------------------------Wie Alles Begann -- Von Der Schöpfung Bis Zum König David WABT 6 1 Vorwort WABT 12 0 Kapitel 1 -- Warum Liess Gott Die Sünde Zu? WABT 23 0 Kapitel 2 -- Die Schöpfung WABT 31 0 Kapitel 3 -- Die Versuchung Und Der Sündenfall WABT 43 1 Kapitel 4 -- Der Erlösungsplan WABT 54 0 Kapitel 5 -- Kain Und Abel Auf Dem Prüfstand WABT 62 0 Kapitel 6 -- Set Und Henoch WABT 73 0 Kapitel 7 -- Die Sintflut WABT 87 0 Kapitel 8 -- Nach Der Sintflut WABT 93 1 Kapitel 9 -- Die Schöpfungs-Woche WABT 99 0 Kapitel 10 -- Der Turmbau In Babel WABT 108 0 Kapitel 11 -- Abrahams Berufung WABT 115 0 Kapitel 12 -- Abraham In Kanaan WABT 129 0 Kapitel 13 -- Die Glaubensprüfung Mit Isaak WABT 139 0 Kapitel 14 -- Die Vernichtung Von Sodom WABT 153 0 Kapitel 15 -- Eine Frau Für Isaak WABT 160 0 Kapitel 16 -- Jakob Und Esau WABT 166 0 Kapitel 17 -- Jakobs Flucht Und Verbannung WABT 176 0 Kapitel 18 -- Die Nacht Des Ringens WABT 184 0 Kapitel 19 -- Die Rückkehr Nach Kanaan WABT 194 0 Kapitel 20 -- Josef In Ägypten WABT 204 0 Kapitel 21 -- Josef Und Seine Brüder WABT 224 0 Kapitel 22 -- Mose WABT 238 0 Kapitel 23 -- Die Plagen Ägyptens WABT 253 0 Kapitel 24 -- Das Passafest WABT 259 0 Kapitel 25 -- Der Auszug WABT 268 0 Kapitel 26 -- Vom Roten Meer Zum Berg Sinai WABT 280 0 Kapitel 27 -- Das Volk Israel Erhält Das Gesetz WABT 293 0 Kapitel 28 -- Götzendienst Am Sinai WABT 308 1 Kapitel 29 -- Satans Feindschaft Gegen Gottes Gesetz WABT 322 0 Kapitel 30 -- Das Heiligtum Und Sein Dienst WABT 336 0 Kapitel 31 -- Die Sünde Von Nadab Und Abihu WABT 341 1 Kapitel 32 -- Gottes Gesetze Und Bündnisse WABT 353 0 Kapitel 33 -- Unterwegs Vom Sinai Nach Kadesch WABT 366 0 Kapitel 34 -- Die Zwölf Kundschafter WABT 375 0 Kapitel 35 -- Der Aufruhr Korachs WABT 387 0 Kapitel 36 -- Die Jahre In Der Wüste WABT 392 0 Kapitel 37 -- Der Geschlagene Fels WABT 402 0 Kapitel 38 -- Der Umweg Um Edom WABT 413 0 Kapitel 39 -- Die Eroberung Von Baschan WABT 419 0 Kapitel 40 -- Bileams Wirken Gegen Israel WABT 433 0 Kapitel 41 -- Der Abfall Am Jordan WABT 442 0 Kapitel 42 -- Moses Abschiedsreden WABT 449 0 Kapitel 43 -- Moses Lebensende WABT 462 0 Kapitel 44 -- Die Überquerung Des Jordan WABT 468 0 Kapitel 45 -- Der Fall Jerichos WABT 479 0 Kapitel 46 -- Verkündigung Von Segen Und Fluch WABT 483 0 Kapitel 47 -- Das Bündnis Mit Den Gibeonitern WABT 489 0 Kapitel 48 -- Die Aufteilung Kanaans WABT 501 0 Kapitel 49 -- Josuas Letzte Ermahnungen WABT 506 0 Kapitel 50 -- Der Zehnte Und Die Opfergaben WABT 512 0 Kapitel 51 -- Gottes Vorsorge Für Die Armen WABT 519 0 Kapitel 52 -- Die Jährlichen Pilgerfeste WABT 528 0 Kapitel 53 -- Die Älteren Richter WABT 543 0 Kapitel 54 -- Simson WABT 553 0 Kapitel 55 -- Samuels Geburt Und Kindheit WABT 560 0 Kapitel 56 -- Eli Und Seine Söhne WABT 567 0 Kapitel 57 -- Die Philister Rauben Die Bundeslade WABT 579 1 Kapitel 58 -- Die Schulen Der Propheten WABT 590 0 Kapitel 59 -- Saul Wird Der Erste König WABT 604 0 Kapitel 60 -- Sauls Anmassungen WABT 613 0 Kapitel 61 -- Saul Wird Als König Verworfen WABT 624 0 Kapitel 62 -- Davids Salbung Zum König WABT 628 0 Kapitel 63 -- David Besiegt Goliat WABT 634 0 Kapitel 64 -- Saul Will David Töten WABT 645 0 Kapitel 65 -- Davids Grossmut Gegenüber Saul WABT 658 0 Kapitel 66 -- Sauls Untergang WABT 664 1 Kapitel 67 -- Zauberei Früher Und Heute WABT 671 0 Kapitel 68 -- David Unter Den Philistern WABT 679 0 Kapitel 69 -- Davids Thronbesteigung WABT 685 0 Kapitel 70 -- Davids Herrschaft WABT 698 0 Kapitel 71 -- Davids Ehebruch Und Mord WABT 709 0 Kapitel 72 -- Absaloms Aufstand Gegen David WABT 727 0 Kapitel 73 -- Davids Letzte Lebensjahre ------------------------Vorwort WABT 6 1 Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Die Grundfragen des Menschen nach dem Ursprung, der Identität und der Zukunft - also nach Sinn und Ziel des Lebens - haben im heutigen digitalen Zeitalter nichts an Aktualität oder Brisanz verloren. Ganz im Gegenteil. Die Generation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit Kurznachrichten, Snaps, Clips und sozialen Netzwerken lebt, beschäftigt sich mit der Sinnfrage intensiver denn je. In die Vielzahl und das Wirrwarr der Antworten bricht sich das Buch der Bücher Bahn. Es gibt überraschend genau Auskunft über den Anfang aller Dinge. Die Bibel hilft damit allen, die den Dingen gern auf den Grund gehen und verstehen wollen, worum es wirklich geht. Denn wer "die ganze Geschichte" kennt, hat Vorteile. WABT 6 2 Die ersten Kapitel und Bücher der Bibel sind deshalb so maßgebend, weil sie einen Bezugsrahmen für ein jüdisches und christliches Verständnis vom Leben und von der Wirklichkeit um uns herum liefern. Das geschieht aber nicht in Form theoretischer Abhandlungen, sondern anhand einzelner Lebensbilder und der Geschichte des Volkes Israel. WABT 6 3 Etliche Berichte von vergangenen Ereignissen sind in unserer Gesellschaft zumindest in groben Zügen bekannt, wie zum Beispiel die Schöpfung, die göttliche Einsetzung der Ehe, der Sündenfall, die weltweite Flutkatastrophe, der Turmbau zu Babel oder der Auszug der Israeliten aus Ägypten. Genauso vertraut dürften auch heute noch eine Reihe der biblischen Gestalten wie Abraham, Mose oder König David sein. WABT 6 4 All diese wahren Geschichten - auch wenn sie vielfach als Mythen bezeichnet werden - vermitteln erstaunliche Einsichten. Die Bedeutung der biblischen Frühgeschichte bleibt aber nicht auf die Religion beschränkt. Ihr Einfluss auf Recht und Ethik und auf die abendländische Kultur, die sie mitgeprägt hat, kann kaum überschätzt werden. Sie ist ein kostbares Kultur- und Glaubensgut und darf nicht in Vergessenheit geraten. WABT 6 5 Der Band "Wie alles begann" rückt den Wert dieses Teils der Bibel und das Handeln Gottes in jener Zeit wieder in unser Bewusstsein. Es liegt damit eine neue deutsche Übersetzung der weit verbreiteten englischen Originalausgabe von 1890 vor, die den ersten Teil der fünfbändigen Reihe "Die Geschichte der Hoffnung" bildet. Diese entwirft ein großartiges Panorama des gesamten Wirkens Gottes mit den Menschen, das von der Schöpfung bis zur Neuen Erde reicht. WABT 7 1 In "Wie alles begann" folgt die Verfasserin dem großangelegten Erzählbogen der frühen biblischen Geschichte, vom Anfang aller Dinge bis zum da- vidischen Königreich in Israel. Sie zeichnet ein facetten- und farbenreiches Bild der Lebens- und Leidensgeschichten der Patriarchen. Prägnant im Stil und doch tiefgründig im Inhalt versteht sie es nicht nur, die Ereignisse selbst kurzweilig zu schildern, sondern lenkt unseren Blick auch auf deren wesentliche Bedeutung. In nahezu jedem Kapitel begegnen uns Exkurse, die wertvolle Denkanstöße für das persönliche Alltags- und Glaubensleben geben. Auf diese Weise werden biblische Texte und Gestalten vor unseren Augen lebendig, und wir entdecken, wie Gott auch in unserem Leben konkret werden kann. WABT 7 2 Im Mittelpunkt dieses Buches stehen jedoch nicht die alten Glaubenshelden oder das Volk Israel, sondern steht ein Gott, der in seiner Liebe die Geschicke der Menschen führt und ein großes Interesse an ihnen bekundet. "Wie alles begann" schildert die Treue Gottes und seine gütige und segensreiche Absicht mit uns. Meine Empfehlung: Am besten lesen! Martin Pröbstle. ------------------------Kapitel 1 - Warum Liess Gott Die Sünde Zu? WABT 12 0 Hesekiel 28,12-17; Jesaja 14,12-14. WABT 12 1 "Gott ist Liebe." (1. Johannes 4,16 Elb.) Sein Wesen und sein Gesetz sind Liebe. So war es immer, so wird es immer sein. "Der Hohe und Erhabene, der ewig wohnt" (Jesaja 57,15), der so "wie früher über unsere Erde" schreitet (Habakuk 3,6 Hfa), ändert sich nicht. Bei ihm ist "keine Veränderung ... noch Wechsel des Lichts und der Finsternis" (Jakobus 1,17). WABT 12 2 Jede Offenbarung der Schöpfermacht ist ein Ausdruck unendlicher Liebe. Die Herrschaft Gottes schließt die Fülle des Segens für alle Geschöpfe ein. Der Psalmist sagt: "Du hast einen gewaltigen Arm, stark ist deine Hand, und hoch ist deine Rechte. Gerechtigkeit und Gericht sind deines Thrones Stütze, Gnade und Treue gehen vor dir einher. Wohl dem Volk, das jauchzen kann! Herr, sie werden im Licht deines Antlitzes wandeln; sie werden über deinen Namen täglich fröhlich sein und in deiner Gerechtigkeit herrlich sein. Denn du bist der Ruhm ihrer Stärke, und durch deine Gnade wirst du unser Haupt erhöhen. Denn dem Herrn gehört unser Schild und dem Heiligen in Israel unser König." (Psalm 89,14-19) WABT 12 3 Die Geschichte des großen Kampfes zwischen Gut und Böse - von seinem Ursprung im Himmel bis zur endgültigen Niederwerfung der Rebellion und zur vollständigen Ausrottung der Sünde - ist ebenfalls eine Offenbarung der unwandelbaren Liebe Gottes. Vollkommene Harmonie WABT 12 4 Der Herrscher über das Universum war bei seinem schöpferischen Liebes- werk nicht allein. Er hatte einen Mitarbeiter, der seine Pläne würdigen und die Freude, seine Geschöpfe glücklich zu machen, mit ihm teilen konnte. "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott." (Johannes 1,1.2 Elb.) Christus, "das Wort", der "Eingeborene" (Johannes 1,14 Elb.) 1, war eins mit dem ewigen Vater (vgl. Johannes 10,30) - eins im Wesen und in den Absichten. Er war der Einzige, der alle Ratschlüsse und Vorhaben Gottes begreifen konnte. Er heißt: "Wunderbarer Ratgeber‹, ›Starker Gott‹, ›Ewiger Vater‹, ›Friedensfürst‹" (Jesaja 9,5 Hfa). Sein Ausgang ist "von Anfang und von Ewigkeit her gewesen" (Micha 5,1). Der Sohn Gottes sagte über sich selbst: "Der Herr hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her ... Als er die Grundfesten der Erde legte, da war ich als sein Liebling bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit." (Sprüche 8,22.23.29.30) WABT 13 1 Der Vater wirkte bei der Erschaffung aller himmlischen Wesen durch seinen Sohn. "Denn in ihm ist alles geschaffen ... es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen." (Kolosser 1,16) Die Engel sind Gottes "dienstbare Geister" (Hebräer 1,14). Sie strahlen von dem Licht, das ständig von seiner Gegenwart ausgeht, und eilen auf raschen Flügeln dahin, um seinen Willen auszuführen. Aber der Sohn, der Gesalbte Gottes, "der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens ... trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort" (Hebräer 1,3) und hat die Vormachtstellung über sie alle. "Ein herrlicher Thron, der von jeher alle Welt überragt" (Jeremia 17,12 GNB), war die Stätte seines Heiligtums. "Das Zepter der Gerechtigkeit" (Hebräer 1,8) war seines Reiches Zepter. "Hoheit und Pracht sind vor ihm, Macht und Herrlichkeit in seinem Heiligtum" (Psalm 96,6). "Gnade und Treue" gehen vor ihm einher (Psalm 89,15). WABT 13 2 Die Grundlage der Herrschaft Gottes ist das Gesetz der Liebe. Das Glück aller vernunftbegabten Wesen hängt von der vollständigen Übereinstimmung mit diesen erhabenen Grundsätzen der Gerechtigkeit ab. Gott wünscht von allen seinen Geschöpfen, dass sie ihm aus Liebe dienen - aus einer Liebe, die der Wertschätzung seines Charakters entspringt. Er hat keinen Gefallen an erzwungenem Gehorsam. Allen gewährt er Willensfreiheit, damit sie ihm aus freien Stücken dienen können. WABT 13 3 Solange alle Geschöpfe aus Liebe treu waren, herrschte im gesamten Universum vollkommene Eintracht. Es bereitete den himmlischen Heerscharen Freude, die Absichten ihres Schöpfers umzusetzen. Sie freuten sich, seine Herrlichkeit widerzuspiegeln und sein Lob zu verkündigen. Und solange die Liebe zu Gott bei ihnen den obersten Rang einnahm, war die Liebe zueinander voller Vertrauen und selbstlos. Nicht ein einziger Missklang störte die himmlische Harmonie. Aber dieser glückliche Zustand wurde von einer tiefgreifenden Veränderung betroffen. Es gab jemanden, der die Freiheit missbrauchte, die Gott seinen Geschöpfen gewährt hatte. Die Sünde entstand bei dem, der von Gott nach Christus2 mit der höchsten Ehrenstellung ausgezeichnet worden war. Unter allen Himmelsbewohnern genoss er nach Christus die größte Macht und Herrlichkeit. Luzifer, der "schöne Morgenstern" 3 (Jesaja 14,12), war der Erste der schirmenden Cherubim (vgl. Hesekiel 28,14a), heilig und unbefleckt. Er stand in der Gegenwart des erhabenen Schöpfers. Die Strahlen der Herrlichkeit, die unaufhörlich von dem ewigen Gott ausgehen und ihn verhüllen, ruhten auf ihm. "So spricht Gott, der Herr: O du Siegel der Vollendung, voller Weisheit und vollkommener Schönheit! In Eden, im Garten Gottes, warst du; mit allerlei Edelsteinen warst du bedeckt ... Du warst ein gesalbter, schützender Cherub, ja, ich hatte dich dazu eingesetzt; du warst auf dem heiligen Berg Gottes und du wandeltest mitten unter den feurigen Steinen. Du warst vollkommen in deinen Wegen vom Tag deiner Erschaffung an, bis Sünde in dir gefunden wurde" (Hesekiel 28,12-15 Schl.). Der Ursprung Des Bösen WABT 14 1 Ganz allmählich begann Luzifer dem Verlangen nach Selbsterhöhung nachzugeben. Die Heilige Schrift sagt: "Dein Herz wollte hoch hinaus wegen deiner Schönheit, du hast deine Weisheit zunichte gemacht um deines Glanzes willen." (Hesekiel 28,17 Elb.) "Du aber gedachtest in deinem Herzen: Ich will ... meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen; ich will ... gleich sein dem Allerhöchsten." (Jesaja 14,13.14) Obwohl Luzifer all seine Herrlichkeit von Gott erhalten hatte, betrachtete sie dieser mächtige Engel immer mehr als seinen Besitz. Obwohl er bereits mehr Ehre als jedes andere himmlische Wesen erhalten hatte, war er mit seiner Stellung nicht zufrieden. Er wagte es, für sich eine Verehrung anzustreben, die allein dem Schöpfer gebührt. Statt dazu beizutragen, dass alle Geschöpfe Gott in ihrer Zuneigung und Treue an die erste Stelle setzen, war es sein Bestreben, ihren Dienst und ihre Anhänglichkeit für sich zu gewinnen. Neidisch auf die Herrlichkeit, die der ewige Vater seinem Sohn gegeben hatte, strebte dieser Engelsfürst eine Macht an, die allein Christus vorbehalten war. WABT 14 2 Nun war die vollkommene Eintracht im Himmel zerstört. Als Luzifers Neigung, sich selbst statt seinem Schöpfer zu dienen, bemerkt wurde, löste dies bei jenen, die der Ehre Gottes höchste Bedeutung beimaßen, Besorgnis aus. In der himmlischen Ratsversammlung redeten die Engel eindringlich mit Luzifer. Der Sohn Gottes führte ihm die Größe, Güte und Gerechtigkeit des Schöpfers und die heilige und unveränderliche Natur seines Gesetzes vor Augen. Gott selbst hatte die Ordnung im Himmel festgelegt. Dadurch, dass Luzifer davon abwich, würde er seinen Schöpfer entehren und sich selbst zugrunde richten. Doch die Warnung, die aus grenzenloser Liebe und Barmherzigkeit an ihn gerichtet wurde, erregte nur seinen Widerstand. Luzifer ließ es zu, dass seine Eifersucht auf Christus die Oberhand gewann. Er wurde noch entschlossener. WABT 15 1 Die Absicht dieses Engelsfürsten bestand nun darin, dem Sohn Gottes die Vormachtstellung streitig zu machen, wodurch er die Weisheit und Liebe des Schöpfers in Frage stellte. Luzifer, der nach Christus der Erste unter den himmlischen Heerscharen war, stand im Begriff, die ganze Kraft seines überragenden Verstandes auf dieses Ziel zu richten. Aber Gott, der allen seinen Geschöpfen einen freien Willen verliehen hatte, warnte alle vor den verführerischen Spitzfindigkeiten, mit denen es möglich wäre, einen Aufruhr zu rechtfertigen. Noch vor Ausbruch des großen Streites sollten alle eine klare Vorstellung von dem Willen Gottes bekommen, dessen Weisheit und Güte die Quelle all ihrer Freude war. WABT 15 2 Der König des Universums ließ die himmlischen Heerscharen zu sich kommen, um in ihrer Gegenwart die wahre Stellung seines Sohnes darzulegen und die Beziehung aufzuzeigen, die dieser zu allen geschaffenen Wesen unterhielt. Der Sohn Gottes saß mit dem Vater auf dem Thron, und die Herrlichkeit der ewigen, aus sich lebenden Gottheit schloss sie beide ein. Um den Thron standen die Engel, eine riesige, unzählbare Schar, "Zehntausende mal Zehntausende und Tausende mal Tausende" (Offenbarung 5,11 Elb.). Die ranghöchsten Engel, selbst Diener und Untertanen, erfreuten sich des Lichts, das von der Gegenwart Gottes auf sie schien. Vor allen versammelten Bewohnern des Himmels erklärte der König, dass außer Christus, dem Eingeborenen Gottes, niemand seine Absichten ganz begreifen könne. Ihm habe er die Durchführung der wichtigen Ratschlüsse seines Willens übertragen. Der Sohn Gottes hatte den Willen des Vaters schon bei der Erschaffung aller himmlischen Heerscharen ausgeführt (vgl. Kolosser 1,16). Ihm schuldeten sie ebenso wie Gott Verehrung und Treue. Christus solle auch bei der Erschaffung der Erde und ihrer Bewohner göttliche Macht ausüben. Doch dabei werde er nie im Gegensatz zu Gottes Plan seine eigene Macht und Erhöhung vor Augen haben, sondern vielmehr die Herrlichkeit seines Vaters preisen und dessen wohltätige und liebevolle Pläne ausführen. WABT 15 3 Die Engel erkannten die Vormachtstellung von Christus mit Freuden an. Sie fielen in Anbetung vor ihm nieder und brachten ihm ihre Liebe und verehrung zum Ausdruck. Luzifer beugte sich mit ihnen, doch in ihm tobte ein fremdartiger, heftiger Konflikt. Wahrheit, Gerechtigkeit und Treue kämpften gegen Neid und Eifersucht. Der Einfluss der heiligen Engel schien Luzifer eine Zeitlang auf ihre Seite zu ziehen. Als Loblieder in melodischen Klängen aus Tausenden von frohen Stimmen zu Gott emporstiegen, schien der Geist des Bösen von ihm gewichen zu sein. Eine unaussprechliche Liebe durchflutete sein ganzes Wesen, und im Einklang mit den sündlosen Anbetern neigte sich sein Herz in Liebe dem Vater und dem Sohn zu. Doch dann überkam ihn erneut der Stolz auf seine eigene Herrlichkeit. Sein Verlangen nach einer Vorrangstellung kehrte zurück, und erneut gab er dem Neid auf Christus nach. Die hohen Ehren, die Luzifer verliehen waren, sah er nicht als besondere Gabe Gottes an; und deshalb fühlte er sich dem Schöpfer auch nicht zu Dank verpflichtet. Er sonnte sich in seinem Glanz und in seiner hohen Stellung und strebte danach, Gott gleich zu sein. Er wurde von den himmlischen Heerscharen geliebt und verehrt. Engel führten mit Freuden seine Befehle aus. Er übertraf sie alle an Weisheit und Herrlichkeit. Doch der Sohn Gottes stand über ihm, da er mit dem Vater bezüglich Macht und Autorität eins war. Er nahm an dessen Ratschlüssen teil, während Luzifer nicht in gleicher Weise in Gottes Absichten Einblick hatte. "Warum sollte Christus über allem stehen?", fragte dieser mächtige Engel. "Warum wird er höher geehrt als ich?" Die Ausbreitung Der Rebellion Im Himmel WABT 16 1 Luzifer verließ den Platz in der unmittelbaren Gegenwart des Vaters und versuchte, unter den Engeln einen Geist der Unzufriedenheit zu verbreiten. Er ging dabei mit undurchschaubarer Heimlichtuerei vor und verbarg eine Zeitlang seine wahre Absicht unter dem Deckmantel der Verehrung Gottes. Doch er begann Zweifel an den Gesetzen zu säen, von denen sich die himmlischen Wesen leiten ließen. Er gab zu verstehen, dass solche Gesetze vielleicht für die Bewohner der Welten notwendig seien; da aber die Engel viel höher stünden, brauchten sie keine derartigen Einschränkungen. Ihre eigene Weisheit sei eine ausreichende Orientierungshilfe. Sie könnten nichts tun, was Gott entehren würde, denn ihre Gedanken seien heilig. Sie könnten ebenso wenig Fehler begehen wie Gott selbst! Die Erhöhung des Sohnes Gottes auf die gleiche Stufe, wie der Vater sie innehat, stellte Luzifer als eine Ungerechtigkeit gegen ihn hin. Auch er habe Anspruch auf Verehrung und Ruhm, behauptete er. Wenn er als Engelsfürst seine rechtmäßige hohe Stellung einnehmen könnte, wäre das für das gesamte Himmelsheer von großem Vorteil. Es sei nämlich seine Absicht, allen wirkliche Freiheit zu gewähren. Aber nun sei es sogar mit der Freiheit vorbei, die sie bisher genossen hätten, denn ein absoluter Herrscher sei über sie gesetzt worden, dessen Autorität sich alle unterwerfen müssten. Solcherart waren die schwer durchschaubaren Täuschungen, die sich durch Luzifers List in den himmlischen Höfen schnell verbreiteten. WABT 17 1 An der Stellung oder Vollmacht von Christus hatte sich allerdings nichts geändert. Aber Luzifers Neid, seine falsche Darstellung und seine Forderung nach Gleichberechtigung mit Christus machten es notwendig, die wahre Stellung von Gottes Sohn klarzustellen. Seit dem Anfang hatte sich an ihr nichts geändert. Dennoch ließen sich viele Engel von Luzifers Täuschungen blenden. WABT 17 2 Dieser nutzte das liebevolle, treu ergebene Vertrauen aus, das ihm die Engel, die ihm unterstellt waren, entgegenbrachten. So gelang es ihm, sein eigenes Misstrauen und seine eigene Unzufriedenheit auf ihr Denken zu übertragen, ohne dass sie dabei sein eigentliches Ziel bemerkten. Luzifer hatte Gottes Absichten in einem falschen Licht dargestellt. Er hatte sie missdeutet und entstellt, um Widerspruch und Unzufriedenheit zu erzeugen. Mit List bewog er seine Zuhörer, ihre Gefühle zu äußern. Wenn diese dann seinem Ziel dienten, wiederholte er solche Äußerungen, um damit zu beweisen, dass auch die Engel nicht völlig mit der Herrschaft Gottes übereinstimmten. Zwar beteuerte er immer wieder seine vollkommene Treue zu Gott, wies aber zugleich darauf hin, dass Änderungen hinsichtlich der Ordnung und der Gesetze des Himmels nötig seien, um die Beständigkeit der göttlichen Herrschaft sicherzustellen. Angeblich ging es ihm nur darum, unzufriedene Engel für die Ordnung des Himmels zu gewinnen. In Wirklichkeit aber wollte er den Widerspruch gegen Gottes Gesetz schüren und seine eigene Unzufriedenheit in den Gedanken der Engel verankern. Während er so heimlich zu Zwietracht und Aufruhr anstachelte, erweckte er mit größter Raffinesse einen ganz anderen Anschein: Es sei sein einziges Ziel, Treue und Ergebenheit zu fördern sowie Eintracht und Frieden zu bewahren. WABT 17 3 Der Geist der Unzufriedenheit, der auf diese Weise gesät wurde, tat sein unheilvolles Werk. Ohne dass es zu einem offenen Ausbruch kam, breitete sich unter den Engeln unmerklich eine Spaltung der Gefühle aus. Manche sympathisierten mit Luzifers Unterstellungen gegen die Herrschaft Gottes. Obwohl sie bisher in vollkommener Eintracht mit der göttlichen Ordnung gelebt hatten, waren sie jetzt unzufrieden und unglücklich, weil sie nicht in Gottes unerforschliche Ratschlüsse eindringen konnten. Auch sahen sie es nur ungern, dass Christus nach dem Willen Gottes eine erhöhte Stellung einnahm. Diese Gruppe von Engeln war gern bereit, Luzifers Forderung nach der gleichen Vollmacht, wie sie der Sohn Gottes besaß, zu unterstützen. Auf der anderen Seite aber betonten treue und ergebene Engel die Weisheit und Gerechtigkeit der göttlichen Ordnung und versuchten, den unzufriedenen Luzifer wieder mit dem Willen Gottes in Übereinstimmung zu bringen. Christus war der Sohn Gottes. Er war schon eins mit dem Vater, bevor die Engel erschaffen wurden. Von Ewigkeit an stand er zur Rechten Gottes. Seine Vormachtstellung, die sich für seine Untergebenen so segensreich auswirkte, war bisher nie in Frage gestellt worden. Nie zuvor hatte jemand die Harmonie im Himmel gestört. Warum sollte jetzt Zwietracht herrschen? Die treuen Engel erkannten, dass diese Auseinandersetzung nur schreckliche Folgen haben würde. Deshalb flehten sie die Unzufriedenen eindringlich an und rieten ihnen, ihre Absicht aufzugeben und sich gegenüber Gott und seiner Herrschaft treu zu verhalten. Gott Hat Mitgefühl Und Geduld WABT 18 1 In seiner großen Gnade - wie es seinem göttlichen Wesen entspricht - trug Gott Luzifer lange mit Geduld. Der Geist der Unzufriedenheit war im Himmel bisher unbekannt. Er war etwas gänzlich Neues, etwas Fremdes, Geheimnisvolles, etwas Unerklärliches. Luzifer hatte anfangs die wahre Natur seiner Gefühle selbst nicht durchschaut. Eine Zeitlang hatte er sich gescheut, seine Gedanken in Worte zu fassen. Dennoch hatte er sie nicht verworfen. Es war ihm selbst nicht bewusst, wohin er trieb. Alle möglichen Anstrengungen, wie nur unendliche Liebe und Weisheit sie ersinnen können, wurden unternommen, um ihn von seinem Irrtum zu überzeugen. So wurde ihm nachgewiesen, dass seine Unzufriedenheit grundlos war. Ihm wurde auch gezeigt, wohin es führen würde, wenn er in seiner Auflehnung verharrte. Luzifer kam zur Überzeugung, dass er im Unrecht war. Er erkannte: "Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und gnädig in allen seinen Werken." (Psalm 145,17) Er sah ein, dass Gottes Verordnungen gerecht sind und er sie vor allen Himmelsbewohnern als solche anerkennen sollte. Hätte er es getan, hätte er sich und viele Engel retten können. Zu dieser Zeit hatte er Gott noch nicht völlig die Treue aufgekündigt. Obschon er seine Stellung als schirmender Cherub verlassen hatte, hätte er doch wieder in seine ursprüngliche Stellung eingesetzt werden können, wenn er nur bereit gewesen wäre, zu Gott zurückzukehren, die Weisheit des Schöpfers anzuerkennen und den Platz einzunehmen, der in Gottes großem Plan für ihn bestimmt war. Die Zeit für eine endgültige Entscheidung war nun gekommen: Entweder er erkannte Gottes Vormachtstellung voll und ganz an oder er werde den offenen Aufruhr wagen. Beinahe hätte er den Entschluss zur Rückkehr gefasst, doch sein Stolz hinderte ihn daran. Für ihn, der eine so hohe Stellung besaß, bedeutete es ein zu großes Opfer, sich selbst einzugestehen, dass er sich geirrt hatte und sein Denken falsch war. Er wollte sich nicht der Autorität Gottes beugen, die er als ungerecht dargestellt hatte. WABT 19 1 Der barmherzige Schöpfer hatte Mitleid mit Luzifer und seinen Anhängern. Er wollte sie vom Abgrund zurückreißen, in den sie gerade zu stürzen drohten. Doch sein Mitgefühl wurde falsch ausgelegt. Luzifer wies auf Gottes Langmut als Beweis für seine eigene Überlegenheit hin - ein Anzeichen dafür, dass der König des Universums letztlich doch auf seine Forderungen eingehen würde. Wenn die Engel nur fest zu ihm stünden, erklärte er, könnten sie noch alles gewinnen, was sie sich erhofften. Hartnäckig verteidigte er sein Vorgehen und verschrieb sich nun ganz dem großen Kampf gegen seinen Schöpfer. Auf diese Weise wurde Luzifer, der "Glanzstern, Sohn der Morgenröte" (Jesaja 14,12a Elb.), der in der Herrlichkeit Gottes vor dessen Thron seinen Dienst versah, wegen seiner Übertretung zu Satan, zum "Widersacher"4 Gottes und der heiligen Wesen und zum Zerstörer der Engel, die Gott seiner Obhut und Führung anvertraut hatte. Satans Entscheidung Zur Offenen Rebellion WABT 19 2 Mit Verachtung wies er die Begründungen und dringenden Bitten der treuen Engel zurück und prangerte diese als irregeleitete Sklaven an. Den Vorrang, der Christus gewährt wurde, bezeichnete er als einen Akt der Ungerechtigkeit. Dieser richte sich nicht nur gegen ihn persönlich, sondern gegen alle himmlischen Wesen. Er kündigte an, sich nicht länger dieser Beschneidung seiner und ihrer Rechte beugen zu wollen. Nie wieder werde er die Vorrangstellung von Christus anerkennen. Er sei entschlossen, die Ehre einzufordern, die ihm eigentlich zustehe, und alle anzuführen, die ihm folgen wollten. Er versprach allen, die sich ihm anschließen, eine neue und bessere Herrschaftsform, unter der alle ihre Freiheit genießen könnten. Eine große Anzahl von Engeln bekundete die Absicht, ihn als ihren Anführer anzuerkennen. Satan fühlte sich von der Bereitschaft geschmeichelt, mit der sein Angebot aufgenommen wurde. Er hoffte, alle Engel auf seine Seite ziehen zu können und "dem allerhöchsten Gott endlich gleich" zu werden (Jesaja 14,14b Hfa), sodass ihm alle himmlischen Heerscharen Gehorsam zollen würden. WABT 20 1 Auch jetzt noch beschworen die treuen Engel ihn und seine Anhänger, sich Gott zu unterwerfen. Sie malten ihnen die unvermeidbaren Folgen aus, die sich aus ihrer Ablehnung ergeben würden: Gott, der sie erschaffen habe, sei auch in der Lage, ihre Macht zu überwinden und ihre rebellische Anmaßung schwer zu bestrafen. Kein Engel könne sich mit Erfolg gegen Gottes Gesetz stellen, das ebenso heilig wie Gott selbst sei. Die treuen Engel riefen alle auf, vor Luzifers verführerischer Beweisführung die Ohren zu verschließen. Sie forderten Luzifer und seine Anhänger auf, sich unverzüglich zu Gott zu begeben und ihm zu bekennen, dass es ein Fehler gewesen sei, seine Weisheit und Herrschaft in Frage zu stellen. WABT 20 2 Viele waren geneigt, diesen Rat anzunehmen, ihre Untreue zu bereuen und sich wieder der Gunst des Vaters und des Sohnes zu erfreuen. Aber Luzifer hatte eine weitere Täuschung bereit. Der mächtige Rebell behauptete j etzt, dass die Engel, die sich ihm angeschlossen hatten, bereits zu weit gegangen seien, um umzukehren. Er kenne das göttliche Gesetz und wisse, dass Gott nicht vergibt. Wer sich von ihnen der Autorität des Himmels beuge, würde seiner Ehre beraubt und aus seiner Stellung entfernt werden. Was ihn selbst betreffe, so sei er entschlossen, die Vormachtstellung von Christus nie wieder anzuerkennen. Ihm und seinen Anhängern bleibe nichts anderes übrig, sagte er, als ihre Freiheit zu behaupten und mit Gewalt jene Rechte einzufordern, die man ihnen aus freien Stücken nicht habe zugestehen wollen. WABT 20 3 Was Satan anging, traf es zu, dass er bereits zu weit gegangen war. Das galt aber nicht für jene, die sich von seinen Täuschungen hatten verführen lassen. Ihnen gaben die Ratschläge und das eindringliche Flehen der treuen Engel Grund zur Hoffnung. Hätten sie diese Warnungen beachtet, wäre es ihnen möglich gewesen, den Schlingen Satans zu entkommen. Doch Stolz, Liebe zu ihrem Führer und der Wunsch nach grenzenloser Freiheit konnten die Oberhand gewinnen. Die dringenden Bitten, auf Gottes Liebe und Gnade einzugehen, wurden schließlich verworfen. WABT 20 4 Gott ließ es zu, dass Satan sein Werk fortsetzte, bis der Geist der Unzufriedenheit zu einem offenen Aufruhr anwuchs. Es war nötig, dass die Pläne voll zur Entfaltung kamen, damit alle deren wahre Natur und eigentliche Absicht erkennen konnten. Als schirmender Cherub hatte Luzifer eine hohe Stellung bekleidet. Die himmlischen Wesen liebten ihn, und er hatte großen Einfluss auf sie. Gottes Herrschaft umfasste nicht nur die Bewohner des Himmels, sondern alle Welten, die er geschaffen hatte. Luzifer war zu dem Schluss gekommen, er könne sie alle auf seine Seite ziehen, wenn es ihm gelänge, die Engel im Himmel für seine Rebellion zu gewinnen. Seine Sicht der Dinge hatte er geschickt dargelegt und war dabei ausgeklügelt und betrügerisch vorgegangen, um seine Ziele zu erreichen. Er verfügte über ein großes Täuschungsvermögen. In einen Deckmantel von Lügen gehüllt, hatte er sich einen Vorteil verschafft. Alles, was er tat, war derart geheimnisvoll, dass es für die Engel nur schwer zu erkennen war, wohin seine Handlungen wirklich führten. Solange diese nicht zur vollen Entfaltung gekommen waren, konnte nicht deutlich werden, wie böse sie wirklich waren; Satans Unzufriedenheit war nicht als Aufstand zu werten. Sogar die treuen Engel konnten seinen Charakter nicht völlig durchschauen oder erkennen, wohin sein Verhalten führen würde. Die Göttliche Gerechtigkeit Entlarvt Satans Betrug WABT 21 1 Luzifer gestaltete seine Versuchungen anfänglich so, dass er sich nicht selbst bloßstellte. Den Engeln, die er nicht ganz auf seine Seite ziehen konnte, warf er vor, den Belangen der himmlischen Wesen gleichgültig gegenüberzustehen. Er legte damit den treuen Engeln genau das zur Last, was er selbst tat. Seine Vorgehensweise bestand darin, sie mit fein gesponnenen Argumenten bezüglich der Absichten Gottes zu verwirren. Einfaches machte er geheimnisvoll, und Gottes klarste Aussagen zog er durch geschickte Verdrehungen in Zweifel. Und seine hohe Stellung, die so eng mit der Herrschaft Gottes verbunden war, verlieh seinen Ausführungen noch größeres Gewicht. WABT 21 2 Gott konnte nur solche Mittel anwenden, die mit Wahrheit und Gerechtigkeit in Einklang standen. Satan dagegen tat, was Gott nicht tun konnte - sich der Schmeichelei und Täuschung zu bedienen. Er versuchte, Gottes Wort zu verdrehen und Gottes Herrschaft verzerrt darzustellen. Er behauptete, Gott sei ungerecht, wenn er den Engeln Gesetze auferlege. Gott gehe es nur um seine Selbsterhöhung, wenn er von seinen Geschöpfen Unterwerfung und Gehorsam verlange. Das alles machte es notwendig, den Bewohnern des Himmels und aller Welten zu zeigen, dass Gottes Herrschaft gerecht und sein Gesetz vollkommen ist. Satan hatte den Anschein vermittelt, er werde das Wohlergehen des Universums fördern. Deshalb war es so wichtig, dass überall der wahre Charakter dieses Thronräubers sowie seine tatsächlichen Absichten verstanden wurden. Damit er sich selbst durch seine bösen Taten entlarven konnte, musste ihm Zeit eingeräumt werden. WABT 21 3 Die Zwietracht, die Satan selbst verursacht hatte, legte er nun Gottes Herrschaftsweise zur Last. Alles Böse - so behauptete er - sei die Folge der Art und Weise, wie Gott herrsche. Von sich behauptete Satan, er habe nur Gottes Gesetze verbessern wollen. Gott gestattete ihm deshalb, seine Behauptungen unter Beweis zu stellen und die Auswirkungen seiner vorgeschlagenen Veränderungen an Gottes Gesetz zu zeigen. Sein eigenes Werk musste ihn verdammen. Satan hatte von Anfang an vorgegeben, sich nicht in Aufruhr gegen Gott zu befinden. Das gesamte Universum musste den Betrüger entlarvt sehen. WABT 22 1 Selbst als Satan aus dem Himmel ausgestoßen wurde, vernichtete ihn Gott in seiner unendlichen Weisheit nicht. Da Gott nur ein Dienst aus Liebe angenehm ist, muss die Treue seiner Geschöpfe auf der Überzeugung beruhen, dass er gerecht und gütig ist. Die Bewohner des Himmels und der Welten waren nicht darauf vorbereitet, das Wesen und die Folgen der Sünde zu begreifen, und hätten deshalb in der Vernichtung Satans nicht Gottes Gerechtigkeit erkennen können. Wäre er auf der Stelle vertilgt worden, hätten einige Gott aus Angst statt aus Liebe gedient. Der Einfluss des Betrügers wäre weder völlig ausgelöscht noch der rebellische Geist gänzlich ausgerottet worden. Zum Nutzen des ganzen Weltalls durch endlose Zeitalter musste Satan seine Grundsätze in vollem Umfang entwickeln können. Denn nur so würde es allen Geschöpfen möglich sein, seine Anklagen gegen die Regierung Gottes in ihrem wahren Licht zu beurteilen. Damit würden auch die Gerechtigkeit und Gnade Gottes und die Unveränderlichkeit seines Gesetzes für immer über alle Zweifel erhaben sein. WABT 22 2 Satans Aufruhr sollte dem Universum für alle Zeiten eine Lehre sein - ein ewiger Beweis für das Wesen der Sünde und ihre schrecklichen Folgen. Die Entfaltung der Herrschaft Satans und deren Auswirkungen auf Menschen und Engel würden zeigen, zu welchen Folgen die Ablehnung der göttlichen Autorität führt. Sie bezeugt, dass das Wohlergehen aller Geschöpfe Gottes unmittelbar vom Bestand seiner Herrschaft abhängt. Folglich sollte die Geschichte dieser schrecklichen Rebellion für alle heiligen Wesen zu einem bleibenden Schutz werden. Sie sollte verhindern, dass Gottes Geschöpfe sich über die wahre Natur der Gesetzesübertretung täuschen lassen und vor dem Sündigen und dem Leid der Strafe bewahrt werden. WABT 22 3 Gott, der in den Himmeln regiert, sieht das Ende von Anfang an. Vor ihm liegen die Geheimnisse der Vergangenheit und der Zukunft in gleicher Weise offen. Über das Leid, die Dunkelheit und das Verderben hinaus, die durch die Sünde entstanden sind, sieht er, was seine eigenen Absichten der Liebe und des Segens vollbringen werden. Obgleich "Wolken und Dunkel" um ihn her sind, bleiben doch "Gerechtigkeit und Gericht ... seines Thrones Stütze" (Psalm 97,2). Das werden die Bewohner des Universums - ob Gott treu oder von ihm abgefallen - eines Tages verstehen. "Seine Werke sind vollkommen; denn alles, was er tut, das ist recht. Treu ist Gott und kein Böses an ihm, gerecht und wahrhaftig ist er." (5. Mose 32,4) ------------------------Kapitel 2 - Die Schöpfung WABT 23 0 1. Mose 1 und 2. WABT 23 1 "Durch des Herrn Wort ist der Himmel gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes. ... Denn er sprach, und es geschah; er gebot, und es stand da." (Psalm 33,6.9 Elb.) Er hat "das Erdreich gegründet ... auf festen Boden, dass es bleibt immer und ewiglich" (Psalm 104,5). WABT 23 2 Als die Erde aus der Hand des Schöpfers hervorging, war sie unbeschreiblich schön. Ihre Oberfläche war abwechslungsreich gestaltet. Es gab Berge, Hügel und Ebenen mit großen Flüssen und lieblichen Seen. Doch die Gebirge erhoben sich nicht jäh und schroff wie heute; sie waren ohne furchterregende steile Felswände und Abgründe. Die scharfen, zackigen Kanten der Felsen waren unter dem fruchtbaren Boden verborgen, der überall üppiges Grün hervorbrachte. Es gab weder schlammige Sümpfe noch unfruchtbare Wüsten. Anmutige Sträucher und liebliche Blumen grüßten das Auge, wohin es blickte. Auf den Höhen wuchsen Bäume, majestätischer als alle, die wir heute kennen. Die Luft war frei von üblem Geruch und Krankheitserregern, rein und gesund. Die gesamte Landschaft übertraf in ihrer Schönheit die gepflegten Anlagen der stolzesten Paläste. Die Engel betrachteten die Szenerie mit Entzücken und hatten ihre Freude an Gottes wunderbaren Werken. Der Mensch, Die Krone Der Schöpfung WABT 23 3 Nachdem der Schöpfer die Erde mit ihrer Vielfalt an Tieren und Pflanzen ins Leben gerufen hatte, stellte er den Menschen, für den die wunderschöne Erde gestaltet worden war, als sein krönendes Werk auf die Bühne. Ihm wurde die Herrschaft über alles, was sein Auge sehen konnte, anvertraut, denn "Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über ... alles ... auf Erden ... Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau" (1. Mose 1,26.27). Die Herkunft der Menschen ist hier genau erklärt. Der göttliche Bericht ist so klar abgefasst, dass kein Anlass zu irrigen Schlussfolgerungen besteht. Gott schuf den Menschen zu seinem eigenen Bild. Da gibt es kein Geheimnis. Es gibt hier auch keinen Grund zu der Annahme, der Mensch habe sich allmählich und in Stufen aus niederen Formen tierischen oder pflanzlichen Lebens entwickelt. Eine solche Lehre rückt das große Werk des Schöpfers auf die Ebene beschränkter menschlicher Vorstellungen. Menschen sind so darauf versessen, Gott von der Herrschaft über das Universum auszuschließen, dass sie lieber sich selbst erniedrigen und sich damit ihres erhabenen Ursprungs berauben. Gott, der die Sternenwelten schuf und den Blumen auf dem Feld mit größter Kunstfertigkeit ihre Farben verlieh, der Himmel und Erde mit den Wundern seiner Macht ausstattete, versäumte es nicht, ein Wesen zu schaffen, das der Hand seines Lebensspenders würdig war. Es sollte sein herrliches Werk krönen und Herrscher dieser schönen Welt sein. Der vom Geist Gottes eingegebene Bericht führt unsere Abstammung nicht auf eine Reihe sich entwickelnder Keime, Weichtiere und Vierfüßler zurück, sondern auf den großen Schöpfer. Obwohl Adam aus "Staub vom Erdboden" gemacht wurde (1. Mose 2,7 Elb.), war er ein Sohn Gottes (vgl. Lukas 3,38). WABT 24 1 Der erste Mensch wurde als Gottes Vertreter über die niedrigeren Lebewesen gesetzt (1. Mose 1,26). Diese können Gottes uneingeschränkte Herrschaft nicht verstehen oder erkennen, doch erhielten sie die Fähigkeit, den Menschen zu lieben und ihm zu dienen. Der Psalmist sagt: "Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan ... die wilden Tiere, die Vögel unter dem Himmel ... und alles, was die Meere durchzieht." (Psalm 8,7-9) WABT 24 2 Der Mensch sollte in seiner äußeren Erscheinung und in seinem Charakter das Bild Gottes tragen. Christus allein ist "das Ebenbild" des "Wesens" des Vaters (Hebräer 1,3), der Mensch aber wurde Gott "ähnlich" geschaffen (1. Mose 1,26a Elb.). Sein Wesen befand sich in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Sein Verstand war in der Lage, göttliche Gedanken zu erfassen. Seine Empfindungen waren rein. Seine Triebe und Neigungen wurden von der Vernunft beherrscht. Er war heilig und glücklich damit, Gottes Bild zu tragen und seinem Willen völlig gehorsam zu sein. WABT 24 3 Als der Mensch aus der Hand seines Schöpfers hervorging, war er von stattlicher Gestalt und vollendeter Harmonie. Sein Gesicht hatte eine frische, gesunde Farbe und strahlte vor Lebensfreude. Adam war viel größer als die Menschen, die heute die Erde bevölkern. Eva war nur wenig kleiner und ebenfalls eine edle Erscheinung von besonderer Schönheit. Das sündlose Paar benötigte keine Kleider, denn ein Lichtgewand, wie es auch die Engel tragen, umgab die beiden, solange sie Gott gehorsam waren. WABT 24 4 Als Adam erschaffen war, wurden ihm alle Lebewesen vorgeführt, um von ihm ihren Namen zu erhalten. Dabei sah Adam, dass jedem eine Gefährtin gegeben war, aber für sich selbst "fand er keine Hilfe, ihm entsprechend" (1. Mose 2,20 Elb.). Unter allen Geschöpfen, die Gott gemacht hatte, war keines dem Menschen gleich. Er sagte: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht." (1. Mose 2,18 Elb.) Der Mensch war nicht geschaffen, um in Einsamkeit zu leben. Er sollte ein geselliges Wesen sein. Ohne Gemeinschaft mit seinesgleichen hätten ihm weder die schönen Landschaften noch die angenehmen Tätigkeiten im Garten Eden vollkommenes Glück beschert. Selbst das Zusammensein mit den Engeln hätte sein Verlangen nach Mitgefühl und Gemeinschaft nicht befriedigt. Es gab niemanden von derselben Art wie er, den er lieben und von dem er geliebt werden konnte. Gott Erschafft Eine Gefährtin WABT 25 1 Gott selbst gab Adam eine Begleiterin, "eine Gefährtin ... die zu ihm passt" (1. Mose 2,18b Hfa). Sie war die passende Begleiterin für ihn und konnte in Liebe und Mitgefühl mit ihm eins sein. Eva wurde aus einer Rippe geschaffen, die aus Adams Seite stammte. Dies bedeutete, dass sie ihn nicht als Haupt beherrschen sollte. Sie durfte aber auch nicht als minderwertig unter seine Füße getreten werden, sondern sollte ihm ebenbürtig zur Seite stehen und von ihm geliebt und beschützt werden. Als Teil des Mannes, als "Bein von [s] einem Bein und Fleisch von [s]einem Fleisch" (1. Mose 2,23a) war sie sein zweites Ich. Dies sollte die innige Verbindung und herzliche Beziehung veranschaulichen, die der Schöpfer für sie geplant hatte. "Denn niemand hat je sein eigenes Fleisch gehasst; sondern er nährt und pflegt es" (Epheser 5,29). "Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch." (1. Mose 2,24) WABT 25 2 Gott stiftete die erste Ehe. Der Schöpfer des Weltalls ist somit der Urheber dieser Einrichtung. "Die Ehe soll in Ehren gehalten werden." (Hebräer 13,4) Sie war eines der ersten Geschenke Gottes an die Menschen. Die Ehe ist eine der beiden Einrichtungen, die Adam mitnehmen konnte, als ihm nach dem Sündenfall die Tore zum Paradies verschlossen blieben. Wenn Gottes Grundsätze in dieser Verbindung anerkannt und befolgt werden, ist die Ehe ein Segen. Sie schützt die Reinheit und das Glück des Menschengeschlechts, stillt die sozialen Bedürfnisse der Menschen und stärkt ihre leibliche, geistige und sittliche Natur. WABT 25 3 "Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte." (1. Mose 2,8) Alles, was Gott geschaffen hatte, war Schönheit in Vollendung. Es schien nichts zu fehlen, was zum Glück des heiligen Paares hätte beitragen können. Doch der Schöpfer gewährte ihnen noch einen weiteren Beweis seiner Liebe. Er schuf für sie einen besonderen Garten als Wohnort. Darin wuchsen Bäume verschiedenster Art. An vielen von ihnen hingen duftende und köstlich schmeckende Früchte. Da gab es liebliche, aufrecht wachsende Weinstöcke. Sie boten ein herrliches Bild, denn ihre Zweige bogen sich unter der Last ihrer schmackhaften Trauben, die in den schönsten Farben prangten. Adam und Eva hatten die Aufgabe, die Äste des Weinstocks so zu formen, dass sie Lauben bildeten. Auf diese Weise machten sie sich eine Wohnung aus lebendem Gehölz, bedeckt mit Blättern und Früchten. Überall wuchsen wohlduftende Blumen jeder Art, die üppig in allen Farben blühten. Mitten im Garten stand der "Baum des Lebens" (1. Mose 2,9b), der alle anderen Bäume an Pracht übertraf. Seine Früchte sahen aus wie Äpfel aus Gold und Silber und hatten die Kraft, das Leben zu erhalten. WABT 26 1 Die Schöpfung war nun vollendet. "So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer." (1. Mose 2,1) "Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut." (1. Mose 1,31) Der Garten Eden stand in voller Blüte. Adam und Eva hatten freien Zugang zum Baum des Lebens. Kein Makel von Sünde und kein Todesschatten trübte die Reinheit der Schöpfung, "als die Morgensterne miteinander jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten" (Hiob 38,7 Elb.). Eine Erinnerung An Die Schöpfung WABT 26 2 Der große Gott hatte nun den Grund der Erde gelegt. Er hatte die Welt in ein herrliches Gewand gekleidet und sie mit allem ausgestattet, was für die Menschen nützlich war, und alle Wunder auf dem Land und im Meer geschaffen. In sechs Tagen wurde das große Schöpfungswerk vollendet. Gott "ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte" (1. Mose 2,2.3). Zufrieden betrachtete Gott das Werk seiner Hände. Alles war vollkommen und seines göttlichen Urhebers würdig. Er ruhte aber nicht, weil er müde war, sondern weil er Wohlgefallen an den Früchten seiner Weisheit und Güte und an den Offenbarungen seiner Herrlichkeit hatte. WABT 26 3 Nachdem Gott am siebenten Tag geruht hatte, heiligte er ihn - das heißt: Er sonderte ihn als Ruhetag für die Menschen von den anderen Tagen ab. Der Mensch sollte dem Beispiel seines Schöpfers folgen und an diesem heiligen Tag ebenfalls ruhen. Beim Betrachten von Himmel und Erde sollte er über Gottes großartiges Schöpfungswerk nachdenken, um die vielen Hinweise auf die Güte und Weisheit Gottes zu erkennen. Dadurch sollte das Herz des Menschen mit Liebe zu Gott und mit Ehrfurcht vor seinem Schöpfer erfüllt werden. WABT 27 1 In Eden setzte Gott seinem Schöpfungswerk ein Denkmal, als er auf den siebenten Tag seinen Segen legte. Der Sabbat wurde Adam als dem Vater und Vertreter der ganzen menschlichen Familie anvertraut. Indem sie ihn beachteten, sollten alle Erdenbewohner dankbar anerkennen, dass Gott ihr Schöpfer und rechtmäßiger Herrscher ist. Sich selbst aber sollten sie als Werk seiner Hände und als Untertanen seiner Herrschaft verstehen. Die Einsetzung des Ruhetages diente damit ganz der Erinnerung und galt für die gesamte Menschheit. Nichts daran war schattenhaft, 5 und er war nicht auf ein bestimmtes Volk beschränkt. WABT 27 2 Gott wusste, dass ein Sabbat selbst im Paradies für den Menschen von besonderer Bedeutung war. An einem von sieben Tagen war es für ihn notwendig, seine eigenen Belange und Beschäftigungen beiseite zu legen, um mehr über Gottes Werke sowie über seine Macht und Güte nachzudenken. Er brauchte einen Sabbat, um sich lebhafter an Gott zu erinnern und seine Dankbarkeit zu wecken, weil alles, was er besaß und ihn erfreute, der wohltätigen Hand des Schöpfers entstammte. WABT 27 3 Es ist Gottes Absicht, dass der Sabbat die Menschen veranlasst, über seine wunderbaren Werke nachzudenken. Die Natur spricht zu ihren Sinnen. Sie bezeugt, dass es einen lebendigen Gott und Schöpfer gibt, den obersten Herrscher aller Dinge. "Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk. Ein Tag sagt's dem andern, und eine Nacht tut's kund der andern." (Psalm 19,2.3) Die Schönheit, mit der die Erde bekleidet ist, ist ein Zeichen der Liebe Gottes. Wir können sie an den ewigen Hügeln, den hohen Bäumen, den aufspringenden Knospen oder den zarten Blumen erkennen. Sie alle erzählen uns von Gott. Der Sabbat weist immer auf den hin, der alles geschaffen hat. Er fordert uns Menschen auf, das großartige Buch der Natur aufzuschlagen und darin die Spuren der Weisheit, der Macht und der Liebe des Schöpfers zu betrachten. Die Erforderliche Treueprüfung WABT 27 4 Obwohl unsere ersten Eltern unschuldig und heilig erschaffen waren, hatten sie doch die Möglichkeit, Unrecht zu tun. Gott schuf sie als sittlich freie Wesen, die die Weisheit und Güte seines Wesens und die Gerechtigkeit seiner Anordnungen erfassen und ihm mit uneingeschränkter Freiheit gehorsam oder ungehorsam sein konnten. Sie sollten sich für immer der Gemeinschaft mit Gott und den heiligen Engeln erfreuen. Doch bevor sie auf ewig [vor Verführung] geschützt werden konnten, musste ihre Treue auf die Probe gestellt werden. Schon gleich zu Beginn seines Daseins wurde der Mensch bezüglich seines Verlangens nach Selbsterhöhung auf die Probe gestellt, jene verhängnisvolle Leidenschaft, die zum Fall Satans geführt hatte. Der "Baum der Erkenntnis", der nicht weit vom Baum des Lebens mitten im Garten stand (1. Mose 2,9b), sollte für unsere ersten Eltern ein Prüfstein ihres Gehorsams, ihres Glaubens und ihrer Liebe sein. Während sie von allen anderen Bäumen uneingeschränkt essen durften, war es ihnen verboten, vom Baum der Erkenntnis zu kosten, wenn sie nicht sterben wollten (vgl. 1. Mose 2,16.17). Sie sollten auch den Versuchungen Satans ausgesetzt sein, aber - wenn sie die Prüfung bestanden - endgültig dessen Macht entzogen werden, um sich der beständigen Gunst Gottes zu erfreuen. WABT 28 1 Als unabdingbare Voraussetzung ihres Daseins stellte Gott die Menschen unter sein Gesetz. Sie waren Untertanen seiner Herrschaft, und keine Regierung kann ohne Gesetze bestehen. Wohl hätte Gott den Menschen auch ohne die Möglichkeit erschaffen können, sein Gesetz zu übertreten; er hätte Adams Hand zurückhalten können, als dieser nach der verbotenen Frucht griff. Der Mensch wäre dann aber kein frei handelndes, sittliches Wesen gewesen, sondern nur ein Roboter. Ohne Entscheidungsfreiheit wäre sein Gehorsam nicht freiwillig, sondern erzwungen und eine Entwicklung des Charakters ausgeschlossen gewesen. Solch ein Vorgehen hätte nicht der Art entsprochen, wie Gott mit den Bewohnern anderer Welten umgeht. Es wäre einem vernunftbegabten Wesen wie dem Menschen unwürdig gewesen und hätte Satans Anschuldigung bestätigt, Gott übe eine Willkürherrschaft aus. WABT 28 2 "Gott hat den Menschen aufrichtig gemacht." (Prediger 7,29) Er verlieh ihm edle Charakterzüge ohne jede Neigung zum Bösen. Er rüstete ihn mit hohen geistigen Fähigkeiten aus und bot ihm allen erdenklichen Anreiz zur Treue. Vollkommener und unwandelbarer Gehorsam war die Bedingung für ewige Glückseligkeit. Unter dieser Voraussetzung konnte dem Menschen Zugang zum Baum des Lebens gewährt werden. Der Garten Eden Als Vorbild WABT 28 3 Das Heim unserer ersten Eltern sollte anderen Familien ein Vorbild sein, wenn sie die Erde bevölkerten. Das erste Zuhause, das Gott mit eigener Hand schmückte, war kein prachtvoller Palast. Die Menschen sind oft stolz auf herrliche und kostspielige Gebäude und rühmen sich ihrer Leistungen. Gott setzte Adam stattdessen in einen Garten. Dieser war sein Zuhause. Der blaue Himmel war das Dach dieser Wohnung, die Erde mit ihren zarten Blumen ihr Teppich aus lebendigem Grün, und die belaubten Zweige der stattlichen Bäume bildeten den Baldachin. Ihre Wände waren mit dem herrlichsten Schmuck behängt, dem Werk des größten Meisters und Künstlers. Die Umgebung, die dem heiligen Paar gegeben war, enthielt eine Lehre für alle Zeiten: Wahres Glück findet man nicht in Stolz und Luxus, sondern in der Gemeinschaft mit Gott durch seine geschaffenen Werke. Würden die Menschen weniger Wert auf künstliche Dinge legen und größere Einfachheit anstreben, entsprächen sie weit mehr den Absichten, die Gott mit ihrer Schöpfung verfolgt hat. Stolz und Ehrgeiz können niemals befriedigt werden, aber wirklich weise Menschen suchen das Glück an Orten, die Gott allen zugänglich gemacht hat. Dort werden sie wahre und dauerhafte Freude finden. Arbeit, Pflege Und Studium WABT 29 1 Den Bewohnern von Eden war die Pflege des Gartens anvertraut worden, damit sie ihn bebauten und bewahrten (vgl. 1. Mose 2,15b). Ihre Beschäftigung war nicht ermüdend, sondern angenehm und stärkend. Gott setzte die Arbeit zum Segen für den Menschen ein, um seinen Geist zu beschäftigen, seinen Körper zu stärken und seine Fähigkeiten zu entwickeln. In der geistigen und körperlichen Betätigung erfuhr Adam eine der höchsten Freuden seines noch unverdorbenen Lebens. Als er infolge seines Ungehorsams aus seinem schönen Heim vertrieben wurde, war er gezwungen, einem harten Boden das tägliche Brot abzuringen (vgl. 1. Mose 3,17b). Obwohl sich diese Arbeit stark von der angenehmen Betätigung im Garten Eden unterschied, war sie ein Schutz gegen Versuchungen und zugleich eine Quelle des Glücks. Wer Arbeit als Fluch ansieht, weil sie anstrengt und uns ermüdet, der irrt. Reiche Menschen betrachten die körperlich Arbeitenden oft mit Verachtung. Das steht aber ganz im Widerspruch zur Absicht, die Gott bei der Erschaffung des Menschen hegte. Was sind schon die Besitztümer selbst der Reichsten im Vergleich zum Erbe, das Gott dem stattlichen Adam anvertraut hat? Doch Adam sollte nicht untätig sein. Unser Schöpfer, der genau weiß, was für das Glück der Menschen wichtig ist, teilte Adam die Arbeit zu. Wahre Lebensfreude finden nur arbeitsame Männer und Frauen. Auch die Engel sind fleißige Arbeiter. Im Auftrag Gottes dienen sie den Menschen (vgl. Hebräer 1,14). Der Schöpfer hat für Bequemlichkeit und Trägheit keinen Platz vorgesehen. WABT 30 1 Solange Adam und seine Gefährtin Gott treu blieben, übten sie die Herrschaft über die Erde und eine unbegrenzte Kontrolle über alle Lebewesen aus. Löwe und Lamm tummelten sich friedlich in ihrer Nähe oder legten sich zusammen zu ihren Füßen. Vögel flogen furchtlos um sie herum. Wenn ihr frohes Gezwitscher als Lobpreis zu ihrem Schöpfer aufstieg, stimmten auch Adam und Eva in ihr Dankeslied an den Vater und den Sohn mit ein. WABT 30 2 Die ersten Menschen waren nicht nur umsorgte Kinder ihres himmlischen Vaters, sondern auch Schüler, die von einem allweisen Schöpfer unterrichtet wurden. Sie erhielten Besuch von Engeln und erfreuten sich des Umgangs mit ihrem Schöpfer von Angesicht zu Angesicht. Sie strotzten vor Lebenskraft, die ihnen der Baum des Lebens verlieh, und ihre intellektuellen Fähigkeiten waren kaum geringer als die der Engel. Die Geheimnisse des sichtbaren Universums - "die Wunderwerke dessen, der an Erkenntnis vollkommen ist" (Hiob 37,16 Elb.) - bildeten für sie eine unerschöpfliche Quelle der Belehrung und der Freude. Die Naturgesetze und die damit verbundenen Abläufe, die seit 6000 Jahren 6 Gegenstand des menschlichen Studiums sind, wurden ihnen durch den unendlichen Schöpfer und Erhalter aller Dinge erschlossen. Sie lauschten der Sprache der Blätter, Blumen und Bäume und erfuhren von jedem die Geheimnisse ihres Lebens. Adam war mit allen Lebewesen vertraut, angefangen vom mächtigen "Leviathan" im Wasser (Hiob 40,25) bis zum winzigen Insekt, das in den Sonnenstrahlen spielte. Allen hatte er ihre Namen gegeben, er war mit ihrer Art und ihren Gewohnheiten vertraut. Gottes Herrlichkeit am Himmel, die zahllosen Welten auf ihren geordneten Bahnen, das Schweben der Wolken (vgl. Hiob 37,16), die Geheimnisse des Lichts und des Schalls, des Tages und der Nacht: Alles stand unseren Voreltern zum Studium offen. Auf jedem Blatt im Wald, auf jedem Stein der Berge, in jedem leuchtenden Stern, auf der Erde, in der Luft und am Himmel stand Gottes Name geschrieben. Die Ordnung und Harmonie der Schöpfung erzählte ihnen von unendlicher Weisheit und Macht. Ständig entdeckten sie Neues, das sie mit tieferer Liebe und immer neuer Dankbarkeit erfüllte. WABT 30 3 Solange sie dem Gesetz Gottes gehorsam blieben, würde ihre Fähigkeit, zu lernen, zu genießen und zu lieben, ständig zunehmen. Unaufhörlich würden sie neue Schätze an Erkenntnis gewinnen, frische Quellen des Glücks entdecken und immer klarere Vorstellungen von der unerschöpflichen und unwandelbaren Liebe Gottes bekommen. ------------------------Kapitel 3 - Die Versuchung Und Der Sündenfall WABT 31 0 1. Mose 3. WABT 31 1 Da Satan nicht länger einen Aufruhr im Himmel verursachen konnte, fand er in seiner Feindschaft gegen Gott ein neues Betätigungsfeld, indem er das Verderben des Menschengeschlechts plante. Im Glück und Frieden des heiligen Paares in Eden sah er, welche Glückseligkeit er für immer verloren hatte. Von Neid getrieben, beschloss er, die Menschen zum Ungehorsam zu verleiten, um die Schuld und Bestrafung für ihre Sünde über sie zu bringen. Ihre Liebe wollte er in Misstrauen und ihre Loblieder in Vorwürfe gegen ihren Schöpfer verwandeln. Auf diese Weise würde er nicht nur diese unschuldigen Wesen in das gleiche Elend stürzen, das er selbst zu tragen hatte, sondern auch Gott entehren und im Himmel Trauer verursachen. WABT 31 2 Unsere ersten Eltern wurden vor der drohenden Gefahr gewarnt. Himmlische Boten schilderten ihnen, wie es zu Satans Fall gekommen war, und setzten sie über seine Vernichtungsabsichten in Kenntnis. Sie vermittelten ihnen tiefere Einblicke in das Wesen von Gottes Herrschaft, die der Fürst des Bösen stürzen wollte. Aus Ungehorsam gegenüber den gerechten Geboten Gottes waren Satan und seine Anhänger zu Fall gekommen. Deshalb war es besonders wichtig, dass Adam und Eva dieses Gesetz in Ehren hielten, durch das allein Recht und Ordnung aufrechterhalten werden konnte. Die Rolle Des Gesetzes Gottes WABT 31 3 Gottes Gesetz ist so heilig wie er selbst. Es ist eine Offenbarung seines Willens, eine Umschreibung seines Charakters, der Ausdruck göttlicher Liebe und Weisheit. Die Harmonie der Schöpfung ist dann gegeben, wenn alle Wesen, alles, was belebt oder unbelebt ist, mit dem Gesetz des Schöpfers vollkommen übereinstimmen. Die Gesetze, die Gott für das Funktionieren seiner Regierung erlassen hat, regeln nicht nur das Zusammenleben der Lebewesen, sondern betreffen auch alle Abläufe in der Natur. Alles unterliegt feststehenden Gesetzen, die nicht missachtet werden können. Während alles in der Natur nach den Naturgesetzen abläuft, ist von allen Lebewesen auf der Erde allein der Mensch dem Moralgesetz unterworfen. Nur dem Menschen als Krone der Schöpfung hat Gott die Fähigkeit verliehen, seine Anweisungen zu verstehen und die Gerechtigkeit und den Nutzen des Gesetzes zu begreifen. Deshalb verlangt Gott von ihm auch unerschütterlichen Gehorsam. WABT 32 1 Wie für die Engel gab es auch für die Bewohner von Eden eine Probezeit. Ihr Zustand der Glückseligkeit konnte nur bewahrt werden, wenn sie dem Gesetz des Schöpfers die Treue hielten. Sie konnten gehorchen und am Leben bleiben, oder ungehorsam sein und sterben. Gott hatte seinen reichen Segen über sie ausgegossen. Sollten sie aber seinen Willen missachten, könnte er sie ebenso wenig verschonen wie die Engel, die gesündigt hatten. Durch eine Gesetzesübertretung würden sie Gottes Gaben verlieren und ihr Elend und ihr Verderben herbeiführen. WABT 32 2 Die Engel forderten die ersten Menschen eindringlich auf, sich vor Satans Täuschungen zu hüten, denn er werde nicht müde werden, sie zu umgarnen. Solange sie jedoch Gott gehorsam blieben, könne ihnen der Böse nichts anhaben. Im Notfall würden ihnen Engel vom Himmel zu Hilfe gesandt. Wenn sie seine ersten Einflüsterungen standhaft zurückwiesen, wären sie ebenso sicher wie die himmlischen Boten. Gäben sie aber der Versuchung nur ein einziges Mal nach, würde ihre Natur so verdorben, dass sie weder die Kraft hätten, noch dazu geneigt wären, Satan zu widerstehen. WABT 32 3 Der Baum der Erkenntnis war der Prüfstein ihres Gehorsams und ihrer Liebe zu Gott. Der Herr hatte es für gut befunden, ihnen nur ein einziges Verbot aufzuerlegen. Alles andere im Garten stand ihnen frei zur Verfügung. Sollten sie seinen Willen aber in diesem einen Punkt missachten, würden sie die Schuld dieser Übertretung auf sich laden. Satan durfte sie nicht fortwährend und überall in Versuchung führen; nur am verbotenen Baum konnte er sich ihnen nähern. Wenn sie versuchen sollten, die Natur dieses Baumes zu erforschen, wären sie seiner Tücke ausgesetzt. Sie wurden ermahnt, Gottes Warnung sorgfältig zu beachten und sich mit den Anweisungen zu begnügen, die ihnen Gott hatte zuteilwerden lassen. Die Schliche Satans WABT 32 4 Um sein Vorhaben unbemerkt umzusetzen, beschloss Satan, sich der Schlange als Werkzeug zu bedienen. Diese Tarnung passte ausgezeichnet zu seinem Täuschungsmanöver. Die Schlange war damals eines der klügsten und schönsten Geschöpfe auf der Erde. Sie besaß Flügel, und wenn sie durch die Lüfte flog, sah sie gleißend hell aus, denn ihre Farbe hatte die Leuchtkraft polierten Goldes. Sie ließ sich auf den reich beladenen Zweigen des verbotenen Baumes nieder und labte sich an seinen köstlichen Früchten. Sie war eine Erscheinung, die die Aufmerksamkeit eines Betrachters fesselte und mit Freude anzusehen war. So lauerte der Verderber im friedlichen Garten und wartete auf seine Beute. WABT 33 1 Die Engel hatten Eva davor gewarnt, sich bei ihrer täglichen Arbeit im Garten von ihrem Mann zu trennen. Mit ihm zusammen wäre sie in geringerer Gefahr, versucht zu werden, als allein. Aber in ihre angenehme Arbeit vertieft, merkte sie nicht, wie sie sich unbewusst von seiner Seite entfernte. Als sie bemerkte, dass sie allein war, ahnte sie eine Gefahr, doch sie verdrängte dieses Gefühl und war überzeugt, weise und stark genug zu sein, um das Böse zu erkennen und ihm zu widerstehen. Ungeachtet der Warnung der Engel fand sie sich unversehens staunend und mit einer Mischung aus Neugier und Bewunderung vor dem verbotenen Baum. Die Frucht war sehr schön, und Eva fragte sich, warum Gott sie ihnen wohl vorenthalte. Das war die Gelegenheit für den Versucher. Als ob er wüsste, was sich in ihren Gedanken abspielte, sprach er sie an: "Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?" (1. Mose 3,1b) Eva war überrascht und erschrocken, als sie anscheinend das Echo ihrer eigenen Gedanken hörte. Mit ihrer melodischen Stimme sprach die Schlange weiter und lobte mit schmeichelnden Worten Evas außerordentliche Schönheit. Das gefiel Eva. Statt den Ort fluchtartig zu verlassen, zögerte sie, denn sie war erstaunt, eine Schlange sprechen zu hören. Hätte sie ein Wesen angesprochen, das den Engeln gleich war, hätte sie Angst bekommen. So aber dachte sie nicht im Traum daran, dass diese bezaubernd aussehende Schlange das Werkzeug des gefallenen Feindes sein könnte. WABT 33 2 Auf die verführerische Frage des Versuchers erwiderte sie: "Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!" Da sprach die Schlange zu Eva: "Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: An dem Tag, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." (1. Mose 3,2-5) WABT 33 3 Würden sie von diesem Baum essen - so erklärte die Schlange -, könnten sie eine höhere Stufe ihres Daseins erreichen und in ein umfassenderes Wissensgebiet vordringen. Sie selbst habe von der verbotenen Frucht gegessen und als Ergebnis die Sprechfähigkeit erlangt. Auch deutete die Schlange an, Gott enthalte ihnen die Frucht nur aus Eifersucht vor, damit sie nicht zur Gottgleichheit gelangten. Nur wegen der wunderbaren Eigenschaften dieser Frucht, die Weisheit und Macht verleihen könne, habe Gott ihnen verboten, von ihr zu kosten oder sie auch nur anzufassen. Der Versucher gab zu verstehen, dass sich Gottes Warnung in Wirklichkeit nicht erfüllen werde. Sie habe nur den Zweck, die beiden einzuschüchtern. Wie sollte es möglich sein, dass sie sterben? Hatten sie nicht vom Baum des Lebens gegessen? Gott wolle sie nur daran hindern, sich weiterzuentwickeln und zu größerem Glück zu gelangen. WABT 34 1 Auf die gleiche Weise arbeitet Satan seit den Tagen Adams bis auf den heutigen Tag - und das mit großem Erfolg. Er verleitet die Menschen dazu, Gottes Liebe und Weisheit zu misstrauen. Ständig will er zu respektloser Neugier anstacheln, zu einem ruhelosen, wissbegierigen Verlangen, in die Geheimnisse göttlicher Macht und Weisheit einzudringen. In ihrem Bemühen, herauszufinden, was ihnen Gott in seiner Weisheit alles vorenthalten hat, übersieht eine Vielzahl von Menschen die wichtigen Wahrheiten, die er für ihre Erlösung offenbart hat. Satan verführt Menschen zum Ungehorsam, indem er sie zur Ansicht verleitet, dass vor ihnen ein weites Gebiet voll neuer Erkenntnisse liege. Aber das ist alles Täuschung. Von solchen Fortschrittsgedanken ermutigt, treten Menschen Gottes Gebote mit Füßen und schlagen Wege ein, die nur in Erniedrigung und in den Tod führen. WABT 34 2 Satan täuschte dem heiligen Paar vor, es könne durch die Übertretung des Gesetzes Gottes nur gewinnen. Hören wir heutzutage nicht ähnliche Argumente? Viele reden von der Engstirnigkeit derer, die Gottes Gebote befolgen. Sie behaupten, weniger einengende Wege zu kennen und größere Freiheiten zu genießen. Klingt das nicht wie ein Echo der Stimme aus Eden: "An dem Tage, da ihr davon esst" - das Gebot Gottes übertretet - werdet ihr "sein wie Gott"? Satan behauptete, der Genuss der verbotenen Frucht habe ihm sehr viel Gutes gebracht. Dabei verschwieg er allerdings, dass er wegen seiner Übertretung ein Geächteter des Himmels war. Obwohl er erlebt hatte, dass die Sünde in einen unersetzlichen Verlust mündete, verheimlichte er sein eigenes Elend, um andere mit hineinzuziehen. So versuchen auch die heutigen Gesetzesübertreter, ihren wahren Charakter zu verbergen. Sie mögen vorgeben, ein geheiligtes Leben zu führen, aber ihr hoher Anspruch macht sie als Betrüger umso gefährlicher. Sie stehen auf der Seite Satans, treten Gottes Gesetz mit Füßen und verleiten andere dazu, das Gleiche zu tun. Das alles aber treibt sie in ihr ewiges Verderben. Evas Mangelndes Vertrauen Führt Ins Verderben WABT 35 1 Eva glaubte wirklich den Worten Satans, doch ihr Glaube bewahrte sie nicht vor der Strafe für die Sünde. Den Worten Gottes misstraute sie, und das führte zu ihrem Fall. Im Gericht Gottes werden Menschen nicht deshalb verurteilt werden, weil sie bewusst einer Lüge geglaubt haben, sondern weil sie die Wahrheit abgelehnt oder die Gelegenheit versäumt haben, diese kennenzulernen. Ungehorsam Gott gegenüber ist immer unheilvoll, auch wenn Satan auf spitzfindige Weise das Gegenteil behauptet. Wir müssen darauf bedacht sein, die Wahrheit zu erkennen. Alle Lektionen, die Gott in seinem Wort festhalten ließ, sollen uns als Warnung und Belehrung dienen. Sie wurden gegeben, um uns vor Täuschungen zu schützen. Wenn wir sie vernachlässigen, wird uns das ins Verderben führen. Alles, was dem Wort Gottes widerspricht, kommt von Satan - dessen können wir sicher sein. WABT 35 2 Die Schlange pflückte eine Frucht vom verbotenen Baum und legte sie der noch zögernden Eva in die Hände. Dann erinnerte Satan sie an ihre eigenen Worte, dass Gott ihnen verboten habe, die Frucht zu berühren; sonst würden sie sterben. Er behauptete, der Verzehr der Frucht werde ihr nicht mehr schaden als die Berührung. Da Eva bisher keine schlimmen Folgen ihres Tuns wahrnahm, wurde sie kühner. "Die Frau sah den Baum an: Seine Früchte mussten köstlich schmecken, sie anzusehen war eine Augenweide, und es war verlockend, dass man davon klug werden sollte! Sie nahm von den Früchten und aß." (1. Mose 3,6 GNB) Sie schmeckten angenehm, und während sie aß, schien es Eva, als verspürte sie eine belebende Kraft. Sie bildete sich ein, eine höhere Stufe ihres Seins zu erreichen. Ohne Angst pflückte sie und aß. Und nun, nachdem sie selbst das Gebot übertreten hatte, wurde sie zum Werkzeug Satans, um auch ihren Mann ins Verderben zu ziehen. In einem Zustand seltsamer, unnatürlicher Erregung - ihre Hände gefüllt mit den verbotenen Früchten - lief sie zu Adam und berichtete ihm, was vorgefallen war. Auch Adam Versagt WABT 35 3 In Adams Gesicht trat ein Ausdruck von Trauer. Er wirkte erstaunt und besorgt zugleich. Auf Evas Worte entgegnete er, dass dies der Feind gewesen sein müsse, vor dem sie gewarnt worden waren. Nach göttlichem Urteil werde sie nun sterben müssen. Als Antwort darauf drängte sie ihn, auch zu essen, und wiederholte die Worte der Schlange, dass sie keineswegs sterben müssten. Sie argumentierte, dass dies wahr sein müsse, denn sie fühle keinen Hinweis auf Gottes Missfallen. Im Gegenteil, sie verspüre eine wunderbare, anregende Wirkung, die alle ihre Fähigkeiten neu belebe. Ihrer Meinung nach war dies die Kraft, die auch die himmlischen Boten erfülle. WABT 36 1 Adam begriff, dass seine Gefährtin Gottes Gebot übertreten hatte - das einzige Verbot, das ihnen als Prüfstein ihrer Liebe und Treue auferlegt worden war. Ein furchtbares Ringen fand in seinem Herzen statt. Er bedauerte, dass er Eva von seiner Seite hatte weichen lassen. Aber nun war die Tat geschehen; nun würde er von ihr getrennt werden - von ihr, deren Gesellschaft doch seine ganze Freude gewesen war. Wie sollte er damit fertig werden? Adam hatte sich der Gesellschaft Gottes und seiner heiligen Engel erfreut; er hatte die Herrlichkeit seines Schöpfers geschaut; ihm war die hohe Bestimmung bewusst, die den Menschen zugedacht war, wenn sie Gott treu blieben. Doch aus lauter Angst, das eine Geschenk zu verlieren, das seiner Ansicht nach alles an Wert übertraf, verlor er die anderen Segnungen aus den Augen. Liebe, Dankbarkeit und Treue dem Schöpfer gegenüber - das alles wurde von der Liebe zu Eva überlagert. Sie war ein Teil von ihm, und der Gedanke an eine Trennung von ihr war ihm unerträglich. Er machte sich nicht bewusst, dass dieselbe unendliche Macht, die ihn aus Erdenstaub zu einer lebendigen, schönen Gestalt erschaffen und ihm aus Liebe eine Gefährtin gegeben hatte, ihm einen Ersatz für sie schaffen konnte. Er entschied sich, Evas Schicksal zu teilen. Wenn sie sterben musste, würde er mit ihr sterben. Könnten die Worte der klugen Schlange nicht doch wahr sein?, überlegte er. Eva stand so schön und scheinbar unschuldig vor ihm wie vor ihrem Ungehorsam. Sie verhielt sich zu ihm noch liebevoller als zuvor. Kein Anzeichen des Todes war an ihr festzustellen. Da beschloss er, die Folgen auf sich zu nehmen. Er griff nach der Frucht und verzehrte sie hastig. WABT 36 2 Nach seiner Übertretung dachte auch Adam zuerst, er habe eine höhere Daseinsstufe erreicht. Doch schon bald erfüllte ihn der Gedanke an seine Sünde mit Entsetzen. Die Luft, die bis dahin mild und gleichmäßig warm war, ließ das schuldige Paar erschauern. Die Liebe und der Friede, die sie bisher besaßen, waren dahin. Stattdessen spürten sie etwas von der Sünde, empfanden Angst vor der Zukunft und fühlten sich innerlich entblößt. Das Lichtgewand, das sie umgeben hatte, verschwand. Um es zu ersetzen, wollten sie etwas herstellen, mit dem sie sich bedecken konnten, denn unbekleidet konnten sie Gott und den heiligen Engeln nicht unter die Augen treten. WABT 36 3 Nun fingen sie an, das wahre Wesen ihrer Sünde zu erkennen. Adam machte seiner Gefährtin Vorwürfe. Es sei eine Torheit gewesen, sich von ihm zu entfernen und sich von der Schlange umgarnen zu lassen. Doch dann beruhigten sie sich damit, dass ihnen Gott, von dem sie in der Vergangenheit so viele Liebesbeweise erhalten hatten, diese eine Übertretung verzeihen oder sie nicht so schwer bestrafen würde, wie sie zunächst befürchtet hatten. WABT 37 1 Satan brach über seinen Erfolg in Jubel aus. Er hatte die Frau dazu verleiten können, der Liebe Gottes zu misstrauen, seine Weisheit anzuzweifeln und sein Gebot zu übertreten. Und durch sie war es ihm auch gelungen, Adam zu Fall zu bringen. Die Folgen Der Übertretung WABT 37 2 Aber der große Gesetzgeber war schon im Begriff, Adam und Eva die Folgen ihrer Übertretung klarzumachen. Seine göttliche Gegenwart war im Garten spürbar. Im Zustand der Unschuld und Heiligkeit hatten sie die Begegnung mit ihrem Schöpfer freudig begrüßt. Nun flohen sie aus Angst und versuchten, sich in den tiefsten Winkeln des Gartens zu verbergen. Aber "Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?" (1. Mose 3,9-11) WABT 37 3 Adam konnte seine Sünde weder leugnen noch entschuldigen. Doch statt Reue zu zeigen, versuchte er, die Schuld auf seine Frau und damit auf Gott selbst abzuwälzen: "Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß." (1. Mose 3,12) Eben noch hatte er aus Liebe zu Eva Gottes Wohlgefallen, sein Heim im Paradies und ein ewiges, glückliches Leben aus freien Stücken aufgegeben. Doch nun, nach seinem Sündenfall, machte er seine Gefährtin und sogar den Schöpfer selbst für seine Übertretung verantwortlich. So furchtbar ist die Macht der Sünde! WABT 37 4 Als die Frau gefragt wurde: "Warum hast du das getan?", antwortete sie: "Die Schlange betrog mich, sodass ich aß." (1. Mose 3,13) "Warum hast du die Schlange erschaffen? Warum hast du ihr erlaubt, Eden zu betreten?", waren die Fragen, die sich in Evas Entschuldigung für ihre Sünde verbargen. Damit versuchte sie ebenso wie Adam, Gott die Verantwortung für ihren Fall anzulasten. Der Geist der Selbstrechtfertigung hat seinen Ursprung im Vater der Lüge. Unsere ersten Eltern gaben sich diesem Geist hin, sobald sie dem Einfluss Satans erlegen waren, und seitdem haben alle Nachkommen Adams denselben Geist an den Tag gelegt. Statt ihre Sünden demütig zu bekennen, versuchen sie, sich zu verteidigen und ihre Schuld auf andere zu schieben, auf die Umstände oder gar auf Gott. Dabei nehmen sie sogar seine Segnungen zum Anlass, um sich bei ihm zu beklagen. WABT 38 1 Dann fällte der Herr das Urteil über die Schlange: "Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Feld. Auf deinem Bauch sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang." (1. Mose 3,14) Da die Schlange Satan als Werkzeug gedient hatte, wurde auch sie von Gottes Urteil getroffen. War sie vorher das schönste Geschöpf des Feldes gewesen, das am meisten bewundert wurde, sollte sie nun zum niedrigsten und verachtetsten werden, zu einem Lebewesen, das Menschen und Tiere fürchten und verabscheuen. Die nächsten Worte an die Schlange bezogen sich auf Satan selbst und wiesen auf seine endgültige Niederlage und Vernichtung hin: "Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen." (1. Mose 3,15) WABT 38 2 Eva erfuhr von Schmerzen und Leiden, die sie künftig ertragen müsse. Der Herr sagte zu ihr: "Dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein." (1. Mose 3,16) Bei der Erschaffung hatte Gott sie Adam gleichgestellt. Wären beide Gott gehorsam geblieben - in Übereinstimmung mit seinem großen Gesetz der Liebe -, hätte zwischen ihnen stets Harmonie geherrscht. Aber die Sünde brachte Uneinigkeit. Nun konnten ihre Verbindung und die Eintracht zwischen ihnen nur durch die Unterordnung des einen Teils unter den anderen bewahrt werden. Eva hatte als Erste das Verbot übertreten. Sie hatte sich der Versuchung ausgesetzt, weil sie sich von ihrem Gefährten entgegen der göttlichen Anordnung getrennt hatte. Auf ihre Anstiftung hin hatte auch Adam gesündigt. Nun wurde sie ihrem Mann untergeordnet. Hätte das schuldig gewordene Menschengeschlecht die Grundsätze beachtet, die im göttlichen Gesetz verankert sind, hätte dieses Urteil der Menschheit zum Segen werden können, auch wenn es aus den Folgen der Sünde erwachsen ist. Aber der Mann missbrauchte die Vormachtstellung, die ihm auf diese Weise gegeben wurde, und machte das Los der Frau äußerst bitter und ihr Leben zu einer Last. WABT 38 3 Eva war im Garten Eden, ihrem Zuhause, an der Seite ihres Mannes vollkommen glücklich gewesen. Aber wie die ruhelosen Evas der Gegenwart fühlte sie sich von der Hoffnung geschmeichelt, in einen höheren Bereich aufzusteigen als den, den Gott für sie bestimmt hatte. Als sie versuchte, sich über ihre ursprüngliche Stellung zu erheben, fiel sie umso tiefer. Ähnliche Folgen werden auch jene tragen müssen, die ihre täglichen Pflichten nicht froh erfüllen, wie es Gottes Absicht entspricht. Viele bemühen sich, Stellungen zu erreichen, für die Gott sie nicht ausgestattet hat, und verlassen den Platz, an dem sie ein Segen sein könnten. Dem Verlangen nach einem größeren Einflussbereich opferte schon so manche Frau ihre weibliche Würde und ihre edlen Charakterzüge und vernachlässigte dabei die Aufgabe, für die sie vom Himmel bestimmt ist. WABT 39 1 Zu Adam sprach der Herr: "Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen - verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Feld essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden." (1. Mose 3,17-19) WABT 39 2 Es war nicht der Wille Gottes, dass das sündlose Paar Erfahrungen mit dem Bösen machte. Großzügig hatte er die beiden mit Gutem überhäuft und ihnen das Böse vorenthalten. Aber sie hatten entgegen seinem Gebot vom verbotenen Baum gegessen. Ab jetzt würden sie immer wieder davon "essen", denn ihr Leben lang würden sie nun wissen, was böse ist. Von nun an wurden die Menschen von Satans Versuchungen geplagt. Statt froh und glücklich ihrer Arbeit nachzugehen, wie Gott es vorgesehen hatte, waren jetzt Sorgen und Mühen ihr Los. Sie sollten Enttäuschungen, Kummer und Schmerzen erfahren und schließlich den Tod. Tod Und Verderben Halten Einzug WABT 39 3 Unter dem Fluch der Sünde sollte nun auch die gesamte Natur dem Menschen das Wesen und die Folgen seiner Rebellion gegen Gott vor Augen halten. Als Gott den Menschen schuf, setzte er ihn zum Herrscher über die Erde und über alle Lebewesen ein (vgl. 1. Mose 1,28). Solange Adam Gott gehorsam blieb, war ihm die ganze Natur untertan. Als er aber gegen Gottes Gesetz verstieß, lehnten sich die niederen Lebewesen gegen Adams Herrschaft auf. Dadurch wollte Gott in seiner großen Barmherzigkeit den Menschen zeigen, dass sein Gesetz heilig ist. Aus eigener Erfahrung sollten sie erkennen, wie gefährlich es ist, seine Gebote - selbst im Kleinsten - zu missachten. WABT 39 4 Auch ein Leben voller Mühe und Sorgen, das künftig das Los der Menschen war, hatte ihnen Gott aus Liebe verordnet. Es war eine Erziehungsmaßnahme, die wegen der Sünde erforderlich war, damit die Begierden und Leidenschaften im Zaum gehalten und Gewohnheiten der Selbstbeherrschung entwickelt wurden. All dies gehörte zu Gottes großem Plan, die Menschen aus Erniedrigung und Verderben zu retten. WABT 39 5 Die Warnung an das erste Menschenpaar, "an dem Tag, da du davon isst, musst du sterben" (1. Mose 2,17b Elb.), bedeutete nicht, dass die beiden an dem Tag den Tod finden würden, an dem sie von der verbotenen Frucht aßen. Vielmehr wurde an jenem Tag das unwiderrufliche Urteil verhängt. Die Unsterblichkeit war ihnen nur unter der Bedingung des Gehorsams zugesagt worden. Durch Übertretung verwirkten sie das ewige Leben. Genau von dem Tag an steuerten sie unweigerlich auf den Tod zu. WABT 40 1 Um ewig leben zu können, hätte der Mensch auch weiterhin vom Baum des Lebens essen müssen (vgl. 1. Mose 3,22b). Ohne dessen Frucht würde seine Lebenskraft allmählich abnehmen, bis sein Leben erlosch. Es war Satans Plan, dass sich Adam und Eva durch Ungehorsam Gottes Missfallen zuziehen sollten. Er hoffte, sie würden danach wieder vom Baum des Lebens essen und dadurch - wenn sie keine Vergebung erhielten - ihr Leben in Sünde und Elend ewig aufrechterhalten. Aber unmittelbar nach dem Sündenfall beauftragte Gott heilige Engel, den Baum des Lebens zu bewachen. Um diese Engel zuckten blitzende Lichter, die wie funkelnde Schwerter aussahen (vgl. 1. Mose 3,24). Niemand aus Adams Familie durfte diese Schranke überschreiten, um die Leben spendende Frucht zu essen. Deshalb gibt es keinen unsterblichen Sünder. Gottes Gesetz Kann Nicht Ungestraft Übertreten Werden WABT 40 2 Viele halten die Flut der Leiden, die aus der Übertretung unserer ersten Eltern hervorging, für eine zu schreckliche Folge einer eher unbedeutenden Sünde und zweifeln an Gottes Weisheit und Gerechtigkeit im Umgang mit den Menschen. Würden sie sich aber eingehender mit dieser Frage befassen, könnten sie ihren Irrtum erkennen. Gott schuf den Menschen nach seinem eigenen Bild, frei von Sünde. Die Erde sollte mit Geschöpfen bevölkert werden, die nur wenig niedriger waren als die Engel. Aber ihr Gehorsam musste auf die Probe gestellt werden, denn Gott konnte nicht erlauben, dass die Erde von Wesen bewohnt wird, die sein Gesetz missachten. Aufgrund der großen Barmherzigkeit Gottes musste sich Adam jedoch keiner harten Prüfung unterziehen. Doch gerade das einfache Verbot machte seine Sünde so überaus schwerwiegend. Wenn Adam nicht einmal die leichteste Prüfung bestehen konnte, hätte er auch keine schwerere Belastung gemeistert, wenn ihm größere Verantwortung übertragen worden wäre. WABT 40 3 Wäre Adam andererseits einer schweren Prüfung unterzogen worden, dann hätten Menschen, die zum Bösen neigen, ihre Missetaten mit den Worten gerechtfertigt: "Es handelt sich hier nur um eine geringfügige Sache. Gott nimmt es mit den kleinen Dingen nicht so genau." Auf diese Weise gäbe es ständig kleine Übertretungen, die bei uns Menschen meist ungestraft durchgehen. Aber der Herr hat klargestellt, dass ihm jede Art von Sünde ein Gräuel ist. WABT 41 1 Für Eva schien es eine Kleinigkeit zu sein, aus Ungehorsam gegenüber Gott die verbotene Frucht zu essen und auch ihren Mann zum Ungehorsam zu verleiten. Aber ihre Sünde öffnete die Schleusentore der Leiden, die nun in die Welt strömen. Wer kann im Augenblick der Versuchung die schrecklichen Folgen ermessen, die ein einziger Fehltritt nach sich zieht? WABT 41 2 Viele, die lehren, Gottes Gesetz sei für die Menschen nicht bindend, behaupten, dass man die Gebote unmöglich befolgen könne. Wenn das wahr wäre, muss man fragen, warum dann Adam für seine Übertretung bestraft wurde. Die Sünde unserer Voreltern brachte Schuld und Kummer über die Welt. Ohne die Güte und Gnade Gottes hätte die Sünde die Menschheit in hoffnungslose Verzweiflung gestürzt. Niemand soll sich in diesem Punkt täuschen. "Denn der Lohn der Sünde ist der Tod." (Römer 6,23 Elb.) Das Gesetz Gottes kann heute genauso wenig ungestraft übertreten werden wie damals, als über den Vater der Menschheit das Urteil gesprochen wurde. WABT 41 3 Nach ihrer Sünde durften Adam und Eva nicht länger in Eden wohnen. Sie baten sehr darum, im Heim ihrer Unschuld und Freude bleiben zu dürfen. Sie sahen ein, dass sie jedes Recht darauf verwirkt hatten, und gelobten für die Zukunft unbedingten Gehorsam gegenüber Gott. Ihnen wurde jedoch mitgeteilt, dass ihre Natur durch die Sünde verdorben sei. Sie hätten ihre Widerstandskraft gegen das Böse zu sehr geschwächt und Satan den Weg geöffnet, um leichter Zugang zu ihnen zu bekommen. In ihrer Unschuld hätten sie schon der Versuchung nachgegeben; nun, im Zustand bewusster Schuld, würden sie noch weniger Kraft besitzen, um standhaft zu bleiben. WABT 41 4 Demütig und unsagbar traurig sagten sie ihrem schönen Zuhause Lebewohl und gingen fort, um eine Erde zu bewohnen, die nun unter dem Fluch der Sünde stand. Die Lufthülle, die einst eine so milde und gleichmäßige Temperatur gewährleistet hatte, war nun großen Schwankungen unterworfen. Weil Gott Mitleid mit den Menschen hatte, versorgte er sie mit Kleidung aus Fellen (1. Mose 3,21), um sie vor extremer Hitze und Kälte zu schützen. WABT 41 5 Als Adam und seine Gefährtin an welkenden Blumen und fallenden Blättern die ersten Zeichen der Vergänglichkeit wahrnahmen, war ihre Trauer darüber tiefer als unsere heutige Klage über den Tod eines Angehörigen. Der Zerfall der zarten, zerbrechlichen Blumen war tatsächlich an sich schon ein Grund zur Trauer. Aber als auch noch die stattlichen Bäume ihre Blätter abwarfen, wurde ihnen schnell die harte Tatsache bewusst, dass der Tod das Schicksal alles Lebendigen ist. WABT 41 6 Der Garten Eden blieb noch lange auf der Erde erhalten, nachdem die Menschen von seinen lieblichen Pfaden vertrieben worden waren. Die gefallenen Menschen konnten während langer Zeit das Zuhause sehen, in dem sie während ihrer Unschuld gelebt hatten. Der Zugang dorthin blieb ihnen allerdings durch wachsame Engel verwehrt. Am Tor zum Paradies, das die Cherubim bewachten, offenbarte sich Gottes Herrlichkeit. Dorthin kamen Adam und seine Söhne, um Gott anzubeten. Hier erneuerten sie ihr Gelübde, dem Gesetz Gottes zu gehorchen, dessen Übertretung zu ihrer Vertreibung aus Eden geführt hatte. Als die Flut der Ungerechtigkeit die ganze Welt bedeckte und die Bosheit der Menschen ihre eigene Vernichtung durch die Sintflut heraufbeschwor, entfernte die Hand, die Eden einst gepflanzt hatte, den Garten von der Erde. Doch bei der endgültigen Erlösung, wenn Gott "einen neuen Himmel und eine neue Erde" (Offenbarung 21,1) schaffen wird, soll er wiederhergestellt und noch schöner geschmückt werden, als am Anfang. WABT 42 1 Alle, die Gottes Gebote gehalten haben, werden dann in unsterblicher Lebenskraft unter dem Baum des Lebens stehen. Während unendlicher Zeitalter werden die Bewohner sündloser Welten in diesem herrlichen Garten ein Beispiel der vollkommenen Schöpfung Gottes sehen - unberührt vom Fluch der Sünde. Er wird ein Beispiel dessen sein, was aus der ganzen Erde geworden wäre, wenn die Menschen den ursprünglichen Plan des Schöpfers verwirklicht hätten. ------------------------Kapitel 4 - Der Erlösungsplan WABT 43 1 Der ganze Himmel war betrübt, weil der Mensch gefallen war. Die Welt, die Gott geschaffen hatte, war nun durch den Fluch der Sünde entstellt und von Wesen bewohnt, die zu Elend und Tod verdammt waren. Für die Übertreter des Gesetzes schien es kein Entrinnen zu geben. Die Lobgesänge der Engel verstummten. Im Himmel herrschte überall Trauer über das Unheil, das die Sünde angerichtet hatte. Nur Der Sohn Gottes Kann Uns Retten WABT 43 2 Der Sohn Gottes, der herrliche Himmelsfürst, hatte großes Mitleid mit dem gefallenen Menschengeschlecht. Unendliches Mitgefühl ergriff ihn, als er das Leid der verlorenen Welt betrachtete. Doch die göttliche Liebe hatte einen Plan zur Erlösung der Menschen erdacht. Das übertretene Gesetz Gottes forderte das Leben des Sünders. Im gesamten Universum gab es nur einen, der zu Gunsten der Menschen den Forderungen des Gesetzes genügen konnte. Da Gottes Gesetz ebenso heilig ist wie er selbst, konnte nur jemand, der Gott gleich ist, die Sühne für die Übertretung schaffen. Nur Christus konnte den schuldig gewordenen Menschen vom Fluch des Gesetzes erlösen und ihn wieder mit dem Himmel in Einklang bringen. Christus wollte die Schuld und Schande der Sünde auf sich nehmen. Da diese jedoch für den heiligen Gott so anstößig ist, würde sie den Vater vom Sohn trennen. Der Sohn war bereit, in die Tiefen des Elends hinabzusteigen, um die verlorene Menschheit zu retten. WABT 43 3 Während er beim Vater für die Sünder eintrat, warteten die himmlischen Bewohner mit einer Anteilnahme, die sich nicht in Worte fassen lässt, auf den Ausgang der Beratungen. Diese geheimnisvolle Unterredung, dieser "Rat des Friedens" (Sacharja 6,13 Elb.) für die gefallene Menschheit, dauerte lange. Der Erlösungsplan war zwar schon vor Erschaffung der Erde gelegt worden, denn Christus ist das geschlachtete Lamm "von Grundlegung der Welt an" (Offenbarung 13,8b Elb.), doch bedeutete es selbst für den König des Universums einen Kampf, seinen Sohn für das schuldige Menschengeschlecht in den Tod zu geben. Aber "Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat" (Johannes 3,16 NLB). Was ist doch die Erlösung für ein Geheimnis! Wie groß ist doch Gottes Liebe zu einer Welt, die ihn nicht geliebt hat! Wer kann die Tiefen dieser Liebe ermessen, "die alle Erkenntnis übertrifft" (Epheser 3,19)? Durch endlose Zeitalter wird der Verstand unsterblicher Wesen versuchen, das Geheimnis dieser unfassbaren Liebe zu ergründen. Sie werden darüber staunen und Gott dafür anbeten. WABT 44 1 Gott sollte sich in Jesus Christus offenbaren und die Welt mit sich selbst versöhnen (vgl. 2. Korinther 5,19). Durch die Sünde waren die Menschen so erniedrigt, dass sie unmöglich von sich aus die Harmonie mit einem Gott wiederherstellen konnten, dessen ganzes Wesen Reinheit und Güte ist. Nachdem Jesus jedoch die Menschen von der Verdammnis des Gesetzes erlöst hatte, konnte er ihnen göttliche Kraft verleihen, die sich mit dem menschlichen Bemühen verbindet. Auf diese Weise konnten die gefallenen Nachkommen Adams durch "die Umkehr zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesus" (Apostelgeschichte 20,21) wieder "Gottes Kinder" werden (1. Johannes 3,2). Der Erlösungsplan Wird Erläutert WABT 44 2 Dieser Plan, durch den allein die Rettung des Menschen erreicht werden konnte, bezog den ganzen Himmel in das unendliche Opfer mit ein. Die Engel empfanden keine Freude, als ihnen Christus den Erlösungsplan darlegte, denn sie verstanden, dass die Erlösung der Menschen unaussprechliches Leid über ihren geliebten Gebieter bringen würde. Mit Erstaunen, aber auch mit großem Kummer hörten sie seinen Worten zu, als er ihnen erklärte, dass er die Reinheit und den Frieden sowie die Freude und die Herrlichkeit und das unsterbliche Leben des Himmels verlassen werde, um mit der erniedrigten Menschheit in Berührung zu kommen und ihren Kummer, ihre Schande und ihren Tod zu ertragen. Er werde sich zwischen den Sünder und die Strafe für die Sünde stellen; doch nur wenige würden ihn als Sohn Gottes annehmen. Er werde seine hohe Stellung als Majestät des Himmels aufgeben, auf die Erde kommen und sich auf die Stufe des Menschen erniedrigen (vgl. Philipper 2,7.8a). So werde er aus eigener Erfahrung die Versuchungen und das Leid kennenlernen, die die Menschheit ertragen müsse. Das alles sei notwendig, damit er denen "helfen [könne], die versucht werden" (Hebräer 2,18b). Wenn er seine Aufgabe als Lehrer erfüllt habe, werde er gottlosen Menschen ausgeliefert sein und müsse jede Art von Schmach und Folter über sich ergehen lassen, zu denen Satan sie anstiften werde. Er müsse den grausamsten aller Tode sterben und dabei als schuldbeladener Sünder - zwischen Himmel und Erde hängend - erhöht werden. Der stundenlange Todeskampf, den er durchstehen müsse, werde so schrecklich sein, dass die Engel diesen Anblick nicht ertragen können, sondern ihr Antlitz verhüllen werden. Er müsse große Seelenqualen aushalten - selbst der Vater werde sein Angesicht vor ihm verbergen -, denn die Schuld der Übertretung - die Sündenlast der ganzen Welt - werde dann auf ihm liegen. WABT 45 1 Die Engel warfen sich ihrem Herrscher zu Füßen und boten sich als Opfer für die Menschen an. Das Leben eines Engels konnte aber die Schuld nicht bezahlen. Nur der Schöpfer der Menschen hatte die Macht, sie zu erlösen. Und doch sollten die Engel im Erlösungsplan eine aktive Rolle spielen. Christus sollte "eine kleine Zeit niedriger ... als die Engel" werden und "für alle den Tod schmecken" (Hebräer 2,9). Wenn er die menschliche Natur annehme, werde seine Kraft geringer als die der Engel sein. Deshalb sollten sie ihm dienen, ihn stärken und ihm in seinem Leiden Linderung verschaffen. Außerdem sollten die Engel "dienstbare Geister" sein, die "zum Dienst um derentwillen" ausgesandt sind, "die das Heil ererben sollen" (Hebräer 1,14). Ihre Aufgabe werde es sein, die Empfänger der Gnade Gottes vor dem Einfluss der bösen Engel und vor der Finsternis, die Satan ständig um sie her verbreitet, zu schützen. WABT 45 2 Wenn die Engel den Todeskampf und die tiefe Demütigung ihres Herrn miterleben, werden sie von Kummer und Entrüstung überwältigt werden. Sie haben dann nur den einen Wunsch, ihren Herrn aus den Händen seiner Mörder zu befreien. Aber sie dürfen nicht eingreifen, um auch nur irgendetwas von dem zu verhindern, was da vor sich geht. Es war Teil des Erlösungsplans, dass Jesus Christus Hohn und Misshandlungen böser Menschen erdulden müsse. Zu all diesen Dingen erklärte er sich bereit, als er die Aufgabe übernahm, die Menschen zu erlösen. WABT 45 3 Christus versicherte den Engeln, dass er durch seinen Tod viele Menschen freikaufen und denjenigen vernichten werde, "der Gewalt über den Tod hatte, nämlich den Teufel" (Hebräer 2,14b). Er werde das Königreich zurückgewinnen, das der Mensch durch seine Gesetzesübertretung verloren hat. Die Erlösten würden es mit Christus erben, um ewig darin zu wohnen. Sünde und Sünder würden vernichtet, um nie wieder den Frieden im Himmel und auf der Erde stören zu können. Christus bat die Engelscharen, dem Plan zuzustimmen, den der Vater angenommen hatte. Sie sollten sich darüber freuen, dass die gefallenen Menschen durch seinen Tod mit Gott versöhnt werden könnten (vgl. Römer 5,10a). WABT 46 1 Daraufhin erfüllte eine unaussprechliche Freude den Himmel. Die Herrlichkeit und Glückseligkeit einer erlösten Welt machten sogar die Seelenqual und das Opfer des Lebensfürsten wett. In der Weite des Himmels hallten die ersten Akkorde jenes Liedes wider, das eines Tages über den Hügeln Bethlehems erschallen sollte: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens." (Lukas 2,14) Mit einer Freude, die jetzt noch größer war als ihre Begeisterung bei der Schöpfung, "sangen alle Morgensterne, [und] die Gottessöhne jubelten vor Freude" (Hiob 38,7 GNB). Hoffnung Für Die Menschen WABT 46 2 Die erste Ankündigung seiner Erlösung erhielten die Menschen, als Gott im Garten Eden das Urteil über Satan sprach: "Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen." (1. Mose 3,15) Dieser Richterspruch, der in Anwesenheit unserer Voreltern erging, war für sie eine Verheißung. Er kündigte einen Kampf zwischen der Menschheit und Satan an und sagte voraus, dass die Macht des großen Widersachers letztendlich gebrochen wird. Adam und Eva standen als Schuldige vor dem gerechten Richter und erwarteten das Urteil, das ihre Gesetzesübertretung forderte. Aber noch bevor sie etwas von einem künftigen Leben in Leiden und Mühe hörten und die Ankündigung vernahmen, dass sie wieder zu Staub werden sollten, hörten sie Worte, die in ihnen Hoffnung weckten. Wenn sie auch unter der Macht ihres starken Feindes leiden müssten, könnten sie sich auf den letztendlichen Sieg freuen. WABT 46 3 Als Satan hörte, dass zwischen ihm und der Frau sowie zwischen seinem und ihrem Nachkommen Feindschaft bestehen sollte, erkannte er, dass sein Plan, die menschliche Natur zu verderben, auf Hindernisse stoßen werde. Irgendwie würden die Menschen seiner Macht widerstehen können. Als aber der Erlösungsplan immer mehr offengelegt wurde, frohlockte Satan mit seinen Engeln. Nachdem er die Menschen zu Fall gebracht hatte, meinte er nun, auch den Sohn Gottes von seiner erhöhten Stellung herabstoßen zu können. Er verkündete, dass seine Pläne bis jetzt auf der Erde erfolgreich gewesen seien; und wenn Christus die menschliche Natur annehme, könne er folglich auch ihn überwinden und somit die Erlösung der gefallenen Menschen verhindern. WABT 46 4 Treue Engel erklärten unseren Voreltern den Plan, den Gott für ihre Erlösung entworfen hatte, in größeren Einzelheiten. Adam und seine Gefährtin erhielten die Zusage, dass sie trotz ihrer großen Sünde nicht der Herrschaft Satans preisgegeben würden. Gottes Sohn habe angeboten, ihre Gesetzesübertretung mit seinem eigenen Leben zu sühnen. Eine Bewährungszeit werde ihnen eingeräumt, sodass sie durch Reue und den Glauben an Christus wieder Gottes Kinder werden könnten. WABT 47 1 Das Opfer, das wegen ihrer Übertretung notwendig wurde, machte Adam und Eva den heiligen Charakter des göttlichen Gesetzes deutlich bewusst. Wie nie zuvor erkannten sie die Schuld ihrer Sünde und deren traurige Folgen. In Reue und tiefer Betroffenheit baten sie darum, dass die Strafe nicht den Sohn Gottes treffen möge, dessen Liebe die Quelle ihrer Freude gewesen war. Die Strafe solle lieber auf sie selbst und ihre Nachkommen fallen. WABT 47 2 Doch sie wurden belehrt, dass das Gesetz Jahwes die Grundlage seiner Herrschaft im Himmel und auf der Erde sei. Deshalb könne nicht einmal das Leben eines Engels als Sühnopfer für eine Übertretung des Gesetzes dienen. Keines seiner Gebote könne geändert oder aufgehoben werden, um dem Menschen in seinem gefallenen Zustand entgegenzukommen. Aber der Sohn Gottes, der sie geschaffen habe, sei in der Lage, für sie Sühne zu schaffen. Wie Adams Gesetzesübertretung Elend und Tod gebracht habe, so werde das Opfer von Christus Leben und Unsterblichkeit ermöglichen. Die Rückgewinnung Der Herrschaft Über Die Erde WABT 47 3 Nicht nur der Mensch, sondern auch die Erde war durch die Sünde unter Satans Macht geraten und sollte durch den Erlösungsplan wiederhergestellt werden. Bei seiner Erschaffung war Adam zum Herrn über die ganze Erde gesetzt worden. Als er aber der Versuchung erlag, bekam Satan Gewalt über ihn. "Denn von wem jemand überwunden ist, dessen Knecht ist er geworden." (2. Petrus 2,19) Als der Mensch Satans Gefangener wurde, fiel sein ehemaliges Herrschaftsgebiet seinem Bezwinger zu. So wurde Satan zum "Gott dieser Welt" (2. Korinther 4,4). Er hatte die Herrschaft über die Erde, die ursprünglich Adam übertragen war, an sich gerissen. Doch Christus würde durch sein Opfer die Strafe für die Sünde erleiden und nicht nur die Menschen erlösen, sondern auch die Herrschaft, die Adam verspielt hatte, zurückgewinnen. Alles, was durch den ersten Adam verloren gegangen ist, wird durch den zweiten Adam wiederhergestellt werden. Der Prophet Micha verkündete: "Du Feste der Tochter Zion, zu dir wird kommen und wiederkehren die frühere Herrschaft." (Micha 4,8) Und der Apostel Paulus verwies auf "die Erlösung seines Eigentums" (Epheser 1,14 Elb.). Gott schuf die Erde zum Wohnsitz für heilige und glückliche Wesen. Er war es, "der die Erde bereitet und gemacht hat - er hat sie gegründet; er hat sie nicht geschaffen, dass sie leer sein soll, sondern sie bereitet, dass man auf ihr wohnen solle" (Jesaja 45,18). Dieser Plan geht in Erfüllung, wenn die Erde - von Gottes Kraft erneuert und von Sünde und Leid befreit - der ewige Wohnsitz der Erlösten sein wird. "Die Gerechten werden das Land ererben und darin wohnen allezeit" (Psalm 37,29). "Es wird nichts Verfluchtes mehr [darin] sein. Und der Thron Gottes und des Lammes wird in der Stadt sein, und seine Knechte werden ihm dienen." (Offenbarung 22,3) WABT 48 1 In seinem unschuldigen, sündlosen Zustand erfreute sich Adam der unmittelbaren Gemeinschaft mit seinem Schöpfer. Aber die Sünde bewirkte eine tiefe Trennung zwischen Gott und den Menschen. Nur das Sühnopfer von Christus konnte den Abgrund überbrücken und vom Himmel herab Segen oder Erlösung vermitteln. Den Menschen blieb zwar der direkte Zugang zu ihrem Schöpfer versperrt, aber durch Christus und seine Engel tritt Gott mit ihnen in Verbindung. WABT 48 2 Auf diese Weise wurden Adam wichtige Ereignisse in der Geschichte der Menschheit offenbart, die sich vom Urteilsspruch in Eden über die Sintflut und weiter bis zum Auftreten des Gottessohnes erstrecken. Ihm wurde gezeigt, dass - obwohl das wertvolle Opfer von Christus ausreicht, um die ganze Welt zu retten - viele ein Leben in Sünde der Umkehr und dem Gehorsam vorziehen werden. Die Verbrechen würden von Generation zu Generation zunehmen und der Fluch der Sünde werde immer schwerer auf der Menschheit, der Tierwelt und der ganzen Erde lasten. Die Lebenserwartung des Menschen werde sich infolge seines sündigen Lebenswandels verkürzen. Seine Körpergröße werde abnehmen und seine Ausdauer nachlassen. Seine moralische und geistige Kraft werde schwinden, bis jegliche Art von Elend überall in der Welt zu finden sei. Durch ihre Hingabe an die Esslust und an ihre Leidenschaften werden die Menschen unfähig sein, die großen Wahrheiten des Erlösungsplans zu schätzen. Doch Christus werde seinem Vorsatz, dessentwegen er den Himmel verlassen wird, treu bleiben und weiterhin Interesse an ihnen zeigen und sie immer wieder einladen, mit ihren Schwächen und Mängeln zu ihm zu kommen. Er werde für die Bedürfnisse aller sorgen, die sich vertrauensvoll an ihn wenden. Es werde immer einige geben, die die Gotteserkenntnis bewahren und unter verbreiteter Ungerechtigkeit rein bleiben wollen. Das Erste Opfer WABT 48 3 Gott setzte den Opferdienst ein, um die Menschen immer wieder an ihre Sünde zu erinnern und diese durch die Darbringung der Opfer reuevoll einzugestehen. Auch sollten sie damit ihren Glauben an den verheißenen Erlöser bekennen. Auf diese Weise sollte dem gefallenen Menschengeschlecht die ernste Wahrheit eingeprägt werden, dass die Sünde den Tod verursacht hatte. Für Adam war die Darbringung des ersten Opfers eine