Wie Alles Begann

Kapitel 69

Davids Thronbesteigung

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2. Samuel 2,1 bis 5,5.

Mit Sauls Tod wurde die Gefahr, die David zum Flüchtling gemacht hatte, beseitigt. Nun war der Weg frei für die Rückkehr in sein eigenes Land. Als die Tage der Trauer um Saul und Jonatan vorüber waren, "fragte David den Herrn: ›Soll ich in eine der Städte Judas zurückgehen?‹ Und der Herr antwortete: ›Ja.‹ Daraufhin fragte David: ›Wohin soll ich gehen?‹ Und der Herr antwortete: ›Nach Hebron.‹" (2. Samuel 2,1 NLB)

Hebron lag gut 30 Kilometer nordöstlich von Ziklag, auf halbem Weg zur späteren Residenzstadt Jerusalem. Hebron hatte ursprünglich Kirjat-Arba geheißen - die Stadt Arbas, des Vaters von Anak. Später nannte man es Mamre, wo die Grabstätte der Patriarchen lag, die "Höhle von Machpela." (vgl. 1. Mose 25,9.10; 23,8.9) Hebron hatte zum Besitz Kalebs gehört und war jetzt der Hauptort des Stammes Juda. Es lag in einem Tal und war von fruchtbarem Hügelland umgeben. Die schönsten Weinberge Palästinas und zahlreiche Olivenhaine und Obstgärten säumten seine Grenzen.

David Wird König Über Juda

Sogleich bereiteten sich David und seine Gefolgsleute vor, der Anweisung zu gehorchen, die Gott ihnen erteilt hatte. Bald waren die 600 bewaffneten Männer mit ihren Frauen, Kindern und Herden auf dem Weg nach Hebron. Als die Karawane in die Stadt einzog, warteten die Einwohner Judas bereits darauf, David als den künftigen König Israels willkommen zu heißen. Sofort wurden Vorbereitungen zu seiner Krönung getroffen, und sie "salbten dort David zum König über das Haus Juda." (2. Samuel 2,4) Es wurde aber nichts unternommen, um seine Herrschaft durch Gewalt auf die anderen Stämme auszudehnen.

Eine der ersten Amtshandlungen des neu gekrönten Monarchen bestand darin, seine Hochachtung vor dem Andenken Sauls und Jonatans zum Ausdruck zu bringen. Als David von der mutigen Tat der Männer von Jabesch in Gilead erfuhr, wie sie die Leichname der Gefallenen geborgen und ihnen ein ehrenvolles Begräbnis bereitet hatten, "ließ er ihnen durch Boten ausrichten: ›Der Herr segne euch für eure Liebe zu eurem Herrn, dafür, dass ihr ihn begraben habt. Der Herr erweise euch Liebe und Treue! Und auch ich will euch belohnen für das, was ihr getan habt.‹" (2. Samuel 2,5.6 NLB) Er gab seine Thronbesteigung über Juda bekannt und bat um die Untertanentreue derer, die ihre Treue zu Saul bekundet hatten.

Die Philister unternahmen nichts dagegen, dass David zum König von Juda ausgerufen worden war. In seinem Exil hatten sie sich mit ihm angefreundet, um Sauls Königtum zu untergraben und zu schwächen. Nun hofften sie, dass sich dank ihrer bisherigen Freundlichkeit gegenüber David dessen Machtzuwachs zu ihrem Vorteil auswirken werde.

Ein Rivalisierender König Wird Eingesetzt

Davids Herrschaft blieb allerdings nicht von Schwierigkeiten verschont. Mit seiner Krönung begann ein dunkles Kapitel von Verschwörung und Rebellion, obwohl mit David kein Verräter auf den Thron kam. Gott selbst hatte ihn zum König Israels erwählt, und es bestand kein Anlass zu Misstrauen oder Widerstand. Doch kaum hatten die Männer von Juda seine Autorität anerkannt, wurde durch die Einflussnahme Abners, Sauls Sohn Isch-Boschet zum Gegenkönig in Israel ausgerufen.

