Wie Alles Begann

Kapitel 66

Sauls Untergang

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1. Samuel 28 und 31.

Wieder einmal kam es zum Krieg zwischen Israel und den Philistern. Als sie "herankamen und sich lagerten bei Schunem" (1. Samuel 28,4) am Nordrand der Ebene Jesreel, bezog Saul mit seinen Streitkräften nur wenige Kilometer davon entfernt sein Lager, und zwar am Fuß des Gebirges Gilboa, das am Südrand der Ebene liegt. Hier hatte Gideon mit nur 300 Mann das ganze Heer der Midianiter in die Flucht geschlagen. Aber die damaligen Befreier Israels waren von einem ganz anderen Geist beseelt, als derjenige, der nun das Herz des Königs bewegte. Gideon zog aus, stark im Glauben an den mächtigen Gott Jakobs. Saul hingegen fühlte sich hilflos und allein, weil Gott ihn verlassen hatte. Als er zum Heer der Philister hinübersah, "erschrak er und wurde ganz verzagt." (1. Samuel 28,5 GNB)

Saul hatte erfahren, dass David mit seinen Leuten bei den Philistern lebte, und rechnete stark damit, dass Isais Sohn die Gelegenheit wahrnehmen werde, sich für das erlittene Unrecht zu rächen. Der König war in großer Sorge. Seine eigene unvernünftige Leidenschaft hatte ihn dazu angestachelt, den Erwählten Gottes vernichten zu wollen. Damit hatte er auch das ganze Volk in große Gefahr gebracht. Während seine ganze Aufmerksamkeit auf die Verfolgung Davids gerichtet war, hatte er die Verteidigung seines Reiches vernachlässigt. Diesen schutzlosen Zustand hatten die Philister ausgenützt und waren bis ins Herz des Landes vorgedrungen. Während Satan Saul dazu gedrängt hatte, David mit allen Kräften zu verfolgen und zu vernichten, hatte derselbe böse Geist die Philister angeregt, ihre Chance zu nutzen, um Saul zugrunde zu richten und das Volk Gottes zu unterwerfen. Wie oft bedient sich der Erzfeind bis heute noch derselben Methoden! Er bewegt ungeheiligte Menschen dazu, in der Gemeinde Eifersucht und Rivalität zu schüren und nutzt dann die Situation der Spaltung unter den Gläubigen aus, um sie durch seine Helfershelfer zugrunde zu richten.

Gott Antwortet Saul Nicht Mehr

Am nächsten Morgen sollte Saul zum Kampf gegen die Philister antreten. Immer dunkler zogen sich die Schatten des drohenden Untergangs über ihm zusammen. Ihn verlangte nach Hilfe und Weisung. Doch vergeblich suchte er Rat bei Gott. "Der Herr antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durch das Los ›Licht‹34 noch durch Propheten." (1. Samuel 28,6) Niemals hat der Herr einen Menschen abgewiesen, der aufrichtig und demütig zu ihm kam. Weshalb wies er Saul ohne Antwort ab?

Der König hatte durch sein eigenes Verhalten die Gunst verwirkt, Gott auf irgendeine Weise zu befragen. Er hatte den Rat des Propheten Samuel verworfen, David, den Erwählten Gottes, in die Fremde getrieben und die Priester des Herrn erschlagen. Konnte er jetzt eine Antwort von Gott erwarten, nachdem er selbst alle Verbindungen, die der Himmel vorgesehen hatte, abgebrochen hatte? Er hatte durch seine Sünden den Geist der Gnade vertrieben - wie konnte er da eine Antwort vom Herrn durch Träume oder Offenbarungen erwarten? Saul wandte sich nicht in demütiger Reue zu Gott. Was er suchte, war nicht Vergebung seiner Sünden und Versöhnung mit Gott, sondern Errettung von seinen Feinden. Durch seine Halsstarrigkeit und Rebellion hatte er sich selbst von Gott getrennt. Eine Umkehr konnte es nur über den Weg der Reue und Bußfertigkeit geben. Aber in seiner Qual und Verzweiflung entschloss sich der stolze Monarch, Hilfe bei einer anderen Quelle zu suchen.

"Sucht eine Frau, die die Geister der Toten herbeirufen kann. Ich will sie fragen, was ich tun soll." (1. Samuel 28,7 NLB) Saul wusste genau, was Totenbeschwörung bedeutete. Der Herr hatte sie ausdrücklich verboten. Allen, die diese unheilige Kunst ausübten, galt das Todesurteil (vgl. 3. Mose 20,6.27). Zu Samuels Lebzeiten hatte Saul befohlen, "alle Totenbeschwörer und Wahrsager im Land" auszurotten (1. Samuel 28,3b GNB). Doch in seiner großen Verzweiflung nahm er hastig Zuflucht zu jenem Orakel, das er früher als einen Gräuel verdammt hatte.