überaus schmerzliche Zeremonie. Mit eigener Hand musste er Leben nehmen, das nur Gott geben konnte. Es war das erste Mal, dass er den Tod eines Lebewesens erlebte. Er wusste, dass weder Mensch noch Tier hätten sterben müssen, wenn er treu geblieben wäre. Während er das schuldlose Opfertier schlachtete, zitterte er bei dem Gedanken, dass wegen seiner Sünde das unschuldige Lamm Gottes (Johannes 1,29) einst sein Blut vergießen müsste. Dieses Erleben vermittelte ihm ein tieferes Verständnis von der Größe seiner Übertretung, die nur der Tod von Gottes geliebtem Sohn (Matthäus 3,17b) sühnen konnte. Und Adam staunte über die grenzenlose Güte, die ein solches Lösegeld bezahlt, um die Schuldigen zu retten. Ein Hoffnungsstrahl erhellte nun die dunkle, schreckliche Zukunft und nahm ihr die niederdrückende Trostlosigkeit. Die Rechtfertigung Gottes Vor Dem Universum WABT 49 1 Der Erlösungsplan hatte aber noch einen umfassenderen und tieferen Sinn als die Rettung des Menschen. Das war nicht der einzige Grund für Christus, um auf die Erde zu kommen. Es ging nicht nur darum, dass die Bewohner dieser kleinen Welt Gottes Gesetz so beachten, wie es erforderlich ist, sondern auch darum, Gottes Charakter vor dem Universum zu rechtfertigen. Das Ergebnis dieses großen Opfers mit seinem Einfluss auf die vernunftbegabten Wesen anderer Welten wie auf die Menschen hatte Jesus vor Augen, als er kurz vor seiner Kreuzigung sagte: "Für die Welt ist die Zeit des Gerichts gekommen, in der der Herrscher dieser Welt vertrieben wird. Und wenn ich am Kreuz aufgerichtet bin, werde ich alle zu mir ziehen." (Johannes 12,31.32 NLB) Das Opfer von Christus - sein Tod zur Rettung der Menschen - werde nicht nur ihnen den Himmel wieder zugänglich machen, sondern auch Gott und seinen Sohn in ihrem Vorgehen gegen den Aufruhr Satans vor dem ganzen Weltall rechtfertigen. Es werde die ewige Gültigkeit des Gesetzes durchsetzen und das Wesen und die Folgen der Sünde offenbaren. WABT 49 2 Von Anfang an ging es in der großen Auseinandersetzung um Gottes Gesetz. Satan hatte zu beweisen versucht, dass Gott ungerecht und sein Gesetz mangelhaft sei und es zum Wohl des Universums verändert werden müsse. Mit seinem Angriff auf das Gesetz verfolgte er das Ziel, die Autorität des Gesetzgebers zu zerstören. In der Auseinandersetzung sollte sich zeigen, ob Gottes Gebote fehlerhaft sind und daher verändert werden müssen oder ob sie vollkommen und unveränderlich sind. WABT 50 1 Als Satan aus dem Himmel ausgestoßen wurde, beschloss er, seine Herrschaft auf der Erde zu errichten. Nachdem er Adam und Eva versucht und überwältigt hatte, glaubte er, dass diese Welt ihm gehöre, weil die beiden ihn zu ihrem Herrscher gewählt hätten. Er behauptete, es sei unmöglich, dem Sünder Vergebung zu gewähren; deshalb seien die gefallenen Menschen zu Recht seine Untertanen, und die Welt sei sein Eigentum. Aber Gott war bereit, seinen eigenen, geliebten Sohn dahinzugeben - den Einen, der ihm gleich war -, damit er die Strafe für die Übertretung auf sich nehme. Auf diese Weise schuf Gott für die Menschen die Möglichkeit, wieder mit ihm versöhnt zu werden und in ihre paradiesische Heimat zurückzukehren. Christus verpflichtete sich, sie zu erlösen und die Welt aus der Gewalt Satans zu befreien. Die große Auseinandersetzung, die im Himmel begonnen hatte, musste genau auf dieser Erde, an jenem Ort also entschieden werden, den Satan als sein Eigentum beanspruchte. WABT 50 2 Das ganze Universum staunte darüber, dass sich der Sohn Gottes demütigen sollte, um die in Sünde gefallenen Menschen zu retten. Er war von Stern zu Stern und von Welt zu Welt gegangen, hatte sich um alle gekümmert und in seiner Vorsorge die Bedürfnisse aller Arten von Lebewesen in seiner unermesslichen Schöpfung gestillt. Dass gerade er zugestimmt hatte, seine Herrlichkeit zu verlassen und die menschliche Natur anzunehmen, war ein Geheimnis, das die sündlosen Bewohner anderer Welten nur zu gern ergründet hätten. Als der Sohn Gottes dann in menschlicher Gestalt auf unsere Erde kam, beobachteten ihn alle gespannt, wie er Schritt für Schritt seinen schweren Weg von der Krippe bis zum Kreuz ging. Im Himmel nahmen sie Notiz von allem Spott und allen Kränkungen, die er hinnehmen musste. Sie wussten, dass Satan der Anstifter all dessen war. Sie nahmen wahr, wie gegnerische Kräfte an Einfluss gewannen, wie Satan unablässig Finsternis, Kummer und Leiden über die Menschen brachte, wie Jesus aber dagegen ankämpfte. Sie beobachteten, wie der Kampf zwischen Licht und Finsternis stärker wurde. Als Christus dann - mit dem Tod ringend - am Kreuz ausrief: "Es ist vollbracht!" (Johannes 19,30), erklang lauter Siegesjubel in allen Welten und auch im Himmel. Der große Kampf, der so lange auf dieser Erde getobt hatte, war nun entschieden, und Christus war Sieger geblieben. Sein Tod beantwortete die Frage, ob die Liebe des Vaters und des Sohnes zu den Menschen groß genug war, um ihretwegen Selbstverleugnung und Opferbereitschaft aufzubringen. Satan hatte seinen wahren Charakter als Lügner und Mörder offenbart (vgl. Johannes 8,44). Nun war klar, dass er mit demselben Geist, mit dem er die Menschen in seiner Gewalt beherrscht hatte, auch die vernunftbegabten Wesen im Himmel beherrscht hätte, falls es ihm erlaubt worden wäre. Das treu gebliebene Universum vereinte sich zu einer einzigen Stimme, um die göttliche Regierung zu preisen. Gottes Gesetz Ist Ewig Und Unabänderlich WABT 51 1 Hätte Gottes Gesetz geändert werden können, wäre die Erlösung des Menschen ohne das Opfer von Christus möglich gewesen. Aber die Tatsache, dass der Sohn Gottes sein Leben für die gefallene Menschheit lassen musste, beweist, dass Gottes Gesetz für die Sünder bindend bleibt und "der Sünde Sold ... der Tod" ist (Römer 6,23b). Als Christus starb, war Satans Vernichtung besiegelt. Wäre das Gesetz aber am Kreuz aufgehoben worden - was viele behaupten -, hätte Gottes geliebter Sohn Schmerzen und Tod nur erduldet, um Satans Forderungen zu erfüllen. Dann hätte der Fürst des Bösen triumphiert, dass seine Anklagepunkte gegen Gottes Gesetz berechtigt waren. Gerade die Tatsache, dass Christus die Strafe für die Übertretungen der Menschen auf sich nehmen musste, ist für alle geschaffenen, intelligenten Wesen ein überzeugendes Argument, dass das Gesetz unveränderlich und Gott gerecht, barmherzig und selbstlos ist. Es zeigte auch, dass sich unendliche Gerechtigkeit und grenzenlose Barmherzigkeit in der Ausübung seiner Herrschaft vereinen. ------------------------Kapitel 5 - Kain Und Abel Auf Dem Prüfstand WABT 54 0 1. Mose 4,1-16. WABT 54 1 Adams Söhne Kain und Abel unterschieden sich wesensmäßig stark voneinander. Abel zeichnete ein Geist der Treue gegenüber Gott aus; er erkannte Gerechtigkeit und Gnade im Umgang des Schöpfers mit der gefallenen Menschheit und war für die Hoffnung auf Erlösung dankbar. Kain hingegen hegte rebellische Gefühle. Er begehrte gegen Gott auf, weil dieser die Erde und die Menschen wegen Adams Sünde verflucht hatte. Er ließ seine Gedanken dieselbe Richtung einschlagen, die zu Satans Fall geführt hatte. Kain gab dem Verlangen nach Selbsterhöhung nach und stellte Gottes Gerechtigkeit und Autorität in Frage. WABT 54 2 Wie Adam vor ihnen wurden diese beiden Brüder auf die Probe gestellt, um zu klären, ob sie Gottes Wort vertrauen und gehorchen. Sie waren mit den Vorkehrungen zur Erlösung der Menschen vertraut und verstanden das Opferwesen, das Gott verordnet hatte. Sie wussten, dass sie mit diesen Opfern ihren Glauben an den Erlöser, auf den diese Opfer sinnbildlich hinwiesen, bekundeten und gleichzeitig im Hinblick auf die Vergebung ihre völlige Abhängigkeit von ihm anerkannten. Auch war den Brüdern klar, dass sie ihren Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes unter Beweis stellten, wenn sie auf diese Weise dem göttlichen Plan zu ihrer Erlösung entsprechen. "Ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung." (Hebräer 9,22b Elb.) Deshalb sollte ihr Glaube an das Blut von Christus, das zugesagte Sühnemittel, darin seinen Ausdruck finden, dass sie Gott die ersten Jungtiere ihrer Herde als Opfer darbrachten. Außerdem sollten sie die ersten Früchte des Feldes dem Herrn als Dankopfer weihen. WABT 54 3 Die beiden Brüder errichteten auf die gleiche Weise ihre Altäre, und jeder brachte ein Opfer dar. In Übereinstimmung mit den Anweisungen des Herrn opferte Abel ein Tier seiner Herde. "Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer." (1. Mose 4,4) Feuer fiel vom Himmel und verzehrte es. Aber Kain missachtete den ausdrücklichen Befehl des Herrn und opferte nur Früchte. Und kein Zeichen vom Himmel machte deutlich, dass sein Opfer angenommen wurde. Abel flehte seinen Bruder an, doch Gott in der Art zu verehren, wie er es verordnet hatte. Aber sein Bitten machte Kain nur noch entschlossener, seinem eigenen Willen zu folgen. Als der Älteste fühlte er sich zu erhaben, um sich von seinem Bruder ermahnen zu lassen, und schlug dessen Rat in den Wind. Die Unterschiedliche Haltung Der Brüder WABT 55 1 Kain murrte gegen Gott und misstraute im Herzen dem versprochenen Opfer Gottes und der Notwendigkeit von Tieropfern. Sein Opfer brachte keinerlei Reue über die Sünde zum Ausdruck. Wie viele Menschen heutzutage hielt Kain es für ein Eingeständnis von Schwäche, dem Plan, den Gott vorgegeben hatte, genau zu folgen und hinsichtlich seiner Rettung ganz auf die Sühne durch den versprochenen Erlöser zu setzen. Er entschied sich, einen eigenständigen Weg zu gehen. Kain wollte aufgrund seiner eigenen Verdienste zu Gott kommen. Statt ein Lamm darzubringen und dessen Blut mit seinem Opfer zu vermischen, bot er seine Früchte an, die Erzeugnisse seiner Arbeit. Er verstand sein Opfer als eine Gunst, die er Gott erwies, und erwartete, sich dadurch dessen Wohlgefallen zu sichern. Kain gehorchte Gott insofern, als er einen Altar baute und ein Opfer darbrachte, aber er leistete nur einen teilweisen Gehorsam. Den wesentlichen Teil, nämlich anzuerkennen, dass er einen Erlöser nötig hatte, ließ er aus. WABT 55 2 Soweit es ihre Herkunft und religiöse Unterweisung betraf, unterschieden sich die Brüder nicht voneinander. Beide waren Sünder und beide erkannten Gottes Anspruch auf Verehrung und Anbetung an. Äußerlich gesehen war also ihre Religion bis zu einem gewissen Grad gleich, aber darüber hinaus bestand zwischen den beiden ein großer Unterschied. WABT 55 3 "Durch den Glauben hat Abel Gott ein besseres Opfer dargebracht als Kain." (Hebräer 11,4a) Abel begriff die wesentlichen Grundsätze der Erlösung. Er verstand sich als Sünder und erkannte, dass die Sünde und ihre Strafe - der Tod - zwischen ihm und der Gemeinschaft mit Gott standen. Abel brachte das geschlachtete Tier, das geopferte Leben, dar und erkannte damit die Forderungen des Gesetzes an, das er übertreten hatte. Durch das vergossene Blut schaute er auf das zukünftige Opfer - auf Christus, der am Kreuz auf Golgatha sterben würde. Und im Vertrauen auf die Sühnung, die dort geschehen sollte, empfing er die Bestätigung, dass er vor Gott "gerecht" war (Hebräer 11,4b) und sein Opfer angenommen wurde. WABT 56 1 Kain hatte die gleiche Gelegenheit wie Abel, diese Wahrheiten kennen zu lernen und anzunehmen. Er war nicht das Opfer einer willkürlichen Entscheidung Gottes. Der eine Bruder war nicht dazu bestimmt, von Gott angenommen, und der andere, von ihm verworfen zu werden. Abel entschied sich für Glauben und Gehorsam, Kain für Unglauben und Auflehnung. Darin liegt der ganze Unterschied. WABT 56 2 Kain und Abel stellen die beiden Gruppen dar, die bis zum Ende der Weltgeschichte bestehen werden. Die einen vertrauen auf das Opfer, das für die Sühnung der Sünde vorgesehen ist. Die andern wagen es, sich auf ihre eigenen Verdienste zu verlassen. Ihre Opfer geschehen ohne die Vermittlerdienste von Christus und können daher den Betreffenden nicht das Wohlgefallen Gottes bescheren. Einzig und allein aufgrund der Verdienste von Jesus können unsere Übertretungen der Gebote vergeben werden. Wer meint, das Blut von Christus nicht nötig zu haben und Gottes Anerkennung durch seine eigenen Werke ohne die göttliche Gnade erwerben zu können, erliegt dem gleichen Irrtum wie Kain. Wer dieses reinwaschende Blut nicht annimmt, unterliegt der Verurteilung. Es ist kein anderer Ausweg zur Befreiung aus der Sklaverei der Sünde vorgesehen. WABT 56 3 Die Gruppe der Anbeter, die dem Beispiel Kains folgen, umfasst bei weitem den größten Teil der Weltbevölkerung. Denn fast jede falsche Religion beruht auf dem Grundsatz, dass der Mensch durch eigene Anstrengungen erlöst werden könne. Manche behaupten, die Menschen brauchten keine Erlösung, sondern eine Fortentwicklung. Sie könnten sich selbst läutern, erhöhen und erneuern. Wie einst Kain Gottes Gnade durch eine Opfergabe erlangen wollte, ohne das Blut eines Tieres zu vergießen, erwarten sie, die Menschheit unabhängig von der Sühne durch Christus auf die Stufe Gottes heben zu können. Kains Leben zeigt aber, was für Folgen das nach sich zieht. Es zeigt, was aus dem Menschen ohne Christus wird. Die Menschheit besitzt nicht die Kraft, sich selbst zu erneuern. Sie strebt nicht aufwärts, dem Göttlichen zu, sondern abwärts, zum Satanischen hin. Christus ist unsere einzige Hoffnung. "Nur Jesus kann den Menschen Rettung bringen. Nichts und niemand sonst auf der ganzen Welt rettet sie", erklärte Petrus (Apostelgeschichte 4,12 Hfa). WABT 56 4 Der echte Glaube verlässt sich völlig auf Jesus Christus und äußert sich im Gehorsam gegenüber allen Geboten Gottes. Seit den Tagen Adams geht es in der großen Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse bis heute um den Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz. Zu allen Zeiten gab es Menschen, die meinten, ein Anrecht auf Gottes Gnade zu besitzen, obwohl sie einige seiner Gebote missachteten. "Durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden", sagt die Heilige Schrift, und "der Glaube, wenn er nicht Werke hat, [ist] tot in sich selber" (Jakobus 2,22.17). "Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht." (1. Johannes 2,4) Gott Kümmerte Sich Um Kain WABT 57 1 Als Kain sah, dass Gott sein Opfer zurückwies, wurde er auf den Herrn und auf Abel zornig. Er war verärgert, weil Gott seine Gabe nicht annahm, die er als Ersatz für das vorgeschriebene Opfer dargebracht hatte. Und er ärgerte sich über seinen Bruder, weil dieser sich entschieden hatte, Gott zu gehorchen, statt sich seiner Auflehnung gegen Gott anzuschließen. Obwohl Kain Gottes Anordnung missachtet hatte, überließ ihn der Herr nicht seinem Schicksal. Stattdessen neigte er sich zu ihm herab, um den unvernünftigen Mann zu überzeugen. "Der Herr fragte ihn: Warum bist du so zornig? Warum starrst du auf den Boden?" Durch einen Engel wurde die Botschaft überbracht: "Wenn du Gutes im Sinn hast, kannst du den Kopf frei erheben; aber wenn du Böses planst, lauert die Sünde vor der Tür deines Herzens." (1. Mose 4,6.7 GNB) Die Entscheidung lag bei Kain. Falls er an die Verdienste des versprochenen Erlösers glaubte und Gottes Geboten gehorchte, würde er sich der Gunst Gottes erfreuen. Sollte er aber den Unglauben und die Gesetzesübertretung vorziehen, habe er kein Recht zur Klage, wenn Gott ihn verwirft. WABT 57 2 Aber anstatt seine Sünde zu bekennen, fuhr Kain fort, über Gottes Ungerechtigkeit zu jammern und Hass und Eifersucht auf seinen Bruder Abel zu hegen. Wütend überhäufte er ihn mit Vorwürfen und versuchte, mit ihm Streit über Gottes Verhalten ihnen gegenüber anzufangen. Sanftmütig, aber furchtlos und bestimmt verteidigte Abel Gottes Gerechtigkeit und Güte. Er machte Kain auf seinen Irrtum aufmerksam und versuchte ihn davon zu überzeugen, dass der Fehler bei ihm selbst liege. Er wies ihn auf die große Barmherzigkeit Gottes hin, der das Leben ihrer Eltern verschont habe, obgleich er sie auf der Stelle mit dem Tod hätte bestrafen können. Er betonte, dass Gott sie lieben müsse, sonst wäre er nicht bereit, seinen heiligen und unschuldigen Sohn hinzugeben, um die Strafe zu erleiden, die sie verdient hätten. Doch das alles schürte Kains Wut noch mehr. Die Vernunft und das Gewissen sagten ihm, dass Abel Recht hatte, aber Kain erzürnte, weil sein Bruder, der sonst seinen Rat gern befolgt hatte, es wagte, anderer Meinung zu sein, und ihn bei seiner Auflehnung gegen Gott nicht unterstützte. In rasender Wut erschlug er seinen Bruder. Der Hass Gegen Die Gehorsamen WABT 58 1 Kain hasste und ermordete Abel nicht deshalb, weil dieser ein Unrecht begangen hatte, sondern "weil seine Werke böse waren und die seines Bruders gerecht" (1. Johannes 3,12). So haben die Bösen zu allen Zeiten diejenigen gehasst, die besser waren als sie selbst. Abels Gehorsam und sein standhafter Glaube waren für Kain ein ständiger Tadel. "Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden." (Johannes 3,20) Je heller das himmlische Licht ist, das Gottes treue Diener in ihrem Wesen widerspiegeln, desto klarer treten die Sünden der Gottlosen zutage und umso entschlossener werden sie in ihrem Bemühen, alle Menschen zu vernichten, die ihren Frieden stören. WABT 58 2 Der Mord an Abel war das erste Beispiel für die Feindschaft, die Gottes Aussage zufolge zwischen der Schlange und den Nachkommen der Frau bestehen sollte (vgl. 1. Mose 3,15): zwischen Satan und seinen Anhängern einerseits und Christus und dessen Nachfolgern andererseits. Durch den Sündenfall hatte Satan die Herrschaft über die Menschen erlangt, aber Christus würde sie befähigen, dieses Joch abzuwerfen. Wann immer sich ein Mensch durch den Glauben an das Lamm Gottes vom Dienst der Sünde lossagt, lodert Satans Zorn auf. Abels heiliges Leben war ein Beweis gegen Satans Behauptung, den Menschen sei es unmöglich, Gottes Gesetz zu halten. Als Kain merkte, dass er Abel nicht beeinflussen konnte, stachelte der Böse seinen Zorn derart an, dass er Abel das Leben nahm. Wo immer es Menschen gibt, die für die Gerechtigkeit des göttlichen Gesetzes eintreten, wird sich der gleiche Geist gegen sie richten. Dieser Geist hat zu allen Zeiten für die Nachfolger von Christus Scheiterhaufen errichtet und in Brand gesetzt. Doch die Grausamkeiten, die man ihnen angetan hat, waren von Satan und seinen Heerscharen angestiftet, denn sie können einen Jünger von Jesus nicht zwingen, sich ihrer Herrschaft zu unterwerfen. Das ist die Wut eines besiegten Feindes. Jeder Blutzeuge von Christus ist als Überwinder gestorben. Der Prophet Johannes schrieb: "Sie haben ihn [den großen Drachen, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan] überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis hin zum Tod." (Offenbarung 12,11.9) Gottes Langmut Mit Kain Und Die Folgen WABT 58 3 Der Mörder Kain wurde bald für sein Verbrechen zur Rechenschaft gezogen. "Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?" (1. Mose 4,9) Kain hatte sich so tief in die Sünde verstrickt, dass er das Bewusstsein für Gottes ständige Gegenwart, seine Erhabenheit und Allwissenheit verloren hatte. Deshalb flüchtete er sich in die Unwahrheit, um seine Schuld zu verbergen. WABT 59 1 Erneut wandte sich der Herr an Kain: "Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde." (1. Mose 4,10) Gott hatte Kain die Gelegenheit gegeben, seine Sünde zu bekennen. Er hatte inzwischen Zeit zum Nachdenken gehabt. Er wusste um die Ungeheuerlichkeit seiner Tat und war sich der Lüge bewusst, mit der er sie verheimlichen wollte, aber er war immer noch aufsässig. Da zögerte Gott nicht länger mit dem Urteil. Die göttliche Stimme, die bittend und mahnend zu Kain gesprochen hatte, verkündete ihm jetzt die furchtbaren Worte: "Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden." (1. Mose 4,11.12) WABT 59 2 Obwohl Kain wegen seines Verbrechens den Tod verdient hatte, schonte der barmherzige Schöpfer sein Leben und gab ihm Gelegenheit zur Reue. Doch Kain lebte nur weiter, um sein Herz zu verhärten und zum Aufruhr gegen Gottes Autorität zu ermutigen. Auf diese Weise wurde er zum Anführer einer Nachkommenschaft von dreisten und verworfenen Sündern. Dieser eine Abtrünnige, der sich von Satan leiten ließ, wurde zum Verführer anderer. Sein Beispiel und sein Einfluss entfalteten eine derart demoralisierende Wirkung, dass die ganze Welt verdorben und mit Gewalt erfüllt wurde, was ihre Zerstörung herausforderte. WABT 59 3 Als Gott das Leben des ersten Mörders schonte, erteilte er dem ganzen Universum einen Anschauungsunterricht in Bezug auf die große Auseinandersetzung. Die dunkle Geschichte Kains und seiner Nachkommen zeigt, was für Folgen es gehabt hätte, wenn Sünder ewig leben würden und ihren Aufruhr gegen Gott ständig fortsetzen könnten. Gottes Langmut ließ die Gottlosen in ihren Freveltaten nur noch kühner und in ihrer Bosheit noch ungehorsamer werden. Fünfzehn Jahrhunderte nach dem Urteilsspruch über Kain wurde das Universum Zeuge davon, welche Folgen sein Einfluss und sein Beispiel zeitigten: Verbrechen und Verderbtheit überfluteten die Erde. Es wurde offenkundig, dass Gottes Todesurteil, das er über die gefallene Menschheit wegen der Übertretung des göttlichen Gesetzes verhängt hatte, ebenso gerecht wie barmherzig war. Je länger die Menschen in Sünde dahinlebten, desto lasterhafter wurden sie. Das Gottesurteil setzte einem Leben in ungezügelter Bosheit Grenzen und befreite die Welt vom Einfluss jener Menschen, die sich in der Auflehnung gegen Gott verhärtet hatten. So wurde es für die Welt zum Segen und nicht zum Fluch. Gottes Umgang Mit Dem Bösen Rechtfertigt Ihn WABT 60 1 Satan ist ununterbrochen am Werk, Gottes Wesen und Herrschaft falsch darzustellen. Dafür setzt er sich mit aller Kraft und mit allen Mitteln der Verstellung ein. Mit weitreichenden, gut durchdachten Plänen und erstaunlicher Macht ist er am Wirken, um die Bewohner der Erde in seinen Täuschungen gefangen zu halten. Aber der unendliche und weise Gott kennt schon das Ende von Anfang an. Deshalb ersann er umfassende Pläne, um dem Bösen entgegenzutreten. Er hatte nicht nur die Absicht, diesen Aufruhr niederzuwerfen, sondern dem ganzen Weltall dessen wahres Wesen vor Augen zu führen. Gottes Plan entfaltete sich und offenbarte sowohl seine Gerechtigkeit als auch seine Gnade. Er rechtfertigte in vollem Umfang seine Weisheit und sein gerechtes Vorgehen in der Behandlung des Bösen. WABT 60 2 Mit tiefer Anteilnahme beobachteten die heiligen Bewohner anderer Welten die Ereignisse auf der Erde. Der Zustand der Welt vor der Sintflut diente ihnen als Lehrbeispiel. Deutlich erkannten sie, was für Folgen Luzifers Herrschaft gehabt hätte, die er im Himmel errichten wollte, als er die Autorität von Christus bestritt und Gottes Gesetz verwarf. In den selbstherrlichen, rebellischen Sündern der vorsintflutlichen Welt sahen sie die Unterdrückten, über die Satan sein Zepter schwang. Der Menschen "ganzes Denken und Planen war durch und durch böse" (1. Mose 6,5 GNB). Alle Gefühlsregungen, alle Antriebe und Vorstellungen lagen im Kampf mit den göttlichen Grundsätzen der Reinheit, des Friedens und der Liebe. Das Ganze war ein Beispiel schrecklicher Verdorbenheit - ein Ergebnis der Vorgehensweise Satans, um die einschränkende Wirkung von Gottes heiligem Gesetz auf seine Geschöpfe zu beseitigen. WABT 60 3 Anhand der Tatsachen, die sich im Verlauf der großen Auseinandersetzung immer mehr entfalteten, wird Gott die Grundsätze seiner Herrschaft darlegen, die von Satan und all denen verfälscht wurden, die er verführt hat. Die ganze Welt wird schließlich Gottes Gerechtigkeit anerkennen (vgl. Offenbarung 15,4b). Allerdings wird dieses Bekenntnis zu spät kommen, als dass es die Rebellen noch retten könnte. Gott genießt die Zuneigung und die Zustimmung des ganzen Universums, während sein großer Plan Schritt für Schritt seiner Vollendung entgegengeht. Das wird auch bei der endgültigen Ausrottung der Aufrührer der Fall sein. Dann wird zu erkennen sein, dass sich alle, die die Gebote Gottes verwarfen, auf die Seite Satans im Krieg gegen Christus gestellt haben. Wenn der Fürst dieser Welt einst gerichtet wird und alle seine Anhänger sein Schicksal teilen müssen, wird das ganze Universum als Zeuge dieses Urteils ausrufen: "Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker." (Offenbarung 15,3b) ------------------------Kapitel 6 - Set Und Henoch WABT 62 0 1. Mose 4,17 bis 6,2. WABT 62 1 Adam wurde ein weiterer Sohn geboren, auf den Gottes Verheißung und das geistliche Erstgeburtsrecht übergehen sollten. Sein Name Set bedeutet "eingesetzt" oder "Ersatz", "denn Gott hat mir ... einen andern Sohn gegeben für Abel, den Kain erschlagen hat", sagte seine Mutter (1. Mose 4,25). Set hatte eine edlere Gestalt als Kain oder Abel und war Adam ähnlicher als seine anderen Söhne. Mit seinem feinen Charakter trat er in Abels Fußstapfen, doch er besaß keine größere natürliche Tugendhaftigkeit als Kain. Über die Erschaffung Adams heißt es: "Als Gott Adam schuf, machte er ihn Gott ähnlich", aber nach dem Sündenfall zeugte Adam "einen Sohn ihm ähnlich, nach seinem Bild" (1. Mose 5,1b.3a Elb.). Während Gott Adam sündlos schuf, "nach seinem Bild" (1. Mose 1,27a Elb.), erbte Set - wie auch Kain - die sündhafte Natur seiner Eltern. Er erhielt aber ebenfalls Unterweisungen hinsichtlich des kommenden Erlösers und eines rechtschaffenen Lebens. Durch Gottes Gnade diente er seinem Schöpfer und ehrte ihn. Er bemühte sich - wie Abel es getan hätte, wenn er am Leben geblieben wäre -, das Denken seiner sündigen Mitmenschen dahingehend zu beeinflussen, dass sie Gott verehrten und ihm gehorchten. WABT 62 2 "Set zeugte auch einen Sohn und nannte ihn Enosch. Zu der Zeit fing man an, den Namen des Herrn anzurufen." (1. Mose 4,26) Die Treuen hatten Gott schon vorher angebetet, aber als sich die Menschen vermehrten, trat der Unterschied zwischen den beiden Gruppen deutlicher zutage. Die einen bekannten freimütig ihre Verbundenheit mit Gott, die anderen machten aus ihrer Verachtung und ihrem Ungehorsam kein Hehl. WABT 62 3 Vor dem Sündenfall hielten unsere Voreltern den Sabbat, den Gott im Garten Eden eingesetzt hatte, und feierten ihn weiterhin nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies. Adam und Eva hatten die bitteren Folgen ihres Ungehorsams erlebt und gelernt, was jeder, der Gottes Gebote mit Füßen tritt, früher oder später erfahren wird: dass Gottes Gebote heilig und unveränderlich sind und die Strafe für ihre Übertretung gewiss verhängt wird. Alle Kinder Adams, die Gott treu blieben, ehrten den Sabbat. Aber Kain und seine Nachkommen achteten nicht den Tag, an dem Gott geruht hatte. Sie wählten ihre Arbeitsund Ruhezeiten, ohne auf Jahwes ausdrückliches Gebot zu achten. Die Entwicklung Der Nachkommen Kains WABT 63 1 Nachdem Kain von Gott verflucht worden war, verließ er sein Elternhaus und betrieb zunächst Ackerbau. Dann gründete er eine Stadt, der er den Namen seines ältesten Sohnes gab. Er hatte der Gegenwart Gottes den Rücken gekehrt und dachte nicht mehr an dessen Versprechen, Eden wiederherzustellen. Er strebte auf der Erde, die unter dem Fluch der Sünde stand, nach Besitz und Vergnügen. Damit stand Kain an der Spitze der breiten Gesellschaftsschicht, die den "Gott dieser Welt" (2. Korinther 4,4a) anbetet. Seine Nachkommen zeichneten sich in dem Bereich aus, der bloß mit dem irdischen und materiellen Fortschritt zu tun hat. Gott dagegen war ihnen gleichgültig, und seinen Absichten mit den Menschen standen sie ablehnend gegenüber. Zum Verbrechen des Mordes, für das Kain den Weg bereitet hatte, fügte Lamech, sein Nachkomme in der fünften Generation, die Vielehe hinzu. Prahlerisch und herausfordernd, wie er war, erkannte er doch Gott an - aber nur um aus der Schutzverheißung für Kain (vgl. 1. Mose 4,15) die Gewähr der eigenen Sicherheit abzuleiten. Abel hatte als Hirte gelebt und in Zelten oder Hütten gewohnt. Sets Nachkommen schlugen die gleiche Richtung ein und verstanden sich als "Gäste und Fremdlinge auf Erden". Sie sehnten "sich nach einem besseren Vaterland, nämlich dem himmlischen" (Hebräer 11,13.16). WABT 63 2 Eine Zeitlang lebten die beiden Menschengruppen voneinander getrennt. Das Geschlecht Kains verbreitete sich von seiner ersten Ansiedlung aus über die Ebenen und Täler, wo die Nachkommen Sets wohnten. Diese zogen sich daraufhin in die Berge zurück, um sich dem schädlichen Einfluss der Sippe Kains zu entziehen. Solange diese Trennung beibehalten wurde, bewahrten sie die unverfälschte Gottesanbetung. Aber im Laufe der Zeit wagten sie es immer mehr, sich mit den Bewohnern der Täler zu vermischen. Diese Vereinigung hatte äußerst schlimme Folgen. "Da sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren." (1. Mose 6,2) Die jungen Männer aus der Nachkommenschaft Sets, angezogen von der Schönheit der Töchter der Nachfahren Kains, erzürnten den Herrn, indem sie sich mit ihnen vermählten. Viele Gottesverehrer ließen sich von den Verlockungen, die sie ständig vor Augen hatten, zur Sünde verleiten. Dadurch verloren sie ihren besonderen, heiligen Charakter. Weil sie sich mit ihnen vermischt hatten, wurden sie ihnen im Denken und Handeln immer ähnlicher. Sie missachteten die Einschränkungen, die ihnen das siebte Gebot auferlegte, "und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten" (1. Mose 6,2). Die Nachkommen Sets gingen "den Weg Kains" (Judas 11). Sie dachten nur noch an weltliches Wohlergehen und Vergnügen und unterließen es, Gottes Gebote zu befolgen. Die Menschen fingen an, "sich unsinnige Vorstellungen von Gott zu machen, und ihr Verstand verfinsterte sich und wurde verwirrt." Deshalb "überließ er [Gott] sie ihren verwerflichen Gedanken, sodass sie tun, was sie nie tun sollten" (Römer 1,21.28 NLB) Wie tödlicher Aussatz breitete sich nun die Sünde über die Erde aus. Adams Weiteres Wirken WABT 64 1 Nahezu tausend Jahre lang lebte Adam unter den Menschen - ein Zeuge für die Folgen der Sünde. Treu versuchte er gegen die Flut des Bösen anzukämpfen. Er hatte von Gott den Auftrag erhalten, seine Nachkommen in den Wegen des Herrn zu unterweisen. Sorgfältig hütete er wie einen Schatz, was Gott ihm offenbart hatte, und gab es an die nachfolgenden Generationen weiter. Seinen Kindern und Kindeskindern bis in die neunte Generation schilderte er den heiligen, glücklichen Zustand der ersten Menschen im Paradies und wiederholte, wie es zu seinem Sündenfall gekommen war. Er berichtete von den Leiden, durch die Gott ihn gelehrt hatte, wie notwendig es ist, sich unbedingt an sein Gesetz zu halten, und erklärte ihnen, welche Vorkehrungen Gott in seiner Gnade getroffen hatte, um sie zu retten. Doch nur wenige achteten auf Adams Worte. Und oft musste er sich bittere Vorwürfe wegen seiner Sünde anhören, die so viel Leid über seine Nachkommen gebracht hatte. WABT 64 2 Adams Leben war von Kummer, Demut und Reue geprägt. Als er Eden verließ, erfüllte ihn der Gedanke, sterben zu müssen, mit Schaudern. Als dann Kain, der erstgeborene Sohn, seinen Bruder ermordete, stand Adam zum ersten Mal der Wirklichkeit des Todes in der menschlichen Familie gegenüber. Schärfste Gewissensbisse plagten ihn wegen seiner eigenen Sünde. Als er durch Abels Tod und Kains Verbannung einen doppelten Verlust erlitt, wurde er durch Seelenqualen niedergedrückt. Er beobachtete die weit verbreitete Verdorbenheit, die schließlich zur Vernichtung der Erde durch eine Flut führte. Wohl war ihm das Todesurteil, das sein Schöpfer über ihn ausgesprochen hatte, anfangs schrecklich erschienen; aber nachdem er fast eintausend Jahre lang die Folgen der Sünde miterlebt hatte, erkannte er, dass es von Gott nur gnädig war, wenn er ein so kummer- und sorgenvolles Leben beendete. Das Grosse Wissen Der Vorsintflutlichen Menschen WABT 65 1 Trotz der Bosheit der vorsintflutlichen Welt war diese Periode keine Zeit der Unwissenheit und Barbarei, wie oft vermutet wird. Die damaligen Menschen hatten durchaus die Gelegenheit, einen hohen sittlichen und geistigen Stand zu erreichen. Sie verfügten über erstaunliche Körper- und Geisteskräfte. Ihre Möglichkeiten, zu religiösen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gelangen, waren einzigartig. Es wäre falsch, aufgrund ihrer hohen Lebenserwartung auf eine späte geistige Reife zu schließen. Ihre Geisteskraft entwickelte sich schon früh. Wer in Ehrfurcht vor Gott und in Übereinstimmung mit seinem Willen lebte, nahm sogar sein ganzes Leben lang an Weisheit und Erkenntnis zu. Wenn man die berühmtesten Gelehrten unserer Zeit mit Menschen gleichen Alters aus der vorsintflutlichen Welt vergleichen würde, wären sie diesen Menschen an geistiger und körperlicher Stärke weit unterlegen. Als das Lebensalter der Menschen abnahm, ließen auch die körperlichen Kräfte und die geistigen Fähigkeiten nach. Heutzutage gibt es Menschen, die zwanzig bis fünfzig Jahre lang studieren, und die Welt lobt ihre Ergebnisse in den höchsten Tönen. Wie begrenzt aber würde das, was sie erreicht haben, erscheinen, wenn man es mit den Ergebnissen der Menschen vergleichen könnte, deren geistige und körperliche Kräfte sich jahrhundertelang entwickelt haben! WABT 65 2 Natürlich haben die heutigen Menschen den Vorteil, auf den Errungenschaften ihrer Vorfahren aufbauen zu können. Menschen von überragendem Verstand haben geplant, geforscht und ihre Ergebnisse schriftlich festgehalten und dadurch ihr Werk der Nachwelt hinterlassen. Aber um wie viel größer sind selbst in dieser Hinsicht - und soweit es das rein menschliche Wissen betrifft - die Vorteile der Menschen aus jener alten Zeit! Jahrhundertelang lebte der Mann unter ihnen, der zum Bilde Gottes erschaffen worden war und den der Schöpfer persönlich als "sehr gut" bezeichnet hatte (vgl. 1. Mose 1,31a). Er war bezüglich der materiellen Welt in aller Weisheit unterrichtet worden. Von Gott selbst hatte Adam die Geschichte der Schöpfung erfahren. Adam seinerseits war Zeuge der Ereignisse, die sich über neun Jahrhunderte hinweg zutrugen, und gab sein Wissen an seine Nachkommen weiter. Die Menschen vor der Flut besaßen weder Bücher noch schriftliche Berichte, doch aufgrund ihrer guten körperlichen und geistigen Verfassung verfügten sie über ein ganz hervorragendes Erinnerungsvermögen. Deshalb waren sie in der Lage, alles, was ihnen mitgeteilt wurde, zu verstehen und in ihrem Gedächtnis zu speichern. Sie wiederum konnten alles Wissen unbeeinträchtigt an ihre Nachkommenschaft weitergeben. Jahrhundertelang lebten gleichzeitig sieben Generationen auf der Erde. So hatten sie die Gelegenheit, sich gegenseitig zu beraten, und jede Generation konnte aus dem Wissen und den Erfahrungen aller anderen Nutzen ziehen. WABT 66 1 Die Vorteile der Menschen des damaligen Zeitalters, durch die Schöpfung Gotteserkenntnis zu gewinnen, sind bis heute unübertroffen. Es herrschte keine religiöse Finsternis, sondern es war eine Zeit großer Erkenntnis. Die ganze Welt konnte von Adam Unterweisung erhalten, und die Gottesfürch- tigen wurden zusätzlich von dem Sohn Gottes und den Engeln unterrichtet. Auch Eden, der Garten Gottes, blieb noch jahrhundertelang als stummer Zeuge der Wahrheit auf der Erde bestehen (vgl. 1. Mose 4,16b). Am Eingang des Paradieses, den Cherubim bewachten, offenbarte sich Gottes Herrlichkeit. Dorthin strömten die Menschen, um anzubeten. Dort errichteten sie Altäre und brachten ihre Opfer dar. Dort hatten auch Kain und Abel ihre Opfer gebracht, und Gott hatte sich herabgeneigt, um mit ihnen zu sprechen. WABT 66 2 Kein Zweifler konnte die Existenz des Gartens Eden in Abrede stellen, solange die Menschen ihn sehen konnten und sein Eingang von wachsamen Engeln versperrt war. Der Ablauf der Schöpfung, der Zweck des Gartens, die Geschichte von den beiden Bäumen darin, die für das Schicksal der Menschheit eine so große Rolle gespielt hatten - das alles waren unbestreitbare Tatsachen. Auch die Existenz und höchste Autorität Gottes und die Verbindlichkeit seines Gesetzes waren Wahrheiten, die Menschen nur zögernd in Frage stellten, solange Adam unter ihnen lebte. Henoch Wandelt Mit Gott WABT 66 3 Trotz der überhandnehmenden Bosheit und Gottlosigkeit gab es fromme Menschen, auf die die Gemeinschaft mit Gott einen erhebenden und veredelnden Einfluss ausübte und die wie in himmlischer Gesellschaft lebten. Es waren Menschen mit großem Verstand und erstaunlichen Fähigkeiten. Sie hatten den großen und heiligen Auftrag, einen rechtschaffenen Charakter zu entwickeln und zu lehren, was ein gottesfürchtiges Leben ist - nicht nur im Hinblick auf die Menschen ihrer Zeit, sondern auch für spätere Geschlechter. Die Heilige Schrift nennt nur wenige dieser berühmten Männer, aber Gott hatte zu allen Zeiten treue Zeugen, Menschen, die ihn aufrichtig verehrten. WABT 66 4 Von Henoch wird berichtet, dass er mit 65 Jahren einen Sohn zeugte. Danach wandelte er noch dreihundert Jahre lang mit Gott (vgl. 1. Mose 5,21.22). In seinen frühen Jahren hatte Henoch Gott geliebt, ihm ehrfürchtig gedient und seine Gebote gehalten. Er war ein Vertreter der gläubigen Linie, die den rechten Glauben bewahrte und zu den Vorfahren des versprochenen Nachkommen Evas gehörte. Aus Adams Mund hatte er die traurige Geschichte vom Sündenfall erfahren, aber auch die tröstliche Nachricht von Gottes Gnade, wie sie aus dessen Verheißung (vgl. 1. Mose 3,15) zu erkennen war. Deshalb verließ er sich auf den zukünftigen Erlöser. Nach der Geburt seines ersten Sohnes aber gewann Henoch eine noch tiefere Erfahrung: Er wurde in eine engere Beziehung zu Gott gezogen. Er verstand seine eigenen Verpflichtungen und die Verantwortung als ein Sohn Gottes viel besser. Als er die Liebe des Kindes zu seinem Vater und das schlichte Vertrauen in den väterlichen Schutz wahrnahm sowie die tiefe, sehnliche Zuneigung zum erstgeborenen Sohn verspürte, lernte er wichtige Dinge in Bezug auf die wunderbare Liebe Gottes zu den Menschen. Diese offenbart sich in der Hingabe seines eigenen Sohnes und im Vertrauen, dass Gottes Kinder in ihrem himmlischen Vater ruhen dürfen. Die unendliche, unergründliche Liebe Gottes in Christus war der Gegenstand seines Nachdenkens am Tag und in der Nacht. Und mit jeder Faser seines Herzens wollte er diese Liebe den Menschen, unter denen er lebte, offenbaren. WABT 67 1 Henochs Wandel mit Gott zeigte sich weder in einem träumerischen Zustand noch in Visionen, sondern in den Pflichten seines täglichen Lebens. Er wurde kein Einsiedler, der sich von der Welt ganz zurückzog, denn er hatte in der Welt einen Auftrag von Gott zu erfüllen. In seiner Familie und in seinem Umgang mit anderen Menschen - als Ehemann und Vater, als Freund und Bürger - war er der standhafte und unerschütterliche Diener Gottes. WABT 67 2 Henoch lebte im Einklang mit dem Willen Gottes. "Können etwa zwei miteinander wandern, sie seien denn einig untereinander?" (Amos 3,3) Dieser fromme Lebenswandel dauerte 300 Jahre lang an. Viele Christen wären wohl ernster und Gott hingegebener, wenn sie wüssten, dass sie nur noch kurze Zeit zu leben hätten oder die Wiederkunft von Christus vor der Tür stünde. Aber Henochs Glaube wurde im Lauf der Jahrhunderte nur umso stärker und seine Liebe inniger. WABT 67 3 Henoch war ein hochgebildeter Mann von scharfem Verstand und umfassendem Wissen. Gott zeichnete ihn durch besondere Offenbarungen aus. Dennoch blieb er einer der demütigsten Menschen. Er lebte in dauernder Gemeinschaft mit dem Himmel und hatte Gottes Größe und Vollkommenheit immer vor Augen. Je enger die Verbindung mit Gott war, desto stärker empfand er seine Schwachheit und Unvollkommenheit. WABT 67 4 Betrübt über die zunehmende Bosheit der Gottlosen und aus Sorge, ihre Untreue könnte seine Ehrfurcht vor Gott mindern, vermied Henoch den dauernden Umgang mit ihnen. Er verbrachte viel Zeit in der Einsamkeit mit stillem Nachdenken und im Gebet. So wartete er vor dem Herrn und suchte nach einer klaren Erkenntnis seines Willens, um ihn dann auszuführen. Für ihn war das Gebet wie das Atmen der Seele. Er lebte eingetaucht in die himmlische Welt. Henochs Wirken Für Die Menschen WABT 68 1 Durch heilige Engel offenbarte Gott Henoch seine Absicht, die Welt durch eine Flut zu vernichten. Er erschloss ihm auch den Erlösungsplan in umfassenderer Weise. Durch den Geist der Weissagung führte er ihn durch die Generationen, die nach der Sintflut leben würden. So zeigte er ihm auch die bedeutenden Ereignisse, die in Verbindung mit dem zweiten Kommen von Christus und dem Ende der Welt geschehen werden. WABT 68 2 Henoch beunruhigte das Schicksal der Toten. Es schien ihm, als ob die Gerechten wie die Bösen wieder zu Staub würden und damit für sie alles vorbei wäre. Er konnte nichts von einem Leben der Gerechten jenseits des Grabes erkennen. In einer prophetischen Schau erhielt er Informationen über den Tod von Christus und sah dessen zweites Kommen in Herrlichkeit, begleitet von allen heiligen Engeln, um sein Volk aus dem Grab zu erlösen (vgl. Matthäus 24,30.31). Er sah auch den verdorbenen Zustand der Welt zur Zeit der Wiederkunft von Christus: Es wird dann eine überhebliche, vermessene, eigenwillige Menschheit leben, die den alleinigen Gott und den Herrn Jesus Christus ablehnt, seine Sühne verachtet und das Gesetz Gottes mit Füßen tritt. Er sah, dass die Gerechten mit Ruhm und Ehre gekrönt, aber die Gottlosen aus Gottes Gegenwart verbannt und durch Feuer vernichtet werden. WABT 68 3 Henoch wurde ein Prediger der Gerechtigkeit und verkündete, was Gott ihm offenbart hatte. Die Gottesfürchtigen suchten diesen heiligen Mann auf, um sich belehren zu lassen und mit ihm zu beten. Er wirkte auch in der Öffentlichkeit, um Gottes Botschaft allen, die sich warnen lassen wollten, zugänglich zu machen. Dabei beschränkten sich seine Bemühungen nicht auf die Nachkommen Sets. In dem Land, in dem Kain vor Gottes Gegenwart Zuflucht gesucht hatte, sprach der Prophet Gottes mit den Menschen über die wunderbaren Ereignisse, die ihm in der Vision gezeigt worden waren. Er sagte: "Siehe, der Herr kommt mit seinen vielen tausend Heiligen, Gericht zu halten über alle und zu strafen alle Menschen für alle Werke ihres gottlosen Wandels." (Judas 14.15) WABT 68 4 Furchtlos prangerte er die Sünde an. Einerseits predigte er seinen Zeitgenossen die Liebe Gottes in Christus und ermahnte sie, doch ihre bösen Wege aufzugeben; andererseits tadelte er die herrschende Bosheit und warnte seine Zeitgenossen vor dem Gericht, das die Gesetzesübertreter gewiss heimsuchen werde. Aus Henoch sprach der Geist von Christus. Dieser äußert sich aber nicht nur in Worten der Liebe, des Mitleids und in dringenden Bitten; die Männer Gottes führen nicht nur milde Reden. Vielmehr legt Gott seinen Boten Wahrheiten in Herz und Mund, die scharf und durchdringend wie ein zweischneidiges Schwert sind (vgl. Hebräer 4,12). WABT 69 1 Henochs Zuhörer verspürten die Macht Gottes, die aus seinem Diener sprach. Einige ließen sich warnen und gaben ihre Sünden auf. Aber die große Menge verspottete seine ernste Botschaft und ging nur umso dreister auf ihren bösen Wegen weiter. In den letzten Tagen der Geschichte haben Gottes Diener der Welt eine ähnliche Botschaft zu verkünden; auch sie wird mit Unglauben und Spott aufgenommen werden. Wie die Menschen, die vor der Sintflut lebten, Henochs warnende Worte in den Wind schlugen, wird die letzte Generation die Warnungen der Botschafter des Herrn auf die leichte Schulter nehmen. WABT 69 2 Inmitten seines arbeitsreichen Lebens hielt Henoch unerschütterlich an der Gemeinschaft mit Gott fest. Je stärker und nachhaltiger seine Bemühungen wurden, desto häufiger und ernster betete er. Zu gewissen Zeiten zog er sich von aller Gesellschaft zurück. Eine Zeitlang weilte er unter den Menschen und bemühte sich, sie durch Belehrung und beispielhaftes Verhalten zu unterweisen. Dann zog er sich wieder zurück, um eine Weile in der Einsamkeit zu verbringen, weil er ein starkes Verlangen nach der Erkenntnis hatte, die nur Gott verleihen kann. Indem er auf diese Weise mit Gott Gemeinschaft pflegte, spiegelte Henoch immer mehr das Bild Gottes wider. Sein Angesicht war von demselben heiligen Licht verklärt, das auch aus dem Antlitz von Jesus leuchtete. Wenn er von solchen Begegnungen mit Gott zurückkehrte, nahmen selbst die Gottlosen mit Ehrfurcht den Abglanz des Himmels auf seinem Angesicht wahr. Henoch Wird Zu Gott Entrückt WABT 69 3 Die Bosheit der Menschen hatte nun ein solches Ausmaß erreicht, dass Gott ihre Vernichtung ankündigte. Jahr für Jahr wurde die Flut menschlicher Schuld gewaltiger, und die Wolken des göttlichen Gerichts ballten sich immer finsterer zusammen. Doch Henoch, der Zeuge des Glaubens, ging seinen Weg. Er warnte, bat, flehte und bemühte sich, die Wogen der Schuld zurückzudrängen und die Vergeltung abzuwenden. Obwohl seine sündigen vergnügungssüchtigen Mitmenschen seine Warnungen ignorierten, besaß er die Zusicherung, dass Gott sein Wirken guthieß. Treu kämpfte er weiter gegendie vorherrschende Bosheit, bis ihn Gott aus einer sündigen Welt in die reine Atmosphäre des Himmels versetzte. "Weil er mit Gott wandelte, nahm ihn Gott hinweg." (1. Mose 5,24) WABT 70 1 Henochs Zeitgenossen hatten ihn verspottet, weil er in ihren Augen so töricht war, weder Gold noch Silber oder sonstigen Besitz anzuhäufen. Doch ihm hatten es die ewigen Schätze angetan. Er hatte die himmlische Stadt gesehen, er hatte im himmlischen Zion den König in seiner ganzen Herrlichkeit erblickt. Mit seinen Gedanken, seinem Herzen und in seinen Gesprächen war er schon im Himmel. Je schlimmer die Bosheit der Menschen wurde, desto größer war seine Sehnsucht nach dem Zuhause Gottes geworden. Obwohl er sich noch auf der Erde befand, lebte er im Glauben schon im Reich des Lichtes. WABT 70 2 "Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen." (Matthäus 5,8) 300 Jahre lang hatte Henoch nach innerer Reinheit gestrebt, um im Einklang mit dem Himmel zu stehen. Drei Jahrhunderte lang war er mit Gott gewandelt. Tag für Tag hatte er sich nach einer engeren Verbindung mit ihm gesehnt. Immer enger und vertrauter war seine Gemeinschaft mit ihm geworden, bis Gott ihn zu sich nahm. Henoch hatte schon an der Schwelle zur Ewigkeit gestanden, nur noch einen Schritt vom Land der Seligkeit entfernt. Und nun öffneten sich dessen Tore. Das Leben mit Gott, das er so lange auf Erden geführt hatte, ging weiter, und er schritt durch die Tore der heiligen Stadt (vgl. Offenbarung 21,10b) - der erste Mensch, der sie betreten durfte! WABT 70 3 Sein Fehlen machte sich auf der Erde bemerkbar. Man vermisste die Stimme, die Tag für Tag gewarnt und Unterweisung erteilt hatte. Einige - sowohl von den Gerechten als auch von den Gottlosen - hatten seine Entrückung miterlebt. Die Menschen, die ihn liebten, hofften, er sei an einen der Orte versetzt worden, wohin er sich gern zurückzog. Sie suchten nach ihm wie später die Prophetenschüler nach Elia - aber vergebens. Er sei nirgends zu finden, berichteten sie, denn Gott habe ihn entrückt. Die Lehren Aus Henochs Entrückung WABT 70 4 Durch Henochs Entrückung wollte Gott eine wichtige Lehre erteilen. Die Menschen standen nämlich in der Gefahr, wegen der furchtbaren Folgen der Sünde Adams mutlos zu werden. Sie fragten sich, was es nütze, den Herrn gefürchtet und seinen Geboten gehorcht zu haben, wenn ein schwerer Fluch auf der Menschheit laste und der Tod unser aller Schicksal sei. Aber die Unterweisungen, die Gott Adam gegeben und Set wiederholt hatte und die durch Henoch veranschaulicht wurden, fegten Hoffnungslosigkeit und Finsternis hinweg. Sie gaben den Menschen die Hoffnung, dass wie durch Adam der Tod aufgekommen war, durch den versprochenen Erlöser Leben und Unsterblichkeit möglich werden würden (vgl. Römer 5,12.17.18). Satan ließ die Menschen glauben, es gebe weder einen Lohn für die Gerechten noch eine Strafe für die Bösen und es sei den Menschen unmöglich, Gottes Gebote zu halten. Aber im Fall Henochs stellte Gott klar, "dass er denen, die ihn suchen, ihren Lohn gibt" (Hebräer 11,6). Er zeigt damit, was er für alle tun wird, die seine Gebote halten. Henoch lehrte die Menschen, dass es sehr wohl möglich ist, Gottes Gesetz zu befolgen. Selbst wer unter sündigen und verkommenen Menschen leben muss, kann durch Gottes Gnade der Versuchung widerstehen und rein und heilig werden. An Henochs Beispiel sahen sie, wie gesegnet solch ein Leben ist. Seine Entrückung war ein Beweis für die Wahrheit seiner Weissagung über das Jenseits: Wer gehorsam ist, empfängt als Lohn Freude, Herrlichkeit und unsterbliches Leben, aber die Übertreter ernten Verurteilung, Leid und Tod. WABT 71 1 "Durch den Glauben wurde Henoch entrückt, damit er den Tod nicht sehe ... denn vor seiner Entrückung ist ihm bezeugt worden, dass er Gott gefallen habe." (Hebräer 11,5) Inmitten einer Welt, die wegen ihrer Bosheit zum Untergang bestimmt war, lebte er in so enger Gemeinschaft mit Gott, dass dieser ihn nicht unter die Macht des Todes fallen ließ. Der gottähnliche Charakter dieses Propheten stellt jenen Zustand der Heiligkeit dar, den alle erreichen müssen, die bei der Wiederkunft von Christus "von der Erde erlöst" werden (Offenbarung 14,3b NLB). Denn wie vor der Sintflut wird die Bosheit der Menschen überhandnehmen. Sie werden den Neigungen ihres verdorbenen Herzens und den Lehren einer trügerischen Weltanschauung folgen und sich gegen die Autorität des Himmels auflehnen. Aber wie Henoch werden Gottes Getreue nach innerer Reinheit und nach Übereinstimmung mit Gottes Willen streben, bis sie dem Charakter von Christus ähnlich geworden sind. Wie Henoch werden sie die Welt vor der Wiederkunft des Herrn und vor den Gerichten, die die Übertreter treffen werden, warnen. Durch ihre geheiligten Worte und ihr vorbildliches Verhalten werden sie die Sünden der Gottlosen verurteilen. WABT 71 2 Wie Henoch in den Himmel aufgenommen wurde, bevor die Welt in den Fluten unterging, sollen die lebenden Gläubigen von der Erde entrückt werden, bevor diese durch Feuer vernichtet wird. Der Apostel Paulus schrieb: "Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune." (1. Korinther 15,51.52a) "Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel." (1. Thessalonicher 4,16a) "Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden." (1. Korinther 15,52b) "Zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander." (1. Thessalonicher 4,16b-18) ------------------------Kapitel 7 - Die Sintflut WABT 73 0 1. Mose 6,4 bis 7,18. WABT 73 1 Wegen Adams Ungehorsam und Kains Mord lag in den Tagen Noahs ein doppelter Fluch auf der Erde. Doch dadurch hatte sich das Aussehen der Natur nicht wesentlich verändert. Es gab zwar deutliche Zeichen des Verfalls, aber aufgrund der Gaben, die Gott der Erde verliehen hatte, war sie noch immer reich und schön. Die Hügel waren mit majestätischen Bäumen gekrönt, die die fruchtbeladenen Ranken der Weinstöcke stützten. Die grünen, gartenähnlichen Ebenen waren mit Tausenden Blumen bedeckt, die ihren süßen Duft verströmten. Die Erde brachte eine große Zahl Früchte hervor, und das in fast unbegrenzten Mengen. Die Bäume übertrafen die heutigen Arten an Größe, Schönheit und vollkommenem Ebenmaß. Ihr Holz war fein gemasert, dabei fast so hart und dauerhaft wie Stein. Gold, Silber und Edelsteine gab es im Überfluss. WABT 73 2 Die Menschen hatten noch viel von ihrer ursprünglichen Kraft und Stärke behalten. Nur wenige Generationen waren dazugekommen, seit Adam vom Lebensbaum vertrieben worden war, der das Leben verlängern sollte. Ihre Lebenszeit umfasste noch immer Jahrhunderte. Hätten sich doch diese langlebigen Menschen mit ihren außergewöhnlichen Gaben, Dinge zu planen und auch auszuführen, dem Dienst Gottes geweiht! Dann hätten sie dem Namen des Schöpfers auf der Erde Ruhm und Ehre eingebracht und dem Zweck entsprochen, zu dem er ihnen das Leben verliehen hatte. Aber darin versagten sie. Es gab damals viele Riesen, Menschen von großer Gestalt und Kraft. Sie waren für ihre Weisheit berühmt und äußerst geschickt, die raffiniertesten und großartigsten Werke zu erfinden. Doch sie ließen ihrer Bosheit freien Lauf und ihre Schuld wog ihrem Geschick und ihren geistigen Fähigkeiten entsprechend umso schwerer. Gottes Gaben Werden Missbraucht WABT 73 3 Gott hatte den Menschen, die vor der Sintflut lebten, viele und reiche Gaben verliehen. Doch sie nutzten diese Freigebigkeit zu ihrem eigenen Ruhm. Weil ihre Zuneigung mehr ihren Gaben galt als deren Geber, verwandelten sie diese in einen Fluch. Sie verwendeten Gold und Silber, Edelsteine und erlesene Hölzer zum Bau ihrer Wohnungen und versuchten, sich in der Verschönerung ihrer Häuser durch ausgesuchte Kunstfertigkeit gegenseitig zu überbieten. Sie waren nur darauf bedacht, die Begehrlichkeiten ihrer stolzen Herzen zu befriedigen, und schwelgten in Vergnügen und Lastern. Weil sie Gott in ihrem Denken keinen Platz mehr einräumen wollten, begannen sie bald, seine Existenz zu leugnen. Statt den Schöpfer anzubeten, verehrten sie die Schöpfung. Sie verherrlichten den menschlichen Geist und beteten an, was sie mit eigenen Händen geschaffen hatten. Ihre Kinder lehrten sie, sich vor geschnitzten Bildern zu verneigen. WABT 74 1 Auf den grünen Feldern und im Schatten stattlicher Bäume errichteten sie Altäre für ihre Götzen. Großflächige Haine, die ihr Laub das ganze Jahr behielten, wurden der Verehrung falscher Götter geweiht. An diese Haine schlossen sich wundervolle Gärten an. Lange, gewundene Straßen führten durch sie hindurch. Diese waren von obstbehangenen Bäumen aller Art gesäumt. Bildhauerarbeiten schmückten die Gärten, und diese waren mit allem ausgestattet, was die Sinne entzücken und lüsterne Begierden wecken konnte. Dadurch sollten die Menschen angelockt werden, um am Götzendienst teilzunehmen. WABT 74 2 Die Menschen verbannten Gott aus ihrem Denken und verehrten die Geschöpfe ihrer eigenen Vorstellungen. Die Folge davon war, dass sie selbst immer tiefer sanken und an Würde verloren. Ein Psalmist beschrieb den Einfluss, den die Verehrung von Götzen auf den Götzendiener ausübt, mit folgenden Worten: "Die solche Götzen machen, sind ihnen gleich, alle, die auf sie hoffen." (Psalm 115,8) Es ist ein Gesetz des menschlichen Geistes, dass wir durch Anschauen verwandelt werden. Der Mensch wird geistlich nie höher kommen, als sein Verständnis von Wahrheit, sittlicher Reinheit und Heiligkeit ist. Wenn sich der Geist niemals über die rein menschliche Ebene hinaus erhebt und nie durch die gläubige Betrachtung der unendlichen Weisheit und Liebe veredelt wird, sinkt er immer tiefer. Die Götzendiener dichteten ihren Gottheiten menschliche Eigenschaften und Leidenschaften an. Dadurch wurde deren Wesen auf die Ebene der sündigen Menschheit herabgestuft. Das aber hatte deren weiteren Niedergang zur Folge. "Der Herr sah, dass die Menschen auf der Erde völlig verdorben waren. Alles, was aus ihrem Herzen kam, ihr ganzes Denken und Planen, war durch und durch böse ... die Erde war voll von Unrecht und Gewalt." (1. Mose 6,5.11 GNB) Gott hatte den Menschen seine Gebote als Richtschnur ihres Lebens gegeben. Aber sie übertraten sein Gesetz und verübten jede nur denkbare Sünde. Ihre Bosheit war offen und dreist. Die Gerechtigkeit wurde mit Füßen getreten, und die Schreie der Unterdrückten stiegen zum Himmel auf. Die Bosheit Nimmt Überhand WABT 75 1 Im Gegensatz zur Ordnung, die Gott bei der Schöpfung eingesetzt hatte, war schon früh die Vielweiberei eingeführt worden. Der Herr gab Adam eine Frau zur Gattin und tat damit seinen Willen kund. Aber nach dem Sündenfall entschieden sich die Menschen, ihren eigenen sündhaften Begierden nachzugeben. Als Ergebnis nahmen Verbrechen und Abscheulichkeiten rasch zu. Man achtete weder die Ehe noch die Eigentumsrechte des anderen. Wer auf die Frau oder den Besitz seines Nachbarn Lust hatte, nahm sich mit Gewalt, was ihm gefiel. Und die Menschen prahlten sogar noch mit ihren Gewalttaten! Sie fanden auch Vergnügen am Erlegen von Tieren. Aber der Fleischverzehr machte sie noch grausamer und brutaler, bis ihnen auch ein Menschenleben erstaunlich wenig wert war. WABT 75 2 Die Welt steckte noch in ihren Kinderschuhen. Die Bosheit war freilich schon so tief verwurzelt und so weit verbreitet, dass Gott das nicht länger ertragen konnte. Er sprach: "Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde." (1. Mose 6,7) Er erklärte, sein Geist werde sich nicht ewig um das schuldbeladene Geschlecht bemühen (vgl. 1. Mose 6,3a). Wenn die Menschen nicht aufhörten, die Erde samt ihren reichen Schätzen durch ihr sündhaftes Leben zu verderben, werde er sie aus seiner Schöpfung ausrotten. Er werde alles vernichten, womit er sie gern gesegnet hat. Er werde die Tiere hinwegfegen und die Pflanzenwelt vernichten, die in überreicher Fülle Nahrung bot, und die schöne Erde in eine einzige trostlose Gegend verwandeln. WABT 75 3 Inmitten dieses Sittenverfalls bemühten sich Metuschelach, Noah und viele andere, die Erkenntnis des wahren Gottes lebendig zu erhalten und die Flut der Unsittlichkeit aufzuhalten. 120 Jahre vor der Flut teilte der Herr durch einen Engel Noah seine Absicht mit und beauftragte ihn, eine Arche zu bauen. Während er damit beschäftigt sei, sollte er verkünden, dass Gott eine Wasserflut über die Erde kommen lassen werde, um die Gottlosen zu vernichten. Wer dieser Botschaft Glauben schenke und sich auf dieses Ereignis durch Umkehr und Sinnesänderung vorbereite, solle Vergebung finden und gerettet werden. Henoch hatte seinen Nachkommen erzählt, was Gott ihm über die Sintflut offenbart hatte. Und Metuschelach und seine Söhne, die so lange lebten, dass sie noch Noahs Predigten hören konnten, halfen diesem beim Bau der Arche. Der Bau Der Arche WABT 76 1 Gott gab Noah die genauen Maße der Arche und ganz bestimmte, bis ins Einzelne gehende Anweisungen zu ihrem Bau. Menschliche Weisheit hätte nicht ausgereicht, ein so festes und dauerhaftes Schiff zu ersinnen. Gott entwarf den Plan, und Noah führte ihn als Baumeister aus. Der Rumpf der Arche war wie ein Schiff gebaut, damit sie auf dem Wasser schwimmen konnte, aber in gewisser Hinsicht glich sie eher einem Haus. Sie war drei Stockwerke hoch, hatte aber seitlich nur eine einzige Tür. Das Licht fiel von oben herein, und die verschiedenen Abteilungen waren so angeordnet, dass alle genug Licht hatten. Als Baumaterial für die Arche diente Zypressen- oder Gopherholz, dem Fäulnis jahrhundertelang nichts anhaben kann. WABT 76 2 Die Herstellung dieses riesigen Schiffes war mühevoll und schritt nur langsam voran. Wegen der enorm großen Bäume und der Härte des Holzes waren weit mehr Anstrengungen nötig als bei der heutigen Bauholzverarbeitung, selbst wenn man die größere Kraft berücksichtigt, welche die Menschen damals besaßen. Alles Menschenmögliche wurde unternommen, um die Arche vollkommen zu machen. Trotzdem hätte sie von sich aus dem Sturm, der dann über die Erde kam, nicht widerstehen können. Nur Gott selbst war imstande, seine Diener auf den tobenden Gewässern zu bewahren. WABT 76 3 "Durch den Glauben hat Noah Gott geehrt und die Arche gebaut zur Rettung seines Hauses, als er ein göttliches Wort empfing über das, was man noch nicht sah; durch den Glauben sprach er der Welt das Urteil und hat ererbt die Gerechtigkeit, die durch den Glauben kommt." (Hebräer 11,7) Während Noah der Welt seine Warnungsbotschaft verkündete, zeugten seine Werke von seiner Aufrichtigkeit. Auf diese Weise reifte sein Glaube zur Vollkommenheit und wurde nach außen sichtbar. Er gab der Welt ein Beispiel dafür, was es heißt, genau das fest zu glauben, was Gott sagt. Sein ganzes Vermögen steckte er in die Arche. Als er begann, auf trockenem Boden ein riesiges Boot zu zimmern, strömten aus allen Richtungen Menschen herbei. Sie wollten sich das seltsame Gebilde anschauen und sich die ernsten und eindringlichen Worte dieses eigentümlichen Predigers anhören. Jeder Hammerschlag beim Bau der Arche war ein Zeugnis für die Menschen. Noahs Warnungen Werden Nicht Beachtet WABT 76 4 Anfangs schienen viele die Warnungen zu beherzigen, doch leider war ihre Umkehr zu Gott nicht aufrichtig. Sie wollten ihre Sünden nicht aufgeben. Während der langen Zeit, die bis zum Einsetzen der Flut verstrich, wurde ihr Glaube auf die Probe gestellt, aber sie bestanden die Prüfung nicht. Vom vorherrschenden Unglauben mitgerissen, schlossen sie sich wieder ihren ehemaligen Kameraden an und verwarfen die eindringliche Botschaft. Einzelne ließen sich wirklich überzeugen und hätten die Warnungsbotschaft gern beachtet. Aber da gab es so viele, die darüber spotteten und sich lustig machten, dass sie sich deren Einstellung anschlossen. Sie lehnten die Gnadenangebote ab und zählten bald zu den kühnsten und trotzigsten Spöttern. Denn niemand ist so waghalsig und lässt sich so weit auf die Sünde ein wie jemand, der einmal die richtige Erkenntnis hatte, sich aber dem überzeugenden Einfluss des Heiligen Geistes widersetzt. WABT 77 1 Nicht alle Menschen jener Zeit waren Götzendiener im vollen Sinn des Wortes. Viele gaben an, Gott zu verehren. Sie behaupteten, ihre Götzenbilder seien nur Darstellungen der Gottheit; durch sie könne das Volk eine klarere Gottesvorstellung gewinnen. Aber gerade diese Leute waren die Ersten, die Noahs Botschaft ablehnten. In ihrem Bestreben, Gott durch materielle Gegenstände darzustellen, wurde ihr Verstand verfinstert und blind für die Majestät und Macht Gottes. Dadurch konnten sie sowohl die Heiligkeit seines Charakters als auch die Unveränderbarkeit seines heiligen Gesetzes nicht mehr erkennen. Als sich die Sünde überall ausbreitete, erschien sie immer weniger sündhaft. Schließlich behauptete man, das Gesetz Gottes sei außer Kraft gesetzt. Außerdem stehe die Bestrafung einer Gesetzesübertretung im Widerspruch zum Wesen Gottes. Und sie konnten es nicht fassen, dass die Erde einmal von Gottes Strafgerichten heimgesucht werde. Hätten die Menschen jener Zeit dem Gesetz Gottes gehorcht, hätten sie seine Stimme in Noahs Warnungsbotschaft vernehmen können. Aber durch die Ablehnung des Lichts wurden sie so verblendet, dass sie seine Botschaft für eine Täuschung hielten. WABT 77 2 Aufseiten der Gerechtigkeit standen keine Massen oder Mehrheiten. Die ganze Welt machte Front gegen Gottes Gerechtigkeit und sein Gesetz, und sein Diener Noah wurde als Fanatiker hingestellt. Als Satan Eva dazu verführte, Gott ungehorsam zu sein, sagte er zu ihr: "Ihr werdet keineswegs des Todes sterben." (1. Mose 3,4) Welterfahrene und verehrte Männer erklärten nun das Gleiche: "Gottes Drohungen haben nur den Zweck, uns einzuschüchtern. Sie werden nie wahrgemacht werden. Ihr braucht euch nicht zu ängstigen. Ein Ereignis wie die Zerstörung der Welt durch den Gott, der sie geschaffen hat, und die Bestrafung der Geschöpfe, die er ins Leben rief, wird es niemals geben. Entspannt euch und habt keine Angst. Noah ist ein Narr." So machte sich die Welt über die vermeintliche Torheit des scheinbar irregeführten alten Mannes lustig. Anstatt sich vor Gott zu demütigen, machten sie in ihrem Ungehorsam und ihrer Bosheit einfach weiter, als ob Gott nie durch den Mund seines Dieners zu ihnen gesprochen hätte. WABT 78 1 Aber Noah stand wie ein Fels in der Brandung. Von seiner Umwelt verachtet und verspottet, zeichnete er sich durch Ehrbarkeit und unerschütterliche Treue zu Gott aus. Große Kraft wohnte seinen Worten inne, denn aus ihm sprach Gottes Stimme, die sich durch seinen Diener an die Menschen richtete. Seine Verbindung mit Gott machte ihn stark in der unendlichen Macht göttlicher Stärke (vgl. Epheser 6,10). So konnte er die damalige Menschheit 120 Jahre lang seine ernste Stimme hören lassen und ihr Ereignisse ankündigen, die nach menschlichem Ermessen unmöglich zu sein schienen. WABT 78 2 Vor der Sintflut argumentierten die Menschen, dass die Naturgesetze schon seit Jahrhunderten unverändert seien. Die Reihenfolge der Jahreszeiten sei immer gleich geblieben. Bisher habe es noch nie geregnet. Nur Nebel oder Tau hätte der Erde Feuchtigkeit gespendet. Die Flüsse seien bis jetzt nie über die Ufer getreten, sondern hätten ihre Wasser stets sicher ins Meer ergossen. Feste Naturgesetze würden die Wassermassen davon abhalten, über die Ufer zu treten. So lautete ihre Beweisführung. Doch diese Vernunftmenschen erkannten in dem allen nicht die Hand Gottes, der den Wassern ihre Grenzen zog und sagte: "Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!" (Hiob 38,11) WABT 78 3 Als die Zeit verstrich, ohne dass sich in der Natur etwas änderte, beruhigten sich die Menschen wieder - auch solche, die ab und zu vor Angst gezittert hatten. Wie viele Menschen heutzutage kamen sie zum Schluss, dass die Natur über dem Gott der Natur stehe und die Naturgesetze so gegründet seien, dass selbst Gott sie nicht ändern könne. Wäre Noahs Botschaft zutreffend, müsste ja die Natur aus ihren Fugen geraten! Damit machten sie seine Botschaft in ihren Köpfen zu einer Wahnvorstellung - zu einer grandiosen Täuschung. Sie zeigten, dass sie Gottes Warnung verachteten, indem sie so weiterlebten, wie sie es vorher getan hatten: Sie feierten weiterhin ihre Feste und schwelgerischen Gelage, sie aßen und tranken, pflanzten und bauten und schmiedeten Pläne, um in der Zukunft hohe Gewinne zu erzielen. Sie trieben es in ihrer Bosheit immer ärger und missachteten willentlich Gottes Gebote. Auf diese Art wollten sie beweisen, dass sie vor dem ewigen Gott keine Angst hatten. Wenn an Noahs Worten etwas Wahres dran wäre, behaupteten sie, würden angesehene, weise, umsichtige Männer die Sache auch verstehen. WABT 78 4 Hätten die Menschen vor der Sintflut die Warnung ernst genommen und ihre bösen Taten bereut, hätte der Herr seinen Zorn genauso abgewendet, wie er es später bei Ninive tat. Aber die damalige Menschheit widersetzte sich halsstarrig ihrem mahnenden Gewissen und den Warnungen Noahs, des von Gott gesandten Propheten. Dadurch machte sie das Maß ihrer Bosheit voll und wurde reif für den Untergang. WABT 79 1 Das Ende der Zeit, die ihnen Gott aus Gnaden eingeräumt hatte, stand nun unmittelbar bevor. Die Anweisungen, die Noah von Gott gegeben worden waren, hatte er treu und zuverlässig ausgeführt. Die Arche war in jedem Teil so gebaut, wie der Herr es geboten hatte. Nahrung für Menschen und Tiere war an Bord gebracht worden. Nun richtete Gottes Diener seinen letzten ernsten Aufruf an das Volk. Mit einem schmerzlichen Verlangen, das man nicht in Worte fassen kann, flehte er die Menschen an, die rettende Zuflucht aufzusuchen, solange es noch möglich sei. Doch erneut schlugen sie seine Worte in den Wind. Lauthals verlachten und verspotteten sie ihn. Doch plötzlich verstummte die höhnende Menge. Tiere aller Art kamen - ob wild oder zahm - von den Bergen und aus den Wäldern. Ruhig und friedlich schlugen sie den Weg zur Arche ein. Dann vernahm man ein Rauschen wie von einem Wind. Aus allen Richtungen kamen Vogelschwärme angeflogen. Es waren so viele, dass sie den Himmel verdunkelten. In vollkommener Ordnung flogen sie zur Arche. Die Tiere gehorchten Gottes Befehl, aber die Menschen verharrten im Ungehorsam. Von heiligen Engeln geführt, "kamen je zwei zu Noah in die Arche, ein Männliches und ein Weibliches, wie Gott dem Noah geboten hatte", von den reinen Tieren sogar sieben Paare (1. Mose 7,9.2 Elb.). Die Menschen schauten mit Erstaunen zu, manche hatten Angst. Man rief Gelehrte herbei, um dieses einzigartige Geschehen zu erklären, aber vergeblich. Sie konnten dieses Rätsel nicht lösen. Die Menschen waren durch ihren hartnäckigen Widerstand gegen die Botschaft Gottes so verstockt, dass selbst dieses Ereignis nur vorübergehend Eindruck auf sie machte. Als sie die Sonne wie eh und je in ihrem Glanz leuchten sahen und sich ihnen die Erde in nahezu paradiesischer Schönheit darbot, vertrieben sie ihre aufkommende Angst durch laute Fröhlichkeit. Dabei waren sie doch dem Untergang geweiht! Durch ihre Gewalttätigkeiten schienen sie die Heimsuchung durch den erwachten Zorn Gottes geradezu herauszufordern. Nur Noah Und Seine Familie Betreten Die Arche WABT 79 2 "Dann sagte der Herr zu Noah: ›Geh mit deiner Familie in die Arche! Du bist der Einzige unter den Menschen, der vor mir als gerecht bestehen kann‹." (1. Mose 7,1 GNB) Die Welt hatte Noahs Warnungen verworfen, aber seiner Familie wurden sein Einfluss und sein beispielhaftes Leben zum Segen. Als Lohn für seine Treue und Rechtschaffenheit rettete Gott mit ihm alle Familienmitglieder. Welch eine Ermutigung für Eltern, Gott treu zu sein! WABT 80 1 Die Gnadenzeit für die schuldige Menschheit war abgelaufen. Die Tiere des Feldes und die Vögel hatten ihren Zufluchtsort aufgesucht. Auch Noah und seine Familie waren in der Arche, "und der Herr schloss hinter ihm zu" (1. Mose 7,16). Ein gleißender Blitz war zu sehen, und eine Wolke voll Herrlichkeit - noch heller als der Blitz - senkte sich vom Himmel herab und schwebte vor dem Eingang der Arche. Die schwere Tür, die niemand von innen zutun konnte, wurde langsam von unsichtbarer Hand geschlossen. Noah war darin verwahrt, aber alle, die Gottes Gnade ausgeschlagen hatten, blieben draußen. Das Siegel des Himmels befand sich an dieser Tür. Gott hatte sie verschlossen, und er allein konnte sie wieder öffnen. So wird auch die Gnadentür am Ende dieser Weltzeit zugemacht: Christus wird seinen Mittlerdienst zugunsten der sündigen Menschheit beenden und "auf den Wolken des Himmels" (Matthäus 24,30) zur Erde zurückkehren. Dann wird Gottes Gnade 7 die Ungläubigen nicht länger zurückhalten können. Satan wird seine Macht uneingeschränkt über alle ausüben, die Gottes Gnade abgelehnt haben. Sie werden danach trachten, Gottes Volk zu vernichten. Aber wie Noah in der Arche eingeschlossen war, werden die Gerechten von Gottes Macht beschützt werden. WABT 80 2 Sieben Tage lang waren Noah und seine Familie in der Arche, ohne dass etwas auf einen kommenden Sturm hindeutete. Für sie war diese Zeit eine Glaubensprüfung. Die Menschen draußen aber jubelten. Diese anscheinende Verzögerung bestätigte sie in der Auffassung, dass Noahs Botschaft ein Irrtum war; die Flut werde es nie geben. Dabei hatten sie miterlebt, wie Tiere und Vögel in die Arche einzogen und der Engel Gottes die Tür verschloss. Doch sie machten sich weiter über diese ernsten Ereignisse lustig und scherzten über die Signale, die ihnen Gottes Macht deutlich vor Augen führte. In Scharen versammelten sie sich um die Arche und verlachten Noah und die Seinen mit einer nie zuvor gekannten Dreistigkeit. Die Sintflut Kommt WABT 80 3 Aber am achten Tag zogen dunkle Wolken am Himmel auf. Grollender Donner und zuckende Blitze folgten. Bald fielen große Regentropfen. So etwas hatte die Welt noch nicht erlebt. Da überkam sie große Angst. Alle fragten sich insgeheim: "Kann es doch sein, dass Noah recht hatte und die Welt dem Untergang geweiht ist?" Der Himmel wurde immer dunkler, und der Regen fiel stärker. In panischer Angst rannten die Tiere umher. Ihr misstönendes Brüllen schien ihr eigenes Los und das Schicksal der Menschen zu beklagen. Dann aber "brachen alle Brunnen der großen Tiefe auf und taten sich die Fenster des Himmels auf" (1. Mose 7,11). Wolkenbruchartig stürzte das Wasser vom Himmel. Die Flüsse traten über die Ufer und überschwemmten die Täler. Wassermassen schossen mit unbeschreiblicher Gewalt aus der Erde. Dabei schleuderten sie Felsbrocken hoch in die Luft, die sich beim Sturz tief in die Erde bohrten. WABT 81 1 Zuerst mussten die Menschen mit ansehen, wie das zerstört wurde, was sie mit ihren eigenen Händen geschaffen hatten. Ihre prachtvollen Häuser, die wunderschönen Gärten und Haine, in denen ihre Götzenbilder standen, wurden durch Blitze vom Himmel vernichtet; die Trümmer wurden weit durch die Gegend geschleudert. Die Altäre, auf denen sie Menschenopfer dargebracht hatten, wurden niedergerissen. Die Macht des lebendigen Gottes ließ die Götzenanbeter erzittern. Sie mussten erkennen, dass ihre Verderbtheit und ihre Abgötterei diese Vernichtung verursacht hatten. WABT 81 2 Als die Gewalt des Sturmes zunahm, wurden Bäume, Häuser, Felsen und Erdmassen in alle Richtungen geschleudert. Die Panik von Menschen und Tieren war unbeschreiblich. Das Angstgeschrei derer, die Gottes Autorität verachtet hatten, übertönte noch das Heulen des Sturms. Selbst Satan war gezwungenermaßen den tobenden Elementen ausgesetzt und befürchtete, ebenfalls vernichtet zu werden. Es war ihm ein Vergnügen gewesen, ein so mächtiges Geschlecht in seiner Gewalt zu haben. Er wünschte sich, dass die Menschen weiterlebten, damit sie ihre Abscheulichkeiten verüben und ihren Aufruhr gegen den Herrscher des Himmels fortsetzen konnten. Nun sprach er Verwünschungen gegen Gott aus und warf ihm Ungerechtigkeit und Grausamkeit vor. Wie Satan lästerten auch viele Menschen Gott. Wäre es ihnen möglich gewesen, hätten sie ihm die Macht entrissen und ihn vom Thron gestürzt. WABT 81 3 Andere waren außer sich vor Angst. Sie streckten ihre Hände nach der Arche aus und baten um Einlass. Aber ihr Flehen war vergeblich. Schließlich erwachte ihr Gewissen in der Erkenntnis, dass es einen Gott und Herrscher im Himmel gibt. Nun riefen sie ihn ernstlich an, aber sein Ohr war für ihr Schreien nicht mehr offen. In jener schrecklichen Stunde begriffen sie, dass die Übertretung des göttlichen Gesetzes ihren Untergang verursacht hatte. Doch es hatte sie nur die Angst vor Strafe dazu gebracht, ihre Sünden einzusehen. Wahre Reue und Abscheu vor dem Bösen empfanden sie nicht. Sie wären wieder in ihre Auflehnung gegenüber Gott zurückgefallen, wäre das Strafgericht abgewendet worden. So wird es auch sein, wenn Gottes Gerichte die Erde treffen, bevor sie in einem Feuersee untergeht. Die Ungläubigen werden genau wissen, worin ihre Sünde besteht: in der Missachtung der Gebote Gottes. Sie werden aber ebenso wenig Reue empfinden wie die Sünder der vorsintflutlichen Welt. WABT 82 1 In ihrer Verzweiflung versuchten einige, mit Gewalt in die Arche einzudringen. Aber der feste Bau hielt ihren Bemühungen stand. Einige klammerten sich an der Arche fest, bis die ansteigenden Wogen sie fortschwemmten, oder sie verloren durch den Zusammenprall mit Felsbrocken und Bäumen ihren Halt. Sogar die schwere Arche ächzte in allen Fugen, als sie der erbarmungslose Sturm schüttelte und von Welle zu Welle warf. Dass die Tiere in der Arche dabei große Angst hatten, zeigte ihr Geschrei. Doch obwohl die Elemente tobten, setzte die Arche sicher ihre Fahrt fort. Starke Engel hatten den Auftrag, sie zu schützen. WABT 82 2 Dem Sturm ausgesetzt, drängten die Haustiere in die Nähe der Menschen, als ob sie von ihnen Hilfe erwarteten. Einige Leute banden ihre Kinder und sich selbst auf starke Tiere, denn sie wussten, dass Tiere zäh um ihr Leben kämpfen und auf die höchsten Berge klettern würden, um den steigenden Fluten zu entkommen. Andere banden sich an hohen Bäumen fest, die auf Hügeln oder Berggipfeln standen. Aber diese Bäume wurden entwurzelt und mit ihrer lebendigen Last in die schäumenden Wogen geschleudert. Ein Platz nach dem anderen, der Sicherheit zu bieten schien, musste aufgegeben werden. Als die Wassermassen immer noch höher stiegen, suchten die Menschen auf den höchsten Gipfeln Zuflucht. Häufig kämpften Menschen und Tiere miteinander um einen festen Halt, bis sie alle fortgerissen wurden. WABT 82 3 Von den höchsten Gipfeln sahen die Menschen weit und breit einen uferlosen Ozean. Noahs ernste Warnungen waren nun keine geeignete Zielscheibe mehr für Hohn und Spott. Wie sehr wünschten sich diese todgeweihten Sünder nun die Gelegenheiten zurück, die sie leichtfertig ausgeschlagen hatten! Wie flehten sie um noch eine Stunde Gnadenzeit, um einen weiteren Gnadenerweis, um noch einen Ruf zur Umkehr aus Noahs Mund! Aber die freundliche Stimme, die ihnen Gottes Gnadenangebot verkündet hatte, war nicht mehr zu vernehmen. Sowohl der Grundsatz der Liebe als auch die Gerechtigkeit verlangten, dass Gottes Gerichte der Sünde Einhalt gebieten. Die Gewässer seines Zorns überrollten den letzten Zufluchtsort, und alle Verächter Gottes kamen in den dunklen Fluten um. Parallelen Zur Heutigen Zeit WABT 82 4 Viele Menschen heutzutage "wollen ... nicht wahrhaben, dass Gott schon einmal durch eine große Flut diese Erde zerstörte, die er durch sein Wort am Anfang der Welt aus dem Wasser erschaffen hatte. Auch unser Himmel und unsere Erde werden nur so lange bestehen, wie Gott es will. Dann aber, am Tag des Gerichts, wird er sein Urteil über alle Gottlosen sprechen, und auf sein Wort hin wird das Feuer Himmel und Erde vernichten" (2. Petrus 3,5-7 Hfa). Ein weiterer Sturm naht, denn die Erde wird erneut durch den alles zerstörenden Zorn Gottes gereinigt. Dabei werden Sünde und Sünder für immer vernichtet werden. WABT 83 1 Die Sünden, die in der vorsintflutlichen Welt nach Vergeltung riefen, gibt es noch heute. Man kennt keine Gottesfurcht mehr, und für Gottes Gesetz hegt man nur Gleichgültigkeit und Verachtung. Die starke Verweltlichung der Menschen jener Zeit entspricht dem Zustand der heutigen Generation. Christus sagte über sie: "Denn wie sie waren in den Tagen vor der Sintflut - sie aßen, sie tranken, sie heirateten und ließen sich heiraten bis an den Tag, an dem Noah in die Arche hineinging; und sie beachteten es nicht, bis die Sintflut kam und raffte sie alle dahin - so wird es auch sein beim Kommen des Menschensohns" (Matthäus 24,38.39). Gott verurteilte die Menschen vor der Sintflut nicht, weil sie aßen und tranken. Hatte er ihnen doch die Erzeugnisse der Erde mehr als reichlich zur Verfügung gestellt, um ihre leiblichen Bedürfnisse zu stillen. Ihre Sünde bestand darin, dass sie diese Gaben annahmen, ohne dem Geber dafür dankbar zu sein. Darüber hinaus frönten sie ungezügelt ihrer Esslust, wodurch sie sich selbst erniedrigten. Es war auch durchaus rechtens zu heiraten; die Ehe entsprach ja Gottes Willen. Sie war eine der ersten Einrichtungen, die Gott in der Welt einsetzte. Er verlieh ihr Heiligkeit und Schönheit und gab für sie ausdrückliche Anweisungen. Aber die Menschen ließen sie außer Acht. Dadurch wurde die Ehe entweiht und diente nur mehr den Leidenschaften. WABT 83 2 Ähnliche Zustände herrschen auch heute. Was an und für sich richtig ist, wird bis zum Exzess getrieben. Der Esslust gibt man ohne Einschränkung nach. So kommt es, dass bekennende Nachfolger von Christus heutzutage mit Betrunkenen essen und trinken, während doch ihre Namen in den Kirchenbüchern verzeichnet sind. Die Unmäßigkeit lähmt die sittlichen und geistigen Kräfte und ebnet den Weg zur Befriedigung der niedrigen Leidenschaften. Eine große Anzahl von Menschen sieht keine moralische Verpflichtung, ihre sinnlichen Begierden im Zaum zu halten; sie werden zu Sklaven ihrer Triebe. WABT 83 3 Die meisten Menschen leben für sinnliche Freuden, nur für diese Welt und dieses Leben. Verschwendungssucht durchzieht sämtliche Gesellschaftskreise. Die Rechtschaffenheit wird für Luxus und äußeren Glanz geopfert. Um schnell reich zu werden, verdrehen viele das Recht und unterdrücken die Armen. "Leiber und Seelen von Menschen" werden auch heute noch gekauft und verkauft (Offenbarung 18,13c). Betrug, Bestechung und Diebstahl sind in höheren Kreisen ebenso an der Tagesordnung wie in niederen Schichten. Niemand regt sich darüber auf. Die Zeitungen überbieten sich mit Berichten über Mord und Totschlag. Diese Verbrechen geschehen kaltblütig und grundlos, als sei jedes Gefühl für Menschlichkeit abhanden gekommen. Diese Gräueltaten haben so zugenommen, dass sich kaum noch jemand über sie wundert. Der Geist der Gesetzlosigkeit durchdringt alle Völker. Von Zeit zu Zeit kommt es zu Gewaltausbrüchen, die der Welt einen Schauder über den Rücken jagen. Das sind aber nur Alarmzeichen, die auf die aufgestauten Feuer der Leidenschaft und der Gesetzlosigkeit hinweisen. Sind diese erst einmal außer Kontrolle geraten, werden sie die Erde mit Leid und Verwüstung überziehen. Das Bild, das die Bibel von der vorsintflutlichen Welt zeichnet, entspricht ganz und gar dem Zustand, auf den die moderne Gesellschaft mit großer Geschwindigkeit zusteuert. Selbst heute werden in angeblich christlichen Ländern täglich viele Verbrechen begangen, die ebenso schlimm und furchtbar sind wie die, welche die Sünder der alten Welt in den Untergang getrieben haben. WABT 84 1 Vor der Sintflut sandte Gott seinen Diener Noah, um die Menschen zu warnen. Sie sollten von ihrem bösen Weg umkehren und damit dem drohenden Verderben entrinnen. Nun, da die Zeit der Wiederkunft von Christus näherrückt, schickt der Herr wieder seine Diener mit einer Warnungsbotschaft an die Welt hinaus, damit sich jeder auf dieses große Ereignis vorbereiten kann. Unzählige Menschen haben bisher in offener Übertretung der Gebote Gottes gelebt. Daher ruft er sie in seiner Barmherzigkeit auf, seinen heiligen Geboten zu gehorchen. Wer seine Sünden vor Gott bekennt und bereut, wird im Glauben an Christus Vergebung erhalten. Viele meinen jedoch, es sei ein zu großes Opfer, die sündigen Gewohnheiten aufzugeben. Weil ihr Leben nicht mit den reinen, moralischen Maßstäben übereinstimmt, nach denen Gott die Welt regiert, wählen sie einen anderen Weg: Sie weisen Gottes Warnungen zurück und leugnen die Gültigkeit seines Gesetzes. WABT 84 2 Von der riesigen Bevölkerung, die vor der Sintflut auf der Erde lebte, glaubten nur acht Menschen der Botschaft, die Gott durch Noah an sie richtete, und gehorchten ihr auch. 120 Jahre lang warnte der "Prediger der Gerechtigkeit" (2. Petrus 2,5) die Welt vor der kommenden Vernichtung. Aber seine Botschaft wurde missachtet und abgelehnt. So ist es heute wieder. Wenn Christus, der Gesetzgeber, zur Erde zurückkehrt, wird er die Ungehorsamen bestrafen. Doch zuvor werden die Gesetzesübertreter zur Umkehr aufgefordert und ermahnt, ihre Treuepflicht ernst zu nehmen. Aber bei der Mehrheit werden diese Ermahnungen vergeblich sein. Der Apostel Petrus schrieb: "Ihr sollt vor allem wissen, dass in den letzten Tagen Spötter kommen werden, die ihren Spott treiben, ihren eigenen Begierden nachgehen und sagen: Wo bleibt die Verheißung seines Kommens? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Schöpfung gewesen ist." (2. Petrus 3,3.4) Hören wir nicht genau dieselben Worte heute, und zwar nicht nur von denen, die sich offen als ungläubig bezeichnen, sondern auch von den Kanzeln in unseren Ländern? "Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung", rufen sie. "Bevor Christus kommt, müssen alle Menschen bekehrt werden, und 1000 Jahre lang sollen Gerechtigkeit und Friede herrschen. Alles geht so weiter, wie es von Anfang an gewesen ist. Niemand soll sich von der aufgeregten Verkündigung dieser Schwarzseher beunruhigen lassen." Aber diese Lehre von einem 1000-jährigen Friedensreich auf dieser Erde stimmt nicht mit den Lehren von Jesus und von seinen Aposteln überein. Er stellte einmal die bedeutsame Frage: "Doch wenn der Menschensohn wiederkommt, wie viele wird er dann vorfinden, die solch einen Glauben haben?" (Lukas 18,8 NLB) Und wie wir gesehen haben, sagte er auch, dass der Zustand der Welt dann so sein wird wie in den Tagen Noahs. Paulus ermahnte uns, auf die überhandnehmende Gottlosigkeit zu achten, je mehr wir uns dem Ende nähern: "Nun sagt uns der Heilige Geist ausdrücklich, dass manche sich am Ende der Zeit von dem abwenden werden, was wir glauben; sie werden Lügen hören und Lehren folgen, die von Dämonen stammen." (1. Timotheus 4,1 NLB) Er wusste, "dass in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden", und verwies auf eine erstaunliche Liste von Sünden, die unter jenen zu finden sind, die den "Schein der Frömmigkeit" haben (2. Timotheus 3,1.5). WABT 85 1 Als sich die Gnadenzeit für die Menschen vor der Sintflut ihrem Ende zuneigte, gaben sie sich rauschenden Festen und Vergnügungen hin. Wer Macht und Einfluss besaß, versuchte alles, um die Gedanken der Menschen durch Ausgelassenheit und Vergnügen zu fesseln, damit sich niemand von diesen ernsten Warnungen beeindrucken ließ. Sehen wir nicht, wie sich dasselbe in unserer Zeit wiederholt? Während Gottes Diener die Botschaft verkünden, dass das Ende aller Dinge vor der Tür steht, frönt die Welt den Vergnügungen und der Genusssucht. Es besteht ein ständiges Angebot an aufregenden Erlebnissen. Das macht die Menschen gegenüber Gott gleichgültig und hindert sie daran, sich von den Wahrheiten ansprechen zu lassen, die sie allein vor der kommenden Vernichtung retten könnten. Die "Wissenschaftler" Haben Sich Getäuscht WABT 85 2 Zur Zeit Noahs behaupteten die Gelehrten, die Erde könne unmöglich durch Wasser zerstört werden. Auch heute gibt es Wissenschaftler, die nachweisen wollen, dass die Welt nicht durch eine Feuersbrunst ihr Ende finden könne. Sie meinen, das sei mit den Naturgesetzen unvereinbar. Aber Gott, der Herr der Natur, der die Gesetze vorgibt und steuert, kann die Werke seiner Hände so einsetzen, dass sie seinen Absichten dienen. WABT 86 1 Als große und weise Männer zu aller Zufriedenheit "bewiesen" hatten, dass die Welt unmöglich durch Wasser vernichtet werden könne; als sich auch die Angst der Menschen gelegt hatte und Noahs Voraussagen als Täuschung angesehen wurden und man ihn für einen Fanatiker hielt, gerade da war die Zeit für Gott gekommen. "An diesem Tag brachen alle Brunnen der großen Tiefe auf und taten sich die Fenster des Himmels auf." (1. Mose 7,11) Die Spötter aber wurden von den Wassern der Sintflut begraben. Trotz ihrer prahlerischen Weisheit erkannten die Menschen zu spät, dass ihre Gelehrsamkeit nur Torheit war. Denn der Gesetzgeber ist größer als die Naturgesetze, und dem Allmächtigen fehlt es nicht an Mitteln, um seine Pläne zu verwirklichen. "Wenn der Menschensohn kommt, wird es genauso sein wie zur Zeit Noahs." (Lukas 17,26 GNB) "Der Tag des Herrn kommt unvorhergesehen wie ein Dieb. Dann wird der Himmel unter tosendem Lärm vergehen, die Himmelskörper verglühen im Feuer, und die Erde und alles, was auf ihr ist, wird zerschmelzen." (2. Petrus 3,10 GNB) Wenn die Beweisführung der Weltweisen die Angst vor Gottes Gerichten vertrieben hat, wenn sogar Theologen für die Zukunft von langen Zeiten des Friedens und des Wohlstands sprechen, wenn die Menschen schließlich ganz von ihren Geschäften und Vergnügungen, ihrem Planen und Bauen, ihren Festen und Lustbarkeiten gefangen sind, sodass sie Gottes Warnungen verwerfen und seine Boten verspotten, "dann wird sie das Verderben schnell überfallen ... und sie werden nicht entfliehen" (1. Thessalonicher 5,3). ------------------------Kapitel 8 - Nach Der Sintflut WABT 87 0 1. Mose 7,18 bis 9,17. WABT 87 1 Die Wasser stiegen bis sieben Meter über die höchsten Berge. Oft schien es der Familie in der Arche, als müsse sie umkommen, denn fünf Monate lang wurde ihr Schiff hin- und hergeworfen, scheinbar der Gewalt von Wind und Wellen ausgesetzt. Es war eine schwere Prüfungszeit, aber Noahs Glaube wankte nicht, denn er hatte die Gewissheit, dass Gottes Hand über ihm war. WABT 87 2 Als der Wasserspiegel allmählich sank, ließ Gott die Arche in ein Gebiet treiben, das von schützenden Bergen, die seine Macht bewahrt hatte, umgeben war. Sie befanden sich in nur geringer Entfernung von der Arche. In diesen ruhigen Hafen glitt nun die Arche und wurde nicht mehr auf dem grenzenlosen Ozean umhergetrieben. Das brachte den müden, sturmgebeutelten Bewohnern der Arche eine große Erleichterung. WABT 87 3 Unruhig warteten Noah und die Seinen darauf, dass der Wasserstand fiel. Sie sehnten sich danach, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Nach 40 Tagen, als die Bergspitzen wieder zu sehen waren, schickte Noah einen Raben aus, einen Vogel mit einer schnellen Orientierung. Der sollte herausfinden, ob die Erde trocken geworden war. Weil der Vogel nichts als Wasser fand, flog er mehrfach wieder aus, kehrte aber stets zur Arche zurück. Sieben Tage später sandte Noah eine Taube aus. Da sie keinen festen Boden fand, kehrte auch sie zur Arche zurück. Noah wartete weitere sieben Tage, bis er die Taube erneut ausfliegen ließ. Als sie gegen Abend mit einem Olivenblatt im Schnabel zurückkam, freuten sich alle überschwänglich. Später "tat Noah das Dach von der Arche und sah, dass der Erdboden trocken war" (1. Mose 8,13). Trotzdem wartete er noch geduldig ab. Er war auf Gottes Befehl in die Arche hineingegangen, daher wartete er auch auf besondere Anweisungen, um sie wieder zu verlassen. WABT 87 4 Schließlich kam ein Engel vom Himmel herab, öffnete die schwere Tür und gebot dem Patriarchen und seinen Angehörigen, ihren Fuß auf die Erde zu setzen und alle Lebewesen mitzunehmen. In seiner Freude über ihre Befreiung vergaß Noah aber den Einen nicht, dessen gnädige Fürsorge sie bewahrt hatte. Nach dem Verlassen der Arche baute er deshalb als Erstes einen Altar und opferte von jeder Art reiner Landtiere und Vögel. So drückte er Gott seine Dankbarkeit für die Errettung aus. Zugleich bezeugte er damit seinen Glauben an Christus, das große Opfer. Sein Opfer fand das Wohlgefallen des Herrn und veranlasste ihn zu einem Segenserweis. Dieser galt nicht nur für den Patriarchen und seine Familie, sondern für alle, die jemals auf der Erde leben sollten. "Der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen ... Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht." (1. Mose 8,21.22) WABT 88 1 Hier steckt eine Lehre für alle folgenden Geschlechter. Noah hatte eine verwüstete Erde betreten. Aber noch bevor er für sich ein Haus baute, errichtete er Gott einen Altar. Sein Viehbestand war klein und mit großem Aufwand am Leben erhalten worden, dennoch gab er freudig einen Teil dem Herrn. Damit erkannte er an, dass alles Gottes Eigentum ist. In gleicher Weise sollte es auch unser erstes Anliegen sein, unsere freiwilligen Gaben Gott darzubringen. Wann immer er uns seine Gnade und Liebe erweist, sollten wir das dankbar anerkennen - sowohl durch Zeichen unserer Verehrung als auch durch Gaben für Gottes Werk. Eine Neue Verheissung WABT 88 2 Damit Wolkenwände und Regenfälle die Menschen nicht ständig in Angst und Schrecken versetzten, weil sie sich vor einer weiteren Flut fürchteten, ermutigte der Herr Noahs Familie mit dem Versprechen: "Ich richte meinen Bund mit euch auf, dass nie mehr alles Fleisch ausgerottet werden soll durch das Wasser der Flut ... Meinen Bogen setze ich in die Wolken, und er sei das Zeichen des Bundes zwischen mir und der Erde. Und es wird geschehen, wenn ich Wolken über die Erde aufwölke, und der Bogen in den Wolken erscheint, dann werde ich an meinen Bund denken, der zwischen mir und euch besteht ... nie mehr soll das Wasser zu einer Flut werden, alles Fleisch zu vernichten." (1. Mose 9,11.13-15 Elb.) WABT 88 3 Wie erstaunlich sind doch die Herabneigung und das Erbarmen Gottes mit seinen irrenden, sündigen Geschöpfen! Als Zeichen seines Bundes mit den Menschen hat Gott den prachtvollen Regenbogen in die Wolken gesetzt! Wenn er ihn sieht, will er sich nach seinen eigenen Worten an seinen Bund erinnern. Das bedeutet nicht, dass Gott vergesslich ist. Aber er spricht mit uns in unserer Sprache, damit wir ihn besser verstehen können. Die Kinder späterer Generationen würden nach der Bedeutung des herrlichen Bogens fragen, der den Himmel umspannt. Dann sollten ihnen die Eltern die Geschichte von der Sintflut erzählen. So war es Gottes Absicht. Sie sollten ihnen auch berichten, dass der Allerhöchste diesen Bogen gemacht und in die Wolken gesetzt hat als ein festes Versprechen, dass Wassermassen nie wieder die ganze Erde überfluten werden. Auf diese Weise erzählt der Regenbogen einer Generation nach der anderen, wie sehr Gott die Menschen liebt. Er stärkt damit ihr Vertrauen zu Gott. WABT 89 1 Im Himmel umgibt eine Art Regenbogen Gottes Thron und wölbt sich über dem Haupt von Christus. Der Prophet Hesekiel berichtete: "Wie der Regenbogen steht in den Wolken, wenn es geregnet hat, so glänzte es ringsumher. So war die Herrlichkeit des Herrn anzusehen." (Hesekiel 1,28) Und Johannes schrieb: "Siehe, ein Thron stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer ... und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen wie ein Smaragd." (Offenbarung 4,2.3) Wenn Menschen durch ihre Bosheit Gottes Gerichte herausfordern, legt der Erlöser beim Vater Fürsprache für sie ein. Er verweist auf den Regenbogen in den Wolken und auf den Bogen um den Thron und über seinem Haupt, welche Zeichen der Gnade Gottes für reumütige Sünder sind. WABT 89 2 Mit der Zusicherung, die Noah nach der Sintflut erhielt, hat Gott eines der schönsten und bedeutendsten Versprechen gegeben. Es ist eng mit seiner Gnade verbunden: "Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer." (Jesaja 54,9.10) WABT 89 3 Als Noah die mächtigen Raubtiere betrachtete, die mit ihm aus der Arche stiegen, hatte er Angst um seine Familie, die nur aus acht Personen bestand. Er befürchtete, dass sie von ihnen vertilgt würden. Da sandte der Herr seinem Diener einen Engel mit einer beruhigenden Botschaft. Er sicherte ihm zu: "Furcht und Schrecken vor euch sei auf allen Tieren der Erde und auf allen Vögeln des Himmels! Mit allem, was sich auf dem Erdboden regt, mit allen Fischen des Meeres sind sie in eure Hände gegeben. Alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein; wie das grüne Kraut gebe ich es euch alles." (1. Mose 9,2.3 Elb.) Bis dahin hatte Gott den Menschen nicht erlaubt, Fleisch als Nahrung zu sich zu nehmen. Er wollte, dass sie sich ausschließlich von den Erzeugnissen ernährten, die der Boden hervorbrachte. Nun, da alle Pflanzen vernichtet waren, durften sie das Fleisch der "reinen" Tiere essen (siehe 3. Mose Kap. 11), die in der Arche bewahrt worden waren. Nichts Ist Heute Mehr So, Wie Es Einst War WABT 90 1 Die ganze Erdoberfläche wurde durch die Flut verändert. Infolge der Sünde lastete ein dritter schrecklicher Fluch auf ihr. Als das Wasser zu sinken begann, waren Hügel und Berge von einem weiten, trüben Meer umgeben. Überall gab es Leichen von Menschen und Tieren. Der Herr wollte verhindern, dass sie herumlagen, verwesten und die Luft verpesteten. Deshalb verwandelte er die Erde in einen riesigen Friedhof. Ein gewaltiger Orkan, den Gott aufkommen ließ, um die Wassermassen verdunsten zu lassen, wühlte sie mit großer Kraft auf. Der Sturm war so stark, dass er in einigen Fällen sogar die Berggipfel wegriss und Bäume, Steine und Erde auf die Leichen häufte. Dadurch wurden auch das Silber und Gold, kostbare Hölzer und Edelsteine, die die vorsintflutliche Welt reich machten und schmückten und aus denen die Menschen ihre Götzen hergestellt hatten, vor ihrem Blick und Zugriff verborgen. Der Sturm peitschte das Wasser derart auf, dass durch dessen Macht Erd- und Felsmassen auf diese Schätze gestürzt wurden. In manchen Fällen türmten sich sogar Berge darüber auf. Gott hatte zusehen müssen, wie die sündigen Menschen einen umso lasterhafteren Lebenswandel vor seinen Augen führten, desto mehr sie von ihm mit Reichtum und Wohlstand gesegnet wurden. Die Schätze hätten sie dazu veranlassen sollen, den großzügigen Geber zu verehren. Stattdessen aber waren Götzen aus ihnen angebetet worden, während Gott entehrt und verachtet wurde. WABT 90 2 Die Erde bot einen unbeschreiblichen Anblick. Überall herrschte Verwüstung und Chaos. Die Berge - einst so schön in ihrer vollkommenen Ebenmäßigkeit - waren nun zerrissen und ungleichförmig. Steine, Felsvorsprünge und scharfkantige Felsblöcke waren über die ganze Erdoberfläche verstreut. An vielen Stellen waren Hügel und Berge verschwunden, ohne Spuren zu hinterlassen. Ganze Ebenen hatten dagegen Gebirgszügen Platz gemacht. Diese Veränderungen waren mancherorts ausgeprägter als anderswo. Wo man früher die reichsten Bodenschätze wie Gold, Silber und Edelsteine fand, waren die deutlichsten Kennzeichen des Fluches zu erkennen. Dieser lastete weniger schwer auf Gegenden, die ehemals unbewohnt oder in geringerem Maß von Verbrechen betroffen waren. WABT 91 1 Zur Zeit der Flut wurden riesige Wälder begraben. Sie wurden in Kohle verwandelt und bilden seitdem die ausgedehnten Kohlenflöze. Sie liefern auch die großen Erdölvorkommen. Oft entzünden sich Kohle und Erdöl und brennen dann unter der Erdoberfläche. Dadurch wird Felsgestein erhitzt, Kalkstein gerät in Brand und Eisenerz schmilzt. Fließt dann Wasser auf den Kalk, steigert die heftige Reaktion noch die schon ungeheure Hitze, was Erdbeben, Vulkantätigkeit und glühende Massen hervorruft. Wenn Feuer und Wasser auf Gesteins- und Erzschichten treffen, kommt es zu schweren unterirdischen Explosionen, die sich wie gedämpftes Donnergrollen anhören. Die Luft ist dann heiß und stickig. Vulkanausbrüche folgen. Doch diese reichen oft nicht aus, um den erhitzten Elementen genügend Druck zu nehmen. Die Erde selbst wird erschüttert, der Boden hebt und senkt sich wie Meereswellen. Große Risse entstehen und verschlingen manchmal ganze Städte, Dörfer und Vulkane. Diese außergewöhnlichen Erscheinungen werden unmittelbar vor der Wiederkunft von Christus und dem Ende der Welt vermehrt und noch schrecklicher auftreten. Es sind Zeichen, die auf eine schnelle Vernichtung der Erde hinweisen. Das Vernichtungspotential Unter Der Erde WABT 91 2 Die Tiefen der Erde bilden das Arsenal, aus dem die Waffen stammten, die bei der Vernichtung der alten Welt zum Einsatz kamen. Wassermassen quollen aus der Erde empor und verbanden sich mit dem Wasser vom Himmel, um das Werk der Verwüstung auszuführen. Seit der Sintflut sind Feuer und Wasser Gottes Mittel, um sehr gottlose Städte zu vernichten. Diese Gerichte werden gesandt, damit Menschen, die dem Gesetz Gottes wenig Gewicht beimessen und seine Autorität mit Füßen treten, vor seiner Macht zu zittern beginnen und bekennen, dass Gottes Herrschaft gerecht ist. Als Menschen sahen, wie Vulkane Feuerflammen ausspien und Ströme geschmolzenen Gesteins die Flüsse austrockneten, große Städte unter sich begruben und überall Vernichtung und Verwüstung anrichteten, wurden auch die härtesten Herzen von Entsetzen gepackt. Ungläubige wie auch Gotteslästerer waren gezwungen, Gottes unendliche Macht anzuerkennen. WABT 91 3 Auf solche Ereignisse bezogen sich die Propheten in alter Zeit, wenn sie sagten: "Tritt doch aus dem Himmel hervor, komm herab und lass die Berge in deiner Gegenwart zittern. Komm doch wie ein Feuer, das Reisig in Brand setzt und Wasser zum Kochen bringt, damit dein Name bei deinen Feinden bekannt wird und die Nationen vor dir in Angst und Schrecken versetzt werden. Vollbringe doch Furcht erregende Taten, auf die wir nicht zu hoffen wagten, fahre herab und lass die Berge vor dir erzittern." (Jesaja 63,19; 64,1.2 NLB) - "Er geht seinen Weg in Sturm und Gewitter, und die Wolken sind der Staub unter seinen Füßen. Er droht dem Meer und legt es trocken, und auch alle Flüsse lässt er versiegen." (Nahum 1,3.4 NLB) WABT 92 1 Viel schrecklichere Dinge, wie sie die Welt noch nie erlebt hat, werden bei der Wiederkunft von Christus geschehen. "Die Berge erzittern vor ihm, und die Hügel zergehen; das Erdreich bebt vor ihm, der Erdkreis und alle, die darauf wohnen. Wer kann vor seinem Zorn bestehen, und wer kann vor seinem Grimm bleiben?" (Nahum 1,5.6) "Herr, neige deinen Himmel und fahre herab; rühre die Berge an, dass sie rauchen. Sende Blitze und streue sie aus, schick deine Pfeile und jage sie dahin." (Psalm 144,5.6) WABT 92 2 Gott kündigte an: "Ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf." (Apostelgeschichte 2,19; vgl. Joel 3,3) "Es geschahen Blitze und Stimmen und Donner, und es geschah ein großes Erdbeben, wie es noch nicht gewesen ist, seit Menschen auf Erden sind - ein solches Erdbeben, so groß. Und alle Inseln verschwanden, und die Berge wurden nicht mehr gefunden. Und ein großer Hagel wie Zentnergewichte fiel vom Himmel auf die Menschen." (Offenbarung 16,18.20.21) WABT 92 3 Wenn sich Blitze vom Himmel mit dem Feuer in der Erde verbinden, werden die Berge brennen wie ein Schmelzofen. Aus ihnen werden sich schreckliche Lavaströme ergießen, die Gärten und Felder, Dörfer und Städte unter sich begraben. Heiße, geschmolzene Erdmassen werden in die Flüsse stürzen und das Wasser zum Sieden bringen. Das wiederum wird gewaltige Felsblöcke mit unbeschreiblicher Wucht in die Höhe schleudern und ihre Bruchstücke über das Land verstreuen. Flüsse werden austrocknen. Die Erde wird wie von Krämpfen geschüttelt werden. Überall wird es furchtbare Erdbeben und Vulkanausbrüche geben. WABT 92 4 So wird Gott die Bösen von der Erde vertilgen. Aber die Gerechten werden inmitten dieser Wirren bewahrt bleiben wie Noah in der Arche. Gott wird ihre Zuflucht sein, und unter seinen Flügeln sind sie geborgen. Die Psalmisten sagten: "Wenn der Herr deine Zuflucht ist, wenn du beim Höchsten Schutz suchst, dann wird das Böse dir nichts anhaben können, und kein Unglück wird dein Haus erreichen." (Psalm 91,9.10 NLB) "Er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes." (Psalm 27,5) Gott hat verheißen: "Ich will den erretten, der mich liebt. Ich will den beschützen, der auf meinen Namen vertraut." (Psalm 91,14 NLB) ------------------------Kapitel 9 - Die Schöpfungs-Woche WABT 93 1 Wie der Sabbat hat auch die Woche ihren Ursprung in der Schöpfung. Die biblische Geschichte hat ihn uns bewahrt und bis in die heutige Zeit überliefert. Gott selbst setzte mit der ersten Woche das Zeitmaß ein, das allen folgenden Wochen bis zum Ende der Zeit als Beispiel dienen sollte. Wie jede andere bestand auch diese Woche aus sieben wirklichen Tagen. Sechs Tage wurden für das Schöpfungswerk verwandt, aber am siebenten Tag ruhte Gott. Dann segnete er diesen Tag und sonderte ihn von den anderen als Ruhetag für den Menschen ab (vgl. 1 Mo 2,2.3). WABT 93 2 In seinem Gesetz, das Gott vom Sinai erließ, bekräftigte er den Wochenablauf und die Tatsachen, auf denen dieser beruht. Dort gab er das Gebot "Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest" und legte fest, was man an den sechs Wochentagen tun und am siebenten nicht tun sollte. Dann führte er den Grund an, warum man die Woche so gestalten soll, indem er auf sein eigenes Beispiel verwies: "Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn." (2. Mose 20,8.11) Diese Begründung ist beeindruckend und überzeugend, wenn wir die Schöpfungstage als buchstäbliche Zeitangabe verstehen. Die ersten sechs Tage einer jeden Woche sind dem Menschen gegeben, um zu arbeiten, denn Gott verwandte in der ersten Woche genau so viel Zeit für sein Schöpfungswerk. Am siebenten Tag soll der Mensch in Erinnerung an das Ruhen des Schöpfers die Arbeit unterlassen. WABT 93 3 Doch die Annahme, dass die Ereignisse der ersten Woche in Wirklichkeit Tausende und Abertausende von Jahren erforderlich machten, ist ein unmittelbarer Angriff auf das Fundament des vierten Gebots. Sie stellt den Schöpfer so dar, als gebiete er den Menschen, im Gedenken an unermessliche Zeitspannen einen Wochenrhythmus einzuhalten, der aus sieben wirklichen Tagen besteht. Auf diese Weise geht Gott mit seinen Geschöpfen aber nicht um. Was er klar und deutlich zum Ausdruck gebracht hat, wird durch diese Ansicht unbestimmt und verworren. Das ist Unglaube in seiner hinterhältigsten und deshalb gefährlichsten Form. Dessen wahrer Charakter ist so getarnt, dass diese Ansicht sogar von vielen vertreten und gelehrt wird, die bekennen, der Bibel zu vertrauen. WABT 94 1 "Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes. Denn wenn er spricht, so geschieht's; wenn er gebietet, so steht's da." (Psalm 33,6.9) Die Bibel kennt keine langen Zeiträume, in denen sich die Erde allmählich aus dem Chaos entwickelt haben könnte. Von jedem der aufeinanderfolgenden Schöpfungstage sagt der biblische Bericht, dass er aus Abend und Morgen bestand, wie alle anderen Tage seither auch. Am Ende jedes Tages wird das Ergebnis des Schöpfungswerkes festgehalten. Der Bericht über die erste Woche schließt mit den Worten: "Dies ist die Entstehungsgeschichte [wörtlich: Erzeugungen] des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden." (1. Mose 2,4 Elb., vgl. die Anm. dazu in der Elb.) Aber darin findet sich nichts von der Auffassung, dass die Schöpfungstage etwas anderes als Tage im buchstäblichen Sinn gewesen seien. Jeder Tag wird als "Erzeugung" bezeichnet, weil Gott an ihm einen neuen Teil seines Werkes schuf. Zeugen Der Vergangenheit WABT 94 2 Die Geologen behaupten, in der Erde selbst Beweise dafür gefunden zu haben, dass sie viel älter ist, als der mosaische Bericht lehrt. Knochen von Menschen und Tieren, Kriegswerkzeuge, versteinerte Bäume - größer als alle, die heute existieren oder in den vergangenen Jahrtausenden bestanden haben - und viele andere Dinge wurden gefunden. Daraus schloss man, dass die Erde schon lange vor der Zeit, die der biblische Schöpfungsbericht im Blick hat, bevölkert gewesen sein muss. Dabei handele es sich um Wesen, die viel größer als die heute lebenden Menschen waren. Diese Argumentationsweise hat viele bekennende Bibelgläubige zu der Auffassung veranlasst, unter den Schöpfungstagen seien riesige, unbestimmte Zeitperioden zu verstehen. WABT 94 3 Abgesehen von dem biblischen Bericht kann die Geologie nichts wirklich beweisen. Wer sich so zuversichtlich auf deren Entdeckungen stützt, hat keine angemessene Vorstellung von der Größe der Menschen, Tiere oder Bäume vor der Sintflut oder von den enormen Veränderungen, die damals stattgefunden haben. Funde aus der Erde weisen auf Zustände hin, die sich in vieler Hinsicht von der Gegenwart unterscheiden, doch über die Zeit, in der solche Zustände herrschten, kann nur der inspirierte Bericht der Bibel Auskunft geben. Mit der Geschichte über die Sintflut hat der Heilige Geist erläutert, was die Geologie allein niemals ergründen kann. Zur Zeit Noahs wurden Menschen, Tiere und Bäume begraben, die alle um ein Vielfaches größer waren als die heutigen und für spätere Geschlechter als Beweis dafür aufbewahrt wurden, dass sie durch eine Flut zugrunde gegangen sind. Es war Gottes Absicht, durch die Entdeckung dieser Überreste den Glauben an den von Gott eingegebenen Bericht zu stärken. Aber die Menschen verfallen heute mit ihrer törichten Denkweise in denselben Irrtum wie vor der Sintflut: Was ihnen Gott zu ihrem Nutzen geschenkt hat, verwandeln sie durch falschen Gebrauch in einen Fluch. WABT 95 1 Es gehört zu Satans Tücken, die Menschen zur Annahme von Fabeln zu verleiten, die Unglauben stiften. Auf diese Weise kann er Gottes Gesetz verschleiern, das an sich sehr klar ist, und Menschen zur Auflehnung gegen Gottes Herrschaft anstacheln. Seine Anstrengungen richten sich besonders gegen das vierte Gebot, weil es so deutlich auf den lebendigen Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde, hinweist. Ständig werden Anstrengungen unternommen, das Werk der Schöpfung als Folge natürlicher Ursachen hinzustellen. Sogar erklärte Christen haben diese menschliche Denkweise übernommen, obwohl sie zu den klaren Tatsachen der Heiligen Schrift im Widerspruch steht. Viele widersetzen sich dem Studium der Prophezeiungen, besonders des Buches Daniel und der Offenbarung des Johannes, und behaupten, sie seien zu unklar, als dass man sie verstehen könne. Aber gerade diese Personen machen sich mit Eifer die Vermutungen der Geologen zu eigen, auch wenn diese in krassem Widerspruch zum mosaischen Bericht stehen. Wenn aber selbst das, was Gott offenbart hat, so schwer zu verstehen ist, wie wenig folgerichtig ist es dann, bloße Mutmaßungen über Dinge anzunehmen, die er gar nicht offenbart hat! "Seinen verborgenen Plan kennt der Herr, unser Gott, allein; aber seinen Willen hat er uns und unseren Nachkommen für alle Zeiten klar und deutlich verkündet, damit wir stets nach den Geboten leben, die er uns in diesem Gesetzbuch gegeben hat." (5. Mose 29,28 GNB) Auf welche Weise Gott das Schöpfungswerk vollbrachte, hat er den Menschen nicht im Einzelnen offenbart. Menschliche Wissenschaft kann die Geheimnisse des Allerhöchsten nicht ergründen. Gottes Schöpfermacht ist ebenso unbegreiflich wie sein Dasein. Kein Widerspruch Zwischen Offenbarung Und Wissenschaft WABT 95 2 Gott hat der Welt durch Wissenschaft und Kunst eine wahre Fülle an Erkenntnis geschenkt. Aber wenn angebliche Wissenschaftler die Dinge von einem rein menschlichen Gesichtspunkt aus betrachten, werden sie unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen gelangen. Über Dinge zu spekulieren, die Gottes Wort nicht offenbart hat, mag harmlos sein, solange unsere Gedankengebäude den Tatsachen der Schrift nicht widersprechen. Wer aber Gottes Wort außer Acht lässt und die Werke der Schöpfung aufgrund rein wissenschaftlicher Vorgaben erklären will, treibt gleichsam ohne Karte und Kompass auf einem unbekannten Ozean. Die klügsten Köpfe werden bei ihrem Versuch, dem Verhältnis von Wissenschaft und Offenbarung nachzuspüren, in die Irre geraten, wenn sie sich dabei nicht vom Wort Gottes leiten lassen. Weil der Schöpfer und seine Werke ihr Denkvermögen bei Weitem übersteigen und sie sie mit den Naturgesetzen nicht erklären können, wird die biblische Geschichte für unzuverlässig angesehen. Wer aber die Glaubwürdigkeit der alt- und neutestamentlichen Berichte anzweifelt, wird noch weitergehen und das Dasein Gottes überhaupt in Frage stellen. Wer diesen Anker verloren hat, ist dazu verurteilt, an den Klippen des Unglaubens zu zerschellen. WABT 96 1 Diese Menschen haben die Schlichtheit ihres Glaubens verloren. Ein festes Vertrauen in die göttliche Autorität der Heiligen Schrift ist notwendig. Die Bibel darf nicht an den wissenschaftlichen Vorstellungen der Menschen gemessen werden. Menschliches Wissen ist ein unzuverlässiger Führer. Zweifler, die die Bibel nur lesen, um sie zu bekritteln, mögen aufgrund eines unvollkommenen Verständnisses der Wissenschaft oder der Offenbarung Gottes behaupten, dass sich die beiden widersprechen; doch richtig verstanden, stimmen sie völlig miteinander überein. Mose schrieb unter der Leitung des Heiligen Geistes. Eine zutreffende geologische Theorie wird daher niemals von Entdeckungen sprechen, die mit Moses Aussagen unvereinbar sind. Die Wahrheit - ob wir sie nun aus der Natur oder aus der Offenbarung gewinnen - stimmt in all ihren Verästelungen mit sich selbst überein. WABT 96 2 Im Wort Gottes kommen viele Fragen auf, die auch die fachkundigsten Gelehrten nicht beantworten können. Unsere Aufmerksamkeit wird oft auf diese Themen gelenkt, um uns eines deutlich zu machen: Es gibt vieles, selbst im gewöhnlichen Bereich des täglichen Lebens, was der begrenzte menschliche Verstand bei aller Klugheit, deren man sich gerne rühmt, niemals ganz verstehen kann. WABT 96 3 Und doch gibt es Wissenschaftler, die meinen, Gottes Weisheit und das, was er getan hat oder zu tun imstande ist, erfassen zu können. Weit verbreitet ist die Ansicht, Gott sei an seine eigenen Gesetze gebunden. Viele leugnen oder übergehen sein Dasein überhaupt oder meinen, alles erklären zu können, selbst das Wirken seines Geistes am Menschen. Sie haben die Ehrfurcht vor seinem Namen oder die Achtung vor seiner Macht verloren. Sie glauben nicht an das Übernatürliche und verstehen weder Gottes Gesetze noch seine unendliche Macht, seine Absichten durch sie auszuführen. Allgemein versteht man unter dem Begriff "Naturgesetz" das, was Menschen in Bezug auf die Gesetze, die die materielle Welt regieren, bisher entdecken konnten. Aber wie begrenzt ist ihre Erkenntnis! Wie weit ist im Vergleich dazu das Gebiet, auf dem der Schöpfer im Einklang mit seinen eigenen Gesetzen wirken kann! Das vollzieht sich völlig jenseits des Denkvermögens, über das begrenzte, sterbliche Wesen verfügen! Die Natur - Schöpefung, Nicht Schöpfer WABT 97 1 Viele lehren, dass die Materie Lebenskraft besitze. Sie habe gewisse Eigenschaften, die sie in die Lage versetzten, aufgrund dieser innewohnenden Kraft tätig zu sein. Alle Vorgänge in der Natur würden in Übereinstimmung mit festen Gesetzen ablaufen, in die selbst Gott nicht eingreifen könne. Das ist eine falsche Wissenschaft, die von Gottes Wort nicht gestützt wird. Die Natur ist die Dienerin ihres Schöpfers. Gott hebt seine Naturgesetze weder auf, noch steht sein Wirken im Gegensatz zu ihnen. Vielmehr gebraucht er sie ständig als seine Werkzeuge. Die Natur weist deutlich auf eine Intelligenz hin, auf ein höheres Wesen, auf eine aktive Energie, die in ihren Gesetzen und durch sie wirksam ist. Der Vater und der Sohn sind in der Natur ständig am Werk. Christus sagte: "Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch." (Johannes 5,17) WABT 97 2 Die Leviten sangen einst in Verbindung mit ihrem Dienst am Tempel das Loblied: "Du bist der Herr, du allein! Du hast den Himmel gemacht, den höchsten Himmel und sein ganzes Heer, die Erde und alles, was auf ihr ist ... und sie alle hältst du am Leben." (Nehemia 9,6 ZÜ) In Bezug auf diese Welt ist Gottes Schöpfungswerk vollendet, denn seine "Werke [waren] von Anbeginn der Welt fertig" (Hebräer 4,3c). Aber Gott setzt seither seine Kraft ein, um die Werke der Schöpfung zu erhalten. Es verhält sich nicht so, dass unser Puls schlägt und ein Atemzug dem anderen folgt, weil einmal ein Mechanismus in Gang gebracht worden ist, der nun aufgrund seiner eigenen, ihm innewohnenden Energie weiterläuft. Vielmehr ist jeder Atemzug und jeder Herzschlag ein Hinweis auf die alles durchdringende Fürsorge dessen, in dem wir "leben, weben und sind" (Apostelgeschichte 17,28). Es ist auch nicht so, dass die Erde Jahr für Jahr aufgrund einer inneren Kraft ihren ganzen Reichtum an Erzeugnissen hervorbringt oder sich weiter um die Sonne dreht. Gottes Hand lenkt die Planeten und hält sie beim Lauf durch das Weltall auf ihren geordneten Bahnen. "Er ruft sie, und sie kommen hervor; jeden nennt er mit seinem Namen. Kein einziger fehlt, wenn der starke und mächtige Gott sie ruft." (Jesaja 40,26 Hfa) Durch seine Kraft wachsen die Pflanzen, erscheinen die Blätter und erblühen die Blumen. Er lässt "Gras auf den Bergen wachsen" (Psalm 147,8) und füllt die Täler mit Früchten. "Alle wilden Tiere" suchen "ihre Speise ... von Gott", und alle Lebewesen - vom kleinsten Insekt bis zum Menschen - sind täglich von seiner Fürsorge abhängig. Der Psalmist sagte so schön: "Es warten alle auf dich, dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt." (Psalm 104,20.21.27.28) Sein Wort beherrscht die Elemente, er bedeckt den Himmel mit Wolken und schickt Regen für die Erde. "Er gibt Schnee wie Wolle, er streut Reif wie Asche." (Psalm 147,16) "Wenn er es befiehlt, tosen die Wassermassen oben am Himmel; er lässt die Wolken aufsteigen vom Horizont. Er sendet Blitz und Regen und schickt den Wind aus seinen Kammern auf die Reise." (Jeremia 10,13 Hfa) WABT 98 1 Gott ist der Urgrund aller Dinge. Jede wahre Naturwissenschaft steht mit seinen Werken im Einklang. Und alle wahre Bildung führt zum Gehorsam gegenüber seiner Herrschaft. Die Naturwissenschaft erschließt unserem Blick neue Wunder. Sie erforscht Höhen und Tiefen, aber sie fördert nichts zutage, was der göttlichen Offenbarung widerspricht. Unwissenheit mag so manchen dazu veranlassen, seine irrigen Auffassungen über Gott mit Aussagen der Wissenschaft zu untermauern. Aber das Buch der Natur und das geschriebene Wort erhellen sich gegenseitig. Auf diese Weise führen sie uns zur Anbetung des Schöpfers und zu einem gut begründeten Vertrauen in sein Wort. WABT 98 2 Kein begrenzter Verstand kann jemals die Existenz, die Macht, die Weisheit oder die Werke des Unendlichen ganz begreifen. Der inspirierte Schreiber fragte: "Die Tiefen Gottes, kannst du sie ergründen? Kennst du die Größe des Gewaltigen? Gott reicht noch höher als der Himmelsdom, zu dessen Grenze du nie hingelangst. Gott reicht noch tiefer als die Totenwelt, von der du doch so gut wie gar nichts weißt." (Hiob 11,7-9 GNB) Auch die scharfsinnigsten Denker auf Erden vermögen Gott nicht zu erfassen. Wie viel sie auch forschen und in Erfahrung bringen, tut sich vor ihnen doch nur eine weite Unendlichkeit auf. WABT 98 3 Doch die Werke der Schöpfung bestätigen Gottes Macht und Größe: "Der Himmel erzählt die Herrlichkeit Gottes, und das Himmelsgewölbe verkündet seiner Hände Werk." (Psalm 19,2 Elb.) Wer das geschriebene Wort zu seinem Ratgeber macht, wird in der Wissenschaft eine Hilfe zum Verständnis Gottes finden. "Gott ist zwar unsichtbar, doch an seinen Werken, der Schöpfung, haben die Menschen seit jeher seine göttliche Macht und Größe sehen und erfahren können." (Römer 1,20 Hfa) ------------------------Kapitel 10 - Der Turmbau In Babel WABT 99 0 1. Mose 9,20-29 und 11,1-11. WABT 99 1 Erst kurz zuvor war durch die Sintflut alle moralische Verdorbenheit von der Erde hinweggespült worden. Um die trostlose Erde wieder zu bevölkern, hatte Gott nur eine einzige Familie, den Haushalt Noahs, bewahrt. Zu Noah hatte Gott gesagt: "Dich habe ich gerecht vor mir erfunden in dieser Generation." (1. Mose 7,1 Elb.) Doch bei seinen drei Söhnen zeigten sich schnell wieder die großen Unterschiede, die auch vor der Flut in der Welt geherrscht hatten. In Sem, Ham und Jafet, die die neuen Stammväter der Menschheit werden sollten, wurde bereits die Wesensart ihrer Nachkommen angedeutet. WABT 99 2 "Noah, ein Landmann, begann auch, Weinberge zu pflanzen. Und er trank von dem Wein und wurde betrunken und lag entblößt im Innern seines Zeltes. Und Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und berichtete es seinen beiden Brüdern draußen. Da nahmen Sem und Jafet das Obergewand und legten es beide auf ihre Schultern und gingen damit rückwärts und bedeckten so die Blöße ihres Vaters; ihre Gesichter aber hielten sie so rückwärts gewandt, dass sie die Blöße ihres Vaters nicht sahen. Und Noah erwachte von seinem Weinrausch und erkannte, was sein jüngster Sohn ihm angetan hatte." (1. Mose 9,20-24 Elb.) Die Entwicklung Der Drei Völkergruppen Vorausgesagt WABT 99 3 Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes sagte Noah danach die Geschichte der drei großen Menschenrassen voraus, die von seinen Söhnen abstammen würden. Als er die Entwicklung der Nachkommen Hams umriss - allerdings mehr von dessen Sohn Kanaan ausgehend als von Ham selbst - sagte er: "Verflucht sei Kanaan und sei seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte!" (1. Mose 9,25) Das schamlose Vergehen Hams hatte deutlich gemacht, dass er schon lange die kindliche Ehrfurcht vor seinem Vater vermissen ließ, und zeigte seinen gottlosen und niederträchtigen Charakter. Diese schlechten Eigenschaften gingen auf Kanaan und dessen Nachkommen über, deren fortgesetzte Schuld lange später Gottes Strafgerichte auf sie herabbeschwor. WABT 100 1 Auf der anderen Seite versprach die Ehrfurcht, die Sem und Jafet ihrem Vater - und damit auch Gottes Geboten - erwiesen, ihren Nachkommen eine hellere Zukunft. Über diese Söhne sagte Noah: "Gelobt sei der Herr, der Gott Sems, und Kanaan sei sein Knecht! Gott breite Jafet aus und lasse ihn wohnen in den Zelten Sems, und Kanaan sei sein Knecht!" (1. Mose 9,26.27) Sems Nachkommen sollten zum auserwählten Volk werden, zum Volk des göttlichen Bundes, das den versprochenen Retter hervorbringt. Jahwe war der Gott Sems. Von Sem sollten Abraham und das Volk Israel abstammen, und aus ihm sollte der Messias kommen. "Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist!" (Psalm 144,15) Und Jafet sollte "wohnen in den Zelten Sems". Am Segen des Evangeliums sollten besonders die Nachkommen Jafets teilhaben. WABT 100 2 Die Nachkommen Kanaans versanken in die abscheulichsten Formen des Heidentums. Obwohl sie der prophetische Fluch zur Sklaverei verdammt hatte, hielt Gott dessen Erfüllung jahrhundertelang zurück. Er ertrug ihre Gottlosigkeit und ihren sittlichen Verfall, bis sie die Grenzen seiner Geduld überschritten hatten. Dann wurden sie von ihrem Besitz vertrieben und zu Knechten der Nachkommen Sems und Jafets. WABT 100 3 Noahs Weissagung war keine willkürliche Androhung von Zorn oder Gunst. Sie legte weder den Charakter noch das Schicksal seiner Söhne fest. Sie zeigte jedoch auf, welche Folgen die Lebensweise haben würde, für die sich jeder entschieden hatte, und welche Wesensart sie entwickeln würden. Noah bekundete Gottes Absicht mit ihnen und ihren Nachkommen, wobei er ihrem Charakter und ihrem Verhalten Rechnung trug. In der Regel erben Kinder die Veranlagung und Neigungen ihrer Eltern und ahmen deren Beispiel nach, sodass die folgenden Geschlechter die Sünden ihrer Eltern wiederholen. Auf diese Weise pflanzte sich die Gemeinheit und Respektlosigkeit Hams in seinen Nachkommen fort, was ihnen über viele Generationen hinweg zum Fluch wurde. "Ein einziger Bösewicht verdirbt viel Gutes." (Prediger 9,18) WABT 100 4 Wie reichlich wurde andererseits Sems Achtung vor seinem Vater belohnt! Und welch eine Reihe berühmter und heiliger Männer trat in seiner Nachkommenschaft auf! "Der Herr kennt die Tage der Frommen", und ihr "Geschlecht wird zum Segen sein" (Psalm 37,18.26). "So erkenne denn, dass der Herr, dein Gott, der Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Güte bis auf tausend Generationen denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten." (5. Mose 7,9 Elb.) Die Ersten Zivilisationen In Mesopotamien WABT 101 1 Zunächst blieben die Nachkommen Noahs eine Zeitlang in den Bergen wohnen, wo die Arche gelandet war. Als sie aber zahlreicher wurden, führte der Abfall von Gott bald zu einer Trennung. Jene, die den Schöpfer aus dem Gedächtnis streichen und ohne dessen einschränkendes Gesetz leben wollten, ärgerten sich ständig über die Belehrung und das beispielhafte Leben ihrer gottesfürchtigen Mitmenschen. Deshalb beschlossen sie nach einiger Zeit, sich von den Anbetern Gottes zu trennen. Daher zogen sie in die Ebene Schinar am Euphrat. Die schöne Landschaft und der fruchtbare Boden zogen sie an. Sie beschlossen, sich in dieser Ebene anzusiedeln. WABT 101 2 Dort einigten sie sich darauf, eine Stadt mit einem Turm zu bauen, dessen gewaltige Höhe ihnen die Bewunderung der Welt einbringen sollte. Diese Unternehmung wurde geplant, um die Leute daran zu hindern, sich in weit verstreuten Kolonien niederzulassen. Gott hatte den Menschen geboten, sich auf der ganzen Erde auszubreiten, sie zu bevölkern und über sie zu herrschen (vgl. 1. Mose 9,1.2). Aber die Erbauer von Babel wollten nur ein einziges Gemeinwesen mit einem König begründen, dessen Reich letztendlich die ganze Erde umspannen sollte. Auf diese Weise würde ihre Stadt der Mittelpunkt eines Weltreiches werden. Ihre Herrlichkeit würde der ganzen Welt Bewunderung und Huldigung abverlangen und die Erbauer berühmt machen. Der großartige Turm sollte bis an den Himmel reichen und als Denkmal die Macht und Weisheit seiner Erbauer verkünden und deren Ruhm bei allen folgenden Generationen verewigen. WABT 101 3 Die Bewohner der Ebene Schinar glaubten nicht an Gottes Bundeszusage, dass es auf der Erde keine umfassende Flut mehr geben werde. Viele leugneten die Existenz Gottes und machten natürliche Ursachen für die Sintflut verantwortlich. Andere glaubten zwar noch an ein höheres Wesen, warfen ihm aber vor, die vorsintflutliche Welt vernichtet zu haben. Und wie einst Kain lehnten sie sich gegen Gott auf. Das eine große Ziel in der Errichtung des Turmes bestand darin, ihre Sicherheit im Fall einer weiteren Sintflut zu gewährleisten. Wenn sie diesen weit höher bauten, als die Wassermassen damals stiegen, würden sie allen Gefahren entrinnen können. Und da sie sich in der Lage sahen, bis zu den Wolken vorzustoßen, hofften sie, die Ursache für die Flut herauszufinden. Das ganze Unternehmen diente dem Zweck, den Stolz seiner Planer zu vergrößern und künftige Generationen von Gott abzulenken und in die Abgötterei zu führen. WABT 101 4 Als der Bau teilweise fertiggestellt war, wurden in einem Bereich Wohnungen für die Bauherren eingerichtet; andere Teile wurden - prachtvoll ausgestattet und geschmückt - ihren Göttern geweiht. Die Leute feierten ihren Erfolg und priesen die silbernen und goldenen Götzen. Damit lehnten sie sich gegen den Herrscher des Himmels und der Erde auf. Doch plötzlich geriet das Werk ins Stocken, das bislang so gut vorangekommen war. Engel waren zur Erde gesandt worden, um den Plan der Erbauer zunichte zu machen. Der Turm hatte inzwischen eine so stattliche Höhe erreicht, dass die Arbeiter im obersten Teil mit denen am Boden keine Verbindung mehr aufnehmen konnten. Deshalb wurden an verschiedenen Stellen Männer aufgestellt, die dem nächsten unter ihnen Befehle für notwendiges Material und andere Arbeitsanweisungen erteilen oder von ihm erhalten sollten. Als auf diese Weise Informationen von einem Posten zum andern übermittelt wurden, verwirrte Gott die Sprache. Auf einmal wurde Material geliefert, das nicht gebraucht wurde, und die weitergeleiteten Anweisungen widersprachen oft völlig der ursprünglichen Absicht. Schließlich herrschten überall Durcheinander und Bestürzung. Das ganze Unternehmen kam zum Stillstand. Es war einfach keine Zusammenarbeit mehr möglich. Die Bauleute waren völlig außerstande, sich die seltsamen Missverständnisse zu erklären, die da unter ihnen herrschten. In ihrer Wut und Enttäuschung überhäuften sie sich gegenseitig mit Vorwürfen. Ihre Zusammenarbeit endete in Streit und Blutvergießen. Blitze zuckten als Zeichen göttlichen Missfallens vom Himmel. Sie rissen den oberen Teil des Turmes ab und schleuderten ihn auf die Erde. Auf diese Weise spürten die Menschen, dass es einen Gott und Herrscher im Himmel gibt. Die Entstehung Der Heidnischen Völlker WABT 102 1 Bis zu diesem Zeitpunkt hatten alle Menschen dieselbe Sprache gesprochen. Jetzt schlossen sich solche, die einander verstehen konnten, zu Gruppen zusammen. Einige zogen hierhin, manche in eine ganz andere Richtung. "Der Herr zerstreute sie von dort über die ganze Erde." (1. Mose 11,8 Elb.) Diese Verteilung war sein Mittel, um die Erde wieder zu bevölkern. Somit wurde Gottes Absicht ausgerechnet durch das Mittel erfüllt, zu dem die Menschen gegriffen hatten, um deren Ausführung zu verhindern. WABT 102 2 Aber welchen Preis mussten diejenigen bezahlen, die sich gegen Gott erhoben hatten! Gemäß Gottes Absicht sollten die Menschen - wenn sie auszogen, um in verschiedenen Teilen der Erde Völker zu begründen - die Erkenntnis seines Willens mitnehmen, damit das Licht der Wahrheit ungetrübt auf die kommenden Generationen scheinen konnte. Noah, der treue Prediger der Gerechtigkeit, lebte noch 350 Jahre lang nach der Flut, Sem noch 500 Jahre lang (vgl. 1. Mose 9,28; 11,10.11). Ihre Nachkommen hatten somit die Möglichkeit, die Gebote Gottes kennenzulernen und die Geschichte zu erfahren, wie Gott an ihren Vorvätern gehandelt hatte. Sie aber wollten die Wahrheiten, die ihnen unangenehm waren, nicht hören. Sie hatten kein Verlangen, Gott im Gedächtnis zu behalten. Und die Sprachverwirrung machte den Umgang mit denen, die ihnen geistliche Erkenntnis hätten vermitteln können, weitgehend unmöglich. WABT 103 1 Die Erbauer von Babel hatten dem Geist der Auflehnung gegen Gott Raum gegeben. Statt sich an Gottes Gnade, die er Adam erwiesen hatte, dankbar zu erinnern oder an seinen gnadenvollen Bund mit Noah zu denken, beklagten sie sich über Gottes Härte, weil er das erste Menschenpaar aus Eden vertrieben und die Welt durch eine Flut vernichtet hatte. Während sie Gott Strenge und Willkür vorwarfen, unterwarfen sie sich bereitwillig der Herrschaft des grausamsten Tyrannen. Satan bemühte sich, die Darbringung von Opfergaben, die den Tod von Christus ankündigten, verächtlich zu machen. Als dann das Denken der Menschen vom Götzendienst verblendet war, stiftete er sie dazu an, diese Opfer nachzuahmen und ihre eigenen Kinder auf den Altären ihrer Götter zu opfern. Indem sich die Menschen von Gott abwandten, wurden die göttlichen Werte Gerechtigkeit, Lauterkeit und Liebe von Unterdrückung, Gewalt und Grausamkeit verdrängt. Das Streben Nach Unabhängigkeit Endet In Schmach WABT 103 2 Die Bewohner von Babel hatten sich entschlossen, eine Herrschaft zu errichten, die von Gott unabhängig sein sollte. Es gab aber Einzelne unter ihnen, die Gott verehrten, sich aber von den Behauptungen der Gottlosen täuschen und in deren Pläne verwickeln ließen. Um dieser Gläubigen willen verzögerte der Herr seine Strafgerichte und gab den Menschen Zeit, ihren wahren Charakter zu offenbaren. Als dies geschehen war, bemühten sich die Kinder Gottes, ihre Mitmenschen von deren Absichten abzubringen. Aber die Leute waren sich in ihrem Unterfangen völlig einig, den Himmel herauszufordern. Hätten sie ungehindert weitermachen können, wäre die Welt schon in diesem frühen Zeitalter sittlich verkommen. Ihrem Bündnis lag der Aufruhr gegen Gott zugrunde. Ihr Reich, in dem für Gott kein Platz vorgesehen war - weder für seine Herrschaft noch für seine Ehre -, diente ihrer Selbstverherrlichung. Hätte Gott dieses Bündnis gewähren lassen, hätte diese gewaltige Macht ihren ganzen Einfluss geltend machen können, um alle Rechtschaffenheit von der Erde zu verbannen - und mit ihr Frieden, Glück und Sicherheit. Gottes Gebote, die "heilig und gerecht und gut" sind (Römer 7,12b Elb.), wollten sie durch Gesetze ersetzen, die ihren selbstsüchtigen und grausamen Herzen besser entsprachen. WABT 104 1 Diejenigen, die vor dem Herrn Ehrfurcht empfanden, flehten ihn an, einzugreifen. "Und der Herr fuhr herab, um die Stadt und den Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten." (1. Mose 11,5 Elb.) Aus Mitleid mit der Welt vereitelte er die Absicht der Erbauer des Turmes und vernichtete das Denkmal ihrer Vermessenheit. Aus Barmherzigkeit verwirrte er ihre Sprache und gebot damit ihren rebellischen Absichten Einhalt. Gott hat lange Geduld mit der Verderbtheit der Menschen und gibt ihnen reichlich Gelegenheit zur Reue. Aber er achtet auf alle Pläne, die sich gegen die Autorität seines gerechten, heiligen Gesetzes richten. Gelegentlich streckt er seine unsichtbare Hand aus, in der er das Zepter seiner Herrschaft hält, um die Bosheit einzudämmen. Der Schöpfer des Universums ist unendlich reich an Weisheit, Liebe und Wahrheit. Es gibt unmissverständliche Beweise dafür, dass er der oberste Regent im Himmel und auf der Erde ist und sich niemand ungestraft seiner Macht widersetzen kann. WABT 104 2 Das Vorhaben der Turmbauer von Babel endete in Schmach und Schande. Das Denkmal ihres Stolzes wurde zum Mahnmal ihrer Torheit. Und doch beschreiten die Menschen immer wieder denselben Weg: Sie vertrauen auf sich selbst und weisen Gottes Gesetz zurück. Dieses Prinzip wollte Satan im Himmel durchsetzen. Es beherrschte auch Kain, als er sein Opfer darbrachte. Was Heutige Turmbauer Erwartet WABT 104 3 Auch in unserer Zeit gibt es Menschen, die hohe Türme errichten. Ungläubige entwickeln ihre Theorien aufgrund von angeblichen Erkenntnissen der Naturwissenschaft und verwerfen Gottes Offenbarungen in seinem Wort. Sie maßen sich ein Urteil über die moralischen Grundsätze seiner Herrschaft an, verachten sein Gesetz und prahlen, dass die menschliche Vernunft völlig ausreichend sei. Dabei gilt: "Weil der Urteilsspruch über die böse Tat nicht schnell vollzogen wird, darum ist das Herz der Menschenkinder davon erfüllt, Böses zu tun." (Prediger 8,11 Elb.) WABT 104 4 In der erklärtermaßen christlichen Welt kehren viele den klaren Lehren der Bibel den Rücken. Man zimmert sich lieber ein Glaubensbekenntnis aus menschlichen Mutmaßungen und angenehmen Fabeln zurecht und zeigt auf diesen "Turm" als einen Weg, um den Himmel zu erreichen. Die Menschen hängen voll Bewunderung an beredten Lippen, die ihnen verkündigen, was sie gern hören: Wer Gottes Gesetz übertritt, wird nicht sterben, und die Erlösung kann auch ohne die Befolgung der Gebote Gottes erlangt werden. Wenn die bekennenden Nachfolger von Christus Gottes Maßstab anerkennen würden, könnte das die Einheit unter ihnen fördern. Aber solange die menschliche Weisheit über sein heiliges Wort gestellt wird, werden Zwiespalt und Trennung bestehen bleiben. Die vorhandene Verwirrung hinsichtlich sich widersprechender Glaubensbekenntnisse und Konfessionen wird mit dem Ausdruck "Babylon", den die Prophetie auf die verweltlichten Kirchen der letzten Zeit anwendet, treffend beschrieben (vgl. Offenbarung 14,8; 18,2). WABT 105 1 Viele wollen sich ihren eigenen Himmel schaffen, indem sie nach Reichtum und Macht streben. "Sie höhnen und reden in Bosheit Bedrückendes, von oben herab reden sie" (Psalm 73,8 Elb.), treten dabei die Menschenrechte mit Füßen und missachten Gottes Autorität. Ein Stolzer mag eine Zeitlang viel Macht ausüben, und alles, was er anpackt, mag ihm gelingen. Aber zuletzt warten nur Enttäuschung und Elend auf ihn. WABT 105 2 Die Zeit für Gottes richterliche Untersuchung ist gekommen. Der Allerhöchste wird herabkommen und sich anschauen, was die Menschen errichtet haben. Dann wird seine unumschränkte Macht offenbart werden, aber die Werke der Menschen - Ausdruck ihres Hochmuts - werden zusammenstürzen. "Der Herr schaut vom Himmel und sieht alle Menschenkinder. Von seinem festen Thron sieht er auf alle, die auf Erden wohnen. Der Herr macht zunichte der Heiden Rat und wehrt den Gedanken der Völker. Aber der Ratschluss des Herrn bleibt ewiglich, seines Herzens Gedanken für und für." (Psalm 33, 13.14.10.11) ------------------------Kapitel 11 - Abrahams Berufung WABT 108 0 1. Mose 11,27-32 und 12,1-20. WABT 108 1 Nachdem die Einwohner Babels zerstreut worden waren, verbreitete sich der Götzendienst erneut auf der ganzen Welt. Diesmal überließ Gott die verstockten Übertreter des Gesetzes ihren eigenen bösen Wegen. Er erwählte Abraham, einen Nachkommen Sems, und machte ihn für künftige Generationen zum Hüter seines Gesetzes. Abraham war - umgeben vom Aberglauben - im Heidentum aufgewachsen. Wohl hatte sich die Familie seines Vaters noch die rechte Gottes erkenntnis bewahrt; doch auch sie gab den verführerischen Einflüssen ihrer Umwelt nach, und sie "dienten anderen Göttern" (Josua 24,2). Aber der rechte Glaube durfte nicht ausgelöscht werden. Gott hat immer einige Übrige, die ihm treu dienen. Adam, Set, Henoch, Metuschelach, Noah und Sem hatten in ununterbrochener Reihenfolge über Jahrhunderte hinweg die unschätzbaren Offenbarungen seines Willens bewahrt. Erbe dieses heiligen Vermächtnisses wurde der Sohn von Terach. Von allen Seiten lockte ihn der Götzendienst. Vergeblich. Treu unter Treulosen hatte er sich vom vorherrschenden Abfall nicht anstecken lassen und hielt unerschütterlich an der Anbetung des einzigen wahren Gottes fest. "Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen." (Psalm 145,18) Gott teilte Abraham seinen Willen mit. Er schenkte ihm klare Erkenntnisse sowohl in Bezug auf die Forderungen seines Gesetzes als auch auf die Erlösung, die Christus bewirken werde. WABT 108 2 Abraham erhielt eine Zusage, die für die Menschen der damaligen Zeit besonders wichtig war: Gott versprach ihm zahlreiche Nachkommenschaft und nationale Größe. "Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein." Dazu versicherte Gott diesem Erben des Glaubens, dass aus seiner Nachkommenschaft der Erlöser der Welt hervorgehen werde: "In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden." (1. Mose 12,2.3) Doch als erste Bedingung für die Erfüllung dieser Zusage musste sich Abraham einer Glaubensprüfung unterziehen. Es wurde ein Opfer von ihm verlangt. Gottes Botschaft an ihn lautete: "Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will." (1. Mose 12,1) Damit Gott ihn auf die große Aufgabe als Hüter seiner heiligen Weisungen vorbereiten konnte, musste Abraham aus den Verbindungen seines früheren Lebens herausgelöst werden. Der Einfluss von Verwandten und Freunden hätte Gottes erzieherische Absichten mit seinem Diener behindert. Weil Abraham nun in einer besonderen Beziehung zum Himmel stand, musste er unter Fremden wohnen. Sein Charakter musste sich auszeichnen, sich von aller Welt unterscheiden. Dabei konnte er sein Verhalten nicht einmal seinen nächsten Freunden verständlich machen. "Geistliche Dinge" können nur "geistlich beurteilt werden" (1. Korinther 2,13b.14b). Deshalb wurden seine Beweggründe und Handlungen von seiner Verwandtschaft, die fremden Göttern diente, nicht verstanden. Wahrer Glaube Zeigt Sich Im Gehorsam WABT 109 1 "Durch Glauben gehorchte Abraham, als er berufen wurde, und brach auf an einen Ort, den er als Erbe empfangen sollte; er brach auf, ohne zu wissen, wohin er kommen würde." (Hebräer 11,8 ZÜ) Sein bedingungsloser Gehorsam gehört zu den auffallendsten Glaubenszeugnissen in der ganzen Bibel. Für ihn war Glaube "die Grundlegung dessen, was man erhofft, der Beweis für Dinge, die man nicht sieht" (Hebräer 11,1 ZÜ). Er verließ sich auf Gottes Zusage, ohne die geringste äußere Sicherheit zu haben, dass sie sich auch erfüllen würde. Deshalb gab er Heim, Verwandtschaft und Vaterland auf. Er zog aus, ohne zu wissen, wohin ihn Gott führen würde. "Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung." (Hebräer 11,9) WABT 109 2 Abraham wurde keine leichte Prüfung auferlegt. Kein geringes Opfer wurde da von ihm gefordert. Starke Bande wollten ihn an seine Heimat, Verwandtschaft und Familie ketten. Aber er zögerte nicht, dem Ruf zu folgen. Er stellte auch keine Fragen über das verheißene Land - ob der Boden fruchtbar und das Klima gesund sei, ob es landschaftlich schön liege und Möglichkeiten biete, reich zu werden. Gott hatte gesprochen, und sein Diener gehorchte. Für ihn war der liebste Ort auf Erden dort, wo Gott ihn haben wollte. Gott Beruft Auch Heute Menschen In Seinen Dienst WABT 109 3 Wie Abraham werden auch heute viele Menschen auf die Probe gestellt. Sie hören zwar Gottes Stimme nicht unmittelbar vom Himmel herab zu sich sprechen, aber er beruft sie heute durch die Unterweisungen seines Wortes und durch Ereignisse seiner Vorsehung. Es mag erforderlich sein, eine Laufbahn aufzugeben, die Reichtum und Ansehen verspricht, oder angenehme und vorteilhafte Beziehungen zu lösen und sich von seiner Verwandtschaft zu trennen, um einen Weg einzuschlagen, der nur Selbstverleugnung, Entbehrungen und Opfer zu verlangen scheint. Gott hat eine Aufgabe für sie. Aber ein bequemes Leben und die Beeinflussung durch Freunde und Verwandte wären für die Entwicklung der erforderlichen Wesenszüge hinderlich. Daher ruft Gott sie von menschlichen Einflüssen und Hilfestellungen fort und führt sie zur Einsicht, dass sie seinen Beistand benötigen. Sie sollen lernen, sich auf ihn allein zu verlassen, damit er sich ihnen offenbaren kann. Wer ist heute bereit, dem Ruf Gottes zu folgen und liebgewordene Pläne und familiäre Beziehungen aufzugeben? Wer will neue Pflichten übernehmen und Neuland betreten? Wer wird Gottes Werk entschlossen und bereitwillig anpacken? Wer wird Verlust, bedingt durch Christus, als Gewinn ansehen (vgl. Philipper 3,7)? Wer das alles auf sich nimmt, besitzt den Glauben von Abraham. Er wird mit ihm "eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit" erleben (2. Korinther 4,17), so "dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll" (Römer 8,18 EÜ). Abraham Zieht Ins Land Kanaan WABT 110 1 Gottes Ruf erreichte Abraham zum ersten Mal, als er noch in "Ur in Chal- däa" wohnte. Um Gott gehorsam zu sein, zog er nach Haran (1. Mose 11,31; vgl. Apostelgeschichte 7,2b.3). Bis dahin begleitete ihn die Familie seines Vaters, denn neben ihren Götzen beteten sie auch den wahren Gott an. Hier blieb Abraham, bis sein Vater Terach starb. Da forderte ihn Gottes Stimme auf, von dessen Grab fortzuziehen. Sein Bruder Nahor aber und dessen Angehörige hingen an der Heimat und an ihren Göttern. Außer Sara, Abrahams Frau, entschloss sich nur sein Neffe Lot, der Sohn seines schon lange verstorbenen zweiten Bruders Haran, das Pilgerleben des Patriarchen zu teilen. Trotzdem war es eine große Schar, die von Mesopotamien aufbrach. Abraham besaß schon zahlreiche Herden - den Reichtum des Ostens - und dazu eine Vielzahl von Knechten und Mägden. Er zog aus dem Land seiner Väter fort und sollte nie wieder dorthin zurückkehren. Alles, was er besaß, nahm er mit, "alle ihre Habe, die sie erworben hatten, und die Knechte und Mägde, die sie in Haran gewonnen hatten" (1. Mose 12,5). Viele von ihnen hatten höhere Ziele im Auge und dachten nicht nur an eine gute Stellung und an persönlichen Vorteil. Während ihres Aufenthalts in Haran hatten Abraham und Sara sie zur Anbetung des wahren Gottes geführt. Diese Leute schlossen sich der Familie des Erzvaters an und begleiteten sie in das Land der Verheißung. "Sie wanderten nach Kanaan aus und kamen dort an." (1. Mose 12,5 EÜ) WABT 111 1 Der erste Ort, an dem sie Halt machten, war Sichem. Im Schatten der Eichen von More, in einem weiten, grünen Tal mit Olivenhainen und sprudelnden Quellen zwischen den Bergen Ebal und Garizim, schlug Abraham seine Zelte auf. Es war ein schönes Land, das der Patriarch betreten hatte, "ein Land mit Bächen, Quellen und Grundwasser, das im Tal und am Berg hervorquillt, ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstock, Feigenbaum und Granatbaum, ein Land mit Ölbaum und Honig" (5. Mose 8,7.8 EÜ). Doch für den Verehrer Jahwes lag ein dunkler Schatten auf den bewaldeten Höhen und fruchtbaren Ebenen, denn "es wohnten ... zu der Zeit die Kanaaniter im Lande" (1. Mose 12,6). Abraham hatte zwar das Ziel erreicht, auf das er alle seine Hoffnungen gesetzt hatte, aber er fand ein Land vor, das von einem fremden Volk besetzt und von Götzendienst durchdrungen war. In den Hainen standen die Altäre der Götzen, und auf den umliegenden Höhen wurden ihnen Menschen geopfert. Obwohl sich Abraham an die göttlichen Verheißungen klammerte, schlug er sein Zelt nicht ohne dunkle Vorahnungen auf. "Da erschien der Herr dem Abram 8 und sprach: Deinen Nachkommen will ich dies Land geben." (1. Mose 12,7a) Die Zusicherung, dass Gott immer mit ihm sein werde, und das Wissen, nicht der Willkür der Götzendiener ausgeliefert zu sein, stärkten seinen Glauben. "Er baute dort einen Altar dem Herrn, der ihm erschienen war." (1. Mose 12,7b) Doch er blieb ein Wanderer. Bald zog er in die Nähe von Bethel. Auch dort errichtete er einen Altar und rief den Namen des Herrn an. WABT 111 2 Abraham, "ein Freund Gottes" (Jakobus 2,23), ist uns ein würdiges Vorbild. Er führte ein Leben des Gebets. Wo immer er sein Zelt aufschlug, errichtete er dicht daneben einen Altar und rief alle Bewohner seines Zeltlagers zum Morgen- und Abendopfer zusammen. Wenn er sein Zelt abbrach, blieb der Altar stehen. In den folgenden Jahren erhielt so mancher umherziehende Kanaaniter von Abraham eine religiöse Unterweisung. Wann immer einer von ihnen an diesen Altar kam, wusste er, wer vor ihm dort gewesen war. Und wenn er sein Zelt aufgeschlagen hatte, richtete er den Altar wieder her und betete den lebendigen Gott an. Eine Weitere Glaubensprüfung WABT 111 3 Abraham zog weiter nach Süden; und wieder wurde sein Glaube auf die Probe gestellt. Der Himmel hielt den Regen zurück, die Bäche in den Tälern trockneten aus, und in den Ebenen verdorrte das Gras. Die Herden fanden keine Weide mehr, und der Hungertod bedrohte das ganze Lager. Zweifelte der Patriarch nun an der Führung Gottes? Sehnte er sich etwa nach den ertragreichen Ebenen in Chaldäa zurück? Aufmerksam beobachteten alle, wie sich Abraham verhalten würde, als eine Schwierigkeit nach der anderen auf ihn zukam. Solange sein Vertrauen nicht erschüttert wurde, schöpften auch sie Hoffnung. Sie waren überzeugt, dass Gott sein Freund war und ihn immer noch steuerte. WABT 112 1 Abraham konnte die Wege nicht erklären, die Gott ihn führte. Seine Erwartungen waren bis jetzt noch nicht erfüllt worden. Dennoch hielt er an der Verheißung fest: "Ich ... will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein." (1. Mose 12,2) Unter ernstem Gebet fragte er sich, wie er das Leben seiner Leute und Herden wohl erhalten könne. Aber er ließ sich seinen Glauben an Gottes Wort nicht durch die äußeren Umstände erschüttern. Um der Hungersnot zu entgehen, zog er nach Ägypten. Er gab Kanaan deshalb nicht auf, und in seiner Notlage kehrte er auch nicht nach Chaldäa zurück, woher er gekommen war und wo man keinen Mangel an Nahrung kannte. Er suchte einen vorübergehenden Aufenthaltsort, der möglichst in der Nähe des verheißenen Landes lag, denn er beabsichtigte, bald wieder dorthin zurückzukehren, wo Gott ihn hingestellt hatte. WABT 112 2 Gott hatte in seiner Vorsehung Abraham diese Prüfung auferlegt, um ihn Unterordnung, Geduld und Vertrauen zu lehren. Seine Erfahrungen sollten aufgezeichnet werden, um allen, die nach ihm Anfechtungen des Glaubens ertragen müssten, zum Segen zu werden. Gott führt die Gläubigen auf Wegen, die ihnen unbekannt sind, aber er vergisst oder verstößt den nicht, der sein Vertrauen auf ihn setzt. Er ließ Anfechtungen über Hiob kommen, aber er verließ ihn nicht. Er ließ es zu, dass der von Jesus geliebte Jünger Johannes auf die einsame Insel Patmos verbannt wurde (vgl. Johannes 21,20a; Offenbarung 1,9). Dort begegnete ihm der Sohn Gottes, und in seinen Gesichten sah er Bilder voll unvergänglicher Herrlichkeit. Gott lässt es zu, dass Schwierigkeiten und Prüfungen auf sein Volk einstürmen, damit es durch Standhaftigkeit und Gehorsam geistliches Wachstum erfährt und durch sein Beispiel auch anderen zu einer Kraftquelle wird. "Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides." (Jere- mia 29,11) Gerade die Prüfungen, die unseren Glauben am härtesten auf die Probe stellen und den Anschein erwecken, als habe Gott uns verlassen, sollen uns näher zu Christus führen, damit wir ihm alle unsere Lasten zu Füßen legen und den Frieden erfahren, den er uns im Austausch dafür geben will. WABT 112 3 Gott hat sein Volk zu allen Zeiten im Feuerofen der Trübsal geläutert. Erst in der Hitze des Ofens wird die Schlacke vom echten Gold des christlichen Charakters getrennt. Jesus verfolgt diesen Vorgang und weiß, was zur Reinigung des kostbaren Metalls notwendig ist, damit es die Strahlen seiner Liebe widerspiegeln kann. Gott erzieht seine Diener durch harte Prüfungen. Er sieht, wo Kräfte vorhanden sind, die zur Förderung seines Werkes beitragen könnten, und diese Personen unterzieht er seiner Prüfung. In seiner Vorsehung bringt er sie in Lebenslagen, in denen er ihren Charakter prüfen und ihnen bislang verborgene Mängel und Schwächen offenbaren kann. Er gibt ihnen Gelegenheit, diese Fehler zu überwinden und sich für seinen Dienst vorzubereiten. Er macht ihnen ihre eigenen Schwächen bewusst und lehrt sie, sich auf ihn zu verlassen, denn er ist ihre einzige Hilfe und ihr einziger Schutz. So erreicht er sein Ziel. Diese Menschen sind schließlich geschult, erzogen und vorbereitet, den wichtigen Auftrag, für den ihnen die Fähigkeiten zuteilgeworden sind, zu erfüllen. Wenn Gott sie dann zum Einsatz ruft, sind sie zum Handeln bereit. Nun können sich Gottes Engel mit ihnen vereinen, um das Werk zu tun, das auf der Erde vollbracht werden soll. Gott Beschützt Abraham Trotz Seiner Lüge WABT 113 1 In Ägypten zeigte Abraham, dass auch er nicht frei von menschlicher Schwäche und Unvollkommenheit war. Er verheimlichte, dass Sara seine Frau war, und verriet somit, dass er Gottes Fürsorge misstraute. Auf diese Weise offenbarte er einen Mangel an dem tiefen Vertrauen und dem Mut, die er in seinem Leben so oft und ehrenwert an den Tag gelegt hatte. Da Sara sehr schön war, zweifelte er nicht daran, dass die dunkelhäutigen Ägypter die hübsche Fremde begehren würden und keine Skrupel hätten, ihren Mann umzubringen, um sie zu bekommen. Abraham meinte, dass er sich keiner Lüge schuldig machte, wenn er Sara als seine Schwester ausgab, denn sie war die Tochter seines Vaters, aber nicht seiner Mutter (vgl. 1. Mose 20,12. 13). Trotzdem war die Geheimhaltung der wirklichen Beziehung zwischen beiden Betrug. Gott kann kein Abweichen von strenger Redlichkeit billigen. Gerade durch Abrahams Mangel an Vertrauen geriet Sara in große Gefahr. Der König Ägyptens, dem man von ihrer Schönheit erzählt hatte, ließ sie in seinen Palast bringen und wollte sie zur Frau nehmen. Doch in seiner Güte beschützte der Herr Sara, indem er die königliche Familie mit Plagen heimsuchte. Auf diese Weise erfuhr der Monarch die Wahrheit. Darüber entrüstet, dass er getäuscht worden war, tadelte er Abraham. Er gab ihm seine Frau zurück und fragte: "Warum hast du mir das angetan? ... Warum sprachst du denn: Sie ist meine Schwester -, sodass ich sie mir zur Frau nahm? Und nun siehe, da hast du deine Frau; nimm sie und zieh hin!" (1. Mose 12,18.19) Der Pharao hatte Abraham großzügig mit Tieren, Knechten und Mägden beschenkt und sorgte nun auch dafür, dass Abraham und seinen Leuten kein Leid zugefügt wurde. Er befahl einigen Wachen, sie sicher aus seinem Herrschaftsgebiet zu geleiten. Zu jener Zeit wurden Gesetze erlassen, die den Ägyptern den Umgang - wie gemeinsames Essen und Trinken - mit ausländischen Hirten verboten. Der Pharao entließ Abraham freundlich und großmütig, aber er wies ihn an, Ägypten zu verlassen, denn er wagte es nicht länger, ihm Aufenthalt zu gewähren. Ohne es zu ahnen, war er im Begriff gewesen, ihm großen Schaden zuzufügen, aber Gott hatte eingegriffen und den Monarchen vor einer schweren Sünde bewahrt. Der Pharao sah nun in diesem Ausländer einen Mann, den der Gott des Himmels ehrte, und scheute sich, jemanden in seinem Reich zu haben, der so offensichtlich Gottes Gunst genoss. Bliebe Abraham - so der Monarch - in Ägypten, würden sein wachsender Reichtum und sein großes Ansehen wahrscheinlich den Neid und die Habgier der Ägypter wecken. Wenn ihm dann ein Unrecht geschähe, könnte der König dafür verantwortlich gemacht werden. Das würde erneut Plagen über das Königshaus bringen. WABT 114 1 Die Warnung, die der Pharao erhalten hatte, erwies sich später, wenn Abraham mit heidnischen Völkern zu tun hatte, als Schutz, denn der Vorfall konnte nicht geheim gehalten werden. Man erkannte, dass der Gott, dem Abraham diente, seinen Diener schützte und alles Unrecht, das man ihm antat, rächte. Es ist gefährlich, einem Kind des himmlischen Königs zu schaden. Ein Psalmist wies später auf diese Erfahrung in Abrahams Leben hin, als er über das auserwählte Volk dichtete: Gott "wies Könige zurecht um ihretwillen: Tastet meinen Gesalbten nicht an, und tut meinen Propheten kein Leid" (Psalm 105,14b.15). WABT 114 2 Es besteht eine auffallende Ähnlichkeit zwischen Abrahams Erfahrung und der seiner Nachkommenschaft Jahrhunderte später. Beide zogen wegen einer Hungersnot nach Ägypten, und beide hielten sich dort eine Zeitlang auf. Wegen der offenkundigen Gottesgerichte, die zu ihren Gunsten verhängt wurden, bekamen die Ägypter Angst, und die Israeliten verließen - mit Geschenken der Heiden reich beladen - das Land. ------------------------Kapitel 12 - Abraham In Kanaan WABT 115 0 1. Mose 13 bis 15, 17 und 18. WABT 115 1 Abraham kehrte nach Kanaan zurück, "sehr reich an Vieh, Silber und Gold" (1. Mose 13,2). Lot war noch immer bei ihm. Sie kamen wieder nach Bethel und schlugen ihre Zelte beim Altar auf, den sie damals errichtet hatten. Bald entdeckten sie aber, dass größerer Besitz auch mehr Probleme mit sich bringt. In der Not und Anfechtung hatten sie einträchtig beieinander gewohnt, aber im Wohlstand wuchs die Gefahr, miteinander in Streit zu geraten. Die Weidefläche reichte nicht für beide Herden. Deshalb mussten sie häufig Streit zwischen ihren Hirten schlichten. Es war offensichtlich, dass sie sich trennen mussten. Abraham war älter als Lot und stand auch in Bezug auf Verwandtschaftsgrad, Wohlstand und Stellung höher als sein Neffe. Dennoch machte er als Erster Vorschläge, wie der Frieden zwischen ihnen erhalten werden könnte. Obwohl Gott ihm das ganze Land gegeben hatte, verzichtete er aus Höflichkeit auf sein Recht. "Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder", sagte er. "Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken." (1. Mose 13,8.9) Abrahams Zuvorkommenheit Gegenüber Lot WABT 115 2 Hier zeigte sich Abrahams vornehme, selbstlose Gesinnung. Wie viele hätten nicht unter ähnlichen Umständen unbedingt auf ihr Recht und ihre Vorliebe gepocht? Wie viele Familien sind auf diese Weise zerrissen worden! Wie viele Gemeinden haben sich gespalten und dadurch die Sache Gottes in Verruf gebracht! Sie sind in den Augen der Ungläubigen ein schändliches Beispiel. "Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir", sagte Abraham, "denn wir sind Brüder" - und das nicht nur aufgrund von Verwandtschaft, sondern auch als Anbeter des wahren Gottes. Alle Kinder Gottes auf der ganzen Welt bilden eine große Familie. Deshalb sollte sie auch der Geist der Liebe und Versöhnlichkeit leiten. "Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor" (Römer 12,10), lautet die Weisung unseres Erlösers durch Paulus. Wenn wir eine einheitliche Höflichkeit pflegten und bereit wären, andere so zu behandeln, wie wir von ihnen behandelt werden möchten (vgl. Matthäus 7,12), würde die Hälfte aller Missstände im Leben beseitigt. Wer der Selbsterhöhung frönt, verrät seinen satanischen Geist. Wer aber die Liebe von Christus in seinem Herzen trägt, übt die Nächstenliebe, die "nicht das Ihre" sucht (1. Korinther 13,5b). Und er beachtet auch das göttliche Gebot: "Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der andern." (Philipper 2,4 EÜ) WABT 116 1 Obwohl Lot seinen Wohlstand seiner Verwandtschaft mit Abraham verdankte, bewies er seinem Gönner keine Dankbarkeit. Die Höflichkeit hätte es hier geboten, Abraham die Wahl zu überlassen, aber stattdessen wollte sich Lot in seiner Selbstsucht alle Vorteile sichern. "Da hob Lot seine Augen auf und besah die ganze Gegend am Jordan. Denn ehe der Herr Sodom und Gomorra vernichtete, war sie wasserreich ... wie der Garten des Herrn, gleichwie Ägyptenland." (1. Mose 13,10) Das Jordantal war die fruchtbarste Gegend in ganz Palästina. Es erinnerte den Beschauer an das verlorene Paradies, an die Schönheit und Fruchtbarkeit des ertragreichen Niltales, das Abraham und Lot erst kürzlich verlassen hatten. Es gab dort auch reiche und schöne Städte, mit guten Handelsbeziehungen. Lot war von der Aussicht auf irdischen Nutzen so geblendet, dass er den sittlichen und geistlichen Tiefstand übersah, der ihn dort erwartete. Die Bewohner der Jordanebene "sündigten sehr wider den Herrn" (1. Mose 13,13). Wusste er das nicht oder hielt er es für unwichtig? Jedenfalls "erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan" und "zog mit seinen Zelten bis nach Sodom" (1. Mose 13,11.12). Wie wenig sah er doch die schrecklichen Folgen seiner egoistischen Wahl voraus! Abrahams Zeugnis In Seiner Umgebung WABT 116 2 Nach der Trennung von Lot erhielt Abraham von Gott erneut das Versprechen, dass er einmal das ganze Land besitzen werde. Kurz darauf zog er nach Hebron. Er schlug sein Zelt unter den Eichen von Mamre auf und errichtete daneben dem Herrn einen Altar. Er wohnte unter dem freien Himmel der Hochebene, genoss ihre Olivenhaine und Weinberge, ihre wogenden Kornfelder und die ausgedehnten Weideflächen an den Hängen der umliegenden Hügel. Er war mit seinem einfachen, patriarchalischen Leben zufrieden. Gern überließ er Lot den gefährlichen Luxus im Tal von Sodom. WABT 117 1 Die Völker ringsum schätzten Abraham als mächtigen Fürsten und kluges, tüchtiges Stammesoberhaupt. Er verschloss sich seinen Nachbarn keineswegs. Sein Leben und sein Charakter unterschieden sich deutlich vom Verhalten und Wesen der Götzendiener, was ein starkes Zeugnis zugunsten des wahren Glaubens darstellte. Seine Treue gegenüber Gott war unerschütterlich; seine Freundlichkeit und Güte förderten Vertrauen und Freundschaft, und seine ungekünstelte Größe verschaffte ihm Achtung und Ehre. WABT 117 2 Sein Glaube war für ihn nicht wie ein kostbarer Schatz, den es eifersüchtig zu hüten galt und an dem sich nur sein Besitzer erfreuen durfte. Das wäre keine wahre Religion, denn ein solcher Geist widerspricht den Grundsätzen des Evangeliums. Wenn Christus im Herzen wohnt, kann das Licht seiner Gegenwart weder verborgen bleiben noch allmählich verlöschen. Im Gegenteil: Es wird immer heller leuchten, und Tag für Tag werden die Nebelschwaden der Selbstsucht und der Sünde, die den Menschen einhüllen, von den Strahlen der "Sonne der Gerechtigkeit" (Maleachi 3,20) verdrängt. WABT 117 3 Gottes Kinder sind seine Vertreter auf Erden, und er möchte, dass sie in der moralischen Finsternis dieser Welt als Lichter scheinen. Überall im Land verstreut sind sie in Groß- und Kleinstädten und in Dörfern Zeugen für Gott - lebendige Werkzeuge, um durch sie dieser ungläubigen Welt seinen Willen und seine wunderbare Gnade bekannt zu machen. Nach seinem Plan sollen alle, die die Erlösung erfahren haben, missionarisch für ihn tätig sein. Das praktische Christenleben ist der Maßstab, an dem weltliche Menschen das Evangelium messen. Geduldig ertragene Anfechtungen, dankbar angenommene Segnungen, Sanftmut, Freundlichkeit, Barmherzigkeit und Liebe, die gewohnheitsmäßig gezeigt werden, sind die Lichter, die vom Charakter in die Welt hineinstrahlen und den Gegensatz zur Finsternis offenbaren, die der Selbstsucht des natürlichen Herzens entspringt. WABT 117 4 Abraham zeichnete vieles aus: großes Vertrauen, edle Großzügigkeit, unbeirrbarer Gehorsam und eine demütige Bescheidenheit in seinem Nomadenleben. Er war zugleich ein kluger Diplomat und mutig und geschickt in einem Krieg. Obwohl bekannt war, dass Abraham eine neue Religion lehrte, zeigten ihm drei Brüder - Könige in den Ebenen der Amoriter, wo auch Abraham wohnte - ihre Freundschaft, indem sie ihn baten, mit ihnen einen Bund zu schließen, um mehr Sicherheit zu erreichen, denn das Land war voller Gewalt und Tyrannei. Es dauerte nicht lange, da bot sich ihm eine Gelegenheit, dieses Bündnis zu nutzen. Die Auseinandersetzung Mit Den Elamitern WABT 118 1 14 Jahre zuvor war Kedor-Laomer, der König von Elam, in Kanaan eingefallen und hatte das Land zu Abgaben verpflichtet. Als nun mehrere Fürsten eine Revolte gegen ihn anzettelten, rückte der König erneut an - und zwar mit vier Verbündeten -, um sie erneut zu unterwerfen. Fünf Könige der Kanaaniter vereinigten daraufhin ihre Streitkräfte und stellten sich im Tal Siddim den Eindringlingen entgegen. Aber sie wurden vernichtend geschlagen. Ein großer Teil ihres Heeres wurde niedergemetzelt. Wer entkommen konnte, floh in die Berge. Die Sieger plünderten die Städte in der Ebene und zogen mit reicher Beute und vielen Gefangenen davon, unter ihnen auch Lot und seine Familie. WABT 118 2 Abraham lebte in Frieden im Eichenhain von Mamre, als er durch einen der Geflüchteten von der Schlacht und dem Unglück, das seinen Neffen getroffen hatte, erfuhr. Lots Undankbarkeit hatte bei ihm keine unfreundlichen Gefühle hinterlassen. Seine ganze Zuneigung zu ihm erwachte, und er beschloss, Lot zu befreien. Zuerst suchte er Gottes Rat, dann bereitete er sich auf den Kampf vor. Aus seinem eigenen Lager bot er 318 ausgebildete Knechte auf - Männer, die in der Ehrfurcht vor Gott, im Dienst ihres Herrn und im Umgang mit Waffen ausgebildet waren. Seine Bündnispartner Mamre, Eschkol und Aner schlossen sich ihm mit ihren Scharen an, und gemeinsam brachen sie auf, um die Eindringlinge zu verfolgen. Die Elamiter und ihre Bundesgenossen hatten ihr Lager bei Dan an der Nordgrenze Kanaans aufgeschlagen. Siegestrunken und ohne Furcht vor einem Angriff ihrer besiegten Feinde befanden sie sich mitten in einem lärmenden Zechgelage. Abraham teilte seine Streitkräfte, um aus verschiedenen Richtungen anrücken zu können, und überfiel das Lager bei Nacht. Sein energischer und unerwarteter Angriff führte schnell zum Erfolg. Der König von Elam wurde erschlagen und seine Armee vollständig besiegt. Lot, seine Familie und all die anderen Gefangenen wurden befreit und ihre Güter sichergestellt. Außerdem fiel den Siegern reiche Beute in die Hände. Dieser Sieg war Abraham zu verdanken, der auf Gott vertraut hatte. Der Verehrer Jahwes hatte nicht nur dem Land einen großen Dienst erwiesen, sondern auch seine eigene Tapferkeit unter Beweis gestellt. Es wurde deutlich, dass Rechtschaffenheit nicht Feigheit bedeutet und sein Glaube ihm den Mut verlieh, das Recht zu wahren und Unterdrückte zu verteidigen. Abrahams Heldentat verschaffte ihm einen weitreichenden Einfluss unter den Nachbarstämmen. Bei seiner Rückkehr kam ihm der König von Sodom mit seinem Gefolge entgegen, um den Sieger zu ehren. Er bot Abraham an, die Beute zu behalten, wenn er nur die Gefangenen freiließe. Nach damaligem Kriegsrecht gehörte die Beute dem Sieger. Aber Abraham hatte diesen Feldzug nicht unternommen, um sich zu bereichern. Er weigerte sich, aus dem Unglück anderer einen Vorteil zu ziehen, und machte nur zur Bedingung, dass seine Verbündeten den Anteil erhielten, der ihnen zustand. WABT 119 1 Nicht viele hätten sich in einem ähnlichen Fall so großmütig gezeigt wie Abraham. Nur wenige hätten wohl der Versuchung widerstanden, sich eine reiche Beute anzueignen. Abrahams Beispiel erteilt aller selbstsüchtigen Gewinnsucht eine Rüge. Er achtete, was Gerechtigkeit und Menschlichkeit erforderten. Sein Verhalten ist ein anschauliches Beispiel für den biblischen Grundsatz: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (3. Mose 19,18b) Er gab dem König zur Antwort: "Ich hebe meine Hand auf zum Herrn, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, dass ich von allem, was dein ist, nicht einen Faden noch einen Schuhriemen nehmen will, damit du nicht sagest, du habest Abram reich gemacht." (1. Mose 14,22.23) Er wollte ihnen keinen Anlass zur Annahme geben, er sei um des Gewinnes willen in den Krieg gezogen oder sein Reichtum sei ihren Geschenken oder ihrem Wohlwollen zuzuschreiben. Gott hatte Abraham versprochen, ihn zu segnen. Ihm sollte auch die Ehre zuteil werden. WABT 119 2 Noch ein anderer kam, um den siegreichen Erzvater zu begrüßen: Melchi- sedek, der König von Salem, der zur Erfrischung des Heeres Brot und Wein brachte. Als "Priester Gottes, des Höchsten" segnete er Abraham und dankte dem Herrn, der durch seinen Diener eine so großartige Befreiung ermöglicht hatte. Und Abraham "gab ihm den Zehnten von allem" (1. Mose 14,18.20b). Die Erneute Verheissung Und Ein Bundesschluss WABT 119 3 Abraham kehrte freudig zu seinen Zelten und Herden zurück. Dennoch beunruhigten ihn quälende Gedanken. Er war ein friedlicher Mann gewesen und hatte Feindschaft und Streit soweit wie möglich vermieden. Mit Grauen dachte er an das Blutvergießen, das er gesehen hatte. Aber die Stämme, deren Streitkräfte er geschlagen hatte, würden zweifellos wieder in Kanaan einfallen und ihn gewiss zum besonderen Ziel ihrer Rache machen. Würde er auf diese Weise in die Auseinandersetzungen der Königreiche verwickelt werden, wäre es mit seinem friedvollen, ruhigen Leben vorbei. Außerdem hatte er weder von Kanaan Besitz ergriffen, noch konnte er auf einen Erben hoffen, 9 durch den Gottes Zusage erfüllt werden könnte. WABT 120 1 In einer nächtlichen Vision hörte er erneut Gottes Stimme: "Fürchte dich nicht, Abram!", lauteten die Worte des Königs aller Könige. "Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn" (1. Mose 15,1). Doch seinen Verstand bedrückten derart düstere Vorahnungen, dass er nun nicht in der Lage war, Gottes Zusage mit unbedingtem Vertrauen wie bisher aufzunehmen. Abraham betete um einen handfesten Beweis dafür, dass sie auch erfüllt werde. Wie konnte die Bundesverheißung verwirklicht werden, wenn ihm ein Sohn vorenthalten wurde? "Was willst du mir geben?", fragte er. "Ich gehe dahin ohne Kinder ... und siehe, einer von meinen Knechten wird mein Erbe sein." (1. Mose 15,2.3) Er schlug vor, seinen treuen Knecht Elieser zum Adoptivsohn und Erben seines Besitztums zu machen. Aber Gott versicherte ihm, dass ein eigenes Kind der Erbe sein sollte. Dann wurde er aus dem Zelt geführt und ihm gesagt, zu den unzählbaren Sternen zu blicken, die am Himmel funkelten. Dabei hörte er die Worte: "So zahlreich sollen deine Nachkommen sein! Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit!" (1. Mose 15,5b.6) WABT 120 2 Doch noch einmal bat der Patriarch um ein sichtbares Zeichen zur Stärkung seines Glaubens und als Beweis für spätere Generationen, dass Gottes gnädige Absichten an ihnen in Erfüllung gehen würden. Der Herr ließ sich herab, um mit seinem Diener ein Bündnis zu schließen. Dazu wählte er eine Form, wie sie damals unter Menschen bei der Bestätigung einer feierlichen Verpflichtung üblich war. Auf Gottes Anweisung opferte Abraham eine Kuh, eine Ziege und einen Widder - alle drei Jahre alt -, zerteilte ihre Körper und legte die Stücke in geringer Entfernung voneinander auf die Erde. Dann fügte er noch eine Turteltaube und eine junge Taube hinzu, die er jedoch nicht zerteilte. Danach ging er ehrfürchtig zwischen den Opferstücken hindurch und gelobte Gott feierlich, ihm für immer gehorsam zu sein. Aufmerksam und ausdauernd blieb er bei den Opferstücken bis zum Sonnenuntergang. Er wollte darauf achten, dass sie nicht von Raubvögeln verunreinigt oder gefressen werden. Bei Sonnenuntergang aber fiel er in einen tiefen Schlaf, "und siehe, Schrecken und große Finsternis überfiel ihn" (1. Mose 15,12). Er hörte Gottes Stimme, die ihn wissen ließ, dass er nicht mit dem sofortigen Besitz des versprochenen Landes rechnen dürfe. Gott wies ihn auch auf die lange Leidenszeit hin, die seine Nachkommen überstehen müssten, bevor sie Kanaan in Besitz nehmen könnten. Gott offenbarte ihm auch den Erlösungsplan, den Tod von Christus und dessen zweites Kommen in Herrlichkeit. Schließlich sah Abraham die wiederhergestellte Erde in der Schönheit von Eden, die er für immer in Besitz nehmen sollte als die endgültige und vollständige Erfüllung der Verheißung. WABT 121 1 Als Bürgschaft für diesen Bund Gottes mit den Menschen war "ein rauchender Ofen" zu sehen, und "eine Feuerflamme fuhr zwischen den Stücken hin" und verzehrte sie vollständig als Zeichen der göttlichen Gegenwart. Erneut hörte Abraham eine Stimme, die ihm bestätigte, dass das Land Kanaan seinen Nachkommen gehören sollte "von dem Strom Ägyptens an bis an den großen Strom Euphrat" (1. Mose 15,17.18). Die Veränderung Der Namen WABT 121 2 Als Abraham fast 25 Jahre lang in Kanaan gelebt hatte, erschien ihm der Herr und sprach: "Ich bin Gott, der Allmächtige. Lebe vor meinem Angesicht und sei untadelig." (1. Mose 17,1 Elb.) Voll Ehrfurcht fiel der Patriarch auf sein Angesicht, und Gott sprach weiter: "Siehe, das ist mein Bund mit dir: Du wirst zum Vater einer Menge von Nationen werden" (1. Mose 17,4 Elb.). Als Zeichen dafür, dass dieser Bund gewiss erfüllt wird, sollte sein Name, der bisher Abram lautete, in Abraham geändert werden, was "Vater einer Menge" bedeutet. Seine Frau Sarai erhielt den Namen Sara, "Fürstin", denn die göttliche Stimme sagte: "Ich will sie überreich segnen und sie zur Mutter vieler Völker machen. Sogar Könige werden unter ihren Nachkommen sein!" (1. Mose 17,16b NLB) WABT 121 3 Zu dieser Zeit verordnete Gott Abraham die Zeremonie der Beschneidung "als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er hatte, als er noch nicht beschnitten war" (Römer 4,11a). Der Erzvater und alle seine Nachkommen sollten diese Vorschrift beachten. Die Beschneidung sollte für sie ein Zeichen dafür sein, dass sie dem Dienst Gottes geweiht und damit von den Götzendienern abgesondert waren und Gott sie als sein besonderes Eigentum annahm. Mit dieser Zeremonie verpflichteten sich die Nachkommen ihrerseits, die Bedingungen des Bundes, den Gott mit Abraham geschlossen hatte, einzuhalten. Sie durften keine Ehen mit Heiden eingehen, denn dadurch würden sie ihre Ehrfurcht vor Gott und seinem heiligen Gesetz verlieren, in die Versuchung geraten, die sündhaften Gewohnheiten anderer Völker zu übernehmen und zum Götzendienst verführt werden. Abraham Erhält Besuch Von Engeln WABT 121 4 Gott ließ Abraham große Ehren zuteil werden. Engel kamen vom Himmel und sprachen mit ihm, wie Freunde miteinander reden. Und als Sodom von Gottes Strafgericht heimgesucht werden sollte, wurde ihm das nicht verheimlicht. So wurde er bei Gott zum Fürsprecher der Sünder. Die Begebenheit mit den Engeln ist auch ein schönes Beispiel für Gastfreundschaft. WABT 122 1 Zur Mittagszeit eines heißen Sommertages saß der Erzvater im Eingang seines Zeltes und schaute über die friedliche Landschaft, als er in der Ferne drei Wanderer näherkommen sah. Bevor sie sein Zelt erreichten, hielten sie an, als ob sie miteinander berieten, welchen Weg sie nehmen wollten. Ohne erst darauf zu warten, dass sie ihn um Hilfe baten, stand Abraham schnell auf. Als sie sich anscheinend in eine andere Richtung wandten, eilte er ihnen hinterher und nötigte sie mit größter Höflichkeit, ihm die Ehre zu erweisen, bei ihm einzukehren, um sich zu erfrischen. Er selbst brachte ihnen eigenhändig Wasser, damit sie ihre Füße vom Staub der Reise reinigen konnten. Persönlich wählte er die Speisen für sie aus, und während sie sich im kühlen Schatten ausruhten, ließ er ihnen ein Mahl zubereiten. Ehrerbietig stand er daneben, während sie seine Gastfreundschaft genossen. Diesen Akt der Höflichkeit erachtete Gott als wichtig genug, um ihn in seinem Wort festzuhalten. Ein inspirierter Apostel bezog sich mehr als tausend Jahre später auf diese Begebenheit: "Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt." (Hebräer 13,2) WABT 122 2 Abraham sah in seinen Gästen zunächst nur drei müde Wanderer und dachte nicht entfernt daran, dass der Eine unter ihnen weilte, den er hätte anbeten dürfen, ohne sich zu versündigen. Doch dann wurde ihm das wahre Wesen der Himmelsboten offenbart. Sie waren unterwegs, um Gottes Zorn auszuführen. Aber mit dem Glaubensmann Abraham sprachen sie zuerst über Segnungen. Obwohl Gott Bosheit genau wahrnimmt und Übertretungen streng bestraft, hat er keinen Gefallen an Vergeltung. Vernichtung ist für ihn, dessen Liebe unendlich ist, ein "fremdes Werk" (vgl. Jesaja 28,21). WABT 122 3 "Die sind Vertraute des Herrn, die ihn fürchten." (Psalm 25,14 EÜ) Abraham hatte Gott die Ehre gegeben, und nun ehrte der Herr ihn, indem er ihn in seine Pläne einweihte und ihm seine Absichten offenbarte: "Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?", sagte der Herr. "Das Klagegeschrei über Sodom und Gomorra, ja, das ist laut geworden, und ihre Sünde, ja, die ist schwer. Ich will hinabgehen und sehen, ob ihr Tun wirklich dem Klagegeschrei entspricht, das zu mir gedrungen ist. Ich will es wissen." (1. Mose 18,17.20.21 EÜ) Gott kannte genau das Maß der Schuld Sodoms, aber er bediente sich der menschlichen Ausdrucksweise, damit man erkennen konnte, dass sein Vorgehen gerechtfertigt war. Bevor er die Übertreter seinem Gericht unterzog, kam er selbst, um ihren Lebenswandel zu untersuchen. Sollten sie die Grenzen seiner Gnade nicht überschritten haben, würde er ihnen Raum zur Umkehr gewähren. WABT 122 4 Zwei der Boten vom Himmel brachen auf und ließen Abraham mit dem allein, von dem er nun wusste, dass er Gottes Sohn war. Und der Glaubensmann trat für die Einwohner Sodoms ein. Einst hatte er sie mit seinem Schwert gerettet. Nun versuchte er es mit Bitten. Lot und seine Angehörigen wohnten ja noch immer dort. Mit der gleichen selbstlosen Liebe, die Abraham damals veranlasst hatte, sie von den Elamitern zu befreien, versuchte er nun, sie vor dem Sturm des göttlichen Gerichts zu bewahren, sofern das Gottes Willen entsprach. Fürbitte Für Die Sünder Sodoms WABT 123 1 Mit tiefer Ehrfurcht und Demut brachte er seine Bitte vor: "Siehe doch, ich habe mich erdreistet, zu dem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin." (1. Mose 18,27 Elb.) Das klang nicht anmaßend und war kein Prahlen mit seiner eigenen Gerechtigkeit. Er beanspruchte keine Gunst aufgrund seines Gehorsams oder wegen der Opfer, die er auf sich genommen hatte, um Gottes Willen zu befolgen. Obwohl er selbst ein Sünder war, bat er für die Sünder. Diese Gesinnung sollte jeder haben, der sich Gott naht. Aus Abraham sprach das Vertrauen eines Kindes, das seinen geliebten Vater inständig um etwas bittet. Er trat zum himmlischen Boten und brachte seine Bitte mit Hingabe vor. Obschon sich Lot bei den Bewohnern von Sodom niedergelassen hatte, beteiligte er sich doch nicht an ihren schlimmen Vergehen. Abraham nahm an, dass es in dieser bevölkerungsreichen Stadt noch andere Anbeter des wahren Gottes gab. Im Hinblick darauf bat er: "Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen ... Das sei ferne von dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten?" (1. Mose 18,25) Abraham bat nicht nur einmal, sondern mehrfach. Als seine Bitten gewährt wurden, wurde er kühner und fuhr fort, bis er das Versprechen erhielt, dass die Stadt verschont werde, selbst wenn nur zehn Gerechte darin zu finden seien. WABT 123 2 Seine Liebe zu untergehenden Menschen trieb ihn bei seinen Bitten an. Er verabscheute zwar die Sünden dieser lasterhaften Stadt, wollte aber, dass die Sünder gerettet werden. Seine tiefe Anteilnahme an Sodom zeigt die Sorge, die auch wir für reuelose Menschen empfinden sollten. Wir sollten die Sünde hassen, aber für den Sünder Mitleid empfinden und ihn lieben. In unserer Umgebung gehen Menschen ebenso schrecklich und hoffnungslos zugrunde wie einst in Sodom. Täglich geht für viele ihre Gnadenzeit zu Ende. Stündlich verlassen etliche den Einflussbereich der Gnade Gottes. Wo sind die warnenden, einladenden Stimmen, die den Sünder bitten, seinem furchtbaren Schicksal zu entgehen? Wo sind die Hände ausgestreckt, um ihn vom Tod zurückzuziehen? Wo treten Menschen in Demut und standhaftem Glauben bei Gott für ihn ein? WABT 124 1 Abraham hatte die gleiche Einstellung wie Christus. Der Sohn Gottes ist selbst der große Mittler und Fürsprecher zugunsten des Sünders. Er, der den Preis für die Erlösung der Menschen bezahlte, weiß, was ein Mensch wert ist. Christus hegte eine Feindseligkeit gegen das Böse, wie das nur einer absolut reinen Natur möglich ist, offenbarte aber eine Liebe zum Sünder, die nur eine unendliche Güte ersinnen konnte. Sogar im Todeskampf am Kreuz, als er selbst mit der furchtbaren Sündenlast der ganzen Welt beladen war, betete Christus für die, die ihn schmähten und töteten: "Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!" (Lukas 23,34) Abraham Als Vorbild Und Lehrer Des Wahren Glaubens WABT 124 2 In der Bibel steht über Abraham, dass er "ein Freund Gottes genannt" wurde (Jakobus 2,23). Er ist der "Vater ... aller, die glauben" (Römer 4,11b). Gott bestätigte diesem treuen Patriarchen, dass er "meiner Stimme gehorsam gewesen ist und gehalten hat meine Rechte, meine Gebote, meine Weisungen und mein Gesetz" (1. Mose 26,5). Schon vorher hatte Gott gesagt: "Ich habe ihn erkannt, damit er seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm befehle, dass sie den Weg des Herrn bewahren, Gerechtigkeit und Recht üben, damit der Herr auf Abraham kommen lasse, was er über ihn geredet hat." (1. Mose 18,19 Elb.) Abraham wurde die hohe Ehre zuteil, der Vater des auserwählten Volkes zu sein, das Jahrhundertelang der Hüter und Bewahrer der Wahrheiten war, die Gott der Welt mitteilen wollte. Es war das Volk, durch das alle Nationen der Erde durch das Erscheinen des angekündigten Messias gesegnet werden sollten. Der, der ihn berief, erklärte ihn auch der Berufung für würdig. Gott selbst hat das gesagt. Er, der die "Gedanken von ferne" kennt (Psalm 139,2) und die Menschen recht einschätzt, sagte: "Ich habe ihn erkannt." Von Seiten Abrahams gab es nie einen Verrat der Wahrheit aus selbstsüchtigen Gründen. Er hat das Gesetz Gottes befolgt und sich gerecht und rechtschaffen verhalten. Er hat nicht nur selbst Ehrfurcht vor dem Herrn gehabt, sondern lebte seinen Glauben auch in seiner Familie aus. Er lehrte sie Rechtschaffenheit. Das Gesetz Gottes war seine Hausordnung. WABT 124 3 Abrahams Haushalt umfasste über eintausend Personen. Wer sich aufgrund seiner Belehrung der Anbetung des wahren Gottes anschloss, fand in seinem Zeltlager ein Zuhause. Wie in einer Schule erhielten sie dort einen Unterricht, der sie darauf vorbereitete, als Vertreter des wahren Glaubens aufzutreten. Damit übernahm Abraham eine große Verantwortung, denn erbildete auch Familienoberhäupter heran. Sein Führungsstil wurde dann auf die Familien, denen sie vorstanden, übertragen. WABT 125 1 In alter Zeit war der Vater zugleich der Herrscher und Priester der Familie. Er behielt die Befehlsgewalt über seine Kinder, wenn diese bereits eigene Familien hatten. Seine Nachkommen wurden unterwiesen, ihn als ihr Oberhaupt in religiösen wie in weltlichen Belangen anzuerkennen. Abraham bemühte sich, diese patriarchalische Lebensform aufrechtzuerhalten, da sie leichter die wahre Gotteserkenntnis bewahrte. Es war notwendig, die Mitglieder der Großfamilie zusammenzuhalten, um eine Schranke gegen den Götzendienst zu errichten, der so weit verbreitet und tief verwurzelt war. Mit allen möglichen Mitteln versuchte Abraham, die Bewohner seines Zeltlagers davor zu schützen, sich unter die Heiden zu mischen und deren götzendienerische Gepflogenheiten zu beobachten. Er wusste, dass die Vertrautheit mit dem Bösen unmerklich die Grundsatztreue untergräbt. Mit äußerster Sorgfalt versuchte er, alle Formen falscher Religionen vom Lager fernzuhalten und die Majestät und die Herrlichkeit des lebendigen Gottes, der allein Anbetung verdient, dem Denken seiner Leute einzuprägen. WABT 125 2 Gott selbst hatte in weiser Voraussicht die Verbindung seines Volkes zu den Heiden soweit wie möglich eingeschränkt. Es sollte als Volk allein wohnen und nicht zu den anderen Nationen gezählt werden. Er hatte Abraham aus seiner Verwandtschaft, die Götzen verehrte, herausgelöst, damit der Patriarch seine Familie fern von den verführerischen Einflüssen, die sie in Mesopotamien umgeben hätten, erziehen konnte. Seine Nachkommen sollten den wahren Glauben in seiner Reinheit von Generation zu Generation bewahren. WABT 125 3 Die Liebe zu seiner Familie und zur ganzen Hausgemeinschaft veranlasste Abraham, deren Glauben zu schützen und ihnen eine Kenntnis der Gebote Gottes zu vermitteln. Denn das war das kostbarste Vermächtnis, das er ihnen - und durch sie der Welt - weitergeben konnte. Allen wurde beigebracht, dass sie der Herrschaft des Gottes im Himmel unterstanden. Vonseiten der Eltern gab es keine Unterdrückung und aufseiten der Kinder keinen Ungehorsam. Gottes Gesetz wies jedem seine Pflichten zu, und nur wenn man ihm gehorchte, konnte man sich Glück und Wohlergehen sichern. WABT 125 4 Abrahams eigenes Beispiel und der stille Einfluss, den sein Alltagsleben ausübte, waren eine ständige Belehrung. Seine unerschütterliche Redlichkeit, Güte und selbstlose Höflichkeit, die ihm die Bewunderung der Stadtkönige eingebracht hatten, kamen auch in seinem Heim zur Geltung. Sein Leben war gleichsam von einem Wohlgeruch umgeben - einem edlen und liebevollen Charakter, der allen zeigte, dass er mit dem Himmel verbunden war. Abraham ging auch an seinem geringsten Knecht nicht achtlos vorüber. In seinem Haus gab es kein besonderes Recht für den Patriarchen und ein anderes für die Knechte, keinen Königsweg für die Reichen und einen anderen für die Armen. Alle wurden gerecht und mitfühlend behandelt als "Miterben der Gnade des Lebens" (1. Petrus 3,7b). WABT 126 1 "Dazu habe ich ihn auserkoren, dass er seinen Kindern befehle und seinem Haus nach ihm ..." (1. Mose 18,19). Es gab kein leichtfertiges Versäumnis, die bösen Neigungen seiner Kinder einzuschränken, keine schwache, unkluge oder nachsichtige Bevorzugung, kein Nachgeben seines Pflichtgefühls gegenüber den Regungen einer falsch verstandenen Zuneigung. Abraham vermittelte nicht nur die richtige Belehrung, sondern hielt auch die Autorität gerechter Gesetze aufrecht. Die Verantwortung Heutiger Eltern WABT 126 2 Wie wenige folgen heutzutage seinem Beispiel! Bei vielen Eltern findet sich eine blinde, ichbezogene Gefühlsduselei, die fälschlicherweise als Liebe bezeichnet wird. Sie zeigt sich darin, dass Kinder mit ihrem unausgereiften Urteilsvermögen und ihren zügellosen Leidenschaften der Herrschaft ihres eigenen Willens überlassen werden. Das ist äußerste Grausamkeit gegenüber den Jugendlichen und ein großes Unrecht an der Welt. Die Nachsicht der Eltern verursacht Unordnung in den Familien und folglich auch in der Gesellschaft. Sie bestärkt die Jugendlichen im Wunsch, ihren Neigungen zu folgen, statt sich Gottes Geboten zu fügen. So wachsen sie mit einer inneren Abneigung gegen Gottes Willen auf. Als Eltern geben sie dann ihre ungläubige und ungehorsame Einstellung an ihre Kinder und Enkel weiter. Wie Abraham sollten auch Eltern ihrem Haushalt vorstehen. Gehorsam gegenüber der elterlichen Autorität soll in den Familien gelehrt und durchgesetzt werden. Das ist der erste Schritt hin zum Gehorsam gegenüber der Autorität Gottes. WABT 126 3 Die Geringschätzung, die Gottes Gesetz erfährt - selbst von Geistlichen -, hat viel Schlimmes verursacht. Die weitverbreitete Lehre, dass Gottes Gebote für die Menschen heute nicht mehr verbindlich seien, hat die gleiche Auswirkung auf die Moral der Leute wie der Götzendienst damals. Wer die Forderungen des göttlichen Gesetzes herabmindert, untergräbt die Grundlage der Ordnung in Familie und Volk. Religiöse Eltern, die Gottes Gebote selbst nicht wirklich befolgen, weisen auch ihre Familie nicht an, auf den Wegen des Herrn zu wandeln. Gottes Gesetz wird auf diese Weise nicht zur Lebensregel. Wenn die Nachkommen dann ihre eigenen Familien gründen, fühlen sie keine Verpflichtung, ihren Kindern etwas beizubringen, was sie selbst nie gelernt haben. Aus diesem Grund gibt es so viele gottlose Familien. Deshalb ist auch die Verdorbenheit so tief verwurzelt und so weit verbreitet. WABT 127 1 Nur wenn Eltern das Gesetz des Herrn reinen Herzens befolgen, sind sie in der Lage, auch ihren Kindern beizubringen, danach zu leben. Eine Reformation ist in dieser Hinsicht notwendig - eine Erneuerung, die tiefgehend und weitreichend sein muss. Die Eltern müssen sich bessern; Geistliche müssen sich bessern. Sie brauchen Gott in ihren Heimen. Wenn sie erleben wollen, dass sich die Zustände ändern, muss Gottes Wort in den Familien wieder Geltung bekommen und wieder zum Ratgeber werden. Eltern müssen ihren Kindern sagen, dass dieses Wort Gottes Stimme ist, die sich an sie richtet und der sie unbedingt gehorchen müssen. Sie sollten ihre Kinder geduldig unterweisen und sie freundlich, aber unermüdlich lehren, wie man leben muss, um Gott zu gefallen. Kinder aus solchen Familien sind darauf vorbereitet, den Spitzfindigkeiten des Unglaubens zu begegnen. Sie haben die Bibel als Grundlage ihres Glaubens angenommen und besitzen damit ein Fundament, das von keiner hereinbrechenden Woge des Zweifels unterhöhlt werden kann. WABT 127 2 In zu vielen Haushalten wird das Gebet vernachlässigt. Die Eltern meinen, sie hätten keine Zeit für eine Morgen- oder Abendandacht. Sie erübrigen nicht einmal ein paar Minuten, um Gott für seine vielen Segnungen zu danken - für Sonnenschein und Regen, welche die Pflanzenwelt gedeihen lassen, und für den Dienst der Schutzengel im Alltag. Sie haben auch keine Zeit, um Gott um Beistand und Führung und Jesus um seine Gegenwart in ihrem Heim zu bitten. Den einstigen Ochsen oder Pferden gleich geht man ohne einen einzigen Gedanken an Gott an die Arbeit. Und dabei sind die Menschen dem Sohn Gottes so wertvoll, dass er sein Leben gab, um sie zu erlösen, statt sie hoffnungslos verlorengehen zu lassen. Doch sie schätzen seine große Güte kaum mehr als die Tiere, die umkommen. WABT 127 3 Wie die Patriarchen der alten Welt sollten alle, die Gott lieben, dem Herrn einen Altar errichten, wo immer sie ihre Zelte aufschlagen. Wenn es je eine Zeit gab, in der jedes Haus ein Bethaus sein sollte, dann heute. Väter und Mütter sollten oft ihre Gedanken zu Gott erheben, um für sich selbst und ihre Kinder zu beten. Der Vater sollte als Priester der Familie das Morgen- und Abendopfer auf den Altar Gottes legen. Seine Frau und die Kinder sollten sich mit ihm in Gebet und Lobpreis vereinen. In einem solchen Heim weilt Christus gern. WABT 127 4 Von jedem christlichen Zuhause sollte ein heiliges Licht scheinen. Die Liebe sollte sich in entsprechenden Taten äußern. Sie sollte allen familiären Umgang durchdringen und sich in wohlüberlegter Freundlichkeit und in sanfter, selbstloser Höflichkeit zeigen. Es gibt Familien, bei denen nach diesem Grundsatz gelebt wird - Heime, in denen Gott angebetet wird und echte Liebe herrscht. Von ihnen steigen morgens und abends Gebete wie angenehmer Weihrauch zu Gott empor; und seine Gnade und Segnungen sinken auf die Bittenden herab wie der Morgentau. WABT 128 1 Ein gut geführtes christliches Heim ist ein starkes Argument für die Echtheit des christlichen Glaubens - ein Argument, das auch Ungläubige nicht anfechten können. Denn jeder kann erkennen, dass in dieser Familie ein Einfluss am Werk ist, der sich auf die Kinder auswirkt - dass der Gott Abrahams mit ihnen ist. Hätten die Heime der bekennenden Christen die rechte religiöse Prägung, könnten sie einen machtvollen Einfluss zum Guten ausüben. Sie wären in der Tat "das Licht der Welt" (Matthäus 5,14). Der Gott des Himmels richtet an alle treuen Eltern die Worte, die er einst an Abraham gerichtet hat: "Ich habe ihn auserwählt, damit er seine Nachkommen lehrt, nach meinem Willen zu leben und zu tun, was richtig und gerecht ist. Dann werde ich alle meine Versprechen einlösen, die ich ihm gegeben habe." (1. Mose 18,19) ------------------------Kapitel 13 - Die Glaubensprüfung Mit Isaak WABT 129 0 1. Mose 16,1-16; 21,1-13 und 22,1-19. WABT 129 1 Abraham hatte Gottes Zusage, dass ihm ein Sohn geboren werde, angenommen, ohne Fragen zu stellen. Aber er wartete nicht, bis Gott sein Versprechen zu seiner Zeit und auf seine Weise erfüllte. Gott jedoch ließ eine Verzögerung zu, um den Glauben des Patriarchen an seine Macht auf die Probe zu stellen. Abraham bestand die Prüfung nicht. Da Sara es für unmöglich hielt, in ihrem hohen Alter noch ein Kind zur Welt zu bringen, schlug sie Abraham einen Plan vor, durch den Gottes Absicht verwirklicht werden könnte: Abraham sollte eine ihrer Mägde als Zweitfrau nehmen. Die Vielehe war so weit verbreitet, dass man sie nicht mehr für Sünde hielt. Sie war aber dennoch eine Übertretung des Gesetzes Gottes und wirkte sich auf die Heiligkeit und den Frieden der Familie verhängnisvoll aus. Abrahams Ehe mit der Magd Hagar hatte böse Folgen, nicht nur für sein eigenes Heim, sondern auch für spätere Generationen. Streit Zwischen Sara Und Hagar WABT 129 2 Hagar fühlte sich durch ihre neue, ehrenvolle Stellung als Abrahams Frau sehr geschmeichelt. In der Erwartung, die Mutter des großen Volkes zu werden, das von ihm abstammte, wurde sie stolz und überheblich und behandelte ihre Herrin mit Verachtung. Gegenseitige Eifersucht störte nun den Frieden der einst so glücklichen Familie. Immer wieder musste sich Abraham ihre Klagen anhören. Er versuchte vergeblich, die Harmonie in seinem Haushalt wiederherzustellen. Obwohl er Hagar nur auf Saras Drängen hin geheiratet hatte, warf diese ihm nun vor, an diesem Elend schuld zu sein. Sie verlangte die Vertreibung ihrer Rivalin. Aber das lehnte Abraham ab, denn Hagar sollte doch die Mutter seines Kindes werden, von dem er sehnsüchtig hoffte, dass es der verheißene Sohn wird! Hagar war jedoch Saras Magd, und er beließ es dabei, dass sie ihrer Herrin unterstellt war. Aber Hagars Stolz ertrug die harte Behandlung nicht, die sie mit ihrer Anmaßung herausgefordert hatte. "Da behandelte Sarai sie so hart, dass ihr Hagar davonlief." (1. Mose 16,6 EÜ) WABT 130 1 Hagar machte sich auf den Weg in die Wüste. Als sie allein und verlassen an einer Quelle ausruhte, erschien ihr ein Engel des Herrn in menschlicher Gestalt. Er sprach sie an mit "Hagar, Sarais Magd", um sie an ihre Stellung und ihre Pflichten zu erinnern. Dann befahl er: "Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand." (1. Mose 16,8.9) Doch verband er mit dem Tadel auch Worte des Trostes. "Der Herr hat dein Elend erhört. Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können." (1. Mose 16,11.10) Und zur ständigen Erinnerung an seine Barmherzigkeit sollte sie ihr Kind "Ismael" nennen, was "Gott wird hören" bedeutet. Die Geburt Eines Sohnes Von Sara Und Die Folgen WABT 130 2 Als Abraham nahezu 100 Jahre alt war, 10 wiederholte Gott sein Versprechen in Bezug auf einen Sohn. Diesmal verband er damit die Zusicherung, dass der zukünftige Erbe ein Kind von Sara sein werde. Doch Abraham verstand die Zusage immer noch nicht. Sofort richteten sich seine Gedanken auf Ismael, denn er hing an dem Glauben, dass Gott seine gnädige Absicht durch ihn erfüllen würde. Aus Liebe zu seinem Sohn rief er: "Ach, dass Ismael möchte leben bleiben vor dir!" Da wiederholte Gott seine Zusage in eindeutigen Worten: "Nein, Sara, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären, den sollst du Isaak nennen, und mit ihm will ich meinen ewigen Bund aufrichten." Andererseits ließ Gott auch die Bitte Abrahams nicht ohne Antwort: "Und für Ismael habe ich dich auch erhört. Siehe, ich habe ihn gesegnet ... und ich will ihn zum großen Volk machen." (1. Mose 17,18-20) WABT 130 3 Die Geburt Isaaks war die Erfüllung der sehnlichsten Hoffnung von Abraham und Sara, auf die sie fast ihr ganzes Leben lang gewartet hatten. In ihren Zelten herrschte große Freude. Für Hagar dagegen bedeutete es das Ende ihrer lange gehegten ehrgeizigen Pläne. Ismael, nun ein Jugendlicher, galt bei allen im Zeltlager als Abrahams Erbe. Ihm würden einmal alle Reichtü- mer und Segnungen gehören, die dessen Nachkommen zugesagt waren. Nun aber wurde er plötzlich zur Seite geschoben. In ihrer Enttäuschung hassten Mutter und Sohn das Kind von Sara. Die allseitige Freude steigerte noch ihre Eifersucht, sodass Ismael es wagte, den so lange angekündigten Erben öffentlich zu verspotten. Sara sah in Ismaels Aufsässigkeit eine ständige Quelle von Zwietracht. Sie wandte sich an Abraham und bat ihn dringend, Hagar und Ismael aus dem Lager zu verbannen. WABT 131 1 Das brachte den Patriarchen in arge Bedrängnis. Wie konnte er Ismael verstoßen, seinen noch immer geliebten Sohn? In seiner Not flehte er um göttliche Führung. Da befahl ihm Gott durch einen heiligen Engel, dem Wunsch Saras nachzugeben. Seine Liebe zu Ismael oder Hagar dürfe dem Familienglück nicht im Wege stehen, denn nur auf diese Weise könne die Eintracht wiederhergestellt werden. Der Engel gab ihm gleichzeitig das tröstliche Versprechen, dass Ismael trotz der Vertreibung aus seinem Vaterhaus von Gott nicht verlassen werde. Er solle am Leben bleiben und der Vater eines großen Volkes werden. Abraham gehorchte den Worten des Engels, aber nicht ohne tiefen Schmerz. Schweren Herzens und unsäglich traurig schickte er Hagar und seinen Sohn fort. WABT 131 2 Diese Anweisung, die Abraham hinsichtlich der Heiligkeit des Ehebundes erhielt, sollte für alle Zeiten eine Lehre sein. Sie besagt, dass Rechte und Glück der Ehebeziehung sorgfältig gehütet werden sollten, selbst wenn es große Opfer erfordert. Sara war die einzige rechtmäßige Frau Abrahams. Ihre Rechte als Gattin und Mutter durfte ihr niemand streitig machen. Sie hatte große Achtung vor ihrem Mann, und deshalb wird sie im Neuen Testament als ein würdiges Vorbild hingestellt (vgl. 1. Petrus 3,6). Sie wollte aber nicht zulassen, dass Abrahams Zuneigung einer anderen Frau zuteil wurde. Gott tadelte sie nicht, als sie die Vertreibung ihrer Rivalin verlangte. Abraham wie auch Sara hatte es an Vertrauen in die Macht Gottes gefehlt, und dieser Fehler hatte zur Ehe Abrahams mit Hagar geführt. Eine Weitere Glaubensprüfung Erforderlich WABT 131 3 Gott hatte Abraham berufen, der Vater aller treuen Gläubigen zu sein, und sein Leben sollte späteren Generationen hinsichtlich des Glaubens als Vorbild dienen. Doch sein Glaube war nicht vollkommen gewesen: Er zeigte mangelndes Vertrauen, als er die Tatsache verheimlichte, dass Sara seine Frau war, und als er Hagar heiratete. Damit Abraham die volle Glaubensreife erreichen konnte, unterzog ihn Gott einer weiteren Prüfung. Sie war härter als alles, was ein Mensch jemals auszuhalten hatte. In einer nächtlichen Vision erhielt er die Anweisung, in das Land Morija aufzubrechen und dort auf einem Berg, den Gott ihm zeigen würde, seinen Sohn als Brandopfer darzubringen. WABT 131 4 Als Abraham diesen Auftrag erhielt, war er bereits 120 Jahre alt. Er war also selbst für seine Zeit ein alter Mann. In jüngeren Jahren hatte es ihm nichts ausgemacht, Anstrengungen auf sich zu nehmen und Gefahren zutrotzen, aber nun war die Begeisterung seiner Jugend verloschen. Wer die Tatkraft des besten Mannesalters besitzt, kann Schwierigkeiten und Anfechtungen mutig begegnen, die in späteren Jahren, wenn sich das Leben dem Ende zuneigt, einem das Herz brechen. Doch in Abrahams Fall hatte Gott die letzte und härteste Prüfung aufgehoben, bis die Last der Jahre schwer auf ihm lag und er sich nach Ruhe von Sorgen und Nöten sehnte. Der Patriarch wohnte in Beerscheba. Er war sehr reich, und die Herrscher des Landes ehrten ihn als mächtigen Fürsten. Auf den Feldern rund um seine Zelte weideten tausende Schafe und Rinder. Auf allen Seiten standen die Zelte seiner Gefolgsleute, in denen hunderte treuer Diener wohnten. Der versprochene Sohn war an seiner Seite zum Mann herangewachsen. Es war, als habe der Himmel mit seinem Segen ein aufopferndes Leben gekrönt, das geduldig an der aufgeschobenen Erfüllung der Hoffnung festhielt. WABT 132 1 Aus Glaubensgehorsam hatte Abraham sein Heimatland, seine Verwandten und die Gräber seiner Vorväter verlassen. Als Fremder hatte er das Land durchzogen, das ihm als Erbteil zugesagt worden war. Er musste lange auf den versprochenen Erben warten. Auf Gottes Anordnung hin hatte er seinen Sohn Ismael weggeschickt. Und jetzt, als der so lange ersehnte Sohn zum Mann wurde und der Patriarch meinte, die Frucht seiner Hoffnungen reifen zu sehen, stand er plötzlich vor einer Prüfung, die schwerer war als alles, was er bisher erlebt hatte. Abrahams Innere Kämpfe WABT 132 2 Der Auftrag Gottes muss das Herz des Vaters geradezu zerrissen haben: "Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer." (1. Mose 22,2) Isaak war das Licht in seinem Zuhause, der Trost seines hohen Alters und vor allem der Erbe des zugesagten Segens. Hätte er diesen Sohn durch Unfall oder Krankheit verloren, würde es ihn bis ins Mark getroffen haben, und der Kummer über den Verlust hätte sein graues Haupt gebeugt. Nun aber wurde ihm geboten, das Blut seines Sohnes mit eigener Hand zu vergießen. Das erschien ihm furchtbar, ja unmöglich! WABT 132 3 Satan war zur Stelle, um ihm einzuflüstern, dass er sich getäuscht haben müsse, denn Gottes Gesetz gebiete doch: "Du sollst nicht töten." (2. Mose 20,13) Gott werde nicht fordern, was er einst verboten hatte! Abraham trat vor sein Zelt, schaute auf zur stillen Helligkeit des wolkenlosen Nachthimmels und rief sich Gottes Zusage, die er beinahe 50 Jahre zuvor erhalten hatte, ins Gedächtnis zurück: Er werde eine so unzählbare Nachkommenschaft haben, wie Sterne am Himmel stehen (vgl. 1. Mose 15,5). Wenn dieses Versprechen durch Isaak erfüllt werden sollte (vgl. 1. Mose 17,21), weshalb müsse er dann getötet werden? Abraham war versucht zu glauben, dass er einer Täuschung erlegen sei. Von Zweifel und Angst überwältigt, beugte er sich zur Erde nieder und betete wie nie zuvor in seinem Leben um eine Bestätigung dieses Befehls, wenn er diese entsetzliche Pflicht wirklich erfüllen musste. Er erinnerte sich an die Engel, die zu ihm gesandt worden waren, um ihm Gottes Absicht mit Sodom zu offenbaren, und ihm auch das Versprechen gaben, dass er diesen Sohn Isaak haben werde (vgl. 1. Mose 18,10.14). Er begab sich zu der Stelle, wo er mehrere Male die himmlischen Boten getroffen hatte. Wie sehr hoffte er, ihnen dort wieder zu begegnen und von ihnen weitere Anweisungen zu erhalten. Doch niemand kam, um ihm seine Last abzunehmen. Finsternis schien ihn zu umgeben. Aber dieses Gebot Gottes klang in seinen Ohren: "Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast." (1. Mose 22,2) Dem musste er gehorchen. Er wagte keinen Aufschub. Der Tag zog herauf, und es war Zeit, sich auf den Weg zu machen. WABT 133 1 Abraham kehrte in sein Zelt zurück und trat an Isaaks Lager, wo dieser in tiefem, ungestörtem Schlaf lag, der Jugendlichen in ihrer Unschuld vorbehalten ist. Einen Augenblick schaute der Vater auf das liebe Gesicht des Sohnes, dann wandte er sich bebend ab. Er ging zu Sara, die ebenfalls schlief. Sollte er sie wecken, damit sie ihr Kind noch einmal umarmen konnte? Sollte er ihr etwas von Gottes Forderung sagen? Wie sehnte er sich danach, ihr sein Herz auszuschütten und diese schreckliche Verantwortung mit ihr zu teilen! Aber die Angst, sie könnte sich ihm in den Weg stellen, hielt ihn davon ab. Isaak war Saras Freude und ganzer Stolz. Ihr Leben war mit dem seinen aufs Engste verbunden. Deshalb wäre es gut möglich, dass sich die Mutterliebe diesem Opfer widersetzte. WABT 133 2 Schließlich weckte Abraham seinen Sohn und berichtete ihm von der Anweisung, auf einem entfernten Berg ein Opfer zu bringen. Isaak hatte seinen Vater oft zu einem der vielen Altäre begleitet, die dieser auf seinen Wanderungen errichtet hatte, um dort anzubeten. Deshalb überraschte ihn diese Aufforderung nicht. Schnell trafen sie die Vorbereitungen für die Reise. Sie legten Holz zurecht, luden es auf den Esel und machten sich mit zwei Knechten auf den Weg. WABT 133 3 Schweigend gingen Vater und Sohn Seite an Seite. Der Patriarch grübelte über sein dunkles Geheimnis nach. Ihm war nicht nach Worten zumute. Seine Gedanken galten der stolzen und liebenden Mutter und dem Tag, an dem er allein zu ihr zurückkehren würde. Nur zu gut wusste er, dass das Messer auch durch ihr Herz dringen würde, wenn es ihrem Sohn das Leben nahm. WABT 134 1 Der Tag - der längste, den Abraham jemals erlebt hatte - neigte sich langsam seinem Ende zu. Während sein Sohn und die beiden jungen Männer schliefen, verbrachte er die Nacht im Gebet. Noch immer hoffte er auf einen Boten vom Himmel, der ihm zurufen würde, dass es genug sei und Isaak unversehrt zu seiner Mutter zurückkehren dürfe. Aber seiner zermarterten Seele blieb jede Erleichterung versagt. Ein weiterer langer Tag und eine weitere Nacht in demütigem Gebet folgten, während der Befehl, der ihn kinderlos machen würde, immer in seinen Ohren klang. Satan machte sich an ihn heran, um ihm Zweifel und Unglauben einzuflüstern, aber Abraham widerstand der Versuchung. Als sie am dritten Tag aufbrechen wollten, schaute er nach Norden und erblickte das versprochene Zeichen: Eine Wolke der Herrlichkeit schwebte über dem Berg Morija. Nun war er sich sicher, dass die Stimme, die zu ihm gesprochen hatte, vom Himmel gekommen war. WABT 134 2 Auch jetzt lehnte sich Abraham nicht gegen Gott auf, sondern schöpfte neue Kraft, indem er über die vielen Beweise der Güte und Treue Gottes nachdachte. Dieser Sohn war ihm unerwartet geschenkt worden. Hatte der, der ihm diese kostbare Gabe verlieh, nicht das Recht, sein Eigentum zurückzufordern? Dann klammerte er sich voll Vertrauen an die Zusage: "Nach Isaak soll dein Geschlecht benannt werden." (1. Mose 21,12) Seine Nachkommen sollten so zahllos werden wie der Sand am Meer. Isaaks Geburt war ein Wunder gewesen. Könnte da die Macht, die ihm das Leben schenkte, es ihm nicht wieder zurückgeben? Als er über das Sichtbare hinaus schaute, begriff er das Wort: "Gott kann auch von den Toten erwecken." (Hebräer 11,19) WABT 134 3 Niemand außer Gott konnte verstehen, wie groß das Opfer dieses Vaters war, der seinen Sohn töten sollte. Abraham hatte den Wunsch, dass niemand außer Gott die Abschiedsszene miterleben sollte. Deshalb befahl er seinen Knechten zurückzubleiben: "Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen." (1. Mose 22,5) Das Holz wurde Isaak, der das Opfer werden sollte, aufgebürdet. Der Vater nahm Messer und Feuer. Dann stiegen sie miteinander auf den Gipfel des Berges. Der junge Mann fragte sich dabei im Stillen, woher denn - so weit von Hürden und Herden entfernt - das Opfertier kommen sollte. "Mein Vater!", sagte er schließlich. "Hier bin ich, mein Sohn", antwortete Abraham. Wie doch die rührenden Worte "mein Vater" ihm ins Herz schnitten! "Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?" (1. Mose 22,7) Was für eine Prüfung! Noch nicht - nein, er konnte es ihm noch immer nicht sagen. Er antwortete ihm: "Gott wird schon für ein Opferlamm sorgen!" (1. Mose 22,8 GNB) WABT 135 1 Am vorgesehenen Platz bauten sie den Altar und legten das Holz darauf. Dann enthüllte Abraham mit zitternder Stimme seinem Sohn, was Gott ihm befohlen hatte. Mit Schrecken und Verwunderung vernahm Isaak sein Schicksal, aber er leistete keinen Widerstand. Eine Flucht wäre ihm jederzeit möglich gewesen, wenn er das gewollt hätte. Der gramgebeugte alte Mann, erschöpft von den inneren Kämpfen der letzten drei Tage, hätte dem Willen dieses kräftigen Jugendlichen nichts entgegensetzen können. Aber Isaak war von Kindheit an dazu erzogen worden, bereitwillig und vertrauensvoll zu gehorchen. Als ihm nun sein Vater Gottes Absicht offenbarte, fügte er sich willig und gehorsam. Er teilte Abrahams Vertrauen zu Gott und hielt es für eine Ehre, dazu berufen zu sein, Gott sein Leben als Opfer darzubringen. Einfühlsam versuchte er, den Kummer seines Vaters zu lindern, und half sogar den schwachen Händen, die Stricke zu binden, die ihn selbst an den Altar fesselten. Eine Grosse Glaubenstat WABT 135 2 Nun wurden die letzten liebevollen Worte gesprochen, die letzten Tränen geweint, die letzten Umarmungen vollzogen. Der Vater hob das Messer, um seinen Sohn zu töten. Da wurde sein Arm plötzlich zurückgehalten. Ein Engel Gottes rief dem Patriarchen vom Himmel zu: "Abraham! Abraham!" Schnell antwortete er: "Hier bin ich!" Erneut hörte er die Stimme: "Halt ein! Tu dem Jungen nichts zuleide! Jetzt weiß ich, dass du Gott gehorchst. Du warst bereit, mir sogar deinen einzigen Sohn zu opfern." (1. Mose 22,11.12 GNB) "Abraham erhob seine Augen und sah, und siehe, da war ein Widder hinten im Gestrüpp an seinen Hörnern festgehalten." Rasch brachte er das neue Opfer herbei und opferte es "an seines Sohnes statt". In seiner Freude und Dankbarkeit gab Abraham dem heiligen Ort einen neuen Namen: Jahwe- Jireh, d.h.: "der Herr wird ersehen" (1. Mose 22,13.14 Elb.). WABT 135 3 Auf dem Berg Morija erneuerte Gott seinen Bund mit Abraham und bekräftigte mit einem feierlichen Eid den Segen, den er Abraham und allen zukünftigen Generationen seiner Nachkommen zugesagt hatte: "Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der Herr: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast." (1. Mose 22,16-18) WABT 135 4 Abrahams große Glaubenstat ist ein leuchtendes Vorbild. Sie hat den Weg der Diener Gottes in allen folgenden Jahrhunderten erleuchtet. Abraham suchte nicht nach Entschuldigungen, um Gottes Willen nicht ausführen zu müssen. Während des dreitägigen Hinwegs hatte er genügend Zeit, um Argumente zu finden oder an Gott zu zweifeln, wenn er zum Zweifeln geneigt hätte. Er hätte zum Schluss kommen können, dass man ihn nach der Opferung seines Sohnes als Mörder ansehen würde, als einen zweiten Kain. Man würde dann gewiss seine religiösen Lehren verachten und verwerfen. Somit würde er seine Fähigkeit verlieren, seinen Mitmenschen Gutes zu tun. Er hätte darum flehen können, aufgrund seines hohen Alters vom Gehorsam entbunden zu werden. Aber der Patriarch flüchtete sich zu keiner dieser Ausreden. Abraham war ein Mensch und besaß die gleichen Empfindungen und Neigungen wie wir. Aber er hielt sich nicht mit der Frage auf, wie Gottes Zusage nach Isaaks Opferung erfüllt werden sollte. Abraham versuchte auch nicht, sich mit seinem schmerzenden Herzen auseinanderzusetzen. Er wusste, dass alle Forderungen Gottes gerecht und richtig sind, und gehorchte dem Gebot aufs Wort. WABT 136 1 "Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden, und er wurde ein Freund Gottes genannt." (Jakobus 2,23) Und Paulus schrieb: "Die aus dem Glauben sind, das sind Abrahams Kinder." (Galater 3,7) Aber Abrahams Glaube bekundete sich in seinen Taten. "Ist nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerecht geworden, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte? Da siehst du, dass der Glaube zusammengewirkt hat mit seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden." (Jakobus 2,21.22) Viele verstehen das Verhältnis von Glaube und Werken nicht. Sie sagen: Glaube nur an Christus, und du bist gerettet. Um die Einhaltung des Gesetzes brauchst du dich nicht zu kümmern. Aber echter Glaube zeigt sich im Gehorsam. Christus sagte zu den Juden, die nicht an ihn glaubten: "Wenn ihr Abrahams Kinder wärt, so tätet ihr Abrahams Werke." (Johannes 8,39) Und über den Glaubensvater sagte Gott: Dass er "meiner Stimme gehorsam gewesen ist und gehalten hat meine Rechte, meine Gebote, meine Weisungen und mein Gesetz" (1. Mose 26,5). Der Apostel Jakobus schrieb: "So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber." (Jakobus 2,17) Johannes, der die Liebe so nachdrücklich betont hat, sagt uns: "Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten." (1. Johannes 5,3) Der Tiefere Sinn Der Opferung Isaaks WABT 136 2 Durch Vorbilder und Zusagen hat Gott "Abraham im Voraus die gute Nachricht verkündet" (Galater 3,8 GNB). Der Glaube des Patriarchen war auf den kommenden Erlöser ausgerichtet. Christus sagte zu den Juden: "Abraham, euer Vater, wurde froh, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich." (Johannes 8,56) Der Widder, der anstelle Isaaks als Opfer dargebracht wurde, war ein Sinnbild für den Sohn Gottes, der für uns geopfert werden sollte. Als der Mensch dem Tod verfallen war, weil er Gottes Gesetz übertreten hatte, schaute der Vater auf seinen Sohn und sagte zum Sünder: Lebe! "Ich habe ein Lösegeld gefunden." (Hiob 33,24b) WABT 137 1 Um Abraham mit der Wirklichkeit des Evangeliums vertraut zu machen und ebenso um seinen Glauben zu prüfen, befahl ihm Gott, seinen Sohn zu opfern. Die große Seelenqual, die Abraham in den dunklen Tagen dieser furchtbaren Prüfung aushalten musste, ließ Gott zu, um dem Patriarchen aus eigener Erfahrung zu einem besseren Verständnis der Größe des Opfers zu verhelfen, das der unendliche Gott für die Erlösung der Menschheit darbringen wollte. Keine andere Prüfung hätte Abraham mehr Seelenqual verursacht als die Opferung seines Sohnes. Gott lieferte seinen einzigen Sohn einem schmachvollen und schändlichen Tod aus. Die Engel, die Zeugen der Erniedrigung und der Seelenqual des Gottessohnes wurden, durften nicht eingreifen wie bei Isaak. Da war keine Stimme zu hören, die rief: Es ist genug! Um die in Sünde gefallene Menschheit zu retten, ließ der König der Herrlichkeit sein Leben. Konnte es einen stärkeren Beweis für die unendliche Liebe und Barmherzigkeit Gottes geben? "Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?" (Römer 8,32) WABT 137 2 Das Opfer, das von Abraham verlangt wurde, war nicht nur für ihn selbst und für kommende Generationen von Nutzen, sondern diente auch als Lehre für die sündlosen Bewohner des Himmels und anderer Welten. Der Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Christus und Satan - das Kampffeld, auf dem der Erlösungsplan verwirklicht wird - ist das Lehrbuch für das Universum. Weil Abraham mangelndes Vertrauen in Gottes Verheißung gezeigt hatte, beschuldigte ihn Satan vor Gott und den Engeln, er habe die Bedingungen des Bundes nicht eingehalten und sei deshalb nicht würdig, dessen Segnungen zu genießen. Daher wollte Gott die Treue seines Knechtes vor dem ganzen Himmel beweisen und zeigen, dass er nur vollkommenen Gehorsam annehmen kann. Er wollte allen den Erlösungsplan besser verständlich machen. Die Himmelsbewohner waren Zeugen, als Abrahams Glaube und Isaaks Ergebenheit auf die Probe gestellt wurden. Diese Prüfung war weit schwerer als jene, die Adam zu bestehen hatte. Das Verbot, das unseren ersten Eltern auferlegt wurde, war mit keinen Leiden verbunden. Das Gebot an Abraham hingegen verlangte das qualvollste Opfer. Der ganze Himmel schaute mit Staunen und Bewunderung auf Abrahams unbeirrbaren Gehorsam und zollte seiner Treue Anerkennung. Satans Anschuldigungen waren damit widerlegt. Gott bestätigte seinem Diener: "Jetzt weiß ich, dass du Gott gehorchst" - entgegen den Anschuldigungen Satans. "Du warst bereit, mir sogar deinen einzigen Sohn zu opfern." (1. Mose 22,12 GNB) Auf diese Weise machte der Bund, den Gott Abraham vor den Wesen anderer Welten mit einem Eid bestätigt hatte (vgl. 1. Mose 22,16; 26,3a), eines klar: Gehorsam wird von Gott belohnt werden. WABT 138 1 Selbst die Engel konnten das Geheimnis der Erlösung nur schwer begreifen. Sie verstanden nicht wirklich, dass der Befehlshaber des Himmels, Gottes Sohn, für die schuldigen Menschen sterben musste. Als Gott Abraham gebot, seinen Sohn zu opfern, zog dieser Auftrag das Interesse aller himmlischen Wesen auf sich. Mit tiefem Ernst beobachteten sie jeden Schritt, den Abraham ging, um diesem Befehl nachzukommen. Auf Isaaks Frage "Wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?" antwortete Abraham: "Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer." (1. Mose 22,7.8) Als die Hand des Patriarchen festgehalten wurde, als er gerade im Begriff stand, seinen Sohn zu töten, und der Widder, für den Gott gesorgt hatte, an dessen Stelle geopfert wurde, fiel weiteres Licht auf das Geheimnis der Erlösung. Nun verstanden sogar die Engel den wunderbaren Plan, den Gott zur Rettung der Menschheit vorgesehen hatte, besser (vgl. 1. Petrus 1,12b). ------------------------Kapitel 14 - Die Vernichtung Von Sodom WABT 139 0 1. Mose 19. WABT 139 1 Sodom war die schönste unter den Städten im Jordantal. Sie lag in einer Ebene, die wegen ihrer Fruchtbarkeit und Anmut aussah "wie der Garten des Herrn" (1. Mose 13,10). Hier gedieh die üppige Pflanzenwelt der Tropen. Hier waren Palme, Ölbaum und Weinstock zu Hause. Das ganze Jahr über verbreiteten die Blumen ihren Duft. Die Felder brachten reiche Ernten, und auf den umliegenden Hügeln weideten Rinder und Schafe. Auch Kunsthandwerk und Handel trugen zum Reichtum der stolzen Stadt bei. Schätze aus dem Osten schmückten ihre Paläste, und Wüstenkarawanen brachten eine Fülle von Kostbarkeiten auf die Märkte der Stadt. Ohne viel nachzudenken und ohne große Mühe konnte man jeden Bedarf decken. Und das ganze Jahr über folgte eine Festlichkeit auf die andere. WABT 139 2 Der überall herrschende Überfluss führte zu Luxus und Stolz. Müßiggang und Reichtum machen Menschen, die nie Mangel gelitten haben oder mit Sorgen beladen waren, hartherzig. Die Liebe zum Vergnügen wurde in Sodom durch Reichtum und Freizeit gefördert, und die Menschen gaben sich ganz den sinnlichen Genüssen hin. "Siehe, das war die Schuld deiner Schwester Sodom", sagte der Prophet Hesekiel. "Hoffart und alles in Fülle und sichere Ruhe hatte sie mit ihren Töchtern; aber dem Armen und Elenden halfen sie nicht, sondern waren stolz und taten Gräuel vor mir. Darum habe ich sie auch hinweggetan, wie du gesehen hast." (Hesekiel 16,49.50) Nichts begehren Menschen mehr als Reichtum und Freizeit. Doch hatten diese Dinge damals Sünden zur Folge, die die Vernichtung dieser Städte in der Ebene bewirkten. Das sinnlose, faule Leben ihrer Bewohner machte sie zur leichten Beute Satans und verzerrte ihr Bild von Gott, sodass sie mehr Satan als Gott glichen. Müßiggang ist der größte Fluch, der einen Menschen treffen kann, denn er zieht Laster und Verbrechen nach sich. Er schwächt den Geist, verdirbt das Denken und erniedrigt die Seele. Satan liegt ständig auf der Lauer und ist bereit, jeden zu vernichten, der nicht auf der Hut ist. Die viele Freizeit bietet Satan die Möglichkeit, sich durch geschickte Verstellung bei den Menschen einzuschleichen. Nie hat er mehr Erfolg, als wenn er sie beim Nichtstun aufsucht. WABT 140 1 In Sodom herrschten fröhliche Ausgelassenheit und Lustbarkeiten, Gelage und Trunkenheit. Ungehemmt gaben sich die Menschen den abscheulichsten und widerlichsten Lüsten hin. Sie verachteten offen Gott und sein Gesetz und hatten Gefallen an Gewalttaten. Obwohl ihnen das Beispiel der vorsintflutlichen Welt vor Augen stand und sie wussten, dass Gottes Zorn deren Vernichtung herbeigeführt hatte, schlugen sie dennoch den gleichen gottlosen Weg ein. WABT 140 2 Als Lot nach Sodom zog, war die Verdorbenheit noch nicht allgemein verbreitet. Aus Gnade ließ Gott noch einige Lichtstrahlen in die sittliche Finsternis fallen. Als Abraham die Gefangenen aus der Hand der Elamiter befreite, wurde die Aufmerksamkeit der Leute auf den wahren Glauben gerichtet. Abraham war schon vorher bei den Bewohnern von Sodom bekannt gewesen. Seine Verehrung des unsichtbaren Gottes gab Anlass zu Spott. Aber sein Sieg über eine Übermacht an Streitkräften, seine großherzige Behandlung der befreiten Gefangenen sowie seine freigebige Verteilung der Beute riefen Staunen und Bewunderung hervor. Als man sein Geschick und seine Tapferkeit rühmte, konnte sich niemand der Einsicht erwehren, dass ihn eine göttliche Macht zum Sieg geführt hatte. Auch Abrahams edler und selbstloser Geist, der den ichbezogenen Einwohnern von Sodom so völlig fremd war, stellte die Überlegenheit seines Glaubens unter Beweis, dem er durch seinen Mut und seine Treue Ehre erwiesen hatte. WABT 140 3 Als Melchisedek Abraham segnete, hatte er Jahwe als Quelle der Kraft und als Urheber des Sieges bezeichnet: "Gesegnet seist du, Abram, vom höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott, der Höchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat." (1. Mose 14,19.20) Durch seine Fürsorge hatte Gott noch einmal zu den Bewohnern der Gegend gesprochen. Doch dieser letzte Lichtstrahl wurde genauso verworfen wie alle vorhergegangenen auch. Ihre Bosheit Wird Den Einwohnern Von Sodom Zum Verhängnis WABT 140 4 Nun nahte Sodoms letzte Nacht. Schon warfen die Wolken der Vergeltung ihre Schatten über die Stadt, die dem Untergang geweiht war. Aber die Menschen merkten nichts davon. Während sich schon Engel mit ihrem zerstörerischen Auftrag der Stadt näherten, träumten ihre Bewohner noch immer von Wohlstand und Vergnügen. Der letzte Tag verlief wie alle anderen auch. Nun senkte sich der Abend auf dieses Bild von Lieblichkeit und Sicherheit. Die Strahlen der untergehenden Sonne fielen auf eine unvergleichlich schöne Landschaft. Die Abendkühle hatte die Bewohner der Stadt hervorgelockt. Die vergnügungshungrigen Massen gingen auf und ab und waren nur auf den Genuss des Augenblicks bedacht. WABT 141 1 In der Abenddämmerung nahten sich dem Stadttor zwei Fremde. Es waren anscheinend Reisende, die über Nacht bleiben wollten. In diesen unauffälligen Wanderern vermutete niemand die mächtigen Boten des göttlichen Gerichts. Den fröhlichen und sorglosen Bewohnern Sodoms fiel nicht im Traum ein, dass sie durch ihr Verhalten gegenüber diesen himmlischen Boten in dieser Nacht das Maß ihrer Schuld voll machen und ihre stolze Stadt ins Verderben stürzen würden. Ein einziger Mann nur erwies den Fremden freundliche Aufmerksamkeit und lud sie zu sich in sein Haus ein. Lot wusste nicht, wer sie wirklich waren, aber er war es gewohnt, höflich und gastfrei zu sein. Das gehörte zu seinem Glauben - Lehren, die er aus dem Beispiel Abrahams gezogen hatte. Wäre diese höfliche Einstellung für ihn nicht selbstverständlich gewesen, wäre er vielleicht mit den anderen Bewohnern von Sodom umgekommen. So manche Familie, deren Tür Fremden verschlossen blieb, hat damit Gottes Boten abgewiesen, die Segen, Hoffnung und Frieden in ihr Haus gebracht hätten. WABT 141 2 Jede Tat im Leben - und sei sie noch so geringfügig - wirkt sich zum Guten oder zum Bösen aus. Gewissenhaftigkeit oder Nachlässigkeit in den scheinbar geringsten Pflichten kann das Tor zu reichem Segen oder großem Unglück aufstoßen. Gerade die kleinen Dinge prüfen den Charakter. Auf den täglichen, Selbstverleugnung erfordernden Verrichtungen, die nicht vorgetäuscht sind und mit einer freudigen und willigen Einstellung ausgeführt werden, ruht Gottes Wohlgefallen. Wir sollen nicht für uns selbst, sondern für andere leben. Nur durch Selbstvergessenheit und eine Gesinnung der Liebe und Hilfsbereitschaft kann unser Leben ein Segen sein. Kleine Aufmerksamkeiten und Gefälligkeiten tragen viel zum Lebensglück bei. Wenn man sie jedoch vernachlässigt, vermehrt das ganz wesentlich das menschliche Elend. WABT 141 3 Da Lot beobachtet hatte, was für einem Missbrauch Fremde in Sodom ausgesetzt waren, hielt er es für seine Pflicht, sie bei ihrer Ankunft unter seinen Schutz zu nehmen, indem er ihnen seine Gastfreundschaft anbot. Als sich dieses Mal Reisende näherten, saß er am Tor. Sobald er sie bemerkte, stand er auf und ging ihnen entgegen, verneigte sich höflich vor ihnen und sagte: "Siehe, liebe Herren, kehrt doch ein im Hause eures Knechts und bleibt über Nacht." Sie verhielten sich so, als wollten sie seine Einladung ablehnen, und sagten: "Nein, wir wollen über Nacht im Freien bleiben." (1. Mose 19,2) Mit dieser Antwort verfolgten sie eine zweifache Absicht: Sie wollten zum einen Lots Aufrichtigkeit prüfen, zum anderen aber bezüglich des Charakters der Männer von Sodom ahnungslos erscheinen. Ihre Worte klangen, als ob sie meinten, ohne Gefahr nachts auf der Straße bleiben zu können. Ihre Antwort machte Lot noch entschlossener, sie nicht der Gewalt des Pöbels auszusetzen. Er drängte sie, seine Einladung anzunehmen. Schließlich gaben sie nach und folgten ihm in sein Haus. WABT 142 1 Er hatte gehofft, seine Absicht vor den Müßiggängern am Tor verheimlichen zu können, indem er die Fremden auf einem Umweg zu seinem Haus führte. Doch ihr Zögern und Zaudern und sein inständiges Drängen erregten deren Aufmerksamkeit. Sie hatten sich noch nicht zur Ruhe gelegt, als sich schon ein zügelloser Haufen um das Haus scharte. Es war eine große Menge, junge und alte Männer, alle von den niedrigsten Leidenschaften getrieben. Die Fremden hatten sich nach dem Charakter der Bevölkerung in dieser Stadt erkundigt, und Lot hatte sie davor gewarnt, sich während der Nacht nach draußen zu wagen. Schon konnte man das Grölen und Johlen der Menge hören, die verlangte, ihnen die Männer auszuliefern. WABT 142 2 Lot wusste, dass diese Leute mit Leichtigkeit in sein Haus eindringen konnten, wenn sie sich erst einmal zur Gewalt herausgefordert sahen. Deshalb ging er hinaus und versuchte, sie zu überreden. "Meine Brüder", rief er, "begeht doch nicht ein solches Verbrechen!" (1. Mose 19,7 GNB) Er gebrauchte den Ausdruck "Brüder" im Sinne von "Nachbarn", weil er hoffte, sie damit versöhnlich stimmen und wegen ihrer niederträchtigen Absichten beschämen zu können. Aber seine Worte wirkten wie Öl, das ins Feuer gegossen wird. Ihre Wut steigerte sich zu einem heulenden Orkan. Sie spotteten, Lot wolle sich wohl zum Richter über sie aufspielen, und drohten sogar, es mit ihm noch schlimmer zu treiben, als sie es mit seinen Gästen vorhatten. Sie stürzten sich auf ihn und hätten ihn in Stücke gerissen, wenn ihm die Engel Gottes nicht zu Hilfe gekommen wären. "Doch als sie hinzuliefen und die Tür aufbrechen wollten, griffen die Männer hinaus und zogen Lot herein zu sich ins Haus und schlossen die Tür zu." (1. Mose 19,9.10) WABT 142 3 Die folgenden Ereignisse offenbarten den wahren Charakter der Gäste, die er aufgenommen hatte: "Sie schlugen die Leute vor der Tür des Hauses, Klein und Groß, mit Blindheit, sodass sie es aufgaben, die Tür zu finden." (1. Mose 19, 11) Wären sie nicht mit doppelter Blindheit geschlagen und wären ihre Herzen nicht verhärtet gewesen, hätte Gottes Eingreifen sie das Fürchten gelehrt und sie von ihrem bösen Vorhaben abgebracht. In dieser letzten Nacht geschahen keine größeren Sünden als in vielen Nächten zuvor. Aber Gottes Gnade, die so lange verachtet worden war, hatte schließlich zu flehen aufgehört. Die Bewohner von Sodom hatten die Grenze der göttlichen Langmut überschritten - die unsichtbare Linie zwischen Gottes Geduld und seinem Zorn. Nun stand er im Begriff, sein Feuer der Vergeltung im Tal Sid- dim zu entzünden. WABT 143 1 Jetzt offenbarten die Engel Lot den Zweck ihrer Mission: "Denn wir werden die Stadt dem Erdboden gleichmachen. Schwere Klagen über diesen Ort sind vor den Herrn gekommen, und er hat uns beauftragt, ihn zu vernichten." (1. Mose 19,13 NLB) Lot hatte die Fremden beschützen wollen. Nun versprachen sie, ihn und alle seine Familienangehörigen, die mit ihm aus der gottlosen Stadt fliehen wollten, zu retten. Die Männer draußen waren - der Sache überdrüssig - abgezogen. Lot konnte zu seinen Kindern gehen, um sie zu warnen. Er wiederholte, was ihm die Engel gesagt hatten: "Schnell, verlasst die Stadt! Denn der Herr wird sie zerstören." (1. Mose 19,14 NLB) Aber er kam ihnen vor wie einer, der sich einen Scherz erlaubt. Sie lachten über seine abergläubische Angst. Seine Töchter standen unter dem Einfluss ihrer Ehemänner. Ihnen ging es doch gut, wo sie waren. Sie konnten keine Anzeichen einer Gefahr erkennen; alles war wie bisher. Sie hatten große Besitztümer und konnten es einfach nicht glauben, dass das schöne Sodom zerstört werden sollte. Die Engel Drängen Zur Flucht WABT 143 2 Bedrückt kehrte Lot nach Hause zurück und berichtete von seinem Misserfolg. Darauf geboten ihm die Engel, mit seiner Frau und den beiden Töchtern, die noch bei ihnen lebten, die Stadt zu verlassen. Aber Lot zögerte. Wohl musste er täglich Gewalttaten mit ansehen und war auch darüber betrübt, aber trotzdem besaß er keine rechte Vorstellung von den entwürdigenden und abscheulichen Schandtaten, die in dieser lasterhaften Stadt verübt wurden. Er begriff nicht, dass hier die schreckliche Notwendigkeit vorlag, der Sünde durch ein Gottesgericht Einhalt zu gebieten. Einige seiner Kinder hingen an Sodom, und seine Frau weigerte sich, ohne sie zu gehen. Der Gedanke, diejenigen zurücklassen zu müssen, die ihm das Liebste auf Erden waren, erschien Lot unerträglich. Außerdem fiel es ihm schwer, sein luxuriöses Zuhause und all den Reichtum, den er sich im Laufe seines Lebens erarbeitet hatte, aufzugeben. Sollte er wirklich als mittelloser Wanderer fortziehen? Von Kummer betäubt, zögerte er noch immer und konnte sich nicht zum Aufbruch entschließen. Wären da nicht die Engel gewesen, wären sie alle mit Sodom untergegangen. Doch die himmlischen Boten fassten ihn, seine Frau und die Töchter an der Hand und führten sie aus der Stadt hinaus. WABT 144 1 Dort wurden sie von den Engeln verlassen, die hierauf in die Stadt zurückkehrten, um ihr Vernichtungswerk auszuführen. Ein weiterer Engel kam auf Lot zu - jener, mit dem Abraham verhandelt hatte. In allen Städten der Ebene hatte er nicht einmal zehn gerechte Personen gefunden. Doch als Antwort auf Abrahams Bitten wurde wenigstens der einzige Gottesfürchtige dem Verderben entrissen. Dieser Engel befahl Lot mit einer Heftigkeit, die ihn überraschte: "Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich, bleib auch nicht stehen in dieser ganzen Gegend. Auf das Gebirge rette dich, damit du nicht umkommst!" (1. Mose 19,17) Weiteres Zaudern oder eine Verzögerung wäre nun verhängnisvoll! Ein einziger Blick auf die dem Untergang geweihte Stadt oder ein kurzer Augenblick des Bedauerns, ein so schönes Zuhause verlassen zu müssen, hätte sie das Leben gekostet. Der Sturm des Gottesgerichts wartete nur ab, bis die armen Flüchtlinge in Sicherheit waren. WABT 144 2 Lot war bestürzt und erschüttert und flehte: "Aber ich schaffe es nicht mehr bis ins Gebirge, bevor das Unglück über die Stadt hereinbricht und mich in den Tod reißt." (1. Mose 19,19 NLB) Das Leben in dieser gottlosen Stadt inmitten von Ungläubigen hatte sein Vertrauen verkümmern lassen. Obwohl der Fürst des Lebens neben ihm stand, der ihm bis dahin so viel Fürsorge und Liebe bewiesen hatte, bat Lot um sein Leben, als ob Gott ihn nicht auch weiterhin bewahren würde. Er hätte sich dem Boten des Himmels voll und ganz anvertrauen sollen und seinen Willen und sein Leben ohne Fragen oder Zweifel in die Hände des Herrn legen sollen. Aber wie viele andere wollte er seine Zukunft lieber selbst planen: "Jenes Dorf ist nahe genug, um dorthin zu fliehen. Es ist doch nur klein. Ich will mich dort in Sicherheit bringen. Ist es nicht klein genug, damit ich in ihm am Leben bleiben kann?" (1. Mose 19,20 NLB) Die hier erwähnte Stadt war Bela, die später Zoar genannt wurde und nicht weit von Sodom entfernt lag. Sie war ebenso verdorben und dem Untergang geweiht. Aber Lot bat, sie zu verschonen und ihm doch diese kleine Bitte zu erfüllen. Dieser Wunsch wurde ihm auch gewährt. Der Herr versicherte ihm: "Ich will auch diese Bitte erfüllen und dieses Dorf nicht zerstören." (1. Mose 19,21 NLB) Wie groß ist doch Gottes Barmherzigkeit seinen irrenden Geschöpfen gegenüber! WABT 144 3 Noch einmal wurde Lot dringend aufgefordert, sich zu beeilen, denn der Feuersturm würde nicht länger aufgeschoben werden. Doch eine von den Flüchtenden wagte es, einen Blick zurück auf die untergehende Stadt zu werfen. Lots Frau wurde zur Salzsäule - zu einem Mahnmal des göttlichen Gerichts. Hätte Lot nicht so lange gezögert, der Warnung des Engels zu folgen, und wäre er eilends auf die Berge geflüchtet, ohne Bitten und Einwände vorzubringen, hätte auch seine Frau dem Tod entrinnen können. Durch sein Beispiel hätte er sie beeinflussen und vor dem Vergehen, das ihren Untergang besiegelte, bewahren können. Seine Unschlüssigkeit aber und sein Zögern veranlassten sie, Gottes Warnung auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Ebene lag schon hinter ihr, aber mit ihrem Herzen war sie noch in Sodom und ging auch mit der Stadt zugrunde. Sie hatte sich innerlich gegen Gott aufgelehnt, weil ihre Kinder und ihre Habe dem Untergang preisgegeben wurden. Obwohl sie das große Glück hatte, aus der Stadt herausgerufen zu werden, fühlte sie sich hart behandelt, weil sie ihren in jahrelanger Arbeit angesammelten Reichtum zurücklassen musste. Anstatt dankbar ihre eigene Rettung anzunehmen, schaute sie vermessen zurück. Sie wünschte sich das Leben derjenigen, die Gottes Warnung verworfen hatten. Ihr Vergehen bewies, dass sie des Lebens unwürdig war, für dessen Bewahrung sie so wenig Dankbarkeit empfand. WABT 145 1 Wir sollten uns hüten, Gottes gnadenvolle Vorkehrungen, die er zu unserer Erlösung getroffen hat, geringzuschätzen. Man hört Christen sagen: Ich lege keinen Wert darauf, errettet zu werden, wenn nicht auch mein Mann und meine Kinder selig werden. Sie meinen, der Himmel könne für sie ohne die Anwesenheit ihrer Lieben kein Himmel sein. Haben aber diejenigen, die solche Empfindungen hegen, das richtige Verständnis von ihrer eigenen Beziehung zu Gott, und zwar im Hinblick auf seine große Güte und Gnade, die er ihnen erweist? Haben sie vergessen, dass sie durch die stärksten Bande wie Liebe, Ehrfurcht und Treue verpflichtet sind, ihrem Schöpfer und Erlöser zu dienen? Gott lädt in seiner Gnade alle ein. Sollten wir uns deshalb von ihm abwenden, weil viele unserer Freunde die flehende Liebe des Sohnes Gottes ausschlagen? Die Erlösung ist etwas Wertvolles, denn Christus hat einen unermesslichen Preis dafür bezahlt. Niemand, der dieses große Opfer und den Wert eines Menschen zu schätzen weiß, wird die ihm angebotene Gnade Gottes verschmähen, nur weil andere das tun. Gerade die Tatsache, dass andere seine gerechten Forderungen missachten, müsste uns noch mehr dazu anspornen, Gott zu verehren und alle Menschen unserer Umgebung dafür zu gewinnen, seine Liebe anzunehmen. Der Untergang Sodoms Und Die Lehren Daraus WABT 145 2 "Die Sonne war aufgegangen auf Erden, als Lot nach Zoar kam." (1. Mose 19,23) Die strahlende Morgensonne schien den Städten in der Ebene Frieden und Wohlergehen zu versprechen. In den Straßen regte sich geräuschvolles Treiben. Die Menschen machten sich auf ihren Weg oder gingen ihren verschiedenen Geschäften und Vergnügungen nach. Lots Schwiegersöhne spotteten über die Ängste und Warnungen des schwachsinnigen alten Mannes. Da brach so unerwartet und plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel der Sturm über Sodom herein. Der Herr ließ Feuer und Schwefel vom Himmel auf die Städte und auf die fruchtbare Ebene regnen. Paläste und Tempel, die kostbaren Wohnhäuser, Gärten und Weinberge, die vergnügungssüchtige Einwohnerschaft, die noch in der Nacht zuvor die Himmelsboten beschimpft hatte - alles wurde vom Feuer verzehrt. Der Rauch der Feuersbrunst stieg auf wie der Rauch eines großen Ofens. Das herrliche Tal Siddim wurde verwüstet und zu einem Ort, der nie wieder bebaut und bewohnt werden sollte. Allen Generationen bezeugt er, dass Gottes Gerichte mit unfehlbarer Gewissheit auf die Übertretung seiner Gebote folgen. WABT 146 1 Die Flammen, welche die Städte in dieser Ebene vernichteten, werfen ihr warnendes Licht noch bis in unsere Zeit. Wir ziehen eine ernste und schreckliche Lehre daraus: Obwohl Gottes Gnade den Gesetzesübertreter mit Langmut trägt, gibt es doch eine Grenze, die der Mensch in seinem Sündenwandel nicht überschreiten darf. Wird diese Grenze erreicht, werden die Gnadenangebote zurückgezogen, und das Gericht beginnt. Eine Schwerere Sünde Als Die Sodoms WABT 146 2 Der Erlöser der Welt sagte, dass es schlimmere Sünden gibt als die, derentwegen Sodom und Gomorra zerstört wurden (vgl. Lukas 10,11.12). Wer die Einladung des Evangeliums hört, das die Sünder zur Umkehr ruft, sie aber missachtet, lädt in Gottes Augen größere Schuld auf sich als die Bewohner des Tales Siddim. Und noch schwerer wiegt die Sünde derer, die angeblich Gott kennen und seine Gebote halten, in ihrem Charakter und im täglichen Leben aber Christus verleugnen. Im Licht dieser Warnung ist das Schicksal Sodoms eine ernste Mahnung, die nicht allein denen gilt, die sich offener Sünde schuldig machen, sondern allen, die mit dem vom Himmel gesandten Licht und den verliehenen Vorrechten leichtfertig umgehen. WABT 146 3 Der treue Zeuge sagte zur Gemeinde von Ephesus: "Aber ich habe gegen dich einzuwenden, dass ihr mich und euch einander nicht mehr so liebt wie am Anfang! Erkenne doch, wie weit du dich von deiner ersten Liebe entfernt hast! Kehre wieder zu mir zurück und bemühe dich so, wie du es am Anfang getan hast. Wenn du dich nicht änderst, werde ich kommen und deinen Leuchter von seinem Platz unter den Gemeinden wegnehmen." (Offenbarung 2,4.5 NLB) Der Erlöser wartet darauf, dass wir auf sein Angebot aus Liebe und Vergebung eingehen. Beides gewährt er mit einem Mitgefühl, das zärtlicher ist, als es Eltern für einen eigensinnigen, leidenden Sohn aufbringen können. Er ruft den Irrenden zu: "Bekehrt euch nun zu mir, so will ich mich auch zu euch kehren." (Maleachi 3,7) Wer aber auf seinem Irrweg bleibt und sich ständig weigert, auf die Stimme zu achten, die ihn voller Liebe und Mitleid ruft, wird schließlich in geistlicher Finsternis gelassen. Wer Gottes Erbarmen anhaltend geringschätzt, verstockt sein Herz in Sünde und ist für die Gnade Gottes nicht mehr empfänglich. Schrecklich wird das Ende derer sein, von denen es heißt: Sie haben "sich fremden Göttern verschrieben. Sollen sie machen, was sie wollen!" (Hosea 4,17 Hfa). Es wird den Städten im Tal Siddim am Tag des Gerichts erträglicher gehen als denen, die die Liebe von Christus gekannt, sich aber dennoch für die Freuden einer sündigen Welt entschieden haben. WABT 147 1 Wer Gottes Gnadenangebote missachtet, denke an die lange Liste in den Büchern des Himmels, die gegen ihn spricht. Denn dort wird über die Gottlosigkeit ganzer Völker wie auch der Familien und Einzelpersonen Bericht geführt. Gott mag lange Geduld haben, während die Liste immer länger wird. Er ruft zur Umkehr und Reue auf und bietet Vergebung an. Doch es wird die Zeit kommen, wenn der Bericht abgeschlossen ist, wenn ein Mensch seine endgültige Entscheidung getroffen und sein Schicksal durch seine eigene Wahl festgelegt hat. Dann wird das Zeichen gegeben, dass das Urteil vollstreckt wird. WABT 147 2 Der Zustand der heutigen religiösen Welt ist alarmierend. Man spielt mit der Gnade Gottes. Die meisten halten sein Gesetz für überholt und "lehren solche Lehren, die nichts als Menschengebote sind" (Matthäus 15,9). Auch in kirchlichen Kreisen hat sich die Treulosigkeit durchgesetzt. Allerdings ist es keine Untreue im eigentlichen Sinn - etwa in Form einer offenen Absage an die Bibel -, sondern eine Treulosigkeit, die im christlichen Gewand erscheint, während sie den Glauben an die Heilige Schrift als Offenbarung Gottes untergräbt. Lebendige Frömmigkeit und innige Hingabe sind leeren Formen und Zeremonien gewichen. "Und es wird in der Welt zugehen wie zur Zeit Lots. Genauso wird es sein an dem Tag, an dem der Menschensohn wiederkommt." (Lukas 17,28.30 NLB) Die Wahrheit dieser Worte wird durch die Berichte über Tagesereignisse immer wieder bestätigt. Die Welt wird reif zum Untergang. Bald werden Gottes Gerichte hereinbrechen und Sünde und Sünder vernichtet werden. Unser Erlöser sagte: "Hütet euch aber, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit täglichen Sorgen und dieser Tag nicht plötzlich über euch komme wie ein Fallstrick; denn er wird über alle kommen, die auf der ganzen Erde wohnen", über alle, deren Interessen ausschließlich um irdische Dinge kreisen. "So seid allezeit wach und betet, dass ihr stark werdet, zu entfliehen diesem allen, was geschehen soll, und zu stehen vor dem Menschensohn." (Lukas 21,34-36) WABT 148 1 Vor der Zerstörung Sodoms ließ der Herr Lot die Botschaft ausrichten: "Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich, bleib auch nicht stehen in dieser ganzen Gegend. Auf das Gebirge rette dich, damit du nicht umkommst!" (1. Mose 19,17) Dieselbe warnende Stimme hörten die Jünger von Jesus vor der Zerstörung Jerusalems: "Wenn ihr aber sehen werdet, dass Jerusalem von einem Heer belagert wird, dann erkennt, dass seine Verwüstung nahe herbeigekommen ist. Alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe ins Gebirge." (Lukas 21,20.21) Sie durften nicht länger bleiben, um noch etwas von ihrem Besitz zu retten, sondern mussten rechtzeitig fliehen. WABT 148 2 Das bedeutete eine entschiedene Trennung von den Ungläubigen, eine Flucht, um das Leben zu retten. So war es in den Tagen Noahs, so bei Lot, so bei den Jüngern vor der Zerstörung Jerusalems, und so wird es in den letzten Tagen sein. Noch einmal ist Gottes Warnungsbotschaft zu hören, die sein Volk auffordert, sich von der überhandnehmenden Gottlosigkeit zu trennen. WABT 148 3 Die Verdorbenheit und der Abfall, der zur letzten Zeit in der religiösen Welt vorherrschen wird, wurden Johannes in einem Gesicht vor Augen geführt. Darin sah er Babylon, "die große Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige auf Erden" (Offenbarung 17,18). Vor ihrer Zerstörung wird der Ruf erschallen: "Geht hinaus aus ihr, mein Volk, dass ihr nicht teilhabt an ihren Sünden und nichts empfangt von ihren Plagen!" (Offenbarung 18,4) So wie es in den Tagen von Noah und Lot war, muss es dann auch zu einer klaren Trennung von Sünde und Sündern kommen. Zwischen Gott und der Welt kann es keinen Kompromiss geben, kein Zurück zu irdischen Schätzen. Jesus sagte: "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon." (Matthäus 6,24) WABT 148 4 Wie die Bewohner des Tales Siddim träumen auch heute die Menschen von Glück und Frieden. "Rette dein Leben" (1. Mose 19,17), lautet die Warnung der Engel Gottes. Aber man hört auch andere Stimmen: Regt euch nicht auf, es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Viele rufen: "Friede, es hat keine Gefahr", während Gott sagt, dass den Übertreter das Verderben schnell ereilen wird (1. Thessalonicher 5,3). In der Nacht vor ihrem Untergang schwelgten die Bewohner in den Städten der Ebene in vollen Zügen. Sie lachten über die Ängste und Warnungen des Gottesboten. Aber diese Spötter kamen in den Flammen um. In jener Nacht schloss sich die Gnadentür für die gottlosen, sorglosen Einwohner von Sodom für immer. Gott lässt sich nicht ständig spotten; er lässt nicht mit sich spaßen. "Siehe, des Herrn Tag kommt grausam, zornig, grimmig, die Erde zu verwüsten und die Sünder von ihr zu vertilgen." (Jesaja 13,9) Die große Masse wird Gottes Gnade abweisen. Darum wird das Verderben unabwendbar schnell über sie kommen. Wer aber die Warnung beherzigt, wird "unter dem Schirm des Höchsten" sitzen und "unter dem Schatten des Allmächtigen" bleiben. "Seine Wahrheit ist Schirm und Schild." (Psalm 91,1.4) Ihnen gilt die Zusage: "Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil." (Psalm 91,16) Die Töchter Bringen Schande Über Lot WABT 149 1 Lot wohnte nur kurze Zeit in Zoar. Die Gottlosigkeit war dort ebenso groß wie in Sodom. Er fürchtete sich, dort zu bleiben, weil diese Stadt zerstört werden sollte. Bald darauf wurde Zoar vernichtet, wie Gott es angekündigt hatte. Lot machte sich vorher auf in die Berge und wohnte in einer Höhle. Er hatte nun all seine Habe verloren, für die er es gewagt hatte, seine Familie dem Einfluss einer verrufenen Stadt auszusetzen. Aber selbst dorthin verfolgte ihn noch der Fluch von Sodom. Das sündige Verhalten seiner Töchter war eine Folge des Umgangs mit diesen lasterhaften Bewohnern. Die eine schlug der anderen vor: "Komm, wir machen ihn mit Wein betrunken und schlafen dann mit ihm. So werden wir durch unseren Vater zu Kindern kommen." (1. Mose 19,32 NLB) Ihre Verdorbenheit war so sehr mit ihrem Charakter verwoben, dass sie Gut und Böse nicht mehr unterscheiden konnten. Lots einzige Nachkommenschaft, die Moabiter und Ammoniter, waren lasterhafte, götzendienerische Stämme, Aufrührer gegen Gott und erbitterte Feinde seines Volkes. WABT 149 2 In welchem Unterschied zu Abraham verlief doch das Leben von Lot! Früher waren sie Weggefährten gewesen, hatten an demselben Altar angebetet und in ihren Nomadenzelten nebeneinander gewohnt. Doch welch eine Kluft trennte sie nun voneinander! Lot hatte Sodom wegen dem Vergnügen und aus Eigennutz gewählt. Damit hatte er den Altar von Abraham und das tägliche Opfer zu Ehren des lebendigen Gottes verlassen. Seinen Kindern hatte er erlaubt, mit verderbten Götzenanbetern zusammenzuleben. Doch in seinem Herzen hatte er sich die Gottesfurcht bewahrt, denn die Bibel nennt ihn einen "gerechten" Mann (2. Petrus 2,7a). Sein rechtschaffenes Wesen fühlte sich von den gemeinen Reden gequält, die er sich täglich anhören musste. Die Gewalttaten und Verbrechen, die er nicht verhindern konnte, bedrückten ihn. Er war wie "ein brennendes Holzscheit, [das] aus dem Feuer gerettet" wurde (Sacharja 3,2 GNB). Er hatte Frau und Kinder und seinen Besitz verloren. Nun wohnte er wie die wilden Tiere in Höhlen und wurde noch auf seine alten Tage mit Schande befleckt. Er hinterließ der Welt keine rechtschaffenen Stämme, sondern zwei dem Götzendienst verfallene Völker. Sie waren Gott gegenüber feindlich eingestellt und führten Kriege gegen sein Volk, bis das Maß ihrer Ungerechtigkeit voll war und sie zum Untergang verurteilt wurden. Wie schrecklich waren doch die Folgen, die aus einem einzigen unklugen Schritt entstanden! WABT 150 1 Der weise Salomo sagte: "Bemühe dich nicht, reich zu werden; da spare deine Klugheit!" (Sprüche 23,4) "Wer unrechtem Gewinn nachgeht, zerstört sein Haus; wer aber Bestechung hasst, der wird leben." (Sprüche 15,27) Und der Apostel Paulus schrieb: "Denn die reich werden wollen, fallen in Versuchung und Verstrickung und in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis." (1. Timotheus 6,9) WABT 150 2 Als Lot nach Sodom zog, hatte er die feste Absicht, sich dort von allem Bösen fernzuhalten und seine Familie in diesem Sinn anzuleiten. Aber er scheiterte kläglich. Die verderblichen Einflüsse seiner Umgebung wirkten sich auf seinen Glauben aus. Durch die Verbindung seiner Kinder mit den Einwohnern Sodoms waren auch seine Interessen weitgehend auf die ihren abgestimmt. Die Folgen sind uns bekannt. Was Bei Der Wohnungssuche Zu Bedenken Ist WABT 150 3 Diese Fehler werden immer wieder gemacht. Bei der Wohnungssuche achtet man mehr auf augenblickliche Vorteile als auf sittliche und gesellschaftliche Einflüsse, denen man dort mit seiner Familie ausgesetzt ist. Man hält nach einer schönen Gegend mit fruchtbarem Boden Ausschau oder nach einer blühenden Stadt mit Aussicht auf größeren Wohlstand. Aber die Kinder sind überall Versuchungen unterworfen. Allzu oft gehen sie Freundschaften ein, die für die Entwicklung des Glaubens und die Ausbildung eines guten Charakters schädlich sind. Eine Welt aus lascher Moral, Unglaube und Gleichgültigkeit in religiösen Angelegenheiten wirkt den Einflüssen des Elternhauses entgegen. Die Heranwachsenden kommen ständig mit Beispielen in Berührung, aus denen sie lernen, sich gegen die Autorität Gottes und die der Eltern aufzulehnen. Viele gehen Verbindungen mit treulosen Christen oder Ungläubigen ein und stellen sich schließlich ganz auf die Seite der Feinde Gottes. WABT 150 4 Gott möchte, dass wir bei einer Wohnungssuche vor allem die sittlichen und religiösen Einflüsse bedenken, denen wir uns selbst und unsere Familie in der neuen Umgebung aussetzen. Dabei können wir in eine schwierige Lage geraten, denn viele können sich die Wohngegend nicht aussuchen, in die sie gern ziehen möchten. Aber wohin uns auch die Pflicht rufen mag - Gott wird uns befähigen, rein zu bleiben, wenn wir wachen und beten und uns auf die Gnade, die in Christus ist, verlassen. Allerdings sollten wir uns nicht unnötigerweise Einflüssen aussetzen, die sich nachteilig auf die Entwicklung eines christlichen Charakters auswirken. Wenn wir uns freiwillig in einer weltlichen und ungläubigen Umgebung niederlassen, missfallen wir Gott und vertreiben die Engel aus unserem Haus. WABT 151 1 Wer seinen Kindern weltlichen Reichtum und Ansehen auf Kosten von ewigen Werten sichern will, wird am Ende feststellen, dass diese Vorteile letztlich einen schrecklichen Verlust bedeuten. Wie Lot müssen viele mit ansehen, wie ihre Kinder verdorben werden, und retten mit Mühe die eigene Seele. Ihr Lebenswerk ist dahin, ihr Leben ein trauriger Fehlschlag. Hätten sich diese Eltern von der wahren Weisheit leiten lassen, hätten sie ihren Kindern möglicherweise weniger weltlichen Wohlstand bieten können, aber das Anrecht auf das ewige Erbe wäre ihnen gewiss gewesen. Das Abraham Versprochene Erbe WABT 151 2 Das Erbe, das Gott seinem Volk versprochen hat, befindet sich nicht in dieser Welt. Abraham besaß "kein Eigentum darin, auch nicht einen Fußbreit" (Apostelgeschichte 7,5). Er hatte zwar großen Besitz und gebrauchte ihn auch zur Ehre Gottes und zum Nutzen seiner Mitmenschen, aber er sah diese Erde nicht als seine Heimat an. Der Herr hatte ihm befohlen, seine götzendienerischen Landsleute zu verlassen. Er hatte ihm das Land Kanaan zum ewigen Besitz versprochen. Doch weder er noch sein Sohn noch seine Enkel erhielten es. Als Abraham einen Begräbnisplatz für seine verstorbene Frau brauchte, kaufte er ihn von den Kanaanitern (vgl. 1. Mose 23). Dieses Stück Land in Machpela mit einem Felsengrab in einer Höhle blieb sein einziger Besitz im Land der Verheißung. WABT 151 3 Dennoch, Gottes Wort ist wahrhaftig! Auch als das Volk Israel Kanaan schließlich in Besitz nahm, fand die Verheißung noch keine endgültige Erfüllung. "Abraham aber wurden die Verheißungen zugesagt und seiner Nachkommenschaft." (Galater 3,16a Elb.) Er selbst sollte am Erbe teilhaben. Es mag scheinen, als würde sich die Erfüllung einer Zusage Gottes lange hinauszögern, da "ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag" (2. Petrus 3,8). Sie mag auf sich warten lassen, aber zur bestimmten Zeit wird sie "gewiss kommen und nicht ausbleiben" (Habakuk 2,3). Das Geschenk, das Abraham und seinen Nachkommen versprochen wurde, bezog sich nicht nur auf das Land Kanaan, sondern auf die ganze Welt. Der Apostel Paulus schrieb: "Denn die Verheißung, dass er der Erbe der Welt sein solle, ist Abraham oder seinen Nachkommen nicht zuteil geworden durchs Gesetz, sondern durch die Gerechtigkeit des Glaubens." (Römer 4,13) Und die Bibel lehrt eindeutig, dass die Zusagen, die Abraham erhielt, durch Christus erfüllt werden sollen. Alle, die zu Jesus Christus gehören, sind "Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben" (Galater 3,29). Sie sind berufen "zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe" (1. Petrus 1,4) - das ist die Erde, die einmal vom Fluch der Sünde befreit sein wird. Denn "das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden" (Daniel 7,27), und "die Sanftmütigen werden das Land besitzen und werden ihre Lust haben an Fülle von Heil" (Psalm 37,11; Elb.). WABT 152 1 Gott gewährte Abraham einen Blick auf dieses unvergängliche Erbe, und mit dieser Hoffnung gab sich dieser zufrieden. "Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Land wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist." (Hebräer 11,9.10) WABT 152 2 Von Abrahams Nachkommenschaft steht geschrieben: "Voll Glauben sind diese alle gestorben, ohne das Verheißene erlangt zu haben; nur von fern haben sie es geschaut und gegrüßt und haben bekannt, dass sie Fremde und Gäste auf Erden sind." (Hebräer 11,13 EÜ) Wir müssen hier als Pilger und Fremde leben, wenn wir "nach einem besseren Vaterland, nämlich dem himmlischen" (Hebräer 11,16), Verlangen haben. Wer zu Abrahams Kindern zählt, wartet "auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist" (Hebräer 11,10). ------------------------Kapitel 15 - Eine Frau Für Isaak WABT 153 0 1. Mose 24. WABT 153 1 Abraham war alt geworden und rechnete mit seinem baldigen Tod. Doch für etwas musste er noch sorgen, um sicherzustellen, dass sich die Zusage für seine Nachkommen auch erfüllen konnte. Isaak war zwar der von Gott bestimmte Nachfolger, der Gottes Gesetz bewahren und Vater des erwählten Volkes werden sollte, aber noch immer war er unverheiratet. Die Einwohner Kanaans waren Götzendiener, und Gott hatte seinen Auserwählten verboten, eine Ehe mit ihnen einzugehen, denn er wusste, dass solche Ehen zum Abfall führen. Der Patriarch selbst fürchtete die verderblichen Einflüsse, denen sein Sohn ausgesetzt war. Abrahams fester Glaube an Gott und sein Gehorsam gegenüber Gottes Willen spiegelten sich im Charakter Isaaks wider. Der junge Mann war gefühlsstark und hatte eine sanfte und nachgiebige Natur. In einer Ehe mit einer ungläubigen Frau stünde er in der Gefahr, um des häuslichen Friedens willen in Grundsatzfragen nachzugeben. Die Wahl einer geeigneten Ehefrau für seinen Sohn war deshalb für Abraham von großer Wichtigkeit. Er wollte unbedingt, dass Isaak eine Frau heiratet, die ihn nicht von Gott wegführt. WABT 153 2 Im Altertum wurden Eheverträge im Allgemeinen von den Eltern geschlossen. So war es auch bei denen üblich, die Gott verehrten. Zwar wurde von niemandem verlangt, jemanden zu heiraten, die er oder den sie nicht lieben konnte, aber die jungen Leute wurden von ihren erfahrenen, gläubigen Eltern beraten, wem sie ihre Zuneigung schenken sollten. Man sah es als Entehrung der Eltern an, ja sogar als Vergehen, in dieser Frage anders zu verfahren. Isaak Soll Eine Gläubige Frau Bekommen WABT 153 3 Isaak vertraute der Weisheit und Liebe seines Vaters und war damit zufrieden, dass er ihm die Sache überlassen konnte. Denn er glaubte, dass Gott selbst bei der Wahl lenkend tätig sein werde. Abrahams Gedanken richteten sich auf die Verwandtschaft seines Vaters in Mesopotamien. Obwohl auch sie nicht frei von Götzendienst war, hielt sie doch die Erkenntnis und Verehrung des wahren Gottes hoch. Isaak durfte Kanaan nicht verlassen und sich nicht zu ihnen begeben, aber vielleicht war unter den Verwandten eine passende junge Frau zu finden, die bereit wäre, ihre Heimat zu verlassen und sich mit ihm zu verbinden, um die reine Verehrung des lebendigen Gottes hochzuhalten. WABT 154 1 Mit dieser wichtigen Angelegenheit betraute Abraham Elieser, "seinen ältesten Knecht" (1. Mose 24,2), einen frommen, erfahrenen und urteilsfähigen Mann, der ihm lange treu gedient hatte. Den ließ er vor dem Herrn einen feierlichen Eid ablegen und versprechen, für Isaak keine Frau aus den Kanaanitern zu wählen, sondern ein Mädchen aus der Familie Nahors in Mesopotamien. Er befahl ihm, Isaak nicht dorthin mitzunehmen. Falls sich keine Braut fände, die bereit wäre, ihre Verwandtschaft zu verlassen, sei er von seinem Eid entbunden. Der Patriarch ermutigte ihn in diesem schwierigen und heiklen Unterfangen und versicherte ihm, dass Gott seinen Auftrag mit Erfolg krönen werde. "Der Herr, der Gott des Himmels, der mich von meines Vaters Hause genommen hat und von meiner Heimat ... der wird seinen Engel vor dir her senden" (1. Mose 24,7). WABT 154 2 Der Bote machte sich unverzüglich auf den Weg. Für sich und seine Begleiter sowie für die Braut und ihr Gefolge, das vielleicht mit ihm zurückkehren würde, nahm er zehn Kamele mit. Er packte für die vermutliche Braut und ihre Freundinnen auch Geschenke ein. Dann machte er sich auf die lange Reise nach Damaskus und weiter zu den fruchtbaren Ebenen, die sich bis zum großen Fluss im Osten erstreckten. Als er nach Haran, "der Stadt Nahors", kam (1. Mose 24,10), machte er vor der Stadtmauer Halt. Dort gab es einen Brunnen, aus dem die Frauen des Ortes am Abend Wasser holten. Da überkamen ihn allerhand bange Gedanken. Möglicherweise würden aus der Wahl, die er zu treffen hatte, wichtige Folgen erwachsen - nicht nur für die Familie seines Herrn, sondern auch für zukünftige Generationen. Wie sollte er aber unter Menschen, die ihm völlig fremd waren, eine kluge Wahl treffen? Da erinnerte er sich an Abrahams Worte, dass ihm Gott seinen Engel als Begleiter senden würde. Er betete inbrünstig um Gottes deutliche Führung. Von der Familie seines Herrn her war er an Freundlichkeit und Gastfreiheit gewöhnt. Daher kam ihm der Gedanke, darum zu beten, dass er das Mädchen, das Gott erwählt hatte, an einer höflichen Geste erkennen würde. WABT 154 3 Kaum hatte er sein Gebet beendet, erhielt er schon die Antwort. Unter den Frauen, die sich am Brunnen versammelt hatten, zog eine durch ihr höfliches Verhalten seine Aufmerksamkeit auf sich. Als sie vom Brunnen wegging, trat der Fremde auf sie zu und bat um etwas Wasser aus dem Krug auf ihrer Schulter. Freundlich willigte sie ein und bot ihm sogar an, auch für seine Kamele Wasser zu schöpfen. Diesen Dienst erfüllten üblicherweise selbst Fürstentöchter für die Herden ihrer Väter. Auf diese Weise erhielt Elieser das gewünschte Zeichen. "Das Mädchen war sehr schön von Angesicht" (1. Mose 24,16), und seine höfliche Zuvorkommenheit verriet Herzensgüte und Tatkraft. Bis hierhin war also Gottes Hand mit ihm! Nachdem er sich für die Freundlichkeit der jungen Frau durch stattliche Geschenke erkenntlich gezeigt hatte, fragte er nach ihrer Herkunft. Als er hörte, dass sie die Tochter Bethuels sei, eines Neffen Abrahams, neigte er sich "und betete den Herrn an" (1. Mose 24,26). WABT 155 1 Er hatte um Unterkunft im Haus ihres Vaters gebeten und in seinen Dankesworten von seiner Beziehung zu Abraham berichtet. Zu Hause erzählte das Mädchen, was sich zugetragen hatte. Sofort machte sich ihr Bruder Laban auf den Weg und beeilte sich, dem Fremden und seinen Begleitern die Gastfreundschaft anzubieten. WABT 155 2 Elieser wollte erst etwas essen, nachdem er von seinem Auftrag und seinem Gebet am Brunnen mit allen Begleitumständen zu Ende erzählt hatte. Dann sagte er: "Und nun, wenn ihr Gnade und Treue an meinem Herrn erweisen wollt, so teilt es mir mit; und wenn nicht, so teilt es mir auch mit! Und ich werde mich zur Rechten oder zur Linken wenden." Die Antwort lautete: "Vom Herrn ist die Sache ausgegangen; wir können dir nichts sagen, weder Böses noch Gutes. Siehe, Rebekka ist vor dir: Nimm sie und geh hin, dass sie die Frau des Sohnes deines Herrn werde, wie der Herr geredet hat!" (1. Mose 24,49-51 Elb.) WABT 155 3 Nachdem die Familie zugestimmt hatte, wurde Rebekka selbst gefragt, ob sie so weit von ihrem Vaterhaus fortgehen möchte, um Abrahams Sohn zu heiraten. Aufgrund all dessen, was sich zugetragen hatte, glaubte auch sie, dass Gott sie auserwählt hatte, Isaaks Frau zu werden, und sagte: "Ja, ich will es." (1. Mose 24,58) WABT 155 4 Der Knecht wusste schon im Voraus, dass sich sein Herr über diesen Erfolg freuen würde, und drängte ungeduldig zum Aufbruch. Als der Morgen anbrach, traten sie die Heimreise an. Abraham hatte seine Zelte bei Beersch- eba aufgeschlagen. Isaak, der sich im angrenzenden Gebiet um die Herden gekümmert hatte, war zu seinem Vater zurückgekehrt, um die Ankunft des Boten aus Haran abzuwarten. Er "war ausgegangen, um zu beten auf dem Feld gegen Abend, und hob seine Augen auf und sah, dass Kamele daherkamen. Und Rebekka hob ihre Augen auf und sah Isaak; da stieg sie eilends vom Kamel und sprach zu dem Knecht: Wer ist der Mann, der uns entgegenkommt auf dem Feld? Der Knecht sprach: Das ist mein Herr. Da nahm sie den Schleier und verhüllte sich. Und der Knecht erzählte Isaak alles, was er ausgerichtet hatte. Da führte sie Isaak in das Zelt seiner Mutter Sara und nahm Rebekka, und sie wurde seine Frau, und er gewann sie lieb. Also wurde Isaak getröstet über den Tod seiner Mutter" (1. Mose 24,63-67). Die Folgen Von Ehen Mit Ungläubigen WABT 156 1 Abraham kannte die Folgen, die sich aus Mischehen zwischen denen, die Gott verehrten, und denen, die es nicht taten, ergeben hatten - von den Tagen Kains an bis in seine Zeit. Er hatte auch die Folgen seiner eigenen Ehe mit Hagar vor Augen und die Eheverbindungen von Ismael und Lot. Durch den Kleinglauben von Abraham und Sara war es zur Geburt Ismaels gekommen, zu einer Vermischung der gerechten Nachkommenschaft mit den Ungläubigen. Dem Einfluss des Vaters auf Ismael wirkten die götzendienerische Verwandtschaft der ägyptischen Mutter und die Bindung an seine heidnischen Frauen entgegen. Die Eifersucht von Hagar und von den Frauen, die sie für Ismael ausgesucht hatte (vgl. 1. Mose 21,21), umgab dessen Familie mit einer Schranke, die Abraham vergeblich zu überwinden suchte. WABT 156 2 Abrahams frühe Unterweisungen hatten ihre Wirkung auf den jungen Ismael nicht verfehlt, aber der Einfluss seiner Frauen führte zur Anbetung von Götzen. Getrennt von seinem Vater und verbittert durch den dauernden Zank in seiner Familie, in der es keine Liebe zu Gott und keine Ehrfurcht vor ihm gab, führte Ismael das wilde und ziellose Leben eines Wüstenhäuptlings. Dabei stand "seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn" (1. Mose 16,12). In seinen letzten Lebensjahren bereute er allerdings seine bösen Wege und kehrte zum Gott seines Vaters zurück. Doch die charakterliche Prägung, die er seinen Nachkommen vermittelt hatte, ließ sich nicht mehr ungeschehen machen. Das mächtige Volk, das von ihm abstammte, bestand aus aufrührerischen Heiden, die den Nachkommen Isaaks immer wieder Ärger und Leiden bereiteten. WABT 156 3 Die Frau von Lot war selbstsüchtig und ungläubig. Sie setzte ihren Einfluss ein, um ihren Mann von Abraham zu trennen. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre Lot wohl kaum in Sodom geblieben, wo er auf den Rat des klugen und gottesfürchtigen Erzvaters verzichten musste. Ohne Abrahams gewissenhafte Unterweisung hätten ihn der Einfluss seiner Frau und der Umgang mit den Bürgern der verdorbenen Stadt dazu verführt, von Gott abzufallen. Lots Heirat und sein Entschluss, in Sodom sesshaft zu werden, waren die ersten Glieder einer Kette von Ereignissen, die über viele Generationen hin einen üblen Einfluss in der Welt ausübten. WABT 157 1 Kein Gläubiger kann sich gefahrlos mit jemandem verbinden, der Gott nicht verehrt. "Können etwa zwei miteinander wandern, sie seien denn einig untereinander?" (Amos 3,3) Glück und Wohlergehen einer Ehe hängen von der Übereinstimmung zwischen den Partnern ab. Zwischen Gläubigen und Ungläubigen aber besteht ein tiefgehender Unterschied im Hinblick auf Vorlieben, Neigungen und Zielsetzungen. Sie dienen zwei verschiedenen Herren, zwischen denen es keine Übereinstimmung geben kann. Mögen die Grundsätze eines Menschen noch so rein und richtig sein - der Einfluss eines ungläubigen Ehepartners wird immer dahingehend wirken, ihn von Gott abzubringen. WABT 157 2 Wer eine Ehe schloss, als er noch nicht bekehrt war, unterliegt durch seine Bekehrung umso mehr der Verpflichtung, seinem Ehegefährten treu zu sein - selbst dann, wenn die religiösen Ansichten sehr unterschiedlich sind. Gottes Ansprüche sollten aber höher eingestuft werden als jede andere Beziehung, selbst wenn man dafür Prüfungen und Verfolgung erdulden muss. Mit einer liebevollen, sanftmütigen Einstellung kann solche Treue gegenüber Gott schließlich dazu führen, dass der ungläubige Partner gewonnen wird. Aber die Heirat zwischen Christen und Ungläubigen wird in der Bibel untersagt. Die Weisung des Herrn lautet: "Lasst euch nicht mit Ungläubigen zusammen unter ein fremdes Joch spannen!" (2. Korinther 6,14a ZÜ) Isaaks Unterordnung Unter Seinen Vater WABT 157 3 Isaak war von Gott mit der großen Ehre ausgezeichnet worden, zum Erben seiner Verheißungen zu werden, durch welche die ganze Welt gesegnet werden sollte. Und doch fügte er sich noch im Alter von 40 Jahren dem Urteil seines Vaters, als dieser seinen erfahrenen, gottesfürchtigen Knecht Elieser damit beauftragte, eine Frau für ihn zu suchen. Als Ergebnis der Heirat zeichnet uns die Heilige Schrift ein wunderschönes Bild seines häuslichen Glücks: "Da führte sie Isaak in das Zelt seiner Mutter Sara und nahm Rebekka, und sie wurde seine Frau, und er gewann sie lieb. Also wurde Isaak getröstet über seine Mutter." (1. Mose 24,67) WABT 157 4 Was für ein Gegensatz besteht doch zwischen dem Verhalten Isaaks und dem der heutigen Jugendlichen - selbst solcher, die bekennende Christen sind! Zu oft sind junge Leute der Meinung, es sei allein ihre Angelegenheit, wem sie ihre Zuneigung schenken, und es dürften weder Gott noch die Eltern in irgendeiner Weise Einfluss ausüben. Lange bevor sie die nötige Reife besitzen, halten sie sich für klug genug, ihre eigene Wahl zu treffen - ohne die Hilfe ihrer Eltern. Wenige Ehejahre reichen gewöhnlich aus, um sie von ihrem Irrtum zu überzeugen. Dann aber ist es meist zu spät, um die traurigen Folgen zu verhindern. Aus demselben Mangel an Einsicht und Selbstbeherrschung, der zur übereilten Wahl geführt hat, lässt man nun zu, dass sich das Übel noch verstärkt, bis die Ehebeziehung zu einer quälenden Last wird. Auf diese Weise haben viele ihr Glück in diesem Leben zerstört und die Hoffnung auf das künftige verloren. WABT 158 1 Wenn es überhaupt etwas gibt, worüber gründlich nachgedacht werden sollte - und der Rat älterer und erfahrenerer Menschen vonnöten ist -, dann ist es die Eheschließung. Wenn jemals die Bibel als Ratgeber erforderlich ist und jemals um Gottes Führung gebetet werden sollte, dann vor dem Schritt, der zwei Menschen lebenslang miteinander verbindet. Die Aufgabe Der Eltern WABT 158 2 Eltern sollten ihre eigene Verantwortung für das zukünftige Glück ihrer Kinder nie aus den Augen verlieren. Isaaks Achtung, die er der Entscheidung seines Vaters entgegenbrachte, war die Folge seiner Erziehung, die ihn gelehrt hatte, gern ein gehorsames Leben zu führen. Zwar hatte Abraham von seinen Kindern verlangt, die Autorität der Eltern zu achten; aber sein tägliches Verhalten zeigte, dass es bei dieser Autorität nicht um eine selbstsüchtige oder willkürliche Kontrolle ging. Sie beruhte vielmehr auf Liebe und hatte das Wohlergehen und Glück der Kinder im Auge. WABT 158 3 Väter und Mütter sollten verstehen, dass ihnen die Aufgabe zugefallen ist, die Neigungen ihrer Kinder zu lenken, damit sie diese denen zuwenden, die als geeignete Lebensgefährten infrage kommen. Die Eltern sollten es als ihre Pflicht ansehen, mit Gottes Beistand den Charakter ihrer Kinder von den ersten Jahren an durch Unterweisungen und Vorbild zu formen, damit er rein und edel wird und sie sich zum Guten und Ehrenhaften hingezogen fühlen. Gleiches zieht Gleiches an; und Gleiches weiß Gleiches zu würdigen. Wenn die Liebe zur Wahrheit, Reinheit und Güte schon früh in das Kinderherz eingepflanzt wird, sucht sich der Jugendliche auch die Gesellschaft derer, die diese Eigenschaften besitzen. WABT 158 4 Ihr Eltern, versucht daheim, die Liebe und Güte des himmlischen Vaters vorzuleben! Lasst die Sonne in eurem Heim scheinen! Für eure Kinder ist das viel mehr wert als der Besitz von Gut und Geld. Sorgt dafür, dass die Liebe, die sie zu Hause erleben, in ihnen lebendig bleibt, damit sie gern an das Zuhause ihrer Kindheit als einen Ort zurückdenken, wo sie Frieden und Glück - ein Stück Himmel auf Erden - erfahren haben. Da nicht alle Familienmitglieder das gleiche Wesen an den Tag legen, wird es häufig Gelegenheit geben, Geduld und Nachsicht zu üben. Aber mit Liebe und Selbstbeherrschung können alle in engster Gemeinschaft miteinander verbunden sein. WABT 159 1 Wahre Liebe ist ein hohes und heiliges Gut. Sie ist in ihrem Wesen ganz verschieden von der Liebe, die aus einer Gefühlsregung entsteht und schnell verfliegt, wenn sie auf eine ernste Probe gestellt wird. Die Kinder sollen sich durch gewissenhafte Pflichterfüllung im Elternhaus auf ihre späteren eigenen Familien vorbereiten. In ihrem Zuhause sollen sie Selbstverleugnung üben und Freundlichkeit, Höflichkeit und christliches Mitgefühl an den Tag legen. So kann in ihnen die Liebe lebendig erhalten werden. Wer aus einem solchen Elternhaus kommt und dann seiner eigenen Familie vorsteht, wird wissen, wie man das Glück der erwählten Lebenspartnerin fördert. Dann wird die Hochzeit nicht das Ende, sondern der Anfang der Liebe sein. ------------------------Kapitel 16 - Jakob Und Esau WABT 160 0 1. Mose 25,21-34 und27,1-40. WABT 160 1 Jakob und Esau, Isaaks Zwillingssöhne, waren in ihrer Persönlichkeit und in ihrer Lebensführung gegensätzlich. Diese Verschiedenheit hatte der Engel Gottes bereits vor ihrer Geburt vorausgesagt. Als Antwort auf Rebekkas Gebet, das aus ihrem aufgewühlten Herzen zu Gott emporstieg, erklärte er ihr, dass sie zwei Söhne bekommen werde. Er enthüllte ihr auch deren Zukunft: Jeder werde zum Stammvater eines mächtigen Volkes werden, doch einer werde größer sein als der andere und der Jüngere den Vorrang haben. WABT 160 2 Der junge Esau liebte die Befriedigung seiner Selbstsucht. Alle seine Interessen konzentrierten sich auf die Gegenwart. Da er bei jeder Einschränkung ungeduldig wurde, liebte er die wilde Freiheit der Jagd und entschied sich schon früh für das Leben eines Jägers. Trotzdem war er der Liebling seines Vaters. Den ruhigen, friedliebenden Hirten beeindruckten der Wagemut und die Kraft seines älteren Sohnes, der furchtlos Berge und Wüsten durchstreifte und stets mit einem Wildbret für den Vater und mit spannenden Berichten über sein abenteuerliches Leben zurückkehrte. Der bedächtige, fleißige und fürsorgliche Jakob dagegen war mit seinen Gedanken mehr in der Zukunft als in der Gegenwart. Er war damit zufrieden, zu Hause zu bleiben, die Herden zu weiden und das Land zu bewirtschaften. Die Mutter schätzte seine unermüdliche Ausdauer, seine Sparsamkeit und seinen Weitblick. Seine Zuneigung war tief und stark, und seine freundlichen, unablässigen Äußerungen seiner Wertschätzung trugen mehr zu ihrem Glück bei als die gelegentlichen ungestümen Zärtlichkeiten Esaus. Rebekka hatte Jakob lieber. Die Bedeutung Des Erstgeburtsrechts WABT 160 3 In den Verheißungen, die Gott Abraham gegeben und seinem Sohn bestätigt hatte, sahen Isaak und Rebekka das große Ziel ihrer Sehnsucht und ihrer Hoffnung. Jakob und Esau kannten diese Verheißungen gut. Ihnen war beigebracht worden, dass dem Erstgeburtsrecht eine hohe Bedeutung zukam, weil es dabei nicht nur um die Erbschaft irdischen Reichtums ging, sondern auch um die geistliche Vorrangstellung. Wer es erhielt, sollte der Priester der Familie sein, und aus der Reihe seiner Nachfahren würde der Erlöser der Welt hervorgehen. Andererseits ruhten auf dem Träger des Erstgeburtsrechts bestimmte Verpflichtungen: Wer den Segen erbte, musste sein Leben dem Dienst für Gott weihen. Wie einst Abraham musste er Gottes Geboten gehorchen. Bei der Eheschließung, in allen Familienbeziehungen und im öffentlichen Leben musste er den Willen Gottes zu Rate ziehen. WABT 161 1 Isaak machte seine Söhne mit diesen Rechten und Pflichten vertraut und erklärte deutlich, dass Esau als dem Älteren das Erstgeburtsrecht zustehe. Aber dieser liebte die Anbetung Gottes nicht und hatte kein Interesse an einem geistlichen Leben. Die Anforderungen, die ihm das geistliche Erstgeburtsrecht auferlegte, waren ihm eine unerfreuliche und sogar verhasste Einschränkung. Esau empfand Gottes Gesetz, das die Bedingung für dessen Bund mit Abraham gewesen war, als Joch der Unfreiheit. Mit seinem Hang zur Hemmungslosigkeit begehrte er nichts so sehr wie die Freiheit, tun und lassen zu können, was ihm beliebte. Für ihn bestand Glück in Macht und Reichtum, in Feiern und Gelagen. Er prahlte mit der uneingeschränkten Freiheit seines wilden, umherstreifenden Lebens. WABT 161 2 Rebekka erinnerte sich an die Worte des Engels und erkannte klarer als ihr Mann die Charaktere ihrer beiden Söhne. Sie war überzeugt, dass das Erbe der Verheißungen Gottes für Jakob bestimmt war. Sie erinnerte Isaak an die Worte des Engels, aber die Zuneigung des Vaters war auf den älteren Sohn gerichtet. Daher hielt er unerschütterlich an seiner Absicht fest. WABT 161 3 Jakob hatte durch seine Mutter von Gottes Andeutung erfahren, dass ihm das Erstgeburtsrecht zufallen sollte. Seitdem hatte er ein unstillbares Verlangen nach den Vorrechten, die ihm damit übertragen werden sollten. Es verlangte ihn nicht nach dem Besitz des väterlichen Reichtums, sondern sein ganzes Sehnen richtete sich auf das geistliche Erstgeburtsrecht: Mit Gott Zwiesprache zu halten, wie es der gerechte Abraham getan hatte, das Sühnopfer für die Familie darzubringen, der Stammvater des auserwählten Volkes und des versprochenen Messias zu sein und alle unvergänglichen Güter zu erben, die in den Segnungen des Bundes enthalten waren. Das alles waren Vorrechte und Ehren, die sein leidenschaftliches Verlangen entzündeten. Seine Gedanken gingen immer wieder in die Zukunft und wollten die unsichtbaren Segnungen in Anspruch nehmen. WABT 161 4 Mit heimlichem Verlangen nahm er alles auf, was sein Vater über die geistliche Bedeutung des Erstgeburtsrechts sagte. Sorgfältig hütete er, was er von der Mutter erfahren hatte. Tag und Nacht beschäftigten ihn diese Dinge, sodass sie zum Inbegriff seines Lebens wurden. Obwohl er die ewigen Segnungen den zeitlichen vorzog, hatte er den Gott, den er verehrte, doch noch nicht durch eigene Erfahrungen kennen gelernt. Sein Herz war noch nicht durch die Gnade Gottes erneuert worden. Er war überzeugt, dass die Zusage, die ihn betraf, nicht in Erfüllung gehen könnte, solange Esau das Erstgeburtsrecht gehörte. Deshalb suchte er ständig nach einer Möglichkeit, in den Besitz der Segnungen zu kommen, die seinem Bruder so unwichtig erschienen, während sie ihm so kostbar waren. Esau Verkauft Sein Erstgeburtsrecht WABT 162 1 Als Esau eines Tages müde und erschöpft von der Jagd nach Hause kam, bat er Jakob um eine Portion vom Essen, das dieser gerade zubereitete. Da ergriff Jakob, den dieser eine Gedanke ständig beschäftigte, die Gelegenheit. Er bot seinem Bruder an, dessen Hunger zu stillen, wenn er dafür das Erstgeburtsrecht bekäme. "Ich sterbe vor Hunger", rief der leichtsinnige, unbeherrschte Jäger, "was nützt mir da mein Erstgeburtsrecht?" (1. Mose 25,32 GNB) Für ein Linsengericht verzichtete er auf sein Vorrecht und bekräftigte diese Abmachung mit einem Eid. Bestimmt hätte er im Zelt seines Vaters in Kürze etwas zu essen bekommen. Aber um die Begierde des Augenblicks zu befriedigen, tauschte er gedankenlos das herrliche Erbe ein, das Gott persönlich seinen Vätern versprochen hatte. Sein ganzes Augenmerk galt der Gegenwart. Darum war er bereit, ein himmlisches Gut für ein irdisches zu opfern, sein zukünftiges Erbe für einen zeitlich begrenzten Genuss einzutauschen. WABT 162 2 "So gleichgültig war ihm sein Erstgeburtsrecht." (1. Mose 25,34 NLB) Nachdem er es losgeworden war, fühlte er sich erleichtert. Jetzt stellte sich ihm kein Hindernis mehr in den Weg. Er konnte nun tun, was ihm gefiel. Wie viele Menschen verkaufen auch heute ihren Anspruch auf ein heiliges, ewiges Erbe im Himmel für ein wildes Vergnügen, das man fälschlicherweise als Freiheit bezeichnet! WABT 162 3 Weil sich Esau wie üblich von äußeren und irdischen Reizen leiten ließ, heiratete er zwei Frauen aus dem Volk der Hetiter (vgl. 1. Mose 26,34.35). Diese verehrten falsche Götter, und ihr Götzendienst bereitete Isaak und Rebekka großen Kummer. Esau hatte damit eine der Bedingungen des Bundes verletzt, die die Heirat zwischen den Auserwählten Gottes und den Heiden verboten. Trotzdem hielt Isaak unerschütterlich an seinem Entschluss fest, ihm das Erstgeburtsrecht zu übertragen. Weder Rebekkas Argumente noch Jakobs starkes Verlangen nach dem Segen und auch nicht Esaus Gleichgültigkeit gegenüber den Verpflichtungen des Erstgeburtsrechts vermochten den Entschluss des Vaters zu ändern. Jakob Erschleicht Sich Den Erstgeburtssegen WABT 163 1 Jahre vergingen, bis sich Isaak zum Handeln entschloss. Als er alt und blind war und mit seinem baldigen Tod rechnete, wollte er die Segnung seines Ältesten nicht länger hinauszögern. Da er aber den Widerstand von Rebekka und Jakob kannte, wollte er die feierliche Zeremonie heimlich vollziehen. Weil es damals Brauch war, für solche Anlässe ein Festmahl zu veranstalten, beauftragte er Esau: "Geh hinaus aufs Feld, um mir ein Stück Wild zu jagen. Bereite es zu, wie ich es gern mag, und bring es mir, damit ich es essen kann. Dann will ich dich segnen, bevor ich sterbe." (1. Mose 27,3.4 GNB) WABT 163 2 Aber Rebekka ahnte Isaaks Absicht. Sie war fest davon überzeugt, dass dies gegen Gottes offenbarten Willen war. Isaak lief Gefahr, dessen Missfallen auf sich zu ziehen und seinen jüngeren Sohn von der Stellung, zu der Gott ihn berufen hatte, auszuschließen. Da sie bis dahin vergeblich versucht hatte, Isaak mit Argumenten zu überzeugen, beschloss sie, zu einer List zu greifen. WABT 163 3 Kaum hatte Esau das Zelt verlassen, um den Wunsch seines Vaters zu erfüllen, da machte sich Rebekka daran, ihren Plan auszuführen. Sie erzählte Jakob, was sich zugetragen hatte. Nun sei es dringend geboten, unverzüglich zur Tat zu schreiten, um zu verhindern, dass der Segen endgültig und unwiderruflich auf Esau übertragen werde. Sie versicherte ihrem Sohn, er würde schon den Segen erlangen, wie Gott es versprochen hatte, wenn er jetzt nur ihre Anweisungen befolgte. Aber Jakob war nicht so schnell bereit, ihrem Plan zuzustimmen. Der Gedanke, seinen Vater täuschen zu sollen, brachte ihn in große Not. Er meinte, dass solch eine Sünde eher Fluch als Segen über ihn bringen würde. Doch Rebekka überwand seine Bedenken, und er folgte schließlich ihren Vorschlägen. Es war nicht seine Absicht, die glatte Unwahrheit zu sagen. Als er aber vor seinem Vater stand, schien es ihm, dass er schon zu weit gegangen sei und nicht mehr zurück könne. Er erlangte den begehrten Segen durch Betrug.1 11 WABT 163 4 Jakob und Rebekka hatten mit ihrem Plan Erfolg, aber ihre Täuschung brachte ihnen nur Schwierigkeiten und Kummer ein. Gott hatte angekündigt, dass Jakob das Erstgeburtsrecht erhalten sollte. Hätten die beiden im Vertrauen auf sein Eingreifen gewartet, hätte sich Gottes Wort zu seiner Zeit erfüllt. Aber wie so viele, die sich heute als Kinder Gottes bezeichnen, wollten sie die Angelegenheit nicht ihm überlassen. Rebekka bereute den falschen Rat, den sie ihrem Sohn gegeben hatte, bitter, denn dadurch wurde sie von ihm getrennt und sah ihn nie wieder. Und Jakob wurde von der Stunde an, als er das Erstgeburtsrecht erhielt, von Selbstvorwürfen gequält. Er hatte sich an seinem Vater, an seinem Bruder, an sich selbst und an Gott versündigt. In einer einzigen Stunde hatte er etwas getan, was er sein Leben lang bereuen sollte. Als ihm in späteren Jahren das bösartige Verhalten seiner Söhne schwer zu schaffen machte, musste er immer wieder an dieses Ereignis denken. Isaak Ruckt Von Seinem Segen Nicht Ab WABT 164 1 Kaum hatte Jakob das Zelt seines Vaters verlassen, da trat Esau ein. Er hatte zwar sein Erstgeburtsrecht verkauft und die Übertragung sogar mit einem feierlichen Eid bekräftigt, aber dennoch war er nun fest entschlossen, sich die Segnungen zu sichern, ohne Rücksicht auf den Anspruch seines Bruders. Mit dem geistlichen Erstgeburtsrecht war das irdische verbunden, das ihm die Stellung als Familienoberhaupt und den doppelten Anteil am väterlichen Besitz einbringen würde. Das waren Dinge, die er zu schätzen wusste. "Setz dich auf", sagte er, "und iss von meinem Wild, damit du mir deinen Segen geben kannst!" (1. Mose 27,31 NLB) WABT 164 2 Zitternd vor Bestürzung und erschüttert erkannte der alte, blinde Vater den Betrug, den man an ihm begangen hatte. Seine lange und liebevoll gehegten Hoffnungen waren durchkreuzt. Sehr stark empfand er die Enttäuschung, mit der sein älterer Sohn nun fertig werden musste. Doch blitzartig kam er zur Überzeugung, dass Gottes Vorsehung seine Absicht zunichte gemacht und gerade das bewirkt hatte, was er verhindern wollte. Er erinnerte sich auch an die Worte, die der Engel zu Rebekka gesagt hatte. Ungeachtet der Schuld, die Jakob auf sich geladen hatte, sah er nun ein, dass dieser am besten geeignet war, Gottes Pläne zu erfüllen. Während die Segensworte über seine Lippen gekommen waren, hatte er gespürt, dass er unter der göttlichen Eingebung stand. Nun, da er alle Umstände kannte, bestätigte er den Segen, den er unwissend über Jakob ausgesprochen hatte: "Ich habe ihn gesegnet, und er wird auch gesegnet bleiben." (vgl. 1. Mose 27,33) WABT 164 3 Solange Esau der Segen erreichbar schien, hatte er ihn nicht geschätzt, aber nachdem er ihn für immer verloren hatte, wollte er ihn unbedingt erlangen. Seine erregbare, leidenschaftliche Natur bäumte sich mit aller Macht auf. Seine Trauer und sein Zorn waren schrecklich. In äußerst bitterem Schmerz schrie er: "Segne mich auch, mein Vater ... Hast du mir denn keinen Segen Vorbehalten?" (1. Mose 27,34.36) Aber Isaak konnte den einmal ausgesprochenen Segen nicht zurücknehmen. Das Erstgeburtsrecht, das Esau so sorglos eingetauscht hatte, ließ sich nicht zurückgewinnen. "Um der einen Speise willen" (Hebräer 12,16), um kurzzeitig seine Esslust zu befriedigen, die niemals gezügelt wurde, hatte Esau sein Erstgeburtsrecht verkauft. Als er seine Torheit erkannte, war es zu spät, um den Segen zurückzuerlangen. "Da war es zu spät zur Umkehr, obwohl er bittere Tränen vergoss." (Hebräer 12,17 NLB) Esau besaß durchaus die Möglichkeit, seine Tat zu bereuen und dadurch Gnade bei Gott zu finden, aber es gab kein Mittel, das Erstgeburtsrecht zurückzuerhalten. Seine Trauer entsprang keinem Schuldbewusstsein. Es ging ihm auch nicht darum, mit Gott versöhnt zu werden. Er bedauerte nur die Folgen seiner Sünde, aber nicht seine Sünde selbst. WABT 165 1 Weil ihm Gottes Segen und Bedingungen gleichgültig waren, wird Esau in der Heiligen Schrift ein "Gottloser" genannt (Hebräer 12,16). Er ist ein Vertreter jener Menschen, welche die Erlösung, die Christus für sie erwirkt hat, geringschätzen. Sie sind schnell dabei, ihr himmlisches Erbe für vergängliche Dinge dieser Welt zu opfern. Die große Masse lebt für die Gegenwart, ohne an die Zukunft zu denken oder sich gar darum zu kümmern. Wie Esau rufen sie aus: "Lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!" (1. Korinther 15,32) Sie lassen sich von ihren Neigungen beherrschen. Anstatt sich in Selbstverleugnung zu üben, lassen sie die wichtigsten Überlegungen außer Acht. Wenn sie eines von beiden aufgeben müssen - entweder die Befriedigung ihrer unbeherrschten Gier oder die himmlischen Segnungen, die nur den Selbstlosen und Gottesfürchtigen versprochen sind -, gewinnen ihre Leidenschaften die Oberhand, während Gott und der Himmel verachtet werden. Wie viele - selbst unter bekennenden Christen - frönen Genüssen, die der Gesundheit schädlich sind und das feine Empfinden des Gewissens abstumpfen! Wenn man ihnen die christliche Pflicht vor Augen hält, sich "von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes ... [zu] reinigen und die Heiligung [zu] vollenden in der Furcht Gottes" (2. Korinther 7,1b), sind sie gekränkt. Sie erkennen, dass man diese schädlichen Befriedigungen nicht weiterführen und gleichzeitig den Himmel gewinnen kann, und beschließen, den Weg zum ewigen Leben nicht weiter zu gehen, weil er so schmal sei (vgl. Matthäus 7,14). WABT 165 2 Viele Menschen verkaufen ihr "Erstgeburtsrecht" für sinnliche Genüsse. Sie opfern ihre Gesundheit, schwächen ihre geistigen Fähigkeiten und verwirken den Himmel - und das alles nur für ein vorübergehendes Vergnügen, für einen Genuss, der den Charakter gleichzeitig schwächt und verdirbt. Esau wurde die Kurzsichtigkeit seines übereilten Tausches erst bewusst, als es für eine Wiedergewinnung seines Rechts zu spät war. So werden auch diese Menschen erst am Jüngsten Tag erkennen, dass sie ihr himmlisches Erbe gegen selbstsüchtige Befriedigung eingetauscht haben. ------------------------Kapitel 17 - Jakobs Flucht Und Verbannung WABT 166 0 1. Mose 27,41 bis 32,1. WABT 166 1 Weil Esau so wütend war, dass er seinen Bruder umzubringen drohte, musste Jakob aus dem Heim seines Vaters fliehen. Aber dessen Segen nahm er mit sich, denn Isaak hatte die an den Bund geknüpften Verheißungen ihm gegenüber erneuert und ihm als deren Erben aufgetragen, sich aus der Verwandtschaft seiner Mutter in Mesopotamien eine Frau zu suchen. Schweren Herzens machte sich Jakob auf seine einsame Wanderung. Nur mit seinem Stock in der Hand musste er Hunderte von Kilometern durch ein Land ziehen, das von wilden Räuberstämmen bewohnt war. Vor lauter Gewissensbissen und aus Angst versuchte er, den Menschen aus dem Weg zu gehen, damit sein aufgebrachter Bruder ihm nicht auf die Spur kam. Er befürchtete, den Segen, den Gott ihm zugedacht hatte, für immer verloren zu haben. Und sofort war Satan zur Stelle, um ihm mit seinen Versuchungen zuzusetzen. WABT 166 2 Am Abend des zweiten Tages war er schon ziemlich weit von den Zelten seines Vaters entfernt. Er fühlte sich als Ausgestoßener, und ihm war bewusst, dass sein eigenes Fehlverhalten diese Probleme verursacht hatte. Tiefe Verzweiflung überkam ihn. Er wagte kaum zu beten. Aber er fühlte sich so einsam, dass er die Notwendigkeit des Schutzes durch Gott so deutlich wie nie zuvor verspürte. Unter Tränen und tief gedemütigt bekannte er seine Sünde und flehte um ein Zeichen, dass er nicht gänzlich verlassen sei. Doch noch immer fand sein belastetes Gewissen keine Erleichterung. Er hatte sein ganzes Selbstvertrauen verloren und befürchtete, dass ihn der Gott seiner Väter verstoßen habe. WABT 166 3 Aber Gott verließ Jakob nicht. Seine Gnade galt immer noch seinem schuldig gewordenen, kleingläubigen Diener. In seiner Barmherzigkeit offenbarte ihm der Herr genau das, was Jakob brauchte - einen Erlöser. Er hatte gesündigt, aber tiefe Dankbarkeit kam in ihm auf, als ihm ein Weg aufgezeigt wurde, auf dem er mit Gott wieder ins Reine kommen konnte. Der Traum Von Der Himmelsleiter WABT 167 1 Müde von der Reise legte sich der Wanderer auf die Erde, mit einem Stein als Kopfkissen. Im Schlaf sah er eine helle, glänzende Leiter, deren unteres Ende auf der Erde stand, während ihre Spitze bis an den Himmel reichte. Auf dieser Leiter stiegen Engel auf und nieder, und darüber war der Herr der Herrlichkeit zu sehen. Aus dem Himmel ertönte seine Stimme: "Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott." (1. Mose 28,13) Das Land, auf dem er als Flüchtling und Verbannter ruhte, wurde ihm und seinen Nachkommen zugesichert, zusammen mit dem Versprechen: "Durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden." (1. Mose 28, 14) Diese Zusage war schon Abraham und Isaak gegeben worden, und nun wurde sie gegenüber Jakob erneuert. Bezüglich seiner gegenwärtigen Einsamkeit und seines Kummers hörte Jakob die tröstenden und ermutigenden Worte: "Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dieses Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe." (1. Mose 28,15) WABT 167 2 Der Herr kannte die schlechten Einflüsse in Jakobs künftiger Umgebung und auch die Gefahren, denen er ausgesetzt sein würde. In seiner Gnade enthüllte Gott vor dem reuevollen Sünder die Zukunft, damit dieser die göttliche Absicht mit ihm begriff und vorbereitet war, den Versuchungen zu widerstehen, die sicher auf ihn zukämen, wenn er - auf sich allein gestellt - von Götzendienern und durchtriebenen Männern umgeben sein würde. Er sollte immer den hohen Maßstab vor Augen haben, den es anzustreben gilt. Dabei würde ihn das Wissen, dass durch ihn Gottes Absicht erfüllt wird, beständig antreiben, Gott treu zu bleiben. WABT 167 3 In diesem Traum wurde Jakob der Erlösungsplan gezeigt - zwar nicht im vollen Umfang, aber so viel, wie für ihn zu der Zeit erforderlich war. Auf diese geheimnisvolle Leiter, die Jakob im Traum sah, bezog sich später Christus in seinem Gespräch mit Nathanael, als er sagte: "Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn." (Johannes 1,51) Bevor sich der Mensch gegen Gottes Herrschaft auflehnte, konnte er direkt mit Gott sprechen. Aber die Sünde, die Adam und Eva begingen, bewirkte die Trennung der Erde vom Himmel, sodass der Mensch kein direktes Gespräch mehr mit seinem Schöpfer führen konnte. Doch Gott überließ die Welt nicht ihrer hoffnungslosen Einsamkeit. Die Leiter stellte Jesus Christus dar, den von Gott bestimmten Mittler. Hätte er nicht durch seine eigenen Verdienste den Abgrund überwunden, welchen die Sünde verursacht hatte, hätten auch die Engel keine Verbindung mit der gefallenen Menschheit aufnehmen können. Christus verbindet den schwachen und hilflosen Menschen mit Gott, der unerschöpflichen Kraftquelle. WABT 168 1 Das alles wurde Jakob in seinem Traum gezeigt. Einen Teil dieser Offenbarung begriff er sofort, aber mit deren großen, geheimnisvollen Wahrheiten beschäftigte er sich sein Leben lang. Nach und nach lernte er sie immer besser verstehen. WABT 168 2 In der tiefen Stille der Nacht erwachte Jakob vom Schlaf. Die glänzenden Gestalten, die er in seiner Vision gesehen hatte, waren verschwunden. Nur die matten Umrisse der einsamen Berge und über ihnen der helle Sternenhimmel erreichten seine Augen. Doch er spürte deutlich, dass Gott bei ihm war, denn dessen unsichtbare Gegenwart füllte die Einsamkeit. "Der Herr ist an diesem Ort, und ich habe es nicht gewusst", sagte Jakob. "Hier ist das Haus Gottes - das Tor zum Himmel!" (1. Mose 28,16.17 NLB). Jakobs Zeichen Seiner Dankbarkeit WABT 168 3 "Am nächsten Morgen stand er in aller Frühe auf. Er nahm den Stein, den er als Kissen benutzt hatte, und stellte ihn als Gedenkstein auf. Dann goss er Öl über seine Spitze." (1. Mose 28,18 NLB) In Übereinstimmung mit dem Brauch, wichtiger Ereignisse zu gedenken, errichtete Jakob einen Stein, der an Gottes Gnade erinnern sollte. Wann immer er an diesem heiligen Ort vorbeikäme, wollte er hier verweilen und Gott anbeten. Er nannte den Platz "Bethel", das heißt "Haus Gottes". In tiefer Dankbarkeit wiederholte er für sich das Versprechen, dass Gott mit ihm sein werde. Dann legte er das feierliche Gelübde ab: "Wird Gott mit mir sein und mich behüten auf dem Weg, den ich reise, und mir Brot zu essen geben und Kleider anzuziehen und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, so soll der Herr mein Gott sein. Und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal, soll ein Gotteshaus werden; und von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben." (1. Mose 28,20-22) WABT 168 4 Jakob versuchte hier keineswegs, mit Gott einen Handel abzuschließen. Der Herr hatte ihm ja bereits den Wohlstand zugesagt. Dieses Gelöbnis drückte lediglich seine große Dankbarkeit für die Zusicherung aus, dass ihn weiterhin Gottes Liebe und Barmherzigkeit begleiten werden. Jakob verstand, dass Gott Ansprüche an ihn stellte, die er anerkennen musste, weil die außergewöhnlichen Gnadenerweise, die er von Gott erhalten hatte, eine Gegengabe verlangten. So ruft uns in der Tat jeder empfangene Segen zur Antwort an den Geber aller guten Gaben auf. Ein Christ sollte oft sein vergangenes Leben vor seinem geistigen Auge Revue passieren lassen und sich an die kostbaren Erfahrungen erinnern, wie ihm Gott in Schwierigkeiten und Anfechtungen beistand, wie sich Türen öffneten, als alles dunkel und bedrohlich aussah, oder wie er neue Kraft erhielt, als er im Begriff stand, zusammenzubrechen. All dies soll ein Christ als Beweis dafür ansehen, dass Gottes Engel fürsorglich über ihm wachen. Angesichts dieser unzähligen Segnungen sollte er sich immer wieder demütig und dankbar fragen: "Was kann ich dem Herrn geben für alles, was er für mich getan hat?" (Psalm 116,12 NLB) WABT 169 1 Unsere Zeit, unsere Gaben und unser Besitz sollten Gott geweiht sein, weil er uns diese Segnungen anvertraut hat. Wann immer wir eine außergewöhnliche Erfahrung gemacht haben oder uns unerwartete Hilfe zuteil geworden ist, sollten wir Gottes Güte anerkennen, aber nicht nur mit Worten, sondern wie Jakob mit Opfern und Gaben für sein Werk. So wie wir beständig die Segnungen von Gott empfangen, sollten wir auch ihm beständig etwas geben. WABT 169 2 "Von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben", sagte Jakob (1. Mose 28,22). Sollten wir, die wir die volle Erkenntnis und alle Vorrechte des Evangeliums genießen, uns damit begnügen, Gott weniger zurückzugeben als die Menschen damals, die in einem weniger begünstigten Zeitalter lebten? Sind nicht unsere Verpflichtungen größer, weil auch die Segnungen größer sind, die wir erhalten? Aber wie gering schätzt man sie ein! Wie töricht ist doch das Bemühen, unsere Zeit, unser Geld und unsere Liebe mit geradezu mathematischer Genauigkeit gegen Gottes unermessliche Liebe und gegen sein Geschenk von unbegreiflichem Wert aufzurechnen! Der Zehnte für Christus! Was für eine dürftige, ja beschämende Erwiderung für etwas, was so viel gekostet hat! Vom Kreuz auf Golgatha ruft Christus zu rückhaltloser Hingabe auf. Alles, was wir haben, alles, was wir sind, sollte Gott geweiht sein. Jakobs Dienst Als Brautpreis WABT 169 3 Mit neuem, beständigem Vertrauen auf Gottes Zusagen und in der Gewissheit der Gegenwart und Obhut himmlischer Engel "machte sich Jakob auf den Weg und ging in das Land, das im Osten liegt" (1. Mose 29,1). Aber wie so ganz anders verlief seine Ankunft, wenn man sie mit der des Boten Abrahams vergleicht, die nahezu 100 Jahre zuvor stattgefunden hatte! Der Knecht Elieser war damals mit einem Tross von Begleitern auf Kamelen gekommen und hatte zahlreiche Geschenke aus Gold und Silber mitgebracht. Isaaks Sohn jedoch kam als einsamer Wanderer, mit wunden Füßen, und besaß nichts außer seinem Stock. Wie Abrahams Diener wartete Jakob an einer Quelle. Dort traf er Rahel, Labans jüngere Tochter. Diesmal war es Jakob, der bereit war zu dienen: Er wälzte den Stein vom Brunnen und tränkte die Herden. Als er sich als Verwandter zu erkennen gab, wurde er im Hause Labans willkommen geheißen. Obwohl er allein und ohne Vermögen angekommen war, erkannte man schon nach wenigen Wochen, wie wertvoll sein Fleiß und seine Geschicklichkeit waren. Deshalb bat ihn Laban zu bleiben und vereinbarte mit ihm, dass er sieben Jahre lang für Laban arbeiten sollte. Dann könne er Rahel heiraten. WABT 170 1 In früheren Zeiten verlangte es der Brauch, dass der Bräutigam vor Abschluss des Ehevertrages dem Schwiegervater eine Geldsumme oder deren Gegenwert in Naturalien bezahlen musste, die seinen Verhältnissen entsprach. Das war eine Art Absicherung der Ehebeziehung. Den Vätern erschien es zu unsicher, das Glück ihrer Töchter Männern anzuvertrauen, die nicht für den Unterhalt einer Familie vorgesorgt hatten. Waren sie zu wenig sparsam oder besaßen sie nicht genügend Tatkraft, einen Beruf auszuüben oder Vieh und Land zu erwerben, befürchtete man, sie würden im Leben versagen. Aber es gab eine Regelung, um diejenigen einer Prüfung zu unterziehen, die keinen Brautpreis bezahlen konnten. Man gestattete ihnen, für den Vater zu arbeiten, dessen Tochter sie liebten. Die Länge der Dienstzeit wurde nach der Höhe des verlangten Brautpreises bemessen. War der Bewerber in seinem Dienst treu und erwies er sich auch in anderer Hinsicht als würdig, erhielt er die Tochter zur Frau. Gewöhnlich gab der Vater seiner Tochter die erhaltene Heiratsgabe mit in die Ehe. Im Fall von Rahel und Lea allerdings behielt Laban den Brautpreis selbstsüchtig für sich. Darauf nahmen seine Töchter auch kurz vor ihrer Abreise aus Mesopotamien Bezug, als sie sagten: "Er hat uns verkauft und unseren Kaufpreis verzehrt." (1. Mose 31,15) WABT 170 2 Diese uralte Sitte hatte ihr Gutes, wenn sie auch - wie im Fall Labans - manchmal missbraucht wurde. Musste der Freier erst seinen Dienst leisten, um die Braut heiraten zu können, verhinderte man damit eine übereilte Eheschließung. Dadurch ergab sich die Gelegenheit, sowohl die Echtheit seiner Gefühle als auch seine Fähigkeit, eine Familie zu ernähren, zu prüfen. Weil man heutzutage das genaue Gegenteil tut, erlebt man oft schlimme Folgen. Recht oft haben Personen vor der Heirat nicht ausreichend Gelegenheit, die Lebensgewohnheiten und Eigenarten des anderen kennenzulernen. Was ihr Alltagsleben betrifft, sind sie sich tatsächlich noch fremd, wenn sie am Altar das Jawort sprechen. Viele entdecken zu spät, dass sie nicht zueinander passen. Das Ergebnis ihrer Verbindung ist dann Elend das ganze Leben lang. Wie oft leiden Frauen und Kinder unter der Faulheit, der Unfähigkeit oder den schlechten Gewohnheiten ihres Mannes bzw. Vaters. Hätte man wie in alten Zeiten den Charakter des Bewerbers vor der Heirat besser unter die Lupe genommen, wäre viel Unglück verhindert worden. WABT 171 1 "So diente Jakob um Rahel sieben Jahre, und es kam ihm vor, als wären es einzelne Tage, so lieb hatte er sie." (1. Mose 29,20) Aber der selbstsüchtige und habgierige Laban wollte auf einen so wertvollen Gehilfen nicht verzichten. Deshalb griff er zu einer herzlosen und gemeinen List: Er gab ihm Lea statt Rahel zur Frau.112 Die Tatsache, dass sich Lea zu diesem Betrug hergab, bewirkte bei Jakob das Gefühl, sie nicht lieben zu können. Seinem entrüsteten Vorwurf begegnete Laban mit dem Angebot, ihm auch Rahel zur Frau zu geben - für sieben weitere Dienstjahre. Der Vater bestand aber darauf, dass Lea nicht zurückgewiesen werden durfte, weil das Schande für die Familie bedeutet hätte. Dadurch geriet Jakob in eine schmerzliche und verzwickte Lage. Schließlich entschloss er sich, Lea zu behalten und auch Rahel zu heiraten. Rahel blieb immer seine große Liebe. Diese Bevorzugung aber rief Neid und Eifersucht hervor. Die Gegnerschaft zwischen den beiden Schwestern und Ehefrauen machte ihm das Leben schwer. 20 Jahre Hirtendienst Für Laban WABT 171 2 20 Jahre lang blieb Jakob in Mesopotamien und arbeitete für Laban. Dieser missachtete die verwandtschaftlichen Beziehungen und war nur darauf bedacht, den bestmöglichen Nutzen aus ihrer Verbindung zu ziehen. 