die geflüsterten Worte Davids: ›Nein! Töte ihn nicht. Denn wer kann ungestraft bleiben, wenn er den Gesalbten des Herrn angegriffen hat? So wahr der Herr lebt, eines Tages wird er Sauls Leben beenden: Entweder stirbt er eines natürlichen Todes oder er wird in der Schlacht fallen. Aber der Herr bewahre mich davor, seinem Gesalbten etwas anzutun! Doch nimm jetzt den Speer dort neben seinem Kopf und den Wasserkrug und dann weg von hier!‹ David nahm den Speer und den Wasserkrug neben Sauls Kopf an sich. Dann entkamen er und Abischai, ohne von jemandem gesehen zu werden und ohne auch nur jemanden aufzuwecken, denn der Herr hatte Sauls Männer in tiefen Schlaf fallen lassen." (1. Samuel 26,8-12 NLB) Es ist dem Herrn ein Leichtes, den Stärksten schwach zu machen, dem Weisesten die Umsicht zu nehmen und den Aufmerksamsten trotz all seines Geschicks zu verwirren.

Als David in sicherer Entfernung des Lagers auf dem Gipfel eines Hügels stand, rief er Abner und den Leuten mit lauter Stimme zu: "Du bist doch ein Mann, nicht wahr, Abner ... Wo in ganz Israel gibt es einen, der so ist wie du? Warum hast du deinen Herrn, den König, nicht bewacht, als jemand aus dem Volk kam, um ihn zu töten? Das war wirklich nicht gut! So wahr der Herr lebt, ihr alle habt den Tod verdient, weil ihr euren Herrn, den Gesalbten des Herrn, nicht beschützt habt! Sieh dich um! Wo ist der Speer des Königs und wo der Wasserkrug, der sich neben seinem Kopf befand?"

"Saul erkannte Davids Stimme und rief: ›Bist du es, mein Sohn David?‹ David antwortete: ›Ja, mein Herr und König. Warum verfolgst du mich? Was habe ich getan? Worin besteht mein Verbrechen? Doch nun hör mich an, mein Herr und König.‹" (1. Samuel 26,15-19 NLB) Wieder musste der König zugeben: "Ich habe gesündigt. Komm zurück nach Hause, mein Sohn. Ich will dir nie mehr etwas Böses antun, denn du hast heute mein Leben hoch geachtet. Ich war ein Narr und habe großes Unrecht begangen." "Hier ist der Speer des Königs", antwortete David. "Einer von den jungen Männern soll kommen und ihn holen." (1. Samuel 26,21.22 NLB) Obwohl Saul versprochen hatte: "Ich will dir nie mehr etwas Böses antun", begab sich David nicht in seinen Machtbereich.

Dass David dem Leben seines Herrschers zum zweiten Mal solchen Respekt zollte, beeindruckte Saul noch tiefer und führte ihn zu einem noch demütigeren Schuldbekenntnis. Das ihm entgegengebrachte Wohlwollen erstaunte und überwältigte ihn. Als er von David schied, rief er aus: "Gesegnet seist du, mein Sohn David. In allem, was du tust, wirst du erfolgreich sein." (1. Samuel 26,25) Aber der Sohn Isais machte sich keine Hoffnung, dass dieser Gemütszustand des Königs lange anhalten würde.

Davids Unweise Flucht Zu Den Philistern

David hatte die Hoffnung auf eine Versöhnung mit Saul aufgegeben. Es schien unvermeidlich, dass er schließlich doch der Bosheit des Königs zum Opfer fallen würde, und so beschloss er, erneut im Land der Philister Zuflucht zu suchen. Mit seiner 600 Mann starken Truppe lief er zu Achisch, dem König von Gat, über.

Ohne den Rat Gottes zu suchen, zog David die Schlussfolgerung, dass Saul seine mörderische Absicht eines Tages doch noch ausführen werde. Doch selbst als Saul Ränke schmiedete und seinen Mordplan zu verwirklichen suchte, war der Herr am Werk, um David das Königreich zu sichern. Gott führt seine Pläne aus, auch wenn sie dem menschlichen Auge geheimnisvoll verhüllt sind. Menschen können Gottes Wege nicht verstehen. Solange sie nur die äußere Erscheinungsform betrachten, deuten sie die von Gott zugelassenen Versuchungen, Prüfungen und Schicksalsschläge nur als Widrigkeiten, die sie zugrunde richten. So achtete auch David nur auf den äußeren Schein und nicht auf Gottes Verheißungen. Er bezweifelte, dass er jemals den Thron besteigen werde. Lang andauernde Anfechtungen hatten seinen Glauben zermürbt und seine Geduld erschöpft.

Es war nicht der Herr, der David zu den Philistern, den erbittertsten Feinden Israels, sandte, um dort Schutz zu finden. Gerade sie zählten bis zuletzt zu Israels schlimmsten Gegnern. Und doch floh David in der Not zu ihnen, um sich von ihnen helfen zu lassen. Nachdem er alles Vertrauen zu Saul und denen, die ihm dienten, verloren hatte, lieferte er sich lieber der Gnade der Feinde seines Volkes aus. David war ein mutiger Feldherr und hatte sich als kluger, erfolgreicher Kriegsmann erwiesen. Aber indem er zu den Philistern ging, schadete er sich selbst. Gott hatte ihn dazu berufen, sein Banner im Land Juda aufzurichten. Es war ein Mangel an Glauben, der David dazu verleitete, den ihm zugewiesenen Platz ohne einen Befehl des Herrn zu verlassen.