Man berichtete dem König, dass eine Frau mit einem Wahrsagegeist heimlich in En-Dor lebe. Diese Frau hatte einen Bund mit Satan geschlossen und sich seiner Herrschaft ausgeliefert, um seine Absichten auszuführen. Im Gegenzug wirkte der Fürst des Bösen Wunder für sie und offenbarte ihr geheime Dinge.

Verkleidet machte sich Saul mit nur zwei Begleitern nachts auf den Weg zum Schlupfwinkel der Geisterbeschwörerin. Was für ein erbärmlicher Anblick: der König Israels, ein Gefangener satanischer Willkür! Wie düster werden die eigenen Wege, wenn man sich dem heiligen Einfluss des Geistes Gottes beharrlich widersetzt! Gibt es eine Gebundenheit, die schrecklicher ist als diejenige, die einen Menschen unter die Kontrolle des schlimmsten aller Tyrannen zwingt, nämlich unter das eigene Ich? Nur unter den Bedingungen, dass er Gott vertraute und seinem Willen gehorchte, konnte Saul König von Israel sein. Hätte er sich während seiner ganzen Regierungszeit an diese Bedingungen gehalten, wäre sein Königtum erhalten geblieben, und Gott, der Allmächtige, wäre sein Führer und sein Schild gewesen. Er hatte Saul lange in Geduld getragen. Obgleich dessen Rebellion und Widerspenstigkeit die göttliche Stimme in seinem Innern fast zum Schweigen gebracht hatte, war immer noch Gelegenheit zur Umkehr. Als sich Saul aber in der Gefahr von Gott abwandte und Erleuchtung bei einer Verbündeten Satans suchte, hatte er das letzte Band zwischen sich und seinem Schöpfer durchtrennt. Damit unterstellte er sich völlig jener Teufelsmacht, die seit Jahren Gewalt über ihn ausübte und ihn an den Rand des Verderbens gebracht hatte.

Saul Wendet Sich An Eine Geisterbeschwörerin

Im Schutz der Dunkelheit durchquerten Saul und seine Begleiter die Ebene, stahlen sich am Heer der Philister vorbei, überquerten den Bergsattel und erreichten das abgelegene Heim der Hexe von En-Dor. Hier hatte sich diese Frau, die einen Wahrsagegeist hatte, schon lange verborgen gehalten, um heimlich ihre frevelhaften Beschwörungen fortzuführen. Trotz der Verkleidung erkannte sie sofort an der hohen Gestalt und der königlichen Haltung, dass sie keinen gewöhnlichen Krieger vor sich hatte. Sie vermutete, ihr Besucher könnte Saul sein. Die großen Geschenke bestärkten sie in ihrem Verdacht. Er bat sie: "Wahrsage mir, weil du Geister beschwören kannst, und hole mir herauf, wen ich dir nenne.‹ Die Frau sprach zu ihm: ›Siehe, du weißt doch selbst, was Saul getan hat, wie er die Geisterbeschwörer und Zeichendeuter ausgerottet hat im Lande; warum willst du mir denn eine Falle stellen, dass ich getötet werde?‹ Saul aber schwor ihr bei dem Herrn und sprach: ›So wahr der Herr lebt: Es soll dich in dieser Sache keine Schuld treffen.‹ Da sprach die Frau: ›Wen soll ich dir denn heraufholen?‹ Er sprach: ›Hol mir Samuel herauf!‹" (1. Samuel 28,8-11)

Nachem sie ihre Beschwörungsformeln gemurmelt hatte, sagte sie: "›Ich sehe einen Geist aus der Erde heraufsteigen ... Es ist ein alter Mann ... er trägt einen Prophetenmantel.‹ Daran erkannte Saul, dass es Samuel war. Er warf sich vor ihm nieder, das Gesicht zur Erde." (1. Samuel 28,13.14 GNB)

Es war aber nicht Gottes heiliger Prophet, der auf die Worte einer Geisterbeschwörerin hin erschien. Samuel befand sich nicht am Ort der bösen Geister. Diese übernatürliche Erscheinung wurde einzig und allein durch Satans Macht hervorgebracht. Er konnte genauso gut Samuels Gestalt annehmen wie die eines Engels des Lichtes, so wie er es tat, als er Christus in der Wüste versuchte.