14 mühselige Dienstjahre forderte er für beide Töchter, und in der restlichen Zeit veränderte er Jakobs Lohn zehnmal. Trotzdem diente ihm Jakob fleißig und treu. In seinem letzten Gespräch mit Laban schilderte er anschaulich, wie er sich mit unermüdlicher Wachsamkeit für die Belange seines anspruchsvollen Herrn eingesetzt hatte: "Zwanzig Jahre bin ich bei dir gewesen, deine Schafe und Ziegen haben keine Fehlgeburt gehabt; die Widder deiner Herde hab ich nie gegessen; was die wilden Tiere zerrissen, brachte ich dir nicht, ich musste es ersetzen; du fordertest es von meiner Hand, es mochte mir des Tages oder des Nachts gestohlen sein. Des Tages kam ich um vor Hitze und des Nachts vor Frost, und kein Schlaf kam in meine Augen." (1. Mose 31,38-40) WABT 171 3 Ein Hirte musste seine Herden Tag und Nacht bewachen. Gefahr drohte ihnen von Räubern und zahlreichen wilden Tieren. Diese richteten in den Herden oft verheerenden Schaden an, wenn sie nicht gewissenhaft gehütet wurden. Jakob standen viele Helfer für die Betreuung der riesigen Herden Labans zur Seite, aber er wurde für alles, was geschah, zur Verantwortung gezogen. Zu gewissen Zeiten im Jahr musste er selbst dauernd bei ihnen sein. Während der Trockenheit musste er sie vor dem Verdursten, in der kalten Jahreszeit bei Nachtfrost vor dem Erfrieren bewahren. Jakob hatte als der leitende Hirte eine Anzahl Knechte als Unterhirten in seinem Dienst. Fehlte eines der Schafe, hatte der leitende Hirte den Verlust zu tragen. Deshalb zog er die Knechte, denen er die Pflege der Tiere anvertraut hatte, streng zur Verantwortung, wenn er diese nicht in guter Verfassung vorfand. Hirten Als Sinnbild Für Christus WABT 172 1 Das Bild des fleißigen, fürsorglichen Hirten, dessen ganzes Mitgefühl den anvertrauten hilflosen Geschöpfen gilt, haben die inspirierten Schreiber benutzt, um einige der wichtigsten Wahrheiten des Evangeliums zu verdeutlichen. Christus wird im Hinblick auf sein Volk mit einem Hirten verglichen. Nach dem Sündenfall sah er seine Schafe dazu verurteilt, auf ihren dunklen, sündigen Wegen umzukommen. Um diese Umherstreunenden zu retten, verließ er Ehre und Ruhm, die er im Haus seines Vaters genossen hatte. Er sagte: "Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken." Ich will "meiner Herde helfen, dass sie nicht mehr zum Raub werden soll ... Kein wildes Tier im Land soll sie mehr fressen" (Hesekiel 34,16.22.28). Man hört, wie seine Stimme die Tiere in ihren Pferch zurückruft. "Ein Laubdach wird zum Schatten dienen bei Tag vor der Hitze und als Zuflucht und Obdach vor Wolkenbruch und Regen." (Jesaja 4,6 Elb.) Unermüdlich setzt er sich für seine Herde ein. Er stärkt die Schwachen, hilft den Leidenden, sammelt die Lämmer in seine Arme und trägt sie an seiner Brust. Seine Schafe lieben ihn. "Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen vor ihm; denn sie kennen die Stimme der Fremden nicht." (Johannes 10,5) WABT 172 2 Jesus sagte: "Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt setzt sein Leben ein für die Schafe. Der Lohnarbeiter, der nicht Hirt ist, dem die Schafe nicht gehören, der sieht den Wolf kommen und lässt die Schafe im Stich und flieht, und der Wolf reisst und versprengt sie. Er ist eben ein Lohnarbeiter, und ihm liegt nichts an den Schafen. Ich bin der gute Hirt und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich." (Johannes 10,11-14 ZÜ) WABT 172 3 Als Oberhirte hat Christus die Pflege seiner Herde den Pastoren, seinen Unterhirten, anvertraut. Er möchte, dass sie mit ihr genauso fürsorglich umgehen, wie er selbst es getan hat. Sie sollen die heilige Verantwortung für den Auftrag erkennen, den er ihnen anvertraut hat. Er hat ihnen feierlich geboten, treu zu sein, die Herde zu weiden, die Schwachen zu stärken, die Müden aufzurichten und sie vor reißenden Wölfen zu schützen. Um seine Schafe zu retten, ließ Christus sein Leben. An dieser Liebe, die er bewiesen hat, sollen sich seine Hirten ein Beispiel nehmen: "Der Lohnarbeiter ... dem die Schafe nicht gehören", hat kein wirkliches Interesse an der Herde. Er arbeitet nur des Geldes wegen und sorgt nur für sich selbst. Er ist auf den eigenen Vorteil bedacht statt auf die Belange seiner Aufgabe. In Zeiten der Gefahr wird er fliehen und die Herde allein lassen. WABT 173 1 Der Apostel Petrus ermahnt alle Unterhirten: "Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde." (1. Petrus 5,2.3) Paulus sagte dazu: "So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden." (Apostelgeschichte 20,28.29) WABT 173 2 Wer Mühe und Sorge, die zum Dienst des treuen Hirten gehören, als Last empfindet, wird vom Apostel ermahnt: "... nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund." (1. Petrus 5,2.3) Auf untreue Knechte würde der Herr gern verzichten. Die christliche Gemeinde wurde durch das Blut, das Christus vergoss, erkauft. Deshalb sollte sich jeder Hirte bewusst sein, dass die ihm anvertrauten Schafe einen unendlich hohen Preis gekostet haben. Jedes Einzelne von ihnen sollte für ihn von unschätzbarem Wert sein, und unermüdlich sollte er sich um dessen geistliches Wohl kümmern. Der Hirte, der vom Geist, den Christus offenbarte, erfüllt ist, folgt dessen selbstlosem Beispiel. Wie Christus ist auch er ständig um das Wohlergehen seiner Schützlinge bemüht. So wird die Herde unter seiner Fürsorge gedeihen. WABT 173 3 Alle werden einmal Rechenschaft von ihrem Dienst ablegen müssen. Der Meister wird jeden Hirten fragen: "Wo ist nun die Herde, die dir befohlen war, deine herrliche Herde?" (Jeremia 13,20) "So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen", versprach der Apostel (1. Petrus 5,4). Jakob Will Nach Kanaan Zurückkehren WABT 173 4 Als Jakob nicht länger gewillt war, mit Laban zusammenzuarbeiten schlug er vor, nach Kanaan zurückzukehren. Er sagte zu seinem Schwieger vater: "Lass mich ziehen und reisen an meinen Ort und in mein Land. Gib mir meine Frauen und meine Kinder, um die ich dir gedient habe, dass ich ziehe; denn du weißt, wie ich dir gedient habe." Aber Laban bat ihn dringend zu bleiben und sagte: "Ich spüre, dass mich der Herr segnet um deinetwillen." (1. Mose 30,25-27) Er wusste genau, wie sein Eigentum unter der Fürsorge seines Schwiegersohnes anwuchs. WABT 174 1 Jakob erwiderte: "Du hattest wenig, ehe ich herkam; nun aber ist's geworden zu einer großen Menge." (1. Mose 30,30) Mit der Zeit wurde Laban aber neidisch auf Jakobs größeren Wohlstand, denn dieser wurde "über die Maßen reich, sodass er viele Schafe, Mägde und Knechte, Kamele und Esel hatte" (1. Mose 30,43). Auch Labans Söhne beneideten ihn. Ihre gehässigen Reden kamen Jakob zu Ohren: "Jakob hat alles Gut unseres Vaters an sich gebracht, und nur von unseres Vaters Gut hat er solchen Reichtum zuwege gebracht. Und Jakob sah an das Angesicht Labans, und siehe, er war gegen ihn nicht mehr wie zuvor." (1. Mose 31,1.2) WABT 174 2 Jakob wäre längst von dieser listigen Verwandtschaft weggezogen, hätte er nicht die Begegnung mit Esau gefürchtet. Nun aber begriff er, dass ihm Labans Söhne gefährlich werden konnten. Sie sahen seinen Besitz als ihr Eigentum an und könnten womöglich versuchen, sich ihn mit Gewalt anzueignen. Jakob war deshalb in großer Sorge und recht ratlos. Was sollte er tun? Er erinnerte sich an die gnädige Zusage von Bethel, legte seinen Fall Gott vor und suchte bei ihm Rat. In einem Traum erhielt er die Antwort: "Zieh wieder in deiner Väter Land und zu deiner Verwandtschaft; ich will mit dir sein." (1. Mose 31,3) Jakobs Flucht Aus Haran WABT 174 3 Während einer Abwesenheit Labans bot sich die Gelegenheit zum Aufbruch. Schnell wurden die Herden zusammengetrieben und vorausgeschickt. Mit Frauen, Kindern und Knechten überquerte Jakob den Euphrat und zog eilig in Richtung Gilead an der Grenze Kanaans. Nach drei Tagen erfuhr Laban von ihrer Flucht. Sofort nahm er die Verfolgung auf und holte sie am siebten Tag ihrer Reise ein. Er kochte vor Wut und war entschlossen, sie zur Rückkehr zu zwingen. Er bezweifelte nicht, dass ihm das gelingen würde, denn sein Trupp war viel stärker. Die Flüchtlinge befanden sich tatsächlich in großer Gefahr. WABT 174 4 Doch Laban führte seine feindselige Absicht nicht aus, weil Gott selbst eingegriffen hatte, um seinen Diener zu schützen. "Ich hätte wohl so viel Macht, dass ich euch Böses antun könnte", bekannte Laban, "aber eures Vaters Gott hat diese Nacht zu mir gesagt: Hüte dich, mit Jakob anders zu reden als freundlich" (1. Mose 31,29). Das hieß: Er sollte ihn weder mit Gewalt zur Umkehr zwingen noch durch schmeichelhafte Angebote locken. WABT 175 1 Laban hatte die Mitgift seiner Töchter für sich behalten und Jakob immer unfreundlich und mit Arglist behandelt. Jetzt warf er ihm mit einer Heuchelei sondergleichen seine heimliche Abreise vor. Dadurch habe Jakob ihm als Vater keine Gelegenheit zu einem Abschiedsfest gegeben. Nicht einmal Lebewohl habe er seinen Töchtern und ihren Kindern sagen können. WABT 175 2 Jakob dagegen hielt Laban ganz offen dessen selbstsüchtiges, habgieriges Verhalten vor und rief ihn zum Zeugen seiner eigenen Treue und Rechtschaffenheit an: "Hätte der Gott meines Großvaters Abraham und der Ehrfurcht gebietende Gott meines Vaters Isaak mir nicht beigestanden, dann hättest du mich mit leeren Händen fortgeschickt. Aber Gott hat gesehen, wie schwer ich für dich gearbeitet habe und wie schlecht du mich behandelt hast. Deshalb ist er letzte Nacht für mich eingetreten." (1. Mose 31,42 NLB) WABT 175 3 Laban konnte die angeführten Tatsachen nicht leugnen und schlug nun vor, einen Friedensbund zu schließen. Jakob stimmte dem zu. Zum Zeichen ihrer Übereinkunft errichteten sie eine Steinsäule, der Laban den Namen Mizpa (d.h. Wachtturm) gab. Er sagte: "Der Herr wache als Späher über mir und dir, wenn wir voneinander gegangen sind." (1. Mose 31,49) WABT 175 4 Laban sagte weiter zu Jakob: "Dieser Steinhaufen und dieser Gedenkstein, die ich zwischen uns errichtet habe, stehen zwischen uns als Zeugen unseres Vertrags. Ich werde diese Linie nicht in böser Absicht gegen dich und du wirst sie nicht in böser Absicht gegen mich überschreiten. Ich rufe den Gott unserer Vorfahren - den Gott deines Großvaters Abraham und den Gott meines Großvaters Nahor - an. Er soll denjenigen von uns bestrafen, der dem anderen Unrecht tut." (1. Mose 31,51-53 NLB) Darauf schwor ihm Jakob "bei dem Gott, dem sein Vater Isaak mit Ehrfurcht diente" (1. Mose 31,53 Hfa). Zur Bestätigung des Vertrages feierten sie gemeinsam ein Fest. Die Nacht verbrachten sie mit freundlicher Unterhaltung. Bei Tagesanbruch brach Laban mit seinen Leuten zur Heimkehr auf. Mit dieser Trennung verliert sich jede Spur einer weiteren Verbindung der Nachkommen Abrahams mit den Bewohnern Mesopotamiens. ------------------------Kapitel 18 - Die Nacht Des Ringens WABT 176 0 1. Mose 32 und 33. WABT 176 1 Obwohl Jakob Haran im Gehorsam gegenüber der göttlichen Anweisung verlassen hatte, machte er sich doch nicht ohne Befürchtungen auf den Weg, den er 20 Jahre zuvor als Flüchtling zurückgelegt hatte. Die Sünde, seinen Vater betrogen zu haben, stand ihm immer noch vor Augen. Er wusste, dass sein langes Exil die unmittelbare Folge dieser Sünde war, und dachte Tag und Nacht über diese Dinge nach. Während der ganzen Reise war er sehr traurig, weil ihn ständig Gewissensbisse quälten. Als in der Ferne die Hügel seiner Heimat auftauchten, war er innerlich tief bewegt. Seine ganze Vergangenheit lief wie ein Film vor ihm ab. Mit der Erinnerung an seine Sünde kamen ihm aber auch Gedanken an Gottes Gunsterweise und dessen Versprechen, ihm zu helfen und ihn zu führen. WABT 176 2 Je mehr sich seine Reise dem Ende näherte, desto schlimmere Vorahnungen beschlichen ihn, wenn er an Esau dachte. Nach der Flucht Jakobs hatte sich Esau als alleiniger Erbe des väterlichen Besitzes betrachtet. Die Nachricht von Jakobs Rückkehr in seine Heimat ließ ihn deshalb fürchten, dass Jakob komme, um sein Erbe einzufordern. Esau war imstande, seinem Bruder großen Schaden zuzufügen, falls er das vorhatte. Er könnte sich veranlasst sehen, Gewalt gegen ihn anzuwenden - nicht nur aus Verlangen nach Rache, sondern auch, um den ungestörten Besitz der Güter zu sichern, die er schon lange als sein Eigentum betrachtete. WABT 176 3 Erneut gewährte der Herr Jakob ein Zeichen seines Beistands. Als er südlich des Gebirges Gilead unterwegs war, erschienen zwei Scharen himmlischer Engel - eine vor ihm, die andere hinter ihm. Sie begleiteten seinen Trupp, als ob sie ihn beschützten. Da musste Jakob an das Gesicht denken, welches er 20 Jahre zuvor bei Bethel erhalten hatte. Er war erleichtert, dass die göttlichen Boten, die ihm auf seiner Flucht aus Kanaan Hoffnung und Mut gegeben hatten, auch bei seiner Rückkehr seine Beschützer waren. " Erstaunt rief er: Hier ist das [Heer-]Lager Gottes! Deshalb nannte er den Ort Mahanajim (Doppellager)." (1. Mose 32,3 GNB) Einige Vorsichtsmassnahmen Jakobs WABT 177 1 Trotzdem meinte Jakob, auch selbst etwas zu seiner Sicherheit tun zu müssen. Er sandte Boten mit einem Versöhnungsgruß zu seinem Bruder. Er gab ihnen sogar den genauen Wortlaut vor, wie sie Esau anreden sollten. Schon vor der Geburt der beiden Brüder war vorausgesagt worden, der ältere werde dem jüngeren dienen (vgl. 1. Mose 25,23b). Damit die Erinnerung daran in Esau keine Bitterkeit aufkommen ließ, sollten die Knechte im Namen Jakobs die Anrede "Esau, mein Herr" benutzen und ihm gegenüber von ihrem Herrn als "deinem Knecht Jakob" sprechen (1. Mose 32,5). Die Sorge, dass er als mittelloser Wanderer zurückkomme, um das väterliche Erbe zu beanspruchen, versuchte Jakob durch folgende Botschaft zu zerstreuen: Ich "habe Rinder und Esel, Schafe, Knechte und Mägde und habe ausgesandt Boten, es dir, meinem Herrn, anzusagen, damit ich Gnade vor deinen Augen fände" (1. Mose 32,6). WABT 177 2 Aber die Boten kehrten mit der Nachricht zurück, Esau ziehe ihm mit 400 Männern entgegen. Jakobs freundliche Botschaft blieb unbeantwortet. Es schien sicher, dass Esau anrückte, um Rache zu nehmen. Angst erfasste das ganze Lager. "Da fürchtete sich Jakob sehr und ihm wurde bange." (1. Mose 32,8a) Zurück konnte er nicht mehr, doch er hatte Angst weiterzuziehen. Sein unbewaffneter, wehrloser Trupp war in keiner Weise auf eine feindliche Begegnung vorbereitet. Deshalb teilte er ihn in zwei Gruppen, damit - falls eine angegriffen würde - vielleicht die andere entkommen könnte. Aus seinen Herden stellte er großzügig Geschenke zusammen und sandte sie mit einer freundlichen Botschaft an Esau. Jakob tat alles in seiner Macht Stehende, um das Unrecht an seinem Bruder wieder gutzumachen und die drohende Gefahr abzuwenden. Dann bat er in Demut und Reue um Gottes Schutz: "Gott meines Vaters ... der du zu mir gesagt hast: Zieh wieder in dein Land und zu deiner Verwandtschaft, ich will dir wohltun -, Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knecht getan hast; denn ich hatte nicht mehr als diesen Stab, als ich hier über den Jordan ging, und nun sind aus mir zwei Lager geworden. Errette mich von der Hand meines Bruders, von der Hand Esaus; denn ich fürchte mich vor ihm, dass er komme und schlage mich, die Mütter samt den Kindern." (1. Mose 32,10-12) WABT 177 3 Sie hatten inzwischen den Jabbok erreicht. Als die Nacht hereinbrach, schickte Jakob seine Familie an einer Furt über den Fluss. Er selbst blieb als Einziger zurück, denn er hatte beschlossen, die Nacht im Gebet zu verbringen, und wollte mit Gott allein sein. Gott möge das Herz von Esau besänftigen - das war Jakobs einzige Hoffnung. Jakobs Kampf Am Jabbok WABT 178 1 Es war eine verlassene, gebirgige Gegend, ein Schlupfwinkel für wilde Tiere und ein Versteck für Räuber und Mörder. Einsam und schutzlos beugte sich Jakob in großer Not zur Erde. Es war Mitternacht. Alles, was ihm das Leben lebenswert machte, war von ihm getrennt - der Gefahr und dem Tod ausgesetzt. Am bittersten aber war der Gedanke, dass seine eigene Sünde diese unschuldigen Menschen in so große Gefahr gebracht hatte. Laut weinend betete er zu Gott. WABT 178 2 Da legte sich plötzlich eine starke Hand auf ihn. Er dachte, ein Feind wolle ihm ans Leben. Er versuchte, sich dem Griff des Gegners zu entwinden. In der Dunkelheit rangen beide um die Oberhand. Keiner sprach ein Wort. Jakob setzte seine ganze Kraft ein und ließ in seinen Anstrengungen auch nicht einen Augenblick nach. Während er so um sein Leben kämpfte, überkam ihn ein starkes Schuldbewusstsein. Seine Sünden türmten sich vor ihm auf und wollten sich trennend zwischen ihn und Gott schieben. Aber in der höchsten Not erinnerte er sich an Gottes Verheißung, und von ganzem Herzen flehte er um dessen Gnade. Der Kampf dauerte bis zum Morgengrauen. Da legte der Fremde seinen Finger auf Jakobs Hüfte. Sofort war sie ausgerenkt und Jakob verkrüppelt. Jetzt erkannte der Patriarch das Wesen seines Gegners und begriff, dass er mit einem himmlischen Boten gekämpft hatte. Darum hatte er trotz schier übermenschlicher Anstrengung den Sieg nicht erringen können. Es war Christus, "der Engel des Bundes" (Maleachi 3,1), der sich selbst Jakob offenbarte. Der Patriarch war jetzt kampfunfähig und litt unter sehr heftigen Schmerzen, aber er wollte ihn nicht entgleiten lassen. Reuig und gebrochen klammerte er sich an den Engell , 13"er weinte und bat ihn" (Hosea 12,5), flehte um einen Segen. Jakob musste Gewissheit haben, dass ihm seine Sünde vergeben war. Auch die körperlichen Schmerzen konnten seine Gedanken nicht davon abbringen. Seine Entschlossenheit wurde nur noch größer, sein Glaube ernster und beharrlicher. Der Engel versuchte, sich zu befreien. Er drängte: "Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an." Aber Jakob antwortete: "Ich lasse dich nicht los, bevor du mich gesegnet hast!" (1. Mose 32,27 NLB) Hätte daraus vermessenes Vertrauen gesprochen, wäre Jakob auf der Stelle getötet worden. Aber es war die Zuversicht eines Menschen, der sich seiner Unwürdigkeit bewusst ist und sich dennoch zuversichtlich auf die Treue Gottes, der seinen Bund hält, verlässt. WABT 179 1 Jakob "kämpfte mit dem Engel und siegte" (Hosea 12,5). Weil er sich erniedrigte, seine Sünde bereute und sich ihm ganz auslieferte, überwand dieser sündige, irrende Sterbliche die Majestät des Himmels. Mit zitterndem Griff hatte er sich an Gottes Zusagen festgehalten, und die Quelle unendlicher Liebe konnte die flehentliche Bitte des Sünders nicht abweisen. WABT 179 2 Der Irrtum, der Jakob dazu verleitet hatte, das Erstgeburtsrecht durch Betrug an sich zu bringen, stand ihm gerade jetzt klar vor Augen. Er hatte nicht auf Gottes Verheißung vertraut, sondern mit eigenen Bemühungen erreichen wollen, was Gott zu seiner Zeit und auf seine Weise getan hätte. Als Zeichen, dass ihm vergeben war, wurde sein Name, der "Betrüger" bedeutete (vgl. 1. Mose 27,36a), geändert. Auf diese Weise wurde aus der Erinnerung an seine Sünde das Gedenken an seinen Sieg. "Du sollst nicht mehr Jakob heißen", sagte der Engel, "sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen." (1. Mose 32,29) WABT 179 3 Jakob hatte den Segen empfangen, nach dem er sich so sehr gesehnt hatte. Sein schuldhaftes Versagen als Betrüger war vergeben, die Krise seines Lebens überwunden. Zweifel, Verwirrung und Gewissensbisse hatten sein Dasein bis dahin verbittert, aber nun war alles anders: Der tiefe Friede der Versöhnung mit Gott erfüllte ihn. Nun fürchtete sich Jakob nicht mehr davor, seinem Bruder zu begegnen. Gott, der ihm die Sünde vergeben hatte, konnte auch Esau bewegen, Jakobs Selbsterniedrigung und Reue freundlich aufzunehmen. WABT 179 4 Während Jakob mit dem Engel rang, wurde ein anderer Himmelsbote zu Esau gesandt. In einem Traum sah Esau seinen Bruder, der 20 Jahre lang von seinem Vaterhaus verbannt war. Er wurde Zeuge der Trauer Jakobs, als dieser vom Tod seiner Mutter erfuhr. Er sah ihn von den himmlischen Heerscharen umgeben. Esau erzählte diesen Traum seinen Kriegern und befahl ihnen, Jakob kein Leid zuzufügen, weil der Gott seines Vaters mit ihm sei. Die Begegnung Jakobs Mit Seinem Bruder Esau WABT 179 5 Schließlich trafen die beiden Trupps aufeinander: Auf der einen Seite der Wüstenhäuptling an der Spitze seiner Krieger, auf der anderen Jakob mit seinen Frauen und Kindern, begleitet von Hirten und Mägden, und dahinter große Herden von Vieh. Auf seinen Stock gestützt, humpelte Jakob langsam auf die Kriegerschar zu. Er war bleich, von seinem Kampf körperlich gezeichnet. Langsam und unter Schmerzen hinkte Jakob vorwärts, wobei er nach jedem Schritt anhalten musste. Aber aus seinem Gesicht leuchteten Freude und Friede. WABT 180 1 Beim Anblick des Verkrüppelten und Leidenden lief Esau "ihm entgegen und herzte ihn und fiel ihm um den Hals und küsste ihn und sie weinten" (1. Mose 33,4). Sogar Esaus raue Krieger waren gerührt, als sie den beiden zusahen. Obwohl Esau ihnen seinen Traum erzählt hatte, konnten sie die Veränderung ihres Anführers nicht verstehen. Sie nahmen zwar die Gebrechlichkeit des Patriarchen wahr, ahnten aber nicht, dass dessen Schwäche zu seiner Stärke geworden war. WABT 180 2 In der Nacht am Jabbok, als Jakob Seelenqualen durchlitt und ihm der Untergang unmittelbar bevorzustehen schien, hatte er gelernt, wie nutzlos menschlicher Beistand und wie sinnlos Vertrauen auf menschliche Macht ist. Er erkannte, dass Hilfe nur von dem kommen konnte, gegen den er sich so schwer versündigt hatte. Hilflos und unwürdig, wie er war, nahm er Gottes Gnadenangebot an den reumütigen Sünder in Anspruch. Diese Zusage verlieh ihm die Gewissheit, dass ihm vergeben und er wieder bei Gott angenommen war. Eher würden Himmel und Erde vergehen, als dass diese Zusage trügen könnte. Und diese Überzeugung hielt ihn in seinem furchtbaren Kampf aufrecht. Jakobs Erfahrung Als Beispiel Für Die Drangsal Vor Der Wiederkunft Von Christus WABT 180 3 Jakobs Erfahrung in jener Nacht des Ringens und der Angst versinnbildlicht die Prüfung, die Gottes Volk unmittelbar vor der Wiederkunft von Christus durchstehen muss. Der Prophet Jeremia sah diese Zeit in einer Vision voraus und berichtete: "Eine Stimme des Schreckens haben wir gehört. Da ist Furcht und kein Friede. ... Warum sehe ich ... alle Gesichter in Blässe verwandelt? Wehe! Denn groß ist jener Tag, keiner ist wie er, und es ist eine Zeit der Bedrängnis für Jakob; doch wird er aus ihr gerettet werden." (Jere- mia 30,5-7 Elb.) WABT 180 4 Diese Zeit der Bedrängnis beginnt, wenn Christus seinen Dienst als Mittler für die Menschen beendet. Dann ist im Gericht über den Fall eines jeden Menschen entschieden. Dann steht kein sühnendes Blut mehr zur Verfügung, das ihn von Sünde reinigt. Wenn Jesus seine Aufgabe als Fürsprecher vor Gott beendet hat, erfolgt die bedeutungsschwere Ankündigung: "Wer Böses tut, der tue weiterhin Böses, und wer unrein ist, der sei weiterhin unrein; aber wer gerecht ist, der übe weiterhin Gerechtigkeit, und wer heilig ist, der sei weiterhin heilig." (Offenbarung 22,11) Dann zieht sich Gottes Geist, der das Böse bisher in Schach gehalten hat, von der Erde zurück. So wie Jakob damals von seinem zornigen Bruder mit dem Tod bedroht wurde, wird Gottes Volk durch die gottlosen Menschen, die es vernichten wollen, in Gefahr geraten. Und wie der Patriarch die ganze Nacht darum rang, aus Esaus Hand befreit zu werden, werden die Gerechten Tag und Nacht um Befreiung von den sie umgebenden Feinden rufen. WABT 181 1 Satan hatte Jakob vor den Engeln Gottes verklagt und für sich das Recht beansprucht, ihn wegen seiner Sünde zu vernichten. Er hatte Esau bewogen, gegen seinen Bruder loszuziehen. Und in Jakobs langer Nacht des Ringens versuchte Satan, ihm ein Schuldbewusstsein aufzuzwingen, um ihn zu entmutigen und seinen Halt in Gott zu lösen. Als sich Jakob in seiner Verzweiflung an den Engel klammerte und ihn unter Tränen anflehte, erinnerte ihn der Himmelsbote an seine Sünde, um sein Vertrauen auf die Probe zu stellen, und tat so, als ob er sich von ihm losmachen wollte. Aber Jakob ließ sich nicht abschütteln. Er hatte erfahren, dass Gott barmherzig ist, und verließ sich auf dessen Erbarmen. Er wies darauf hin, dass er seine Sünde längst bereut hatte, und bat um Befreiung. Als er sein Leben an sich vorüberziehen ließ, wurde er fast zur Verzweiflung getrieben. Aber er hielt sich am Engel fest und brachte seine Bitte mit ernsten, durchdringenden Rufen vor, bis er den Sieg errang. WABT 181 2 Solch eine Erfahrung werden auch Gottes Getreue in ihrem letzten Kampf mit den Mächten des Bösen machen. Gott wird ihren Glauben, ihre Ausdauer und ihr Vertrauen in seine Fähigkeit, sie zu befreien, prüfen. Satan wird sich bemühen, sie mit dem Gedanken zu erschrecken, dass ihr Fall hoffnungslos ist und ihre Sünden zu groß sind, um Vergebung zu erlangen. Die Gläubigen werden dann ihre Fehler und Mängel deutlich erkennen, und wenn sie auf ihr Leben zurückblicken, wird ihre Hoffnung schwinden. Aber sie werden sich auch an Gottes unerschöpfliche Gnade und an ihre eigene echte Reue erinnern und sich auf Gottes Zusagen berufen, die er in Christus allen hilflosen und reuigen Sündern gegeben hat. Ihr Vertrauen wird nicht schwinden, weil ihre Gebete nicht sofort erhört werden. Sie werden sich an die Stärke Gottes halten, wie sich Jakob an den Engel klammerte. Wie er werden sie flehen: "Ich lasse dich nicht los, bevor du mich gesegnet hast!" (1. Mose 32,27b NLB) WABT 181 3 Hätte Jakob zuvor seine Sünde, das Erstgeburtsrecht durch Betrug zu erlangen, nicht bereut, hätte Gott sein Gebet nicht erhören und sein Leben nicht barmherzig bewahren können. So wird es auch in der Zeit der Trübsal dem Volk Gottes ergehen. Wenn den Gläubigen dann, während sie schon von Angst und Seelenqual geplagt werden, Sünden bewusst würden, die sie Gott nicht bekannt haben, würden sie überwältigt werden. Ihre Verzweiflung würde ihren Glauben zerstören, und sie könnten nicht das notwendige Vertrauen aufbringen, um Gott um Befreiung anzuflehen. Aber obwohl sie sich ihrer Unwürdigkeit tief bewusst sind, werden sie keine verborgenen Sünden zu bekennen haben. Ihre Sünden werden durch das sühnende Blut, das Christus vergossen hat, getilgt sein, und sie können sie nicht mehr in ihr Gedächtnis zurückrufen. WABT 182 1 Satan verführt viele Menschen zur Annahme, Gott werde ihre Untreue in kleinen Dingen schon übersehen. Aber der Herr beweist mit seinem Vorgehen bei Jakob, dass er etwas Böses unter keinen Umständen dulden oder gutheißen kann. Wer seine Sünden entschuldigen oder verheimlichen will oder wessen Sünden in den Büchern des Himmels uneingestanden und unverge- ben stehen bleiben, wird von Satan überwältigt werden. Je überschwänglicher ihr Glaubensbekenntnis und je ehrenwerter ihre Stellung ist, die sie im Volk Gottes innehaben, desto schwerer wiegt ihr Verhalten in Gottes Augen und desto gewisser ist auch der Triumph des großen Feindes. WABT 182 2 Doch Jakobs Geschichte gibt uns die Gewissheit, dass Gott den nicht verstößt, der zur Sünde verführt wurde, aber in aufrichtiger Reue zu ihm zurückgekehrt ist. Durch völlige Hingabe und vertrauensvollen Glauben erlangte Jakob, was er durch eigene Kraft nicht gewinnen konnte. Auf diese Weise zeigte Gott seinem Diener, dass allein göttliche Macht und Gnade den Segen vermitteln konnten, den er ersehnte. So wird es denen gehen, die in der Endzeit leben. Wenn sie von Gefahren umgeben sind und sie Verzweiflung überkommt, sollen sie sich ausschließlich auf die Verdienste von Christus und auf seine Sühne verlassen. Wir können nichts aus uns selbst tun. In unserer hilflosen Unwürdigkeit müssen wir unser ganzes Vertrauen auf die Verdienste des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers setzen. Keiner wird umkommen, der das tut. Die lange schwarze Liste mit unseren Vergehen liegt offen vor den Augen des ewigen Gottes. Das Register ist vollständig, keine unserer Sünden ist vergessen worden. Aber er, der schon immer das Rufen seiner Diener gehört hat, vernimmt auch heute jedes Gebet, das aus dem Glauben kommt, und vergibt unsere Übertretungen. Er hat es versprochen, und er wird sein Wort halten. WABT 182 3 Jakob errang den Sieg, weil er Ausdauer und Entschlossenheit besaß. Aus seiner Erfahrung lernen wir, welche Macht beharrliches Beten besitzt. Es ist heute unsere Aufgabe, ausdauerndes Beten und unerschütterliches Vertrauen zu lernen. Die größten Siege der Gemeinde oder einzelner Christen werden weder aufgrund von Begabung oder Bildung noch mit Hilfe von Reichtum oder menschlichem Wohlwollen errungen. Es handelt sich vielmehr um Siege, die Gott denen verleiht, die sich mit ernstem, ringendem Glauben an den mächtigen Arm Gottes klammern. WABT 183 1 Wer nicht bereit ist, jede Sünde aufzugeben und mit allem Ernst Gottes Segen zu erflehen, wird diesen auch nicht erlangen. Wer sich aber wie Jakob aufrichtig und beharrlich an Gottes Zusagen klammert, wird gleich wie er Erfolg haben. "Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er es bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze", versicherte Jesus (Lukas 18,7.8). ------------------------Kapitel 19 - Die Rückkehr Nach Kanaan WABT 184 0 1. Mose 34, 35 und 37. WABT 184 1 Nachdem er den Jordan überquert hatte, "kam Jakob wohlbehalten zu der Stadt Sichem, die im Lande Kanaan liegt" (1. Mose 33,18). Damit war das Gebet des Patriarchen zu Bethel erhört worden, dass Gott ihn in Frieden in seine Heimat zurückbringen möge. Eine Zeitlang wohnte Jakob im Tal von Sichem. Hier hatte ja Abraham über 100 Jahre zuvor im Land der Verheißung sein erstes Lager aufgeschlagen und auch den ersten Altar errichtet. Jakob "kaufte das Land, wo er sein Zelt aufgeschlagen hatte, von den Söhnen Hamors, des Vaters Sichems, um hundert Goldstücke und errichtete dort einen Altar und nannte ihn ›Gott ist der Gott Israels‹" (1. Mose 33,19.20). Wie Abraham baute er neben seinem Zelt für seinen Gott einen Altar und versammelte dort alle Hausgenossen zum Morgen- und Abendopfer. Hier grub er den Brunnen, zu dem 17 Jahrhunderte später Jesus kam, Jakobs Nachkomme und der Erlöser, der dort in der Mittagshitze ausruhte und seinen erstaunten Zuhörern vom Wasser erzählte, das in ihnen "zu einer Quelle wird, die bis ins ewige Leben weitersprudelt" (Johannes 4,14 GNB). Die Schandtat Der Söhne Jakobs In Sichem WABT 184 2 Der Aufenthalt Jakobs und seiner Söhne bei Sichem endete in Gewalt und Blutvergießen. Über die einzige Tochter der Familie wurde Schande und Leid gebracht; zwei ihrer Brüder wurden in Mordtaten verwickelt; eine ganze Stadt zerstört und ihre Bewohner niedergemetzelt - als Vergeltung für die gesetzlose Tat eines unbesonnenen jungen Mannes. Es begann damit, dass Jakobs Tochter Dina ausging, um "die Töchter des Landes zu sehen" (1. Mose 34,1), und sich damit in die Gesellschaft der Gottlosen wagte. Wer sein Vergnügen bei denen sucht, die keine Ehrfurcht vor Gott haben, begibt sich auf Satans Gebiet und fordert Versuchungen heraus. WABT 185 1 Die heimtückische Grausamkeit Simeons und Levis hatte schon ihren Grund, aber in ihrem Verhalten gegenüber den Einwohnern Sichems begingen sie eine schwere Sünde. 14Ihre Absichten hatten sie vor Jakob sorgfältig geheim gehalten. Die Nachricht von ihrer Rache rief Entsetzen in ihm hervor. Zutiefst getroffen von der Falschheit und Gewalttat seiner Söhne sagte er nur: "Ihr habt mich ins Unglück gestürzt und in Verruf gebracht bei den Bewohnern dieses Landes ... und ich habe nur wenige Leute. Wenn sie sich nun gegen mich versammeln, werden sie mich erschlagen. So werde ich vertilgt samt meinem Hause." (1. Mose 34,30) Sein ganzer Kummer und seine Abscheu, die er über diese Bluttat empfand, zeigten sich in seinen späteren Worten. Fast 50 Jahre danach bezog er sich auf diesen Vorfall, als er in Ägypten auf dem Sterbebett lag und sagte: "Die Brüder Simeon und Levi, ihre Schwerter sind mörderische Waffen. Meine Seele komme nicht in ihren Rat, und mein Herz sei nicht in ihrer Versammlung ... Verflucht sei ihr Zorn, dass er so heftig ist, und ihr Grimm, dass er so grausam ist." (1. Mose 49,5-7) Jakob erkannte, dass es mehr als genug Gründe gab, sich tief vor Gott zu demütigen: Im Charakter seiner Söhne waren Grausamkeit und Verlogenheit zutage getreten. Es gab falsche Götter in seinem Zeltlager, und bis zu einem gewissen Grad hatte der Götzendienst sogar in seiner Familie an Boden gewonnen. Sollte der Herr mit ihnen so verfahren, wie sie es verdienten, würde er sie dann nicht der Rache der umliegenden Völker preisgeben? WABT 185 2 Als Jakob vor lauter Kummer niedergedrückt war, befahl ihm der Herr, nach Süden zu ziehen und sich nach Bethel zu begeben. Dieser Ort erinnerte den Patriarchen nicht nur an seine Vision von den Engeln und an Gottes gnadenvolle Zusagen, sondern auch an das eigene Gelübde, das er dort abgelegt hatte, dass der Herr sein Gott sein solle. Da fasste er den Entschluss: Bevor er zu diesem geheiligten Ort aufbrach, musste sein Haushalt vom Götzendienst gereinigt werden. Er befahl deshalb allen Lagerbewohnern: "Entfernt die fremden Götter aus eurer Mitte, reinigt euch und wechselt eure Kleider! Wir wollen uns aufmachen und nach Bet-El hinaufziehen. Dort will ich einen Altar für den Gott errichten, der mich am Tag meiner Bedrängnis erhört hat und der auf meinem Weg mit mir war." (1. Mose 35,2.3 EÜ) WABT 185 3 Tief bewegt erzählte ihnen Jakob noch einmal das Erlebnis seines ersten Aufenthaltes bei Bethel. Als einsamer Wanderer hatte er das Zelt seines Vaters verlassen, um sein Leben zu retten. Hier war ihm der Herr in der Nacht erschienen. Als er seinen Angehörigen berichtete, wie wunderbar ihn Gott geführt hatte, wurde er selbst tief ergriffen, und auch seine Kinder fühlten sich von Gottes überwältigender Macht angerührt. Jakob hatte den wirkungsvollsten Weg gefunden, um seine Hausgemeinschaft darauf vorzubereiten, nach ihrer Ankunft in Bethel den wahren Gott anzubeten. "Da gaben sie ihm alle fremden Götter, die in ihren Händen waren, und ihre Ohrringe, und er vergrub sie unter der Eiche, die bei Sichem stand." (1. Mose 35,4) WABT 186 1 Gott ließ Angst über die Einwohner des Landes kommen, sodass sie es nicht wagten, das Blutbad von Sichem zu rächen. Die Reisenden erreichten Bethel unbehelligt. Hier erschien der Herr Jakob ein weiteres Mal und erneuerte ihm die Bundesverheißung. "Jakob aber richtete ein steinernes Mal [einen Gedenkstein] auf an der Stätte, da er mit ihm geredet hatte." (1. Mose 35,14) WABT 186 2 In Bethel hatte Jakob den Verlust einer Frau zu beklagen, die lange als geachtetes Mitglied der väterlichen Familie bei ihnen gewesen war, Rebekkas Amme Debora. Sie hatte ihre Herrin von Mesopotamien nach Kanaan begleitet. Ihre Anwesenheit war für Jakob eine ständige Erinnerung an seine frühe Kindheit, insbesondere an seine Mutter, die ihn so innig und zärtlich geliebt hatte. Als man Debora beerdigte, empfanden die Anwesenden eine so große Trauer, dass man die Eiche, unter der sie begraben wurde, fortan "Träneneiche" nannte. Man darf nicht vergessen, dass die Erinnerung an ihren lebenslangen, treuen Dienst und die Trauer über den Verlust dieser Freundin der Familie als wert erachtet wurden, um im Wort Gottes festgehalten zu werden. Die Geburt Benjamins Und Rahels Tod WABT 186 3 Von Bethel bis nach Hebron war es nur eine Zweitagereise. Doch sie brachte für Jakob tiefen Schmerz, weil Rahel starb. 14 Jahre lang hatte er um sie gedient, aber seine Liebe hatte ihm alle Mühe leicht gemacht. Wie tief und beständig diese Liebe gewesen war, zeigte sich noch viel später. Als Josef seinen kranken Vater kurz vor dessen Tod besuchte, sagte der betagte Erzvater im Rückblick auf sein Leben: "Als ich aus Mesopotamien kam, starb mir Rahel im Land Kanaan auf der Reise, als noch eine Strecke Weges war nach Efrata, und ich begrub sie dort an dem Wege nach Efrata, das nun Bethlehem heißt." (1. Mose 48,7) Aus seinem langen, mühseligen Leben erinnerte er sich nur an den Verlust Rahels. WABT 187 1 Vor ihrem Tod schenkte sie einem zweiten Sohn das Leben. Als ihr der Atem ausging, nannte sie das Kind "Ben-Oni", Sohn meines Schmerzes. Sein Vater aber nannte es "Ben-Jamin" (1. Mose 35,18), was "Sohn meiner rechten Hand" oder "meiner Stärke" bedeutet. Rahel wurde dort begraben, wo sie gestorben war. Als Erinnerung errichtete man über ihrem Grab ein Denkmal. WABT 187 2 Auf dem Weg nach Efrata brachte Ruben durch ein weiteres schweres Verbrechen Jakobs Familie in Verruf. Er "lag bei Bilha, der Nebenfrau seines Vaters" (1. Mose 35,22b Elb.). Dadurch verlor er als der älteste Sohn sein Erstgeburtsrecht. WABT 187 3 Schließlich erreichte Jakob das Ziel seiner Reise: Er "kam zu seinem Vater Isaak nach Mamre ... das ist Hebron, wo Abraham und Isaak als Fremdlinge gelebt hatten" (1. Mose 35,27). Dort blieb er und betreute seinen Vater, solange dieser noch lebte. Für den gebrechlichen und blinden Isaak war die herzliche Fürsorge seines lange entbehrten Sohnes ein Trost während dieser Jahre der Einsamkeit und Trauer. Jakob Und Esau Treffen Sich Bei Isaaks Begräbnis WABT 187 4 Am Sterbebett ihres Vaters trafen sich Jakob und Esau wieder. Einst hatte der ältere Bruder auf diesen Augenblick gewartet, um endlich Rache nehmen zu können, aber inzwischen hatten sich seine Gefühle grundlegend gewandelt. Jakob war seinerseits mit dem geistlichen Segen des Erstgeburtsrechts vollauf zufrieden und überließ deshalb dem älteren Bruder den ganzen Reichtum des Vaters - das einzige Erbe, um das es Esau ging und das für ihn Wert besaß. Zwar stand nun nicht mehr Eifersucht oder Hass zwischen ihnen, aber dennoch trennten sie sich. Esau kehrte ins Gebirge Seir zurück. Gott hatte Jakob reich gesegnet - zusätzlich zum höheren Gut, nach dem er sich so sehr gesehnt hatte. Die Besitztümer beider Brüder waren "zu groß, als dass sie beieinander wohnen konnten; das Land, darin sie Fremdlinge waren, vermochte sie nicht zu ernähren wegen der Menge ihres Viehs" (1. Mose 36,7). Ihre Trennung erfolgte in Übereinstimmung mit dem, was Gott mit Jakob vorhatte. Da sich die Brüder in ihrer Glaubenshaltung sehr unterschieden, war es besser für sie, wenn sie voneinander getrennt lebten. WABT 187 5 Esau und Jakob waren beide in der Gotteserkenntnis unterwiesen worden. Beiden hatte es freigestanden, nach Gottes Geboten zu leben und seine Gunst zu erlangen. Aber sie hatten sich nicht beide dafür entschieden. Die zwei Brüder waren bisher getrennte Wege gegangen, und in der Zukunft sollten diese immer weiter auseinanderlaufen. Es Gibt Keine Göttliche Vorherbestimmung WABT 188 1 Es war kein Akt göttlicher Willkür, dass Esau von den Segnungen der Erlösung ausgeschlossen wurde. Durch Christus steht Gottes Heilsangebot allen Menschen offen. Es gibt keine vorherbestimmende Erwählung. Die einzige Wahl, durch die man verlorengehen kann, ist die eigene Entscheidung. Gott hat in seinem Wort die Bedingungen dargelegt, unter denen jeder Mensch dazu erwählt ist, das ewige Leben zu erlangen: durch den Glauben an Christus und den Gehorsam gegenüber seinen Geboten. Gott erwählt, wer mit seinem Gesetz übereinstimmt. Jedem, der diesem Maßstab entspricht, wird Eingang in das Reich der Herrlichkeit gewährt. Jesus sagte selbst: "Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen." (Johannes 3,36) "Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel." (Matthäus 7,21) Und in der Offenbarung erklärte er: "Selig sind, die ihre Kleider [des Charakters] waschen, dass sie teilhaben an dem Baum des Lebens und zu den Toren hineingehen in die Stadt." (Offenbarung 22,14) In Bezug auf die endgültige Erlösung des Menschen ist dies die einzige Erwählung, von der das Wort Gottes spricht. WABT 188 2 Mit den Worten der Apostel ist jeder Mensch erwählt, der auf sein Heil "mit Furcht und Zittern" hinwirkt (Philipper 2,12b), "die Waffenrüstung Gottes" anlegt (Epheser 6,11a) und "den guten Kampf des Glaubens" kämpft (1. Timotheus 6,12a). Erwählt ist, wer "nüchtern zum Gebet" ist (1. Petrus 4,7b), in der Heiligen Schrift forscht (vgl. Apostelgeschichte 17,11b) und vor Versuchungen flieht (vgl. 1. Korinther 10,14). Erwählt ist, wer "den Glauben gehalten" hat (2. Timotheus 4,7b) und "jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht" (Matthäus 4,4b Elb.), gehorsam ist. Die Vorkehrungen für die Erlösung stehen allen Menschen offen; die Früchte der Erlösung werden diejenigen genießen, welche die Bedingungen erfüllt haben. Die Veränderung Von Jakob WABT 188 3 Esau hatte die Segnungen des Bundes verachtet. Er hatte die irdischen Güter den geistlichen vorgezogen, und er bekam, wonach er sich sehnte. Seine eigene, bewusste Entscheidung trennte ihn von Gottes Volk. Jakob dagegen hatte das Erbteil des Glaubens gewählt. Er hatte versucht, den Segen durch List, Tücke und Falschheit zu erhalten. Aber Gott hatte seine Sünde zugelassen, um sie zu berichtigen. Trotz der vielen bitteren Erfahrungen, die Jakob in seinem weiteren Leben machen musste, hatte er weder sein Ziel aus den Augen verloren noch seine Entscheidung aufgegeben. Er hatte eingesehen, dass er sich gegen Gott auflehnte, als er sich mit menschlicher Schläue und List den Segen sichern wollte. Das nächtliche Ringen am Ufer des Jabbok hatte aus Jakob einen anderen Menschen gemacht. Sein Selbstvertrauen war zerbrochen; seine frühere Gerissenheit trat nicht wieder auf. Statt Hinterlist und Täuschung zeichneten nun Bescheidenheit und Wahrhaftigkeit sein Leben aus. Er hatte gelernt, sich einfach auf den allmächtigen Arm zu verlassen. Inmitten von Prüfungen und Anfechtungen beugte er sich demütig unter den Willen Gottes. Die niederträchtigen Züge seines Wesens wurden im Feuer des Schmelzofens verzehrt, bis der Glaube Abrahams und Isaaks ungetrübt in Jakob erschien. Der Charakter Der Söhne Von Jakob WABT 189 1 Die Sünde Jakobs und die Kette der Ereignisse, die sich daraus ergab, übten unweigerlich einen Einfluss zum Bösen aus - einen Einfluss, der seine bitteren Früchte im Charakter und im Leben seiner Söhne offenbarte. Als sie erwachsen wurden, traten bei ihnen bedenkliche Fehler zutage. In der Familie zeigten sich nur allzu deutlich die Folgen der Vielehe. Dieses schreckliche Übel führt dazu, dass die Quellen der Liebe versiegen; und sein Einfluss schwächt die heiligsten Bande. Die Eifersucht der vier verschiedenen Mütter vergiftete das ganze Familienleben. Die Kinder wurden streitsüchtig und wehrten sich gegen jede Aufsicht. Das verursachte dem Vater Kummer und Sorgen und verdüsterte sein Leben. WABT 189 2 Einer aber war so ganz anders: Josef, Rahels älterer Sohn. Seine außergewöhnliche körperliche Schönheit schien ein Spiegelbild der Schönheit seines Herzens und Verstandes zu sein. Der Junge war unverdorben, tatkräftig und fröhlich und bewies schon früh sittliche Ernsthaftigkeit und Stärke. Er hörte den Unterweisungen seines Vaters gut zu und hatte Freude daran, Gott zu gehorchen. Die Eigenschaften, die ihn später in Ägypten auszeichneten, Sanftmut, Treue und Wahrhaftigkeit, zeigten sich schon jetzt im täglichen Leben. Weil seine Mutter gestorben war, hing er umso inniger an seinem Vater; und Jakob war diesem "Sohn seines Alters" besonders zugetan. Er "hatte Josef lieber als alle seine Söhne" (1. Mose 37,3). WABT 189 3 Doch selbst diese gegenseitige Zuneigung verursachte Schwierigkeiten und Leid. Unklugerweise zeigte Jakob seine Vorliebe für Josef, was die Eifersucht der anderen Söhne erregte. Wenn Josef das schlechte Betragen seiner Brüder wahrnahm, beunruhigte ihn das sehr. Sachte wagte er es, ihnen Vorhaltungen zu machen. Aber dadurch steigerte er nur ihren Hass und ihre Verbitterung. Er konnte es nicht ertragen, wenn sie gegen Gott sündigten. Deshalb sprach er mit dem Vater darüber, weil er hoffte, dass dessen Autorität sie zur Besinnung bringen würde. WABT 190 1 Jakob vermied es sorgfältig, ihren Ärger durch Strenge oder Härte anzustacheln. Tief bewegt äußerte er seine Besorgnis um seine Kinder und bat sie inständig, doch auf sein Alter Rücksicht zu nehmen und seinem Namen keine Schande zu bereiten, aber vor allem Gott nicht durch Missachtung seiner Gebote zu entehren. Beschämt darüber, dass der Vater von ihrer Bosheit wusste, gaben sich die jungen Männer reumütig, verbargen jedoch ihre wahren Gefühle. Wegen dieser Bloßstellung wurden sie umso verbitterter. Die Träume Josefs WABT 190 2 Dass der Vater Josef noch ein kostbares Obergewand, eine Tunika, schenkte, wie sie eigentlich nur Leute von Rang trugen, war ebenso unklug. In den Augen der anderen war das ein weiterer Beweis seiner einseitigen Bevorzugung und erweckte bei ihnen den Verdacht, ihr Vater wolle die älteren Kinder übergehen und das Erstgeburtsrecht auf den Sohn Rahels übertragen. Ihr Groll steigerte sich noch, als ihnen Josef eines Tages erzählte, was er geträumt hatte: "Wir banden Garben auf dem Feld, und meine Garbe richtete sich auf und stand, aber eure Garben stellten sich ringsumher und neigten sich vor meiner Garbe." WABT 190 3 "Willst du unser König werden und über uns herrschen?", riefen seine Brüder in neidischem Ärger (1. Mose 37,7.8a). WABT 190 4 Bald darauf hatte er einen weiteren Traum von ähnlicher Bedeutung, den er ihnen ebenfalls erzählte: "Die Sonne und der Mond und elf Sterne neigten sich vor mir." (1. Mose 37,9) Dieser Traum ließ sich wie der erste mit Leichtigkeit auslegen. Auch der Vater, der anwesend war, wies ihn zurecht: "Was ist das für ein Traum, den du geträumt hast? Sollen ich und deine Mutter und deine Brüder kommen und vor dir niederfallen?" (1. Mose 37,10) Doch trotz der scheinbaren Strenge seiner Worte war Jakob davon überzeugt, dass Gott Josef die Zukunft offenbart hatte. WABT 190 5 Als der Junge vor seinen Brüdern stand, lag ein Leuchten auf seinem schönen Angesicht, weil ihn der Geist Gottes erfüllte. Da konnten selbst sie ihre Bewunderung nicht verbergen. Aber sie wollten ihre gottlose Lebensweise nicht aufgeben. Sie hassten diese reine Gesinnung, die ihre Sünden rügte. Dieselbe Einstellung, die Kain antrieb, beherrschte auch sie. Die Rache Der Neidischen Brüder WABT 191 1 Um Weideland für ihre Herden zu finden, mussten die Brüder von Ort zu Ort ziehen. Deshalb waren sie oft monatelang von zu Hause fort. Nach den Vorfällen, von denen gerade die Rede war, kamen sie in die Nähe von Sichem, wo ihr Vater Land gekauft hatte. Als aber nach geraumer Zeit kein Lebenszeichen von ihnen eintraf, fing Jakob an, um ihre Sicherheit zu bangen. Er dachte an die Grausamkeit, mit der sie damals gegen die Einwohner von Sichem vorgegangen waren. Deshalb schickte er Josef los, um sie zu suchen und mit einer Nachricht über ihr Befinden zurückzukommen. Hätte Jakob gewusst, was für Gefühle seine Söhne gegen Josef hegten, hätte er ihn niemals allein zu ihnen geschickt. Aber diese hatten sie wohlweislich vor ihm verheimlicht. WABT 191 2 Fröhlich verabschiedete sich Josef von seinem Vater. Weder der alte noch der junge Mann hätten sich träumen lassen, was bis zu ihrem Wiedersehen alles geschehen würde. Als Josef nach langer, einsamer Wanderung nach Si- chem kam, war von seinen Brüdern und ihren Herden nichts zu sehen. Auf seine Erkundigungen hin wies man ihn nach Dotan. Über 80 Kilometer hatte er bereits zurückgelegt, und jetzt lagen noch einmal 25 Kilometer vor ihm. Aber der Gedanke an die Sorgen des Vaters und an das Wiedersehen mit seinen Brüdern ließ ihn seine Müdigkeit vergessen, denn er hatte sie noch immer lieb, obwohl sie so unfreundlich zu ihm waren. Und darum beeilte er sich voranzukommen. WABT 191 3 Seine Brüder sahen Josef herankommen, aber kein Gedanke an den langen Weg, den er auf sich genommen hatte, um sie zu treffen, an seine Müdigkeit, seinen Hunger, sein Recht auf ihre Gastfreundschaft und brüderliche Liebe milderte ihren bitteren Hass. Der Anblick seines schönen Gewandes - das Zeichen der väterlichen Liebe - machte sie rasend. "Seht, der Träumer kommt daher!" (1. Mose 37,19), höhnten sie. Nun ließen sie sich von Neid und Rachegefühlen beherrschen, die sie insgeheim lange genährt hatten. "So kommt nun und lasst uns ihn töten", sagten sie, "und in eine Grube werfen und sagen, ein böses Tier habe ihn gefressen; so wird man sehen, was seine Träume sind" (1. Mose 37,20). WABT 191 4 Wäre Ruben nicht gewesen, hätten sie ihren Plan auch ausgeführt. Er jedoch schreckte davor zurück, sich an der Ermordung seines Bruders zu beteiligen, und schlug ihnen vor, ihn lebend in eine Grube zu werfen und darin umkommen zu lassen. Insgeheim aber hatte er die Absicht, ihn zu befreien und seinem Vater zurückzubringen. Nachdem Ruben alle von seinem Plan überzeugt hatte, entfernte er sich von ihnen, denn er befürchtete, seine Gefühle nicht in der Gewalt zu haben und ihnen damit sein wirkliches Vorhaben zu verraten. WABT 192 1 Ohne die drohende Gefahr zu ahnen, ging Josef auf seine Brüder zu. Er war froh, das Ziel seiner langen Suche endlich erreicht zu haben. Aber statt des erwarteten Grußes ließen ihm die zornigen und rachsüchtigen Blicke seiner Brüder das Blut in den Adern stocken. Sie packten ihn und rissen ihm das schöne Gewand vom Leib. Spott und Drohungen verrieten ihre mörderische Absicht. Sein Flehen blieb unbeachtet. Er war völlig in der Gewalt dieser von allen Sinnen verlassenen Männer. Sie schleppten ihn grob zu einer tiefen Grube und warfen ihn hinein. Nachdem sie sich überzeugt hatten, dass es daraus kein Entkommen gab, überließen sie ihn dem Hungertod. Dann "setzten [sie] sich nieder, um zu essen" (1. Mose 37,25). WABT 192 2 Doch einigen von ihnen war unbehaglich zumute. Sie spürten nichts von der Genugtuung, die sie sich von ihrer Rache versprochen hatten. Wenig später sahen sie eine Gruppe Reisender näher kommen. Es war eine Karawane von Ismaelitern aus der Gegend jenseits des Jordan, die sich mit Gewürzen und anderen Handelswaren auf dem Weg nach Ägypten befand. Nun schlug Juda vor, Josef diesen heidnischen Händlern zu verkaufen, statt ihn dem Hungertod zu überlassen. Somit hätten sie ihn endgültig aus dem Weg geräumt, ohne sich an seinem Blut schuldig zu machen. Mit Nachdruck sagte er: "Denn er ist unser Bruder, unser Fleisch und Blut." (1. Mose 37,27) Diesem Vorschlag stimmten alle zu, und schnell zogen sie Josef aus der Grube. Josef Als Sklave Verkauft WABT 192 3 Als Josef die Kaufleute sah, wurde ihm seine schreckliche Lage blitzartig klar. Versklavt zu werden war ein Schicksal, das man mehr fürchten musste als den Tod. Voller Entsetzen flehte er erst den einen, dann den anderen seiner Brüder um Hilfe an, aber vergebens. Einigen tat er wohl leid, aber aus Angst vor dem Spott der anderen hielten sie den Mund. Alle hatten das Gefühl, schon zu weit gegangen zu sein, um jetzt noch den Rückzug antreten zu können. Würde Josef jetzt verschont werden, würde er dem Vater zweifelsohne alles über sie berichten. Dieser aber würde über ihr grausames Verhalten gegenüber seinem Lieblingssohn sicher nicht hinwegsehen. Sie verhärteten ihr Herz gegenüber seinem Flehen und übergaben ihn den heidnischen Händlern. Die Karawane zog weiter und war bald aus ihrem Blickfeld verschwunden. WABT 192 4 Als Ruben zurückkam und sich heimlich zur Grube begab, fand er Josef nicht mehr vor. Bestürzt und von Selbstvorwürfen gepeinigt, zerriss er seine Kleider, rannte zu seinen Brüdern und rief verzweifelt: "Der Knabe ist nicht da! Wo soll ich hin?" (1. Mose 37,30) Als er von Josefs Schicksal erfuhr, begriff er, dass sein Bruder nicht mehr zurückzuholen war. Da ließ er sich von den anderen überreden und stimmte dem Versuch zu, ihre Schuld zu verheimlichen. Sie töteten eine junge Ziege, tauchten Josefs Gewand in das Blut und brachten es zu ihrem Vater. Sie erzählten ihm, sie hätten die Tunika auf einem Feld gefunden und befürchteten, sie gehöre ihrem Bruder. "Wir haben das hier gefunden", logen sie. "Sieh es dir genau an. Das ist doch Josefs Gewand, oder nicht?" (1. Mose 37,32 NLB) Mit Schaudern hatten sie diesem Augenblick entgegengesehen, aber auf einen so herzzerreißenden seelischen Schmerz, auf einen so heftigen Ausbruch seiner Verzweiflung, wie sie ihn nun miterleben mussten, waren sie nicht gefasst. Jakob rief: "Ja, es ist das Gewand meines Sohnes. Ein wildes Tier muss ihn gefressen haben. In Stücke gerissen wurde Josef, in Stücke gerissen!" (1. Mose 37,33 NLB). Vergeblich versuchten seine Söhne und Töchter, ihn zu trösten. "Jakob zerriss seine Kleider und wickelte ein grobes Tuch um seine Hüften. Lange Zeit trauerte er um seinen Sohn." Doch die Zeit schien seine Trauer nicht zu mindern. "Ich werde vor Trauer um meinen Sohn sterben!", rief er verzweifelt aus (1. Mose 37,34.35 NLB). Nun waren die jungen Männer über ihre Tat entsetzt. Aber aus Angst vor den Vorwürfen ihres Vaters behielten sie das Wissen um ihr Vergehen für sich. Doch selbst ihnen erschien ihre Schuld riesengroß. ------------------------Kapitel 20 - Josef In Ägypten WABT 194 0 1. Mose 39,1 bis 41,46. WABT 194 1 Unterdessen war Josef mit denen, die ihn gefangen hielten, auf dem Weg nach Ägypten. Als sich die Karawane der Südgrenze Kanaans näherte, konnte der junge Mann in der Ferne die Hügel erkennen, zwischen denen die Zelte seines Vaters standen. Beim Gedanken an seinen liebevollen Vater weinte er in seiner Einsamkeit und Not bittere Tränen. Erneut liefen die Ereignisse bei Dotan vor seinem inneren Auge ab. Er sah seine zornigen Brüder und spürte, wie sie ihre hasserfüllten Blicke auf ihn richteten. In seinen Ohren klangen noch die beleidigenden Worte nach, mit denen sie sein angstvolles Flehen beantwortet hatten. Zitternd schaute er in die Zukunft. Wie sehr hatte sich seine Lage doch verändert! Aus einem zärtlich geliebten Sohn war ein verachteter und hilfloser Sklave geworden! Und wie würde sich sein Schicksal im fremden Land, in das er zog, gestalten - allein und ohne Freunde? Eine Zeitlang ließ sich Josef von seinem Schmerz und seiner Angst überwältigen. WABT 194 2 Aber durch Gottes Vorsehung sollte dem jungen Josef sogar diese Erfahrung zum Segen werden. In nur wenigen Stunden lernte er, was ihn Jahre nicht hätten lehren können. Wie innig und herzlich die Liebe seines Vaters zu ihm auch gewesen war, hatte dieser durch seine Parteilichkeit und Gefälligkeiten doch falsch an ihm gehandelt. Die unkluge Bevorzugung durch den Vater hatte seine Brüder verärgert und zur grausamen Tat getrieben, die Josef nun von seinem Zuhause trennte. Das falsche Verhalten seines Vaters hatte auch in Josefs Charakter Auswirkungen hinterlassen. Fehler waren gefördert worden, die nun berichtigt werden mussten. Josef war anspruchsvoll und überheblich geworden. An die liebevolle Fürsorge seines Vaters gewöhnt, sah er sich nun unvorbereitet, mit den vor ihm liegenden Schwierigkeiten fertigzuwerden. Wie sollte er das bittere, verachtete Leben eines Fremdlings und Leibeigenen ertragen? WABT 194 3 Dann aber wandten sich seine Gedanken dem Gott seines Vaters zu. Schon als Kind hatte man ihn gelehrt, diesen Gott zu lieben und zu ehren. Oft hatte er im Zelt seines Vaters zugehört, wenn dieser von seiner Traumvision erzählte, die er als Flüchtling und Verbannter erhalten hatte, nachdem er von Zuhause geflohen war. Er hatte von den Verheißungen gehört, die Jakob von Gott empfangen hatte, und wie sie in Erfüllung gegangen waren - wie Engel in der Stunde der Not gekommen waren, um ihn zu unterweisen, zu trösten und zu beschützen. Und er hatte vom Erlöser erfahren, den Gott aus Liebe für die Menschheit vorgesehen hatte. All dies wurde ihm nun deutlich bewusst. Josef gewann die feste Überzeugung, dass der Gott seiner Vorfahren auch sein Gott sein werde. Dort auf dem Weg vertraute er sich ganz diesem Gott an und betete, dass der Beschützer Israels im Land seiner Verbannung mit ihm sein möge. WABT 195 1 Er war ganz vom festen Entschluss durchdrungen, Gott treu zu bleiben und sich unter allen Umständen so zu verhalten, wie es sich für einen Untertan des Königs im Himmel geziemte. Er nahm sich vor, dem Herrn mit ungeteiltem Herzen zu dienen, die Prüfungen, die mit seinem Los zusammenhingen, tapfer zu ertragen und jede Pflicht treu zu erfüllen. Was Josef an diesem einen Tag erlebt hatte, war zum Wendepunkt in seinem Leben geworden. Die Tragödie dieses Tages hatte aus einem verwöhnten Jugendlichen einen besonnenen, mutigen und selbstbeherrschten Mann gemacht. Josefs Dienst Im Hause Potifars WABT 195 2 Nach der Ankunft in Ägypten verkaufte man Josef an Potifar, den Oberbefehlshaber der königlichen Leibwache. In dessen Dienst blieb er zehn Jahre lang. Hier war er einer Vielzahl von außergewöhnlichen Versuchungen ausgesetzt. Er befand sich mitten im Götzendienst. Diese Anbetung falscher Götter war ganz von königlichem Prunk und Pomp umgeben und wurde vom Wohlstand und der Kultur des zivilisiertesten Landes jener Zeit getragen. Doch Josef bewahrte sich seine Bescheidenheit und seine Treue zu Gott. Wohin er auch blickte und was er auch hörte, es umgab ihn Lasterhaftigkeit. Aber er nahm davon keine Notiz. Er gestattete es seinen Gedanken nicht, bei unerlaubten Dingen zu verweilen. Sein Wunsch, die Gunst der Ägypter zu gewinnen, konnte ihn nicht dazu bewegen, seine Grundsätze zu verheimlichen. Hätte er das getan, wäre er den Verlockungen erlegen. Aber er schämte sich des Glaubens seiner Vorfahren nicht und versuchte gar nicht zu verbergen, dass er Jahwe verehrte. WABT 195 3 "Der Herr war mit Josef, sodass er ein Mann wurde, dem alles glückte ... Und sein Herr sah, dass der Herr mit ihm war; denn alles, was er tat, das ließ der Herr in seiner Hand glücken." (1. Mose 39,2.3) Potifars Vertrauen zu Josef wurde täglich größer. Schließlich machte er ihn zu seinem Verwalter und erteilte ihm uneingeschränktes Verfügungsrecht über alles, was ihm gehörte. "Sein Herr überließ Josef alles und kümmerte sich zu Hause um nichts mehr außer um sein eigenes Essen." (1. Mose 39,6 GNB) WABT 196 1 Dass alles gedieh, was Josef anvertraut war, beruhte nicht auf einem besonderen Wunder. Vielmehr belohnte Gott seinen Fleiß, seine Mühe und seine Tatkraft mit dem göttlichen Segen. Josef selbst schrieb seinen Erfolg der Gunst Gottes zu, und selbst sein heidnischer Herr hielt das für das Geheimnis seines beispiellosen Wohlstands. Ohne andauernde und zielgerichtete Anstrengungen hätte sich aber kein Erfolg einstellen können. So wurde Gott durch die Treue seines Dieners verherrlicht. Es war seine Absicht, dass sich der Gläubige durch seine Reinheit und Aufrichtigkeit deutlich von den Götzendienern unterscheidet, damit Gottes Gnade wie ein Licht inmitten der Dunkelheit des Heidentums aufleuchtete. WABT 196 2 Josefs Sanftmut und Treue überzeugten den Oberbefehlshaber, der in ihm schließlich mehr einen Sohn als einen Sklaven sah. So kam Josef mit Männern von Rang und Gelehrsamkeit in Berührung und erwarb sich Kenntnisse in den Naturwissenschaften, den Sprachen und in der Politik - alles in allem eine Ausbildung, wie sie der zukünftige Ministerpräsident Ägyptens haben musste. Eine Heikle Versuchung Mit Folgen WABT 196 3 Aber Josefs Glaube und Lauterkeit sollten erst noch ihre Feuerprobe bestehen. Die Frau seines Herrn wollte den jungen Mann dazu verführen, Gottes Gesetz zu übertreten. Bislang war es ihm gelungen, sich von der Verderbtheit, die in diesem heidnischen Land anzutreffen war, nicht anstecken zu lassen. Wie aber sollte er sich bei dieser Versuchung verhalten? Sie kam so plötzlich, so stark und so verführerisch! Josef wusste genau, welche Folgen es hätte, wenn er sich ihr widersetzte. Einerseits käme es zu Heimlichtuerei, Gunsterweisen und Belohnungen, andererseits warteten Schande, Gefängnis oder gar der Tod auf ihn. Sein ganzes zukünftiges Leben hing von seiner augenblicklichen Entscheidung ab. Würde Josef an seinen Grundsätzen festhalten? Würde er Gott auch jetzt noch treu bleiben? Mit unaussprechlicher Sorge verfolgten die Engel das Geschehen. WABT 196 4 Josefs Antwort zeigt die Kraft religiöser Grundsätze. Er wollte das Vertrauen seines irdischen Herrn nicht missbrauchen und seinem Herrn im Himmel treu bleiben - ungeachtet aller Folgen. Unter den prüfenden Augen Gottes und heiliger Engel nehmen sich viele Menschen Freiheiten heraus, die sie sich in Gegenwart ihrer Mitmenschen niemals zuschulden kommen lassen würden. Aber Josef dachte zuerst an Gott. "Wie sollte ich denn nun ein solch großes Übel tun und gegen Gott sündigen?", sagte er (1. Mose 39,9). WABT 197 1 Wenn wir uns angewöhnen würden, immer daran zu denken, dass Gott alles, was wir tun und sagen, wahrnimmt, über unsere Worte und Taten zuverlässig Bericht führt und wir alles einmal verantworten müssen, würden wir uns vor der Sünde fürchten. Mögen sich die Jugendlichen immer dessen bewusst sein, dass sie sich in Gottes Gegenwart befinden - ganz gleich, wo sie sind und was sie tun. Nichts von unserem Verhalten bleibt unbemerkt. Wir können unser Tun vor dem Allerhöchsten nicht verbergen. Selbst strenge menschliche Gesetze werden oft unbemerkt übertreten, weshalb auch keine Strafe erfolgt. Aber in Bezug auf Gottes Gesetz verhält es sich anders. Die dunkelste Nacht ist kein Deckmantel für den Schuldigen. Er meint vielleicht, unbeobachtet zu sein, aber bei allem, was er tut, gibt es einen unsichtbaren Zeugen. Die tatsächlichen Beweggründe des Menschen liegen Gott offen zur Prüfung vor. Jede Tat, jedes Wort, jeder Gedanke wird eigens vermerkt, als gäbe es nur einen einzigen Menschen auf der ganzen Welt und würde der Himmel seine ganze Aufmerksamkeit nur auf ihn lenken. WABT 197 2 Josef büßte für seine Anständigkeit. Denn die Frau, die ihn verführen wollte, rächte sich an ihm und bezichtigte ihn des üblen Verbrechens einer Vergewaltigung. Deshalb wurde er ins Gefängnis geworfen. Hätte Potifar die Anschuldigungen, die seine Frau gegen Josef vorbrachte, geglaubt, hätte der junge Hebräer sein Leben verloren. Aber seine Bescheidenheit und Rechtschaffenheit, die sein bisheriges Verhalten ausgezeichnet hatten, bewiesen seine Unschuld. Um aber die Ehre seines Hauses zu retten, lieferte ihn Potifar der Schande und Gefangenschaft aus. Josefs Dienst Im Gefängnis WABT 197 3 Anfangs behandelten die Gefängniswärter Josef sehr streng. Der Psalmist beschreibt es so: "Man zwängte seine Füße in eiserne Fesseln, ein eiserner Ring umschloss seinen Hals, bis sich dann seine Voraussage erfüllte und das Wort des Herrn seine Unschuld erwies." (Psalm 105,18.19 GNB) Josefs wahrer Charakter zeigte sich gerade auch im dunklen Kerker. Er verlor weder seinen Glauben noch seine Geduld. Die Jahre seines treuen Dienstes wurden ihm auf grausamste Art vergolten doch dies machte ihn weder mürrisch noch misstrauisch. Er hatte den Frieden, den ein reines Gewissen verleiht, und vertraute seinen Fall Gott an. Er dachte nicht weiter über das erlittene Unrecht nach, sondern vergaß seinen eigenen Kummer, indem er versuchte, das Leid der anderen zu lindern. Selbst im Gefängnis fand er eine Aufgabe. In dieser Schule des Elends bereitete ihn Gott auf größere Aufgaben vor, und Josef sträubte sich nicht gegen diese notwendige Erziehungsmaßnahme. Im Gefängnis sah er die Folgen von Unterdrückung und Gewaltherrschaft sowie die Auswirkungen von Verbrechen. Daraus lernte er, gerecht, mitfühlend und barmherzig zu sein. Das wiederum bereitete ihn darauf vor, später einmal Macht mit Weisheit und Mitgefühl auszuüben. WABT 198 1 Allmählich gewann Josef das Vertrauen des Gefängnisaufsehers, der ihm schließlich sogar die Betreuung aller Insassen übergab. Die Art und Weise wie er im Gefängnis handelte - die Redlichkeit seines alltäglichen Lebens und sein Mitgefühl für jene, die von Kummer und Verzweiflung geplagt wurden - bereitete ihm den Weg zu seinem späteren Erfolg und Ansehen. Jeder Lichtschein, den wir auf andere werfen, fällt auf uns selbst zurück. Jedes freundliche und teilnahmsvolle Wort, das zu Traurigen gesprochen wird, jede Hilfeleistung, um das Los Unterdrückter zu erleichtern, und jede Gabe an Notleidende werden, wenn sie aus dem richtigen Beweggrund geschehen, Segnungen für den Geber zur Folge haben. Josef Deutet Die Träume Von Königlichen Beamten WABT 198 2 Auch der oberste Bäcker und der oberste Mundschenk des Königs waren wegen irgendwelcher Vergehen ins Gefängnis geworfen worden und kamen unter Josefs Aufsicht. Eines Morgens beobachtete er, dass sie sehr traurig aussahen. Als er sich freundlich nach dem Grund erkundigte, erfuhr er, dass sie seltsame Träume gehabt hatten und gern deren Bedeutung wüssten. "Nur Gott kann Träume deuten", entgegnete Josef. "Erzählt mir, was ihr geträumt habt." (1. Mose 40,8 NLB) Nachdem jeder seinen Traum kundgetan hatte, erklärte Josef: In drei Tagen wird der Mundschenk wieder in sein Amt eingesetzt und dem Pharao wie früher den Becher reichen. Aber der oberste Bäcker wird auf Befehl des Königs hingerichtet. In beiden Fällen trat ein, was Josef vorausgesagt hatte. WABT 198 3 Der Mundschenk erklärte Josef seine tiefste Dankbarkeit, sowohl für die ermutigende Auslegung seines Traumes als auch für die zahlreichen freundlichen Aufmerksamkeiten. Als Gegenleistung bat Josef darum, der Mundschenk möge seinen Fall vor den König bringen. Dabei wies er mit ergreifenden Worten darauf hin, dass er selbst ungerechterweise in Gefangenschaft sei: "Denk an mich, wenn es dir wieder gut geht! Erzähle dem Pharao von mir und bitte ihn, mich hier herauszuholen. Denn ich wurde aus meiner Heimat, dem Land der Hebräer, entführt. Und jetzt sitze ich hier im Gefängnis, obwohl ich nichts Unrechtes getan habe." (1. Mose 40,14.15 NLB) WABT 199 1 Der Obermundschenk erlebte die Erfüllung seines Traumes in allen Einzelheiten. Aber nachdem er die Gunst des Königs zurückgewonnen hatte, dachte er nicht mehr an seinen Wohltäter. Noch zwei Jahre blieb Josef im Gefängnis. Die Hoffnung, die in ihm geweckt worden war, erlosch allmählich. Zu allen bisherigen Prüfungen kam nun noch der bittere Stachel des Undanks hinzu. Josefs Deutung Der Träume Des Pharao WABT 199 2 Aber eine göttliche Hand stand im Begriff, ihm die Gefängnistore zu öffnen. Ägyptens König hatte eines Nachts zwei Träume, die offenbar auf dasselbe Ereignis hinwiesen und ein großes Unglück anzukündigen schienen. Weil er ihre Bedeutung nicht herausfinden konnte, versetzten sie ihn ständig in Unruhe. Die Zauberer und Weisen seines Reiches konnten ihm die Träume nicht erklären. Immer größere Ratlosigkeit und Verzweiflung trieben den König um, und im Palast breiteten sich Angst uns Schrecken aus. In der allgemeinen Aufregung fiel dem Mundschenk der Inhalt seines eigenen Traumes wieder ein, und er erinnerte sich an Josef. Nun kamen ihm Gewissensbisse wegen seiner Vergesslichkeit und Undankbarkeit. Sofort meldete er dem König, wie sein eigener Traum und der des Oberbäckers von einem hebräischen Gefangenen gedeutet worden waren und wie sich die Voraussagen genau erfüllt hatten. WABT 199 3 Es war für den Pharao demütigend, sich von den Zauberern und Weisen seines Reiches abzuwenden und bei einem Fremden, noch dazu bei einem Sklaven, Rat zu holen. Aber er war bereit, die bescheidenste Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn er nur von seiner Unruhe befreit werden könnte. Sofort ließ er Josef holen. Der legte seine Sträflingskleidung ab und rasierte sich, weil sein Barthaar in der langen Zeit seiner Haft und Schmach lang geworden war. Dann führte man ihn vor das Angesicht des Königs. WABT 199 4 "Letzte Nacht hatte ich einen Traum", erzählte ihm der Pharao, "und keiner kann mir sagen, was er bedeutet. Doch ich habe gehört, dass du Träume deuten kannst, deshalb habe ich dich rufen lassen." WABT 199 5 Josef antwortete dem Pharao: "Es steht nicht in meiner Macht, das zu tun, Majestät ... nur Gott kann es. Aber er wird ... [dem Pharao] sicher etwas Gutes ankündigen." (1. Mose 41,15.16 NLB) Josefs Antwort offenbarte seine Demut und sein Gottvertrauen. Bescheiden wies er die Ehre zurück, selbst eine höhere Weisheit zu besitzen. "Es steht nicht in meiner Macht, das zu tun." Gott allein kann diese Geheimnisse enthüllen. WABT 200 1 Dann fing der Pharao an, seine Träume zu erzählen: "Ich stand am Ufer des Nils", sagte er. "Plötzlich stiegen sieben fette, gesunde Kühe aus dem Fluss und begannen am Ufer zu weiden. Dann stiegen sieben weitere Kühe aus dem Fluss. Sie waren dünn und ausgemergelt - ich habe in ganz Ägypten noch nie so hässliche Tiere gesehen. Diese mageren Kühe fraßen die sieben fetten auf, die zuerst aus dem Wasser gestiegen waren. Aber danach waren sie trotzdem noch genauso hässlich und mager wie zuvor! Dann erwachte ich. Ich schlief wieder ein und hatte einen zweiten Traum. An einem Halm wuchsen sieben schöne, pralle Ähren. Nach ihnen wuchsen sieben verkümmerte, vom Ostwind vertrocknete Ähren aus dem Halm. Und die vertrockneten Ähren verschlangen die schönen! Ich habe die Träume meinen Wahrsagern erzählt, aber keiner von ihnen konnte mir sagen, was sie bedeuten." (1. Mose 41,17-24 NLB) WABT 200 2 Josef erwiderte: "Beide Träume des Pharao bedeuten das Gleiche. Gott verkündet dem Pharao, was er vorhat." (1. Mose 41,25) Zuerst werden sieben Jahre voller Überfluss kommen. Felder und Gärten werden weit mehr tragen als je zuvor. Auf diese Zeit wird aber eine siebenjährige Hungersnot folgen. "Dann wird man nichts mehr vom Überfluss im Land merken wegen des Hungers, der danach kommt; denn er wird sehr drückend sein." (1. Mose 41,31 EÜ) Die Wiederholung des Traumes wies sowohl auf die Gewissheit als auch auf die Nähe seiner Erfüllung hin. Deshalb riet Josef: "Nun sehe sich der Pharao nach einem klugen, weisen Mann um und setze ihn über Ägypten. Der Pharao möge handeln: Er bestelle Bevollmächtigte über das Land und besteuere Ägypten mit einem Fünftel in den sieben Jahren des Überflusses. Die Bevollmächtigten sollen alles Brotgetreide der kommenden guten Jahre sammeln und auf Weisung des Pharao Korn speichern; das Brotgetreide sollen sie in den Städten sicherstellen. Das Brotgetreide soll dem Land als Rücklage dienen für die sieben Jahre der Hungersnot, die über Ägypten kommen werden. Dann wird das Land nicht an Hunger zugrunde gehen." (1. Mose 41,33-36 EÜ) WABT 200 3 Diese Auslegung war vernünftig und logisch, und die Maßnahmen, die Josef vorschlug, schienen so einleuchtend und klug, dass es an ihrer Richtigkeit nichts zu deuteln gab. Aber wer sollte mit der Durchführung dieses Planes beauftragt werden? Von einer klugen Wahl hing die Erhaltung des ganzen Volks ab. Der König machte sich Sorgen. Eine Zeitlang wurde beraten, wer dafür geeignet wäre. Durch den Mundschenk hatte der Monarch von der Weisheit und Umsicht erfahren, die Josef in der Verwaltung des Gefängnisses an den Tag gelegt hatte. Ganz offensichtlich verfügte dieser Mann über außergewöhnliche Fähigkeiten. Der Mundschenk, der voller Selbstvorwürfe war, wollte seine frühere Undankbarkeit wieder gutmachen, indem er seinen Wohltäter aufs Wärmste empfahl. Weitere Nachforschungen des Königs bestätigten die Richtigkeit seines Berichts. Josef war der einzige Mensch im ganzen Königreich, der die Weisheit besaß, auf die drohende Gefahr hinzuweisen, und der wusste, welche Vorbereitungen zu treffen waren, um ihr zu begegnen. Der König war letztlich davon überzeugt, dass Josef am besten dafür geeignet war, die Pläne, die er ja selbst vorgeschlagen hatte, auch umzusetzen. Offensichtlich stand er unter dem Einfluss einer göttlichen Kraft, und keiner der königlichen Beamten besaß die Fähigkeiten, die Staatsgeschäfte während dieser Krise zu führen. Dass Josef ein Hebräer und Sklave war, fiel angesichts seiner Weisheit und seines gesunden Urteilsvermögens wenig ins Gewicht. "Wie könnten wir einen Mann finden, in dem der Geist Gottes ist wie in diesem?", sagte der König zu seinen Ratgebern (1. Mose 41,38). Josefs Einsetzung Ins Höchste Staatsamt WABT 201 1 Es wurde entschieden, Josef zu ernennen. Der Pharao machte die erstaunliche Ankündigung: "Nachdem dich Gott dies alles hat erkennen lassen, ist keiner so verständig und weise wie du. Du sollst über mein Haus sein, und deinem Mund soll mein ganzes Volk sich fügen; nur um den Thron will ich größer sein als du." (1. Mose 41,39.40 Elb.) Dann bekleidete er ihn mit den Insignien des hohen Amtes: "Der Pharao nahm seinen Siegelring von seiner Hand und steckte ihn an Josefs Hand, und er kleidete ihn in Kleider aus Byssus und legte die goldene Kette um seinen Hals. Und er ließ ihn auf dem zweiten Wagen fahren, den er hatte, und man rief vor ihm her: Werft euch nieder!" (1. Mose 41,42.43 Elb.) WABT 201 2 "Er setzte ihn zum Herrn über sein Haus, zum Herrscher über alle seine Güter, dass er seine Fürsten unterwiese nach seinem Willen und seine Ältesten Weisheit lehrte." (Psalm 105,21.22) Aus dem Gefängnis wurde Josef zum Herrscher über ganz Ägypten eingesetzt. Das war eine höchst ehrenvolle Stellung, aber mit Schwierigkeiten und Verantwortung verbunden. Man steht nicht ohne Gefahr in stolzer Höhe. Ein Sturm kann zwar der bescheidenen Blume im Tal nichts anhaben, entwurzelt aber den stattlichen Baum auf dem Berg. Wer sich in einem bescheidenen Dasein seine Redlichkeit bewahrt hat, kann doch durch die Versuchungen, die Erfolg und Ansehen mit sich bringen, leicht in den Abgrund stürzen. Aber Josefs Charakter bestand die Prüfung im Wohlergehen wie vorher im Unglück. Er blieb Gott im Palast Pharaos genauso treu, wie er es in der Gefängniszelle gewesen war. Er war noch immer ein Fremdling in einem heidnischen Land, getrennt von seinen Angehörigen, die den Herrn verehrten. Aber er glaubte fest, dass Gottes Hand seine Schritte gelenkt hatte. Im ständigen Vertrauen auf ihn verrichtete er treu seine Amtspflichten. Durch Josef wurden der König und die führenden Männer Ägyptens auf den wahren Gott hingewiesen. Auch wenn sie an ihrem Götzendienst festhielten, lernten sie doch die Grundsätze zu achten, die sich im Wesen und Verhalten des Anbeters Jahwes offenbarten. Das Geheimnis Der Charakterstärke Josefs WABT 202 1 Wie wurde Josef befähigt, eine solche Charakterfestigkeit, Aufrichtigkeit und Weisheit zu erwerben? Schon in jungen Jahren hatte er sich daran gewöhnt, mehr der Pflicht als seiner Neigung zu folgen. Die Rechtschaffenheit, das schlichte Vertrauen und der edle Charakter des Jugendlichen trugen im Erwachsenenalter Früchte. Eine einfache Lebensweise hatte die gesunde Entwicklung der körperlichen und geistigen Kräfte begünstigt. Die Gemeinschaft mit Gott durch dessen Werke und das Nachdenken über die großen Wahrheiten, die den Erben des Glaubens anvertraut waren, hatten seine geistliche Haltung entfaltet und veredelt sowie seinen Verstand geweitet und gestärkt, wie das kein anderes Studium hätte leisten können. Gewissenhafte Pflichterfüllung in jeder Lebenslage - in den kleinsten wie in den größten Dingen - hatte bei ihm jede Fähigkeit zum größtmöglichen Nutzen entwickelt. Wer in Übereinstimmung mit dem Willen des Schöpfers lebt, bewirkt an sich selbst die beste und edelste Bildung des Charakters. "Ehrfurcht vor dem Herrn zu haben ist Weisheit und dem Bösen aus dem Wege zu gehen ist Erkenntnis." (Hiob 28,28 NLB) WABT 202 2 Nur wenige machen sich klar, welch einen Einfluss kleine Dinge im Leben auf die Charakterentwicklung ausüben. Nichts, womit wir zu tun haben, ist wirklich unbedeutend. Die verschiedenen Umstände, denen wir Tag für Tag begegnen, sollen unsere Treue prüfen und uns zu größeren Aufgaben befähigen. Durch Grundsatztreue im Alltagsleben gewöhnt sich unser Verstand daran, die Pflicht über Neigung und Vergnügen zu stellen. Jemand, der so erzogen ist, schwankt nicht wie ein Schilfrohr im Wind zwischen Recht und Unrecht. Er erfüllt zuverlässig seine Pflichten, weil ihm Treue und Wahrheitsliebe zu guten Gewohnheiten geworden sind. Durch Treue in den kleinen Dingen erhält man die Stärke, auch größere Aufgaben treu zu erfüllen. WABT 203 1 Ein aufrichtiger Charakter ist wertvoller als das "Gold aus Ofir" (1 Kön 10,11a; vgl. 9,28). Ohne ihn kann es niemand zu ehrenhaftem Ansehen bringen. Aber ein Charakter ist weder erblich, noch kann man ihn käuflich erwerben. Sittliche Stärke und hohe geistige Fähigkeiten sind keine Ergebnisse des Zufalls. Die kostbarsten Gaben sind wertlos, wenn sie nicht verbessert werden. Die Herausbildung eines edlen Charakters ist das Werk einer ganzen Lebenszeit und das Ergebnis von eifrigen und beharrlichen Bemühungen. Gott schenkt uns dazu die Gelegenheiten, aber der Erfolg hängt davon ab, wie wir sie nutzen. ------------------------Kapitel 21 - Josef Und Seine Brüder WABT 204 0 1. Mose 41,47 bis 50,26. WABT 204 1 Mit dem Beginn der fruchtbaren Jahre setzten sofort die Vorbereitungen für die nahende Hungersnot ein. Unter Josefs Leitung wurden an allen wichtigen Orten in ganz Ägypten riesige Vorratshäuser errichtet und umfangreiche Vorkehrungen getroffen, um den Überschuss der erwarteten Ernten unterzubringen. Diese Maßnahmen wurden in den sieben äußerst ertragreichen Jahren fortgesetzt, bis die Menge des eingelagerten Getreides so groß war, dass man sie nicht mehr berechnen konnte. WABT 204 2 Dann begannen gemäß Josefs Voraussage die sieben Jahre der Dürre. "Auch in den angrenzenden Ländern herrschte Hungersnot, aber in Ägypten waren die Vorratshäuser gefüllt. Doch auch in Ägypten begannen die Menschen schließlich zu hungern. Sie flehten den Pharao um Nahrung an, und er sagte zu ihnen: ›Geht zu Josef und tut, was er euch sagt‹. Als die Hungersnot immer drückender wurde, ließ Josef die Vorratshäuser öffnen und verkaufte den Ägyptern das Getreide." (1. Mose 41,54-56 NLB) Die Prüfung Der Brüder Josefs In Ägypten WABT 204 3 Die Hungersnot dehnte sich bis nach Kanaan aus. Auch in der Gegend, wo Jakob wohnte, litt man schwer darunter. Als Jakobs Söhne hörten, dass der ägyptische König große Vorräte angelegt habe, machten sich zehn von ihnen dorthin auf den Weg, um Getreide zu kaufen. Bei der Ankunft wurden sie zum Stellvertreter des Pharao gewiesen. Sie meldeten sich mit anderen Bittstellern beim Herrscher des Landes. "So kamen auch seine Brüder zu ihm. Sie verneigten sich tief vor ihm. Seine Brüder erkannten ihn nicht, aber Josef erkannte sie." (1. Mose 42,6.8 NLB) Sein hebräischer Name war gegen jenen ausgetauscht, der ihm vom König verliehen worden war, und es gab wenig Ähnlichkeit zwischen dem Premierminister Ägyptens und dem jugendlichen, den sie an die Ismaeliter verkauft hatten. Als Josef sah, wie sich seine Brüder vor ihm verneigten und ihm huldigten, fielen ihm wieder seine Träume ein. Die früheren Erlebnisse kamen ihm lebendig in den Sinn. Sein scharfes Auge überflog sie, und er bemerkte, dass Benjamin sich nicht unter ihnen befand. War auch er ein Opfer der unmenschlichen Grausamkeit dieser rohen Männer geworden? Er wollte unbedingt die Wahrheit herausfinden. "Ihr seid Kundschafter", sagte er deshalb schroff, "und seid gekommen zu sehen, wo das Land offen ist" (1. Mose 42,9). WABT 205 1 Sie antworteten: "Nein, mein Herr! Deine Knechte sind gekommen, Getreide zu kaufen. Wir sind alle eines Mannes Söhne; wir sind redlich, und deine Knechte sind nie Kundschafter gewesen." (1. Mose 42,10.11) Josef wollte wissen, ob sie noch dieselbe hochmütige Haltung einnahmen wie damals, als er noch bei ihnen war. Außerdem wollte er ihnen auch Auskünfte über die Familie entlocken. Aber er wusste nur zu genau, wie sehr sie ihn mit ihren Aussagen auch täuschen konnten. Deshalb wiederholte er seine Anschuldigung. Sie antworteten darauf: "Wir, deine Knechte, sind zwölf Brüder, eines Mannes Söhne im Lande Kanaan, und der jüngste ist noch bei unserm Vater, aber der eine ist nicht mehr vorhanden." (1. Mose 42,13) WABT 205 2 Josef tat so, als würde er die Wahrhaftigkeit ihrer Erzählung bezweifeln und sie noch immer für Kundschafter halten. Er erklärte ihnen, er wolle ihre Aussagen überprüfen. Deshalb verlangte er von ihnen, in Ägypten zu bleiben, bis einer von ihnen nach Hause gezogen war und den jüngsten Bruder mitgebracht hatte. Wenn sie dem nicht zustimmten, würden sie als Spione behandelt. Aber auf diese Forderung konnten Jakobs Söhne nicht eingehen. Bis das zeitlich geschafft war, wären ihre Familien längst in Hungersnot geraten. Und wer von ihnen würde die Reise allein antreten und seine Brüder im Gefängnis zurücklassen wollen? Wie hätte der Betreffende unter solchen Umständen vor ihren Vater treten können? Es schien ihnen durchaus möglich, dass sie hingerichtet oder versklavt würden, und wenn Benjamin geholt würde, dann vielleicht nur, um ihr Schicksal zu teilen. Deshalb beschlossen sie, zu bleiben und miteinander zu leiden, statt ihrem Vater durch den Verlust des einzigen Sohnes, der ihm noch geblieben war, weiteres Leid zuzufügen. Also wurden sie ins Gefängnis geworfen, wo sie drei Tage lang blieben. WABT 205 3 Während der Jahre, in denen Josef von seinen Brüdern getrennt war, hatten sich die Söhne Jakobs charakterlich verändert. Sie waren neidisch, hinterlistig, grausam und rachsüchtig gewesen, aber als sie nun durch diese Not auf die Probe gestellt wurden, erwiesen sie sich als selbstlos, hielten treu zusammen und waren ihrem Vater ergeben. Obgleich selbst inzwischen Männer mittleren Alters, waren sie doch seiner Autorität untertan. WABT 206 1 Die drei Tage im ägyptischen Gefängnis waren für die Brüder eine sehr kummervolle Zeit, als sie über ihre früheren Sünden nachdachten. Würde Benjamin nicht herbeigebracht werden, schien ihre Verurteilung als Spione sicher. Sie hatten wenig Hoffnung, dass der Vater der Reise Benjamins nach Ägypten zustimmen würde. WABT 206 2 Am dritten Tag ließ Josef seine Brüder zu sich bringen. Er wagte sie nicht länger in Haft zu behalten, weil ihr Vater und ihre Familien möglicherweise bereits Hunger litten. "Ich bin ein gottesfürchtiger Mann", sagte er, "wenn ihr tut, was ich sage, werdet ihr am Leben bleiben. Wir wollen sehen, ob ihr wirklich ehrliche Leute seid. Nur einer von euch soll hier im Gefängnis bleiben. Die Übrigen können nach Hause gehen und Getreide für ihre hungernden Familien mitnehmen. Aber bringt mir euren jüngsten Bruder her. Dann werde ich wissen, dass ihr mir die Wahrheit gesagt habt, und ich werde euch am Leben lassen." (1. Mose 42,18-20 NLB) Mit diesem Vorschlag erklärten sie sich einverstanden. Allerdings betonten sie, es bestehe nur wenig Hoffnung, dass ihr Vater Benjamin mit ihnen nach Ägypten zurückkehren lassen werde. WABT 206 3 Josef hatte sich bislang durch Dolmetscher mit seinen Brüdern verständigt. Weil sie nicht vermuteten, dass er sie verstehen konnte, sprachen sie in seiner Gegenwart ganz offen miteinander. Sie machten sich schwere Vorwürfe, weil sie Josef so schäbig behandelt hatten: "Das alles ist nur aufgrund dessen geschehen, was wir Josef vor langer Zeit angetan haben. Wir haben seine Angst gesehen, als er uns um Gnade anflehte, aber nicht darauf gehört. Jetzt müssen wir dafür büßen." (1. Mose 42,21 NLB) Ruben, der bei Dotan Josefs Rettung geplant hatte, fügte nun hinzu: "Habe ich euch damals nicht gesagt, ihr solltet ihm nichts tun ... Aber ihr wolltet ja nicht auf mich hören. Und jetzt werden wir sterben, weil wir seinen Tod auf dem Gewissen haben." (1. Mose 42,22 NLB) Als Josef das hörte, konnte er seine Gefühle nicht länger beherrschen. Er ging hinaus und weinte. Nach seiner Rückkehr ließ er Simeon in ihrer Gegenwart fesseln und wieder ins Gefängnis werfen. Simeon war der Anstifter und Haupttäter gewesen, als sie ihren Bruder so grausam behandelt hatten. Darum fiel nun die Wahl auf ihn. WABT 206 4 Bevor Josef seinen Brüdern erlaubte aufzubrechen, ordnete er an, sie mit Getreide zu versorgen und jedem sein Geld ohne ihr Wissen oben in den Sack zu legen. Sie erhielten auch Futter für die Tiere. Unterwegs öffnete einer der Brüder seinen Sack und war bestürzt, seinen Beutel mit Silber darin zu finden. Als er das den anderen sagte, fragten sich alle beunruhigt und erschrocken: "Was hat Gott uns angetan?" (1. Mose 42,28 NLB) Sollten sie das als gutes Zeichen von Gott ansehen oder hatte Gott es zugelassen, um sie für ihre Sünden zu bestrafen und sie in noch größere Schwierigkeiten zu stürzen? Sie erkannten, dass Gott ihre Sünden wahrgenommen hatte und sie nun dafür bestrafte. WABT 207 1 Sehnsüchtig wartete Jakob auf die Rückkehr seiner Söhne. Als sie endlich ankamen, scharten sich alle Bewohner des Zeltlagers neugierig um sie, und die Brüder berichteten ihrem Vater alles, was sich ereignet hatte. Angst und Schrecken packte sie alle. Das Verhalten des ägyptischen Herrschers schien böse Absichten zu verraten. Ihre Befürchtungen wurden bestätigt, als sie die Säcke öffneten und jeder darin sein Geld wiederfand. In seinem Kummer rief der alte Vater: "Ihr raubt mir meine Kinder! Josef ist verschwunden, Simeon ist fort und jetzt wollt ihr mir auch noch Benjamin wegnehmen. Es bleibt mir auch nichts erspart!" Ruben antwortete darauf: "Wenn ich dir Benjamin nicht zurückbringe, darfst du meine beiden Söhne töten. Vertraue ihn mir an. Ich werde ihn zurückbringen!" (1. Mose 42,36.37 NLB) Aber mit so voreiligen Worten waren Jakobs Sorgen nicht zu vertreiben. Er gab zur Antwort: "Mein Sohn wird nicht mit euch nach Ägypten ziehen, denn sein Bruder Josef ist tot, und er allein ist mir übrig geblieben. Wenn ihm auf der Reise etwas zustoßen sollte, würdet ihr mich vor Kummer ins Grab bringen." (1. Mose 42,38 NLB) Erneute Reise Nach Ägypten -- Mit Benjamin WABT 207 2 Aber die Dürre hielt an. Im Laufe der Zeit war der Vorrat an Getreide, den sie aus Ägypten mitgebracht hatten, nahezu aufgebraucht. Jakobs Söhne wussten nur zu gut, dass es sinnlos wäre, ohne Benjamin nach Ägypten zurückzukehren. Und weil sie wenig Hoffnung hatten, den Entschluss ihres Vaters ändern zu können, verhielten sie sich abwartend und schwiegen zu dem Thema. Immer drückender machte sich die Hungersnot bemerkbar. Aus den sorgenvollen Gesichtern aller Lagerbewohner las der alte Mann ihr Bedürfnis. Schließlich sagte er: "Zieht wieder hin und kauft uns ein wenig Getreide." (1. Mose 43,2) WABT 207 3 Juda antwortete ihm: "Der Mann hat uns ausdrücklich gewarnt: ›Kommt nicht mehr ohne euren Bruder zu mir.‹ Wenn du ihn mit uns gehen lässt, werden wir nach Ägypten ziehen und Getreide kaufen. Wenn du Benjamin jedoch nicht gehen lässt, werden wir auch nicht gehen. Denn der Mann hat gesagt: ›Ohne euren Bruder dürft ihr mir nicht mehr unter die Augen treten.‹" (1. Mose 43,3-5 NLB) Als er merkte, dass der Vater in seinem Entschluss unsicher wurde, fügte er hinzu: "Gib mir den Jungen mit, damit wir aufbrechen können und am Leben bleiben. Andernfalls werden wir alle verhungern -- und nicht nur wir, sondern auch du und unsere Kinder." (1. Mose 43,8 NLB) Er bot sich selbst als Bürge für den Bruder an und war bereit, die Schuld für immer zu tragen, falls es ihm nicht gelinge, ihm Benjamin zurückzubringen. WABT 208 1 Schließlich konnte Jakob seine Zustimmung nicht länger verweigern und befahl seinen Söhnen, sich für die Reise fertig zu machen. Er wies sie auch an, dem Herrscher ein Geschenk von den Dingen mitzunehmen, die das von der Hungersnot heimgesuchte Land noch aufbrachte, "ein wenig Balsam und Honig, Harz und Myrrhe, Nüsse und Mandeln" (1. Mose 43,11). Auch den doppelten Geldbetrag sollten sie dabei haben. "Dazu nehmt euren Bruder, macht euch auf und geht wieder zu dem Mann." (1. Mose 43,13) Als seine Söhne ihre ungewisse Reise antraten, richtete sich der greise Vater auf, hob seine Hände zum Himmel und betete: "Ich bete zu Gott, dem Gewaltigen, dass der Ägypter Erbarmen mit euch hat und Benjamin und euren anderen Bruder wieder mit euch heimkehren lässt. Muss ich denn alle meine Kinder verlieren?" (1. Mose 43,14 GNB) WABT 208 2 Wieder zogen sie nach Ägypten und stellten sich Josef vor. Als sein Auge auf Benjamin fiel, den Sohn seiner eigenen Mutter, bewegte ihn das tief. Doch unterdrückte er seine Rührung und befahl, die Männer in sein Haus zu führen. Dort ließ er ein Mahl vorbereiten, das er gemeinsam mit ihnen einnehmen wollte. Als man die Brüder in den Palast des Statthalters geleitete, witterten sie größte Gefahr. Sie fürchteten, wegen des Geldes, das sie in ihren Säcken gefunden hatten, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Vermutung lag nahe, man habe es absichtlich dorthin gelegt, um einen Vorwand zu haben, sie zu Sklaven zu machen. In ihrer Angst wandten sie sich an den Verwalter des Hauses. Sie erklärten ihm, unter welchen Umständen sie nach Ägypten gekommen seien. Zum Beweis ihrer Unschuld führten sie an, sie hätten das in den Säcken gefundene Geld wieder mitgebracht und noch weiteres dabei, um damit Nahrung zu kaufen. Sie fügten hinzu: "Wir wissen aber nicht, wer uns unser Geld in unsere Säcke gesteckt hat." Der Mann erwiderte: "Seid guten Mutes, fürchtet euch nicht! Euer Gott und eures Vaters Gott hat euch einen Schatz gegeben in eure Säcke. Euer Geld habe ich erhalten." (1. Mose 43,22.23) Da ließ ihre Angst nach. Als dann Simeon, den man aus dem Gefängnis entlassen hatte, wieder zu ihnen stieß, merkten sie, wie barmherzig Gott zu ihnen gewesen war. WABT 208 3 Als der Regent erneut mit ihnen zusammentraf, überreichten sie ihm ihre Geschenke und "fielen vor ihm nieder zur Erde" (1. Mose 43,26). Wieder musste Josef an seine früheren Träume denken. Nachdem er seine Gäste begrüßt hatte, wollte er als Erstes wissen: "Wie geht es eurem alten Vater, von dem ihr mir erzählt habt? Lebt er noch?" Sie antworteten: "Ja, unser Vater ... lebt noch ... und es geht ihm gut." (1. Mose 43,27.28 NLB) Danach verneigten sie sich wieder vor ihm. Als sein Blick auf Benjamin fiel, fragte er: "Ist dies euer jüngster Bruder, von dem ihr mir erzählt habt?" Dann fügte er hinzu: "Gott überschütte dich mit seiner Gnade, mein Sohn!" Von Rührung überwältigt, konnte er nicht weitersprechen. Er eilte hinaus, "lief in sein Privatzimmer und weinte dort" (1. Mose 43,29.30 NLB). WABT 209 1 Nachdem er sich wieder gefasst hatte, kehrte er zurück. Für alle begann ein Festmahl. Nach ihrer Kastenordnung durften Ägypter nicht gemeinsam mit Angehörigen eines anderen Volkes essen. Deshalb saßen Jakobs Söhne an einer Tafel für sich, während der Regent mit Rücksicht auf seinen Rang allein aß. Auch die Ägypter hatten besondere Tische. Als die Brüder Platz genommen hatten, stellten sie überrascht fest, dass sie alle genau nach ihrem Alter zu Tisch saßen. "Ihr Essen wurde ihnen von Josefs Tafel serviert. Benjamin ließ Josef am meisten geben - fünfmal so viel wie seinen Brüdern." (1. Mose 43,34 NLB) Durch diese Bevorzugung Benjamins wollte Josef feststellen, ob sie ihren jüngsten Bruder mit ebenso viel Hass und Missgunst behandelten wie ihn damals. Da die Brüder noch immer annahmen, Josef verstehe ihre Sprache nicht, unterhielten sie sich ungezwungen miteinander. Dadurch hatte er gute Gelegenheit, ihr wahres Denken kennenzulernen. Trotzdem wollte er sie noch weiter prüfen und ordnete vor ihrer Abreise an, seinen silbernen Trinkbecher im Sack des Jüngsten zu verstecken. Der Angeblich Gestohlene Becher WABT 209 2 Fröhlich traten die Brüder die Heimreise an. Simeon und Benjamin waren bei ihnen, ihre Tiere waren mit Getreide beladen, und alle meinten, den Gefahren entronnen zu sein, von denen sie zuvor umgeben waren. Aber kaum hatten sie den Stadtrand erreicht, als der Hausverwalter des Regenten sie einholte und ihnen die bissige Frage stellte: "Warum habt ihr Gutes mit Bösem vergolten? Warum habt ihr den silbernen Becher gestohlen? Ist das nicht der, aus dem mein Herr trinkt und aus dem er wahrsagt? Ihr habt übel getan." (1. Mose 44,4.5) Dieser Becher besaß angeblich die Fähigkeit, giftige Substanzen zu entdecken, wenn sich welche darin befanden. In jener Zeit waren solche Becher als Schutz vor Giftmordanschlägen hoch geschätzt. WABT 209 3 Auf die Beschuldigung des Hausverwalters antworteten die Reisenden: "Warum beschuldigst du uns so schwer? . Wir würden so etwas nie tun. Haben wir dir nicht das Geld, das wir in unseren Säcken gefunden haben, den langen Weg aus Kanaan zurückgebracht? Warum sollten wir Silber oder Gold aus dem Palast deines Herrn stehlen? Wenn du diesen Becher bei einem von uns findest, dann soll derjenige sterben. Und wir anderen wollen die Sklaven deines Herrn sein." (1. Mose 44,7-9 NLB) WABT 210 1 "Gut", sprach der Hausverwalter, "derjenige soll ein Sklave sein, bei dem der Becher gefunden wird. Die anderen sind ohne Schuld" (1. Mose 44,10 NLB). Die Durchsuchung begann unverzüglich. "Rasch lud jeder seinen Sack von seinem Esel." (1. Mose 44,11 NLB) Der Hausverwalter untersuchte alle Säcke. Er fing bei Ruben an und ging der Reihenfolge nach alle durch bis zum Jüngsten. In Benjamins Sack fand er den Becher. WABT 210 2 Als Ausdruck ihres völligen Elends zerrissen die Brüder ihre Gewänder. Langsam kehrten sie in die Stadt zurück. Mit ihren eigenen Worten hatten sie Benjamin zum Sklavendasein verurteilt. Sie folgten dem Hausverwalter zum Palast. Als sie den Statthalter dort noch antrafen, warfen sie sich vor ihm nieder. "Wie habt ihr das tun können?", fragte sie dieser. "Wusstet ihr nicht, dass ein Mann wie ich wahrsagen kann?" (1. Mose 44,15) Josef wollte von ihnen ein Schuldbekenntnis hören. Zwar hatte er nie behauptet, die Gabe der Weissagung zu besitzen. Sie sollten aber glauben, dass ihm die Geheimnisse ihres Lebens bekannt waren. WABT 210 3 Juda ergriff das Wort: "Was sollen wir sagen, Herr? Womit könnten wir uns rechtfertigen? Gott hat unsere Schuld ans Licht gebracht. Wir alle sind jetzt deine Sklaven, genau wie der, bei dem sich der Becher gefunden hat." (1. Mose 44,16 GNB) "Das sei ferne von mir, solches zu tun!", lautete die Entgegnung. "Der, bei dem der Becher gefunden ist, soll mein Sklave sein; ihr aber zieht hinauf mit Frieden zu eurem Vater." (1. Mose 44,17) In seiner großen Sorge trat Juda näher auf den Regenten zu und rief aus: "Herr, du bist so mächtig wie der Pharao! Erlaube mir, dass ich trotzdem das Wort an dich richte, und zürne mir nicht!" (1. Mose 44,18 GNB) Mit rührender Beredsamkeit schilderte er das Leid ihres Vaters, nachdem er Josef verloren hatte. Er erwähnte dessen Zaudern und Zagen, Benjamin mit ihnen nach Ägypten ziehen zu lassen, weil er der einzig verbliebene Sohn seiner Mutter Rahel war, die Jakob so sehr geliebt hatte. "Wenn ich ohne den Jungen zu meinem Vater zurückkehre und er sieht, dass der Junge nicht bei uns ist, wird er sterben. Wir würden die Verantwortung dafür tragen, ihn vor Kummer ins Grab gebracht zu haben. Mein Herr, ich habe mich bei meinem Vater für den Jungen verbürgt. Ich habe zu ihm gesagt: ›Wenn ich ihn dir nicht zurückbringe, will ich mein Leben lang die Schuld auf mich nehmen.‹ Bitte, mein Herr, ... [lass] mich anstelle des Jungen als Sklaven für meinen Herrn hier bleiben und ... [lass] den Jungen mit seinen Brüdern zusammen heimkehren. Denn wie kann ich zu meinem Vater zurückkehren, wenn der Junge nicht bei mir ist? Ich kann nicht mit ansehen, welchen Schmerz ihm das zufügen würde." (1. Mose 44,30-34 NLB) Josef Gibt Sich Seinen Brüdern Zu Erkennen WABT 211 1 Nun war Josef zufriedengestellt. Er sah bei den Brüdern das Ergebnis tiefer, echter Reue. Als er Judas edlen Vorschlag hörte, befahl er allen Männern außer seinen Brüdern, den Raum zu verlassen. Dann rief er, laut weinend: "Ich bin Josef. Lebt mein Vater noch?" (1. Mose 45,3) WABT 211 2 Seine Brüder standen regungslos da, stumm vor Schreck und Staunen. Der Herrscher Ägyptens ihr Bruder Josef, den sie beneidet hatten, den sie töten wollten und schließlich als Sklaven verkauften! All ihre schlechte Behandlung, die sie ihm angetan hatten, fiel ihnen wieder ein. Sie erinnerten sich, wie sie seine Träume verachtet hatten und deren Erfüllung zu verhindern suchten. Und doch hatten sie ihren Teil dazu beigetragen, dass sich diese Träume erfüllten. Nun, da sie völlig in seiner Gewalt waren, würde er sicher das Unrecht rächen, das sie ihm angetan hatten. WABT 211 3 Als er ihre Verwirrung bemerkte, sagte er freundlich zu ihnen: "Kommt her zu mir!" Während sie näher traten, fuhr er fort: "Ich bin euer Bruder Josef, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Aber macht euch deswegen keine Vorwürfe. Gott selbst hat mich vor euch her geschickt, um euer Leben zu retten." (1. Mose 45,4.5 NLB) Er spürte, dass sie für ihre Grausamkeit ihm gegenüber genug gelitten hatten, und wollte ihnen edelmütig die Angst nehmen und ihre bitteren Selbstvorwürfe zerstreuen. WABT 211 4 "Denn schon seit zwei Jahren herrscht nun die Hungersnot und auch in den nächsten fünf Jahren wird man weder säen noch ernten können. Gott hat mich vor euch her geschickt, damit er euch auf wunderbare Art und Weise am Leben erhält und einige von euch übrig bleiben. Ja, nicht ihr habt mich hierher geschickt, sondern Gott! Und er hat mich zum wichtigsten Berater des Pharao gemacht - zum Herrn über sein ganzes Haus und zum Herrscher über ganz Ägypten. Kehrt schnell zu meinem Vater zurück und sagt ihm: ›Dies lässt dir dein Sohn Josef sagen: Gott hat mich zum Herrn über ganz Ägypten gemacht. Komm schnell herab zu mir! Zögere nicht! Du kannst in der Provinz Goschen wohnen, damit du in meiner Nähe bist, du und deine Kinder und Enkelkinder, deine Schaf- und Rinderherden und dein ganzer Besitz. Ich werde für euch sorgen, damit du und deine Familie nicht verarmen, denn es liegen noch fünf Jahre des Hungers vor uns.‹ ... Ihr seht selbst, und auch mein Bruder Benjamin kann sehen, dass ich wirklich Josef bin, der zu euch redet!" (1. Mose 45,6-12 NLB) Nach diesen Worten "umarmte er [weinend] Benjamin und auch Benjamin begann zu weinen. Dann küsste Josef weinend alle seine Brüder. Danach unterhielten sich seine Brüder mit ihm" (1. Mose 45,14.15 NLB). Demütig bekannten sie ihre Schuld und baten ihn um Vergebung. Sie hatten seinetwegen lange Ängste und Gewissensnöte erlitten und waren nun froh, dass er noch am Leben war. WABT 212 1 Die Nachricht von diesen Ereignissen wurde schnell dem König überbracht. Weil ihm sehr daran lag, Josef seine Dankbarkeit zu erweisen, bestätigte er sofort die Einladung seines Stellvertreters an dessen Familie. Er sagte: "Das Beste aus ganz Ägypten soll euch gehören." (1. Mose 45,20 NLB) Man stattete die Brüder mehr als reichlich mit Nahrung, mit Wagen und sonst allem aus, was für ihren Umzug nach Ägypten mitsamt ihren Familien und dem Gesinde nötig war. Dann ließ man sie die Heimreise antreten. Seinen Bruder Benjamin hatte Josef mit mehr Kostbarkeiten beschenkt als die anderen. Weil er aber fürchtete, es könnten sich auf der Heimreise Streitigkeiten erheben, ermahnte er sie beim Aufbruch: "Streitet euch nicht unterwegs!" (1. Mose 45,24 NLB) WABT 212 2 Mit der freudigen Nachricht "Josef lebt noch! ... Und er ist Herrscher über ganz Ägypten!" (1. Mose 45,26 NLB) kehrten Jakobs Söhne zu ihrem Vater zurück. Der alte Mann war zunächst überwältigt. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Aber als er den langen Zug der Wagen und die beladenen Tiere sah und auch Benjamin wieder bei sich hatte, ließ er sich überzeugen. Mit übergroßer Freude rief er aus: "Das genügt! Mein Sohn Josef lebt noch! Ich will mich auf den Weg machen und ihn noch einmal sehen, bevor ich sterbe." (1. Mose 45,28 NLB) WABT 212 3 Eine weitere Demütigung blieb den zehn Brüdern nicht erspart. Sie gestanden ihrem Vater nun den Betrug und die Grausamkeit, die sein und ihr Leben so viele Jahre lang vergiftet hatten. Eine so gemeine Sünde hätte ihnen Jakob nicht zugetraut, aber er erkannte, dass Gott alles zu einem guten Ende gewendet hatte. Deshalb vergab er seinen fehlerhaften Söhnen und segnete sie. Jakob Übersiedelt Mit Seiner Ganzen Sippe Nach Ägypten WABT 212 4 Bald waren Vater und Söhne mit ihren Familien, ihren Herden und der zahlreichen Dienerschaft auf dem Weg nach Ägypten. Freudigen Herzens machten sie sich auf den Weg. Als sie nach Beerscheba kamen, brachte der Patriarch dankbar seine Opfer dar. Er bat den Herrn um eine Zusicherung, dass er auf ihrem Weg mit ihnen sei. In einer nächtlichen Vision kam Gottes Wort zu ihm: "Hab keine Angst, nach Ägypten zu gehen, denn ich werde deine Nachkommen dort zu einem großen Volk machen. Ich gehe mit dir nach Ägypten und ich werde deine Nachkommen wieder hierher zurückbringen." (1. Mose 46,3.4 NLB) WABT 213 1 Die Zusicherung, ihn in Ägypten zu einer großen Nation zu machen, war bedeutungsvoll. Gott hatte bereits Abraham versprochen, dass seine Nachkommenschaft zahllos wie die Sterne sein sollte, aber bislang hatte sich das auserwählte Volk nur langsam vermehrt. Und das Land Kanaan bot derzeit keinen Raum für die Entwicklung einer Nation, wie sie vorausgesagt war, denn es war im Besitz mächtiger heidnischer Stämme, die erst nach "vier Generationen" (1. Mose 15,16 NLB) vertrieben wurden. Wenn hier Jakobs Nachkommen zu einem großen Volk werden sollten, müssten sie die Einwohner des Landes vertreiben oder sich mit ihnen vermischen. Das Erste konnten sie wegen der göttlichen Vorkehrung nicht tun; und wenn sie sich mit den Kanaanitern vermischt hätten, wären sie in der Gefahr gestanden, zur Abgötterei verführt zu werden. In Ägypten hingegen waren die notwendigen Bedingungen zur Erfüllung des Planes Gottes gegeben: Ein gut bewässerter, fruchtbarer Teil des Landes stand ihnen offen, der ihnen jeden Vorteil für ein schnelles Wachstum bot. Und die Verachtung, mit der sie wegen ihrer Erwerbstätigkeit seitens der Ägypter rechnen mussten - denn alle Hirten waren "den Ägyptern ein Gräuel" (1. Mose 46,34) - würde ihnen die Gelegenheit verschaffen, ein besonderes und eigenständiges Volk zu bleiben, und dazu dienen, sie von der Teilnahme an der Götzenanbetung der Ägypter fernzuhalten. WABT 213 2 Als sie Ägypten erreichten, zogen sie sofort in die Landschaft Goschen. Dorthin kam Josef in seinem Staatswagen, von fürstlichem Gefolge begleitet. Dennoch waren der Prunk seiner Umgebung und die Würde seiner Stellung schnell vergessen, denn nur ein einziger Gedanke ging ihm durch den Kopf; nur ein einziges Verlangen bewegte sein Herz. Als er die Reisenden herankommen sah, konnte er seine sehnsüchtige Liebe, die er so viele Jahre hatte unterdrücken müssen, nicht mehr beherrschen. Er sprang vom Wagen und lief seinem Vater entgegen, um ihn zu begrüßen. "Als Josef seinen Vater sah, fiel er ihm um den Hals und weinte lange. Dann sagte Jakob zu Josef: ›Nun kann ich sterben, denn ich habe dich gesehen und weiß, dass du noch am Leben bist.