Isch-Boschet war nur ein schwacher und unfähiger Vertreter der Familie Sauls, während sich David hervorragend dazu eignete, die Verantwortung für das Königreich zu tragen. Abner, der Hauptverantwortliche für den Aufstieg Isch-Boschets zu königlicher Macht, war Oberbefehlshaber in Sauls Heer gewesen und jetzt der angesehenste Mann in Israel. Abner wusste, dass David von Gott für den Thron Israels bestimmt worden war. Aber nachdem er ihn so lange gejagt und verfolgt hatte, wollte er Isais Sohn nicht als Nachfolger in dem Reich sehen, das bisher von Saul regiert worden war.

Die Umstände, in die Abner geriet, brachten seinen wahren Charakter zum Vorschein und offenbarten seinen Ehrgeiz und seine Gewissenlosigkeit. Er war mit Saul eng vertraut gewesen und von dessen Geist so stark beeinflusst worden, dass auch er den Mann verachtete, den Gott zum Herrscher über Israel erwählt hatte. Sein Hass war noch größer geworden, als ihn David scharf rügte, nachdem er eines Nachts Sauls Wasserkrug und Speer geraubt hatte, während Abner im Lager schlief. Er erinnerte sich daran, wie David ihm vor dem König und dem Volk Israel zugerufen hatte: "Du bist doch ein Mann, nicht wahr, Abner? ... Wo in ganz Israel gibt es einen, der so ist wie du? Warum hast du deinen Herrn, den König, nicht bewacht, als jemand aus dem Volk kam, um ihn zu töten? Das war wirklich nicht gut! So wahr der Herr lebt, ihr alle habt den Tod verdient, weil ihr euren Herrn, den Gesalbten des Herrn, nicht beschützt habt!" (1. Samuel 26,15.16 NLB) Diesen Tadel hatte er nicht vergessen, und nun war er entschlossen, seine Rachegedanken in die Tat umzusetzen und Israel zu spalten, um selbst erhöht zu werden. Abner benutzte den Vertreter des bisherigen Königshauses, um seine eigennützigen und ehrgeizigen Pläne voranzutreiben. Er wusste, dass das Volk Jonatan liebte und dessen Andenken hochhielt und das Heer die ersten erfolgreichen Feldzüge Sauls nicht vergessen hatte. Mit einer Entschiedenheit, die einer besseren Sache wert gewesen wäre, machte sich dieser rebellische Anführer daran, seine Pläne zu verwirklichen.

Mahanajim lag jenseits des Jordan und wurde zur königlichen Hauptstadt gewählt, weil man an diesem Ort vor möglichen Angriffen durch David oder die Philister am sichersten war. Hier fand Isch-Boschets Krönung statt. Zunächst erhielt seine Regierung die Anerkennung der Stämme östlich des Jordan und dehnte sich schließlich über ganz Israel aus - ausgenommen Juda.

Zwei Jahre lang genoss Sauls Sohn die Ehre eines Königs in seiner abgelegenen Residenz. Doch Abner wollte seine Macht über ganz Israel ausdehnen und bereitete einen Angriffskrieg vor. "Das war der Anfang eines langen Krieges zwischen den Anhängern Sauls und den Anhängern Davids. Mit der Zeit wurde David immer mächtiger, während das Königshaus Sauls immer schwächer wurde." (2. Samuel 3,1 NLB)

Abners Überlaufen Und Ermordung

Schließlich wurde diese Königsherrschaft, die auf bösen Absichten und Ehrgeiz aufgebaut war, durch Verrat gestürzt. Abner überwarf sich mit dem schwachen und unfähigen Isch-Boschet und lief mit dem Angebot zu David über, ihm alle Stämme Israels zuzuführen. Der König nahm den Vorschlag an und verabschiedete Abner in Ehren, damit dieser sein Vorhaben ausführen konnte. Die freundliche Aufnahme dieses tüchtigen und berühmten Kriegsmannes erregte jedoch die Eifersucht Joabs, des Oberbefehlshabers der Streitmacht Davids. Zwischen den beiden herrschte eine blutige Fehde, denn im Krieg zwischen Israel und Juda hatte Abner Asael, den Bruder Jo- abs, erschlagen. Nun sah Joab die Gelegenheit, den Tod seines Bruders zu rächen und sich selbst eines möglichen Nebenbuhlers zu entledigen. Auf niederträchtige Weise lauerte er Abner auf und ermordete ihn.