Die ersten Worte der Frau, die sie unter dem Bann ihrer Beschwörung an den König gerichtet hatte, waren: "Warum hast du mich hintergangen? Du bist ja Saul!" (1. Samuel 28,12 GNB) Also war die erste Tat dieses bösen Geistes, der den Propheten darstellte, ein geheimer Hinweis an diese böse Frau, dass sie getäuscht worden war. Die Botschaft des vorgeblichen Propheten an Saul hieß: "›Warum hast du meine Ruhe gestört und mich heraufkommen lassen?^ ... Saul antwortete: ›Ich bin in Todesängsten. Die Philister sind gegen mich aufmarschiert und Gott hat mich verlassen. Er gibt mir keine Antwort mehr, weder durch Propheten noch durch Träume. Darum habe ich dich rufen lassen. Sag mir, was ich tun soll!‹" (1. Samuel 28,15 GNB)

Zu Lebzeiten Samuels hatte Saul den Rat des Propheten verschmäht und ihm seine Zurechtweisungen übel genommen. Aber nun, in der Stunde seiner Verzweiflung und seines Unheils, hielt er die Führung durch den Propheten für seine einzige Hoffnung. Um mit dem Gesandten des Himmels in Verbindung zu treten, suchte Saul vergeblich Hilfe bei der Botin der Hölle! Saul hatte sich vollständig der Macht Satans ausgeliefert, dessen einziges Vergnügen darin besteht, Elend und Zerstörung herbeizuführen. Er nutzte seinen Vorteil, um den unglücklichen König vollends zugrunde zu richten. Als Antwort auf Sauls angstvolle Bitte kam - angeblich aus Samuels Mund - die schreckliche Auskunft: "Wozu musst du mich noch fragen? Du siehst doch: Der Herr hat sich von dir abgewandt und ist dein Feind geworden. Er führt jetzt aus, was er durch mich angekündigt hat: Er nimmt dir das Königtum und gibt es David. Der Herr befahl dir, sein Vernichtungsurteil an den Amalekitern zu vollstrecken. Weil du ihm nicht gehorcht hast, verfährt er jetzt so mit dir. Er wird dich und das Heer Israels in die Hand der Philister geben." (1. Samuel 28,16-19 GNB)

Während der ganzen Zeit seiner Rebellion, war Saul von Satan umschmeichelt und getäuscht worden. Es ist das Werk des Versuchers, die Sünde zu verharmlosen, Übertretungen angenehm und verlockend erscheinen zu lassen und den Verstand für die Warnungen und Drohungen Gottes blind zu machen. Mit seiner betörenden Macht hatte Satan Saul dazu gebracht, sich selbst - ungeachtet der Zurechtweisungen und Warnungen Samuels -, immer wieder zu rechtfertigen. Aber jetzt, in der äußersten Not, wandte sich Satan gegen ihn und hielt ihm das ungeheure Ausmaß seiner Sünde und die Aussichtslosigkeit auf Vergebung vor, um ihn zur Verzweiflung zu treiben. Nichts war geeigneter, um ihm den Mut zu rauben, sein Urteilsvermögen zu trüben und ihn in Verzweiflung und Selbstzerstörung zu stürzen.

Saul war vor Müdigkeit und Hunger erschöpft, er hatte Angst, und sein Gewissen quälte ihn. Als er nun die furchtbare Ankündigung hörte, wankte er wie eine Eiche im Sturm und stürzte zu Boden.

Die Geisterbeschwörerin erschrak. Der König Israels lag vor ihr wie ein Toter. Welche Folgen würde es für sie haben, sollte er in ihrem Versteck sterben? Sie flehte ihn an, aufzustehen und etwas zu essen. Sie drängte ihn, für die Erhaltung seines Lebens zu sorgen, nachdem sie seinem Wunsch nachgegeben und dadurch ihr eigenes Leben gefährdet hatte. Als seine Diener ihre Bitten unterstützten, gab Saul schließlich nach. Die Frau setzte ihm Fleisch von einem gemästeten Kalb und ungesäuertes Brot vor, das sie schnell zubereitet hatte. Was für ein Bild! In der verlassenen Höhle der Geisterbeschwörerin, in der kurz zuvor in Anwesenheit von Satans Boten schicksalshafte Worte über den von Gott gesalbten König Israels ausgesprochen worden waren, setzte sich Saul zum Essen nieder, um sich auf den todbringenden Kampf des folgenden Tages vorzubereiten.