Durch Davids Unglauben wurde Gott entehrt. Die Philister hatten sich vor David mehr gefürchtet als vor Saul und dessen Streitkräften. Als sich David jetzt unter ihren Schutz stellte, machte er sie selbst auf die Schwäche seines eigenen Volkes aufmerksam. Damit bestärkte er diese erbarmungslosen Feinde nur noch, Israel zu unterdrücken. David war gesalbt worden, um Gottes Volk zu verteidigen. Der Herr will auf keinen Fall, dass seine Diener die Gottlosen ermutigen, indem sie ihnen die Schwächen seines Volkes enthüllen oder den Anschein erwecken, als sei ihnen dessen Wohl gleichgültig. Außerdem mussten Davids Brüder den Eindruck gewinnen, er sei zu den Heiden übergelaufen und diene nun deren Göttern. Er gab ihnen Anlass, seine Beweggründe falsch auszulegen. Viele wurden dazu verleitet, ein Vorurteil gegen ihn zu hegen. Er ließ sich zu dem verführen, wozu Satan ihn bringen wollte, denn als er bei den Philistern Zuflucht suchte, löste das bei den Feinden Gottes und seines Volkes großen Jubel aus. David gab seine Anbetung Jahwes nicht auf. Er beendete nicht seine Hingabe an die Sache Gottes, aber er vertraute nicht mehr darauf, dass Gott für seine eigene Sicherheit sorgen werde. Dies befleckte den aufrichtigen und treuen Charakter, den Gott von seinen Dienern erwartet.

Der König der Philister nahm David sehr freundlich auf. Dieser wohlwollende Empfang war zum einen der Tatsache zu verdanken, dass der König ihn bewunderte, und zum anderen dem Umstand, dass es dessen Eitelkeit schmeichelte, weil ein Israelit bei ihm Schutz suchte. Im Herrschaftsgebiet des Königs Achisch fühlte sich David vor Verrat sicher. Deshalb brachte er seine Familie, seinen Haushalt und seinen ganzen Besitz mit dorthin. Das Gleiche taten seine Männer. Es schien, als wollte er sich auf Dauer im Land der Philister niederlassen. Achisch freute sich darüber und versprach, die israelitischen Flüchtlinge zu beschützen.

Davids Feldzüge Von Ziklag Aus

Als David um einen Wohnsitz auf dem Land bat, weit weg von der Hauptstadt, gab ihm der König den Ort Ziklag zum Besitz. David erkannte, dass der Einfluss der Götzendiener für ihn und seine Männer eine Gefahr darstellte. In einer Stadt, die ihnen allein überlassen blieb, konnten sie Gott freier anbeten als in Gat, wo heidnische Bräuche nur eine Quelle des Übels und des Ärgernisses waren.

Solange David in dieser abgelegenen Gegend lebte, führte er Krieg gegen die Geschuriter, Girsiter und Amalekiter und ließ keinen am Leben, der Nachricht davon nach Gat hätte bringen können. Wenn er vom Kampf zurückkehrte, tat er Achisch gegenüber so, als hätte er gegen sein eigenes Volk, die Einwohner Judas gekämpft. Mit dieser Täuschung trug er dazu bei, die Hände der Philister zu stärken. Denn der König sagte: "Inzwischen muss das Volk Israel ihn hassen. Jetzt muss er hier bleiben und mir für immer dienen." (1. Samuel 27,12. NLB) David wusste, dass diese heidnischen Stämme nach Gottes Willen vernichtet werden sollten und er für diese Aufgabe auserwählt war. Doch solange er mit Täuschungsmanövern arbeitete, handelte er nicht nach Gottes Ratschluss.

David Gerät In Eine Zwickmühle

"Etwa um diese Zeit rüsteten die Philister zu einem neuen Krieg gegen Israel. König Achisch sagte zu David: "Ich erwarte, dass du und deine Männer mit mir in die Schlacht ziehen." (1. Samuel 28,1 NLB) David hatte nicht die Absicht, die Hand gegen sein eigenes Volk zu erheben. Aber er wusste auch nicht recht, wie er sich verhalten sollte, solange ihm nicht konkrete Umstände seine Pflicht deutlich machten. Darum antwortete er dem König ausweichend: "Du sollst erfahren, was dein Knecht tun wird." (1. Samuel 28,2a) Achisch verstand diese Worte als Beistandsverpflichtung für den bevorstehenden Krieg und gab David seinerseits das Versprechen, ihm unter großen Ehrungen die hohe Stellung eines Leibwächters an seinem Hof zu übertragen.

Auch wenn Davids Glaube an Gottes Verheißungen ziemlich ins Wanken geraten war, erinnerte er sich immer noch daran, dass Samuel ihn zum König Israels gesalbt hatte. Er erinnerte sich an die Siege, die Gott ihm über seine Feinde geschenkt hatte, und dachte an Gottes große Gnade, die ihn vor Saul beschützt hatte. Er beschloss, dem König Israels gegenüber keinen Treuebruch zu begehen. Obwohl dieser ihm nach dem Leben trachtete, wollte er sich nicht mit seinen Streitkräften den Gegnern seines Volkes anschließen.