Als David von diesem heimtückischen Übergriff hörte, rief er aus: "Ich schwöre beim Herrn, dass mich und mein Königtum keine Schuld trifft an diesem Verbrechen gegen Abner, den Sohn Ners. Joab und seine Familie tragen dafür die Verantwortung." (2. Samuel 3,28.29 NLB) Im Hinblick auf den noch unsicheren Zustand des Königreichs und die Machtstellung der Mörder - denn Joabs Bruder Abischai hatte mit ihm gemeinsame Sache gemacht - konnte David das Verbrechen nicht mit einer gerechten Strafe ahnden. Er äußerte jedoch öffentlich seine Abscheu über die blutige Tat. Abner wurde mit öffentlichen Ehren bestattet. Dem Heer mit Joab an der Spitze wurde befohlen, in zerrissenen Gewändern und in Sackleinen an der Trauerfeier teilzunehmen. Der König selbst bekundete seine Trauer, indem er am Beerdigungstag fastete. Er führte den Trauerzug hinter der Bahre an. Am Grab hielt er eine Totenklage, die mit den Mördern scharf ins Gericht ging: "Musste Abner sterben, wie ein Gottloser stirbt? Deine Hände waren nicht gebunden, deine Füße nicht in Ketten gelegt. Nein, du wurdest ermordet, bist Verbrechern in die Hände gefallen." (2. Samuel 3,33.34 NLB)

Durch seine großmütige Anerkennung des Mannes, der sein erbittertster Feind gewesen war, gewann David das Vertrauen und die Bewunderung von ganz Israel. "Das machte beim Volk großen Eindruck. Es gefiel ihnen, wie überhaupt alles, was der König tat. Und so wusste jedermann in ganz Israel, dass David keine Schuld an Abners Tod traf." (2. Samuel 3,36.37 NLB) Im engsten Kreis seiner vertrauten Ratgeber und seines Gefolges sprach der König über dieses Verbrechen. Im Bewusstsein seiner eigenen Unfähigkeit, die Mörder so zu bestrafen, wie er es gewünscht hätte, überließ er sie dem Urteil Gottes: "Wisst ihr denn nicht, dass heute in Israel ein großer und bedeutender Mann gefallen ist? Und obwohl ich zum König gesalbt bin, bin ich noch zu schwach und diese beiden Söhne der Zeruja, Joab und Abischai, sind zu stark für mich. Deshalb soll der Herr diese Männer für ihre bösen Taten bestrafen." (2. Samuel 3,38.39 NLB)

Abner war mit seinem Angebot und seinen Darlegungen David gegenüber zwar ehrlich gewesen, doch seine Beweggründe waren niederträchtig und selbstsüchtig. Beharrlich hatte er sich dem von Gott berufenen König widersetzt, weil er hoffte, selber geehrt zu werden. Groll, gekränkter Stolz und Leidenschaft brachten ihn soweit, die Sache, der er so lange gedient hatte, aufzugeben. Indem er zu David überlief, hoffte er, die höchste Ehrenstellung in dessen Dienst zu erlangen. Wäre ihm sein Vorhaben gelungen, hätten seine Fähigkeiten und sein Ehrgeiz, sein großer Einfluss und sein Mangel an Frömmigkeit den Thron Davids, den Frieden im Reich und das Wohlergehen der Nation gefährdet.

Das Ende Von Isch-Boschet

"Als Isch-Boschet, der Sohn Sauls, hörte, dass Abner in Hebron getötet worden war, verlor er allen Mut, und alle in Israel waren bestürzt." (2. Samuel 4,1 NLB) Es war offensichtlich, dass Isch-Boschets Königsherrschaft nicht länger Bestand haben konnte. Ein weiterer Verrat vollendete wenig später den Zusammenbruch seiner schwindenden Macht: Isch-Boschet wurde von zwei seiner Hauptleute heimtückisch ermordet. Sie schlugen ihm den Kopf ab und eilten damit zum König von Juda, denn sie erwarteten, sich damit bei ihm beliebt zu machen.