Das Ende Sauls Und Seiner Söhne

Noch vor Tagesanbruch kehrte Saul mit seinen Begleitern ins israelitische Lager zurück, um sich für den Kampf bereit zu machen. Er hatte sich durch die Befragung des Geistes der Finsternis selbst zugrunde gerichtet. Von Verzweiflung niedergedrückt, war er nicht fähig, seinem Heer Mut zuzusprechen. Von der himmlischen Kraftquelle getrennt, konnte er die Gedanken der Israeliten nicht auf Gott als ihren Helfer lenken. Auf diese Weise bewirkte die Voraussage des Bösen ihre eigene Erfüllung.

In der Ebene von Schunem und an den Hängen des Gebirges Gilboa stießen die Heere Israels und der Philister zu einer tödlichen Begegnung aufeinander. Obwohl ihm das schreckliche Erlebnis in der Höhle von En-Dor alle Hoffnung genommen hatte, kämpfte Saul mit dem Mut der Verzweiflung um seinen Thron und sein Reich. Doch es war vergeblich! "Die Männer Israels flohen vor den Philistern und blieben erschlagen liegen auf dem Gebirge Gilboa." (1. Samuel 31,1) Drei tapfere Söhne des Königs starben an seiner Seite. Bogenschützen drangen auf ihn ein. Er hatte seine Krieger um sich herum fallen und seine Söhne durchs Schwert sterben sehen. Selbst verwundet, konnte er weder kämpfen noch fliehen. Es gab kein Entrinnen mehr. Aber lebend wollte er den Philistern nicht in die Hände fallen. Darum befahl er seinem Waffenträger: "Zieh dein Schwert und erstich mich damit." (1. Samuel 31,4) Als sich der Mann weigerte, die Hand gegen den Gesalbten des Herrn zu erheben, stürzte sich Saul selbst in sein Schwert und starb von eigener Hand.

So starb der erste König von Israel, belastet mit der Schuld eines Selbstmordes. Es war ein verfehltes Leben gewesen. Saul ging in Schande und Verzweiflung zugrunde, weil er seinen Eigensinn beharrlich dem Willen Gottes entgegengesetzt hatte.

Die Nachricht von der Niederlage sprach sich schnell herum und verbreitete bei allen Israeliten Angst und Schrecken. Sie flohen aus den Städten, von denen die Philister unbehelligt Besitz ergriffen. Sauls Regierung, unabhängig von Gott geführt, hatte sein Volk an den Rand des Untergangs gebracht.

Am Tag nach dem Gefecht suchten die Philister den Kampfplatz ab, beraubten die Erschlagenen und fanden die Leichname Sauls und seiner drei Söhne. Um ihren Triumph zu krönen, schlugen sie Saul den Kopf ab und zogen ihm die Rüstung aus. Dann schickten sie Kopf und Panzer, noch voller Blut, als Siegestrophäe in ihr Land "und ließen die Siegesnachricht in den Tempeln ihrer Götzen und beim ganzen Volk verkünden". Die Rüstung landete schließlich "im Tempel der Astarte" und das Haupt wurde im Dagon-Tempel aufgehängt (1. Samuel 31,9.10 NLB). Somit schrieben sie ihren Siegesruhm diesen falschen Göttern zu, und der Name Jahwes wurde entehrt.

Die Leichname von Saul und seinen Söhnen wurden nach Bet-Schean geschleift, einer Stadt nicht weit von Gilboa entfernt, in der Nähe des Jordan. Hier wurden sie an Ketten aufgehängt, um sie den Raubvögeln zum Fraß zu überlassen. Aber tapfere Männer aus Jabesch in Gilead erinnerten sich an die Rettung ihrer Stadt durch Saul in seinen früheren, glücklicheren Jahren. Sie zeigten ihre Dankbarkeit dadurch, dass sie die Leichname des Königs und der Prinzen bargen und ihnen ein ehrenvolles Begräbnis gaben. In der Nacht setzten sie über den Jordan, "holten die Leichen Sauls und seiner Söhne von der Mauer herunter. Sie brachten sie nach Jabesch und verbrannten sie dort. Dann nahmen sie ihre Gebeine, begruben sie unter der Tamariske in Jabesch und fasteten sieben Tage lang." (1. Samuel 31,12.13 NLB) So wirkte die edle Tat nach, die 40 Jahre zuvor geschehen war. Liebevolle und barmherzige Hände bereiteten Saul und seinen Söhnen in jener dunklen Stunde der Niederlage und Schmach eine Ruhestätte.