Mit dem blutigen Zeugnis ihres Verbrechens traten sie vor David und sagten: "Das ist der Kopf von Isch-Boschet, dem Sohn deines Feindes Saul, der dich töten wollte. Heute hat der Herr dich an Saul und seiner ganzen Familie gerächt!" (2. Samuel 4,8 NLB) Aber David, den Gott selbst auf den Thron Israels erhoben und von seinen Feinden errettet hatte, lehnte Verrat als Mittel zur Festigung seiner Macht ab. Er erzählte diesen Mördern vom schlimmen Ende jenes Mannes, der sich gerühmt hatte, Saul erschlagen zu haben, und sagte dann zu ihnen: "Welchen Lohn soll ich da gottlosen Männern geben, die einen unschuldigen Mann in seinem eigenen Haus, ja in seinem Bett, getötet haben? Sollte ich dafür nicht euer Leben fordern und euch töten las- sen?‹ David beauftragte seine Diener; die töteten sie ... Den Kopf Isch-Bo- schets nahmen sie und begruben ihn in Abners Grab in Hebron." (2. Samuel 4,11.12 NLB)

David Wird König Über Ganz Israel

Nach Isch-Boschets Tod kam unter den führenden Männern Israels allgemein der Wunsch auf, dass David der König aller Stämme werden sollte. "Danach zogen alle Stämme Israels nach Hebron zu David und sagten: ›Wir alle gehören zu deinem Volk. Schon lange, selbst als Saul noch unser König war, hast du das Heer Israels im Kampf angeführt. Und der Herr hat dir zugesagt: Du wirst wie ein Hirte mein Volk Israel führen und wirst der Anführer Israels sein.‹ Und so schloss König David bei Hebron vor dem Herrn einen Bund mit den Ältesten Israels. Und sie salbten ihn zum König über Israel" (2. Samuel 5,1-3 NLB) So wurde ihm durch Gottes Vorsehung der Weg zum Thron geebnet. Ihm war es nicht darauf angekommen, seinen persönlichen Ehrgeiz zu befriedigen, denn er hatte die Würde nicht begehrt, die er erlangt hatte.

Mehr als 8000 Nachkommen Aarons und der Leviten machten David ihre Aufwartung. Der Sinneswandel im Volk war deutlich und maßgeblich. Der Machtwechsel ging ruhig und würdevoll vonstatten, wie es dem bedeutungsvollen Geschehen angemessen war. Nahezu eine halbe Million Menschen, Sauls frühere Untertanen, drängten sich in und um Hebron. Die Hügel und Täler wimmelten vor Menschen. Die Stunde der Krönung war gekommen. Der Mann, der von Sauls Königshof vertrieben worden war und in die Berge und in Felshöhlen hatte fliehen müssen, um sein Leben zu retten, sollte nun die höchste Ehre empfangen, die Menschen verliehen werden kann. Priester und Älteste in den Gewändern ihres heiligen Amtes, Offiziere und Soldaten mit glänzenden Speeren und Helmen, aber auch Fremde aus fernen Ländern wurden Zeugen der Krönung des erwählten Königs. David wurde das königliche Gewand angelegt. Der Hohepriester bestrich seine Stirn mit heiligem Öl. Die frühere Salbung durch Samuel war ein prophetischer Hinweis auf die Geschehnisse bei seiner Amtseinsetzung gewesen. Nun war es also so weit: David wurde feierlich zu seinem Amt als Gottes Statthalter eingesegnet. Man reichte ihm das Zepter. Die Bekräftigung seiner rechtmäßigen Herrschaft wurde schriftlich niedergelegt und das Volk leistete den Treueid. Dann wurde ihm die Krone auf das Haupt gesetzt. Damit erreichte die Krönungsfeier ihren Abschluss. Israel besaß jetzt einen König, den Gott erwählt hatte. David, der geduldig auf den Herrn gewartet hatte, durfte die Erfüllung dessen erleben, was Gott verheißen hatte. "David wurde immer mächtiger, und der Herr, der Gott der Heerscharen, war mit ihm." (2. Samuel 5,10 Elb.)