‹" (1. Mose 46,29.30 NLB) WABT 213 3 Josef nahm fünf seiner Brüder, um sie dem Pharao vorzustellen. Dieser überreichte ihnen dabei die Siedlungsgenehmigung für das Land, das ihre neue Heimat werden sollte. Aus Dankbarkeit zu seinem Premierminister hätte der Monarch sie gern zu Staatsbeamten ernannt. Aber Josef, der treue Diener Jahwes, wollte seine Brüder vor den Versuchungen bewahren, denen sie am heidnischen Hof ausgesetzt gewesen wären. Deshalb riet er ihnen, dem König offen ihre Beschäftigung zu nennen, wenn er danach fragen sollte. Jakobs Söhne folgten diesem Rat und erklärten dabei auch, dass sie nur als Gäste im Land weilen und keine ständigen Bewohner werden möchten. Damit behielten sie sich das Recht vor wegzuziehen, wann sie wollten. Der König wies ihnen eine neue Heimstatt zu: Wie angeboten gab er ihnen das Land Goschen, "im besten Teil Ägyptens" (1. Mose 47,6 NLB). WABT 214 1 Nicht lange nach ihrer Ankunft stellte Josef dem König auch seinen Vater vor. Der Patriarch war wohl ein Fremdling an Königshöfen. Aber inmitten großartiger Landschaften hatte er mit einem mächtigeren Monarchen, mit Gott, Umgang gehabt. Und so erhob er jetzt im Bewusstsein seiner Überlegenheit die Hände und segnete den Pharao. WABT 214 2 Bei seiner ersten Begrüßung hatte Jakob gegenüber Josef geäußert, dass er nun bereit sei zu sterben - hatte doch die lange sorgen- und leidvolle Zeit ein glückliches Ende gefunden! Aber ihm wurden noch 17 Jahre in der friedlichen Zurückgezogenheit des Landes Goschen gewährt. Diese Jahre standen im glücklichen Gegensatz zu den vorangegangenen. Er erlebte an seinen Söhnen die Beweise wahrer Reue und sah, dass hier für seine Familie die besten Bedingungen bestanden, die für die Entwicklung zu einem großen Volk notwendig waren. Und sein Glaube erfasste die sichere Zusage, dass seine Nachkommen in der Zukunft das Land Kanaan besiedeln würden. Er war umgeben von allerlei Beweisen der Liebe und Gunst, die ihm der Premierminister Ägyptens geben konnte. Er verbrachte noch glückliche Jahre in der Gesellschaft seines lange verlorenen Sohnes. Ruhig und in Frieden schied er schließlich aus dem Leben. WABT 214 3 Als er den Tod nahen fühlte, ließ er Josef zu sich rufen. Noch immer hielt er sich an Gottes Versprechen, dass seine Nachkommen Kanaan besitzen sollten. Darum sagte er zu ihm: "Wenn du mir wohlgesinnt bist, dann leg deine Hand unter meine Hüfte. Schwöre mir, dass du treu an mir handelst und mir den Gefallen tust, mich nicht in Ägypten zu begraben. Ich möchte bei meinen Vorfahren begraben werden. Wenn ich gestorben bin, dann bring mich aus Ägypten fort und begrabe mich in ihrem Grab." (1. Mose 47,29.30 NLB) Josef versprach es, aber Jakob gab sich damit noch nicht zufrieden. Er verlangte einen feierlichen Eid, ihn an der Seite seiner Vorfahren in der Höhle von Machpela beizusetzen. Jakobs Segen Über Die Stämme Israels WABT 214 4 Noch eine weitere wichtige Angelegenheit musste geregelt werden: Josefs Söhne sollten formell in die Nachkommenschaft Jakobs aufgenommen werden. Als Josef seinen Vater zum letzten Mal besuchte, brachte er Ephraim und Manasse mit. Die beiden jungen Männer waren durch ihre Mutter mit der höchsten Ordnung der ägyptischen Priesterschaft verbunden. Die Stellung ihres Vaters hätte ihnen den Weg zu Reichtum und Würden geöffnet, wenn sie sich entschieden hätten, zu den Ägyptern zu gehören. Josef wünschte aber, dass sie sich ihrem eigenen Volk anschlossen. Er bekundete seinen Glauben an die Bundesverheißung und schlug im Namen seiner Söhne alle Ehrentitel aus, die ihnen der ägyptische Hof anbot. Ihr Platz sollte bei den verachteten Hirtenstämmen sein, denen Gottes Offenbarung anvertraut war. WABT 215 1 Da sagte Jakob: "Heute nehme ich deine beiden Söhne, Ephraim und Ma- nasse, die dir vor meiner Ankunft hier in Ägypten geboren wurden, als meine eigenen Söhne an. Sie sollen Ruben und Simeon gleichgestellt sein." (1. Mose 48,5 NLB). Sie sollten als seine eigenen Söhne angenommen und die Häupter eigener Stämme werden. Damit fiel eines der Vorrechte des Erstgeborenen, die Ruben verwirkt hatte, Josef zu: ein doppelter Anteil in Israel. WABT 215 2 Jakobs Augen waren im Alter schwach geworden. Deshalb hatte er die beiden jungen Männer nicht bemerkt. Als er aber jetzt ihre Umrisse wahrnahm, fragte er: "Wer sind sie?" Nachdem man es ihm gesagt hatte, fügte er hinzu: "Bring sie her zu mir, ich will sie segnen." (1. Mose 48,8.9 NLB) Als sie näher traten, umarmte sie der Patriarch, küsste sie und legte ihnen mit feierlichem Ernst segnend seine Hände auf den Kopf. Dann betete er: "Der Gott, vor dem meine Väter Abraham und Isaak gewandelt sind, der Gott, der mein Hirte gewesen ist mein Leben lang bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel, der segne die Knaben." (1. Mose 48,15.16) Daraus sprach keine Haltung des Verlassens auf sich selbst, kein Vertrauen auf menschliche Kraft oder Schläue. Gott war sein Beschützer und Helfer gewesen. Jakob klagte nicht über die bösen Tage der Vergangenheit. Deren Anfechtungen und Sorgen waren für ihn keine Ereignisse mehr, die gegen ihn gerichtet waren. Sein Gedächtnis erinnerte ihn nur an Gottes Barmherzigkeit und Liebe, die ihn auf seiner Pilgerschaft begleitet hatten. WABT 215 3 Nachdem er den Segen erteilt hatte, versicherte Jakob seinem Sohn: "Siehe, ich sterbe; aber Gott wird mit euch sein und wird euch zurückbringen in das Land eurer Väter." (1. Mose 48,21) Damit hinterließ er den künftigen Generationen seiner Nachkommen für ihre langen Jahre der Knechtschaft und des Leidens sein Glaubenszeugnis. WABT 215 4 Zuletzt wurden alle Söhne an Jakobs Sterbebett gerufen. Er wandte sich an sie und sagte: "Kommt her! Ich will euch sagen, was euch die Zukunft bringen wird. Kommt zusammen und hört, ihr Söhne Jakobs; hört auf Israel, euren Vater." (1. Mose 49,1.2 NLB) Oft genug hatte er voller Sorge an ihre Zukunft gedacht und sich die Geschichte der verschiedenen Stämme auszumalen versucht. Als seine Kinder jetzt den letzten Segen von ihm erwarteten, ruhte der Geist der Weissagung auf ihm. In einer prophetischen Schau enthüllte sich ihm die Zukunft seiner Nachkommen. Nacheinander nannte er die Namen seiner Söhne, beschrieb den Charakter eines jeden und sagte in Kürze die künftige Geschichte des Stammes voraus. WABT 216 1 "Ruben, mein erster Sohn bist du, meine Kraft und der Erstling meiner Stärke, der Oberste in der Würde und der Oberste in der Macht." (1. Mose 49,3) WABT 216 2 Mit diesen Worten schilderte der Vater, wie der Sohn in seiner Stellung als Erstgeborener hätte sein sollen. Aber durch seine schwere Sünde mit Jakobs Nebenfrau (vgl. 1. Mose 35,22) hatte er den Erstgeburtssegen für sich verloren. Jakob fuhr fort: "Weil du aufwalltest wie Wasser, sollst du nicht der Oberste sein." (1. Mose 49,4) WABT 216 3 Das Priestertum fiel später Levi zu. Das Königtum und die messianische Verheißung erhielt Juda, und den doppelten Anteil des Erbes empfing Josef. Der Stamm Ruben brachte es nie zu irgendwelcher Bedeutung in Israel. Er war nicht so zahlreich wie Juda, Josef oder Dan und gehörte zu den Ersten, die [über tausend Jahre später] in Gefangenschaft geführt wurden. WABT 216 4 Dem Alter nach folgten auf Ruben Simeon und Levi. Sie hatten zusammen die Grausamkeit an den Einwohnern von Sichem begangen (vgl. 1. Mose 34,25.26) und trugen auch die meiste Schuld am Verkauf von Josef. Über sie sagte Jakob: "Ich will sie versprengen in Jakob und zerstreuen in Israel." (1. Mose 49,7) WABT 216 5 Bei der Zählung des Volkes Israel kurz vor dem Einzug ins Land Kanaan war Simeon der kleinste Stamm. Mose erwähnte Simeon in seinem letzten Segen überhaupt nicht. Bei der Besiedlung Kanaans erhielt dieser Stamm nur einen kleinen Bereich von Judas Anteil. Familien dieses Stammes, die später mächtig wurden, zogen aus und bildeten verschiedene Kolonien außerhalb des Heiligen Landes. Auch Levi erhielt kein Erbe, ausgenommen 48 Städte, die über das ganze Land verstreut waren. In diesem Fall wurde allerdings der Fluch in Segen verwandelt. Als nämlich alle anderen Stämme von Gott abfielen, hielt der Stamm Levi Jahwe die Treue (vgl. 2. Mose 32,25-29). Deshalb wurde den Leviten später der Dienst am Heiligtum übertragen. WABT 216 6 Den krönenden Segen des Erstgeburtsrechts aber erhielt Juda. Die Bedeutung dieses Namens, der von "preisen" abgeleitet ist (vgl. 1. Mose 29,35), kommt in der geweissagten Geschichte dieses Stammes zum Ausdruck: "Juda, du bist es! Dich werden deine Brüder preisen. Deine Hand wird deinen Feinden auf dem Nacken sein, vor dir werden deines Vaters Söhne sich verneigen. Juda ist ein junger Löwe. Du bist hochgekommen, mein Sohn, vom Raub. Wie ein Löwe hat er sich hingestreckt und wie eine Löwin sich gelagert. Wer will ihn aufstören? Es wird das Zepter von Juda nicht weichen noch der Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis dass der Held [Schilo] komme, und ihm werden die Völker anhangen." (1. Mose 49,8-10) WABT 217 1 Der Löwe, der König der Tiere, ist ein passendes Sinnbild für diesen Stamm. Aus ihm gingen hervor König David, aber auch der Sohn Davids, Schilo15, der wahre "Löwe aus dem Stamm Juda" (Offenbarung 5,5), vor dem sich letztendlich alle Mächtigen verbeugen und dem alle Völker huldigen werden. WABT 217 2 Den meisten seiner Kinder sagte Jakob eine blühende Zukunft voraus. Zuletzt war Josef an der Reihe. Das Herz des Vaters floss über, als er den Segen auf den herabflehte, der von seinen Brüdern getrennt war: "Josef wird wachsen, er wird wachsen wie ein Baum an der Quelle, dass die Zweige emporsteigen über die Mauer. Und wiewohl ihn die Schützen erzürnen und gegen ihn kämpfen und ihn verfolgen, so bleibt doch sein Bogen fest und seine Arme und Hände stark durch die Hände des Mächtigen in Jakob, durch ihn, den Hirten und Fels Israels. Von deines Vaters Gott werde dir geholfen, und von dem Allmächtigen seist du gesegnet mit Segen oben vom Himmel herab, mit Segen von der Flut, die drunten liegt, mit Segen der Brüste und des Mutterleibes. Die Segnungen deines Vaters waren stärker als die Segnungen der ewigen Berge, die köstlichen Güter der ewigen Hügel. Mögen sie kommen auf das Haupt Josefs und auf den Scheitel des Geweihten unter seinen Brüdern!" (1. Mose 49,22-26) WABT 217 3 Jakob hatten schon immer starke Gefühlsäußerungen ausgezeichnet. Er hatte eine tiefe, innige Liebe zu allen seinen Söhnen. Deshalb war auch sein Vermächtnis als Sterbender kein Ausdruck von Parteinahme oder Groll. Er hatte allen vergeben, und er liebte sie bis zu seinem letzten Augenblick. Seine väterlichen Gefühle hätten nur Worte der Hoffnung und Ermutigung für sie gefunden. Aber die Macht Gottes ruhte auf ihm. Unter dem Einfluss göttlicher Eingebung musste er die Wahrheit sagen, auch wenn sie schmerzlich war. WABT 217 4 Nachdem die letzten Segnungen ausgesprochen waren, wiederholte Jakob seine Weisung, wo er begraben sein wollte. "Ich werde versammelt zu meinem Volk; begrabt mich bei meinen Vätern ... in der Höhle auf dem Feld von Machpela ... Da haben sie Abraham begraben und Sara, seine Frau. Da haben sie auch Isaak begraben und Rebekka, seine Frau. Da habe ich auch Lea begraben." (1. Mose 49,29-31) Somit brachte auch die letzte Handlung seines Lebens den Glauben an Gottes Zusagen zum Ausdruck. Jakobs Lebensabend WABT 218 1 Seine letzten Jahre beschieden Jakob nach der leidvollen, mühseligen Zeit einen ruhigen, beschaulichen Lebensabend. Dunkle Wolken hatten sich über seinem Leben zusammengezogen, aber seine Sonne ging leuchtend unter. Die Heilige Schrift sagt: "Um den Abend wird es licht sein." (Sacharja 14,7) "Bleibe fromm und halte dich recht; denn einem solchen wird es zuletzt gut gehen." (Psalm 37,37) WABT 218 2 Jakob hatte gesündigt und schwer darunter gelitten. Viele Jahre mühseliger Arbeit voller Sorge und Kummer musste er durchleben, seitdem er wegen seines großen Betruges aus dem Zeltlager seines Vaters fliehen musste. Immer wieder hatte er die Folgen dieser Unrechtstat geerntet: ein heimatloser Flüchtling, getrennt von seiner Mutter, die er nie wieder sah; sieben Jahre Arbeit für die Frau, die er liebte, um dann gemein betrogen zu werden; 20 Jahre im Dienst eines habsüchtigen und neidischen Verwandten. Zwar sah er seinen Wohlstand zunehmen und seine Söhne heranwachsen, aber er erlebte wenig Freude in seiner uneinigen, streitsüchtigen Familie. Er war bekümmert über die Schandtat an seiner Tochter, über die Rache ihrer Brüder, den Tod Rahels, über Rubens Frevel, Judas Sünde und darüber, wie Josef hinterlistig getäuscht und bösartig behandelt worden war. Wie lang und düster ist diese Liste von Verfehlungen, wenn man sie vor Augen sieht! Immer wieder erlebte er, wie sich bei seinen Söhnen die Sünden wiederholten, deren er sich selbst schuldig gemacht hatte. Aber so bitter die Erziehungsmaßnahme auch gewesen war - er hatte sein Ziel erreicht. Die Züchtigung hatte, wenn sie auch schmerzhaft war, eine "friedsame Frucht der Gerechtigkeit" gebracht (Hebräer 12,11 Elb.). Die Bibel Berichtet Gewissenhaft Auch Über Menschliche Schwächen WABT 218 3 Das inspirierte Wort berichtet gewissenhaft über die Mängel der Männer, die Gottes Gunst in besonderem Maß erlebt haben. Tatsächlich wird über ihre Fehler ausführlicher berichtet als über ihre Tugenden. Darüber haben sich viele gewundert, und Ungläubige hat es dazu veranlasst, über die Bibel zu spotten. Aber es ist gerade einer der stärksten Beweise für die Wahrheit der Heiligen Schrift, dass Tatsachen nicht beschönigt und die Sünden wichtiger Personen nicht verheimlicht werden. Der menschliche Verstand ist dermaßen dem Vorurteil unterworfen, dass unsere Berichterstattung nicht völlig unparteiisch sein kann. Wäre die Bibel nicht von inspirierten Menschen geschrieben worden, wären die Wesenszüge ihrer geachteten Männer sicher in einem schmeichelhafteren Licht dargestellt worden. So aber haben wir einen verlässlichen Bericht ihrer Erfahrungen. WABT 219 1 Auch Menschen in der Gunst Gottes, denen er große Verantwortung übertragen hat, haben manchmal in der Versuchung versagt und Sünden begangen - so wie wir heute uns bemühen, wanken und oft dem Irrtum verfallen. Das Leben der biblischen Gestalten liegt mit allen Fehlern und Torheiten offen vor uns - sowohl zur Ermutigung als auch zur Warnung. Wäre es ohne Schwächen dargestellt worden, müssten wir mit unserer sündigen Natur wegen unseren Fehlern und unserem Versagen verzweifeln. Aber wenn wir erfahren, wie sich andere durch Schwierigkeiten kämpften, die den unseren ähneln, und wenn wir sehen, wo sie in Versuchung nachgaben, wie uns das auch widerfährt, und wenn sie doch wieder Mut fassten und durch Gottes Gnade zu Überwindern wurden, dann ermutigt uns das in unserem Ringen um Rechtschaffenheit. So wie sie nach Rückschlägen doch wieder Boden unter ihren Füßen gewannen und von Gott gesegnet wurden, können auch wir in der Stärke von Jesus Überwinder werden. Andererseits kann uns ihre Lebensgeschichte zur Warnung dienen. Sie zeigt, dass Gott Sünde nicht "ungestraft lässt" (2. Mose 34,7). Er bemerkt die Sünde auch bei denen, die besonders bevorzugt wurden, und verfährt mit ihnen noch strenger als mit denen, die weniger Licht und Verantwortung erhielten. Die Schuld Der Brüder Wird Vergeben WABT 219 2 Nachdem Jakob begraben worden war, begannen sich Josefs Brüder erneut zu fürchten. Obwohl Josef freundlich zu ihnen war, machte sie ihr Schuldbewusstsein argwöhnisch und misstrauisch. Es konnte ja sein, dass er seine Rache aus Rücksicht auf den Vater nur aufgeschoben hatte und nun die lange zurückgehaltene Strafe für ihr Verbrechen vollziehen würde. Sie wagten nicht, persönlich vor ihm zu erscheinen, sondern sandten ihm eine Botschaft: "Bevor dein Vater starb, wies er uns an, dir zu sagen: ›Deine Brüder haben dir übel mitgespielt. Vergib ihnen doch das große Unrecht von damals.‹ Deshalb bitten wir dich, uns zu vergeben. Wir dienen doch demselben Gott wie unser Vater." (1. Mose 50,16.17 NLB) Diese Botschaft rührte Josef zu Tränen. Dadurch ermutigt, gingen die Brüder zu ihm und fielen vor ihm nieder mit den Worten: "Wir sind deine Diener." (1. Mose 50,18 NLB) Josef empfand eine tiefe und selbstlose Liebe zu seinen Brüdern. Der Gedanke, dass sie in ihm Rachsucht vermuteten, schmerzte ihn. "Bin ich etwa an Gottes Stelle? Was mich betrifft, hat Gott alles Böse, das ihr geplant habt, zum Guten gewendet. Auf diese Weise wollte er das Leben vieler Menschen retten. Habt also keine Angst. Ich selbst will für euch und eure Familien sorgen." (1. Mose 50,19-21 NLB) Josefs Leben Als Vorschau Auf Jesus WABT 220 1 Josefs Leben ist eine Vorschau auf Christus. Aus Neid verkauften ihn seine Brüder als Sklaven. Dadurch wollten sie verhindern, dass er größer würde als sie. Als er dann nach Ägypten verschleppt war, bildeten sie sich ein, er könne sie mit seinen Träumen nun nicht mehr beunruhigen. Sie meinten, alles getan zu haben, damit sich diese niemals erfüllen. Aber Gott durchkreuzte ihre Pläne und ließ genau das, was sie verhindern wollten, Wirklichkeit werden. In ähnlicher Weise waren die jüdischen Priester und Ältesten auf Christus eifersüchtig, weil sie befürchteten, er werde das Volk von ihnen abwenden und auf seine Seite ziehen. Sie verurteilten ihn zum Tod, um zu verhindern, dass er König wurde. Aber genau das haben sie damit erreicht! WABT 220 2 Durch sein Sklavendasein in Ägypten wurde Josef zum Retter der Familie seines Vaters. Doch das verringerte keineswegs die Schuld seiner Brüder. In ähnlicher Weise machte die Tatsache, dass Christus von seinen Feinden gekreuzigt wurde, ihn zum Erlöser der in Sünde gefallenen Menschheit und zum Herrscher über die ganze Welt. Dennoch blieb das Verbrechen seiner Mörder verabscheuungswürdig, auch wenn Gottes Vorsehung die Ereignisse zu seinem Ruhm und zum Heil der Menschen gelenkt hatte. WABT 220 3 Wie die eigenen Brüder Josef an Heiden verkauften, verkaufte einer der Jünger Christus an seine bittersten Feinde. Wie Josef fälschlicherweise angeklagt und wegen seiner Tugendhaftigkeit ins Gefängnis geworfen wurde, verachtete und verwarf man Christus, weil dessen rechtschaffenes, selbstloses Leben die Sünden anprangerte. Obschon er nichts Böses getan hatte, wurde er verurteilt, weil falsche Zeugen gegen ihn ausgesagt hatten. Josefs Geduld und Sanftmut, auch wenn er ungerecht behandelt und unterdrückt wurde, seine Vergebungsbereitschaft und edle Großzügigkeit gegenüber dem unmenschlichen Verhalten seiner Brüder stellen dar, wie der Erlöser die Bosheit und Misshandlungen gottloser Menschen ohne zu klagen erduldete. Er vergab nicht nur seinen Mördern, sondern auch allen, die ihm ihre Sünden bekannt und um Vergebung gebeten hatten. Josefs Lebensende WABT 220 4 Josef überlebte seinen Vater um 54 Jahre. "Er erlebte noch die Enkel seines Sohnes Ephraim und die Kinder von Manasses Sohn Machir, die er behandelte, als wären sie seine eigenen." (1. Mose 50,23 NLB) Er erlebte das Wachstum und den Wohlstand seines Volkes. Und in all den Jahren hielt er an seinem Glauben fest, dass Gott Israel in das Land zurückführen werde, das er seinen Vorfahren versprochen hatte. WABT 221 1 Als er spürte, dass sich sein Ende nahte, ließ er seine Angehörigen zu sich rufen. So sehr er auch im Land der Pharaonen geehrt worden war, war Ägypten für ihn doch nur das Land seiner Verbannung. Deshalb sollte seine letzte Handlung bezeugen, dass er zu Israel gehörte. Er sagte: "Gott wird euch ganz bestimmt aus diesem Land führen. Er wird euch in das Land zurückbringen, das er Abraham, Isaak und Jakob mit einem Eid versprochen hat." (1. Mose 50,24 NLB) Dann nahm er den Kindern Israel einen feierlichen Eid ab, dass sie seine Gebeine ins Land Kanaan überführen werden. "Josef starb im Alter von 110 Jahren. Er wurde einbalsamiert und in Ägypten in einen Sarg gelegt." (1. Mose 50,26 NLB) In den folgenden Jahrhunderten mühevoller Arbeit war dieser Sarg für sie eine Erinnerung an Josefs letzte Worte. Er machte ihnen immer wieder bewusst, dass sie nur Gäste in Ägypten waren, und richtete ihre Hoffnung auf das verheißene Land, denn die Zeit der Befreiung würde gewiss kommen. ------------------------Kapitel 22 - Mose WABT 224 0 2. Mose 1,6 bis 4,26. WABT 224 1 Um sich während der Hungersnot ernähren zu können, hatten die Ägypter ihr Vieh und ihre Felder dem König verkauft und sich schließlich zu dauernder Leibeigenschaft verpflichtet. Aber Josef verschaffte ihnen eine weise Möglichkeit, wieder freizukommen: Er gestattete ihnen, Pächter des Königs zu werden, indem sie ihr Land von ihm zurückerhielten und dafür ein Fünftel ihrer Erzeugnisse als Tribut bezahlten (vgl. 1. Mose 47,16-26). WABT 224 2 Jakobs Nachkommen wurden dagegen nicht gezwungen, solche Bedingungen einzugehen. Mit Rücksicht auf die Dienste, die Josef dem ägyptischen Volk geleistet hatte, hatte man ihnen nicht nur einen Teil des Landes als Heimat überlassen, sondern sie brauchten auch keine Steuern zu bezahlen und wurden reichlich mit Nahrung versorgt, solange die Hungersnot anhielt. Der König erkannte öffentlich an, dass Ägypten im Überfluss lebte, weil der Gott Josefs auf gnädige Weise eingegriffen hatte, während andere Völker durch die Hungersnot zugrunde gingen. Er sah auch, dass das Herrscherhaus unter Josefs Verwaltung sehr reich geworden war. Deshalb erwies er aus Dankbarkeit der Familie Jakobs sein königliches Wohlwollen. Zum Frondienst Gezwungen WABT 224 3 Aber die Zeit verstrich, und der mächtige Mann starb, dem Ägypten so viel verdankte. Auch seine Zeitgenossen, die den Segen seines Wirkens erlebt hatten, sanken ins Grab. Und dann "kam ein neuer König auf in Ägypten, der wusste nichts von Josef" (2. Mose 1,8). Nicht, dass er Josefs Verdienste um das Land nicht gekannt hätte, aber er wollte sie nicht anerkennen und sie so weit wie möglich in Vergessenheit geraten lassen. Deshalb sprach er zu seinem Volk: "Siehe, das Volk Israel ist mehr und stärker als wir. Wohlan, wir wollen sie mit List niederhalten, dass sie nicht noch mehr werden. Denn wenn ein Krieg ausbräche, könnten sie sich auch zu unseren Feinden schlagen und gegen uns kämpfen und aus dem Land ausziehen." (2. Mose 1,9.10) WABT 225 1 Die Israeliten waren inzwischen recht zahlreich geworden, denn "sie vermehrten sich ... dass sie schon bald das ganze Land bevölkerten" (2. Mose 1,7 NLB). Unter Josefs fördernder Fürsorge und dem Wohlwollen des damaligen Pharao hatten sie sich rasch über das zugewiesene Gebiet ausgebreitet. Aber sie waren ein besonderes Volk geblieben, das mit den Sitten und der Religion der Ägypter nichts gemein hatte. Ihre stets wachsende Zahl weckte nun beim König und seinem Volk die Angst, sie könnten sich im Fall eines Krieges mit den Feinden Ägyptens verbinden. Aber das Staatsinteresse verbot es, sie aus dem Land zu vertreiben, denn viele Israeliten waren fähige und sachverständige Handwerker, die sehr viel zum Reichtum des Volkes beitrugen. Solche Leute brauchte der König, um seine prachtvollen Tempel und Paläste bauen zu können. Deshalb ordnete er sie den Ägyptern zu, die sich selbst mitsamt ihrer Habe der Krone verkauft hatten. Bald setzte man Arbeitsaufseher über sie ein. Die Versklavung war nun vollständig. "Sie zwangen die Israeliten mit Gewalt zur Fronarbeit und machten ihnen durch die harte Arbeit das Leben schwer: Die Israeliten mussten aus Lehm Ziegel herstellen und auf den Feldern arbeiten." (2. Mose 1,13.14 NLB) "Doch je mehr die Ägypter sie unterdrückten, desto zahlreicher wurden die Israeliten! Da bekamen die Ägypter Angst vor ihnen." (2. Mose 1,12 NLB) WABT 225 2 Der König und seine Ratgeber hatten gehofft, die Israeliten durch harte Arbeit unter Kontrolle halten zu können und damit sowohl deren Anzahl zu vermindern als auch ihren Freiheitsdrang zu bändigen. Als ihnen das misslang, griffen sie zu grausameren Maßnahmen. An die ägyptischen Hebammen erging der Befehl, alle männlichen Kinder der Hebräer bei ihrer Geburt zu töten. Satan selbst war der Urheber dieses Plans. Er wusste, dass aus den Israeliten ein Befreier hervorgehen sollte. Indem er nun den König dazu anstachelte, deren neugeborene Knaben zu töten, hoffte er, Gottes Absichten durchkreuzen zu können. Aber die Hebammen hatten Ehrfurcht vor Gott und wagten nicht, den grausamen Befehl auszuführen. Der Herr billigte ihr Verhalten und segnete sie dafür. WABT 225 3 Als der König merkte, dass sein Plan fehlgeschlagen war, wurde er zornig und gab einen dringlicheren und umfassenderen Befehl heraus. Das ganze Volk wurde aufgerufen, die hilflosen Opfer aufzuspüren und umzubringen. "Schließlich befahl der Pharao seinem ganzen Volk: ›Werft alle neugeborenen hebräischen Jungen in den Nil, aber verschont die Mädchen.‹" (2. Mose 1,22 NLB) Die Rettung Von Mose WABT 226 1 Während dieser Erlass noch in Kraft war, wurde Amram und Jochebed, frommen Israeliten aus dem Stamm Levi, ein Sohn geboren. Der Junge war "ein schönes Kind", und die Eltern waren fest entschlossen, ihn vor dem Tod zu bewahren. Sie glaubten, dass die Zeit für Israels Befreiung näher rückte und Gott einen Erlöser für sein Volk bereitstellen werde. Der Glaube an Gott gab ihnen Kraft. Sie "fürchteten sich nicht vor des Königs Gebot" (Hebräer 11,23). WABT 226 2 Drei Monate lang konnte die Mutter das Kind verbergen. Dann merkte sie, dass es bei ihr nicht mehr sicher war. Sie flocht ein Kästchen aus Binsen und machte es mit Erdharz und Pech wasserdicht. Da hinein legte sie den Säugling und setzte das Kästchen in das Schilf am Ufer des Nils. Sie wagte es nicht, selbst dort zu bleiben, um es zu bewachen, denn sie wollte weder das Leben des Kindes noch ihr eigenes in Gefahr bringen. Aber seine Schwester Mirjam hielt sich, scheinbar unbekümmert, in der Nähe auf und beobachtete gespannt, was mit ihrem kleinen Bruder geschah. Auch andere Wächter waren noch da. Die ernsten Gebete der Mutter hatten das Kind unter Gottes Schutz gestellt. Nun schwebten unsichtbare Engel über seinem bescheidenen Körbchen, und Engel leiteten die Tochter des Pharao dorthin. Das kleine Kästchen erregte die Neugier der Prinzessin. Als sie das schöne Kind, das darin lag, sah, war ihr sofort die ganze Geschichte klar. Seine Tränen erweckten ihr Mitleid. Voller Mitgefühl dachte sie an die unbekannte Mutter, die zu diesem außergewöhnlichen Mittel gegriffen hatte, um das Leben ihres kostbaren Kindes zu bewahren. Darum entschloss sie sich, es zu retten und als ihr eigenes anzunehmen. WABT 226 3 Mirjam hatte heimlich jeden Schritt verfolgt. Als sie den freundlichen Blick bemerkte, mit dem das Kind betrachtet wurde, wagte sie, näher heranzukommen. Schließlich fragte sie: "Soll ich eine Hebräerin holen, die das Kind für dich stillt?" (2. Mose 2,7 NLB) Das erlaubte man ihr. Die Schwester lief mit der freudigen Nachricht zur Mutter und kam sogleich mit ihr zur Tochter des Pharao zurück. "Nimm dieses Kind mit nach Hause und stille es für mich ... Ich werde dich für deine Hilfe bezahlen", sagte die Prinzessin (2. Mose 2,9 NLB). Der Einfluss Einer Gläubigen Mutter WABT 226 4 Gott hatte die Gebete der Mutter erhört und ihren Glauben belohnt. Mit tiefer Dankbarkeit übernahm sie diese beglückende Aufgabe, die sie nun in Sicherheit ausführen konnte. Gewissenhaft nutzte sie die Gelegenheit, ihr Kind für Gott zu erziehen. Sie war sicher, dass ihr Sohn für eine große Aufgabe bewahrt worden war. Sie wusste, dass sie ihn bald seiner königlichen Pflegemutter überlassen musste, wo er von Einflüssen umgeben sein würde, die ihn von Gott wegzuführen drohten. Das alles machte sie, wenn sie ihn unterwies, noch eifriger und sorgfältiger, als das bei ihren beiden anderen Kindern der Fall war. Sie setzte alles daran, um Mose Ehrfurcht vor Gott sowie Liebe zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit beizubringen. Aufrichtig und ernst betete sie darum, dass ihr kleiner Sohn vor jedem verderblichen Einfluss bewahrt bleiben möge. Sie machte ihm die Torheit und Sünde des Götzendienstes klar. Schon früh lehrte sie ihn, sich im Gebet vor dem lebendigen Gott zu beugen. Er allein könne ihn in jeder Notlage hören und ihm auch helfen. WABT 227 1 Jochebed behielt den Jungen, solange sie konnte. Aber als er ungefähr zwölf Jahre alt war, musste sie ihn zurückgeben. Aus seinem bescheidenen Heim kam er nun in den Königspalast zur Tochter des Pharao. Sie nahm ihn "als ihren eigenen Sohn" an (2. Mose 2,10). Die Prägung aus seiner Kindheit ging ihm dort aber nicht verloren. Was ihn seine Mutter gelehrt hatte, war nicht vergessen. Es wirkte wie ein Schild, der ihn vor dem Stolz, der Treulosigkeit und den Lastern schützte, die inmitten des höfischen Glanzes gediehen. WABT 227 2 Wie weitreichend in seinen Folgen war doch der Einfluss dieser einen hebräischen Frau - einer Sklavin im Exil! Das ganze zukünftige Leben von Mose und sein großer Auftrag als Führer Israels sind ein Zeugnis dafür, wie wichtig die Aufgabe einer christlichen Mutter ist. Keine andere kommt ihr gleich. Eine Mutter hält in einem sehr hohen Maß das Schicksal ihrer Kinder in den eigenen Händen. Sie hat mit einem sich entwickelnden Verstand und Charakter zu tun und arbeitet nicht nur für diese Zeit, sondern auch für die Ewigkeit. Jede Mutter sät eine Saat, die aufgehen und Frucht tragen wird - entweder zum Guten oder zum Bösen. Sie muss keine schöne Gestalt auf eine Leinwand malen oder eine solche aus Marmor meißeln, sondern einem jungen Menschen das Bild Gottes einprägen. Insbesondere für die Charakterbildung der Kinder im frühen Alter trägt eine Mutter die volle Verantwortung. Was in dieser Zeit dem sich entwickelnden Geist eingeprägt wird, kommt den Kindern ein ganzes Leben lang zugute. Eltern sollten schon in den jungen Jahren ihrer Kinder mit der Unterweisung und Erziehung darauf abzielen, dass sie Christen werden. Sie sind uns anvertraut, damit wir sie erziehen - aber nicht zu Erben eines irdischen Thrones, sondern um als Könige mit Gott in alle Ewigkeit zu regieren (vgl. Offenbarung 1,6a). WABT 227 3 Jeder Mutter sollte bewusst sein, welch unschätzbar wertvolle Gelegenheiten sich ihr bieten. Am großen Tag der Rechenschaft wird ihr Wirken auf den Prüfstand kommen. Dann wird sich herausstellen, wie viel Versagen und wie viele Verbrechen von Männern und Frauen auf die Unwissenheit und die Nachlässigkeit derer zurückzuführen sind, deren Pflicht es war, ihre Kinder auf den richtigen Weg zu führen. Dann wird man feststellen, dass viele, die durch ihre Begabungen, ihre Wahrhaftigkeit und Rechtschaffenheit der Welt zum Segen wurden, ihre Grundsätze, die die Triebfeder für ihren Einfluss und Erfolg bildeten, einer betenden christlichen Mutter verdanken. Mose Am Hof Des Pharao WABT 228 1 Am Hof des Pharao erhielt Mose die beste zivile und militärische Ausbildung. Der Monarch hatte beschlossen, seinen Adoptiv-Enkel zum Thronfolger zu machen. Für diese hohe Stellung wurde der Junge ausgebildet. "Mose wurde in aller Weisheit der Ägypter gelehrt und war mächtig in Worten und Werken." (Apostelgeschichte 7,22) Durch seine Begabung als Heerführer wurde er zum Liebling der ägyptischen Armee. Man schätzte ihn überall als bemerkenswerte Persönlichkeit. Damit war Satans Absicht gescheitert. Gerade den Erlass, der alle neugeborenen männlichen Kinder der Hebräer zum Tod verurteilte, hatte Gott zum Positiven gewendet: Er war der Anlass, den zukünftigen Führer seines Volkes für diese Aufgabe erziehen und ausbilden zu lassen. WABT 228 2 Engel unterrichteten die Ältesten Israels davon, dass die Zeit der Befreiung nahe sei und Gott Mose dazu bestimmt habe, diese Aufgabe durchzuführen. Engel ließen auch Mose wissen, dass ihn Jahwe dazu auserwählt habe, sein Volk aus der Sklaverei zu befreien. In der Annahme, dass die Israeliten ihre Freiheit mit Waffengewalt erkämpfen müssten, rechnete Mose damit, die Scharen Israels gegen die Heere Ägyptens anzuführen. Während ihn solche Gedanken beschäftigten, hütete er sich vor Gefühlsäußerungen, denn er befürchtete, aufgrund der Bindung an seine Adoptiv-Mutter oder an den Pharao sei er nicht frei, den Willen Gottes zu erfüllen. WABT 228 3 Nach ägyptischem Recht mussten alle Inhaber des Pharaonenthrones Mitglieder der Priesterkaste werden. Als vorgesehener Erbe sollte auch Mose in die Geheimnisse der Staatsreligion eingeführt werden. Diese Aufgabe fiel den Priestern zu. Obwohl Mose ein eifriger und unermüdlicher Schüler war, ließ er sich nicht dazu bewegen, an der Anbetung ihrer Götter teilzunehmen. Man drohte ihm mit dem Verlust der Krone und wies darauf hin, dass ihn die Prinzessin verstoßen werde, wenn er weiterhin am Glauben der Hebräer festhalte. Trotzdem blieb er unerschütterlich bei seinem Entschluss, nur den einen Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde, zu verehren. Er versuchte Priester und Anbeter von der Torheit einer abergläubischen Verehrung toter Dinge zu überzeugen. Niemand konnte seine Argumente widerlegen oder seinen Vorsatz ändern. Doch wegen seiner hohen Stellung und der Gunst, die er bei König und Volk genoss, wurde seine Standfestigkeit zu diesem Zeitpunkt noch geduldet. WABT 229 1 "Durch den Glauben wollte Mose, als er groß geworden war, nicht mehr als Sohn der Tochter des Pharao gelten, sondern wollte viel lieber mit dem Volk Gottes zusammen misshandelt werden, als eine Zeitlang den Genuss der Sünde haben, und hielt die Schmach von Christus für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens; denn er sah auf die Belohnung." (Hebräer 11,24-26) Mose war befähigt, eine herausragende Stellung unter den Großen der Erde einzunehmen, am Hof des herrlichsten Königreichs zu glänzen und dessen Zepter der Macht zu führen. Sein hoher Intellekt hebt ihn unter den großen Männern aller Zeiten hervor. Als Historiker, Dichter, Denker, Heerführer und Gesetzgeber sucht er seinesgleichen. Doch obwohl sich ihm die allergrößten Möglichkeiten boten, hatte er die moralische Kraft, die verlockenden Aussichten auf Reichtum, Macht und Ruhm zu verschmähen. Er "wollte viel lieber mit dem Volk Gottes misshandelt werden, als eine Zeitlang den Genuss der Sünde haben" (Hebräer 11,25). WABT 229 2 Mose war über die endgültige Belohnung unterwiesen worden, die Gottes demütige und gehorsame Diener einst empfangen werden. Im Vergleich dazu sank jeder irdische Gewinn zur Bedeutungslosigkeit herab. Der prächtige Pharaonenpalast und der Herrscherthron wurden ihm als lockender Anreiz vor Augen gehalten, aber er wusste, dass an Königshöfen sündige Vergnügungen zu Hause waren, die die Menschen dort Gott schnell vergessen lassen. Er schaute über den prachtvollen Palast und über die Königskrone hinaus auf die hohen Ehrungen, die einmal den "Heiligen des Höchsten" verliehen werden (Daniel 7,27) - in einem Königreich, in dem es keine Sünde gibt. Im Glauben sah er eine unvergängliche Krone, die der König des Himmels den Überwindern aufsetzen wird. Dieser Glaube bewog ihn, sich von den irdischen Herrschern abzuwenden und sich diesem bescheidenen, armen, verachteten Volk anzuschließen, das sich dafür entschieden hatte, Gott zu gehorchen, statt der Sünde zu dienen. Mose Erschlagt Einen Ägypter WABT 229 3 Mose blieb bis zu seinem 40. Lebensjahr am Hof. Oft dachte er an die erbärmlichen Lebensbedingungen seines Volkes. Er besuchte seine versklavten Brüder und ermutigte sie mit der Zusicherung, dass Gott für ihre Befreiung sorgen werde. Beim Anblick von Ungerechtigkeit und Unterdrückung kam oft Ärger in ihm hoch, und er brannte darauf, das ihnen zugefügte Unrecht zu rächen. Als er eines Tages wieder einmal draußen unterwegs war, sah er, wie ein Ägypter einen Hebräer schlug. Da rannte er hin und tötete den Ägypter. Mit Ausnahme des Israeliten gab es keinen Zeugen für die Tat. Mose vergrub den Leichnam schnell im Sand. Damit hatte er gezeigt, dass er bereit war, für die Sache seines Volkes einzutreten. Er hoffte, sie würden sich erheben, um ihre Freiheit wiederzuerlangen. Mose "meinte aber, seine Brüder sollten es verstehen, dass Gott durch seine Hand ihnen Rettung bringe; aber sie verstanden es nicht" (Apostelgeschichte 7,25). Sie waren für die Freiheit noch nicht reif. WABT 230 1 Am folgenden Tag sah Mose, wie zwei Israeliten miteinander stritten, von denen einer offensichtlich im Unrecht war. Da wies er den Schuldigen zurecht. Der aber widersetzte sich Mose und bestritt ihm das Recht, sich einzumischen, und klagte ihn niederträchtig an, ein Verbrechen begangen zu haben: "Wer hat dich zum Aufseher oder Richter über uns gesetzt?", fragte er. "Willst du mich auch umbringen, wie du den Ägypter umgebracht hast?" (2. Mose 2,14) WABT 230 2 Die ganze Angelegenheit machte unter den Ägyptern schnell die Runde und kam in maßloser Übertreibung bald auch Pharao zu Ohren. Man stellte dem König den Vorfall als sehr schwerwiegend dar. Mose habe die Absicht, sein Volk gegen die Ägypter anzuführen, die Regierung zu stürzen und sich selbst auf den Thron zu setzen. Solange er lebe, könne es für das Königtum keine Sicherheit geben. Sofort beschloss der Monarch, dass Mose sterben müsse. Der erkannte aber die Gefahr, konnte entkommen und in Richtung Arabien fliehen. WABT 230 3 Der Herr aber lenkte seinen Weg. Bei Jitro, dem Priester und Fürsten von Midian, der auch ein Verehrer Jahwes war, fand er Unterschlupf. Später heiratete Mose eine Tochter Jitros. Er blieb 40 Jahre lang im Dienst seines Schwiegervaters und hütete dessen Herden. WABT 230 4 Als Mose den Ägypter erschlug, war er in denselben Fehler verfallen, den seine Vorfahren so oft begangen hatten: Zwar hatte ihnen Gott versprochen, sich für sie einzusetzen, doch sie nahmen das Heft selbst in die Hand. Gott wollte sein Volk nicht durch einen Krieg befreien, wie Mose dachte. Durch seine eigene Macht und Stärke sollte das geschehen, damit ihm allein der Ruhm zugeschrieben werde. Moses Vorbereitung In Midian WABT 230 5 Doch auch diese überstürzte Handlung wendete Gott so, dass seine Absicht erfüllt wurde. Mose war für seine große Aufgabe noch nicht gerüstet. Erst musste er die gleiche Lektion lernen, die auch Abraham und Jakob gelehrt bekommen hatten: Sich nicht auf menschliche Kraft oder Weisheit, sondern allein auf Gottes Macht zu verlassen, wenn es um die Erfüllung seiner Verheißungen ging. Darüber hinaus gab es noch weitere Lehren, die Mose in der Einsamkeit dieser Bergwelt lernen sollte. In der Schule der Selbstverleugnung und Entbehrung sollte er sich Geduld aneignen, um seine Leidenschaften zu beherrschen. Ehe er weise regieren konnte, musste er selbst Gehorsam lernen. Nur in völliger Übereinstimmung mit Gott konnte er Israel die Offenbarung des göttlichen Willens vermitteln. Aufgrund eigener Erfahrungen sollte er darauf vorbereitet werden, allen Hilfsbedürftigen gegenüber väterliche Fürsorge walten zu lassen. WABT 231 1 Menschen hätten in einer so langen Zeit mühevoller Arbeit und Ungewissheit nur einen großen Zeitverlust gesehen. Aber Gott berief in seiner unendlichen Weisheit Mose, den künftigen Führer seines Volkes, dazu, 40 Jahre lang den bescheidenen Dienst eines Hirten auszuüben. Die Gewohnheiten wie Fürsorge, Selbstvergessenheit und liebevoller Umgang mit der Herde, die er auf diese Weise entwickelte, bereiteten ihn darauf vor, ein mitfühlender, langmütiger Hirte Israels zu werden. Das war eine Erfahrung, die keine noch so vorzügliche menschliche Ausbildung oder Kultur hätte ersetzen können. WABT 231 2 Mose hatte vieles gelernt, was er wieder verlernen musste. Die Einflüsse, die ihn in Ägypten umgaben - die Liebe seiner Adoptiv-Mutter, seine hohe Stellung als Enkel des Königs, der überall gegenwärtige Luxus, das Vornehme, Feinsinnige und Geheimnisvolle einer falschen Religion, die Pracht des Götzendienstes und die feierliche Erhabenheit von Architektur und Bildhauerei - das alles hatte ihn während seiner Ausbildung stark beeinflusst und bis zu einem gewissen Grad seine Gewohnheiten und seinen Charakter geformt. Nur die Zeit, eine andere Umgebung und die Gemeinschaft mit Gott konnten diese Prägung beseitigen. Dem Irrtum abzusagen und die Wahrheit anzunehmen bedeutete für Mose ein Ringen, als ginge es um das eigene Leben. Doch Gott würde ihm helfen, falls die innere Auseinandersetzung die menschlichen Kräfte überstrapazierte. WABT 231 3 Bei allen, die berufen wurden, eine Aufgabe für Gott zu erfüllen, kommt eine menschliche Seite zum Vorschein. Das waren keine Menschen mit festgefahrenen Gewohnheiten und Charakteren, die sich mit ihrem Zustand zufriedengaben. Sie sehnten sich aufrichtig danach, von Gott Weisheit zu erhalten, um zu lernen, wie sie für ihn arbeiten könnten. Der Apostel Jakobus schrieb: "Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf." (Jakobus 1,5 EÜ) Aber Gott wird niemandem Licht von oben schenken, der damit zufrieden ist, in der Finsternis zu bleiben. Um von Gott Hilfe zu erlangen, muss man sich seine eigene Schwäche und Unzulänglichkeit eingestehen. Man muss seinen eigenen Verstand bei der großen Veränderung, die in einem vor sich gehen soll, einsetzen. Man braucht die Bereitschaft zu ernsten und andauernden Gebeten und Anstrengungen. Schlechte Neigungen und Gewohnheiten müssen abgelegt werden. Den Sieg kann nur erringen, wer sich entschlossen bemüht, diese Fehler zu korrigieren und sich an guten Grundsätzen zu orientieren. Viele erreichen allerdings nie die Stellung, die sie einnehmen könnten, denn sie erwarten, dass Gott die Dinge für sie tut, für die er ihnen schon die Kraft zur Verfügung gestellt hat, um sie selbst zu regeln. Alle, die im Dienst für Gott brauchbar sein wollen, müssen durch eine sehr strenge geistige und moralische Schule gehen. Gott wird ihnen dabei helfen, indem er seine göttliche Kraft mit menschlichem Bemühen vereint. WABT 232 1 Umschlossen von gewaltigen Bergen war Mose allein mit Gott. Ägyptens prachtvolle Tempel konnten ihn nicht mehr mit ihrem Aberglauben und ihren Unwahrheiten beeindrucken. In der feierlichen Erhabenheit der ewigen Berge erblickte er die Majestät des Höchsten. Im Gegensatz dazu wurde ihm bewusst, wie ohnmächtig und bedeutungslos die Götter Ägyptens waren. Überall stand der Name des Schöpfers geschrieben. Mose schien es, als befinde er sich in dessen Gegenwart und werde von dessen Macht überschattet. Hier wurden sein Stolz und seine Selbstzufriedenheit hinweggefegt. In seinem einfachen, harten Wüstenleben verschwanden die Auswirkungen des bequemen, luxuriösen Wohllebens in Ägypten. Mose wurde geduldig, ehrfurchtsvoll und bescheiden, "ein sehr demütiger Mensch, mehr als alle Menschen auf Erden" (4. Mose 12,3). Er war stark im Glauben an den mächtigen Gott Jakobs. WABT 232 2 Als die Jahre vergingen und er mit den Herden einsame Gegenden durchzog, dachte er darüber nach, in welchem Zustand sich wohl sein unterdrücktes Volk befand. Er erinnerte sich daran, wie Gott seine Vorfahren geführt hatte. Er rief sich die Verheißungen ins Gedächtnis zurück, die dem auserwählten Volk gegeben worden waren. Tag und Nacht stiegen seine Gebete für Israel zum Himmel empor. Das Licht himmlischer Engel umflutete ihn. Hier schrieb er unter der Eingebung des Heiligen Geistes das Buch Genesis (das erste Buch Mose). Auf diese Weise erwiesen sich die vielen Jahre, die Mose einsam in der Wüste verbrachte, in so mancher Hinsicht als sehr segensreich - nicht nur für Mose und sein Volk, sondern auch für die Welt in allen späteren Zeiten. Moses Berufung WABT 232 3 "Lange Zeit aber danach starb der König von Ägypten. Und die Israeliten seufzten über ihre Knechtschaft und schrien, und ihr Schreien über ihre Knechtschaft kam vor Gott. Und Gott erhörte ihr Wehklagen und gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Gott sah auf die Israeliten und nahm sich ihrer an." (2. Mose 2,23-25) Die Zeit für Israels Befreiung war gekommen. Aber Gottes Absicht sollte auf eine Art und Weise verwirklicht werden, die allen menschlichen Stolz in den Staub tritt. Der Befreier sollte als demütiger Hirte auftreten, nur mit einem Stab in der Hand. Aber gerade diesen Stab wollte Gott zum Sinnbild seiner Macht erheben. WABT 233 1 Als Mose eines Tages am Horeb, dem "Berg Gottes" (2. Mose 3,1), die Herden weidete, sah er einen Busch in Flammen stehen. Zweige, Blätter und der Stamm - alles brannte, schien aber nicht verzehrt zu werden. Er ging hin, um diese wunderbare Erscheinung näher zu betrachten. Da hörte er eine Stimme aus den Flammen, die ihn bei seinem Namen rief. Mit bebenden Lippen antwortete er: "Hier bin ich!" (2. Mose 3,4) Er wurde davor gewarnt, ohne Ehrfurcht näherzukommen: "Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! ... Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs." (2. Mose 3,5.6) Es war derselbe, der sich in der Vergangenheit den Vorfahren als Engel des Bundes offenbart hatte. "Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen." (2. Mose 3,6) WABT 233 2 Demut und Ehrfurcht sollten das Benehmen aller kennzeichnen, die in Gottes Gegenwart treten. Im Namen seines Sohnes dürfen wir voller Zuversicht zu Gott kommen, aber wir dürfen uns ihm nicht mit der kühnen Überheblichkeit nahen, als stehe er mit uns auf gleicher Stufe. Es gibt Menschen, die den großen, allmächtigen, heiligen Gott, "der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann" (1. Timotheus 6,16b), in einer Art anreden, als sprächen sie mit ihresgleichen oder gar mit einem Untergebenen. Manche verhalten sich in seinem Haus, wie sie das im Audienzsaal eines irdischen Herrschers nie wagen würden. Sie sollten sich daran erinnern, dass sie vor das Angesicht dessen treten, den die Seraphim anbeten und vor dem die Engel ihr Angesicht verhüllen. Gott gebührt höchste Verehrung, und wer sich seiner Gegenwart wirklich bewusst ist, wird sich in Demut vor ihm beugen. Wie Jakob, der in einer Traumvision Gott sah, wird er ausrufen: "Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels!" (1. Mose 28,17) WABT 233 3 Als Mose in ehrfürchtiger Bewunderung vor Gott stand, hörte er die Worte: "Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Land in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt ... So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst." (2. Mose 3,7.8.10) WABT 234 1 Bestürzt, ja entsetzt über diesen Befehl wich Mose zurück und sagte: "Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?" Die Antwort lautete: "Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berg." (2. Mose 3,11.12) WABT 234 2 Mose dachte an die Schwierigkeiten, denen er begegnen würde, an die Blindheit, die Unwissenheit und den Unglauben seines Volkes, von dem viele fast nichts mehr von Gott wussten. Deshalb wandte er ein: "Siehe, wenn ich zu den Söhnen Israel komme und ihnen sage: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mich fragen: Was ist sein Name?, was soll ich dann zu ihnen sagen?" Da sprach Gott zu Mose: "Ich bin, der ich bin . So sollst du zu den Söhnen Israels sagen: [Der] ›Ich bin‹ hat mich zu euch gesandt." (2. Mose 3,13.14 Elb.) WABT 234 3 Gott gebot Mose, zuerst die Ältesten der Israeliten zu versammeln, die vornehmsten und rechtschaffensten unter ihnen, die wegen ihrer Sklaverei lange Leid getragen hatten. Ihnen solle er eine Botschaft von Gott ausrichten, verbunden mit der Zusage der Befreiung. Dann sollte er mit den Ältesten vor den König treten und ihm sagen: "Der Herr, der Gott der Hebräer, ist uns erschienen. So lass uns nun gehen drei Tagereisen weit in die Wüste, dass wir opfern dem Herrn, unserem Gott." (2. Mose 3,18) WABT 234 4 Mose wurde allerdings vorgewarnt, dass sich der Pharao der Aufforderung, Israel ziehen zu lassen, widersetzen werde. Trotzdem solle der Diener Gottes nicht den Mut verlieren, denn der Herr werde diese Gelegenheit nutzen, um den Ägyptern wie seinem Volk seine Macht zu offenbaren. "Daher werde ich meine Hand ausstrecken und Ägypten schlagen mit all den Wundern, die ich darin tun werde. Danach wird er euch ziehen lassen." (2. Mose 3,20) WABT 234 5 Mose erhielt auch Anweisungen bezüglich der Vorbereitungen, die sie für die Reise treffen sollten. Der Herr erklärte: "Und ich werde dafür sorgen, dass die Ägypter euch wohlgesinnt sind. Ihr werdet nicht mit leeren Händen fortgehen. Jede israelitische Frau soll sich von ihrer Nachbarin und ihrer Mitbewohnerin silbernen und goldenen Schmuck und schöne Kleider geben lassen." (2. Mose 3,21.22 NLB) Die Ägypter waren durch die Zwangsarbeit der Israeliten ungerechterweise reich geworden. Als diese den Weg in ihre neue Heimat antraten, war es nur recht und billig, dass sie ihren Lohn für die Jahre ihrer Mühsal einforderten. Sie sollten Wertgegenstände verlangen, die man leicht befördern konnte. Gott selbst werde für das Wohlwollen aufseiten der Ägypter sorgen. Die gewaltigen Wunder, die vor ihrer Befreiung geschehen sollten, würden die Unterdrücker in Angst und Schrecken versetzen, sodass sie den Forderungen ihrer Sklaven nachkommen werden. Moses Ausreden Und Gottes Zusicherungen WABT 235 1 Mose sah Schwierigkeiten vor sich, die unüberwindlich zu sein schienen. Welchen Beweis konnte er seinem Volk liefern, dass Gott ihn tatsächlich gesandt hatte? Er sagte daher: "Sie werden mir nicht glauben und nicht auf mich hören, sondern werden sagen: Der Herr ist dir nicht erschienen." (2. Mose 4,1) Nun erhielt er Beweise, die seine Sinne ansprachen. Zuerst sollte er seinen Stock auf die Erde werfen. Als er es tat, verwandelte sich dieser in eine Schlange, "und Mose floh vor ihr" (2. Mose 4,3). Dann erhielt er den Befehl, sie zu packen. In seiner Hand wurde sie wieder zum Stock. Danach sollte er seine Hand in eine Falte seines Gewandes stecken. Er gehorchte, "und als er sie wieder herauszog ... war sie aussätzig wie Schnee" (2. Mose 4,6). Auf Gottes Weisung hin steckte er die Hand erneut in die Stofffalte. Als er sie herauszog, war sie wieder wie die andere. Mit diesen Zeichen versicherte der Herr Mose, dass sein eigenes Volk wie auch der Pharao davon überzeugt werden würden, dass sich hier ein Mächtigerer als der König von Ägypten offenbarte. WABT 235 2 Aber noch immer war Gottes Diener von dem Gedanken an diese ungewöhnliche und doch wunderbare Aufgabe, die ihm da bevorstand, überwältigt. In seiner Angst und Not führte er jetzt als Entschuldigung seinen Mangel an Beredsamkeit an: "Ach, Herr! Ich bin kein redegewandter Mann, weder seit gestern noch seit vorgestern, noch seitdem du zu deinem Knecht redest; denn unbeholfen ist mein Mund und unbeholfen meine Zunge." (2. Mose 4,10 Elb.) Er sei so lange von Ägypten fort gewesen, dass er die Sprache nicht mehr so gut beherrsche und sich ihrer nicht mehr so gewandt bedienen könne wie zu der Zeit, als er dort gelebt habe. WABT 235 3 Der Herr sagte zu ihm: "Wer hat dem Menschen den Mund geschaffen? Oder wer hat den Stummen oder Tauben oder Sehenden oder Blinden gemacht? Habe ich's nicht getan, der Herr?" Und Gott gab ihm noch eine weitere Zusicherung: "So geh nun hin: Ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst." (2. Mose 4,11.12) Aber erneut bat Mose inständig darum, Gott möge einen Geeigneteren erwählen. Zuerst entsprangen diese Entschuldigungen echter Demut und Bescheidenheit, aber nachdem Gott ihm versprochen hatte, alle Hindernisse zu beseitigen und ihm schließlich Erfolg zu schenken, offenbarten jedes weitere Zurückschrecken und das Beklagen seiner Untauglichkeit Misstrauen gegenüber Gott. Darin war die Angst enthalten, Gott könne ihn nicht zu dem großen Werk befähigen, zu dem er ihn berufen hatte, oder dass er mit der Wahl seiner Person einen Fehler gemacht habe. WABT 236 1 Nun wies Gott Mose auf Aaron hin, seinen älteren Bruder. Der sprach perfekt Ägyptisch, weil er diese Sprache täglich benutzte. Mose wurde gesagt, dass ihm Aaron unterwegs entgegenkommen werde. Die nächsten Worte des Herrn waren ein eindeutiger Befehl: WABT 236 2 "Du sollst zu ihm reden und die Worte in seinen Mund legen. Und ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr tun sollt. Und er soll für dich zum Volk reden; er soll dein Mund sein und du sollst für ihn Gott sein. Und diesen Stab nimm in deine Hand, mit dem du die Zeichen tun sollst." (2. Mose 4,15-17) Nun konnte Mose keinen Widerstand mehr leisten, denn alle Gründe für Ausreden waren ausgeräumt. WABT 236 3 Als Mose Gottes Auftrag erhielt, misstraute er sich selbst. Er war langsam im Reden und ängstlich. Das Gefühl, ungeeignet zu sein, um dem Volk Israel gegenüber als Gottes Sprachrohr aufzutreten, überwältigte ihn. Nachdem er aber die Aufgabe einmal übernommen hatte, packte er sie von ganzem Herzen an und setzte sein ganzes Vertrauen auf Gott. Die Bedeutung seiner Aufgabe weckte in ihm die höchsten Geisteskräfte. Gott segnete seinen bereitwilligen Gehorsam. Mose wurde redegewandt, zuversichtlich, selbstbeherrscht und bestens für das größte Werk geeignet, das jemals einem Menschen übertragen wurde. Das ist ein Beispiel dafür, wie Gott eingreift, um denen Charakterstärke zu verleihen, die ihm ganz vertrauen und vorbehaltlos seinen Befehlen nachkommen. WABT 236 4 Ein Mensch gewinnt Stärke und Leistungsfähigkeit, indem er die Verantwortung annimmt, die ihm Gott überträgt, und mit ganzem Herzen versucht, sich der Aufgabe gewissenhaft zu stellen. Mag auch sein Rang bescheiden und seine Fähigkeit begrenzt sein - jener Mensch wird wahre Größe erlangen, der sein Werk im Vertrauen auf Gottes Kraft treu verrichtet. Hätte sich Mose auf seine eigene Stärke und Klugheit verlassen und sich geradezu auf die große Aufgabe gestürzt, hätte er damit nur bewiesen, dass er für diesen Dienst völlig untauglich war. Wenn jemand sein Unvermögen eingesteht, ist das zumindest ein Zeichen dafür, dass er die Größe der Aufgabe, die ihm übertragen wurde, erkannt hat und er Gott zu seinem Ratgeber und zu seiner Stärke machen will. WABT 236 5 Mose kehrte zu seinem Schwiegervater zurück und äußerte den Wunsch, seine Brüder in Ägypten zu besuchen. Jitro stimmte zu und segnete ihn: "Geh hin mit Frieden!" (2. Mose 4,18) Mit seiner Frau und den Kindern brach Mose auf. Er hatte nicht gewagt, den eigentlichen Grund der Reise anzugeben, damit ihnen nicht verboten wurde, ihn zu begleiten. Doch bevor sie Ägypten erreichten, hielt er es für das Beste, seine Familie aus Sicherheitsgründen nach Midian zurückzuschicken. WABT 237 1 Auch seine geheime Furcht vor dem Pharao und den Ägyptern, deren Zorn er 40 Jahre zuvor auf sich gezogen hatte, hatte Moses Zögern, nach Ägypten zurückzukehren, noch verstärkt. Aber nachdem er sich entschieden hatte, Gottes Befehl zu gehorchen, und er bereits unterwegs war, offenbarte ihm der Herr, dass seine Feinde tot waren. Ein Versäumnis Mit Folgen WABT 237 2 Auf dem Weg von Midian nach Ägypten sandte ihm der Herr eine überraschende und schreckliche Warnung. Gott drückte sein Missfallen aus. Ein Engel trat Mose in drohender Haltung in den Weg, als wollte er ihn auf der Stelle töten. Das geschah ohne jede Erklärung. Aber Mose fiel ein, dass er eine der Forderungen Gottes missachtet hatte. Er hatte sich von seiner Frau beschwatzen lassen und es versäumt, seinen jüngsten Sohn zu beschneiden. Damit hatte er die Bedingung nicht erfüllt, die seinen Sohn dazu berechtigte, an den Segnungen des Bundes Gottes mit Israel teilzuhaben. Solch eine Unterlassung seitens des auserwählten Führers konnte nur dazu führen, dass Gottes Gebote beim Volk an Einfluss verloren. Weil seine Frau Zippora um das Leben ihres Mannes bangte, vollzog sie die Zeremonie gleich selbst. Daraufhin erlaubte der Engel Mose weiterzuziehen. Mit seinem Auftrag an Pharao begab sich Mose in große Gefahr. Sein Leben konnte nur von heiligen Engeln bewahrt werden. Solange er es aber unterließ, einer bestimmten Pflicht nachzukommen, war er nicht sicher, denn die Engel Gottes hätten ihn nicht beschützen können. WABT 237 3 In der Zeit der "großen Trübsal" unmittelbar vor der Wiederkunft unseres Heilandes Jesus Christus (Daniel 12,1) werden die Gläubigen von himmlischen Engeln bewahrt werden. Aber für die Übertreter des Gesetzes Gottes wird es keine Sicherheit geben. Wer eines der Gebote Gottes missachtet, kann in dieser Zeit nicht damit rechnen, von Engeln beschützt zu werden. ------------------------Kapitel 23 - Die Plagen Ägyptens WABT 238 0 2. Mose 4,27 bis 10,29. WABT 238 1 Von Engeln angewiesen, machte sich Aaron auf, um seinem Bruder zu begegnen, von dem er schon so lange getrennt war. Sie trafen sich in der Einsamkeit der Wüste in der Nähe des Berges Horeb. Hier unterhielten sie sich, "und Mose teilte Aaron alle Worte des Herrn mit, der ihn gesandt, und all die Zeichen, die er ihm aufgetragen hatte" (2. Mose 4,28 Elb.). Zusammen wanderten sie dann nach Ägypten. Nachdem sie in Goschen angekommen waren, luden sie die Ältesten Israels zu einer Versammlung. Aaron erzählte ihnen alles, was Mose mit Gott erfahren hatte. Dann ließen sie das Volk die Zeichen sehen, zu denen Gott Mose die Vollmacht gegeben hatte. "Und das Volk glaubte. Und als sie hörten, dass der Herr sich der Israeliten angenommen und ihr Elend angesehen habe, neigten sie sich und beteten an." (2. Mose 4,31) WABT 238 2 Mose war auch mit einer Botschaft an den König beauftragt worden. Die beiden Brüder betraten den Palast der Pharaonen als Gesandte des Königs aller Könige und verkündigten in seinem Namen: "So spricht der Herr, der Gott Israels: ›Lass mein Volk ziehen, damit es in der Wüste mir zu Ehren ein Fest feiern kann‹". "Wer ist dieser Herr ... wieso sollte ich ihm gehorchen und das Volk der Israeliten ziehen lassen?", fragte der Herrscher. "Ich kenne diesen Herrn nicht und ich werde die Israeliten auf keinen Fall gehen lassen." Ihre Antwort lautete: "Der Gott der Hebräer ist uns erschienen. Majestät, lassen Sie uns nur drei Tagesreisen weit in die Wüste ziehen, damit wir dort dem Herrn, unserem Gott, Opfer bringen können. Sonst wird er uns mit Seuchen und Tod strafen." (2. Mose 5,1-3 NLB) WABT 238 3 Die Nachricht über diese beiden Männer und über die Begeisterung, die sie bei ihrem Volk geweckt hatten, war schon bis zum König gedrungen. Zorn stieg in ihm hoch. "Mose und Aaron, was fällt euch eigentlich ein, dass ihr die Leute von ihrer Arbeit abhaltet?", sagte er. "Geht wieder an die Arbeit!" (2. Mose 5,4 NLB) Sein Königreich hatte bereits durch die Einmischung dieser Fremden einen Verlust zu verzeichnen. Als der Pharao daran dachte, fügte er hinzu: "Es gibt schon genug von euch hier in Ägypten, und nun haltet ihr die anderen auch noch von der Arbeit ab." (2. Mose 5,5 NLB) WABT 239 1 In der Sklaverei hatten die Israeliten das Wissen um Gottes Gesetz zum Teil verloren und waren von den Geboten abgewichen. Der Sabbat wurde allgemein missachtet, denn die übermäßigen Anforderungen der Aufseher machten seine Einhaltung scheinbar unmöglich. Aber Mose hatte sein Volk darauf hingewiesen, dass der Gehorsam Gott gegenüber die erste Bedingung für eine Befreiung sei. Nun war aber das Bestreben, den Sabbat wieder einzuführen, ihren Unterdrückern bekannt geworden. Die Zwangsarbeit Wird Verschärft WABT 239 2 Der König war empört und verdächtigte die Israeliten, einen Aufstand wegen ihrer Zwangsarbeit zu planen. Da Unzufriedenheit meistens die Folge von Müßiggang ist, wollte er dafür sorgen, dass ihnen keine Zeit für gefährliche Pläne blieb. Sofort ordnete er Maßnahmen an, um die Zügel noch straffer anzuziehen und jeglichen Drang nach Unabhängigkeit im Keim zu ersticken. Noch am selben Tag wurden Befehle ausgegeben, die die Dienstpflicht noch härter und grausamer machten. Das im ganzen Land übliche Baumaterial waren sonnengetrocknete Ziegel. Die Mauern der schönsten Gebäude wurden damit errichtet und dann mit Steinplatten verkleidet. Die Ziegeleien beschäftigten dazu eine große Anzahl Sklaven. Zu ihrer Arbeit brauchten sie riesige Mengen geschnittenes Stroh, das man mit Lehm vermischte, um das Ganze zusammenzuhalten. Nun befahl der König, ihnen kein Stroh mehr zu liefern. Die Arbeiter sollten es selbst herbeischaffen. Aber die Anzahl der hergestellten Ziegel durfte nicht verringert werden. WABT 239 3 Dieser Befehl brachte die Israeliten im ganzen Land in große Bedrängnis. Die ägyptischen Sklavenaufseher hatten ihrerseits hebräische Vorarbeiter dazu bestimmt, das Volk bei der Arbeit zu überwachen. Und diese Israeliten waren für die Arbeit derer verantwortlich, die ihnen unterstellt waren. Als nun die verschärfte Verordnung des Königs in Kraft trat, zerstreute sich das Volk Israel über das ganze Land, um an Stelle von Stroh die Stoppeln vom Feld zu sammeln. Dadurch war es ihnen aber unmöglich geworden, dasselbe Arbeitspensum zu leisten wie bisher. Für diesen Ausfall wurden die hebräischen Aufseher grausam geschlagen. WABT 239 4 Die Vorarbeiter waren der Meinung, die Härte komme von den ägyptischen Aufsehern und nicht vom König persönlich. Darum beschwerten sie sich bei ihm. Aber der Pharao wies ihren Vorwurf höhnisch zurück: "Ihr seid einfach nur faul! Deshalb sagt ihr: ›Lass uns ziehen, damit wir dem Herrn Opfer bringen können.‹" (2. Mose 5,17 NLB) Man befahl ihnen, wieder an die Arbeit zu gehen, allerdings nicht ohne zu betonen, dass ihre Auflagen in keinem Fall erleichtert würden. Auf dem Rückweg trafen sie Mose und Aaron und schrien sie an: "›Der Herr soll euch dafür strafen, dass ihr uns beim Pharao und seinem Hofstaat in Verruf gebracht habt‹, beklagten sie sich. ›Ihr habt ihnen einen Grund geliefert, uns zu töten!‹" (2. Mose 5,21 NLB) WABT 240 1 Als Mose diese Vorwürfe hörte, wurde er sehr bekümmert. Das Leid seines Volkes war inzwischen sehr viel größer geworden. Im ganzen Land erhob sich ein Verzweiflungsschrei von Jung und Alt. Alle waren sich darin einig, ihn für die unheilvolle Verschlechterung ihrer Lage verantwortlich zu machen. Voll Erbitterung wandte sich Mose an Gott und flehte ihn an: "Herr, warum tust du so übel an diesem Volk? Warum hast du mich hergesandt? Denn seitdem ich hingegangen bin zum Pharao, um mit ihm zu reden in deinem Namen, hat er das Volk noch härter geplagt, und du hast dein Volk nicht errettet." (2. Mose 5,22.23) Er bekam zur Antwort: "Nun sollst du sehen, was ich dem Pharao antun werde; denn durch eine starke Hand gezwungen, muss er sie ziehen lassen, ja er muss sie, durch eine starke Hand gezwungen, aus seinem Lande treiben." (2. Mose 6,1) Erneut wies Gott auf den Bund hin, den er mit den Vorvätern des Volkes geschlossen hatte, und sicherte Mose zu, dass er ihn erfüllen werde. Der Glaube Der Israeliten Auf Dem Prüfstand WABT 240 2 In all den Jahren, die die Israeliten als Sklaven in Ägypten verbrachten, hatte immer eine Anzahl von ihnen an der Anbetung Jahwes festgehalten. Diese waren tief beunruhigt, als sie bemerkten, dass ihre Kinder täglich heidnische Abscheulichkeiten mit ansehen mussten, und sich sogar vor ihren falschen Göttern verbeugten! In ihrer Not schrien sie zum Herrn und baten um Erlösung von der ägyptischen Knechtschaft, um von dem verderblichen Einfluss des Götzendienstes befreit zu werden. Sie hielten ihren Glauben nicht geheim, sondern erklärten gegenüber den Ägyptern, dass sie den Schöpfer des Himmels und der Erde anbeteten, den einzig wahren und lebendigen Gott. Sie zählten ihnen die Beweise seines Daseins und seiner Macht von der Schöpfung bis zu den Tagen Jakobs auf. Auf diese Weise erhielten die Ägypter Gelegenheit, den Glauben der Israeliten kennenzulernen. Aber da sie es verschmähten, sich von ihren Sklaven belehren zu lassen, versuchten sie, die Anbeter des Herrn zu verführen, indem sie ihnen Belohnungen versprachen. Als das nichts half, griffen sie zu Drohungen und Grausamkeiten. WABT 240 3 Die Ältesten Israels bemühten sich, den schwindenden Glauben ihrer Brüder zu stärken, indem sie die Zusagen wiederholten, die Gott ihren Vorvätern gegeben hatte. Sie erinnerten auch an Josefs prophetische Worte vor seinem Tod, der ihre Befreiung aus Ägypten vorausgesagt hatte. Einige hörten darauf und glaubten es. Andere achteten auf die aktuellen Umstände, die ihnen die Hoffnung nahmen. WABT 241 1 Als die Ägypter vernahmen, was unter ihren Sklaven die Runde machte, lachten sie nur über deren Hoffnungen und stellten die Macht ihres Gottes verächtlich in Abrede. Sie wiesen auf ihre Lage als versklavtes Volk hin und spotteten: "Wenn euer Gott gerecht und barmherzig ist und Macht besitzt über die ägyptischen Götter, warum macht er euch nicht zu einem freien Volk?" Dann machten sie auf ihre eigene Lage aufmerksam: Sie verehrten Gottheiten, welche die Israeliten falsche Götter nannten, und doch seien sie eine reiche und mächtige Nation! Sie behaupteten, ihre Götter hätten sie mit Wohlstand gesegnet und ihnen die Israeliten als Sklaven überlassen. Sie prahlten mit ihrer Macht, die Anbeter Jahwes zu unterdrücken und zu vernichten. Der Pharao selbst rühmte sich, dass der Gott der Hebräer sie nicht aus seiner Hand befreien könne. WABT 241 2 Solche Worte machten die Hoffnungen vieler Israeliten zunichte. Ihre Lage schien tatsächlich in vieler Hinsicht so zu sein, wie die Ägypter sie beschrieben. Es stimmte ja, dass sie Sklaven waren und über sich ergehen lassen mussten, was immer ihnen die grausamen Aufseher zufügten. Ihre Kinder wurden aufgespürt und umgebracht, und ihr eigenes Leben war eine Last - und das, obwohl sie den Gott des Himmels verehrten. Wenn Jahwe wirklich über allen Göttern stünde, hätte er gewiss nicht zugelassen, dass sie Sklaven von Götzendienern wurden! Doch alle, die Gott treu geblieben waren, verstanden, warum er das nicht verhindert hatte: Weil das Volk Israel von ihm abgewichen war, weil es dazu neigte, in heidnische Völker einzuheiraten, und sich dadurch zum Götzendienst verleiten ließ. Voll Zuversicht versicherten sie ihren Brüdern, dass Jahwe die Fesseln des Unterdrückers bald lösen werde. WABT 241 3 Die Israeliten hatten erwartet, ihre Freiheit ohne besondere Glaubensprüfungen und ohne Leiden oder Entbehrungen erlangen zu können. Sie waren noch nicht auf ihre Befreiung vorbereitet. Sie hatten nur wenig Vertrauen zu Gott und waren nicht bereit, ihre Anfechtungen so lange geduldig zu ertragen, bis die Zeit für sein Eingreifen gekommen war. Viele wollten sogar lieber in der Sklaverei bleiben, als die Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, die der Auszug in ein fremdes Land mit sich bringen würde. Andere hatten sich so stark den ägyptischen Sitten angepasst, dass sie es vorzogen, in Ägypten zu bleiben. Deshalb befreite sie der Herr nicht gleich beim ersten Mal, als er seine Macht vor dem Pharao offenbarte. Er wendete die Ereignisse so, dass sich der tyrannische Geist des ägyptischen Königs voll entfalten und Gott sich seinem Volk offenbaren konnte. Wenn die Israeliten die Gerechtigkeit, Macht und Liebe ihres Gottes erlebten, würden sie Ägypten gern verlassen, um ihm zu dienen. Moses Aufgabe wäre wesentlich leichter gewesen, wenn nicht viele Israeliten so verdorben gewesen wären, dass sie nicht willens waren, Ägypten zu verlassen. WABT 242 1 Der Herr gebot Mose, wieder vor das Volk zu treten und die Zusage seiner Befreiung zu bekräftigen. Erneut sollte er ihnen Gottes Gunst und Gnade zusichern. Er ging, wie ihm befohlen war, aber die Israeliten wollten nicht auf ihn hören. Die Heilige Schrift berichtet: "Aber aus Verzagtheit und wegen [ihrer] schweren Arbeit hörten sie nicht auf Mose." (2. Mose 6,9 Elb.) Wieder erging Gottes Botschaft an Mose: "Geh hin und rede mit dem Pharao, dem König von Ägypten, dass er Israel aus seinem Land ziehen lasse." Mutlos geworden erwiderte er: "Siehe, die Israeliten hören nicht auf mich; wie sollte denn der Pharao auf mich hören!" Nun wurde ihm gesagt, er solle Aaron mitnehmen, zum Pharao gehen und wieder von ihm verlangen, "Israel aus seinem Land ziehen" zu lassen (2. Mose 6,11.12). WABT 242 2 Mose wurde darüber informiert, dass der Monarch nicht nachgeben werde, bis Gott Ägypten mit Strafgerichten heimsuchen und Israel durch eine deutliche Bekundung seiner Macht wegführen wird. Bevor eine Plage verhängt wurde, sollte Mose deren Art und Wirkung beschreiben, sodass der Pharao die Möglichkeit erhielt, die Plage abzuwenden, wenn er wollte. Auf jede Züchtigung, die er zurückwies, sollte eine härtere folgen, bis sich sein stolzes Herz demütigen und er den Schöpfer des Himmels und der Erde als den wahren und lebendigen Gott anerkennen würde. Der Herr wollte den Ägyptern Gelegenheit geben zu erkennen, wie eingebildet die Weisheit ihrer Mächtigen war und wie schwach die Macht ihrer Götter wäre, wenn sie sich den Befehlen Jahwes widersetzten. Er wollte sie wegen ihres Götzendienstes bestrafen und ihre Prahlereien bezüglich der Segnungen, die sie ihren leblosen Göttern zuschrieben, zum Schweigen bringen. Gott wollte seinen eigenen Namen verherrlicht sehen, damit andere Völker von seiner Macht hörten und vor seinen mächtigen Taten erzitterten. Er wollte damit sein Volk Israel veranlassen, sich von seinem Götzendienst abzuwenden und ihm allein zu dienen. Mose Und Aaron Erneut Vor Dem Pharao WABT 242 3 Wieder betraten Mose und Aaron die stattlichen Hallen des ägyptischen Königspalastes. Sie waren umgeben von hohen Säulen mit glitzernden Verzierungen, von kostbaren Gemälden und in Stein gemeißelten Darstellungen der heidnischen Götter. Da standen die beiden Vertreter des versklavten Volkes vor dem Herrscher des damals mächtigsten Reiches und wiederholten den Befehl Gottes, das Volk Israel freizulassen. Als Beweis ihres göttlichen Auftrags verlangte der König ein Wunder. Beide wussten, was sie nun zu tun hatten, denn sie waren unterwiesen worden, wie sie in einem solchen Fall reagieren sollten. Aaron nahm den Stab und warf ihn vor dem Pharao auf die Erde. Da wurde der Stab zur Schlange. Der Herrscher ließ nun seine "Weisen und Zauberer" rufen, von denen auch jeder seinen Stab hinwarf, "da wurden Schlangen daraus; aber Aarons Stab verschlang ihre Stäbe" (2. Mose 7,11.12). Darauf erklärte der König entschiedener als zuvor, seine Zauberer hätten ebenso viel Macht wie Mose und Aaron. Er beschuldigte die Diener des Herrn, Betrüger zu sein, und fühlte sich in seinem Widerstand gegen ihre Forderungen völlig sicher. Doch obwohl er ihre Botschaft verachtete, wurde er durch Gottes Macht daran gehindert, ihnen persönlich zu schaden. WABT 243 1 Die Wunder vor den Augen des Pharao geschahen durch die Hand Gottes - nicht durch irgendeinen Einfluss oder eine Macht, die Mose und Aaron besaßen. Diese Zeichen und Wunder sollten den König davon überzeugen, dass der große "Ich bin" (2. Mose 3,14 Elb.) Mose gesandt hatte und es seine Pflicht und Schuldigkeit war, die Israeliten ziehen zu lassen, damit sie dem lebendigen Gott dienen konnten. Auch die Zauberer ließen Zeichen und Wunder geschehen. Aber das vollbrachten sie nicht nur aufgrund eigener Geschicklichkeit, sondern durch die Kraft ihres Gottes, nämlich Satans, der ihnen half, das Wirken Jahwes nachzuahmen. Die Nachgemachten Wunder Satans WABT 243 2 Die Magier konnten nicht wirklich aus ihren Stöcken Schlangen machen, aber durch Magie konnten sie mithilfe des großen Betrügers diesen Anschein erwecken. Es überstieg Satans Macht, die Stäbe in lebende Schlangen zu verwandeln. Wohl besitzt der Fürst des Bösen alle Weisheit und Macht eines abgefallenen Engels, doch er verfügt über keine Schöpferkraft und kann kein Leben verleihen. Das ist allein Gottes Vorrecht. Aber Satan tat alles, was in seiner Macht stand, und vollzog eine Fälschung. Für das menschliche Auge wurden die Stäbe zu Schlangen. Das glaubten auch der Pharao und alle, die am Hof waren. Nichts im Aussehen unterschied diese Gegenstände von der Schlange, die Mose hervorgebracht hatte. Obwohl Gott die vorgetäuschten Schlangen von der echten verschlingen ließ, wurde das vom Pharao nicht als Wirken der Macht Gottes angesehen, sondern als Ergebnis einer Art Zauberei, die der seiner Diener überlegen war. WABT 244 1 Der Pharao wollte seine Halsstarrigkeit gegenüber dem göttlichen Befehl rechtfertigen und suchte deshalb nach einem Vorwand, um die Wunder, die Gott durch Mose vollbrachte, abzuwerten. Satan lieferte ihm genau das, was sich der Pharao wünschte. Mit den Schlangen, die Satan durch die Zauberer hervorbrachte, veranlasste er die Ägypter zu glauben, Mose und Aaron seien auch nur Magier und Zauberer. Ihre Botschaft verdiene keine Beachtung, da sie nicht von einem höheren Wesen stamme. Satans Fälschung erfüllte somit ihren Zweck: Sie bestärkte die Ägypter in ihrer Rebellion gegen Gott und verhärtete das Herz des Pharao wider jede bessere Erkenntnis. Satan hoffte außerdem, Moses und Aarons Glauben an den göttlichen Ursprung ihres Auftrags zu erschüttern. Dann könnten seine Handlanger die Oberhand behalten. Er wollte auf keinen Fall, dass Israel aus der Sklaverei befreit werde, um dem lebendigen Gott zu dienen. WABT 244 2 Aber der Fürst des Bösen hatte noch einen tieferen Grund, warum er seine Wunder durch die Magier wirkte. Er wusste genau: Wenn Mose die Fesseln der Sklaverei lösen und die Israeliten befreien könnte, würde er ein Bild für Christus werden, der einmal die Herrschaft der Sünde durchbrechen und die menschliche Familie erlösen sollte. Satan wusste, dass machtvolle Wunder geschehen werden, wenn Christus auf die Erde kommt. Das wäre für die Welt der Beweis, dass ihn Gott gesandt hatte. Darum bangte er um seine Macht. Indem er die Werke nachahmte, die Gott durch Mose vollbrachte, hoffte er, nicht nur Israels Befreiung zu verhindern, sondern auch über künftige Zeiten hinweg seinen Einfluss auszuüben, um den Glauben an die Wunder, die Christus wirken werde, zu vernichten. Satan versucht ständig, dessen Werk nachzuahmen und seine eigene Macht und seine Ansprüche durchzusetzen. Er bringt Menschen dazu, göttliche Wunder als das Ergebnis menschlicher Geschicklichkeit und Macht anzusehen. Auf diese Weise zerstört er in vielen den Glauben an Christus als den Sohn Gottes und verleitet sie, die durch den Erlösungsplan angebotene Gnade zurückzuweisen. Die Ersten Plagen Über Ägypten 16 WABT 244 3 Mose und Aaron wurden angewiesen, am nächsten Morgen das Flussufer aufzusuchen, wohin sich der König gewöhnlich begab. Weil die Überschwemmung des Nils für ganz Ägypten die Quelle der Nahrung und des Reichtums war, wurde der Fluss als Gott verehrt. Der Herrscher ging täglich hinaus, um ihm seine Huldigung zu erweisen. Hier trugen ihm die beiden Brüder ihre Botschaft noch einmal vor. Dann streckten sie den Stab aus und schlugen damit auf das Wasser. Und plötzlich führte der heilige Fluss Blut. Die Fische starben, und der Fluss fing an, übel zu riechen. Auch das Wasser in den Häusern sowie in den Zisternen wurde in Blut verwandelt. Aber "wieder brachten die ägyptischen Zauberer mit ihren Zauberkünsten dasselbe fertig. ... Der Pharao kehrte in seinen Palast zurück und nahm sich auch dies nicht zu Herzen" (2. Mose 7,22.23 NLB). Sieben Tage lang dauerte die Plage, aber sie blieb ohne Wirkung. WABT 245 1 Danach wurde der Stab erneut über das Wasser ausgestreckt. Es kamen Frösche aus dem Fluss, die sich im ganzen Land ausbreiteten. Sie drangen in die Häuser ein und füllten die Schlafzimmer, ja selbst die Backöfen und Backtröge. Weil die Ägypter den Frosch für ein heiliges Tier hielten, wollten sie keine Frösche töten. Doch nun wurde die widerliche Plage unerträglich. Sogar im Palast des Pharao wimmelte es von Fröschen. Der König verlangte ungeduldig ihre Beseitigung. Die Zauberer hatten vorgegeben, Frösche hervorbringen zu können, aber beseitigen konnten sie keine. Als der Pharao das sah, fühlte er sich leicht gekränkt. Er rief Mose und Aaron und sagte: "Bittet den Herrn für mich, dass er die Frösche von mir und von meinem Volk nehme, so will ich das Volk ziehen lassen, dass es dem Herrn opfere." (2. Mose 8,4) Nachdem sie den König an seine frühere Prahlerei erinnert hatten, forderten sie ihn auf, eine Zeit zu bestimmen, wann sie um die Beendigung der Plagen bitten sollten. In der geheimen Hoffnung, die Frösche würden inzwischen von selbst verschwinden, ordnete er dies für den nächsten Tag an. Dies würde ihm vielleicht die bittere Demütigung ersparen, sich dem Gott Israels fügen zu müssen. Aber die Plage dauerte genau bis zur festgesetzten Zeit. Zwar starben die Frösche in ganz Ägypten, aber nun verpesteten ihre herumliegenden, verwesenden Körper die Luft. WABT 245 2 Der Herr wäre imstande gewesen, die Frösche augenblicklich in Staub zu verwandeln, aber er tat es nicht. Denn der König und sein Gefolge hätten das leicht als Ergebnis von Zauberei und Hexerei auslegen können, so wie die Magier es taten. Die toten Frösche wurden zu Haufen zusammengetragen. Damit wurde dem König und ganz Ägypten bewiesen, was ihre eingebildete Philosophie nicht leugnen konnte: Dieses Geschehen war nicht durch Zauberei bewirkt worden, sondern war ein Gericht vom Gott des Himmels. WABT 245 3 "Als der Pharao merkte, dass die Froschplage vorbei war, wurde sein Herz wieder hart." (2. Mose 8,11 NLB) Auf Gottes Befehl streckte Aaron nun seine Hand aus, und der Staub in ganz Ägypten wurde zu Stechmücken. Der Pharao forderte die Zauberer auf, das Gleiche zu tun, aber sie konnten es nicht. Dadurch war erwiesen, dass Gottes Wirken demjenigen Satans überlegen war. Selbst die Zauberer gaben zu: "Hier hat Gott seine Hand im Spiel." (2. Mose 8,15) Aber der König blieb ungerührt. WABT 246 1 Weil Appelle und Warnungen erneut erfolglos geblieben waren, wurde ein weiteres Gericht verhängt. Diesmal ließ Gott ankündigen, wann es eintreffen werde, damit keiner sagen konnte, es sei zufällig gekommen. Stechfliegen füllten die Häuser und überzogen in Schwärmen das Land. Es "wurde verheert von den Stechfliegen" (2. Mose 8,20). Sie waren groß und giftig, und ihr Stich war für Mensch und Tier äußerst schmerzhaft. Wie angekündigt, dehnte sich diese Heimsuchung aber nicht über den Landesteil Goschen aus. WABT 246 2 Nun bot der Pharao den Israeliten an, in Ägypten opfern zu dürfen, aber diese Einschränkung lehnten sie ab. "Das geht nicht an", sagte Mose, "denn ... wenn wir vor ihren Augen opfern, was ihnen ein Gräuel ist, werden sie uns dann nicht steinigen?" (2. Mose 8,22.23). Die Tiere, die von den Israeliten geopfert werden sollten, gehörten zu denen, die den Ägyptern als heilig galten und so sehr verehrt wurden, dass sogar eine unabsichtliche Tötung als todeswürdiges Verbrechen galt. Es war daher für die Israeliten unmöglich, in Ägypten anzubeten, ohne ihre Unterdrücker zu beleidigen. WABT 246 3 Wieder schlug Mose vor, sie drei Tagereisen weit in die Wüste ziehen zu lassen. Der Herrscher stimmte nun zu und flehte Gottes Diener an, darum zu bitten, dass die Plage aufhöre. Sie versprachen es, warnten ihn aber davor, sie wieder zu betrügen. Die Plage hörte auf, doch der König hatte sich als Folge seines fortgesetzten Widerstands verhärtet. Daher weigerte er sich immer noch, die Israeliten ziehen zu lassen. WABT 246 4 Daraufhin folgte ein Schlag, der noch furchtbarer war. Eine Viehseuche befiel alle ägyptischen Herden auf den Weiden. Sowohl die heiligen Tiere als auch die Lasttiere - Ochsen, Schafe, Pferde, Kamele und Esel - wurden hinweggerafft. Es war ausdrücklich erwähnt worden, dass die Israeliten verschont bleiben sollten. Als der Pharao Boten in das Wohngebiet der Israeliten schickte, erwies sich als wahr, was Mose angekündigt hatte: "Aber der Herr wird einen Unterschied machen zwischen dem Vieh der Israeliten und dem der Ägypter, dass nichts sterbe von allem, was die Israeliten haben." (2. Mose 9,4) Gleichwohl blieb der König halsstarrig. WABT 246 5 Als Nächstes erhielt Mose die Anweisung, Ruß aus einem Ofen zu nehmen und "ihn vor den Augen des Pharao in die Luft [zu] werfen" (2. Mose 9,8 NLB). Diese Handlung war höchst bedeutungsvoll. Rund 400 Jahre zuvor hatte Gott Abraham die zukünftige Unterdrückung seines Volkes durch das Sinnbild eines rauchenden Ofens und einer brennenden Lampe vorausgesagt und ihm erklärt, dass er über ihre Unterdrücker Gerichte kommen lassen und dafür sorgen werde, dass die Geknechteten mit großem Vermögen ausziehen können (vgl. 1. Mose 15,13.14). Die Israeliten hatten in Ägypten lange im Schmelzofen des Elends geschmachtet. Diese Handlung von Mose war für sie die Versicherung, dass Gott auf seinen Bund bedacht und die Zeit für ihre Befreiung gekommen war. WABT 247 1 Als Mose den Ruß himmelwärts schleuderte, verbreiteten sich die feinen Teilchen über ganz Ägypten. Wo immer sie niedersanken, erzeugten sie Entzündungen. "Da entstanden an Menschen und Tieren Geschwüre." (2. Mose 9,10 GNB) Bisher hatten die Priester und Zauberer den Pharao in seiner Halsstarrigkeit bestärkt, aber von diesem Gericht waren sie selbst betroffen. Der Befall von der widerlichen, schmerzhaften Krankheit ließ ihre gepriesene Macht erbärmlich erscheinen, und sie konnten nicht länger gegen den Gott Israels kämpfen. Dem ganzen Volk wurde vor Augen geführt, wie töricht es war, Zauberern zu vertrauen, die nicht einmal fähig sind, sich selbst zu schützen. Der Törichte Starrsinn Des Pharao WABT 247 2 Aber der Pharao wurde noch hartherziger. Nun sandte ihm der Herr die Botschaft: "Der Herr, der Gott der Hebräer, spricht: Lass mein Volk ziehen, damit es mir dienen kann! Denn dieses Mal werde ich so schwere Plagen über dich, deine Minister und dein Volk kommen lassen, dass du erkennen musst, dass niemand auf der ganzen Erde mir gleich ist." (2. Mose 9,13.14.16 NLB) Nicht dass Gott ihm für diesen Zweck das Leben gegeben hätte, aber in seiner Vorsehung wendete er die Ereignisse so, dass der Monarch gerade zu der Zeit auf dem Thron saß, die für Israels Befreiung bestimmt war. An sich hatte dieser hochmütige Tyrann durch seine Verbrechen die Gnade Gottes bereits verwirkt, aber sein Leben war erhalten worden, damit sich durch seine große Halsstarrigkeit Gott in Ägypten durch Wunder offenbaren konnte. Den Ablauf der Ereignisse lenkte Gott nach seiner Voraussicht. Er hätte auch einen barmherzigeren König auf den Thron setzen können, der es nicht gewagt hätte, sich den gewaltigen Offenbarungen der Macht Gottes zu widersetzen. Aber dann wären seine Absichten nicht verwirklicht worden. Er ließ zu, dass sein Volk von der zermürbenden Grausamkeit der Ägypter gequält wurde, damit es sich nicht über den so erniedrigenden Einfluss des Götzendienstes täuschen ließ. Der Herr machte durch seinen Umgang mit dem Pharao deutlich, wie sehr er den Götzendienst hasste, und dass er entschlossen war, Grausamkeit und Unterdrückung zu bestrafen. WABT 247 3 Gott hatte über den Pharao gesagt: "Ich will sein Herz verstocken, dass er das Volk nicht ziehen lassen wird." (2. Mose 4,21) Um das Herz des Königs zu verhärten, war aber keine übernatürliche Macht am Werk. Gott gab ihm außerordentlich überzeugende Beweise seiner Macht, aber der Herrscher wehrte sich hartnäckig gegen jede bessere Einsicht. Jedes Mal, wenn er einen bemerkenswerten Beweis der unendlichen Macht Gottes zurückwies, wurde sein Widerstand gegen Gott umso entschiedener. Schon mit der Ablehnung des ersten Wunders streute er eine Saat der Rebellion aus, die ihre Ernte brachte. Als er es weiterhin wagte, seinen eigenen Kurs beizubehalten und er von einem Grad der Starrköpfigkeit zum nächsten überging, wurde sein Herz immer mehr versteinert, bis man ihn rief, sich die kalten, toten Gesichter der Erstgeborenen anzusehen. WABT 248 1 Gott spricht die Menschen durch seine Diener an, rät zur Vorsicht, lässt sie warnen und wegen ihrer Sünden zurechtweisen. Er gibt jedem die Gelegenheit, seine Fehler auszumerzen, bevor sie im Charakter zu Tage treten. Lehnt es aber jemand ab, korrigiert zu werden, greift Gott nicht ein, um einer bedenklichen Handlungsweise entgegenzuwirken. Für solche Menschen wird es immer leichter, den einmal eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Aber damit verhärten sie sich gegen den Einfluss des Heiligen Geistes. Eine erneute Ablehnung des Lichts führt dazu, dass selbst ein weit stärkerer Einfluss Gottes unwirksam bleibt und keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. WABT 248 2 Wer der Versuchung einmal nachgegeben hat, wird es ein zweites Mal bereitwilliger tun. Jede Wiederholung der Sünde schwächt die Widerstandskraft, stumpft die Sinne ab und erstickt das Schuldbewusstsein. Jedes ausgesäte Samenkorn der Nachgiebigkeit wird Frucht bringen. Gott wirkt kein Wunder, um eine solche Ernte zu verhindern. "Was ein Mensch sät, das wird er auch ernten." (Galater 6,7b Elb.) Wer ungläubigen Starrsinn oder eine stumpfe Gleichgültigkeit gegenüber Gottes Wahrheit offenbart, erntet die Früchte seiner eigenen Saat. Aus diesem Grund hören viele nur noch mit stoischer Gleichgültigkeit den Wahrheiten zu, die sie doch einst so aufgerüttelt haben. Sie haben Vernachlässigung und Widerstand gegen die Wahrheit gesät, und das ist nun die Ernte, die sie einbringen. WABT 248 3 Wer sein schlechtes Gewissen mit dem Gedanken beruhigt, er könne seinen bösen Lebenswandel ändern, wann immer er es wolle, und er könne mit den gnadenvollen Einladungen Gottes spielen und dennoch immer wieder davon beeindruckt werden, geht diesen Weg auf eigene Gefahr. Solche Menschen meinen, dass sie - nachdem sie all ihren Einfluss zugunsten des großen Aufrührers eingesetzt haben - noch am Schluss, wenn ihnen Gefahr droht, die Seite wechseln können. Aber das ist nicht leicht getan. Die Erfahrung, die Einübung und Gewöhnung an ein Leben der Nachgiebigkeit gegenüber der Sünde hat den Charakter so vollständig geprägt, dass sie dann nicht mehr das Abbild von Jesus in ihr Wesen aufnehmen können. Hätten die Menschen bisher kein himmlisches Licht erhalten, läge der Fall anders. Dann könnte der gnädige Gott eingreifen und ihnen die Möglichkeit geben, sein Angebot anzunehmen. Wenn sie aber die Erkenntnis der Wahrheit über lange Zeit zurückgewiesen und verachtet haben, wird diese schließlich zurückgezogen. Zerstörung Durch Schweren Hagel WABT 249 1 Die siebte Plage, die dem Pharao angedroht wurde, war Hagel. Die Warnung lautete: "Nun sende hin und verwahre dein Vieh und alles, was du auf dem Felde hast. Denn alle Menschen und das Vieh, alles, was auf dem Felde gefunden und nicht in die Häuser gebracht wird, muss sterben, wenn der Hagel auf sie fällt." (2. Mose 9,19) Regen oder Hagel waren in Ägypten ganz ungewöhnlich. Solch ein Unwetter, wie es angekündigt worden war, hatte man noch nie erlebt. Die Nachricht breitete sich rasch aus, und alle, die dem Wort des Herrn glaubten, brachten ihr Vieh in Sicherheit. Wer aber die Warnung missachtete, beließ es auf dem Feld. So zeigte sich mitten im Gericht noch Gottes Gnade. Das ägyptische Volk wurde auf die Probe gestellt, und es zeigte sich, wie viele aufgrund der Offenbarung seiner Macht Gott fürchten gelernt hatten. WABT 249 2 Der Sturm kam wie vorhergesagt, Donner und Hagel mit Feuer vermischt. "Noch nie in der Geschichte Ägyptens hatte es einen solch schweren Hagelsturm gegeben. Der Hagel zerstörte in ganz Ägypten alles, was sich im Freien befand - er erschlug Menschen und Tiere, vernichtete die Pflanzen auf den Feldern und zerschmetterte die Bäume." (2. Mose 9,24.25 NLB) Verwüstung und Vernichtung kennzeichneten den Weg des Todesengels. Nur die Landschaft Goschen wurde wieder verschont. Damit wurde den Ägyptern vor Augen geführt, dass die Erde der Herrschaft des lebendigen Gottes untersteht, die Elemente seiner Stimme Folge leisten und die einzige Sicherheit darin besteht, Gott zu gehorchen. WABT 249 3 Ganz Ägypten zitterte beim schrecklichen Ausbruch des göttlichen Gerichts. Eilig ließ der Pharao die beiden Brüder herbeiholen und rief aus: "Diesmal bekenne ich mich schuldig", sagte er. "Der Herr ist im Recht, mein Volk und ich sind im Unrecht. Bittet doch den Herrn, diesem schrecklichen Donner und Hagel ein Ende zu machen. Ich will euch auch gehen lassen, und ihr müsst nicht länger hier bleiben." (2. Mose 9,27.28 NLB) Moses Antwort lautete: "Wenn ich zur Stadt hinauskomme, will ich meine Hände ausbreiten zum Herrn, so wird der Donner aufhören und kein Hagel mehr fallen, damit du innewirst, dass die Erde des Herrn ist. Ich weiß aber: Du und deine Großen, ihr fürchtet euch noch nicht vor Gott, dem Herrn." (2. Mose 9,29.30) WABT 250 1 Mose wusste, dass die Auseinandersetzung noch nicht beendet war. Die Bekenntnisse des Pharao und seine Versprechungen entsprangen keineswegs einer grundlegenden Sinnesänderung, sondern wurden ihm durch schreckliche Angst und Leiden abgepresst. Trotzdem versprach Mose, seiner Bitte nachzukommen, denn er wollte ihm keinen Anlass zu weiterer Halsstarrigkeit geben. Ohne Rücksicht auf das tobende Unwetter ging der Prophet hinaus. Der Pharao wurde mit seinem ganzen Gefolge Zeuge der Macht Jahwes, der seinen Boten bewahrte. "Mose verließ den Pharao und ging zur Stadt hinaus. Er erhob die Hände und betete zum Herrn. Da hörten Donner, Hagel und Regen auf." (2. Mose 9,33 NLB) Aber kaum hatte sich der König von seinen Ängsten erholt, verfiel er wieder in seinen Eigensinn. WABT 250 2 Darauf sprach der Herr zu Mose: "Geh hin zum Pharao; denn ich habe sein und seiner Großen Herz verhärtet, auf dass ich diese meine Zeichen unter ihnen tue und auf dass du verkündigest vor den Ohren deiner Kinder und deiner Kindeskinder, wie ich mit den Ägyptern verfahren bin und welche Zeichen ich unter ihnen getan habe, damit ihr wisst: Ich bin der Herr." (2. Mose 10,1.2) Gott bekundete seine Macht, um den Glauben Israels an ihn als den einzig wahren und lebendigen Gott zu stärken. Er gab ihnen einen unmissverständlichen Beweis für den Unterschied, den er zwischen ihnen und den Ägyptern machte. Zugleich wollte er alle Völker wissen lassen, dass die von ihnen verachteten, unterdrückten Israeliten unter dem Schutz des Gottes im Himmel standen. Verwüstung Durch Heuschrecken WABT 250 3 Mose warnte den Herrscher, Gott werde eine Heuschreckenplage senden, wenn er weiter hartnäckig bleibe. Sie würden den ganzen Erdboden bedecken und alles Grüne fressen, das übrig geblieben war. Sie würden die Häuser und sogar den Palast füllen und eine Plage sein, "wie es nicht gesehen haben deine Väter und deiner Väter Väter, seit sie auf Erden waren bis auf diesen Tag" (2. Mose 10,6). WABT 250 4 Pharaos Ratgeber waren entgeistert. Die Ägypter hatten bereits durch den Tod ihres Viehs große Verluste erlitten. Viele Menschen waren vom Hagel erschlagen worden. Die Wälder waren zugrunde gerichtet und die Ernte war vernichtet. Sie waren dabei, alles, was sie durch die Zwangsarbeit der Israeliten gewonnen hatten, wieder zu verlieren. Das ganze Land war vom Hungertod bedroht. Fürsten und Höflinge drängten sich um den König und forderten zornig: "Wie lange soll dieser Mann uns Verderben bringen? Lass die Leute ziehen, dass sie dem Herrn, ihrem Gott, dienen. Willst du erst erfahren, dass Ägypten untergegangen ist?" (2. Mose 10,7) WABT 251 1 Wieder wurden Mose und Aaron gerufen. Der Pharao sagte ihnen: "Geht hin und dient dem Herrn, eurem Gott. Wer von euch soll aber hinziehen?" (2. Mose 10,8) Die Antwort lautete: "Wir wollen Junge und Alte mitnehmen ... unsere Söhne und Töchter, unsere Schafe und Rinder. Wir sollen alle zusammen ein Fest für den Herrn feiern." (2. Mose 10,9 NLB) WABT 251 2 Wutentbrannt schrie der König: "O ja, der Herr sei mit euch, so gewiss wie ich euch und eure Kinder ziehen lasse! Ihr seht doch selbst, dass ihr Böses vorhabt! Nein, nur ihr Männer zieht hin und dient dem Herrn! Denn das ist es doch, was ihr begehrt habt." (2. Mose 10,10.11) Danach jagte man sie vom Angesicht des Pharao. Der Herrscher hatte zunächst mit allen Mitteln versucht, die Israeliten durch harte Arbeit zu vernichten. Nun aber tat er so, als habe er ein großes Interesse an ihrem Wohlergehen und tiefes Mitgefühl mit ihren Kindern. Doch sein wahres Ziel war es, Frauen und Kinder als Bürgen für die Rückkehr der Männer zurückzubehalten. WABT 251 3 Mose streckte nun seinen Stab über das Land. Ein Ostwind erhob sich und brachte Heuschrecken. "Sie ließen sich in ganz Ägypten nieder. Solch eine schlimme Heuschreckenplage hatte Ägypten nie zuvor heimgesucht und wird es auch nie wieder geben." (2. Mose 10,14 NLB) Sie bedeckten den Himmel, bis es im Land dunkel wurde, und verschlangen alles an Grünem, was noch übrig geblieben war. WABT 251 4 Schnell ließ der Pharao die Propheten herbeirufen und sagte: "Ich habe gegen den Herrn, euren Gott, und gegen euch gesündigt ... Vergebt mir meine Sünde nur noch dieses eine Mal und bittet doch den Herrn, euren Gott, diese tödliche Plage zu beenden." (2. Mose 10,16.17 NLB) Als sie seinem Wunsch entsprachen, kam ein starker Westwind auf, der die Heuschrecken zum Roten Meer hin trieb. Doch noch immer verharrte der König bei seinem starrsinnigen Entschluss. WABT 251 5 Die Ägypter waren am Verzweifeln. Die Plagen, die sie getroffen hatten, schienen ihnen schon unerträglich genug; deshalb fürchteten sie sich vor der Zukunft. Bisher hatte das Volk den Pharao als einen Vertreter ihrer Gottheit verehrt. Aber nun waren viele davon überzeugt, dass er sich einem Gott widersetzte, dessen Willen alle Naturgewalten zur Verfügung standen. Die so wundersam verschonten hebräischen Sklaven dagegen begannen zuversichtlich auf ihre Befreiung zu warten. Ihre Aufseher wagten nicht mehr, sie wie bisher zu unterdrücken. In ganz Ägypten ging die geheime Angst um, diese Sklaven könnten sich erheben und für das angetane Unrecht Rache nehmen. Überall fragte man sich mit angehaltenem Atem: Was wird als Nächstes kommen? Finsternis Im Ganzen Land WABT 252 1 Plötzlich senkte sich eine Finsternis auf das Land, so dicht und unheilvoll, als könne "man sie greifen" (2. Mose 10,21). Dem Volk war aber nicht nur das Licht genommen. Auch die Luft war so drückend, dass das Atmen schwer wurde. "Die Ägypter konnten einander nicht sehen, und drei Tage lang verließ niemand sein Haus. Nur wo die Israeliten wohnten, blieb es hell." (2. Mose 10,23 GNB) Die Ägypter beteten Sonne und Mond an. Aber mit dieser rätselhaften Finsternis wurden das Volk und seine Götter von der Macht heimgesucht, die sich zum Anwalt der Sklaven gemacht hatte. Wie schrecklich dieses Gericht auch war, bewies es doch Gottes Mitleid. Er wollte sie nicht vernichten, sondern ihnen Zeit zur Besinnung und Umkehr geben. Erst danach würde er die letzte und schrecklichste Plage über sie bringen. WABT 252 2 Die Angst zwang den Pharao schließlich zu einem weiteren Zugeständnis. Nachdem die Finsternis drei Tage lang angehalten hatte, ließ er Mose rufen. Er stimmte nun dem Aufbruch des Volkes zu, vorausgesetzt, dass sie ihre Herden zurückließen. "Nein, auch unser Vieh muss mit uns gehen! Kein einziges Tier bleibt zurück", erwiderte Mose entschieden, "erst wenn wir an Ort und Stelle sind, können wir wissen, welche Tiere wir zum Opfer für den Herrn, unseren Gott, brauchen." (2. Mose 10,26. GNB) Da verlor der König völlig die Beherrschung: "Geh weg von mir!", schrie er vor Wut. "Hüte dich, mir nochmals unter die Augen zu treten! Denn an dem Tag, an dem du mir wieder unter die Augen trittst, musst du sterben." Mose antwortete: "Du hast recht geredet, ich werde dir nicht mehr unter die Augen treten." (2. Mose 10,28.29 Elb.) WABT 252 3 "Mose war ein sehr angesehener Mann in Ägyptenland vor den Großen des Pharao und vor dem Volk." (2. Mose 11,3) Die Ägypter betrachteten ihn mit Ehrfurcht. Der König wagte es nicht, ihn anzutasten, denn das Volk sah in ihm den Einzigen, der die Macht besaß, die Plagen abzuwenden. Sie wünschten sich, dass dem Volk Israel erlaubt werde, Ägypten zu verlassen. Aber der König und die Priester widersetzten sich Moses Forderungen bis zuletzt. ------------------------Kapitel 24 - Das Passafest WABT 253 0 2. Mose 11,1 bis 12,33. WABT 253 1 Als Mose dem ägyptischen König zum ersten Mal die Forderung überbracht hatte, Israel freizulassen, hatte er ihn auch vor der schrecklichsten aller Plagen gewarnt. Mose war beauftragt worden, dem Pharao zu sagen: "So spricht der Herr: Israel ist mein erstgeborener Sohn; und ich gebiete dir, dass du meinen Sohn ziehen lässt, dass er mir diene. Wirst du dich weigern, so will ich deinen erstgeborenen Sohn töten." (2. Mose 4,22.23) Die Israeliten wurden zwar von den Ägyptern verachtet, aber von Gott waren sie mit der Ehre bedacht worden, die Bewahrer seines Gesetzes zu sein. Durch die besonderen Segnungen und Vorzüge, die dieses Volk empfing, nahm es eine Vorrangstellung unter den Völkern ein - wie einst der Erstgeborene unter seinen Brüdern. WABT 253 2 Das Gericht, vor dem die Ägypter zuerst gewarnt worden waren, sollte sie als Letztes treffen. Gott ist langmütig und voller Barmherzigkeit. Mit liebender Fürsorge denkt er an die Wesen, die nach seinem Bild geschaffen sind. Hätte der Verlust der Ernte und ihrer Herden die Ägypter zur Reue veranlasst, wären ihre Kinder nicht umgekommen. Weil sie sich aber bis dahin Gottes Befehl hartnäckig widersetzt hatten, sollte nun der letzte, große Schlag gegen sie kommen. WABT 253 3 Es war Mose mit Todesandrohung verboten worden, wieder vor dem Pharao zu erscheinen, aber er musste dem rebellischen Herrscher eine letzte Botschaft von Gott übermitteln. Und darum trat er mit der schrecklichen Ankündigung vor den König Ägyptens: "So spricht der Herr: Um Mitternacht will ich durch Ägyptenland gehen, und alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben, vom ersten Sohn des Pharao an, der auf seinem Thron sitzt, bis zum ersten Sohn der Magd, die hinter ihrer Mühle hockt, und alle Erstgeburt unter dem Vieh. Und es wird ein großes Geschrei sein in ganz Ägyptenland, wie nie zuvor gewesen ist, noch werden wird; aber gegen ganz Israel soll nicht ein Hund mucken, weder gegen Mensch noch Vieh, auf dass ihr erkennt, dass der Herr einen Unterschied macht zwischen Ägypten und Israel. Dann werden zu mir herabkommen alle diese deine Großen und mir zu Füßen fallen und sagen: Zieh aus, du und alles Volk, das dir nachgeht. Und daraufhin werde ich ausziehen." (2. Mose 11,4-8) WABT 254 1 Bevor dieses Urteil vollstreckt wurde, gab Gott den Israeliten durch Mose besondere Anweisungen für ihren Auszug aus Ägypten und vor allem für ihre Bewahrung vor dem kommenden Gericht. Jede Familie musste allein oder zusammen mit anderen ein Lamm oder Zicklein schlachten, das "ohne Fehler" war, und dessen Blut mit einem Büschel Ysop "an die beiden Türpfosten und den oberen Türbalken des Hauses streichen". Dann werde der Würgengel, der um Mitternacht kommt, das Haus nicht betreten (vgl. 2. Mose 12,5-8 NLB). In der Nacht sollten sie gebratenes Fleisch mit ungesäuerten Broten und bitteren Kräutern essen. Mose wies sie an: "Beim Essen sollt ihr für die Reise angezogen sein, eure Sandalen an den Füßen und euren Wanderstab in der Hand. Esst es in Eile, denn es ist das Passa des Herrn!" (2. Mose 12,11) WABT 254 2 Der Herr ließ ihnen bekanntgeben: "Ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter ... Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid: Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen, und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage." (2. Mose 12,12.13) Die Einsetzung Des Passafestes WABT 254 3 Zur Erinnerung an diese überwältigende Befreiung sollte das Volk Israel für alle Zukunft jährlich ein Fest feiern: "Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den Herrn, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung." (2. Mose 12,14) Wenn sie das Fest in späteren Zeiten begehen, sollten sie ihren Kindern die Geschichte des großen Auszugs erzählen und gemäß Mose sagen: "Es ist das Passaopfer des Herrn, der an den Israeliten vorüberging in Ägypten, als er die Ägypter schlug und unsere Häuser errettete." (2. Mose 12,27) WABT 254 4 Außerdem sollten von nun an die Erstgeborenen von Mensch und Vieh dem Herrn gehören und gegen ein Lösegeld zurückgekauft werden. Damit sollten die Israeliten anerkennen, dass sie ohne das sühnende Opfer gerechterweise dem gleichen Verderben ausgesetzt waren, jedoch gnädigerweise verschont wurden, als die Erstgeborenen Ägyptens starben. "Denn die Erstgeburten sind mein", erklärte der Herr. "An dem Tage, da ich alle Erstgeburt schlug in Ägyptenland, da heiligte ich mir alle Erstgeburt in Israel, vom Menschen an bis auf das Vieh, dass sie mir gehören sollen." (4. Mose 3,13) Als der Herr später den Dienst am Heiligtum einsetzte, erwählte er sich dafür den Stamm Levi anstelle der Erstgeborenen des Volkes. "Sie sind mir als Gabe übergeben aus der Mitte der Israeliten statt der Erstgeburt aller Israeliten", erklärte er (4. Mose 8,16). Trotzdem sollten alle Familien als Anerkennung der Gnade Gottes weiterhin ein Lösegeld zahlen, um ihren erstgeborenen Sohn freizukaufen (vgl. 4. Mose 18,15.16). WABT 255 1 Das Passafest sollte sowohl eine Gedenkfeier als auch ein Vorbild sein: Es sollte zurückweisen auf die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten und vorausweisen auf die größere Befreiung aus der Sklaverei der Sünde, die Christus erreichen werde. Das Opferlamm ist ein Bild für "Gottes Lamm" (Johannes 1,29), auf das sich unsere einzige Hoffnung auf Erlösung gründet. Der Apostel Paulus erklärte: "Auch wir haben ein Passalamm, das ist Christus, der geopfert ist" (1. Korinther 5,7). Es genügte jedoch nicht, das Passalamm zu schlachten. Sein Blut musste an die Türpfosten gestrichen werden. Darum müssen auch die Verdienste des Blutes, das Christus vergossen hat, bei jedem einzelnen Menschen Anwendung finden. Wir müssen glauben, dass er nicht nur für die Welt, sondern auch für uns persönlich gestorben ist. Wir müssen das Verdienst des versöhnenden Opfers für uns selbst in Anspruch nehmen. WABT 255 2 Der Ysop, der zum Verstreichen des Blutes verwendet wurde, war ein Sinnbild der Reinigung. In diesem Sinn wurde er bei Aussätzigen benutzt und bei denen, die sich durch das Berühren von Toten verunreinigt hatten (vgl.3.Mose 14,5.51.52; 4. Mose 19,18). Auch in einem Gebet Davids erkennt man diese Bedeutung: "Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde; wasche mich, dass ich schneeweiß werde." (Psalm 51,9) WABT 255 3 Das Lamm sollte ganz - und ohne ihm einen Knochen zu brechen - zubereitet werden. Ebenso wurde Christus, dem Lamm Gottes, das für uns starb, kein Bein gebrochen (vgl. 2. Mose 12,46; Johannes 19,36). Damit wurde die Vollständigkeit seines Opfers sinnbildlich dargestellt. Christus, Unser Passalamm WABT 255 4 Das Fleisch sollte gegessen werden. Es genügt demnach nicht zu glauben, dass Christus Sünden vergibt. Durch den Glauben müssen wir von ihm ständig geistliche Kraft und Nahrung durch sein Wort empfangen. Jesus sagte: "Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohns esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben." (Johannes 6,53.54) Um zu erklären, was damit gemeint ist, fügte er hinzu: "Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben." (Johannes 6,63) Jesus erkannte das Gesetz seines Vaters an, setzte es in seinem Leben um, offenbarte dessen Geist und zeigte dessen wohltuenden Einfluss auf das Herz. Johannes schrieb: "Er, das Wort, wurde ein Mensch, ein wirklicher Mensch von Fleisch und Blut. Er lebte unter uns ... Gottes ganze Güte und Treue ist uns in ihm begegnet." (Johannes 1,14 GNB) WABT 256 1 Alle, die Christus nachfolgen, sollen ebenfalls diese Erfahrung machen. Sie müssen das Wort Gottes annehmen und in sich aufnehmen, damit es in ihrem Leben und Handeln zur treibenden Kraft wird. Durch die Macht in Christus müssen sie in sein Bild verwandelt werden und die göttlichen Eigenschaften in ihrem Wesen widerspiegeln. Wenn sie nicht gleichsam das Fleisch des Sohnes Gottes essen und sein Blut trinken, ist kein geistliches Leben in ihnen. Die Einstellung und das Wirken von Christus müssen auch seine Jünger auszeichnen. WABT 256 2 Das Lamm sollte mit bitteren Kräutern gegessen werden. Das sollte an die bittere Zeit ihrer Sklaverei in Ägypten erinnern. Wenn wir Christus zu unserer geistlichen Speise machen, sollte es wegen unserer Sünde mit reumütiger Gesinnung geschehen. Es war auch bedeutsam, dass die Brote ungesäuert sein mussten. Das wurde ausdrücklich in den Anweisungen zum Passafest vorgeschrieben und auch später streng von den Juden eingehalten, sodass sie während dieses Festes keinerlei Sauerteig im Haus hatten. Ebenso muss der Sauerteig der Sünde aus allen beseitigt werden, die Leben und Nahrung von Christus empfangen möchten. Paulus schrieb an die Gemeinde von Korinth: "Reinigt euch also! Entfernt den alten Sauerteig, damit ihr wieder ein frischer, ungesäuerter Teig seid! Denn das seid ihr doch, seit Christus als unser Passalamm geopfert wurde. Lasst uns darum auch entsprechend feiern: nicht mit Brot aus dem alten Sauerteig der Sünde und Schlechtigkeit, sondern mit dem ungesäuerten Brot der Reinheit und Rechtschaffenheit." (1. Korinther 5,7.8 GNB) Rettung Durch Glaube Und Gehorsam WABT 256 3 Ehe sie die Freiheit erhielten, mussten die versklavten Israeliten ihren Glauben an die unmittelbar bevorstehende Rettung bezeugen. Zum Zeichen mussten sie ihre Häuser mit dem Blut bestreichen, sich und ihre Familien von den Ägyptern absondern und sich in der eigenen Wohnung aufhalten. Hätten die Israeliten diese Anweisungen auch nur im Geringsten missachtet, wären sie nicht verschont worden. Wenn sie es versäumt hätten, ihre Kinder von den Ägyptern zu trennen, wenn sie das Lamm zwar geschlachtet, aber sein Blut nicht an die Türpfosten gestrichen hätten, oder wenn einer von ihnen das Haus verlassen hätte, wären sie nicht in Sicherheit gewesen. Auch wenn sie aufrichtig geglaubt hätten, alles Notwendige getan zu haben, hätte sie ihre Überzeugung nicht retten können. Jeder, der die Anweisungen des Herrn nicht befolgte, hätte seinen erstgeborenen Sohn durch den Zerstörer verloren. WABT 257 1 Durch den Gehorsam sollten die Israeliten ihren Glauben unter Beweis stellen. Ebenso sollten alle, die darauf hoffen, durch das Verdienst des Blutes unseres Heilandes gerettet zu sein, erkennen, dass sie selbst etwas dazu beitragen müssen, um sich ihre Erlösung zu sichern. Zwar kann uns nur Christus von der Strafe, welche die Übertretung nach sich zieht, befreien, aber wir sollen uns von der Sünde ab- und dem Gehorsam zuwenden. Der Mensch wird durch den Glauben gerettet, nicht durch seine Werke. Aber sein Glaube muss sich durch seine Werke zeigen. Gott hat seinen Sohn als Sühnopfer für die Sünde in den Tod gegeben. Er hat das Licht der Wahrheit und den Weg des Lebens offenbart. Er hat dem Menschen Fähigkeiten, geistliche Anordnungen und Vorrechte gegeben, und nun muss der Mensch mit diesen erlösenden Mitteln zusammenwirken. Er muss all die Hilfen, die Gott zur Verfügung gestellt hat, schätzen und anwenden - er muss glauben und alle Anordnungen Gottes befolgen. Vorbereitungen Für Den Auszug WABT 257 2 Als Mose den Israeliten berichtete, welche Vorkehrungen Gott zu ihrer Befreiung getroffen hatte, "neigte sich das Volk und betete an" (2. Mose 12,27). Die freudige Hoffnung auf ihre Befreiung, das schreckliche Wissen um das bevorstehende Gericht über ihre Unterdrücker, die Sorgen und Arbeiten, die mit ihrem eiligen Aufbruch verbunden waren - das alles wurde fürs Erste von der Dankbarkeit gegenüber ihrem gnädigen Befreier überlagert. Viele Ägypter waren dazu veranlasst worden, den Gott der Hebräer als den einzig wahren Gott anzuerkennen. Sie flehten nun um die Erlaubnis, in den Heimen der Israeliten Zuflucht zu suchen, wenn der Todesengel das Land durchziehen wird. Sie wurden mit Freuden aufgenommen, denn sie gelobten, von jetzt an dem Gott Jakobs zu dienen und mit seinem Volk Ägypten zu verlassen. WABT 257 3 Die Israeliten gehorchten den Anordnungen, die Gott durch Mose gegeben hatte. Rasch und heimlich trafen sie ihre Vorbereitungen für den Aufbruch. Die Familien wurden zusammengerufen. Man schlachtete das Passa- lamm, briet das Fleisch über dem Feuer und bereitete das ungesäuerte Brot und die bitteren Kräuter zu. Der Vater und Priester des Hauses strich das Blut an die Türpfosten und begab sich dann zu seiner Familie ins Haus. WABT 258 1 Eilends und schweigsam aßen die Israeliten das Passalamm. In ehrfurchtsvoller Scheu betete und wartete das Volk. Die Herzen der Erstgeborenen, angefangen vom kraftvollen Mann bis hin zum kleinen Kind, klopften vor ungewisser Angst. Väter und Mütter hielten ihren geliebten erstgeborenen Sohn im Arm, weil sie an den fürchterlichen Schlag dachten, der in dieser Nacht zu erwarten war. Aber der todbringende Engel besuchte keines der israelitischen Heime. Das Zeichen des Blutes - das Zeichen des Schutzes durch den Erlöser - war an ihren Türpfosten. Der Zerstörer trat nicht ein. Der Pharao Lässt Das Volk Endlich Ziehen WABT 258 2 Um Mitternacht "entstand ein großes Jammergeschrei in Ägypten; denn es gab kein Haus, in dem nicht ein Toter war" (2. Mose 12,30 Elb.). "Alle Erstgeburt im Land Ägypten vom Erstgeborenen des Pharao, der auf seinem Thron saß, bis zum Erstgeborenen des Gefangenen im Kerker, auch alle Erstgeburt des Viehs" (2. Mose 12,29 Elb.) hatte der Zerstörer getötet. Im großen Königreich Ägypten war der Stolz jeder Familie umgekommen. Das Geschrei und Wehklagen der Trauernden erfüllte die Luft. König und Höflinge standen bleich und mit zitternden Knien da. Sie waren über das grauenvolle Geschehen tief bestürzt. Der Pharao erinnerte sich, wie er einst ausgerufen hatte: "Wer ist der Herr, dass ich ihm gehorchen müsse und Israel ziehen lasse? Ich weiß nichts von dem Herrn, will auch Israel nicht ziehen lassen." (2. Mose 5,2) Jetzt endlich war sein Stolz, der den Himmel herausgefordert hatte, bis in den Staub gedemütigt. WABT 258 3 Noch in derselben Nacht ließ er Mose und Aaron rufen und forderte sie auf: "Schnell, verlasst das Land! Geht fort von meinem Volk, ihr und die anderen Israeliten! Bringt dem Herrn eure Opfer, wie ihr es verlangt habt. Nehmt eure Schafe, Ziegen und Rinder mit, aber geht! Bittet euren Gott, dass er auch mich segnet!" Auch die Ratgeber des Königs und die Ägypter drängten das Volk, schleunigst das Land zu verlassen. "Sonst kommen wir noch alle um!" (2. Mose 12,31-33 GNB) ------------------------Kapitel 25 - Der Auszug WABT 259 0 2.Mose 12,33 bis 15,21. WABT 259 1 Mit gegürteten Lenden, Sandalen an den Füßen und einem Stab in der Hand, erwarteten die Israeliten ehrfürchtig schweigend den Befehl des Pharao zum Auszug. Noch vor Tagesanbruch waren sie auf dem Weg. Als die Plagen die Macht Gottes offenbarten, war das Vertrauen der Versklavten in ihren Gott gewachsen. Ihre Unterdrücker dagegen waren in Angst und Schrecken versetzt worden, während sich die Israeliten allmählich in Goschen sammelten. Auch wenn ihre Flucht sehr plötzlich geschah, waren bereits notwendige Vorkehrungen zur Organisation und Kontrolle der ausziehenden Menschenmenge getroffen worden. Man hatte sie in Gruppen eingeteilt und Leiter über sie gesetzt. WABT 259 2 Und sie zogen aus, "600.000 Männer, dazu Frauen und Kinder. Auch viele Nichtisraeliten zogen mit ihnen" (2. Mose 12,37.38 NLB). Dazu zählten aber nicht nur solche, bei denen der Glaube an den Gott Israels die treibende Kraft war. Die meisten wollten einfach den Plagen entrinnen oder folgten der aufbrechenden Menge aus Begeisterung und Neugier. Diese Leute bildeten immer ein Hindernis und eine Gefahr für Israel. WABT 259 3 Das Volk nahm auch "Schafe und Rinder, sehr viel Vieh" (2. Mose 12,38) mit. Das war Eigentum der Israeliten, die ihren Besitz nie an den König verkauft hatten, wie dies die Ägypter hatten tun müssen. Jakob und seine Söhne hatten ihre Herden mit nach Ägypten gebracht, wo sie sich außerordentlich vermehrten. Bevor nun das Volk Ägypten verließ, verlangte es auf Moses Rat hin eine Entschädigung für die unbezahlte Arbeit. Und die Ägypter waren so sehr darauf aus, sie endlich loszuwerden, dass sie bereitwillig darauf eingingen. So kam es, dass die bisherigen Sklaven mit Beute beladen von ihren Unterdrückern fortzogen. WABT 259 4 An jenem Tag ging der Zeitabschnitt zu Ende, der Abraham Jahrhunderte zuvor in einer Vision offenbart worden war: "Das sollst du wissen, dass deine Nachkommen werden Fremdlinge sein in einem Land, das nicht das ihre ist; und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen 400 Jahre. Aber ich will das Volk richten, dem sie dienen müssen. Danach sollen sie ausziehen mit großem Gut." (1. Mose 15,13.14) Die 400 Jahre hatten sich erfüllt. "Als diese um waren, an eben diesem Tage zog das ganze Heer des Herrn aus Ägyptenland." (2. Mose 12,41) Bei ihrem Auszug aus Ägypten nahmen die Israeliten auch ein kostbares Erbe mit, das so lange auf die Erfüllung der Zusagen Gottes hatte warten müssen: die Gebeine Josefs. Während der dunklen Jahre der Sklaverei waren sie stets ein Hinweis auf Israels kommende Befreiung gewesen. Die Leitung Durch Die Wolken- Und Feuersäule WABT 260 1 Anstatt den direkten Weg nach Kanaan zu nehmen, der durch das Land der Philister führte, lenkte der Herr die Israeliten nach Süden zur Küste des Roten Meeres. Denn er dachte, "es könnte das Volk gereuen, wenn sie Kämpfe vor sich sähen, und sie könnten wieder nach Ägypten umkehren" (2. Mose 13,17). Hätten sie versucht, durch das Land der Philister zu ziehen, wäre ihr Vormarsch bestimmt aufgehalten worden, denn die Philister hätten in ihnen nur entlaufene Sklaven gesehen und nicht gezögert, mit ihnen Krieg zu führen. Auf einen Zusammenstoß mit diesem mächtigen, kriegerischen Volk waren die Israeliten aber nicht vorbereitet. Sie besaßen noch eine zu geringe Gotteserkenntnis und zu wenig Vertrauen zu Gott. Daher wären sie in Panik geraten und entmutigt worden. Sie waren unbewaffnet, ohne Kriegserfahrung, von der langen Gefangenschaft entmutig und die Frauen, Kinder, das Kleinvieh und die Herden waren ihnen hinderlich. Indem der Herr sie den Weg zum Roten Meer führte, offenbarte er sich ihnen als ein Gott der Barmherzigkeit und des Gerichts. WABT 260 2 "So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste. Und der Herr zog vor ihnen her, am Tag in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tag noch die Feuersäule bei Nacht." (2. Mose 13,20-22) Der Psalmist sagt: "Er breitete eine Wolke aus, sie zu decken, und ein Feuer, des Nachts zu leuchten." (Psalm 105,39) Das Banner ihres unsichtbaren Führers war immer bei den Israeliten. Am Tag gab ihnen die Wolke die Richtung vor, in die sie ziehen sollten, oder sie breitete sich wie ein Baldachin über die Menge. Sie diente als Schutz vor der sengenden Hitze und spendete mit ihrer Kühle und Feuchtigkeit in der ausgedörrten Wüste wohltuende Erfrischung. Nachts wurde sie zu einer Feuersäule, die das Lager erleuchtete und ihnen ständig Gottes Gegenwart zusicherte. WABT 261 1 An einer der schönsten und tröstlichsten Stellen der Weissagungen Jesajas bezog sich der Prophet auf die Wolken- und Feuersäule, die Gottes Fürsorge für sein Volk im großen Endkampf mit den Mächten des Bösen darstellt: "Dann wird der Herr über der ganzen Stätte des Berges Zion und über ihren Versammlungen eine Wolke schaffen am Tage und Rauch und Feuerglanz in der Nacht. Ja, es wird ein Schutz sein über allem, was herrlich ist, und eine Hütte zum Schatten am Tage vor der Hitze und Zuflucht und Obdach vor dem Wetter und Regen." (Jesaja 4,5.6) WABT 261 2 So zogen sie durch öde, wüstenhafte Gebiete und wunderten sich, wohin der Weg wohl führte. Allmählich wurden sie vom beschwerlichen Marsch müde. Einige bekamen Angst, die Ägypter könnten sie verfolgen. Aber die Wolke zog vorwärts, und sie folgten ihr. Nun wies der Herr Mose an, in einen felsigen Engpass abzubiegen und das Volk am Meer lagern zu lassen. Es wurde ihm auch offenbart, dass sie der Pharao verfolgen werde. Aber Gott werde durch ihre Befreiung geehrt werden. Die Ägypter Auf Der Verfolgungsjagd WABT 261 3 In Ägypten machte die Nachricht die Runde, dass die Israeliten zum Roten Meer zogen, anstatt zum Gottesdienst in der Wüste zu bleiben. Die Ratgeber des Pharao sagten dem Monarchen, dass die Sklaven geflohen seien, um nie wieder zurückzukehren. Das ägyptische Volk bedauerte nun seine Torheit, den Tod der Erstgeborenen der Macht Jahwes zugeschrieben zu haben. Auch die Großen des Landes erholten sich von ihrer Angst und erklärten, die Plagen seien als Folge natürlicher Ursachen aufgetreten. "Warum haben wir das getan und haben Israel ziehen lassen, sodass sie uns nicht mehr dienen?" (2. Mose 14,5), riefen sie erbittert aus. WABT 261 4 Der Pharao sammelte seine Streitkräfte, "nahm 600 der besten ägyptischen Streitwagen sowie alle übrigen verfügbaren Streitwagen Ägyptens mit" (2. Mose 14,7 NLB), dazu Reiter, Hauptleute und Fußsoldaten. Der König selbst, von den führenden Männern seines Reiches begleitet, führte das angreifende Heer. Auch Priester waren dabei, um die Gunst der Götter zu sichern und damit den Erfolg des Unternehmens zu garantieren. Der König war entschlossen, die Israeliten mit einem großartigen Machtaufgebot einzuschüchtern. Die Ägypter befürchteten, ihre erzwungene Unterwerfung unter den Gott Israels werde sie zum Gespött anderer Völker machen. Würden sie aber jetzt mit einer großen Zurschaustellung ihrer Stärke aufwarten und die Flüchtenden zurückbringen, wäre ihre Ehre nicht nur gerettet, sondern sie hätten sich auch wieder die Dienste ihrer Sklaven gesichert. WABT 262 1 Die Israeliten lagerten sich am Meer, dessen Wasser ein scheinbar unüberwindliches Hindernis darstellte. Und im Süden versperrte ein zerklüfteter Gebirgszug ihren Vormarsch. Plötzlich bemerkten sie in der Ferne blitzende Waffen und rollende Wagen, die auf die Vorhut eines großen Heeres hindeuteten. Als die Streitmacht näher rückte, erkannten sie, dass das gesamte ägyptische Heer zur Verfolgung aufgebrochen war. Panik ergriff die Israeliten. Einige schrien zum Herrn, aber die meisten liefen zu Mose und beschwerten sich: "Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast? Haben wir's dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben." (2. Mose 14,11.12) WABT 262 2 Mose war tief bekümmert, dass sein Volk so wenig Vertrauen zu Gott zum Ausdruck brachte, obwohl es wiederholt erlebt hatte, wie Gott seine Macht zu ihren Gunsten offenbarte. Wie konnten die Israeliten Mose die Gefahren und Schwierigkeiten ihrer Lage zum Vorwurf machen, wo er doch dem ausdrücklichen Befehl Gottes gefolgt war? Gewiss gab es für sie keine Möglichkeit der Rettung - es sei denn, Gott selbst greift ein, um sie zu befreien. Da Mose in diese Lage gekommen war, weil er die göttliche Anweisung befolgt hatte, fürchtete er sich nicht vor den Konsequenzen. Seine gelassene und beruhigende Antwort war: "Habt keine Angst! Wartet ab und seht, wie der Herr euch heute retten wird. Denn ihr werdet diese Ägypter dort nie wiedersehen. Der Herr selbst wird für euch kämpfen. Bleibt ganz ruhig!" (2. Mose 14,13.14 NLB) WABT 262 3 Es war keine Kleinigkeit, Israels Scharen dazu zu bringen, vor dem Herrn in Ruhe abzuwarten. Weil es ihnen an Disziplin und Selbstbeherrschung fehlte, wurden sie gewalttätig und unvernünftig. Sie rechneten damit, bald wieder in die Hände ihrer Unterdrücker zu fallen. Deshalb jammerten und klagten sie laut und durchdringend. Sie waren der wunderbaren Wolkensäule als einem Zeichen Gottes gefolgt, um vorwärtszuziehen. Doch nun fragten sie sich untereinander, ob sie ihnen nicht ein großes Unglück ankündigte. Hatte die Wolke das Volk nicht auf der falschen Seite des Berges in eine Sackgasse geführt? Auf diese Weise schien durch ihr verkehrtes Denken der Engel Gottes ein Unglücksbote zu sein. WABT 262 4 Als nun das ägyptische Heer anrückte und meinte, leichte Beute machen zu können, erhob sich die Wolkensäule majestätisch zum Himmel, schwebte über die Israeliten hinweg und senkte sich zwischen ihnen und der Armee der Ägypter wieder zur Erde. Eine dunkle Wand legte sich zwischen die Verfolgten und ihre Verfolger. Die Ägypter konnten das Lager der Hebräer nicht mehr sehen und waren gezwungen haltzumachen. Als aber die Dunkelheit der Nacht zunahm, wurde die Wolkenwand für die Hebräer zu einer großen Leuchte und tauchte das ganze Lager in helles Tageslicht. WABT 263 1 Da kehrte in Israel wieder Gottvertrauen ein. Mose betete zum Herrn, aber der sagte zu ihm: "Warum schreist du zu mir? Sag den Israeliten, dass sie aufbrechen sollen! Halte deinen Hirtenstab hoch, strecke ihn über das Meer aus und teile es. Dann sollen die Israeliten trockenen Fußes hindurchgehen." (2. Mose 14,15.16 NLB) Der Durchzug Durch Das Rote Meer WABT 263 2 Der Psalmist Asaf schilderte Israels Durchzug durch das Meer, indem er sang: "Dein Weg ging durch das Meer und dein Pfad durch große Wasser; doch niemand sah deine Spur. Du führtest dein Volk wie eine Herde durch die Hand des Mose und Aaron." (Psalm 77,20.21) Als Mose seinen Wanderstab ausstreckte, teilte sich das Wasser. Da ging das Volk Israel auf trockenem Boden mitten durch das Meer, während die Wassermassen auf beiden Seiten wie eine Mauer stehenblieben. Das Licht der Feuersäule beleuchtete die mit Schaum gekrönten Wogen. Es schien auch auf den Weg, der wie eine riesige Schneise durch das Meer führte und sich in der Unbekanntheit des jenseitigen Ufers verlor. WABT 263 3 "Die Ägypter verfolgten sie; und alle Streitwagen des Pharao mit den Pferden und Wagenkämpfern jagten hinter ihnen her ins Meer hinein. Kurz vor Morgengrauen sah der Herr aus der Feuer- und Wolkensäule auf das Heer der Ägypter und stürzte es in Verwirrung." (2. Mose 14,23.24 GNB) Vor ihren überraschten Blicken verwandelte sich die geheimnisvolle Wolke in eine Feuersäule. Donner krachten, Blitze zuckten. "Wasser ergossen sich aus dem Gewölk, die Wolken donnerten, und deine Pfeile fuhren einher. Dein Donner rollte, Blitze erhellten den Erdkreis, die Erde erbebte und wankte", schrieb Asaf (Psalm 77,18.19). WABT 263 4 Die Ägypter packte Verwirrung und Entsetzen. Mitten im zornigen Toben der Elemente, in dem sie die Stimme eines erzürnten Gottes hörten, versuchten sie, umzukehren und zum Ufer zu fliehen, von dem sie gekommen waren. Aber Mose streckte seinen Stab aus, und die aufgestauten Wassermassen stürzten donnernd, zischend und gierig nach Beute über ihnen zusammen und rissen das ägyptische Heer mit sich in die schwarze Tiefe. Moses Lobgesang WABT 264 1 Als der Morgen anbrach, sahen die vielen Israeliten, was von ihren mächtigen Feinden übrig geblieben war: gepanzerte Leichen, die am Ufer verstreut umherlagen. Eine einzige Nacht hatte genügt, um sie aus der überaus schrecklichen Gefahr völlig zu befreien. Diese riesige, hilflose Schar aus kampfungeübten Sklaven, Frauen, Kindern und Viehherden hatte - als vor ihnen das Meer und hinter ihnen das mächtige Heer Ägyptens war - erlebt, wie sich ein Weg mitten durchs Wasser auftat und ihre Feinde im Augenblick des erwarteten Triumphs verschlungen wurden. Jahwe allein hatte sie gerettet! Deshalb wandten sie nun ihre Herzen in Dankbarkeit und Vertrauen ihm zu. In Lobgesängen brachten sie ihre Gefühle zum Ausdruck. Der Geist Gottes ruhte auf Mose, als er das Volk bei einem Siegeslied anführte, das dessen Danksagung zum Ausdruck brachte - das älteste und eines der erhabensten Lieder, die die Menschen kennen: WABT 264 2 "Ich will dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan, Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt. Der Herr ist meine Stärke, und mein Lobgesang und ist mein Heil. Das ist mein Gott, ich will ihn preisen, er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben. Der Herr ist der rechte Kriegsmann, Herr ist sein Name. Des Pharaos Wagen und seine Macht warf er ins Meer, seine auserwählten Streiter versanken im Schilfmeer. Die Tiefe hat sie bedeckt, sie sanken auf den Grund wie die Steine. Herr, deine rechte Hand tut große Wunder; Herr, deine rechte Hand hat die Feinde zerschlagen. ... Herr, wer ist dir gleich unter den Göttern? Wer ist dir gleich, der so mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig ist?. Du hast geleitet durch deine Barmherzigkeit dein Volk, das du erlöst hast, und hast es geführt durch deine Stärke zu deiner heiligen Wohnung. Als das die Völker hörten, erbebten sie . Es fiel auf sie Erschrecken und Furcht; vor deinem mächtigen Arm erstarrten sie wie die Steine, bis dein Volk, Herr, hindurchzog, bis das Volk hindurchzog, das du erworben hast. Du brachtest sie hinein und pflanztest sie ein auf dem Berg deines Erbteils, den du, Herr, dir zur Wohnung gemacht hast ..." (2. Mose 15,1-6,11.13.14.16.17) WABT 265 1 Wie eine Stimme aus der Tiefe stieg dieser erhabene Lobgesang aus den Kehlen der hebräischen Männerscharen auf. Die Frauen Israels griffen das Lied auf. Mirjam, Moses Schwester, führte sie dabei an, begleitet von Pauken und Reigentanz. Der frohe Kehrreim erscholl über Wüste und Meer, und die Berge warfen das Echo ihres Lobpreises zurück: "Lasst uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan." (2. Mose 15,21) WABT 265 2 Dieses Lied und die wunderbare Rettung, an die es erinnert, hinterließen einen tiefen Eindruck, der für alle Zeiten im Gedächtnis des Volkes Israel blieb. Von einem Zeitalter zum anderen wiederholten es die Propheten und Sänger Israels und bezeugten damit, dass Jahwe die Stärke und Rettung aller ist, die ihm vertrauen. Dieses Lied gehört nicht dem jüdischen Volk allein. Es weist weit voraus auf die Vernichtung aller Feinde der Gerechtigkeit und auf den endgültigen Sieg des Volkes Gottes. Johannes, der Prophet auf Patmos, sah die weiß gekleidete Menge derer, "die den Sieg behalten hatten". Sie standen am "gläsernen Meer", das mit "Feuer vermengt" war, und "hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes" (Offenbarung 15,2.3). WABT 265 3 "Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre um deiner Gnade und Treue willen!" (Psalm 115,1) Von diesem Geist war Israels Hymne über seine Befreiung erfüllt. Derselbe Geist sollte in allen zu finden sein, die Gott lieben und verehren. Gott hat uns aus der Sklaverei der Sünde befreit. Diese Erlösung ist noch größer als die, welche er damals für die Israeliten am Roten Meer vollbrachte. Wie ihre Scharen sollen auch wir den Herrn mit Herz, Gemüt und Stimme lobpreisen "für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut" (Psalm 107,8; vgl. V. 15.21.31). Wer oft über Gottes große Barmherzigkeit nachdenkt und auch seine geringeren Gaben nicht übersieht, umgibt sich gleichsam mit einem Gürtel von Freude und singt dem Herrn in seinem Herzen (vgl. Kolosser 3,16c). Die täglichen Segnungen, die wir aus Gottes Hand erhalten, vor allem aber das Opfer von Jesus, durch das er uns Glückseligkeit und den Himmel in Reichweite gebracht hat, sollten uns stets dankbar stimmen. Wie viel Mitgefühl und welch unvergleichliche Liebe hat Gott doch uns verlorenen Sündern entgegengebracht, indem er sich in Jesus mit sich verbunden und uns zu seinem besonderen Schatz gemacht hat! Was für ein Opfer hat unser Erlöser gebracht, damit wir Gottes Kinder werden konnten! Wir sollten den Herrn loben für die "selige Hoffnung" (Titus 2,13), die uns mit dem großartigen Erlösungsplan angeboten wird, ihn loben für das himmlische Erbe und seine zahlreichen Verheißungen, ihn rühmen, weil Jesus lebt und als Fürsprecher für uns eintritt. WABT 266 1 "Wer Dank opfert, der preiset mich", sagt der Schöpfer (Psalm 50,23). Alle Himmelsbewohner vereinen sich zum Lob Gottes. Lasst uns jetzt schon das Lied der Engel lernen, damit wir es singen können, wenn wir uns ihren herrlich glänzenden Reihen anschließen dürfen. Lasst uns mit dem Psalmisten sagen: "Ich will den Herrn loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich bin." (Psalm 146,2) "Gott, die Völker sollen dir danken, alle Völker sollen dich loben." (Psalm 67,6 NLB) Eine Lehre Des Glaubens WABT 266 2 In seiner Vorsehung hatte Gott die Israeliten an die Bergfeste am Meer geführt, damit er ihnen durch ihre Erlösung seine Macht offenbaren und den Stolz ihrer Unterdrücker sichtbar demütigen konnte. Er hätte sie auch auf andere Weise retten können, aber er wählte diesen Weg, um ihren Glauben auf die Probe zu stellen und ihr Vertrauen zu ihm zu stärken. Die Leute waren müde und fürchterlich erschrocken. Sie wären zurückgeblieben, als ihnen Mose gebot, vorwärtszugehen, wenn ihnen Gott nicht diesen Weg geöffnet hätte. "Durch den Glauben gingen sie durchs Rote Meer wie über trockenes Land." (Hebräer 11,29) Als sie geradewegs zum Wasser hinunterstiegen, bewiesen sie, dass sie dem Wort Gottes glaubten, das ihnen Mose gesagt hatte. Sie taten alles, was in ihrer Macht stand, und dann teilte der mächtige Gott Israels das Meer und bereitete ihren Füßen den Weg. WABT 266 3 Diese wichtige Lehre gilt für alle Zeiten. Ein Christ sieht sich oft Gefahren ausgesetzt, und es scheint schwer, seine Pflicht zu erfüllen. In seiner Fantasie sieht er den drohenden Untergang vor sich, sogar Gefängnis oder den Tod. Doch die Stimme Gottes sagt deutlich: Geh voran! Wir sollten diesem Befehl nachkommen, selbst wenn unsere Augen das Dunkel nicht durchdringen können und wir die kalten Wellen an unseren Füßen spüren. Die Hindernisse, die unseren Fortschritt hemmen, werden nie verschwinden, falls wir unentschlossen sind und zweifeln. Wer mit dem Gehorsam wartet, bis jeder Schatten der Ungewissheit gewichen ist und kein Risiko des Misserfolges oder der Niederlage besteht, wird Gott niemals gehorchen. Der Unglaube flüstert: Lass uns warten, bis die Schwierigkeiten beseitigt sind und wir unsere Lage besser einschätzen können, aber der Glaube ermutigt uns voranzugehen. Er hofft auf alles und glaubt alles (vgl. 1. Korinther 13,7b). WABT 267 1 Die Wolke, die den Ägyptern als dunkle Wand erschien, war für die Israeliten ein helles, flutendes Licht. Es erleuchtete ihr ganzes Lager und erhellte den Weg, der vor ihnen lag. So bewirkt Gottes Handeln bei den Ungläubigen Finsternis und Verzweiflung, bei den vertrauenden Menschen aber Klarheit und Frieden. Gottes Weg mag durch die Wüste oder das Meer führen, dennoch ist er ein sicherer Weg. ------------------------Kapitel 26 - Vom Roten Meer Zum Berg Sinai WABT 268 0 2.Mose 15,22 bis 18,27. WABT 268 1 Vom Roten Meer setzten die Israeliten ihre Wanderung unter der Leitung der Wolkensäule fort. Die Landschaft ringsum war trostlos: kahle Berge, unfruchtbare Ebenen und das Rote Meer in der Ferne, an dessen lang gestreckter Küste noch die Leichen ihrer Feinde verstreut lagen. Doch das Bewusstsein ihrer Freiheit erfüllte die Israeliten mit großer Freude, sodass jeder Gedanke an Unzufriedenheit verflogen war. WABT 268 2 Aber ganze drei Tage lang konnten sie auf ihrer Wanderung keine Wasserstelle finden. Was sie an Vorrat mitgenommen hatten, war erschöpft. Sie hatten nichts, was ihren brennenden Durst hätte löschen können, als sie sich müde über die sonnenverbrannten Ebenen schleppten. Mose kannte diese Gegend und wusste, was den anderen noch verborgen war: Die nächste Stelle, wo es Quellen gab, war Mara. Aber dort war das Wasser ungenießbar. Mit wachsender Sorge beobachtete er die voranziehende Wolke. Der Mut wollte ihm schon sinken, als er den Freudenruf "Wasser, Wasser!" hörte, der durch die Reihen hallte. Männer, Frauen und Kinder drängten sich in freudiger Eile zur Quelle. Da brach ein qualvoller Schmerzensschrei aus der Menge hervor, denn das Wasser war bitter. WABT 268 3 In ihrem Entsetzen und ihrer Verzweiflung warfen die Israeliten Mose vor, er habe sie diesen Weg geführt. Sie bedachten aber nicht, dass Gottes Gegenwart in der geheimnisvollen Wolke ihn ebenso geleitet hatte wie auch sie. In seinem Kummer über ihre Notlage tat Mose, was sie vergessen hatten: Er rief ernstlich zu Gott um Hilfe. "Und der Herr zeigte ihm ein Holz; das warf er ins Wasser, da wurde es süß." (2. Mose 15,25) Hier wurde Israel durch Mose das Versprechen gegeben: "Wirst du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen und tun, was vor ihm recht ist, und merken auf seine Gebote und halten alle seine Gesetze, so will ich dir keine der Krankheiten auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe; denn ich bin der Herr, dein Arzt." (2. Mose 15,26) WABT 269 1 Von Mara wanderte das Volk nach Elim, "da waren zwölf Wasserquellen und siebzig Palmbäume" (2. Mose 15,27). Dort blieben sie einige Tage, bevor sie in die Wüste Sin zogen. Einen Monat, nachdem sie Ägypten verlassen hatten, schlugen sie ihr Lager zum ersten Mal in der Wüste auf. Ihre Lebensmittelvorräte gingen zur Neige, und weil sie nur kärgliche Weide fanden, gingen viele Tiere ein. Wie konnte für diese unübersehbare Menge Nahrung beschafft werden? Zweifel stiegen in ihnen auf, und wieder beklagten sich die Israeliten. Selbst die Stammesoberhäupter und Ältesten des Volkes stimmten in die Klage gegen Gott und seine berufenen Führer ein: "Hätte uns der Herr doch nur in Ägypten getötet ... Dort hatten wir immerhin Fleisch und genügend Brot zu essen. Stattdessen habt ihr uns in diese Wüste geführt, damit wir hier alle verhungern." (2. Mose 16,3) WABT 269 2 Dabei hatten sie bis dahin noch gar keinen Hunger gelitten. Für ihren augenblicklichen Bedarf war gesorgt. Sie fürchteten nur die Zukunft. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie diese riesige Volksmenge auf ihrem Zug durch die Wüste überleben sollte. In ihrer Fantasie sahen sie schon ihre Kinder an Hunger sterben. Der Herr ließ es zu, dass sie in Schwierigkeiten gerieten und ihre Lebensmittel immer knapper wurden, damit sich ihr Herz ihm zuwandte, der bisher ihr Erretter gewesen war. Würden sie ihn in ihrer Notlage anrufen, würde er ihnen deutliche Zeichen seiner Liebe und Fürsorge zuteilwerden lassen. Er hatte ja versprochen, dass keine Krankheit sie befallen sollte, wenn sie seinen Geboten gehorchten. Deshalb war es sündiger Unglaube, von vornherein anzunehmen, sie selbst oder ihre Kinder könnten vor Hunger sterben. Ein Schwieriger Lernprozess WABT 269 3 Der Herr hatte versprochen, ihr Gott zu sein, sie als sein Volk anzunehmen und sie in ein großes und gutes Land zu bringen. Doch bei jedem Hindernis, das sie auf dem Weg dahin zu überwinden hatten, wurden sie schnell mutlos. Auf wunderbare Weise hatte sie Gott aus ihrer Knechtschaft in Ägypten befreit, um sie zu erhöhen und veredeln zu können und sie zu einem Lobpreis für ihn auf Erden zu machen. Aber sie mussten lernen, Schwierigkeiten zu begegnen und Entbehrungen zu ertragen. Gott war dabei, sie aus einem Zustand der Erniedrigung herauszuführen und zu befähigen, einen ehrenvollen Platz unter den Völkern einzunehmen und ein wichtiges und heiliges Vermächtnis zu übernehmen. Hätten sie Gott im Hinblick auf das vertraut, was er bereits alles für sie getan hatte, wäre es ein Leichtes für sie gewesen, Unannehmlichkeiten, Entbehrungen und sogar wirkliche Leiden willig zu ertragen. Aber sie wollten Gott nur so weit vertrauen, wie sie ständig neue Beweise seiner Macht erlebten. Sie vergaßen ihre harte Zwangsarbeit in Ägypten und Gottes Güte und Macht, die er ihretwegen bei ihrer Befreiung aus der Sklaverei offenbart hatte. Sie dachten nicht mehr daran, dass ihre Kinder verschont worden waren, als der Todesengel alle Erstgeborenen der Ägypter schlug. Sie vergaßen sogar die großartige göttliche Machtentfaltung am Roten Meer - dass die feindlichen Heere, die ihnen folgen wollten, von den Wassermassen verschlungen wurden, sie selbst aber unversehrt das Meer auf dem Weg, der sich vor ihnen aufgetan hatte, durchqueren konnten. Sie nahmen nur noch die gegenwärtigen Unannehmlichkeiten und Anfechtungen wahr. Und statt zu sagen: "Gott hat große Dinge für uns getan, als wir noch Sklaven waren; er will aus uns eine bedeutende Nation machen", klagten sie nur darüber, wie beschwerlich der Weg sei, und fragten sich, wann ihre ermüdende Wanderung wohl ein Ende nehme. Lehren Für Gottes Volk Am Ende Der Zeit WABT 270 1 Die Geschichte von Israels Zug durch die Wüste wurde zum Nutzen des Volkes Gottes am Ende der Zeit aufgezeichnet. Der Bericht erzählt von Gottes Handeln auf ihren Wanderzügen in der Wüste; wie sie dabei Hunger, Durst und Erschöpfung ausgesetzt waren und eindrucksvolle Bekundungen seiner Macht zu ihrer Hilfe erlebten. Diese Schilderung ist voller Warnungen und Belehrungen für sein Volk zu allen Zeiten. Die vielfältigen Erfahrungen der Israeliten waren eine gute Vorbereitung auf die versprochene Heimat in Kanaan. Gott möchte, dass sein heutiges Volk demütig und lernwillig die Schwierigkeiten und Prüfungen nachempfindet, durch die das alte Israel gehen musste. Das kann ihm bei seiner Vorbereitung auf das himmlische Kanaan zur Unterweisung dienen. WABT 270 2 Viele wundern sich rückblickend über den Unglauben und die Unzufriedenheit des damaligen Volkes Israel. Sie denken, dass sie selbst nicht so undankbar gewesen wären. Aber wenn ihr Glaube auf die Probe gestellt wird, und sei es nur durch kleine Prüfungen, beweisen sie nicht mehr Glauben und Geduld als die Israeliten damals. Wenn sie in schwierige Lebenslagen geraten, beklagen sie sich über die Mittel und Wege, die Gott benutzt, um sie zu läutern. Obgleich ihre gegenwärtigen Bedürfnisse gestillt sind, vertrauen doch viele für die Zukunft nicht auf Gott. Dauernd sind sie in Sorge, sie könnten in Armut geraten und ihre Kinder müssten Not leiden. Einige rechnen immer nur mit schlimmen Dingen oder bauschen die tatsächlich vorhandenen Schwierigkeiten auf. Das macht sie für die vielen Segnungen, die ihre Dankbarkeit verdienen, blind. Die Hindernisse, die ihnen begegnen, bringen sie nicht dazu, Gottes Hilfe - die einzige Quelle der Kraft - zu suchen, sondern trennten sie von ihm, weil sie Unzufriedenheit und Auflehnung erzeugen. Gott Vertrauen, Statt Sich Sorgen Zu Machen WABT 271 1 Ist es richtig, dass wir so ungläubig sind? Weshalb sollten wir undankbar und misstrauisch sein? Jesus ist doch unser Freund! Der ganze Himmel nimmt an unserem Wohlergehen Anteil. Unsere Ängste und Befürchtungen betrüben den Heiligen Geist. Wir sollten uns nicht von einer Art Besorgtheit umtreiben lassen, die uns nur zerfrisst und zermürbt, aber uns nicht hilft, Prüfungen auszuhalten. Gib dem gegen Gott gerichteten Misstrauen keinen Raum. Es verführt dich dazu, die Vorsorge für die Zukunft zur wichtigsten Lebensaufgabe zu machen, so als hinge unser Glück von diesen irdischen Dingen ab. Es ist nicht Gottes Wille, dass sein Volk von Sorgen niedergedrückt wird. Aber unser Herr sagt auch nicht, dass es keine Gefahren auf unserem Weg gibt. Er hat nicht vor, sein Volk aus der sündigen und bösen Welt herauszunehmen, sondern er zeigt uns stets einen sicheren Zufluchtsort. Er lädt die Müden und Beladenen ein: "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken." Legt doch das Joch der Angst und der weltlichen Sorge ab, das ihr euch selbst aufgeladen habt! "Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen", sagte Jesus (Matthäus 11,28.29). In Gott finden wir Ruhe und Frieden, wenn wir alle unsere Sorge auf ihn werfen, denn er sorgt für uns (vgl. 1. Petrus 5,7). WABT 271 2 Der Apostel Paulus sagt: "Seht zu, liebe Brüder, dass keiner unter euch ein böses, ungläubiges Herz habe, das abfällt von dem lebendigen Gott." (Hebräer 3,12) Im Hinblick auf alles, was Gott für uns getan hat, sollte unser Glaube stark, tatkräftig und ausdauernd sein. Statt zu murren und zu klagen, sollten wir uns sagen: "Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." (Psalm 103,1.2) Die Israeliten Werden Durch Manna Versorgt WABT 271 3 Gott ließ die Notlage Israels nicht unbeachtet. Er versprach Mose: "Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen." (2. Mose 16,4) Er ordnete an, dass das Volk jeweils den Bedarf für einen Tag sammeln solle, am sechsten Tag aber die doppelte Menge, damit es den Sabbat halten könne. WABT 272 1 Mose versicherte dem versammelten Volk, dass für seine Bedürfnisse gesorgt werde: "Der Herr wird euch am Abend Fleisch zu essen geben und am Morgen Brot, bis ihr satt seid." Und er fügte hinzu: "Wer sind wir schon? Ja, eure Klagen richten sich gegen den Herrn, nicht gegen uns." (2. Mose 16,8 NLB) Weiter gebot er Aaron, ihnen zu sagen: "Kommt vor den Herrn, denn er hat eure Klagen gehört." Während Aaron noch zu ihnen redete, "blickten sie zur Wüste hinüber. Da erschien ihnen die Herrlichkeit des Herrn in der Wolke" (2. Mose 16,9.10 NLB). Ein heller Glanz, wie sie ihn noch nie erlebt hatten, war das Kennzeichen der Gegenwart Gottes. Die Offenbarungen, die sie mit ihren Sinnen wahrnehmen konnten, sollten ihnen Gotteserkenntnis vermitteln. Sie mussten lernen, dass der Allerhöchste selbst, nicht lediglich der Mann Mose, ihr Führer war. Seinen Namen sollten sie fürchten und seiner Stimme gehorchen. WABT 272 2 Bei Einbruch der Abenddämmerung war das Lager von unübersehbaren Mengen Wachteln umgeben, genug, um das ganze Volk zu sättigen. "Am nächsten Morgen lag Tau rings um das Lager. Als der Tau später am Morgen verschwunden war, bedeckten feine Körner - wie Reif - den Boden." (2. Mose 16,13.14 NLB) "Und es war wie weißer Koriandersamen." (2. Mose 16,31) Das Volk nannte es "Manna", und Mose sagte: "Es ist das Brot, das euch der Herr zu essen gegeben hat." (2. Mose 16,15) Das Volk sammelte das Manna und stellte fest, dass für alle mehr als genug vorhanden war. Es "zerrieb es mit Mühlen oder zerstieß es in Mörsern und kochte es in Töpfen und machte sich Kuchen daraus" (4. Mose 11,8). "Es hatte einen Geschmack wie Semmel mit Honig." (2. Mose 16,31) Sie wurden angewiesen, täglich einen Krug voll für jeden zu sammeln und nichts davon für den anderen Morgen übrigzulassen. Einige versuchten dennoch, einen Vorrat für den nächsten Tag aufzubewahren, stellten dann aber fest, dass es ungenießbar geworden war. Die Tagesmenge musste morgens gesammelt werden, denn alles, was auf der Erde liegenblieb, schmolz durch die Sonne. WABT 272 3 Beim Sammeln des Manna hatten einige mehr und andere weniger als das bestimmte Maß. "Aber als man's nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte." (2. Mose 16,18) Eine Erklärung zu dieser Schriftstelle und die praktische Nutzanwendung dazu gibt der Apostel Paulus [bezüglich der Gabensammlung für die verarmte Jerusalemer Gemeinde] in seinem zweiten Brief an die Korinther: "Nicht, dass die andern gute Tage haben sollen und ihr Not leidet, sondern dass es zu einem Ausgleich komme. Jetzt helfe euer Überfluss ihrem Mangel ab, damit danach auch ihr Überfluss eurem Mangel abhelfe und so ein Ausgleich geschehe, wie geschrieben steht: ›Wer viel sammelte, hatte keinen Überfluss, und wer wenig sammelte, hatte keinen Mangel.‹" (2. Korinther 8,13-15; 2. Mose 16,18) Über Die Vorbereitung Auf Den Sabbat WABT 273 1 Am sechsten Tag sammelte das Volk pro Person zwei Krüge voll. Die leitenden Männer des Volks eilten zu Mose, um ihm mitzuteilen, was man getan hatte. Er antwortete ihnen: "Das ist's, was der Herr gesagt hat: Morgen ist Ruhetag, heiliger Sabbat für den Herrn. Was ihr backen wollt, das backt, und was ihr kochen wollt, das kocht; was aber übrig ist, das legt beiseite, dass es aufgehoben werde bis zum nächsten Morgen." (2. Mose 16,23) Sie handelten danach und stellten fest, dass es nicht verdorben war. Da sagte Mose: "Esst dies heute, denn heute ist der Sabbat des Herrn; ihr werdet heute nichts finden auf dem Felde. Sechs Tage sollt ihr sammeln; aber der siebente Tag ist der Sabbat, an dem wird nichts da sein." (2. Mose 16,25.26) WABT 273 2 Gott fordert, dass sein heiliger Tag heute noch ebenso geheiligt wird wie zur Zeit Israels. Dieses Gebot, das den Israeliten gegeben wurde, sollten alle Christen als eine Anweisung Gottes an sie ansehen. Der Tag vor dem Sabbat soll der Vorbereitung dienen. Alles soll für die heiligen Stunden dieses Tages hergerichtet sein. Auf keinen Fall sollte unsere eigene Geschäftigkeit diese heilige Zeit beeinträchtigen. Gott hat angeordnet, dass die Kranken und Leidenden am Sabbat versorgt werden. Solche Arbeit zu ihrem Wohlbefinden ist ein Werk der Barmherzigkeit und keine Übertretung des Sabbats. Aber jede unnötige Arbeit sollte vermieden werden. Aus Nachlässigkeit schieben viele Gläubige gewisse Kleinigkeiten, die am Rüsttag hätten erledigt werden können, bis zum Beginn des Sabbats auf. Das sollte nicht sein. Arbeit, die vor Sabbatbeginn nicht erledigt wurde, sollte liegen bleiben, bis der Sabbat vorbei ist. So zu verfahren kann das Gedächtnis der Gedankenlosen unterstützen und ihnen zu mehr Sorgfalt verhelfen, sodass sie ihre Arbeit während der sechs Arbeitstage verrichten. WABT 273 3 In jeder Woche ihres langen Wüstenaufenthaltes erlebten die Israeliten ein dreifaches Wunder, das ihnen die Heiligkeit des Sabbats auf eindrucksvolle Weise bewusst machen sollte: Am sechsten Tag fiel die doppelte Menge Manna, am siebten dagegen nichts und drittens blieb der Teil, der für den Sabbat benötigt wurde, süß und unverdorben, während dagegen alles, was man zu irgendeiner anderen Zeit für den nächsten Tag aufhob, ungenießbar wurde. WABT 274 1 Die Umstände bei der Versorgung mit Manna liefern uns den schlüssigen Beweis, dass der Sabbat nicht erst bei der Gesetzgebung am Sinai eingeführt wurde, wie viele behaupten. Schon bevor die Israeliten zum Sinai kamen, wussten sie, dass die Sabbatfeier für sie verbindlich war. Weil sie zur Vorbereitung jeden Freitag die doppelte Menge Manna sammeln mussten, da am Sabbat keines fiel, wurde ihnen die Heiligkeit des Ruhetages ständig eindrucksvoll vor Augen geführt. Und als einige doch am Sabbat hinausgingen, um zu sammeln, fragte der Herr: "Wie lange weigert ihr euch, meine Gebote und Weisungen zu halten?" (2. Mose 16,28) Jesus, Das Himmlische Manna WABT 274 2 "40 Jahre lang ernährten sich die Israeliten von Manna, bis sie an der Grenze von Kanaan in besiedeltes Gebiet kamen." (2. Mose 16,35 NLB) 40 Jahre lang erinnerte sie diese wunderbare Versorgung täglich an Gottes unerschöpfliche Fürsorge und an seine zärtliche Liebe. Nach den Worten des Psal- misten ließ er "Manna auf sie regnen zur Speise und gab ihnen Himmelsbrot. Brot der Engel aßen sie alle" (Psalm 78,24.25), das heißt, sie wurden von Engeln versorgt. Mit "Himmelsbrot" wurden sie ernährt. Das lehrte sie jeden Tag erneut, dass sie mit Gottes Zusage vor Mangel so sicher waren, als seien sie von wogenden Kornfeldern auf Kanaans fruchtbaren Ebenen umgeben. WABT 274 3 Das Manna, das zur Versorgung Israels vom Himmel fiel, war ein Typus17 für den, der von Gott kam, um der Welt das Leben zu geben. Jesus sagte: "Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt ... Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt." (Johannes 6,48-51) Zu den Segnungen, die Gott seinem Volk im zukünftigen Leben verspricht, gehört die Zusage: "Wer überwindet, dem will ich geben von dem verborgenen Manna." (Offenbarung 2,17) Abermals Empörung Und Erneut Wunder WABT 274 4 Nachdem die Israeliten die Wüste Sin verlassen hatten, lagerten sie sich in Refidim. Dort gab es kein Wasser, und erneut hatten sie kein Vertrauen zu Gottes Führung. In seiner Blindheit und Vermessenheit kam das Volk zu Mose und forderte: "Gib uns Wasser, dass wir trinken." Trotzdem verlor dieser nicht die Geduld. "Was hadert ihr mit mir?", fragte er. "Warum versucht ihr den Herrn?" Sie schrien in ihrem Zorn: "Warum hast du uns aus Ägypten ziehen lassen, dass du uns, unsere Kinder und unser Vieh vor Durst sterben lässt?" (2. Mose 17,2.3) Als sie so reichlich mit Nahrung versorgt worden waren, hatten sie sich beschämt ihrer Klagen und ihres Unglaubens erinnert und versprochen, in Zukunft ihrem Gott zu vertrauen. Aber nur zu bald vergaßen sie ihr Versprechen und versagten bereits bei der nächsten Glaubensprüfung. Die Wolkensäule, die sie führte, schien ein schreckliches Geheimnis zu verbergen. Sie fragten sich, wer Mose war und mit welcher Absicht er sie aus Ägypten geführt hatte. Argwohn und Misstrauen gewannen die Oberhand. Dreist beschuldigten sie ihn, er plane, sie und ihre Kinder durch Entbehrungen und Strapazen umzubringen, um sich an ihrem Besitz zu bereichern. Im Tumult ihrer Wut und Empörung waren sie drauf und dran, ihn zu steinigen. WABT 275 1 In seiner Not rief Mose den Herrn an: "Was soll ich mit dem Volk tun?" (2. Mose 17,4) Gott erteilte ihm die Anweisung, den Stab zu nehmen, mit dem er in Ägypten die Wunder vollbracht hatte, und gemeinsam mit den Ältesten vor das Volk zu treten. Weiter sagte ihm der Herr: "Siehe, ich will dort vor dir stehen auf dem Fels am Horeb [Sinai]. Da sollst du an den Fels schlagen, so wird Wasser herauslaufen, dass das Volk trinke." (2. Mose 17,6) Mose gehorchte, und das Wasser brach mit solcher Kraft hervor, dass die Lagerbewohner mehr als reichlich versorgt wurden. Gott hätte auch hier Mose befehlen können, seinen Wanderstab zu erheben und wie in Ägypten die Anführer dieses bösen Aufruhrs mit einer schrecklichen Plage zu bestrafen. Stattdessen benutzte der Herr in seiner großen Gnade und Barmherzigkeit diesen Stab als Werkzeug, um sie damit zu retten. WABT 275 2 "Er spaltete die Felsen in der Wüste und tränkte sie mit Wasser in Fülle; er ließ Bäche aus den Felsen kommen, dass sie hinabflossen wie Wasserströme." (Psalm 78,15.16) Mose schlug den Felsen, aber der Sohn Gottes stand in der Wolkensäule verhüllt neben ihm und ließ das Leben spendende Wasser fließen (vgl. 1. Korinther 10,4). Nicht nur Mose und die Ältesten, sondern das ganze Volk, das von ferne zuschaute, sah die Herrlichkeit des Herrn. Hätte sich aber die Wolke aufgelöst, wären sie vom gewaltigen Glanz dessen, der darin weilte, getötet worden. WABT 275 3 Wegen des großen Durstes hatte das Volk Gott mit der Frage herausgefordert: Ist der Herr unter uns oder nicht? Wenn Gott uns hierher gebracht hat, warum gibt er uns nicht auch Wasser, wie er uns Brot gegeben hat? Der so geäußerte Unglaube hatte Strafe verdient. Darum fürchtete Mose ein Gottesgericht. Er nannte den Ort zur Erinnerung an ihre Sünde "Massa", das heißt Versuchung, und "Meriba", das bedeutet Hader. Der Angriff Der Amalekiter WABT 276 1 Nun bedrohte sie eine neue Gefahr. Weil sie sich gegen Gott aufgelehnt hatten, ließ der Herr es zu, dass sie von ihren Feinden angegriffen wurden. Die Amalekiter - ein wilder, kriegerischer Stamm, der in dieser Gegend wohnte - überfielen sie und töteten die Schwachen und Müden, die zurückgeblieben waren. Mose wusste, dass die Masse des Volkes nicht auf einen Kampf vorbereitet war, und beauftragte Josua, sich aus den verschiedenen Stämmen eine Truppe Kämpfer auszusuchen. Am nächsten Morgen sollte er sie gegen den Feind führen, während er selbst mit dem Stab Gottes in der Hand in der Nähe auf einer Anhöhe stehen wollte. WABT 276 2 Also griffen Josua und seine Truppe am nächsten Tag den Feind an, während Mose mit Aaron und Hur auf einem Hügel stand, von dem aus sie das gesamte Schlachtfeld überblicken konnten. Die ausgebreiteten Arme zum Himmel erhoben, den Stab Gottes in seiner Rechten, betete Mose für den Sieg der israelitischen Truppe. Im Verlauf des Kampfes stellten sie fest, dass Israel siegte, solange Mose die Arme emporhielt. Sobald er sie aber sinken ließ, gewann der Feind die Oberhand. Als Mose müde wurde, stützten deshalb Aaron und Hur seine Arme, bis die Sonne unterging. Da wurde der Feind endlich in die Flucht geschlagen. WABT 276 3 Indem Aaron und Hur die erhobenen Hände von Mose stützten, machten sie die Israeliten auf ihre Pflicht aufmerksam, Mose bei seiner anstrengenden Aufgabe beizustehen, wenn er ihnen das Wort ausrichtete, das er von Gott empfangen hatte. Bedeutungsvoll war aber auch, was Mose hier tat: Sein Verhalten zeigte, dass Gott ihr Wohlergehen, das Schicksal seines Volkes, in seinen Händen hielt. Solange die Israeliten ihr Vertrauen auf ihn setzten, würde er für sie kämpfen und ihre Feinde überwältigen; sollten sie sich aber nicht mehr auf ihn verlassen, sondern auf ihre eigene Kraft, würden sie sogar schwächer als die sein, die nichts von Gott wussten, und ihre Feinde würden die Oberhand gewinnen. WABT 276 4 Die Israeliten waren erfolgreich, wenn Mose seine Hände zum Himmel streckte und für sie eintrat. So wird das Israel Gottes den Sieg davontragen, wenn es sich voll Vertrauen auf die Kraft seines mächtigen Helfers verlässt. Doch göttliche Stärke und menschliche Anstrengung müssen vereint werden. Mose war nicht der Meinung, Gott werde die Feinde besiegen, wenn Israel untätig bleibe. Während der große Anführer inständig zum Herrn flehte, setzten Josua und seine tapferen Mitstreiter alle ihre Kräfte ein, um die Feinde Israels und Gottes zurückzuschlagen. WABT 276 5 Nach der Niederlage der Amalekiter gab der Herr Mose den Auftrag: "Schreibe dies zum Gedächtnis in ein Buch und präge es Josua ein; denn ich will Amalek unter dem Himmel austilgen, dass man seiner nicht mehr gedenke." (2. Mose 17,14) Unmittelbar vor seinem Tod erteilte Mose den Israeliten den Auftrag: "Denke daran, was dir die Amalekiter taten auf dem Weg, als ihr aus Ägypten zogt: Wie sie dich unterwegs angriffen und deine Nachzügler erschlugen, alle die Schwachen, die hinter dir zurückgeblieben waren, als du müde und matt warst, und wie sie Gott nicht fürchteten ... So sollst du die Erinnerung an die Amalekiter austilgen unter dem Himmel. Das vergiss nicht!" (5. Mose 25,17-19) Im Hinblick auf dieses bösartige Volk sagte Mose: "Der Herr führt Krieg gegen die Amalekiter von Generation zu Generation." (2. Mose 17,16 NLB) WABT 277 1 Den Amalekitern waren Gottes Charakter und seine unbegrenzte Macht nicht unbekannt. Aber statt Gott zu verehren, waren sie entschlossen, seiner Macht zu trotzen. Über die Wunder, die Mose vor den Augen der Ägypter vollbracht hatte, spotteten sie und über die Angst der benachbarten Völker vor den Israeliten machten sie sich lustig. Bei ihren Göttern hatten sie geschworen, die Israeliten zu vernichten. Auch nicht einer von ihnen sollte entkommen. Sie prahlten, Israels Gott sei nicht stark genug, um ihnen Widerstand zu leisten. Dabei hatten die Israeliten sie weder beleidigt noch bedroht. Ihr Angriff erfolgte also ohne jeden Grund. Allein um zu zeigen, dass sie Gott hassten und verachteten, wollten sie sein Volk vernichten. Schon lange waren die Amalekiter selbstherrliche Sünder, und ihre Verbrechen schrien längst zu Gott nach Vergeltung. Doch aus lauter Gnade und Barmherzigkeit hatte er ihnen bis jetzt die Gelegenheit zur Reue und Umkehr offengehalten. Als aber die Männer Amaleks über die müden, wehrlosen Reihen der Israeliten herfielen, besiegelten sie den Untergang ihres Volkes. WABT 277 2 In seiner Fürsorge achtet Gott auf die Schwächsten seiner Kinder. Keine grausame Untat, kein Akt der Unterdrückung, nichts, was man ihnen antut, bleibt im Himmel unbeachtet. Über alle, die ihn lieben und Ehrfurcht vor ihm haben, breitet Gott seine Hand zum Schutz aus. Mögen sich die Menschen davor hüten, diese Hand zu schlagen, denn sie führt das Schwert der Gerechtigkeit! Jitros Besuch Und Kluger Rat WABT 277 3 Nicht weit vom derzeitigen Lagerplatz Israels entfernt wohnte Jitro, Moses Schwiegervater. Dieser hatte von der Befreiung der Israeliten erfahren und machte sich nun auf, sie zu besuchen. Dabei wollte er Mose dessen Frau und zwei Söhne zurückbringen. Der große Anführer wurde durch Boten von ihrem Kommen informiert, und er ging ihnen hocherfreut entgegen. Nach der Begrüßung führte er sie in sein Zelt. Mose hatte Frau und Kinder zu seinem Schwiegervater zurückgeschickt, als er im Begriff stand, sich den Gefahren auszusetzen, die Israels Auszug aus Ägypten mit sich bringen würde. Aber nun durfte er wieder die Entlastung und die Annehmlichkeit der Gemeinschaft mit ihnen genießen. Er berichtete Jitro, auf welch wunderbare Weise Gott zugunsten Israels eingegriffen hatte. Von Freude gerührt pries der Patriarch den Herrn, und zusammen mit Mose und den Ältesten Israels brachte er daraufhin ein Dankopfer dar und feierte ein heiliges Fest zum Gedenken an die Barmherzigkeit Gottes. WABT 278 1 Während sich Jitro im Lager aufhielt, bemerkte er bald, welch schwere Last auf Mose ruhte. Ordnung und Disziplin unter einer so riesigen, dazu unwissenden und ungeschulten Menge aufrechtzuerhalten, war tatsächlich eine ungeheure Aufgabe. Mose war ihr anerkannter Führer und Richter. Daher hatte er nicht nur mit den allgemeinen Interessen und Pflichten des Volkes zu tun, sondern man brachte auch die Streitigkeiten zwischen einzelnen Israeliten vor ihn. Er hatte das erlaubt, weil es für ihn eine günstige Gelegenheit war, sie zu belehren. Er sagte dazu, er "tue ihnen kund die Satzungen Gottes und seine Weisungen" (2. Mose 18,16). WABT 278 2 Aber Jitro wandte ein: "Du reibst dich sonst noch auf - und auch für das Volk ist das zu anstrengend. Diese Aufgabe ist zu schwer, als dass du sie allein bewältigen könntest." (2. Mose 18,18 NLB) Er riet Mose, geeignete Männer als Unterführer über tausend, andere über hundert und wieder andere über zehn Personen zu setzen. Er sollte "fähige, gottesfürchtige und zuverlässige Männer ... die unbestechlich sind", auswählen (2. Mose 18,21 NLB). Sie sollten über alle weniger wichtigen Belange urteilen, während die schwierigsten Anliegen weiterhin Mose vorgelegt werden sollten. Jitro empfahl: "Vertritt du das Volk vor Gott und bringe du die Sachen vor Gott. Belehre sie über die Ordnungen und Weisungen und zeige ihnen den Weg, den sie gehen, und das Werk, das sie tun sollen." (2. Mose 18, 19.20 Elb.) Mose nahm diesen Rat an. Das brachte ihm nicht nur Erleichterung, sondern führte auch zu einer besseren Ordnung im Volk. WABT 278 3 Gott hatte Mose große Ehre zuteilwerden lassen und durch seine Hand viele Wunder vollbracht. Die Tatsache aber, dass Gott ihn dazu berufen hatte, andere zu belehren, verleitete ihn nicht zur Annahme, er selbst brauche keine Unterweisung mehr. Der erwählte Anführer Israels hörte gern auf die Ratschläge des frommen Priesters aus Midian und übernahm dessen Plan als eine kluge Organisationsform. Unter Der Führung Der Wolkensäule Zum Sinai WABT 279 1 Von Refidim zog das Volk weiter, immer der vorausziehenden Wolkensäule folgend. Bisher hatte sein Weg durch unfruchtbare Ebenen geführt, über steile Anhöhen und durch felsige Gebirgspässe. Beim Durchqueren von Sandwüsten hatten die Israeliten oft schroffe Gebirgszüge gesehen, riesigen Bollwerken gleich, die vor ihnen aufragten und jeden Weitermarsch unmöglich zu machen schienen. Als sie aber näher kamen, entdeckten sie Durchzugsmöglichkeiten, und vor ihren Augen breitete sich eine weitere Ebene aus. Durch einen tief eingeschnittenen Pass mit viel Geröll wurden sie nun geleitet. Es war ein großartiger, beeindruckender Anblick. Zwischen den Felshängen, die zu beiden Seiten Hunderte von Metern hoch aufstiegen, zogen in einem Strom die Scharen Israels - soweit das Auge reichte - mit ihren Herden dahin. Und nun ragte das Sinai-Massiv in Ehrfurcht gebietender Majestät vor ihnen auf. Die Wolkensäule ließ sich auf seinem Gipfel nieder. Das Volk schlug unten im Tal seine Zelte auf. Fast ein ganzes Jahr lang sollten sie hier wohnen. Des Nachts gab ihnen die Feuersäule die Gewissheit, dass Gott sie beschützte. Und während sie schliefen, fiel das Himmelsbrot leise auf ihr Lager. WABT 279 2 Die Morgendämmerung vergoldete die dunklen Bergkuppen, und die hellen Sonnenstrahlen durchdrangen die tiefen Schluchten. Sie kamen den müden Wanderern vor wie Strahlen der Gnade, die vom Thron Gottes ausgingen. Überall schienen die gewaltigen Felsgipfel in ihrer einsamen Größe von ewiger Dauer und Majestät zu sprechen. Hier wurde der Verstand von Feierlichkeit und Ehrfurcht ergriffen. In der Gegenwart dessen, der "die Berge mit einem Gewicht" wiegt und "die Hügel mit einer Waage" (Jesaja 40,12), musste ein Mensch seine Unwissenheit und Schwachheit empfinden. Hier sollte Israel die wunderbarste Offenbarung empfangen, die Gott jemals Menschen zuteilwerden ließ. Hier hatte der Herr sein Volk versammelt, um ihm die Heiligkeit seiner Forderungen einzuprägen, indem er den Israeliten mit eigener Stimme sein heiliges Gesetz verkündete. Große, radikale Veränderungen mussten in ihnen vor sich gehen, denn der entwürdigende Einfluss der Sklaverei und die ständige Verbindung mit dem Götzendienst hatten in ihren Gewohnheiten und im Charakter ihre Spuren hinterlassen. Gott wollte sie auf einen höheren sittlichen Stand heben, indem er ihnen eine Erkenntnis seiner selbst gab. ------------------------Kapitel 27 - Das Volk Israel Erhält Das Gesetz WABT 280 0 2. Mose 19,1 bis 25,9. WABT 280 1 Bald nachdem das Volk am Sinai sein Lager aufgeschlagen hatte, wurde Mose auf den Berg gerufen, um Gott zu begegnen. Allein stieg er den steilen, felsigen Pfad hinauf und begab sich in die Nähe der Wolke, die ihm anzeigte, wo Jahwe gegenwärtig war. Israel sollte jetzt eine besondere und sehr enge Beziehung mit dem Allerhöchsten eingehen: Es sollte als eine Gemeinde und eine Nation unter Gottes Herrschaft gestellt werden. Gottes Botschaft, die Mose dem Volk überbringen sollte, lautete: "Ihr habt gesehen, was ich mit den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein." (2. Mose 19,4-6) WABT 280 2 Mose kehrte ins Lager zurück, rief die Ältesten Israels zusammen und übermittelte ihnen Gottes Botschaft. Sie antworteten ihm: "Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun" (2. Mose 19,8). Damit gingen sie einen feierlichen Bund mit Gott ein und gelobten, ihn als ihren Herrscher anzuerkennen, wodurch sie - in einem besonderen Sinn - Untertanen seiner Autorität wurden. WABT 280 3 Abermals stieg ihr Anführer auf den Berg, und der Herr sagte zu ihm: "Ich werde in einer dunklen Wolke zu dir kommen, damit das Volk hören kann, wie ich mit dir rede, und damit es nie mehr daran zweifelt, dass ich dich beauftragt habe." (2. Mose 19,9 GNB) Wenn sich den Israeliten Schwierigkeiten in den Weg stellten, neigten sie dazu, gegenüber Mose und Aaron zu murren und ihnen vorzuwerfen, sie hätten die Israeliten aus Ägypten geführt, um sie zu vernichten. Nun wollte Gott seinen Diener Mose vor ihnen ehren, damit sie dahin geführt würden, seinen Anweisungen zu vertrauen. WABT 280 4 Gott wollte die Verkündigung seines Gesetzes zu einem Ereignis von Ehrfurcht gebietender Herrlichkeit machen, das dessen erhabenem Charakter entsprach. Es sollte sich dem Volk tief einprägen, dass alles, was mit dem Gottesdienst zu tun hatte, mit größter Ehrfurcht behandelt werden musste. Deshalb forderte der Herr Mose auf: "Geh hin zum Volk und heilige sie heute und morgen, dass sie ihre Kleider waschen und bereit seien für den dritten Tag; denn am dritten Tag wird der Herr vor allem Volk herabfahren auf den Berg Sinai." (2. Mose 19,10.11) In den verbleibenden Tagen sollte jeder seine Zeit nutzen, um sich mit gebührendem Ernst darauf vorzubereiten, vor Gott zu erscheinen. Alle mussten sich und ihre Kleider von jeder Unreinheit säubern. Wenn Mose dann den Israeliten ihre Sünden vorhielt, sollten sie sich in Demut üben, fasten und beten, damit ihr Herz von Bosheit gereinigt werde. WABT 281 1 Die Vorbereitungen wurden den Anordnungen entsprechend getroffen. Gemäß einer weiteren Verfügung Gottes ließ Mose einen Zaun um den Berg errichten, damit weder Mensch noch Tier in den heiligen Bezirk eindringen konnten. Wer es wagen sollte, ihn auch nur zu berühren, wurde mit dem sofortigen Tod bestraft. Gott Verkündet Sein Gesetz WABT 281 2 Am Morgen des dritten Tages richteten alle ihre Augen auf den Berg. Sein Gipfel war mit einer dichten Wolke bedeckt, die immer dunkler wurde und sich stetig weiter herabsenkte, bis sie den ganzen Berg in Finsternis und in ein Ehrfurcht gebietendes Geheimnis hüllte. Dann ertönte ein Schall wie von einer Posaune, der das Volk aufforderte, Gott zu begegnen. Mose führte es bis an den Fuß des Berges. Aus der dichten Finsternis flammten grelle Blitze hervor, und Donnerschläge hallten in mehrfachem Echo von den umliegenden Bergen wider. "Der ganze Berg Sinai aber rauchte, weil der Herr auf den Berg herabfuhr im Feuer; und der Rauch stieg auf wie der Rauch von einem Schmelzofen, und der ganze Berg bebte sehr." (2. Mose 19,18) "Und die Herrlichkeit des Herrn war anzusehen wie ein verzehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges vor den Israeliten." (2. Mose 24,17) "Der Posaunenschall wurde immer lauter." (2. Mose 19,19 NLB) So schrecklich waren die Zeichen der Gegenwart Jahwes, dass die ganze Schar der Israeliten vor Furcht erzitterte und sie sich vor dem Herrn auf ihr Angesicht warfen. Selbst Mose rief aus: "Ich bin erschrocken und zittere." (Hebräer 12,21) WABT 281 3 Dann hörte der Donner auf und die Posaune verstummte. Auch die Erde war ruhig. Eine Zeitlang herrschte eine feierliche Stille, dann war die Stimme Gottes zu vernehmen. Er sprach aus der dichten Finsternis, die ihn umhüllte. Von einer Engelschar umgeben, stand er auf dem Berg und verkündete sein Gesetz. Mose beschrieb später dieses Ereignis so: "Der Herr ist zu seinem Volk gekommen vom Sinai her, seinem heiligen Berg. Wie die Sonne ging er auf über den Bergen Edoms, sein Glanz strahlte auf vom Gebirge Paran. Mit ihm kommen Scharen heiliger Engel, starke Helden begleiten ihn. Der Herr liebt die Stämme Israels, er beschützt alle, die zu ihm gehören. Sie werfen sich vor ihm nieder und nehmen seine Befehle entgegen." (5. Mose 33,2-3 GNB) WABT 282 1 Jahwe offenbarte sich, aber nicht nur in der furchterregenden Majestät des Richters und Gesetzgebers, sondern auch als mitleidsvoller Hüter seines Volkes: "Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe." (2. Mose 20,2) Sie kannten ihn schon als ihren Führer und Befreier, der sie aus Ägypten ausgeführt und ihnen den Weg durch das Meer gebahnt hatte. Er hatte den Pharao und dessen Heer besiegt und sich dadurch allen Göttern Ägyptens überlegen gezeigt. Er war es, der ihnen nun sein Gesetz verkündete. Die Tiefere Bedeutung Der Zehn Gebote WABT 282 2 Das Gesetz wurde damals nicht ausschließlich zum Nutzen der Israeliten verkündigt. Gott ehrte sie dadurch, dass er sie zu Hütern und Bewahrern seines Gesetzes bestimmte, aber es sollte ein heiliges Vermächtnis an die ganze Welt sein. Die Vorschriften der Zehn Gebote sind an die ganze Menschheit gerichtet und wurden zur Unterweisung und Lenkung aller erlassen. Es sind zehn Grundsätze, die kurz, umfassend und verbindlich beschreiben, wie sich der Mensch gegenüber Gott und seinen Mitmenschen verhalten soll. Sie beruhen alle auf dem großen, grundlegenden Prinzip der Liebe. "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst." (Lukas 10,27; vgl. 5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18b) In den Zehn Geboten werden diese beiden Aufforderungen näher ausgeführt und auf die Umstände und Lebensbedingungen der Menschen bezogen. WABT 282 3 "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben." (2. Mose 20,3) WABT 282 4 Jahwe, der Ewige, der aus sich selbst existiert, der Ungeschaffene, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, hat allein das Recht, höchste Verehrung und Anbetung zu beanspruchen. Dem Menschen wird ausdrücklich untersagt, einem anderen Wesen oder Gegenstand den ersten Platz in Bezug auf Zuneigung oder Dienst einzuräumen. Was immer wir wertschätzen und dazu führt, dass unsere Liebe zu Gott abnimmt oder den Dienst, der ihm gebührt, beeinträchtigt, wird zu einem Götzen. WABT 283 1 "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!" (2. Mose 20,4.5) WABT 283 2 Das zweite Gebot verbietet die Anbetung des wahren Gottes in Form von Bildern und Figuren. Viele heidnische Völker behaupteten, ihre Bilder seien nur Darstellungen oder Sinnbilder, durch welche die Gottheit angebetet werde, aber Gott hat solch eine Verehrung als Sünde bezeichnet. Der Versuch, den Ewigen durch materielle Gegenstände darzustellen, erniedrigt die Vorstellung, die der Mensch von Gott haben soll. Wenn sich der Verstand von der unendlichen Vollkommenheit Jahwes abwendet, neigt sich der Mensch dem Geschöpf zu statt dem Schöpfer. Wenn die Vorstellungen von Gott aber niedriger werden, wird auch der Mensch erniedrigt. WABT 283 3 "Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott..." (2. Mose 20,5 Elb.). WABT 283 4 Die enge und heilige Beziehung Gottes zu seinem Volk wird mit dem Bild der Ehe verdeutlicht. Da Götzendienst geistlicher Ehebruch ist, wird Gottes Missfallen daran zutreffend als Eifersucht bezeichnet. WABT 283 5 "...der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern, an der dritten und vierten Generation von denen, die mich hassen" (2. Mose 20,5 Elb.). WABT 283 6 Es ist unvermeidlich, dass Kinder unter den Folgen elterlichen Fehlverhaltens leiden müssen, aber sie werden nicht für die Schuld der Eltern zur Rechenschaft gezogen - es sei denn, sie hätten auch deren Sünden begangen. Gewöhnlich treten die Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern. Durch Vererbung und das schlechte Vorbild machen sie sich der gleichen Sünden schuldig wie ihre Eltern. Verkehrte Neigungen, unbeherrschte Triebe und ein vermindertes sittliches Empfinden werden ebenso wie körperliche Krankheiten und die allgemeine Entartung als Vermächtnis von den Eltern auf die Kinder bis in die dritte und vierte Generation vererbt. Diese schreckliche Wahrheit sollte einen ernsten Einfluss auf die Menschen ausüben und sie davon abhalten, einen sündigen Lebenswandel zu führen. WABT 283 7 "... der aber Gnade erweist an Tausenden von Generationen von denen, die mich lieben und meine Gebote halten" (2. Mose 20,6 Elb.). WABT 283 8 Dadurch dass das zweite Gebot die Anbetung falscher Götter verbietet, schreibt es stillschweigend die Verehrung des wahren Gottes vor. Jenen, die in seinem Dienst treu sind, wird Gottes Barmherzigkeit versprochen - nicht nur bis in die dritte oder vierte Generation wie bei seinem angedrohten Zorn über die, die ihn hassen, sondern über Tausende von Generationen! WABT 284 1 "Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht." (2. Mose 20,7) WABT 284 2 Dieses Gebot untersagt nicht nur Meineide und das übliche Schwören bei Gott, sondern verbietet uns auch, den Namen Gottes leichtfertig oder unbekümmert auszusprechen - ohne Rücksicht auf seine erhabene Bedeutung. Wir entehren seinen Namen, wenn wir Gott im Gespräch gedankenlos erwähnen, wenn wir ihn bei Nebensächlichkeiten anrufen oder seinen Namen häufig und unüberlegt wiederholen. "Heilig und hehr ist sein Name." (Psalm 111,9) Jeder Mensch sollte über Gottes Majestät, Reinheit und Heiligkeit nachdenken, damit sein Herz von einem Gefühl für Gottes erhabenen Charakter beeindruckt wird. Sein heiliger Name sollte deshalb nur mit Ehrfurcht und Ernst ausgesprochen werden. WABT 284 3 "Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tag. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn." (2. Mose 20,8-11) WABT 284 4 Der Sabbat wird hier nicht als etwas Neues eingeführt, sondern es wird auf seine Einsetzung bei der Schöpfung verwiesen (vgl. 1. Mose 2,2.3). Er soll als ein Denkmal zur Erinnerung an das Werk des Schöpfers im Gedächtnis behalten und beachtet werden. Indem er auf Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde hinweist, unterscheidet er den wahren Gott von allen falschen Göttern. Wer den siebenten Tag hält, gibt sich damit als Anbeter Jahwes zu erkennen. Somit ist der Sabbat das Zeichen der Treue und Ergebenheit gegenüber Gott, solange es auf der Erde Menschen gibt, die ihm dienen. Das vierte Gebot ist von allen zehn das einzige, das sowohl den Namen als auch den Herrschaftsbereich des Gesetzgebers nennt. Und als einziges zeigt es auch an, durch wessen Vollmacht das Gesetz erlassen wurde. Dadurch enthält es Gottes Siegel, das seinem Gesetz als Beweis seiner Echtheit und bindenden Kraft aufgedrückt wurde. WABT 284 5 Gott hat den Menschen sechs Tage zur Verfügung gestellt, an denen sie ihrer Arbeit nachgehen sollen, und fordert, dass sie in dieser Zeit ihre eigene Arbeit erledigen. Handlungen, die unbedingt notwendig sind oder barmherzigen Charakter tragen, sind am Sabbat erlaubt, denn Kranke und Leidende müssen jederzeit versorgt werden. Doch Arbeiten, die später erledigt werden können, sind unbedingt zu unterlassen. "Wenn du deinen Fuß am Sabbat zurückhältst und nicht deinen Geschäften nachgehst an meinem heiligen Tag und den Sabbat ›Lust‹ nennst und den heiligen Tag des Herrn ›Geehrt‹; wenn du ihn dadurch ehrst, dass du nicht deine Gänge machst und nicht deine Geschäfte treibst ..." - aber die Vorschrift ging noch weiter - "... und kein leeres Geschwätz redest", sagte der Prophet Jesaja, "dann wirst du deine Lust haben am Herrn" (Jesaja 58,13.14). Wer am Sabbat geschäftliche Angelegenheiten bespricht oder diesbezüglich Pläne schmiedet, führt in Gottes Augen bereits seine eigenen Geschäfte aus. Wenn wir den Sabbat heilig halten wollen, sollten wir nicht einmal unseren Gedanken gestatten, sich mit weltlichen Dingen zu beschäftigen. Und das vierte Gebot schließt alle ein, die mit uns im Haus zusammenleben. Alle Familienmitglieder sollen ihre weltlichen Arbeiten beiseitelegen und Gott an seinem heiligen Tag durch willigen Dienst ehren. WABT 285 1 "Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Land, das dir der Herr, dein Gott, geben wird" (2. Mose 20,12). WABT 285 2 Die Eltern haben das Recht, in einem Maß Liebe und Achtung zu empfangen, wie es sonst keiner anderen Person zusteht. Gott selbst hat ihnen die Verantwortung für das Leben, das er ihrer Obhut anvertraut hat, übertragen. Er hat bestimmt, dass die Eltern ihren Kindern gegenüber in deren ersten Lebensjahren Gottes Stellvertreter sein sollen. Wer die rechtmäßige Autorität seiner Eltern ablehnt, verwirft gleichzeitig die Autorität Gottes. WABT 285 3 Das fünfte Gebot verlangt von den Kindern nicht nur, dass sie ihren Eltern respektvoll begegnen, sich ihnen unterordnen und ihnen gehorsam sind, sondern auch, sie zu lieben und wertzuschätzen, ihre Obsorge zu erleichtern, ihren guten Ruf zu schützen, ihnen im Alter Beistand zu leisten und ihr Leben angenehm zu gestalten. Das Gebot verlangt außerdem die Achtung vor Geistlichen, vor Regierenden und vor allen anderen, denen Gott Autorität verliehen hat. WABT 285 4 "Das ist das erste Gebot, das eine Verheißung hat", schrieb der Apostel Paulus (Epheser 6,2). Für das Volk Israel, das erwartete, bald ins Land Kanaan einzuziehen, enthielt das Gebot das Versprechen, dass die Gehorsamen ein langes Leben in dem guten Land führen können. Aber seine Bedeutung ist noch umfassender, denn es schließt das ganze Israel Gottes ein und verspricht ein ewiges Leben auf der Erde, nachdem diese vom Fluch der Sünde befreit worden ist. WABT 286 1 "Du sollst nicht töten." (2. Mose 20,13) WABT 286 2 Zur Übertretung dieses Gebotes zählen auch alle Unrechtstaten, die dazu beitragen, das Leben zu verkürzen, ferner Hass- und Rachegedanken und das Frönen irgendeiner Leidenschaft, die zu schädlichen Handlungen gegenüber anderen Menschen führt. Auch alles, was uns veranlasst, ihnen Böses zu wünschen, ist damit gemeint, denn "wer seinen Bruder hasst, der ist ein Totschläger" (1. Johannes 3,15). Auch sich aus selbstsüchtigen Beweggründen nicht um Arme und Kranke zu kümmern, jegliche Art Genusssucht, unnötige Entbehrungen oder übermäßige Arbeit, die unserer Gesundheit schaden - das alles verstößt in größerem oder geringerem Maß gegen das sechste Gebot. WABT 286 3 "Du sollst nicht ehebrechen." (2. Mose 20,14) WABT 286 4 Dieses Gebot verbietet nicht nur außereheliche sexuelle Handlungen, sondern auch lüsterne Vorstellungen und Begierden und alles, was dazu beiträgt, sie zu erregen. Gott fordert nicht nur die äußerliche Reinheit, sondern auch die der geheimen Absichten und Gefühle. Jesus, der in der Bergpredigt die weitreichenden Verpflichtungen des Gesetzes Gottes lehrte, bezeichnete lüsterne Gedanken oder Blicke genauso als Sünde wie die unerlaubte Tat (vgl. Matthäus 5,27.28). WABT 286 5 "Du sollst nicht stehlen." (2. Mose 20,15) WABT 286 6 Dieses Verbot umfasst offene und verborgene Sünden. Das achte Gebot verurteilt Menschenraub und Sklavenhandel und verbietet Eroberungskriege. Es missbilligt Diebstahl und Raub und fordert strenge Redlichkeit selbst in den kleinsten Dingen des Lebens. Es verbietet das Übervorteilen im Geschäftsleben und verlangt, dass offene Schulden beglichen und gerechte Arbeitslöhne gezahlt werden. Es besagt, dass es in den Büchern des Himmels als Betrug verzeichnet wird, wenn man versucht, aus der Unwissenheit, der Schwäche oder dem Unglück eines anderen seine Vorteile zu ziehen. WABT 286 7 "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten." (2. Mose 20,16) WABT 286 8 Damit ist jede unwahre Aussage in irgendeiner Sache gemeint sowie jeder Versuch oder die Absicht, unseren Nächsten zu täuschen. Die Absicht zu täuschen ist das Wesen der Unwahrheit. Man kann mit einem Blick, mit einer Handbewegung oder durch das Mienenspiel Unwahrheiten genauso zum Ausdruck bringen wie mit Worten. Jede bewusste Übertreibung oder Anspielung, die darauf abzielt, einen falschen oder überspitzten Eindruck zu erwecken, und auch die Darstellung von Tatsachen in einer Weise, die jemanden irreführt, sind Lügen. Dieses Gebot verbietet jeden Versuch, den Ruf unseres Nächsten durch Entstellungen, üble Nachrede oder boshafte Vermutungen zu beschädigen. Selbst das vorsätzliche Vertuschen der Wahrheit, woraus anderen Schaden erwachsen kann, ist Übertretung des neunten Gebots. WABT 287 1 "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat." (2. Mose 20,17) WABT 287 2 Das zehnte Gebot zielt direkt auf die Wurzel aller Sünden. Es verbietet das egoistische Verlangen, aus dem die sündige Tat entspringt. Wer im Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz schon das sündige Verlangen nach Dingen, die anderen gehören, unterlässt, wird auch nicht durch eine Unrechtstat an seinen Mitmenschen schuldig. WABT 287 3 So lauteten die heiligen Zehn Gebote. Der große Gesetzgeber hatte sie unter Blitz und Donner gesprochen und dabei in eindrucksvoller Weise seine Macht und Majestät offenbart. Gott entfaltete bei der Verkündigung seines Gesetzes viele Beweise seiner Macht und Herrlichkeit, damit sein Volk dieses Ereignis stets in Erinnerung behält. Tief davon beeindruckt, sollten sie den Urheber dieses Gesetzes, den Schöpfer des Himmels und der Erde, ehrfürchtig verehren. Er wollte damit auch alle Menschen wissen lassen, dass sein Gesetz heilig, wichtig und ewig gültig ist. Die Antwort Des Volkes WABT 287 4 Die Israeliten waren von schrecklicher Angst überwältigt. Die furchterregende Macht der Worte Gottes erschien ihnen mehr, als ihre zitternden Herzen ertragen konnten. Als ihnen Gottes erhabene Rechtsordnung vorgelegt wurde, begriffen sie wie nie zuvor das abscheuliche Wesen der Sünde und die Größe ihrer eigenen Schuld in den Augen des heiligen Gottes. Aus Angst und Ehrfurcht wichen die Israeliten vom Berg zurück. Die Menge rief zu Mose: "Rede du mit uns, wir wollen hören; aber lass Gott nicht mit uns reden, wir könnten sonst sterben." Ihr Anführer antwortete: "Fürchtet euch nicht, denn Gott ist gekommen, euch zu versuchen, damit ihr's vor Augen habt, wie er zu fürchten sei, und ihr nicht sündigt." (2. Mose 20,19.20) Das Volk hielt sich aber auch weiterhin auf Distanz und schaute voll Schrecken auf das Geschehen. Mose aber "nahte sich dem Dunkel, darin Gott war" (2. Mose 20,21). Weitere Verordnungen Für Das Volk WABT 288 1 Der Verstand der Israeliten war durch die Sklaverei und das Heidentum erniedrigt und blind geworden und deshalb nicht darauf vorbereitet, die umfassenden Grundsätze der Zehn Gebote ganz zu begreifen. Damit sie nun deren Verpflichtungen besser verstehen und befolgen konnten, wurden ihnen zusätzliche Vorschriften gegeben, die das Wesen der Zehn Gebote veranschaulichten und anwandten. Diese Gesetze nannte man Rechtsverordnungen, weil sie einerseits von unendlicher Weisheit und Gerechtigkeit geprägt waren und andererseits die eingesetzten Richter danach Recht sprechen sollten. Im Unterschied zu den Zehn Geboten wurden sie Mose persönlich anvertraut, der sie dem Volk mitteilen sollte. WABT 288 2 Das erste dieser Gesetze bezog sich auf das Sklavenrecht. Im Altertum verkauften die Richter Verbrecher manchmal in die Sklaverei. In einigen Fällen taten das Gläubiger mit ihren Schuldnern. Zuweilen trieb auch Armut Menschen dazu, sich selbst oder ihre Kinder zu verkaufen. Aber ein Israelit durfte nicht auf Lebenszeit als Sklave gehalten werden. Seine Dienstzeit wurde auf sechs Jahre begrenzt. Im siebenten Jahr musste er freigelassen werden. Es war zwar erlaubt, Sklaven zu halten, die nicht zum eigenen Volk gehörten, aber ihr Leben und ihre Person standen unter strengem Schutz. Der Mörder eines Sklaven sollte bestraft werden, und Verletzungen, die ihm sein Herr zufügte - und sei es nur ein ausgeschlagener Zahn - verliehen ihm das Recht, seine Freiheit zu erlangen. Menschenraub, vorsätzliche Tötung und Auflehnung gegen die elterliche Autorität sollten stets mit dem Tod bestraft werden. WABT 288 3 Die Israeliten waren bis vor kurzem selbst Sklaven gewesen. Nun, da sie selbst welche halten durften, sollten sie sich vor der Grausamkeit und Ungerechtigkeit hüten, die sie selbst unter den ägyptischen Fronherren erlitten hatten. Die Erinnerung an ihre eigene bittere Knechtschaft sollte sie befähigen, sich in die Lage der Sklaven zu versetzen und freundlich und verständnisvoll mit ihnen umzugehen. Sie sollten andere so behandeln, wie sie selbst behandelt werden wollten. WABT 288 4 Die Rechte der Witwen und Waisen wurden besonders geschützt. Es wurde eine mitfühlende Rücksichtnahme auf ihren hilflosen Zustand gefordert. Der Herr erklärte: "Ihr sollt Witwen und Waisen nicht bedrücken. Wirst du sie bedrücken und werden sie zu mir schreien, so werde ich ihr Schreien erhören. Dann wird mein Zorn entbrennen, dass ich euch mit dem Schwert töte und eure Frauen zu Witwen und eure Kinder zu Waisen werden." (2. Mose 22,21-23) WABT 289 1 Auch Fremde, die sich Israel angeschlossen hatten, sollten vor Unrecht und Unterdrückung geschützt werden: "Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz, weil ihr auch Fremdlinge im Ägyptenland gewesen seid." (2. Mose 23,9) WABT 289 2 Von einem Armen Wucherzinsen zu nehmen war verboten. Nahm man von ihm Bekleidung oder seine Zudecke als Pfand, musste sie am Abend zurückgegeben werden. Wer gestohlen hatte, musste das Doppelte ersetzen. Das Gesetz schärfte einerseits Achtung vor Richtern und Herrschenden ein und warnte diese andererseits davor, das Recht zu verdrehen, rechtswidrige Sachen zu unterstützen oder sich bestechen zu lassen. Üble Nachrede und Verleumdung wurden verboten, und freundliches Verhalten - selbst gegenüber persönlichen Feinden - wurde angemahnt. WABT 289 3 Erneut erinnerte Mose das Volk an die heilige Verpflichtung, den Sabbat zu halten. Jährliche Feste wurden eingesetzt, an denen sich alle Männer vor dem Herrn versammeln sollten. Dabei sollten sie ihm ihre Dankopfer und die ersten Früchte ihrer Ernte bringen, die sie seinem großzügigen Segen zu verdanken hatten. Der Sinn all dieser Anordnungen wurde ihnen mitgeteilt: Es ging Gott nicht um die Durchsetzung eines willkürlichen Herrschaftsanspruchs, sondern um das Wohl Israels. Der Herr sagte: "Ihr sollt mir heilige Leute sein" (2. Mose 22,30), würdig, von einem heiligen Gott anerkannt zu werden. WABT 289 4 Mose sollte diese Gesetze niederschreiben und als Grundlage des nationalen Rechts sorgfältig aufbewahren. Zusammen mit den Zehn Geboten, zu deren Erläuterung sie gegeben worden waren, stellten sie Gottes Bedingungen dar, von denen die Erfüllung seiner Zusagen an Israel abhing. WABT 289 5 Dann richtete Jahwe folgende Botschaft an sein Volk: "Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe. Hüte dich vor ihm und gehorche seiner Stimme und sei nicht widerspenstig gegen ihn; denn er wird euer Übertreten nicht vergeben, weil mein Name in ihm ist. Wirst du aber auf seine Stimme hören und alles tun, was ich dir sage, so will ich deiner Feinde Feind und deiner Widersacher Widersacher sein." (2. Mose 23,20-22) Auf allen Wanderungen zog der Sohn Gottes in der Wolken- und Feuersäule als Anführer der Israeliten vor ihnen her. Ihnen wurden zwar Sinnbilder gegeben, die auf den zukünftigen Erlöser hinwiesen, doch der Erretter war auch persönlich bei ihnen. Er gab ihnen durch Mose Richtlinien und stellte sich ihnen als die einzige Segensquelle vor. Der Bundesschluss Mit Gott WABT 290 1 Mose stieg vom Berg herunter "und sagte dem Volk alle Worte des Herrn und alle Rechtsordnungen. Da antwortete alles Volk wie aus einem Mund: Alle Worte, die der Herr gesagt hat, wollen wir tun" (2. Mose 24,3). Dieses Gelöbnis und die Worte des Herrn, die es zum Gehorsam verpflichteten, schrieb Mose in ein Buch. WABT 290 2 Dann folgte die Bestätigung des Bundes. Am Fuß des Berges wurden ein Altar und daneben zwölf Steinmale errichtet - gemäß "den zwölf Stämmen Israels" (2. Mose 24,4) und als Zeugnis, dass die Israeliten den Bund angenommen hatten. Darauf brachten junge Männer, die für diesen Dienst bestimmt worden waren, Tieropfer dar. WABT 290 3 Mose besprengte den Altar mit dem Opferblut, dann nahm er "das Buch des Bundes und las es vor den Ohren des Volks" vor (2. Mose 24,7). Auf diese Weise wurden die Bedingungen des Bundes feierlich wiederholt. Jedem war es freigestellt, sie zu erfüllen oder nicht. Sie hatten bereits zuvor versprochen, der Stimme Gottes zu gehorchen. Aber inzwischen hatten sie die Verkündigung seines Gesetzes vernommen und dessen Prinzipien ausführlich erklärt bekommen, damit sie wussten, was dieser Bund alles umfasste. Erneut antwortete das Volk einstimmig: "Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun und darauf hören." (2. Mose 24,7) "Als Mose alle Gebote gemäß dem Gesetz allem Volk gesagt hatte, nahm er das Blut ... und besprengte das Buch und alles Volk und sprach: Das ist das Blut des Bundes, den Gott euch geboten hat." (Hebräer 9,19.20; vgl. 2. Mose 24,8) WABT 290 4 Nun wurden Vorbereitungen getroffen, um das auserwählte Volk ganz und gar unter Jahwe als seinem König einzusetzen. Mose hatte den Befehl erhalten: "Steig herauf zum Herrn, du und Aaron, Nadab und Abihu und 70 von den Ältesten Israels, und betet an von ferne. Aber Mose allein nahe sich zum Herrn." (2. Mose 24,1.2) Während das Volk am Fuß des Berges betete, wurden diese erwählten Männer auf den Berg gerufen. Die 70 Ältesten sollten Mose in der Leitung Israels unterstützen. Gott rüstete sie deshalb mit seinem Heiligen Geist aus und ehrte sie, indem er sie seine Macht und Größe erblicken ließ. Sie "sahen den Gott Israels. Unter seinen Füßen war es wie eine Fläche von Saphir und wie der Himmel, wenn es klar ist" (2. Mose 24,10). Die Gottheit selbst sahen sie nicht, aber die Herrlichkeit seiner Gegenwart. Früher hätten sie diesen Anblick nicht ertragen können, aber die Offenbarung seiner göttlichen Macht hatte sie Ehrfurcht gelehrt und zur Reue geführt. Sie hatten über seine Herrlichkeit, Reinheit und Barmherzigkeit nachgedacht, bis sie sich dem nähern konnten, mit dem sich ihre Gedanken befassten. Mose Wird In Die Gegenwart Gottes Gerufen WABT 291 1 Nun wurde Mose mit seinem Diener Josua aufgefordert, Gott zu begegnen. Weil sie eine Zeitlang abwesend sein sollten, bestimmte Mose Aaron und Hur zu seinen Stellvertretern, die von den Ältesten unterstützt werden sollten. "Als nun Mose auf den Berg kam, bedeckte die Wolke den Berg, und die Herrlichkeit des Herrn ließ sich nieder auf dem Berg Sinai." (2. Mose 24,15.16) Sechs Tage lang bedeckte die Wolke den Berg zum Zeichen für Gottes besondere Gegenwart. Doch es geschah weder eine Gottesoffenbarung, noch kam es zu einer Mitteilung seines Willens. Während dieser Zeit war Mose ständig darauf gefasst, in das Audienzzimmer des Allerhöchsten gerufen zu werden. Der Herr hatte zu ihm gesagt: "Komm herauf zu mir auf den Berg und bleib daselbst" (2. Mose 24,12). Als nun nichts geschah, wurden Moses Geduld und Gehorsam auf die Probe gestellt. Trotzdem wachte er unermüdlich und verließ seinen Platz nicht. Diese Wartezeit diente ihm zur Vorbereitung und gründlichen Selbstprüfung. Denn selbst dieser begnadete Diener Gottes konnte nicht sofort bis in die Gegenwart des Höchsten vordringen. Er hätte die Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit nicht ausgehalten. Sechs Tage musste er damit zubringen, sich Gott durch Erforschung seines Gewissens, durch Nachdenken und Gebet zu weihen. Erst dann war er für die unmittelbare Begegnung mit seinem Schöpfer bereit. WABT 291 2 Am siebenten Tag, der ein Sabbat war, wurde Mose in die dichte Wolke gerufen. Vor den Augen ganz Israels öffnete sie sich, und die Herrlichkeit des Herrn brach hervor wie ein verzehrendes Feuer. "Mose ging direkt in die Wolke hinein und stieg weiter auf den Berg hinauf. 40 Tage und 40 Nächte blieb er auf dem Berg." (2. Mose 24,18 NLB) Im 40-tägigen Aufenthalt auf dem Berg waren die sechs Tage der Vorbereitung nicht eingeschlossen. Während jener Tage war Josua bei Mose. Sie aßen miteinander Manna und tranken vom "Bach, der vom Berge" floss (5. Mose 9,21c). Aber Josua begab sich nicht mit Mose in die Wolke. Er blieb außerhalb und aß und trank täglich, während er auf die Rückkehr von Mose wartete. Der aber fastete die ganzen 40 Tage. WABT 291 3 Auf dem Berg erhielt Mose Anweisungen für den Bau eines Heiligtums, in dem sich Gottes Gegenwart auf besondere Weise offenbaren sollte. "Sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich unter ihnen wohne" (2. Mose 25,8), lautete der Befehl Gottes. Zum dritten Mal unterstrich er die Heilighaltung des Sabbats. "Er ist ein ewiges Zeichen zwischen mir und den Israeliten", sagte der Herr, "damit ihr erkennt, dass ich der Herr bin, der euch heiligt. Darum haltet meinen Sabbat, denn er soll euch heilig sein ... Wer eine Arbeit am Sabbat tut, der soll ausgerottet werden aus seinem Volk" (2. Mose 31,17. 13.14). Soeben waren Anordnungen zum sofortigen Bau einer Stiftshütte für den Gottesdienst erlassen worden. Weil dieser Bau der Verherrlichung Gottes dienen sollte und eine Anbetungsstätte so dringend benötigt wurde, hätte das Volk schlussfolgern können, dass Bauarbeiten am Sabbat gerechtfertigt seien. Um die Israeliten vor diesem Irrtum zu bewahren, wurde diese Warnung an sie gerichtet. Selbst die Heiligkeit und Dringlichkeit dieses besonderen Auftrags - ein Werk für Gott! - durfte sie nicht dazu verleiten, gegen die heilige Sabbatruhe zu verstoßen. WABT 292 1 Fortan wollte Gott als ihr himmlischer König die Israeliten mit seiner beständigen Gegenwart beehren. Deshalb erhielt Mose die Zusicherung: "Ich will unter den Israeliten wohnen und ihr Gott sein", versprach er (2. Mose 29,45). "Daselbst will ich den Israeliten begegnen, und das Heiligtum wird geheiligt werden durch meine Herrlichkeit." (2. Mose 29,43) Als Symbol der Autorität Gottes und als Ausdruck seines Willens erhielt Mose die Zehn Gebote, die Gott selbst mit seinem Finger auf zwei Steintafeln geschrieben hatte (vgl. 2. Mose 32,16). Nach der Errichtung des Heiligtums, des sichtbaren Mittelpunkts ihrer Gottesverehrung, sollten sie dort würdig aufbewahrt werden. Der Zweck Der Erhöhung Des Volkes Israel WABT 292 2 Noch vor kurzem waren die Israeliten nur ein versklavtes Volk gewesen, nun aber wurden sie über alle Völker erhöht und dazu berufen, das besondere Eigentum des Königs aller Könige zu sein. Gott hatte sie von der Welt abgesondert, um ihnen ein heiliges Vermächtnis anvertrauen zu können. Er hatte sie als Bewahrer seines Gesetzes bestimmt, um durch sie die Erkenntnis seiner selbst unter den Menschen zu erhalten. Auf diese Weise sollte das Licht des Himmels in eine geistlich dunkle Welt hineinleuchten. Eine Stimme sollte zu hören sein, die alle Völker aufforderte, sich vom Götzendienst abzuwenden und dem lebendigen Gott zu dienen. Wenn die Israeliten ihrem Auftrag treu nachkämen, würde ihnen eine bedeutende Rolle in der Welt zufallen. Gott selbst würde sie verteidigen und über alle anderen Völker erhöhen. Sein Licht und seine Wahrheit würden der Welt durch sie offenbart werden. Unter seiner weisen und heiligen Herrschaft wären sie ein Beispiel dafür, wie sehr die Verehrung des lebendigen Gottes dem Götzendienst jeglicher Art überlegen ist. ------------------------Kapitel 28 - Götzendienst Am Sinai WABT 293 0 2. Mose 32 bis 34. WABT 293 1 Dass Mose abwesend war, bedeutete für die Israeliten eine Zeit des Wartens und der Ungewissheit. Sie wussten, dass er mit Josua auf den Berg gestiegen und in die dunkle Wolke hineingegangen war, die man von der Ebene aus sehen konnte. Die Wolke ruhte auf dem Gipfel des Berges und wurde von Zeit zu Zeit von den Blitzen der Gegenwart Gottes erhellt. Ungeduldig warteten die Israeliten auf Moses Rückkehr. Da sie sich in Ägypten an greifbare Darstellungen von Gottheiten gewöhnt hatten, fiel es ihnen schwer, einem unsichtbaren Wesen zu vertrauen. Inzwischen waren sie dazu übergegangen, sich zur Stärkung ihres Glaubens auf Mose zu verlassen. Nun aber stand er ihnen nicht zur Verfügung. Tag um Tag, Woche um Woche verging, und noch immer war er nicht zurückgekommen. Obwohl die Wolke noch zu sehen war, dachten viele im Lager, ihr Anführer habe sie verlassen oder sei im verzehrenden Feuer umgekommen. WABT 293 2 Während dieser Wartezeit hatten die Israeliten Gelegenheit, über Gottes Gesetz, das sie vernommen hatten, nachzudenken und ihr Herz auf weitere Offenbarungen, die ihnen Gott möglicherweise geben würde, vorzubereiten. Dafür blieb ihnen nicht allzu viel Zeit. Hätten sie sich darum bemüht, Gottes Forderungen besser zu verstehen und sich vor ihm gede- mütigt, wären sie vor Versuchungen geschützt gewesen. Weil sie das aber nicht taten, wurden sie bald nachlässig, unaufmerksam und zügellos. Das galt besonders für das Mischvolk. Diese Leute wurden ungeduldig, weil es auf dem Weg in das versprochene Land nicht weiterging - das Land, in dem Milch und Honig flossen. Es war ihnen nur unter der Bedingung des Gehorsams zugesagt worden, aber das hatten sie aus den Augen verloren. Einige schlugen vor, nach Ägypten zurückzukehren - aber ob vorwärts nach Kanaan oder zurück nach Ägypten: Die Mehrheit des Volkes war entschlossen, nicht länger auf Mose zu warten. Ein Sichtbares Abbild Gottes WABT 294 1 Weil sie ohne ihren Anführer ihre Hilflosigkeit verspürten, kehrten sie zum alten Aberglauben zurück. Das Mischvolk unter ihnen fing als Erstes an, ungeduldig zu werden. Sie waren die treibenden Kräfte beim Abfall, der dann folgte. Zu den Dingen, die bei den Ägyptern als Sinnbild eines Gottes galten, gehörten der Ochse und das Kalb18. Auf Anregung derer, die diesen Götzendienst in Ägypten ausgeübt hatten, wurde nun ein Kalb gegossen und angebetet. Das Volk sehnte sich nach einem Bild, das Gott darstellen und ihnen an Moses Stelle voranziehen sollte. Gott hatte ihnen nichts gezeigt, was ihm entsprochen hätte oder ähnlich gewesen wäre. Jede materielle Darstellung zum Zweck der Anbetung hatte er ausdrücklich verboten. Die großen Wunder in Ägypten und am Roten Meer sollten den Glauben der Israeliten an ihren unsichtbaren, allmächtigen Helfer - den einzig wahren Gott - stärken und festigen. Und ihrem Verlangen nach einer sichtbaren Offenbarung seiner Gegenwart war Gott mit der Wolken- und Feuersäule nachgekommen, in der er ihnen vorausgezogen war. Er offenbarte sich ihnen auch in der Herrlichkeit auf dem Berg Sinai. Obgleich sie die Wolke seiner Gegenwart noch immer vor sich hatten, wandten sie sich wieder dem Götzendienst der Ägypter zu und stellten die Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes in der Gestalt eines Kalbes dar! Aarons Nachgiebigkeit WABT 294 2 Für die Zeit, in der Mose abwesend war, wurde Aaron die richterliche Amtsgewalt übertragen. Eine riesige Menge versammelte sich um sein Zelt und forderte: "Auf, mach uns einen Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat." (2. Mose 32,1) Sie behaupteten, dass die Wolke, die sie bisher geführt hatte, nun für immer auf dem Berg ruhe; sie werde nicht länger ihre Wanderung leiten. An ihrer Stelle müssten sie ein Bildnis haben. Und falls sie sich für die Rückkehr nach Ägypten entscheiden sollten, wie einige vorschlugen, wären sie sich der Gunst der Ägypter sicher, wenn sie dieses Bild vor sich her trügen und als ihren Gott anerkennen würden. WABT 294 3 Eine solche Krise verlangte eine entschlossene, willensstarke und mutige Persönlichkeit - jemanden, der Gottes Ehre über die Volksgunst und die persönliche Sicherheit, ja selbst über das Leben stellte. Aber einen solchen Charakter besaß der derzeitige Anführer Israels nicht. Aaron machte dem Volk nur schwache Vorhaltungen. Dass er gerade im kritischen Augenblick unentschlossen und ängstlich wirkte, machte die Leute in ihrer Absicht nur umso entschiedener. Der Tumult nahm zu. Eine blinde, unvernünftige Raserei schien von der Menge Besitz zu ergreifen. Wohl blieben einige ihrem Bund mit Gott treu, aber die Mehrzahl des Volkes machte bei diesem Abfall von Gott mit. Die wenigen, die sich trauten, die geplante Herstellung eines Bildnisses als Abgötterei zu brandmarken, wurden angegriffen und misshandelt. Im Durcheinander und in der ganzen Aufregung kamen sie schließlich ums Leben. WABT 295 1 Aaron fürchtete um sein eigenes Leben und gab den Forderungen der Menge nach, statt mutig für Gottes Ehre einzutreten. Als Erstes ließ er alle goldenen Ohrringe von den Leuten einsammeln und zu sich bringen. Er hoffte, dass ihre Eitelkeit sie daran hindern werde, auf ein solches Opfer einzugehen. Aber sie gaben ihren Schmuck willig her. Daraus goss er ihnen ein goldenes Kalb, eine Nachbildung ägyptischer Götter. Das Volk rief: "Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!" (2. Mose 32,4) Feige ließ Aaron diese Beleidigung Jahwes zu. Er tat sogar noch mehr. Als er sah, mit welcher Genugtuung der goldene Gott aufgenommen wurde, baute er davor einen Altar und ließ ausrufen: "Morgen ist des Herrn Fest!" Hornbläser verkündigten diese Nachricht im ganzen Lager von Gruppe zu Gruppe. "Und sie standen früh am Morgen auf und opferten Brandopfer und brachten dazu Dankopfer dar. Danach setzte sich das Volk, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um ihre Lust zu treiben." (2. Mose 32,5.6) Unter dem Vorwand, "des Herrn Fest" zu feiern, gaben sie sich selbst der Völlerei und einem ausschweifenden Feiern hin. WABT 295 2 Wie oft wird heutzutage die Vergnügungssucht mit dem "Schein der Frömmigkeit" (2. Timotheus 3,5) bemäntelt! Eine Religion, die Menschen gestattet - solange sie die bloßen Riten der Anbetung vollziehen -, selbstsüchtigen und sinnlichen Vergnügungen zu frönen, stellt heute die Massen genauso zufrieden wie in den Tagen Israels. Und es gibt immer wieder nachgiebige Aarons, die - obwohl sie hohe Stellungen in der Kirche einnehmen - doch den Wünschen der Unbekehrten nachgeben und sie auf diese Weise zum Sündigen ermutigen. WABT 295 3 Es war nur wenige Tage her, seitdem die Israeliten einen feierlichen Bund mit Gott geschlossen und versprochen hatten, seinen Worten zu gehorchen. Zitternd vor Angst hatten sie vor dem Berg gestanden und die Worte des Herrn vernommen: "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben." (2. Mose 20,3 GNB) Die Herrlichkeit Gottes schwebte noch immer vor den Augen der Israeliten über dem Sinai, aber dennoch wandten sie sich von ihm ab und verlangten nach anderen Göttern. "Sie machten ein Kalb am Horeb und beteten das gegossene Bild an und verwandelten die Herrlichkeit ihres Gottes in das Bild eines Ochsen, der Gras frisst." (Psalm 106,19.20) Eine größere Undankbarkeit hätten sie ihm nicht erweisen und schmählicher den nicht beleidigen können, der sich ihnen als gütiger Vater und allmächtiger König offenbart hatte! Mose Setzt Sich Für Sein Volk Ein WABT 296 1 Auf dem Berg informierte Gott Mose über den Abfall im Lager und befahl ihm, sofort zurückzukehren. "Geh, steig hinab", lauteten Gottes Worte, "denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. Sie sind schnell von dem Weg gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben es angebetet." (2. Mose 32,7.8) Gott hätte diese Entwicklung gleich zu Anfang verhindern können, aber er ließ es zu, den Abfall auf die Spitze zu treiben, um allen deutlich zu zeigen, dass er Verrat und Abfall bestraft. WABT 296 2 Gottes Bund mit seinem Volk war damit ungültig geworden. Deshalb sagte er zu Mose: "Nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen." (2. Mose 32,10) Die Israeliten, besonders aber die Fremden unter ihnen, hatten immer die Neigung, sich gegen Gott aufzulehnen. Sie würden auch gegen Mose aufbegehren und ihn durch ihren Unglauben und ihre Sturheit kränken. Es wäre eine mühselige, zermürbende Aufgabe, sie in das versprochene Land zu bringen. Durch ihre Sünden hatten sie Gottes Gunst bereits verwirkt, und die Gerechtigkeit verlangte ihren Untergang. Deshalb schlug der Herr vor, sie auszurotten und aus Mose ein mächtiges Volk werden zu lassen. WABT 296 3 "Nun lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vernichte", waren Gottes Worte (2. Mose 32,10 Elb.). Wenn Gott beschlossen hätte, sie zu vernichten, wer könnte dann noch für Israel bitten? Die meisten hätten die Sünder ihrem Schicksal überlassen! Wer hätte nicht gern ein Los mit Mühen, Lasten und Opfern, das nur mit Undank und Murren vergolten wurde, gegen eine angenehme, ehrenvolle Stellung eingetauscht, wenn Gott selbst diese Entlastung anbot? Aber Mose fand sogar dort noch Grund zur Hoffnung, wo nur Enttäuschung und Zorn zu sehen waren. Gottes Worte "Nun lass mich" (2. Mose 32,10) verstand er nicht als ein Verbot, für Israel Fürsprache einzulegen. Vielmehr ermutigten sie ihn zur Fürbitte, denn sie deuteten an, dass nur sein Flehen Israel retten konnte. Wenn er Gott anflehte, würde dieser sein Volk verschonen. Deshalb rief Mose den Herrn an und sagte: "Ach, Herr, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast?" (2. Mose 32,11) WABT 297 1 Gott hatte zu erkennen gegeben, dass er sein Volk verstieß, denn er hatte zu Mose gesagt: "Dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast." (2. Mose 32,7) Aber Mose lehnte es demütig ab, die Israeliten angeführt zu haben. Sie gehörten nicht ihm, sondern Gott. Deshalb erwiderte er: "Warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand ... geführt hast?" Er drängte: "Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden?" (2. Mose 32,11.12) WABT 297 2 In den wenigen Monaten, seitdem Israel aus Ägypten ausgezogen war, hatte sich die Nachricht von der wunderbaren Befreiung bei allen umliegenden Völkern herumgesprochen. Angst und schreckliche Vorahnungen bemächtigten sich dieser Heiden. Sie alle beobachteten, was Israels Gott für sein Volk tun werde. Wenn er es jetzt vernichten würde, würden Israels Feinde triumphieren, und Gott wäre entehrt. Die Ägypter würden behaupten, dass ihre Beschuldigungen zutreffend seien: Statt die Israeliten in die Wüste zu führen, um ihm zu opfern, hätte Gott sie selbst geopfert. Israels Sünden würden sie dabei natürlich nicht in Betracht ziehen. Die Vernichtung dieses Volkes, das Gott in so hohem Maß ausgezeichnet hatte, würde seinen Namen in den Schmutz ziehen. Was für eine große Verantwortung ruht deshalb auf allen, denen Gott eine hohe Ehre erwiesen hat, damit sie dafür sorgen, dass sein Name in der Welt gepriesen wird! Mit welch großer Achtsamkeit sollten sie sich davor hüten, eine Sünde zu begehen, damit sie Gottes Gerichte nicht auf sich herabrufen und sein Name nicht durch Unfromme in Verruf gebracht wird! WABT 297 3 Als Mose Fürsprache für Israel einlegte, war seine Ängstlichkeit verflogen. Sie machte einer tiefen Anteilnahme und Liebe zu einem Volk Platz, für das er als Gottes Werkzeug so viel getan hatte. Der Herr hörte auf sein Flehen und gewährte seine selbstlose Bitte. Er hatte seinen Diener einer Prüfung unterzogen und dessen Treue und Liebe zum undankbaren, irrenden Volk auf die Probe gestellt. Und Mose hatte diese Prüfung edelmütig bestanden. Seine Anteilnahme für Israel entsprang keinem selbstsüchtigen Beweggrund. Das Wohlergehen des erwählten Volkes Gottes war ihm mehr wert als seine eigene Ehre und lieber als das Vorrecht, selbst Stammvater eines großen Volkes zu werden. Gott war mit seiner Treue, seiner schlichten Gesinnung und Lauterkeit zufrieden. Deshalb übertrug er ihm als treuem Hirten die hohe Aufgabe, Israel in das verheißene Land zu führen. Mose Kommt Zum Volk Zurück WABT 298 1 Als Mose und Josua vom Berg herabstiegen - wobei Mose "die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand" trug (2. Mose 32,15b) -, hörten sie das Geschrei und Gejohle der erregten Menge, die sich offensichtlich in wildem Aufruhr befand. Der Soldat Josua dachte als erstes an einen feindlichen Angriff. "Es ist ein Kriegsgeschrei im Lager", meinte er (2. Mose 32,17). Aber Mose beurteilte die Art des Spektakels treffender. Dieser Lärm kam nicht vom Kampf, sondern vom Feiern. "Es ist kein Geschrei wie bei einem Sieg, und es ist kein Geschrei wie bei einer Niederlage, ich höre Geschrei wie beim Tanz." (2. Mose 32,18) WABT 298 2 Als sie sich dem Lager näherten, sahen sie, wie das Volk dem Götzenbild zujubelte und um es herumtanzte. Es war ein Anblick wie bei den religiösen Ausschweifungen der Heiden, eine Nachahmung der Götterfeste in Ägypten. Wie so ganz anders war dagegen die feierliche, ehrfurchtsvolle Anbetung Gottes! WABT 298 3 Mose war zutiefst erschüttert. Er kam gerade aus der Gegenwart der Herrlichkeit Gottes. Obschon vor dem, was hier ablief, gewarnt, war er nicht auf eine so furchtbare Bekundung der Verdorbenheit Israels vorbereitet. Heftiger Zorn packte ihn. Um seine Abscheu vor ihrem frevelhaften Vergehen deutlich zu machen, schmetterte er die Steintafeln zu Boden, sodass sie vor aller Augen zerbrachen. Damit machte er ihnen klar: Weil sie ihren Bund mit Gott gebrochen hatten, hatte Gott den Bund mit ihnen aufgekündigt. WABT 298 4 Mose betrat das Lager, drängte sich durch die Menge der Feiernden, packte das Götzenbild und warf es ins Feuer. Später zerrieb er es zu Staub, schüttete diesen in den Bach, der vom Berg Sinai herabkam, und ließ das Volk daraus trinken. Damit zeigte er ihnen die völlige Wertlosigkeit des Götzen, den sie angebetet hatten. WABT 298 5 Nun ließ Mose seinen schuldigen Bruder Aaron rufen und fragte ihn streng: "Was hat dir das Volk getan, dass du eine so große Sünde über es gebracht hast?" (2. Mose 32,21 Elb.) Aaron versuchte, sich zu verteidigen, indem er von einem lautstarken Verlangen des Volkes erzählte. Wenn er dessen Wünschen nicht nachgegeben hätte, hätte man ihn getötet. "Der Zorn meines Herrn entbrenne nicht", bat er, "du selbst kennst das Volk, dass es böse ist. Sie haben nämlich zu mir gesagt: Mach uns Götter, die vor uns hergehen! Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat - wir wissen nicht, was ihm geschehen ist. Da fragte ich sie: Wer hat Gold? Sie rissen es sich ab und gaben es mir, und ich warf es ins Feuer, und dieses Kalb ist daraus hervorgegangen." (2. Mose 32,22-24 Elb.) Er wollte Mose weismachen, hier sei ein Wunder geschehen: Er habe nur das Gold ins Feuer geworfen, und durch übernatürliche Macht sei es zu einem Kalb geworden. Aber seine Entschuldigungen und Ausflüchte nützten nichts. Zurecht wurde er als der Hauptübeltäter behandelt. Aarons Grosses Versagen WABT 299 1 Die Tatsache, dass Aaron mehr als alle anderen im Volk gesegnet und ausgezeichnet worden war, machte seine Sünde besonders abscheulich. Ausgerechnet er, der Heilige des Herrn (vgl. Psalm 106,16), hatte das Götzenbild hergestellt und zu dessen Ehren das Fest ausgerufen. Er war einst zum Wortführer für Mose bestimmt worden, und Gott selbst hatte bestätigt, dass er gut reden konnte (vgl. 2. Mose 4,14). Dennoch hatte er es versäumt, die Götzendiener in ihrem den Himmel herausfordernden Vorhaben aufzuhalten. Er, durch den Gott seine Gerichte an den Ägyptern und ihren Göttern vollstreckt hatte, hatte tatenlos zugelassen, wie vor dem gegossenen Bild gerufen wurde: "Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!" (2. Mose 32,4) Er war mit Mose auf dem Berg gewesen und hatte dort die Herrlichkeit Gottes geschaut. Er konnte bei diesem Erlebnis erkennen, dass es nichts gab, wovon man ein Abbild hätte machen können. Trotzdem hatte er diese Herrlichkeit in das Abbild eines Rindes verwandelt. Derjenige, dem Gott während Moses Abwesenheit die Führung des Volkes übertragen hatte, hatte dessen Aufruhr gegen Gott gebilligt. "Auch über Aaron zürnte der Herr sehr, sodass er ihn vernichten wollte." (5. Mose 9,20 Elb.) Aber auf Moses eindringliche Fürsprache hin blieb sein Leben verschont. Als Aaron in tiefer Demut seine große Sünde bereute, nahm ihn Gott wieder in Gnaden an. WABT 299 2 Wäre Aaron mutig gewesen, ohne Rücksicht auf die Folgen für das Rechte einzustehen, hätte er den Abfall verhindern können. Wäre er Gott unbeirrt treu geblieben und hätte er das Volk an das beängstigende Sinai-Erlebnis und an den feierlichen Bund mit Gott erinnert, seinem Gesetz zu gehorchen, hätte er dem Bösen Einhalt gebieten können. Aber als er den Wünschen des Volkes nachgab und sich mit ruhiger Selbstsicherheit daran machte, die Pläne der Israeliten in die Tat umzusetzen, wurden sie in ihrer Dreistigkeit noch bestärkt, weit größere Sünden zu begehen, als sie ursprünglich vorgehabt hatten. Mose Tadelt Das Volk Gewissenhaft WABT 299 3 Als Mose zum Lager zurückkehrte, trat er den Rebellen entgegen. Als sie seine strengen Zurechtweisungen und die Empörung, mit der er die heiligen Gesetzestafeln zu Boden geschmettert hatte, mit der gefälligen Rede und dem würdevollen Benehmen seines Bruders verglichen, galten ihre Sympathien Aaron. Um sich zu rechtfertigen, versuchte dieser, dem Volk die Schuld für seine Schwäche und Nachgiebigkeit zuzuschieben. Dennoch bewunderte es seine Sanftheit und Geduld. Aber Gott sieht die Dinge anders. Aarons Nachgiebigkeit und sein Bestreben, den Menschen zu gefallen, hatten ihn blind werden lassen gegenüber der Schwere des Vergehens, dem er seine Zustimmung gegeben hatte. Dass er durch seinen Einfluss die Sünde im Volk förderte, kostete Tausende das Leben. Was für ein Gegensatz zum Verhalten seines Bruders Mose, der gewissenhaft Gottes Gerichte vollstreckte und damit bewies, dass ihm Israels Wohlergehen mehr wert war als Wohlstand, Ehre oder das eigene Leben! WABT 300 1 Von allen Sünden, die Gott strafen wird, wiegt in seinen Augen keine so schwer wie die, andere im Bösen zu bestärken. Gottes Diener sollen ihm ihre Treue dadurch beweisen, dass sie die Übertretungen seines Gesetzes gewissenhaft tadeln - so schmerzlich das auch sein mag. Jene, die durch einen Auftrag Gottes geehrt werden, dürfen nicht schwach sein und sich biegsam der Zeit oder den Umständen anpassen. Sie sollen weder auf Selbsterhöhung aus sein, noch unangenehmen Pflichten aus dem Weg gehen, sondern Gottes Werk mit standhafter Treue ausführen. Die Strenge Bestrafung Des Abfalls WABT 300 2 Obwohl Gott Moses Bitte erhört und Israel die Vernichtung erspart hatte, musste dessen Abfall doch als Warnung streng bestraft werden. Die Gesetzlosigkeit und der Ungehorsam, in die Aaron das Volk hatte geraten lassen, mussten schnell ausgemerzt werden, andernfalls wären sie in Gottlosigkeit ausgeufert und hätten dem Volk unwiederbringliches Verderben gebracht. Das Böse musste mit unnachgiebiger Härte ausgetrieben werden. Vom Tor des Lagers aus rief Mose dem Volk zu: "Her zu mir, wer für den Herrn ist!" (2. Mose 32,26 Elb.) Wer sich nicht am Abfall von Gott beteiligt hatte, musste sich zu seiner Rechten aufstellen, wer schuldig war, aber bereute, zur Linken. Dieser Befehl wurde befolgt. Es stellte sich heraus, dass der Stamm Levi nicht am Götzendienst teilgenommen hatte. Aus den anderen Stämmen hatten zwar viele gesündigt, aber sie zeigten jetzt Reue. Ein großer Teil dagegen, der sich vor allem aus dem fremden Volk (vgl. 2. Mose 12,38) zusammensetzte und zur Herstellung des Kalbs angestiftet hatte, hielt stur an seiner Rebellion fest. Im Namen des Herrn, des Gottes Israels, erteilte nun Mose denen zu seiner Rechten, die sich von der Abgötterei ferngehalten hatten, den Befehl, ihre Schwerter zu nehmen und alle zu erschlagen, die hartnäckig bei ihrer Auflehnung verblieben. "An jenem Tag starben etwa 3000 Mann." (2. Mose 32,28 NLB) Ohne Rücksicht auf Stellung, Verwandtschaft oder Freundschaft wurden die Rädelsführer der Bosheit ausgerottet. Aber alle, die demütig bereuten, blieben verschont. WABT 301 1 Die Vollstrecker dieses schrecklichen Gerichts handelten mit göttlicher Vollmacht, als sie das Urteil des Königs im Himmel ausführten. Wir Menschen müssen uns wegen unserer begrenzten Einsicht davor hüten, unsere Mitmenschen zu richten und zu verurteilen. Aber wenn Gott Menschen gebietet, sein Urteil über Freveltaten zu vollstrecken, sollte ihm gehorcht werden. Alle, die diesen schmerzlichen Akt durchführten, bewiesen damit ihre Abscheu gegenüber Auflehnung und Abgötterei und weihten sich noch vollständiger dem wahren Gott. Der Herr belohnte die Treue des Stammes Levi, indem er ihn auf eine besondere Weise auszeichnete. WABT 301 2 Die Israeliten hatten sich des Verrats schuldig gemacht - und das gegenüber ihrem König, der sie mit Wohltaten überhäuft und dem sie sich freiwillig unterworfen hatten! Damit Gottes Herrschaft über Israel Bestand haben konnte, musste das Gericht über die Verräter verhängt werden. Doch sogar dabei zeigte sich Gottes Gnade. Während er sein Gesetz aufrechterhielt, räumte er allen die Wahlfreiheit und Gelegenheit ein, zu bereuen und zu ihm zurückzukehren. Nur wer in seiner Rebellion verharrte, wurde ausgerottet. WABT 301 3 Diese Sünde musste bestraft werden, um den umliegenden Völkern zu zeigen, wie sehr der Götzendienst Gott missfiel. Als Gottes Werkzeug musste Mose dafür sorgen, dass der Bericht über den ernsten, öffentlichen Protest gegen diese Freveltat nicht in Vergessenheit geriet. Wenn die Israeliten später die Götzenkulte ihrer Nachbarvölker verurteilen sollten, könnten ihnen ihre Feinde den Vorwurf entgegenhalten, dass sie sich selbst am Sinai ein Kalb gemacht und es angebetet hatten, während sie bekannten, dass Jahwe ihr Gott sei. Dann könnten die Israeliten - obgleich sie diese beschämende Wahrheit zugeben müssten - auf den schrecklichen Tod der Übertreter verweisen - als Beweis dafür, dass ihre Sünde weder gutgeheißen noch entschuldigt worden war. WABT 301 4 Aber nicht weniger als die Gerechtigkeit verlangte auch die Liebe, dass diese Sünde bestraft wurde. Gott ist Hüter und gleichzeitig Herrscher seines Volkes. Er macht ein Ende mit allen, die sich für die Auflehnung entschieden haben, damit sie nicht noch andere mit ins Verderben reißen. Als Gott einst Kain am Leben ließ, hatte er dem gesamten Universum gezeigt, was dabei herauskommt, wenn Sünde ungestraft geduldet wird. Durch sein Leben und seine Unterweisung übte Kain auf seine Nachkommen einen Einfluss aus, der zu einem solchen Zustand der Verdorbenheit führte, dass die ganze Welt durch die Sintflut vernichtet werden musste. Die Geschichte der vorsintflutlichen Menschheit beweist, dass eine lange Lebenszeit für Sünder kein Segen ist. Denn trotz Gottes großer Langmut ließen sie nicht von ihrer Bosheit ab. Je älter diese Menschen wurden, desto verdorbener wurden sie. WABT 302 1 So verhielt es sich auch mit der Abkehr von Gott am Sinai. Wäre die Strafe nicht auf dem Fuß gefolgt, hätten sich die gleichen Ergebnisse eingestellt. Die Erdenbewohner wären wieder so verdorben geworden wie zur Zeit Noahs. Hätte Gott diese Übertreter weiterleben lassen, wären schlimmere Zustände eingetreten als durch die Verschonung Kains. Es war Gottes Gnade, dass Tausende den Tod erlitten, damit nicht später Millionen die Gerichte Gottes erleiden mussten. Um viele zu retten, musste Gott einige bestrafen. Außerdem hatte das Volk Gottes Schutz verwirkt, als es ihm die Gefolgschaft aufkündigte. Seiner Verteidigung beraubt, war das Volk der Gewalt seiner Feinde preisgegeben. Wäre das Böse nicht sofort beseitigt worden, wären die Israeliten bald ihren zahlreichen und mächtigen Gegnern zum Opfer gefallen. Für Israels Wohlergehen war somit die unmittelbare Ahndung des Vergehens notwendig. Zugleich war es eine Lehre für alle kommenden Generationen, dass Verbrechen prompt bestraft werden sollten. Und nicht zuletzt bedeutete es auch Gnade für die Sünder selbst, dass ihrem bösen Treiben ein Ende gesetzt wurde. Dieselbe aufrührerische Gesinnung, die ihre Auflehnung gegen Gott veranlasste, hätte sonst auch zu Hass und Streit untereinander geführt, sodass sie sich schließlich selbst gegenseitig vernichtet hätten. So geschah es aus seiner Liebe zur Welt, zu Israel, ja sogar zu den Übertretern, dass Gott den Frevel schnell und mit aller Strenge bestrafte. Moses Erneute Fürbitte WABT 302 2 Als dem Volk die Größe seiner Schuld bewusst wurde, breitete sich im ganzen Lager Entsetzen aus. Man befürchtete, dass nun alle Schuldigen umgebracht würden. Mose hatte Mitleid mit den Verzweifelten und versprach, Gott noch einmal für sie anzuflehen. "Ihr habt eine große Sünde getan", sagte er, "nun will ich hinaufsteigen zu dem Herrn, ob ich vielleicht Vergebung erwirken kann für eure Sünde." Er ging und bekannte vor Gott: "Ach, das Volk hat eine große Sünde getan, und sie haben sich einen Gott von Gold gemacht. Vergib ihnen doch ihre Sünde; wenn nicht, dann tilge mich aus deinem Buch, das du geschrieben hast." Gott antwortete: "Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt. So geh nun hin und führe das Volk, wohin ich dir gesagt habe. Siehe, mein Engel soll vor dir hergehen. Ich werde aber ihre Sünde heimsuchen, wenn meine Zeit kommt." (2. Mose 32,30-34) WABT 303 1 Moses Gebet macht uns auf die himmlischen Bücher aufmerksam, in denen die Namen aller Menschen und ihre Taten gewissenhaft vermerkt sind, sie seien gut oder böse. Das Buch des Lebens enthält die Namen aller, die jemals in irgendeiner Form in Gottes Dienst standen. Wer von denen Gott wieder verlässt und hartnäckig in seinen Sünden verharrt, wird schließlich gegenüber dem Einfluss des Heiligen Geistes verhärtet. Ihre Namen werden im Gericht Gottes aus dem Lebensbuch gestrichen und sie selbst der Vernichtung anheim gegeben. Mose erkannte, wie schrecklich das Schicksal der Sünder sein wird. Doch falls Israel vom Herrn verworfen würde, war es sein Wunsch, dass sein Name zusammen mit ihren gestrichen wird. Er konnte es nicht ertragen mitanzusehen, dass diejenigen dem Gericht Gottes verfallen sollten, die einst auf so wunderbare Weise befreit worden waren. Moses Fürsprache um Israels willen veranschaulichte die Vermittlung durch Christus für sündige Menschen. Aber der Herr ließ nicht zu, dass Mose wie Christus die Schuld der Übertreter auf sich nahm. "Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt", erklärte er (2. Mose 32,33). Gott Entzieht Dem Volk Seine Unmittelbare Gegenwart WABT 303 2 In tiefer Trauer begrub das Volk seine Toten. 3000 waren durchs Schwert gefallen. Wenig später brach eine Plage im Lager aus. Und nun erreichte die Israeliten die Botschaft, dass Gottes Gegenwart sie nicht mehr auf ihrer Wanderung begleiten werde. Jahwe erklärte: "Ich selbst will nicht mit dir hinaufziehen, denn du bist ein halsstarriges Volk; ich würde dich unterwegs vertilgen." Weiter befahl er: "Nun lege deinen Schmuck ab, dann will ich sehen, was ich dir tue." Im ganzen Lager herrschte Trauer. In Reue und Demut taten "die Israeliten ... ihren Schmuck von sich an dem Berg Horeb" (2. Mose 33,3.5.6). WABT 303 3 Auf Gottes Anweisung hin nahm Mose das Zelt, das als vorläufige Anbetungsstätte diente, und schlug es "fern vom Lager" auf (2. Mose 33,7a). Dies war ein weiterer Beweis dafür, dass Gott ihnen seine Gegenwart entzogen hatte. Er wollte sich Mose offenbaren, aber nicht einem solchen Volk. Dieser Tadel traf sie hart. Dem Volk, das von Gewissensbissen geplagt war, schien dies ein Vorzeichen größeren Unglücks zu sein. Hatte der Herr vielleicht Mose vom Lager ausgesondert, um sie völlig zu vernichten? Andererseits gab es aber doch Zeichen der Hoffnung. Das Zelt wurde zwar außerhalb des Lagers aufgeschlagen, aber Mose nannte es "Zelt der Begegnung" (2. Mose 33,7 Elb.). Alle, die aufrichtig bereuten und das Verlangen hatten, zu Gott zurückzukehren, sollten dorthin kommen, um ihre Sünden zu bekennen und Gottes Gnade zu suchen. Während sie in ihre Zelte zurückgingen, begab sich Mose in das Versammlungszelt. Mit qualvoller Spannung wartete das Volk auf ein Zeichen, dass seine Fürsprache angenommen war. Würde sich Gott herabneigen, um ihm zu begegnen, konnten sie hoffen, nicht völlig vernichtet zu werden. Als sich dann die Wolkensäule herabsenkte und am Eingang des Versammlungszeltes stehen blieb, weinte das Volk vor Freude und es "warf sich jeder am Eingang seines Zeltes zu Boden" (2. Mose 33,10 NLB). Mose Darf Gottes Herrlichkeit Sehen WABT 304 1 Mose kannte den Eigensinn und die Blindheit derer, die seiner Obhut anvertraut waren. Er wusste um die Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte. Aber er hatte begriffen, dass er Gottes Hilfe brauchte, wenn er sich beim Volk durchsetzen wollte. Darum bat er um eine deutlichere Offenbarung des göttlichen Willens und um die Gewissheit seiner Gegenwart: "Siehe, du sprichst zu mir: Führe das Volk hinauf!, und lässt mich nicht wissen, wen du mit mir senden willst, wo du doch gesagt hast: Ich kenne dich mit Namen, und du hast Gnade vor meinen Augen gefunden. Hab ich denn Gnade vor deinen Augen gefunden, so lass mich deinen Weg wissen, damit ich dich erkenne und Gnade vor deinen Augen finde. Und siehe doch, dass dies Volk dein Volk ist." (2. Mose 33,12.13) WABT 304 2 Die Antwort lautete: "Mein Angesicht soll vorangehen; ich will dich zur Ruhe leiten." (2. Mose 33,14) Aber Mose war noch nicht zufriedengestellt. Ihn bedrückte der Gedanke an die schrecklichen Folgen, wenn Gott Israel in dessen Hartherzigkeit und Verstocktheit sich selbst überlassen würde. Dass seine Belange und Interessen von denen seiner Landsleute getrennt werden sollten, war ihm unerträglich. Deshalb betete er darum, dass Gott seinem Volk wieder gnädig sein möge und das Zeichen seiner Gegenwart sie auf ihrer Wanderung auch weiterhin geleite: "Wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf. Denn woran soll erkannt werden, dass ich und dein Volk vor deinen Augen Gnade gefunden haben, wenn nicht daran, dass du mit uns gehst, sodass ich und dein Volk erhoben werden vor allen Völkern, die auf dem Erdboden sind?" (2. Mose 33,15.16) WABT 304 3 Und der Herr sprach: "Auch das, was du jetzt gesagt hast, will ich tun; denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen." (2. Mose 33,17) Aber der Prophet hörte noch immer nicht auf zu bitten. Wohl hatte Gott alle seine Gebete beantwortet, aber er sehnte sich nach größeren Zeichen der Gnade Gottes. Er brachte eine Bitte vor, die nie zuvor ein Mensch zu äußern gewagt hatte: "Lass mich deine Herrlichkeit sehen!" (2. Mose 33,18) WABT 305 1 Gott wies die Bitte seines Dieners nicht als Anmaßung zurück, sondern richtete an ihn die gnädigen Worte: "Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen." (2. Mose 33,19) Kein Mensch kann in seinem sterblichen Zustand die unverhüllte Herrlichkeit Gottes schauen und am Leben bleiben. Aber Mose erhielt die Zusage, dass er so viel von Gottes Herrlichkeit sehen werde, wie er ertragen könne. Erneut wurde er aufgefordert, auf den Gipfel des Berges zu steigen. Dann berührte die Hand dessen, der die Welt geschaffen hat und Berge versetzen kann, "ehe sie es innewerden" (Hiob 9,5), dieses Geschöpf aus Staub, diesen starken Mann des Glaubens, und stellte ihn in eine Felsenkluft, während die Herrlichkeit Gottes und all seine Güte an ihm vorüberzogen. WABT 305 2 Dieses Erlebnis - vor allem die Zusage, dass ihn Gottes Gegenwart begleiten werde - brachte Mose die Gewissheit, dass auch sein künftiges Wirken von Erfolg gekrönt sein werde. Das war ihm unendlich viel mehr wert als alle Gelehrsamkeit Ägyptens oder all seine Leistungen als Staatsmann oder Heerführer. Keine irdische Macht, keine Fähigkeit oder Gelehrsamkeit kann Gottes bleibende Gegenwart ersetzen. WABT 305 3 Für einen Übertreter der Weisungen Gottes ist es etwas Schreckliches, "in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen" (Hebräer 10,31). Aber Mose stand allein in der Gegenwart des Ewigen und hatte keine Angst, denn er befand sich in Übereinstimmung mit dem Willen des Schöpfers. Ein Psalmist schrieb: "Wenn ich Unrechtes vorgehabt hätte in meinem Herzen, so hätte der Herr nicht gehört." (Psalm 66,18) Aber "der Herr ist denen Freund, die ihn fürchten; und seinen Bund lässt er sie wissen" (Psalm 25,14). WABT 305 4 Die Gottheit verkündete von sich selbst: "Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt an Tausenden von Generationen, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber sie keineswegs ungestraft lässt." (2. Mose 34,6.7 Elb.) WABT 305 5 "Da kniete Mose sich schnell nieder, neigte sein Gesicht zur Erde und betete den Herrn an." (2. Mose 34,8 NLB) Noch einmal bat er, dass Gott die Sünde seines Volkes vergeben und es wieder als seinen Erbbesitz annehmen möge. Seine Bitte wurde gewährt. Der Herr versprach gnädigerweise, seinen Bund mit Israel zu erneuern und für das Volk Wunder zu tun, "wie sie nicht geschehen sind in allen Landen und unter allen Völkern" (2. Mose 34,10b). WABT 305 6 40 Tage und Nächte blieb Mose auf dem Berg und wurde wie beim ersten Mal während der ganzen Zeit auf wunderbare Weise am Leben erhalten. Niemand hatte mit ihm hinaufgehen dürfen, noch war es während der Zeit seiner Abwesenheit jemandem erlaubt, sich dem Berg zu nähern. Auf Gottes Anweisung hatte Mose dieses Mal zwei Steintafeln vorbereitet und mit auf den Gipfel genommen. Erneut schrieb der Herr "auf die Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte" (2. Mose 34,28). Moses Angesicht Glänzt Bei Seiner Rückkehr WABT 306 1 Während der langen Zeit, die Mose in der Gemeinschaft mit Gott verbrachte, hatte sein Angesicht begonnen, die Herrlichkeit der göttlichen Gegenwart widerzuspiegeln. Ohne dass er es wusste, leuchtete sein Antlitz stark, als er vom Berg herabkam. Ein solcher Glanz verklärte auch das Gesicht des Stephanus, als er vor seine Richter gebracht wurde: "Und alle im Hohen Rat Versammelten richteten die Augen auf Stephanus, weil sein Gesicht plötzlich so strahlend wurde wie das eines Engels." (Apostelgeschichte 6,15 NLB) Aaron und auch das Volk wichen vor Mose zurück und fürchteten sich, sich ihm zu nahen (vgl. 2. Mose 34,30). Mose bemerkte zwar, dass sie bestürzt und entsetzt waren, kannte aber nicht den Grund dafür und forderte sie auf, näher zu kommen. Er hielt ihnen den Beweis ihrer Versöhnung mit Gott hin und versicherte ihnen, dass sie wieder in Gnaden angenommen seien. Aus seiner Stimme und durch seine Worte vernahmen sie nur Liebe und inständiges Flehen. Schließlich wagte es einer, nahe heranzukommen. Zu ehrfurchtsvoll, um sprechen zu können, wies er schweigend auf Moses Angesicht und dann zum Himmel. Da verstand der große Führer die Bedeutung der Geste. Im Bewusstsein ihrer Schuld fühlten sich die Israeliten noch immer unter dem göttlichen Missfallen und konnten das himmlische Licht nicht ertragen. Wären sie Gott gehorsam geblieben, hätte es sie mit Freude erfüllt. Schuld bringt Angst mit sich. Ein Mensch, der von der Sünde frei geworden ist, wird sich nicht vor dem himmlischen Licht verbergen wollen. WABT 306 2 Mose hatte ihnen viel mitzuteilen. Da sie ihm in ihrer Angst Leid taten, bedeckte er sein Gesicht mit einem Schleier. Das machte er fortan immer, wenn er aus der Gemeinschaft mit Gott zum Lager zurückkam. WABT 306 3 Mit diesem Glanz wollte Gott den Israeliten die Heiligkeit und Erhabenheit seines Gesetzes und die Herrlichkeit des Evangeliums einprägen, das einst durch Christus offenbart werden sollte. Während Mose auf dem Berg weilte, gab ihm Gott nicht nur die Gesetzestafeln, sondern machte ihn auch mit dem Erlösungsplan bekannt. Mose sah, dass alle Opfer und Sinnbilder des alttestamentlichen Zeitalters auf das Opfer des Sohnes Gottes hinwiesen. Es war sowohl das himmlische Licht, das von Golgatha ausging, als auch die Herrlichkeit des göttlichen Gesetzes, die seinem Gesicht solch einen Glanz verliehen. Dieser göttliche Schein versinnbildlichte die Herrlichkeit der Vergebung, deren sichtbarer Vermittler Mose war - ein Abbild des einen wahren Fürsprechers. WABT 307 1 Der Glanz, der sich in Moses Angesicht widerspiegelte, veranschaulicht auch den Segen, den Gottes Volk, das heutzutage seine Gebote hält, durch das Mittleramt von Christus erhalten soll. Er bezeugt, dass wir umso mehr in das Bild Gottes verwandelt werden, je enger unsere Gemeinschaft mit Gott und je klarer unsere Erkenntnis über seine Gebote ist. Umso leichter werden wir "Teilhaber der göttlichen Natur" (2. Petrus 1,4c Elb.). WABT 307 2 Mose war ein Typus von Christus, ein vorausweisendes Abbild von ihm. Als Israels Fürsprecher verhüllte er das Gesicht, weil das Volk seinen Glanz nicht ertragen konnte. So verhüllte Christus, der göttliche Mittler und Fürsprecher, seine Gottheit in der menschlichen Natur, als er auf diese Erde kam. Wäre er von der Helligkeit des Himmels umgeben gewesen, hätte er bei den Menschen in ihrem sündhaften Zustand keinen Zugang gefunden, denn sie hätten die Herrlichkeit seiner Gegenwart nicht ausgehalten. Darum erniedrigte er sich und kam "in der Gestalt des sündigen Fleisches" (Römer 8,3), um die gefallene Menschheit erreichen zu können und sie zu erhöhen. ------------------------Kapitel 29 - Satans Feindschaft Gegen Gottes Gesetz WABT 308 1 Der allererste Versuch Satans bei den sündlosen Bewohnern des Himmels, Gottes Gesetz außer Kraft zu setzen, schien eine Zeitlang Erfolg zu haben. Er konnte eine große Anzahl der Engel verführen. Doch sein anscheinender Triumph endete in einer Niederlage und einem großen Verlust: Satan und seine Engel wurden von Gott getrennt und aus dem Himmel verbannt. WABT 308 2 Als der Konflikt dann auf der Erde neu entflammte, gewann Satan scheinbar wieder die Oberhand. Indem der Mensch Gottes Gebot übertrat, wurde er zum Gefangenen Satans, und sein Herrschaftsbereich fiel dem Erzrebellen in die Hände. Nun schien Satan freie Bahn zu haben, um ein unabhängiges Reich aufzurichten und der Autorität Gottes und des Gottessohnes die Stirn zu bieten. Aber der Erlösungsplan ermöglichte es, dass der Mensch erneut zur Harmonie mit Gott zurückfinden und dessen Gesetz gehorchen konnte, damit Mensch und Schöpfung schließlich für immer aus der Gewalt Satans befreit werden. WABT 308 3 Damit war Satan abermals besiegt worden. Doch erneut gebrauchte er eine Täuschung und hoffte, dadurch seine Niederlage in einen Sieg verwandeln zu können. Um die abtrünnige Menschheit gegen Gott aufzuwiegeln, stellte er Gott als ungerecht hin, der es zugelassen habe, dass die Menschen sein Gesetz übertraten. Warum hatte Gott es überhaupt gestattet, dass der Mensch auf die Probe gestellt wurde, in Sünde fiel und Elend und Tod in die Welt kamen?, fragte der listige Versucher, wenn Gott doch genau wusste, welche Folgen das haben würde! Und die Nachkommen Adams liehen dem Verführer ihr Ohr und vergaßen Gottes langmütige Barmherzigkeit, die ihnen eine neue Chance eingeräumt hatte. Sie bedachten auch nicht das schreckliche Opfer, das ihre Rebellion den König des Himmels kostete, und begehrten gegen das einzige Wesen auf, das in der Lage war, sie aus der zerstörerischen Macht Satans zu befreien. WABT 308 4 Tausende wiederholen heute die gleichen aufrührerischen Anklagen gegen Gott. Sie erkennen Folgendes nicht: Entzöge man den Menschen die Willensfreiheit, würden sie ihres Vorrechts als vernunftbegabte Wesen beraubt. Sie würden zu bloßen Robotern verkommen! Gott hat nicht die Absicht, den menschlichen Willen zu brechen. Der Mensch wurde als freies sittliches Wesen geschaffen. Wie bei den Bewohnern aller anderen Welten musste sein Gehorsam einer Prüfung unterzogen werden. Aber er kommt nie in die Lage, dem Bösen gezwungenermaßen nachzugeben. Er darf keiner Versuchung oder Anfechtung ausgesetzt werden, der er nicht widerstehen könnte. Gott hat hinreichend Vorkehrungen getroffen, damit der Mensch in der Auseinandersetzung mit Satan zu keiner Zeit unterliegen muss. WABT 309 1 Als sich die Menschen auf der Erde vermehrten, schloss sich fast die gesamte Welt dem Aufruhr gegen Gott an. Erneut schien es, als habe Satan den Sieg errungen. Aber wiederum durchkreuzte der allmächtige Gott das Wirken der Bosheit. Durch die Sintflut reinigte er die Erde von ihrer sittlichen Verdorbenheit. WABT 309 2 Der Prophet Jesaja sagte: "Wenn deine Gerichte über die Erde gehen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit. Aber wenn dem Gottlosen Gnade widerfährt, so lernt er doch nicht Gerechtigkeit ... und sieht des Herrn Herrlichkeit nicht." (Jesaja 26,9.10) So geschah es nach der Sintflut. Kaum waren die Menschen von Gottes Strafgericht befreit, rebellierten sie erneut gegen ihn. Zweimal hatte die Welt bereits Gottes Bund und die Bundessatzungen - seine Gebote - verworfen. Sowohl die Menschen vor der Sintflut als auch Noahs Nachkommen lehnten Gottes Herrschaft ab. Die Verfolgung Der Israeliten WABT 309 3 Dann schloss Gott einen Bund mit Abraham und erwählte sich ein Volk, das der Hüter seines Gesetzes werden sollte. Sofort begann Satan, seine Fallstricke auszulegen, um auch dieses Volk zu verführen und zu vernichten. Er verleitete Jakobs Kinder dazu, Ehen mit Heiden zu schließen und deren Götzen anzubeten. Josef aber blieb Gott treu. Seine Treue war ein beständiges Zeugnis für den wahren Glauben. Um dieses leuchtende Beispiel zu ersticken, erregte Satan den Neid seiner Brüder und veranlasste sie, ihn als Sklaven in ein heidnisches Land zu verkaufen. Doch Gott beeinflusste die Ereignisse so, dass die Ägypter Gott kennenlernen konnten. Sowohl im Haus Potifars als auch im Gefängnis erhielt Josef eine Erziehung und Ausbildung, die ihn in Verbindung mit seiner Gottesverehrung auf die hohe Stellung als Premierminister der Nation vorbereitete. Vom Palast des Pharao aus machte sich sein Einfluss im ganzen Land bemerkbar, und die Gotteserkenntnis breitete sich überall aus. WABT 310 1 Die Israeliten selbst kamen in Ägypten zu Wohlstand, und diejenigen, die Gott treu blieben, übten einen weitreichenden Einfluss aus. Die heidnischen Priester packte Angst und Schrecken, als sie sahen, dass der neue Glaube unter der Bevölkerung Zustimmung fand. Beseelt von Satan und seiner Feindschaft gegen den Gott des Himmels machten sie sich daran, die neue Erkenntnis zu unterdrücken. Die Priester waren für die Erziehung des Thronerben verantwortlich. Mit ihrem entschiedenen Widerstand gegen Gott und ihrem Eifer für den Götzendienst prägten sie die Persönlichkeit des künftigen Monarchen. Das führte schließlich zur grausamen Unterdrückung der Israeliten. Satans Versuche, Gottes Absichten In Ägypten Zu Vereiteln WABT 310 2 Während der 40 Jahre nach Moses Flucht aus Ägypten schien sich der Götzendienst durchgesetzt zu haben. Jahr um Jahr verblasste die Hoffnung der Israeliten. Der ägyptische König und sein Volk sonnten sich in ihrer Macht und verhöhnten den Gott Israels. Diese Gesinnung verstärkte sich, bis sie schließlich ihren Höhepunkt in jenem Pharao erreichte, dem Mose als Führer der Israeliten mit einer Botschaft von "Jahwe, dem Gott Israels", gegenübertrat. Es war keine Unwissenheit über den wahren Gott, sondern die Verachtung von dessen Macht, die den Pharao zur Antwort veranlasste: "Wer ist der Herr, dass ich ihm gehorchen müsse? ... Ich weiß nichts von dem Herrn." (2. Mose 5,2) Der Widerstand des Pharao gegen Gottes Befehl war vom Anfang bis zum bitteren Ende keine Folge seiner Unwissenheit, sondern entsprang seinem Hass und seiner Auflehnung gegen Jahwe. WABT 310 3 Obwohl sich die Ägypter so lange vor der wahren Gotteserkenntnis verschlossen hatten, gewährte ihnen Gott noch immer eine Gelegenheit zur Reue und Umkehr. Zur Zeit Josefs war Ägypten ein Zufluchtsort für Israel gewesen. Durch die Wohltaten, die man dort seinem Volk erwies, war Gott geehrt worden. Auch jetzt gab der Eine, der "barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn" ist (2. Mose 34,6b Elb.), zwischen jedem Strafgericht genügend Zeit, damit es seine Wirkung entfalten konnte. Während der Plagen hatten die Ägypter ausgerechnet unter dem zu leiden, was sie angebetet hatten, und sie erhielten Beweise für die Macht Jahwes. Wer wollte, konnte sich ihm unterwerfen und seinen Gerichten entrinnen. Der blinde Eifer und die Halsstarrigkeit des Königs führten zu einer Verbreitung der wahren Gotteserkenntnis und veranlassten viele Ägypter, dem wahren Gott zu dienen. WABT 310 4 Weil die Nachkommen Israels dazu neigten, sich mit den Heiden zu verbinden und deren Götzendienst zu übernehmen, ließ Gott es zu, dass sie wegen der Hungersnot nach Ägypten zogen, wo Josefs Einfluss weithin spürbar war. Die Umstände waren dort günstig, dass sie als Volk abgesondert bleiben konnten. Dort sollte der abstoßende Götzendienst der Ägypter in den Israeliten Abscheu hervorrufen, genauso auch deren Grausamkeit und Unterdrückung während des letzten Abschnitts ihres Aufenthaltes dort. Es sollte sie dazu führen, beim Gott ihrer Väter Schutz und Zuflucht zu suchen. Aber gerade diese göttliche Vorsehung benutzte Satan für seine Zwecke: Er trübte ihren Verstand und verführte sie dazu, die Bräuche ihrer heidnischen Herren zu übernehmen. Wegen der abergläubischen Verehrung, die die Tiere in Ägypten genossen, durften die Israeliten während ihrer Versklavung keine Opfer darbringen. Dadurch wurden ihre Gedanken auch nie auf das große Opfer Gottes gerichtet. Ihr Glaube erlahmte. Als dann für Israel die Zeit der Befreiung kam, setzte Satan alles daran, Gottes Absicht zu durchkreuzen. Er war entschlossen, dieses große Volk mit über zwei Millionen Menschen in Unwissenheit und Aberglauben zu halten. Das Volk, dem Gott versprochen hatte, es zu segnen, zu vermehren und zu einer bedeutenden Größe auf Erden zu machen, durch das er seinen Willen offenbaren und das er zum Wächter über sein Gesetz berufen wollte - gerade dieses Volk versuchte Satan, in Finsternis und Sklaverei gefangen zu halten, damit in dessen Denken die Erinnerung an Gott ausgelöscht würde. WABT 311 1 Als die Wunder vor dem König geschahen, war Satan zur Stelle, um deren Wirkung zu vereiteln und den Pharao daran zu hindern, Gottes Oberhoheit anzuerkennen und seiner Anordnung, das Volk ziehen zu lassen, zu gehorchen. Satan unternahm alles in seiner Macht Stehende, um Gottes Wirken nachzuahmen und dessen Willen Widerstand zu leisten. Er erreichte damit aber nur, dass Gott seine Macht und Herrlichkeit noch deutlicher offenbaren konnte. Gott führte den Israeliten wie auch allen Ägyptern seine Existenz und die Überlegenheit des wahren und lebendigen Gottes noch deutlicher vor Augen. WABT 311 2 Gott befreite die Israeliten durch gewaltige Beweise seiner Macht und durch Gerichte über alle Götter Ägyptens. "So führte er sein Volk in Freuden heraus und seine Auserwählten mit Jubel ... damit sie seine Gebote hielten und seine Gesetze bewahrten." (Psalm 105,43.45) Er befreite sie aus ihrem Sklavenstand, um sie in ein gutes Land zu bringen - ein Land, das er ihnen in seiner Vorsehung als Zuflucht vor ihren Feinden bereitet hatte und in dem sie unter dem Schatten seiner Flügel (vgl. Psalm 17,8b) sicher wohnen konnten. Er wollte sie zu sich ziehen und ihnen unter seinen "ewigen Armen" Zuflucht gewähren (5. Mose 33,27a). Als Erwiderung für all seine Güte und Gnade verlangte er von ihnen, keine anderen Götter neben ihm - dem lebendigen Gott - zu haben. Sie sollten einzig und allein seinen Namen preisen und auf Erden verherrlichen. Satans Bemühungen Am Berg Sinai WABT 312 1 Während ihrer Zeit als Sklaven in Ägypten war bei vielen Israeliten das Wissen um Gottes Gesetz weitgehend in Vergessenheit geraten. Seine Vorschriften wurden mit heidnischen Bräuchen und Überlieferungen vermischt. Dann aber führte sie Gott zum Sinai, wo er ihnen sein Gesetz mit eigener Stimme verkündete. WABT 312 2 Satan und seine bösen Engel waren auf dem Plan. Noch während Gott dem Volk sein Gesetz offenbarte, schmiedete er den Plan, die Menschen zur Sünde zu verleiten. Im Angesicht des Himmels wollte er Gott das Volk, das dieser sich erwählt hatte, abspenstig machen. Wenn es ihm gelänge, es zum Götzendienst zu verführen, wäre alle Anbetung wertlos, denn wie kann der Mensch moralisch emporgehoben werden, wenn er das anbetet, was nicht höher ist als er selbst und was durch das Werk seiner eigenen Hände dargestellt wird? Wenn der Mensch für die Macht, Majestät und Herrlichkeit des unendlichen Gottes so blind gemacht wird, dass er ihn durch ein geschnitztes Bild darstellt - oder gar ein Tier oder ein Reptil -, wenn er sein eigenes Verhältnis zu Gott vergisst, zu dessen Bild er geschaffen worden ist, und dass er sich vor diesen abscheulichen und toten Gegenständen zur Anbetung niederwirft, dann ist der Weg zur unmoralischen Freizügigkeit geöffnet, und die bösen Leidenschaften nehmen ihren freien Lauf. Satan kann dann seinen beherrschenden Einfluss völlig ausüben! WABT 312 3 Bereits am Fuß des Berges Sinai fing er an, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen und Gottes Gesetz umzustoßen. Damit setzte er das Werk fort, das er im Himmel begonnen hatte. In den 40 Tagen, als Mose auf dem Berg bei Gott war, war Satan eifrig damit beschäftigt, Zweifel zu säen sowie Abfall und Aufruhr zu schüren. Und noch während Gott sein Gesetz niederschrieb, um es der gewissenhaften Obhut seines Bundesvolkes anzuvertrauen, versagten die Israeliten Jahwe die Treue und forderten Götter aus Gold! Als Mose aus der Ehrfurcht gebietenden Gegenwart der Herrlichkeit Gottes kam und mit den Geboten auf den Tafeln vor das Volk trat - zu deren Einhaltung sie sich vorher selbst verpflichtet hatten -, waren sie dabei, sich in offener Missachtung dieses Gesetzes vor einem goldenen Götterbild niederzuwerfen und es anzubeten. WABT 312 4 Als Satan die Israeliten zu dieser vermessenen Beleidigung und Lästerung Jahwes verführte, wollte er sie in den Untergang treiben. Er glaubte, dass sich Gott von ihnen trennen und sie vernichten werde, weil sie sich als völlig verdorben erwiesen hatten. Sie hatten jeglichen Gedanken an die Vorrechte und Segnungen, die Gott ihnen gewährt hatte, und an ihre wiederholten Treueschwüre verloren. Auf diese Weise wäre der Untergang der Nachkommenschaft Abrahams besiegelt worden. Diese sollte das Wissen über den lebendigen Gott bewahren und den wahren Nachkommen hervorbringen (vgl. Galater 3,16), der einst Satan besiegen sollte. WABT 313 1 Der große Rebell hatte geplant, Israel zu vernichten und alle Absichten Gottes zu durchkreuzen. Doch wieder musste er eine Niederlage hinnehmen. So sündig die Israeliten auch waren - sie wurden dennoch nicht ausgerottet. Zwar wurden alle vernichtet, die sich starrköpfig auf Satans Seite gestellt hatten, aber allen, die demütig ihre Sünde bereuten, wurde aus Gnade Vergebung zuteil. Die Schilderung dieses Vergehens sollte allen folgenden Geschlechtern ein Zeugnis für die Schwere und die Bestrafung des Götzendienstes und für die Gerechtigkeit und langmütige Barmherzigkeit Gottes sein. WABT 313 2 Das ganze Universum war Zeuge der Ereignisse am Sinai. An ihren Auswirkungen sah man deutlich den Gegensatz zwischen der Herrschaft Gottes und der Regierung Satans. Erneut zeigten sich für die sündlosen Bewohner anderer Welten die Folgen von Satans Abfall und die Art der Regierung, die er im Himmel errichtet hätte, wenn es ihm gestattet worden wäre. Satans Kampf Gegen Die Zehn Gebote WABT 313 3 Als Satan die Menschen veranlasste, das zweite Gebot zu übertreten, zielte er darauf ab, ihre Vorstellungen vom Wesen Gottes zu verwirren. Wenn sie das vierte Gebot beiseiteließen, könnte er sie dazu bringen, Gott völlig zu vergessen. Gottes Forderung, außer ihm keine der heidnischen Gottheiten zu verehren und anzubeten, gründet sich auf die Tatsache, dass er der Schöpfer ist und alle anderen Wesen ihm das Dasein verdanken. So stellt es die Bibel dar. Der Prophet Jeremia verkündete: "Der Herr ist der wahrhaftige Gott, der lebendige Gott, der ewige König ... Die Götter, die Himmel und Erde nicht gemacht haben, müssen vertilgt werden von der Erde und unter dem Himmel. Er aber hat die Erde durch seine Kraft gemacht und den Erdkreis bereitet durch seine Weisheit und den Himmel ausgebreitet durch seinen Verstand. ... Alle Menschen aber sind Toren mit ihrer Kunst, und alle Goldschmiede stehen beschämt da mit ihren Bildern; denn ihre Götzen sind Trug und haben kein Leben, sie sind nichts, ein Spottgebilde; sie müssen zugrunde gehen, wenn sie heimgesucht werden. Aber so ist der nicht, der Jakobs Reichtum ist; sondern er ist's, der alles geschaffen hat." (Jeremia 10,10-12.14-16) Der Sabbat ist das Denkmal, das an Gottes Schöpfermacht erinnert. Er weist auf den hin, der "Himmel und Erde gemacht" hat (2. Mose 20,11a). Deshalb ist der Sabbat ein unveränderliches Zeugnis für die Existenz Gottes, das an seine Größe, Weisheit und Liebe erinnert. Wäre der Sabbat immer als heiliger Tag begangen worden, hätte es niemals Gottesleugner oder Götzendiener gegeben. WABT 314 1 Der Sabbat wurde schon im Garten Eden eingesetzt (vgl. 1. Mose 2,2.3) und ist daher so alt wie die Welt selbst. Seit der Schöpfung wurde er von allen Patriarchen heilig gehalten. Aber während ihres Sklavendaseins in Ägypten wurden die Israeliten von den Aufsehern gezwungen, ihn zu übertreten. Sie verloren zum großen Teil das Wissen um seine Heiligkeit. Als Gott das Gesetz am Sinai verkündete, lauteten die ersten Worte des vierten Gebotes: "Denke an den Sabbattag, um ihn heilig zu halten" (2. Mose 20,8 Elb.). Sie zeigen, dass der Sabbat nicht erst damals eingesetzt wurde. Bezüglich seines Ursprungs werden wir auf die Schöpfung verwiesen. Um Gott aus dem Gedächtnis der Menschen zu löschen, beabsichtigte Satan, dieses große Erinnerungszeichen niederzureißen. Könnten die Menschen erst einmal dahingehend beeinflusst werden, ihren Schöpfer zu vergessen, würden sie keine Kraft mehr aufwenden, um der Macht des Bösen zu widerstehen. Sie wären eine sichere Beute Satans. WABT 314 2 Sein Hass gegen Gottes Gesetz trieb Satan an, jedes einzelne der Zehn Gebote zu bekämpfen. Mit dem höchsten Grundsatz, Gott, den Vater aller, zu lieben und ihm treu zu sein (vgl. 5. Mose 6,5), ist die Forderung eng verbunden, die Eltern zu lieben und ihnen zu gehorchen. Die Missachtung der elterlichen Autorität führt bald dazu, die Autorität Gottes zu leugnen. Von daher verstehen sich die Bemühungen Satans, die Verpflichtung des fünften Gebotes zu lockern. Heidnische Völker beachteten diesen Grundsatz nur selten. Bei vielen Völkern wurden die Eltern im Stich gelassen oder gar umgebracht, sobald sie aus Altersgründen nicht länger für sich sorgen konnten. In der Familie genoss die Mutter wenig Achtung, und beim Tod ihres Mannes musste sie sich dem Willen des ältesten Sohnes fügen. Mose dagegen bekräftigte die Gehorsamspflicht der Kinder. Als sich aber die Israeliten von Gott entfernten, begannen sie, neben anderen auch das fünfte Gebot zu missachten. WABT 314 3 Satan war "ein Mörder von Anfang" an (Johannes 8,44). Sobald er Macht über die Menschheit gewonnen hatte, trieb er sie nicht nur dazu, sich gegenseitig zu hassen und umzubringen, sondern machte, um sich der Autorität Gottes noch dreister zu widersetzen, die Übertretung des sechsten Gebotes zu einem Bestandteil ihrer Religion. WABT 314 4 Abartige Vorstellungen von Gottes Eigenschaften verführten Heidenvölker zum Glauben, dass Menschenopfer notwendig seien, um die Gunst ihrer Götter zu gewinnen. Unter den verschiedenen Formen des Götzendienstes wurden die scheußlichsten Grausamkeiten verübt. Dazu gehörte auch die Praxis, seine Kinder vor den Götzenbildern durchs Feuer laufen zu lassen. Wenn jemand unversehrt aus diesem Gottesurteil herauskam, meinten die Heiden, ihre Opfer seien angenommen worden. Der Überlebende wurde als erwählter Günstling der Götter angesehen und mit besonderen Wohltaten überhäuft. Er war lebenslang hochgeschätzt. Mochte er auch noch so schwere Verbrechen begehen, er wurde niemals bestraft. Sollte aber jemand beim Gang durchs Feuer Verbrennungen davongetragen haben, war sein Schicksal besiegelt. Man glaubte, den Zorn der Götter nur dadurch besänftigen zu können, dass man diesen Menschen tötete. Er wurde daher der Gottheit als Opfer dargebracht. In Zeiten des allgemeinen Abfalls kamen solche Gräueltaten hin und wieder auch bei den Israeliten vor (vgl. 2. Könige 16,3; 17,17; 21,6). WABT 315 1 Auch das siebte Gebot wurde schon früh im Namen der Religion übertreten. Die zügellosesten und abscheulichsten Bräuche zählten zu den Zeremonien der heidnischen Götterverehrung. Die Götter selbst wurden als unmoralische Wesen dargestellt, und ihre Verehrer ließen sich von den niederen Leidenschaften beherrschen. Unnatürliche Laster waren an der Tagesordnung. Die religiösen Feste waren nichts anderes als allgemein und öffentlich verübte Unmoral. WABT 315 2 Schon sehr früh kam die Vielweiberei auf. Sie gehörte zu den Sünden, die den Zorn Gottes über die vorsintflutliche Welt hereinbrechen ließen. Doch auch nach der Sintflut hat sie sich wieder ausgebreitet. Es war Satans wohlüberlegter Plan, die Einrichtung der Ehe zu zerstören, ihre lebenslange Verbindlichkeit aufzulösen und ihre Heiligkeit herabzuwürdigen, denn dies war der sicherste Weg, das Bild Gottes im Menschen zu entstellen und dem Laster und Elend Tür und Tor zu öffnen. WABT 315 3 Seit Beginn der großen Auseinandersetzung war es Satans Absicht, Gottes Charakter falsch darzustellen und zur Rebellion gegen dessen Gesetz anzustiften. Damit scheint er Erfolg gehabt zu haben. Die Massen fallen auf Satans Schwindel herein und lehnen sich gegen Gott auf. Doch inmitten des Wirkens Satans verfolgt Gott beständig seine Ziele, bis sie erfüllt sind. Allen intelligenten Geschöpfen offenbart er seine Gerechtigkeit und Güte. Durch Satans Versuchungen sind aus der gesamten Menschheit Übertreter des Gesetzes Gottes geworden. Aber das Opfer, das Jesus Christus darbrachte, hat ihnen wieder einen Weg gebahnt, auf dem sie zu Gott zurückkehren können. Die Gnade in Christus versetzt sie wieder in die Lage, dem Gesetz des Vaters gehorsam zu sein. So sammelt sich Gott zu allen Zeiten inmitten von Aufstand und Abfall ein Volk, das ihm treu und in "dessen Herzen [s]ein Gesetz" ist (Jesaja 51,7). WABT 316 1 Durch Betrug verführte Satan die Engel. So ist er auch in all den Jahrhunderten unter den Menschen vorgegangen. Er wird diese Methode bis zuletzt anwenden. Gäbe er offen zu erkennen, dass er gegen Gott und sein Gesetz streitet, würden sich die Menschen vor ihm in Acht nehmen. Aber er verstellt sich und vermengt Wahrheit mit Irrtum. Die gefährlichsten Lügen sind jene, die mit Wahrheit vermischt sind. Auf diese Weise lassen sich die Menschen von Irrtümern gefangen nehmen und zugrunde richten. Mit solchen Methoden zieht Satan die Welt auf seine Seite. Aber es kommt der Tag, an dem sein Triumph für immer ein Ende hat. WABT 316 2 Wie Gott mit dieser Rebellion umgeht, wird schließlich Satans Wirken, das er so lange aus seiner Deckung heraus betrieben hat, völlig entlarven. Die Folgen seiner Herrschaft und die Früchte, die die Missachtung der Gebote Gottes hervorgebracht hat, werden allen vernunftbegabten Geschöpfen offenliegen. Gottes Gesetz wird seine volle Rechtfertigung erfahren. Dann wird sich zeigen, dass Gottes ganzes Handeln nur dem ewigen Wohl seines Volkes und dem Wohl aller Welten, die er geschaffen hat, diente. Satan selbst wird vor dem ganzen Universum anerkennen müssen, dass Gottes Herrschaft gerecht und sein Gesetz recht und gut ist. Satans Macht - Nicht Für Alle Ewigkeit WABT 316 3 Die Zeit ist nicht mehr fern, wenn Gott eingreifen wird, um seine Autorität, die in den Schmutz gezogen worden ist, zu rechtfertigen. "Der Herr wird ausgehen von seinem Ort, heimzusuchen die Bosheit der Bewohner der Erde." (Jesaja 26,21) "Wer wird aber den Tag seines Kommens ertragen können und wer wird bestehen, wenn er erscheint?" (Maleachi 3,2) Weil die Israeliten in Sünde verstrickt waren, durften sie nicht bis an den Berg kommen. Sonst wären sie, als sich Gott darauf niederließ, um ihnen sein Gesetz mitzuteilen, durch die verzehrende Herrlichkeit seiner Gegenwart umgekommen. Eine derart gewaltige Bekundung seiner Macht fand an dem Ort statt, den Gott für die Bekanntgabe seines Gesetzes auserkoren hatte. Wie schrecklich und furchtbar muss erst sein Gericht ausfallen, wenn er kommt, um seine heiligen Gebote durchzusetzen! Wie werden alle, die seine Autorität mit Füßen getreten haben, am großen Tag des Endgerichts seine Majestät ertragen? Die Schrecken vom Sinai sollten den Israeliten vor Augen führen, wie es am Tag des Gerichts sein wird. Der Schall eines Widderhorns forderte Israel auf, Gott zu begegnen. Die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes werden die Lebendigen und die Toten der ganzen Welt vor ihren Richter laden. Der Vater und der Sohn waren mit vielen Engeln auf dem Berg gegenwärtig. Am großen Gerichtstag wird Christus "in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln" (Matthäus 16,27) kommen. "Dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden." (Matthäus 25,31.32) WABT 317 1 Als sich Gottes Gegenwart auf dem Sinai offenbarte, erschien die Herrlichkeit des Herrn vor den Augen ganz Israels wie ein verzehrendes Feuer. Wenn aber Christus mit seinen heiligen Engeln in Herrlichkeit erscheint, wird die ganze Erde vom schrecklichen Glanz seiner Gegenwart in ein loderndes Licht getaucht. "Unser Gott kommt, und er wird nicht schweigen; Feuer frisst sich vor ihm her, und rings um ihn stürmt es gewaltig. Er ruft dem Himmel droben und der Erde zu, um sein Volk zu richten." (Psalm 50,3.4 Elb.) Ein feuriger Lichtstrahl wird von ihm ausgehen. Von dessen glühender Hitze werden die Elemente schmelzen, auch die Erde. Und die Werke, die darauf sind, werden vom Feuer verzehrt werden. "Denn es ist gerecht bei Gott, mit Bedrängnis zu vergelten denen, die euch bedrängen, euch aber, die ihr Bedrängnis leidet, Ruhe zu geben mit uns, wenn der Herr Jesus sich offenbaren wird vom Himmel her mit den Engeln seiner Macht in Feuerflammen, Vergeltung zu üben an denen, die Gott nicht kennen und die nicht gehorsam sind dem Evangelium unseres Herrn Jesus." (2. Thessa- lonicher 1,6-8) WABT 317 2 Seit der Erschaffung des Menschen hatte es keine solche Offenbarung göttlicher Macht gegeben wie bei der Verkündigung des Gesetzes am Sinai. "Da bebte die Erde, und vom Himmel strömte Regen, vor dir, dem Gott des Sinai, vor Gott, dem Gott Israels." (Psalm 68,9 NLB) Mitten unter den Schrecken erregenden Erschütterungen der Natur war die Stimme Gottes einer Posaune gleich aus der Wolke zu hören. Der Berg erbebte vom Fuß bis zum Gipfel (vgl. 2. Mose 19,18). Die Israeliten aber lagen bleich und zitternd vor Angst mit ihren Gesichtern auf dem Boden. Dieser Gott, dessen Stimme die Erde damals erbeben ließ, hat gesagt: "Noch einmal will ich erschüttern nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel." (Hebräer 12,26) Die Schrift sagt: "Der Herr wird brüllen aus der Höhe und seinen Donner hören lassen aus seiner heiligen Wohnung" (Jeremia 25,30), "dass Himmel und Erde erbeben werden" (Joel 4,16). An jenem kommenden großen Tag wird der Himmel entweichen, "wie eine Schriftrolle, die zusammengerollt wird" (Offenbarung 6,14). Jeder Berg und jede Insel wird aus den Angeln gehoben werden. "Die Erde wird taumeln wie ein Trunkener und wird hin- und hergeworfen wie eine schwankende Hütte; denn ihre Missetat drückt sie, dass sie fallen muss und nicht wieder aufstehen kann." (Jesaja 24,20) WABT 318 1 "Darum werden alle Hände schlaff" (Jesaja 13,7) und "alle Angesichter so bleich" (Jeremia 30,6) sein. "Aller Menschen Herz wird feige sein. Schrecken, Angst und Schmerzen wird sie ankommen." (Jesaja 13,7.8) "Ich will den Erdkreis heimsuchen um seiner Bosheit willen", sagt der Herr, "und die Gottlosen um ihrer Missetat willen und will dem Hochmut der Stolzen ein Ende machen und die Hoffart der Gewaltigen demütigen." (Jesaja 13,11) WABT 318 2 Nach 40 Tagen verließ Mose Gottes Gegenwart auf dem Berg, wo er die Gesetzestafeln erhalten hatte. Als er ins Lager zurückkehrte, konnte das schuldig gewordene Israel den Glanz nicht ertragen, der sein Angesicht verklärte. Wie viel weniger können die Übertreter des Gesetzes auf den Sohn Gottes schauen, wenn er mit den himmlischen Engelscharen in der Herrlichkeit seines Vaters erscheinen wird! Dann wird er das Gericht an allen vollstrecken, die sein Gesetz übertreten und sein Sühnopfer verworfen haben. Diejenigen, die Gottes Gesetz missachteten und das Blut seines Sohnes mit Füßen traten, vor allem "die Könige auf Erden und die Großen und die Obersten und die Reichen und die Gewaltigen", werden "sich in den Klüften und Felsen der Berge" verstecken und sagen "zu den Bergen und Felsen: Fallt über uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes! Denn es ist gekommen der große Tag ihres Zorns, und wer kann bestehen?" (Offenbarung 6,15-17) "An jenem Tag wird jedermann wegwerfen seine silbernen und goldenen Götzen ... zu den Maulwürfen und Fledermäusen, damit er sich verkriechen kann in die Felsspalten und Steinklüfte vor dem Schrecken des Herrn und vor seiner herrlichen Majestät, wenn er sich aufmachen wird, zu schrecken die Erde." (Jesaja 2,20.21) WABT 318 3 Dann wird sich zeigen, dass Satans Aufstand gegen Gott zu seinem eigenen Untergang geführt hat - auch zur Vernichtung aller, die sich dafür entschieden hatten, sich ihm zu unterstellen. Er hatte behauptet, die Übertretung der Gebote werde viele Vorteile bringen. Dann wird klar werden: "Der Lohn der Sünde ist der Tod" (Römer 6,23 Elb.). "Denn siehe, es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen. Da werden alle Verächter und Gottlosen Stroh sein, und der kommende Tag wird sie anzünden, spricht der Herr Zebaoth, und er wird ihnen weder Wurzel noch Zweig lassen." (Maleachi 3,19) Satan, die Wurzel jeder Sünde, und alle Übeltäter, die seine Zweige darstellen, werden völlig vernichtet werden. Gott wird der Sünde ein Ende bereiten und damit auch allem Leid und aller Zerstörung, die sie mit sich gebracht hat. Der Psalmist sagt: Du "bringst die Gottlosen um; ihren Namen vertilgst du auf immer und ewig. Der Feind ist vernichtet, zertrümmert für immer" (Psalm 9,6.7). Gericht Über Sünde Und Sünder WABT 319 1 Aber mitten im Sturm des göttlichen Gerichts brauchen sich Gottes Kinder nicht zu fürchten, denn "seinem Volk wird der Herr eine Zuflucht sein und eine Burg den Israeliten" (Joel 4,16). Der Tag, der den Übertretern seines Gesetzes Schrecken und Vernichtung bringen wird, ist für alle, die es befolgt haben, ein Tag "unaussprechlicher und herrlicher Freude" (1. Petrus 1,8). "Versammelt mir meine Heiligen", spricht der Herr, "die den Bund mit mir schlossen beim Opfer. Und die Himmel werden seine Gerechtigkeit verkünden; denn Gott selbst ist Richter." (Psalm 50,5.6) WABT 319 2 "Ihr werdet am Ende doch sehen, was für ein Unterschied ist zwischen dem Gerechten und dem Gottlosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient." (Maleachi 3,18) "Hört mir zu, die ihr die Gerechtigkeit kennt, du Volk, in dessen Herzen mein Gesetz ist!" (Jesaja 51,7) "Siehe, ich nehme den Taumelkelch aus deiner Hand ... Du sollst ihn nicht mehr trinken." (Jesaja 51,22) "Ich, ich bin euer Tröster!" (Jesaja 51,12) "Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer." (Jesaja 54,10) WABT 319 3 Der großartige Erlösungsplan endet damit, dass die Welt wieder voll und ganz in Gottes Gunst steht. Alles, was durch die Sünde verloren ging, ist wiederhergestellt. Nicht nur der Mensch, sondern die ganze Erde ist erlöst. In alle Ewigkeit werden diejenigen darauf wohnen, die Gott gehorsam waren. 6000 Jahre19 lang hat Satan gekämpft, um die Welt in seinem Besitz zu halten. Nun ist endlich Gottes ursprüngliche Absicht, die er mit ihrer Erschaffung im Sinn hatte, verwirklicht. "Aber die Heiligen des Höchsten werden das Reich empfangen und werden es immer und ewig besitzen." (Daniel 7,18) WABT 319 4 "Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobt der Name des Herrn!" (Psalm 113,3) "Der Herr wird König sein über alle Lande. Zu der Zeit wird der Herr der einzige sein und sein Name der einzige." (Sacharja 14,9) Die Schrift sagt: "Herr, dein Wort bleibt ewiglich, so weit der Himmel reicht." (Psalm 119,89) "Alle seine Ordnungen sind beständig. Sie stehen fest für immer und ewig." (Psalm 111,7.8) Die heiligen Gebote, die Satan hasste und beseitigen wollte, werden in einem sündlosen Universum hoch in Ehren gehalten werden. "Denn gleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Same im Garten aufgeht, so lässt Gott der Herr Gerechtigkeit aufgehen und Ruhm vor allen Heidenvölkern." (Jesaja 61,11) ------------------------Kapitel 30 - Das Heiligtum Und Sein Dienst WABT 322 0 2. Mose 25 bis 30, 35 bis 40; 3. Mose 4 und 16. WABT 322 1 Als Mose auf dem Berg war, erhielt er von Gott den Auftrag: "Sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich unter ihnen wohne" (2. Mose 25,8). Dazu wurden ihm ausführliche Anweisungen für dessen Bau erteilt. Wegen ihres Abfalls hatten die Israeliten den Segen der göttlichen Gegenwart verloren, und das machte eine Zeit lang die Errichtung eines Heiligtums in ihrer Mitte unmöglich. Aber nachdem Gott sie in Gnaden wieder angenommen hatte, machte sich Mose daran, Gottes Befehl auszuführen. WABT 322 2 Für die Errichtung dieses Heiligtums stattete Gott ausgewählte Männer mit besonderem Geschick und großer Weisheit aus. Gott selbst übergab Mose den Bauplan mit genauen Anweisungen in Bezug auf Größe und Form, die zu benutzenden Materialien und alle Einrichtungsgegenstände, die sich darin befinden sollten. Die von Menschenhand angefertigte heilige Stätte sollte "ein Abbild des wahren Heiligtums" sein, "Abbilder der himmlischen Dinge" (Hebräer 9,24.23) - gleichsam eine verkleinerte Darstellung des himmlischen Tempels, in dem Christus als unser großer Hoherpriester für die Sünder eintritt, nachdem er sein Leben als Opfer dargebracht hat. Auf dem Berg eröffnete Gott Mose einen Blick auf das himmlische Heiligtum und befahl ihm, alles nach dem Muster anzufertigen, das ihm gezeigt worden war. Mose schrieb alle diese Anweisungen sorgfältig auf und gab sie an die Obersten des Volkes weiter. Die Freiwilligen Gaben Des Volkes WABT 322 3 Für diese Arbeit waren umfangreiche Vorbereitungen zu treffen. Eine große Menge sehr wertvollen, kostbaren Materials wurde benötigt, aber Gott wollte nur freiwillige Gaben annehmen. "Sie sollen mir eine freiwillige Abgabe leisten. Jeder, der etwas geben möchte, soll es herbringen", lautete der göttliche Befehl, den Mose dem Volk vorlegte (2. Mose 25,2 GNB, vgl. 35,4.5). Hingabe an Gott und Opfersinn waren die ersten Erfordernisse für die Errichtung eines Wohnplatzes des Allerhöchsten. WABT 323 1 Das Volk reagierte darauf einmütig. "Alle, die freiwillig etwas geben wollten, kamen wieder und brachten dem Herrn eine Gabe für das Zelt Gottes, für den Priesterdienst und für die heiligen Gewänder. Sowohl Männer als auch Frauen kamen, alle, die aus freien Stücken etwas gaben: Sie brachten dem Herrn Spangen, Ohrringe, Fingerringe und Halsketten. Goldene Gegenstände aller Art brachten sie als Weihegaben zum Herrn. Und jeder, der violettes, purpur- und karmesinfarbenes Garn, feines Leinen, Ziegenhaar, rot gefärbte Widderfelle oder Tachasch-Haut besaß, brachte es her. Jeder, der Silber oder Bronze oder Akazienholz besaß, gab es her. Alle Frauen, die gute Spinnerinnen waren, spannen violettes, purpur- und karmesinfarbenes Garn und feines Leinen und brachten es herbei. Alle Frauen, die dazu begabt waren, spannen das Ziegenhaar. Die Stammesfürsten spendeten Onyx-Steine und andere Edelsteine für den Priesterschurz und die Brusttasche. Sie spendeten auch Gewürze und Öl für die Lampen, für das Salböl und für das wohlriechende Weihrauchgemisch" (2. Mose 35,21-28 NLB). WABT 323 2 Während das Heiligtum im Bau war, brachte das Volk - Alt und Jung, Männer, Frauen und Kinder - auch weiterhin seine Opfergaben, bis die Verantwortlichen befanden, dass genug vorhanden war, ja sogar mehr, als sie benötigten. Deshalb ließ Mose im ganzen Lager ausrufen: "Niemand, weder Mann noch Frau, soll hinfort noch etwas bringen als Opfergabe für das Heiligtum. Da brachte das Volk nichts mehr" (2. Mose 36,6). WABT 323 3 Das Murren und die Unzufriedenheit der Israeliten sowie Gottes Strafgerichte, die sie wegen ihrer Sünden heimsuchten, sind als Warnung für spätere Generationen überliefert worden. Aber ihre Hingabe, ihr Eifer und ihre Freigebigkeit sind ein nachahmenswertes Beispiel. Wer Gott gern anbetet und den Segen seiner Gegenwart schätzt, wird den gleichen Opfergeist an den Tag legen, um ein Haus zu errichten, in dem ihnen Gott begegnen kann. Sie sind vom Wunsch erfüllt, dem Herrn gerade das Beste von dem zu bringen, was sie besitzen. Auf einem Gotteshaus sollten keine Schulden liegen, denn damit wird der Herr entehrt. Freiwillig sollte man einen ausreichenden Betrag zur Vollendung des Bauwerks geben, damit die Arbeiter - wie einst die Erbauer des Heiligtums - sagen können: Ihr braucht keine Gaben mehr zu bringen. Entwurf Und Einrichtung Des Heiligtums WABT 323 4 Das Heiligtum war so gebaut, dass es zerlegbar war und die Israeliten es auf ihren Wanderzügen mitführen konnten. Es war deshalb klein, nur 15 Meter lang und jeweils 5 Meter breit und hoch. Dennoch sah es prachtvoll aus. Das Holz für die Wände und die Einrichtung stammte von der Akazie, weil es gegen Fäulnis weniger anfällig war als alles andere, was am Sinai zur Verfügung stand. Die Wände bestanden aus aufgerichteten Brettern auf silbernen Sockeln, die von Pfeilern und Querbalken festgehalten wurden. Alles war mit Gold überzogen, sodass es wie aus massivem Gold aussah. Das Dach bestand aus vier Lagen von verschiedenen Zeltdecken. Die innerste sollte hergestellt sein "aus feinem Leinen und violettem [bzw. blauem], purpur- und karme- sinfarbenem Garn ... Die Bahnen sollen mit Cherub-Bildern verziert werden" (2. Mose 26,1 NLB). Die drei anderen Zeltdecken bestanden aus Ziegenhaar, rot gefärbten Widderfellen und Dachsfellen - so angeordnet, dass sie vollständigen Schutz boten. WABT 324 1 Ein kostbarer, schöner Vorhang teilte das Heiligtum in zwei Räume. Er hing an vergoldeten Säulen. Ein ähnlicher Vorhang schloss den Eingang zur ersten Abteilung. Wie die unterste Zeltdecke trugen auch diese in schöner Abstimmung die wunderbarsten Farben: violett, purpur- und scharlachrot. Aus Gold- und Silberfäden waren in beide Vorhänge Cherubim eingewoben, die die Engel darstellten, die mit dem Dienst im himmlischen Heiligtum zu tun haben und "dienstbare Geister" für Gottes Volk auf der Erde sind (Hebräer 1,14). WABT 324 2 Das heilige Zelt war ringsum von einem offenen Raum umschlossen, dem sogenannten Vorhof. Dieser wurde von Vorhängen aus feiner Leinwand abgegrenzt, die an Messingsäulen aufgehängt waren. Der Eingang lag an der Ostseite und war durch Vorhänge aus kostbarem und kunstvoll verarbeitetem Stoff verschlossen - allerdings von geringerem Wert als die beiden anderen am Heiligtum. Da die Vorhänge des Vorhofs nur etwa halb so hoch waren wie die Wände des Heiligtums, konnte man von draußen das heilige Zelt deutlich sehen. Nahe am Eingang stand der Brandopferaltar, der mit Bronzeblech überzogen war. Darauf wurden Gott alle Opfer dargebracht, die vom Feuer verzehrt werden sollten. Die Hörner des Altars an den vier Ecken wurden mit dem sühnenden Blut der Opfertiere besprengt. WABT 324 3 Zwischen dem Altar und dem Eingang zum Heiligtum befand sich das Waschbecken, ebenfalls aus Bronze gefertigt, und zwar aus den Bronzespiegeln, welche die israelitischen Frauen aus freien Stücken gespendet hatten. An diesem Becken mussten sich die Priester Hände und Füße waschen, sooft sie in die heiligen Räume hineingingen oder an den Altar traten, um dem Herrn Brandopfer darzubringen. WABT 324 4 In der ersten Abteilung des Zeltes, dem "Heiligen", standen der Tisch für die Schaubrote, der Leuchter und der Altar für die Räucheropfer (Hebräer 9,2). Der Schaubrottisch an der Nordseite besaß eine Leiste ringsherum und war mit reinem Gold überzogen. Jeden Sabbat mussten die Priester zwölf Brote darauf legen - in zwei Stapeln nebeneinander -, die mit Weihrauch besprengt wurden. Die Brote, die man entfernte, galten als heilig und mussten von Priestern gegessen werden. WABT 325 1 An der Südseite stand der siebenarmige Leuchter mit seinen sieben Lampen. Er bestand aus massivem Gold; seine Arme waren mit ausnehmend fein gearbeiteten Blumen geschmückt, die Lilien glichen. Da das Bundeszelt keine Fenster hatte, wurden nie alle Lampen gleichzeitig gelöscht, sodass der Leuchter Tag und Nacht Licht spendete. WABT 325 2 Der Räucheropferaltar stand dicht vor dem zweiten Vorhang, der das Heilige von der zweiten Abteilung, dem Allerheiligsten (Hebräer 9,3), und damit von der unmittelbaren Gegenwart Gottes trennte. Auf diesem Altar sollte der Priester jeden Morgen und jeden Abend Weihrauch verbrennen. Die Hörner des Altars wurden mit dem Blut des täglichen Sühnopfers bestrichen und am großen Versöhnungstag mit Blut besprengt (3. Mose 16,14). Das Feuer auf diesem Altar wurde von Gott selbst entzündet und als heilig angesehen. Ununterbrochen verbreitete der Weihrauch seinen Wohlgeruch in den heiligen Räumen und weit über das Heiligtum hinaus. WABT 325 3 Hinter dem zweiten Vorhang befand sich das Allerheiligste, der Mittelpunkt des symbolischen Sühnungs- und Mittlerdienstes, das als Bindeglied zwischen Himmel und Erde fungierte. Hier stand die Bundeslade, eine Truhe aus Akazienholz, die innen und außen mit Gold überzogen und oben mit einer goldenen Leiste verziert war. Sie diente als Aufbewahrungsort für die Steintafeln, auf die Gott selbst die Zehn Gebote geschrieben hatte. Sie wurde deshalb "Lade des Zeugnisses" (2. Mose 25,21.22 Elb.) oder "Lade des Bundes" genannt (4. Mose 10,33b), weil die Zehn Gebote die Grundlage des Bundes zwischen Gott und Israel bildeten. WABT 325 4 Die Deckplatte der heiligen Lade wurde "Gnadenthron" genannt (2. Mose 25,17a). Sie war aus einem einzigen massiven Stück Gold gearbeitet und wurde an beiden Enden von zwei goldenen Cherubim überragt. Ein Flügel jedes Engels war nach oben gerichtet, während der andere den Körper als Zeichen der Ehrfurcht und Demut umhüllte (vgl. mit Hesekiel 1,11). Die Haltung der Cherubim, die sich einander zuwandten und auf die Lade hinabschauten, zeigt die Ehrfurcht, mit der die himmlischen Heerscharen Gottes Gesetz betrachten. Sie verrät auch ihr Interesse am Erlösungsplan. WABT 325 5 Über dem Gnadenthron ruhte die "Schechina"20, das Zeichen der Gegenwart Gottes. Von hier, zwischen den Cherubim, verkündete Gott seinen Willen. Hin und wieder teilte eine Stimme aus der Wolke dem Hohenpriester Botschaften von Gott mit. Manchmal fiel ein Licht auf den Engel zur Rechten, um Gottes Billigung und Annahme anzuzeigen, oder ein Schatten ruhte auf dem Engel zur Linken, um Missfallen oder Ablehnung zu offenbaren. WABT 326 1 Das Gesetz Gottes, das in der Lade aufbewahrt wurde, war der zentrale Maßstab für Gerechtigkeit und Gericht. Dieses Gesetz verurteilte den Übertreter zum Tod, aber über dem Gesetz befand sich der Gnadenthron, auf dem sich Gottes Gegenwart offenbarte und von dem aus - aufgrund des Sühnopfers - der reumütige Sünder Vergebung erhielt. Auf diese Weise zeigen schon die symbolischen Gegenstände und Handlungen im Heiligtum, was für die Erlösung gilt, die Christus vollbracht hat: "Gnade und Wahrheit sind sich begegnet, Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküsst" (Psalm 85,11 Elb.). WABT 326 2 Keine Sprache kann die Herrlichkeit beschreiben, die im Heiligtum zu sehen war: die mit Gold überzogenen Wände, die das Licht des goldenen Leuchters widerspiegelten, die glänzenden Farbschattierungen der reich bestickten Vorhänge mit ihren strahlenden Engeln, der Tisch und der Räucheraltar, beide in funkelndem Gold. Hinter dem zweiten Vorhang stand die heilige Bundeslade mit ihren geheimnisvollen Cherubim. Und darüber schwebte die heilige Schechina, die sichtbare Bekundung der Gegenwart Jahwes. Aber dennoch war alles nur ein matter Abglanz der Herrlichkeit des Tempels Gottes im Himmel, des wahren Zentrums des Erlösungsdienstes für die Menschen. WABT 326 3 Der Bau des Heiligtums dauerte etwa ein halbes Jahr. Nach der Vollendung überprüfte Mose die geleistete Arbeit. Er verglich sie mit dem Muster, das ihm auf dem Berg gezeigt worden war, und den Anweisungen Gottes. "Nachdem Mose ihr Werk begutachtet hatte, segnete er sie, weil sie alles gemäß den Anweisungen des Herrn ausgeführt hatten." (2. Mose 39,43 NLB) Mit großem Interesse drängten sich die Israeliten um das heilige Bauwerk und bestaunten es. Während sie sich noch das Ganze mit ehrfürchtiger Genugtuung anschauten, schwebte die Wolkensäule über dem Heiligtum, ließ sich darauf nieder und hüllte es ein. "Und die Herrlichkeit des Herrn erfüllte die Wohnung." (2. Mose 40,34) Gott offenbarte seine Majestät. Eine Zeitlang konnte nicht einmal Mose eintreten. Tief bewegt sah das Volk darin ein Zeichen, dass Gott die Arbeit ihrer Hände angenommen hatte. Man hörte aber keine lauten Freudenausbrüche. Eine heilige Scheu lag über allen. Ihre Freude trieb ihnen die Tränen in die Augen, und leise dankten sie Gott, der sich herabgelassen hatte, bei ihnen zu wohnen. Die Diener Und Priester Am Heiligtum Und Ihre Kleidung WABT 327 1 Auf Gottes Anweisung wurde der Stamm Levi abgesondert, um am Heiligtum zu dienen. In frühester Zeit war der Mann Priester seiner Familie. In den Tagen Abrahams sah man das Priestertum als das ererbte Recht des ältesten Sohnes an. Jetzt setzte Gott anstelle der Erstgeborenen aus dem Volk Israel den Stamm Levi zum Dienst am Heiligtum ein. Mit dieser Ehre erkannte er an, dass ihm die Leviten treu geblieben und seine Gerichte vollstreckt hatten, als Israel mit der Anbetung des goldenen Kalbes von ihm abgefallen war. Das Priesteramt selbst blieb allerdings auf Aarons Familie beschränkt. Nur er und seine Söhne durften vor dem Herrn dienen. Die übrigen Leviten waren mit der Pflege des Heiligtums und dessen Einrichtungsgegenständen beauftragt und sollten den Priestern bei deren Dienst zur Seite stehen. Sie durften aber selbst weder opfern noch Weihrauch anzünden und die heiligen Gegenstände nur im bedeckten Zustand sehen. WABT 327 2 In Übereinstimmung mit ihrem Amt wurde den Priestern eine besondere Kleidung vorgeschrieben. "Du sollst Aaron, deinem Bruder, heilige Kleider machen, die herrlich und schön seien", lautete der göttliche Befehl an Mose (2. Mose 28,2). Das Gewand des gewöhnlichen Priesters war aus weißem Leinen und in einem Stück gewoben. Es reichte fast bis zu den Füßen und wurde um die Hüfte von einem violetten, purpurfarbenen und rot bestickten weißen Leinengürtel zusammengehalten. Eine hohe Mütze bzw. ein Turban aus Leinen ergänzte das äußere Gewand. WABT 327 3 Am brennenden Busch war Mose befohlen worden, seine Schuhe auszuziehen, weil der Boden, auf dem er stand, heilig war. Dementsprechend durften auch die Priester das Heiligtum nicht mit Schuhen betreten. Schmutz, der daran haften könnte, hätte den heiligen Ort entweiht. Deshalb mussten die Priester ihre Schuhe im Vorhof lassen. Bevor sie im Heiligtum oder am Brandopferaltar ihrem Dienst nachkamen, mussten sie außerdem Hände und Füße waschen. Dadurch wurde ihnen ständig klargemacht: Wer sich in Gottes Gegenwart begeben will, muss alle Unreinheit ablegen. WABT 327 4 Die Gewänder des Hohenpriesters waren aus kostbarem Stoff und kunstvoll ausgeführt, wie es seiner hohen Stellung entsprach. Über dem leinenen Gewand des gewöhnlichen Priesters trug er ein violettes Obergewand, das ebenfalls aus einem Stück gewebt war. Rund um den Saum war es abwechselnd mit goldenen Glöckchen und blauen, purpur- und scharlachfarbenen Granatäpfeln verziert. Darüber trug er einen Schurz aus goldener, blauer, purpurfarbener, scharlachroter und weißer Farbe. Ein schön gearbeiteter Gürtel aus demselben Stoff hielt ihn zusammen. Der Priesterschurz war ärmellos gearbeitet. Auf seinen beiden goldbestickten Schulterteilen waren zwei Onyxsteine mit den Namen der zwölf Stämme Israels eingearbeitet. WABT 328 1 Über dem Schurz befand sich die Brusttasche, das heiligste Stück der priesterlichen Kleidung. Sie bestand aus demselben Stoff wie der Schurz. In Form eines Vierecks von etwa 20 cm Seitenlänge hing sie an goldenen Ketten von den Schultern herab und war mit einer violetten Schnur an goldenen Ringen befestigt. Verschiedene kostbare Edelsteine bildeten den Saum. Die gleichen Edelsteine bilden auch die zwölf Grundsteine der Stadt Gottes, des himmlischen Jerusalems (vgl. Offenbarung 21,19.20 mit 2. Mose 28,17-20). Die Brusttasche war mit zwölf goldgefassten Edelsteinen besetzt, in vier Reihen zu je drei Steinen angeordnet. Wie auch auf den Schulterteilen waren sie mit den Namen der Stämme versehen, auf jedem ein Name. Die Anweisung des Herrn lautete: "So soll Aaron die Namen der Söhne Israels in der Brusttasche auf seinem Herzen tragen, wenn er in das Heiligtum geht, zum gnädigen Gedenken vor dem Herrn allezeit" (2. Mose 28,29). So ist es auch bei Christus, dem großen Hohenpriester, der unter Berufung auf sein Blut für die Sünder vor dem Vater eintritt. Er trägt den Namen jedes bereuenden Gläubigen auf seinem Herzen. Der Psalmist sagt: "Ich aber bin elend und arm, der Herr denkt an mich" (Psalm 40,18a Elb.). WABT 328 2 Rechts und links neben der Brusttasche befanden sich zwei große Edelsteine von besonderer Leuchtkraft. Sie wurden als "Urim" und "Tummim" bezeichnet (2. Mose 28,30a Elb.). 21Durch sie verkündete Gott über den Hohenpriester seinen Willen, wenn ihm Fragen zur Entscheidung vorgelegt wurden. Leuchtete um den Edelstein rechts ein Lichthof auf, zeigte das an, dass er der Sache zustimmte oder sie billigte. Eine Wolke, die den linken Stein überschattete, bedeutete dagegen Ablehnung oder Missfallen. WABT 328 3 Als Kopfbedeckung trug der Hohepriester einen weißen Leinenturban. Daran war mit violetter Schnur ein goldenes Schild mit der Inschrift "Heilig dem Herrn" befestigt (2. Mose 28,36b). Alles, was mit der Kleidung und dem Verhalten der Priester zusammenhing, sollte beim Betrachter einen bestimmten Eindruck hinterlassen: Er sollte etwas von der Heiligkeit Gottes und seiner Verehrung verstehen sowie von der Reinheit, die von jedem gefordert wird, der in seine Gegenwart kommt. Der Dienst Der Priester WABT 328 4 Nicht nur das Heiligtum selbst, auch der Dienst der Priester sollte "dem Abbild und Schatten des Himmlischen" dienen (Hebräer 8,5). Darum hatte auch er eine große Bedeutung. Der Herr gab durch Mose sehr bestimmte und genaue Anweisungen über jede Einzelheit dieses typologischen Dienstes. Dieser gliederte sich in zwei Bereiche: in einen täglichen und einen jährlichen Dienst. Der tägliche fand am Brandopferaltar im Vorhof und im Heiligen statt, der jährliche im Allerheiligsten. WABT 329 1 Mit Ausnahme des Hohenpriesters durfte kein Mensch die innere Abteilung des Heiligtums sehen. Nur einmal im Jahr ging der Hohepriester dort hinein, und das nur nach einer äußerst ernsten und sorgfältigen Vorbereitung. Mit Zittern trat er dort vor Gott, während das Volk in ehrfürchtigem Schweigen und in ernstem Gebet um Gottes Segen seine Rückkehr erwartete. Vor dem Gnadenthron vollbrachte der Hohepriester die Sühnung für das Volk Israel (vgl. 3. Mose 16,15-17), und in der Wolke der Herrlichkeit begegnete ihm Gott. Hielt er sich dort länger als gewohnt auf, befiel die Israeliten die Angst, er könne ihrer oder seiner eigenen Sünden wegen von der Herrlichkeit des Herrn getötet worden sein. WABT 329 2 Der tägliche Dienst bestand aus dem Brandopfer am Morgen und am Abend, der Darbringung wohlriechenden Weihrauchs auf dem goldenen Altar und den besonderen Opfern für die Sünden Einzelner. Außerdem wurden anlässlich der Sabbate, der Neumonde und der besonderen Feste weitere Opfer dargebracht. WABT 329 3 Jeden Morgen und jeden Abend wurde ein einjähriges Lamm mit einem angemessenen Speisopfer auf dem Altar verbrannt. Es symbolisierte die tägliche Weihe des Volkes an Jahwe und die ständige Abhängigkeit vom Versöhnungsblut, das Christus vergießen sollte. Gott befahl ausdrücklich, dass an jedem Tier, das als Opfer dargebracht wird, "kein Fehler" sein dürfe (2. Mose 12,5b). Die Priester mussten alle Tiere prüfen, die als Opfer vorgesehen waren, und jedes zurückweisen, an dem sie einen Fehler entdeckten. Nur ein Opfer, an dem "kein Fehler" war, konnte ein Sinnbild für die vollkommene Reinheit dessen sein, der sich einst als "unschuldiges und unbeflecktes Lamm" (1. Petrus 1,19) opfern sollte. WABT 329 4 Der Apostel Paulus wies auf diese Opfer hin, um zu veranschaulichen, was jeder, der Christus nachfolgt, tun soll. Er schrieb: "Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst" (Römer 12,1). Wir sollen uns selbst dem Dienst für Gott hingeben; und dieses Opfer soll so vollkommen wie möglich sein. Gott wird nicht mit weniger als dem Besten, das wir ihm bieten können, zufrieden sein. Wer ihn von ganzem Herzen liebt, ist vom Wunsch erfüllt, ihm den bestmöglichen Dienst zu erweisen. Er wird ständig versuchen, alle seine Kräfte mit den Geboten in Übereinstimmung zu bringen, die die Fähigkeit fördern, Gottes Willen auszuführen. WABT 330 1 Der Dienst am Räucheraltar brachte den Priester näher in Gottes Gegenwart als jede andere Handlung im täglichen Opferdienst. Da der innere Vorhang nicht bis zur Decke des Heiligtums reichte, war die Herrlichkeit Gottes, die sich über dem Gnadenthron offenbarte, teilweise auch von der vorderen Abteilung aus sichtbar. Brachte der Priester ein Räucheropfer vor den Herrn, blickte er in Richtung der Bundeslade. Stieg dann die Weihrauchwolke auf, senkte sich Gottes Herrlichkeit auf den Gnadenthron herab und erfüllte das Allerheiligste. Oft aber füllte sie beide Abteilungen so sehr, dass sich der Priester gezwungen sah, sich zum Eingang des Heiligtums zurückzuziehen. Wie im typologischen Dienst der Priester im Glauben zum Gnadenthron schaute, obwohl er ihn nicht sehen konnte, muss das Volk Gottes heute seine Gebete an Christus, seinen großen Hohenpriester richten, der für das menschliche Auge unsichtbar im himmlischen Heiligtum für die Gläubigen eintritt. WABT 330 2 Der Weihrauch, der mit den Gebeten Israels aufstieg, stellte die Verdienste und Vermittlung von Christus dar - seine vollkommene Gerechtigkeit, die seinem Volk durch den Glauben zugerechnet wird und die allein die Anbetung sündiger Wesen vor Gott annehmbar macht. Vor dem Vorhang zum Allerheiligsten stand der Altar, von dem ständig Fürbitte emporstieg. Im Vorhof vor dem Heiligtum befand sich der Altar, an dem ständig Sühne vollzogen wurde. Man konnte sich nur über Blut und Weihrauch Gott nähern - Symbole, die auf den großen Vermittler hinwiesen, durch den sich Sünder Jahwe nähern dürfen und durch den allein der reumütige, gläubige Mensch Gnade und Errettung erfahren kann. WABT 330 3 Wenn die Priester morgens und abends zur Zeit des Räucheropfers das Heilige betraten, wurde auch das tägliche Opfer auf dem Altar im Vorhof dargebracht. Diese Zeit verfolgten die Anbeter, die sich am Heiligtum versammelt hatten, mit großem Interesse. Bevor sie durch den Dienst des Priesters in Gottes Gegenwart traten, mussten sie sich einer ernsten Selbstprüfung unterziehen und ihre Sünden bekennen. Sie vereinten sich zum stillen Gebet, wobei sie das Gesicht dem Heiligen zuwandten. So stiegen ihre Gebete mit der Weihrauchwolke empor. Im Glauben hielten sie sich an die Verdienste des zugesagten Erlösers, der im Sühnopfer versinnbildlicht wurde. WABT 330 4 Die festgesetzten Zeiten für das Morgen- und Abendopfer wurden als heilig betrachtet. Später wurden daraus im ganzen Volk Israel festgesetzte Anbetungszeiten. Selbst als die Juden in späteren Zeiten als Gefangene in fernen Ländern verstreut lebten, richteten sie zur vorgeschriebenen Stunde ihre Gesichter nach Jerusalem und legten dem Gott Israels ihre Bitten vor. Diese Gewohnheit dient den Christen als Vorbild für ihre Morgen- und Abendandacht. Wohl missbilligt Gott Zeremonien ohne eine innere Haltung der Anbetung, aber er sieht mit Wohlgefallen auf die, die sich aus Liebe zu ihm morgens und abends vor ihm beugen, um die Vergebung ihrer Sünden zu erhalten und ihn um die notwendigen Segnungen zu bitten. WABT 331 1 Die Schaubrote lagen als ständiges Opfer vor dem Herrn. Auf diese Weise bildeten auch sie einen Teil des täglichen Opfers. Man nannte sie Schaubrote, weil sie beständig vor dem Angesicht des Herrn lagen (vgl. 2. Mose 25,30). Sie veranschaulichten, dass der Mensch seine Abhängigkeit von Gott in Bezug auf irdische wie geistliche Nahrung anerkannte und beides nur durch die Vermittlung von Christus erhalten werden kann. Gott hatte sein Volk in der Wüste mit Brot vom Himmel versorgt, und auch jetzt hing es immer noch von seinen großzügigen Gaben an körperlicher Nahrung und geistlichem Segen ab. Sowohl das Manna als auch die Schaubrote wiesen voraus auf Christus, das lebendige Brot, das immer in Gottes Gegenwart für uns da ist. Jesus sagte von sich: "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist" (Johannes 6,51). Auf die Schaubrote wurde Weihrauch gelegt. Jedes Mal, wenn die Brote am Sabbat durch frische ersetzt wurden, ließ man diesen Weihrauch auf dem Altar verbrennen und zum Gedächtnis vor Gott aufsteigen. Die Opfer Für Einzelne Personen WABT 331 2 Der wichtigste Teil des täglichen Opferdienstes bestand in den Opferhandlungen, die zugunsten Einzelner durchgeführt wurden. Der reuige Sünder brachte das Opfertier an den Eingang des Heiligtums, legte die Hand auf dessen Kopf und bekannte seine Sünden. Damit übertrug er sie symbolisch von sich auf das unschuldige Tier. Dann musste er dem Tier eigenhändig die Kehle durchschneiden. Der Priester ging mit dem aufgefangenen Blut in die erste Abteilung des Heiligtums und sprengte es vor den zweiten Vorhang, hinter dem die Bundeslade mit dem Gesetz stand, das der Sünder übertreten hatte. Mit diesem feierlichen Brauch wurde die Sünde durch das Blut sinnbildlich auf das Heiligtum übertragen. In manchen Fällen wurde das Blut nicht in das Heilige gebracht. Dann aber musste der Priester das Fleisch essen. Das hatte Mose den Söhnen Aarons geboten, als er sagte: "Der Herr hat [das Sühnopfer] euch gegeben, dass ihr die Schuld der Gemeinde wegnehmen und sie vor ihm entsühnen sollt" (3. Mose 10,17). Beide Zeremonien veranschaulichten die Übertragung der Sünde vom reumütigen Sünder auf das Heiligtum. WABT 332 1 So geschah es Tag für Tag das ganze Jahr hindurch. Weil Israels Sünden auf diese Weise auf das Heiligtum übertragen wurden, entweihten sie die heiligen Stätten. Das machte einen besonderen Dienst notwendig, um diese Sünden vom Heiligtum zu entfernen. Gott gebot, dass für jeden der heiligen Räume und auch für den Brandopferaltar im Vorhof eine Sühnung stattfinden müsse, um sie "von den Verunreinigungen der Israeliten" zu "reinigen und [zu] heiligen" (3. Mose 16,19). Der Dienst Des Hohenpriesters Am Grossen Versöhnungstag WABT 332 2 Einmal im Jahr, am großen Versöhnungstag, betrat der Hohepriester das Allerheiligste, um die Reinigung des Heiligtums zu vollziehen. Was an diesem Tag geschah, vollendete den jährlichen Dienstzyklus. WABT 332 3 Am Versöhnungstag wurden zwei Ziegenböcke zum Eingang des Heiligtums gebracht und Lose über sie geworfen, "ein Los dem Herrn und das andere dem Asasel" (3. Mose 16,8). Der Bock, auf den das erste Los fiel, sollte als Sündopfer für das Volk dargebracht werden. Der Hohepriester musste das Blut hinter den zweiten Vorhang bringen und es auf den Gnadenthron sprengen. Auf diese Weise sollte er "das Heiligtum entsühnen wegen der Verunreinigungen der Israeliten und wegen ihrer Übertretungen, mit denen sie sich versündigt haben. So soll er tun der Stiftshütte, die bei ihnen ist inmitten ihrer Unreinheit" (3. Mose 16,16). WABT 332 4 "Wenn Aaron so das Allerheiligste, das Zelt Gottes und den Altar gereinigt hat, soll er den lebenden Ziegenbock holen. Er soll ihm beide Hände auf den Kopf legen und alle Verfehlungen und alle Schuld der Israeliten über ihm bekennen. Auf diese Weise soll er dem Ziegenbock die Sünden der Israeliten auferlegen. Dann soll er den Ziegenbock von einem für diese Aufgabe ausgewählten Mann in die Wüste bringen lassen. Wenn der Mann den Ziegenbock in der Wüste freigelassen hat, soll der Bock die Sünden des Volkes in das Ödland tragen." (3. Mose 16,20-22 NLB) Erst nachdem das Tier auf diese Weise aus dem Lager fortgebracht worden war, sah sich das Volk von seiner Sündenlast befreit. Während des Versöhnungsdienstes sollte sich jeder vor Gott demütigen ("seine Seele erniedrigen", 3. Mose 16,29b Elb. Anm.). Alle Tätigkeit hatte zu unterbleiben, und das ganze Volk Israel verbrachte den Tag in Demut vor Gott, mit Gebet, Fasten und ernster Selbstprüfung (vgl. 3. Mose 23,27.28). WABT 332 5 Diese Zeremonien, die jedes Jahr nur einmal stattfanden, lehrten die Israeliten wichtige Wahrheiten über die Sühne der Schuld. Bei den Sündopfern, die während des ganzen Jahres täglich dargebracht wurden, ist zwar ein Ersatz an Stelle des Sünders akzeptiert worden, aber das Blut des Opfertieres konnte keine vollständige Sühnung der Sünde bewirken. Es war nur das Mittel, mit dem die Sünde auf das Heiligtum übertragen wurde. Mit der Darbringung von Blut erkannte der Sünder die Autorität des Gesetzes an, bekannte seine Schuld, die er durch die Übertretungen auf sich geladen hatte, und bekundete seinen Glauben an den, der einst die Sünde der Welt wegnehmen sollte (vgl. Johannes 1,29b Elb.). Aber der Opfernde war noch nicht völlig von der Verurteilung durch das Gesetz befreit. Am Versöhnungstag brachte der Hohepriester ein Opfer für die Gemeinde, ging mit dem Blut in das Allerheiligste und sprengte es auf den Gnadenthron über den Gesetzestafeln. Damit wurde der Anspruch des Gesetzes erfüllt, das den Tod des Sünders verlangte. Dann nahm der Hohepriester in seiner Eigenschaft als Vermittler die Sünden Israels auf sich. Wenn er das Heiligtum verließ, trug er die Last der gesamten Schuld Israels mit sich. Am Eingang des Heiligtums legte er seine Hände auf den Kopf des Sündenbocks und bekannte über ihm "alle Missetat der Israeliten und alle ihre Übertretungen, mit denen sie sich versündigt" hatten (3. Mose 16,21). Als der Bock, der diese Sünden trug, dann aus dem Lager weggeführt wurde, betrachtete man sie als für immer vom Volk getrennt. Auf diese Weise lief der Dienst nach "dem Abbild und Schatten des Himmlischen" ab (Hebräer 8,5). Das Himmlische Heiligtum Und Der Dienst Dort WABT 333 1 Wie erwähnt, war das irdische Heiligtum von Mose nach dem Muster errichtet worden, das ihm Gott auf dem Berg Sinai gezeigt hatte. Es war "ein Gleichnis für die gegenwärtige Zeit [der Apostel], nach dem sowohl Gaben als auch Schlachtopfer dargebracht werden" (Hebräer 9,9 Elb.). Die beiden heiligen Räume waren "Abbilder der himmlischen Dinge" (Hebräer 9,23). Christus, unser Hoherpriester, aber ist der "Diener des Heiligtums und des wahrhaftigen Zeltes, das der Herr errichtet hat, nicht ein Mensch" (Hebräer 8,2 Elb.). Einst wurde dem Apostel Johannes in einer Vision ein Blick in den himmlischen Tempel Gottes gewährt. Dort sah er, dass "sieben Fackeln mit Feuer brannten vor dem Thron" (Offenbarung 4,5). Er sah einen Engel, der "hatte ein goldenes Räucherfass; und es wurde ihm viel Räucherwerk gegeben, damit er es für die Gebete aller Heiligen auf den goldenen Altar gebe, der vor dem Thron ist" (Offenbarung 8,3 Elb.). Dort durfte der Prophet in die erste Abteilung des himmlischen Heiligtums sehen. Dort sah er die "sieben Fackeln mit Feuer" und den "goldenen Altar", die im irdischen Heiligtum durch den goldenen Leuchter und den Rauchopferaltar dargestellt wurden. Bei einer anderen Gelegenheit wurde "der Tempel Gottes im Himmel ... aufgetan", und Johannes blickte hinter den inneren Vorhang in das Allerheiligste. Dort sah er "die Lade seines Bundes" (Offenbarung 11,19), dargestellt durch die heilige Truhe, die Mose gebaut hatte, um darin Gottes Gesetz aufzubewahren. WABT 334 1 Mose baute das irdische Heiligtum "nach dem Muster ..., das er gesehen hatte" (Apostelgeschichte 7,44 Elb.). Paulus erklärte, dass "das Zelt und alle Geräte, die beim Gottesdienst gebraucht werden ... Nachbildungen der himmlischen Wirklichkeit" waren (Hebräer 9,21a.23a GNB). Und Johannes berichtete, dass er das Heiligtum im Himmel sah. Dieses Heiligtum, in dem Jesus für uns seinen Dienst versieht, ist das große Original, von dem Mose eine Nachbildung baute. WABT 334 2 Der himmlische Tempel ist die Wohnstätte des Königs der Könige, wo ihm "tausendmal Tausende" dienen, und "zehntausendmal Zehntausende" vor ihm stehen (Daniel 7,10a Elb.). Dieser Tempel ist von der Herrlichkeit des ewigen Thrones erfüllt. Dort verbergen die Seraphim, seine strahlenden Wächter, ihr Angesicht in Anbetung (vgl. Jesaja 6,2). Kein irdisches Bauwerk könnte die unermessliche Größe und Herrlichkeit dieses Tempels wiedergeben. Dennoch sollte das irdische Heiligtum mit seinem Opferdienst wichtige Wahrheiten über das himmlische Heiligtum und das große Erlösungswerk, das dort für die Menschheit vor sich geht, vermitteln. WABT 334 3 Nach seiner Himmelfahrt sollte Christus seinen Dienst als unser Hoher- priester antreten. Paulus erklärte: "Christus ist nicht eingegangen in das Heiligtum, das mit Händen gemacht und nur ein Abbild des wahren Heiligtums ist, sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen" (Hebräer 9,24). Dieser Dienst sollte aus zwei großen Teilen bestehen, von denen für jeden eine gewisse Zeit und ein besonderer Platz im himmlischen Heiligtum vorgesehen war, ähnlich wie der typologische irdische Heiligtumsdienst aus zwei Teilen bestand - dem täglichen und dem jährlichen Dienst, denen jeweils eine Abteilung des Heiligtums gewidmet war. WABT 334 4 Nach seiner Himmelfahrt erschien Christus in der Gegenwart Gottes, um auf sein Blut zugunsten von Menschen zu verweisen, die Reue zeigen und an ihn glauben. Das wurde dadurch veranschaulicht, dass der Priester im täglichen Dienst das Blut des Opfertieres für den Sünder im Heiligen versprengte. WABT 334 5 Das von Christus vergossene Blut sollte zwar den reuevollen Sünder von der Verurteilung durch das Gesetz befreien, seine Sünde aber nicht endgültig austilgen. Bis zum Abschluss der Sühne wird der Bericht darüber im Heiligtum verzeichnet bleiben. So war es im Opferdienst vorgeschattet: Das Blut des Sündopfers befreite den Reumütigen von seiner Sünde, aber bis zum großen Versöhnungstag ruhte sie im Heiligtum. WABT 335 1 Am großen Tag des Jüngsten Gerichts werden die Toten "nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach ihren Werken" gerichtet (Offenbarung 20,12). Dann werden aufgrund der Verdienste des sühnenden Blutes von Christus die Sünden all jener, die sie aufrichtig bereut haben, aus den Büchern des Himmels gelöscht. So wird das Heiligtum von den Sündenregistern befreit oder gereinigt. Im typologischen Opferdienst wurde dieses große Versöhnungswerk, nämlich die endgültige Tilgung der Sünden, durch die Zeremonien vorgeschattet, die am großen Versöhnungstag stattfanden. Da erst wurde das irdische Heiligtum durch das Blut des Bocks als Sündopfer von den Sünden gereinigt, die es das Jahr über verunreinigt hatten. WABT 335 2 Beim Abschluss der Sühnung werden die Sünden aller, die wahrhaft reumütig waren, aus den Büchern des Himmels gelöscht, um nie wieder ins Gedächtnis zurückgerufen zu werden, so wie sie im typologischen Dienst in die Wüste hinausgetragen und für immer von Gottes Volk entfernt wurden. WABT 335 3 Da Satan der Urheber der Sünde ist - der wahre Anstifter zu allen Unrechtstaten, die den Tod des Sohnes Gottes verursacht haben -, fordert die Gerechtigkeit, dass Satan letztlich seiner Bestrafung zugeführt wird. Das Erlösungswerk durch Christus zur Errettung der Menschen und zur Reinigung des Universums von der Sünde findet daher mit der Entfernung aller Sünden aus dem himmlischen Heiligtum und deren Übertragung auf Satan, der für sie die endgültige Strafe erleiden muss, seinen Abschluss. Entsprechend wurde im typologischen Dienst die jährliche Runde der Dienste abgeschlossen, indem das irdische Heiligtum gereinigt und die Sünden auf den Kopf des Sündenbocks übertragen wurden. WABT 335 4 So wurden dem Volk Israel jeden Tag am Heiligtum und später bei den Diensten im Tempel in Jerusalem die großen Wahrheiten veranschaulicht, die sich auf den Tod und den Vermittlerdienst von Christus bezogen. Und einmal im Jahr wurden ihre Gedanken auf die Ereignisse gelenkt, die die große Auseinandersetzung zwischen Christus und Satan abschließen werden: die endgültige Reinigung des Universums von aller Sünde und den Sündern. ------------------------Kapitel 31 - Die Sünde Von Nadab Und Abihu WABT 336 0 3.Mose 10,1-11. WABT 336 1 Nachdem das Heiligtum eingeweiht worden war, wurden die Priester für ihr heiliges Amt geweiht. Dies dauerte sieben Tage, wobei an jedem Tag besondere Amtshandlungen stattfanden. Am achten Tag traten die Priester ihren Dienst an. Mit Hilfe seiner Söhne brachte Aaron die von Gott vorgeschriebenen Opfer dar. Dann erhob er seine Hände und segnete das Volk. Alles war so ausgeführt worden, wie Gott es befohlen hatte. Der Herr nahm das Opfer an, indem er seine Herrlichkeit auf außergewöhnliche Weise vorführte: Feuer kam von Gott und verzehrte das Opfer auf dem Altar. Aufmerksam und ehrfurchtsvoll betrachtete das Volk diese wunderbare Offenbarung der Macht Gottes. Die Israeliten sahen darin ein Zeichen seiner Herrlichkeit und Gnade. Sie brachen laut in Rufe des Lobes und der Verehrung aus und fielen auf ihr Angesicht, als wären sie in Jahwes unmittelbarer Gegenwart. Vorrechte Sind Kein Freibrief WABT 336 2 Aber wenig später traf die Familie des Hohenpriesters ein unerwartetes und furchtbares Unglück. Zur Zeit des Gottesdienstes, als die Gebete und Lobgesänge des Volkes zu Gott emporstiegen, nahmen zwei Söhne Aarons ihre Räucherpfannen und verbrannten darin wohlriechenden Weihrauch, damit er "zum lieblichen Geruch vor dem Herrn" aufsteige (2. Mose 29,25). Indem sie aber "fremdes Feuer" verwendeten (3. Mose 10,1), übertraten sie Gottes Anweisung. Statt heiliges Feuer zu benutzen, das Gott selbst angezündet und für diesen Zweck geboten hatte, nahmen sie gewöhnliches Feuer, um den Weihrauch zu verbrennen. Wegen dieser Sünde ging von Gott ein Feuer aus, das die beiden Männer vor den Augen des Volkes verzehrte. WABT 336 3 Nach Mose und Aaron hatten Nadab und Abihu die höchsten Ämter in Israel innegehabt. Der Herr hatte sie in besonderer Weise ausgezeichnet, als sie mit den 70 Ältesten seine Herrlichkeit auf dem Berg sehen durften. Dies machte ihre Sünde umso schlimmer. Ihr Vergehen durfte deshalb weder entschuldigt noch leicht genommen werden. Wenn Menschen große geistliche Erkenntnis erhalten haben und wie die Fürsten Israels auf dem Berg Sinai mit Gott Gemeinschaft pflegen und im Licht seiner Herrlichkeit bleiben dürfen, sollen sie sich nicht einbilden, dass sie danach ungestraft sündigen können. Sie entgehen Gottes strenger Strafe nicht, auch wenn er sie zuvor so geehrt hat. Das alles wäre ein verhängnisvoller Irrtum. Wer große Erkenntnis und Vorrechte empfangen hat, soll dies durch dementsprechende Tugend und Heiligkeit erwidern. Weniger kann Gott nicht annehmen. Große Segnungen oder Vorrechte sollten niemanden in Sicherheit wiegen oder zur Nachlässigkeit verleiten. Sie sollten niemals als Freibrief zum Sündigen verstanden werden oder die Empfänger zur Meinung veranlassen, dass Gott es damit nicht genau nehme. Alle Vorzüge, die Gott gewährt, sind seine Mittel, um den Geist zu erwecken, Begeisterung zu erzeugen und seinen heiligen Willen mit Kraft auszuführen. WABT 337 1 Nadab und Abihu waren in der Jugend nicht an Selbstbeherrschung gewöhnt worden. Die nachgiebige Haltung des Vaters und seine fehlende Entschlossenheit gegenüber Unrecht hatten ihn dazu verleitet, die Erziehung der Kinder zu vernachlässigen. Stets durften seine Söhne ihren Neigungen folgen. Ihre lang gehegte Gewohnheit, sich gehen zu lassen, hatte sie so fest im Griff, dass selbst die Verantwortung für das heiligste Amt sie nicht brechen konnte. Ihnen war nicht beigebracht worden, die Autorität ihres Vaters zu achten. Daher sahen sie auch keine Notwendigkeit, dem Willen Gottes genau zu gehorchen. Aarons falsche Nachsicht hatte dazu geführt, dass sie dem Gericht Gottes verfielen. Teilweiser Gehorsam Reicht Nicht WABT 337 2 Gott wollte sein Volk lehren, mit Achtung und Ehrfurcht in seine Gegenwart zu treten und zwar in der Weise, wie er selbst es angeordnet hatte. Einen teilweisen Gehorsam kann er nicht annehmen. Es genügte nicht, dass bei diesen religiösen Feierlichkeiten nur beinahe alles nach seinen Anweisungen ablief. Gott hatte seinen Fluch über alle ausgesprochen, die von seinen Anordnungen abwichen und keinen Unterschied zwischen alltäglichen und heiligen Dingen machten. Durch den Mund des Propheten Jesaja erklärte er später: "Wehe denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse; die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis ... Wehe denen, die in ihren eigenen Augen weise sind und sich selbst für verständig halten! ... Wehe denen, die den Ungerechten wegen eines Bestechungsgeschenkes gerecht sprechen, den Gerechten aber ihre Gerechtigkeit absprechen ... sie haben das Gesetz des Herrn der Heerscharen verworfen und das Wort des Heiligen Israels verschmäht." (Jesaja 5,20.21.23.24b Elb.) Niemand lasse sich zur Annahme verleiten, ein Teil der göttlichen Gebote sei unwichtig oder Gott werde sich mit einem Ersatz für das, was er verlangt hat, zufriedengeben. Der Prophet Jeremia fragte: "Wer darf denn sagen, dass solches geschieht ohne des Herrn Befehl?" (Klagelieder 3,37) Im Wort Gottes findet sich kein einziges Gebot, das Menschen nach Belieben befolgen oder übertreten können, ohne die Folgen dafür tragen zu müssen. Wer einen anderen Weg wählt als den des unbedingten Gehorsams, wird erfahren, dass er ihn "am Ende ... in den Tod" führt (Sprüche 14,12b GNB). Aarons Reaktion WABT 338 1 Mose sagte zu Aaron und dessen Söhnen Eleasar und Ithamar: "Lasst euer Haar nicht als Zeichen eurer Trauer offen und ungekämmt hängen und zerreißt nicht eure Kleider. Ihr müsst sonst sterben ... denn ihr wurdet mit dem Salböl des Herrn geweiht." (3. Mose 10,6a.7b NLB) Mose erinnerte seinen Bruder an Gottes Worte: "Ich erzeige mich heilig an denen, die mir nahe sind, und vor allem Volk erweise ich mich herrlich" (3. Mose 10,3). Aaron schwieg. Der Tod seiner Söhne, die ohne Warnung nach einer so schrecklichen Sünde dahingerafft worden waren, zerriss ihm vor Kummer das Herz, denn er erkannte nun, dass diese Sünde das Ergebnis der Vernachlässigung seiner Vaterpflichten war. Aber er durfte mit keiner Äußerung von Trauer den Eindruck erwecken, als beschönige er das Unrecht. Das versammelte Volk durfte nicht dazu verleitet werden, gegen Gott aufzubegehren. WABT 338 2 Der Herr wollte sein Volk lehren, die Gerechtigkeit seiner Korrekturmaßnahmen anzuerkennen, damit andere sich davor fürchten, Ähnliches zu tun. Dieses schreckliche Gericht konnte manche in Israel davor bewahren, sich aus Vermessenheit auf Gottes Nachsicht zu verlassen, bis sie selbst ihr Schicksal besiegelten. WABT 338 3 Gott tadelt das falsche Mitgefühl für die Sünder, das deren Sünde zu entschuldigen sucht. Sünden lassen die sittlichen Empfindungen abstumpfen, sodass der Übeltäter die Schwere seiner Übertretung gar nicht mehr erkennt. Wenn er sich nicht vom Wirken des Heiligen Geistes überführen lässt, bleibt er teilweise unfähig, die eigene Sünde zu erkennen. Wer Christus dient, hat die dringende Pflicht, diesen Irrenden die Gefahr, in der sie stehen, bewusst zu machen. Wer die Wirkung solcher Warnungen zunichtemacht, indem er die Sünder über das wahre Wesen und die Folgen der Sünde im Unklaren lässt, schmeichelt sich oft damit, dass dies ein Zeichen der Barmherzigkeit sei. In Wirklichkeit hemmt und bekämpft er das Wirken des Heiligen Geistes. Er wiegt den Sünder am Rande des Verderbens in Sicherheit und macht sich an der Übertretung des Sünders mitschuldig. Er lädt eine schreckliche Verantwortung für dessen Verstocktheit auf sich. Infolge falschen, trügerischen Mitleids sind schon sehr viele Menschen in ihr Verderben gestürzt. Alkohol Schwächt Das Sittliche Empfinden WABT 339 1 Nadab und Abihu hätten ihre verhängnisvolle Sünde niemals begangen, wären sie nicht durch den Genuss von Wein berauscht gewesen. Sie wussten, dass sie nicht ohne eine sehr sorgfältige und ernste Vorbereitung im Heiligtum, wo sich Gottes Gegenwart offenbarte, erscheinen durften. Aber ihre Unmäßigkeit machte sie für den heiligen Dienst untauglich. Ihre Sinne waren benebelt und ihr sittliches Empfinden war getrübt, sodass sie zwischen Heiligem und Unheiligem nicht mehr unterscheiden konnten. An Aaron und die überlebenden Söhne wurde daher die Warnung gerichtet: "Ihr sollt weder Wein noch starke Getränke trinken, wenn ihr in die Stiftshütte geht, damit ihr nicht sterbt. Das sei eine ewige Ordnung für alle eure Nachkommen. Ihr sollt unterscheiden, was heilig und unheilig, was unrein und rein ist, und Israel lehren alle Ordnungen, die der Herr ihnen durch Mose verkündet hat." (3. Mose 10,9-11) WABT 339 2 Der Genuss von alkoholischen Getränken hat allerlei Folgen: Er schwächt den Körper, umnebelt die Gedanken und verdirbt die Moral. Er hindert die Menschen daran, heilige Dinge als solche zu erkennen oder die bindende Kraft der Gebote Gottes zu erfassen. Wer eine Stellung bekleidet, die mit heiliger Verantwortung verbunden ist, sollte strikte Enthaltsamkeit üben, damit sein Verstand klar zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann. Er sollte auch grundsatztreu sein und mit Weisheit das Recht fördern und Barmherzigkeit üben. WABT 339 3 Die gleiche Verpflichtung haben alle, die Christus nachfolgen. Der Apostel Petrus schrieb: "Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums." (1. Petrus 2,9) Gott verlangt von uns, alle Kräfte in der bestmöglichen Verfassung zu erhalten, damit wir unserem Schöpfer auf die richtige Weise dienen können. Wer alkoholische Getränke zu sich nimmt, wird dieselben Auswirkungen erleben wie die beiden israelitischen Priester. Das Gewissen wird abstumpfen und seine Fähigkeit verlieren, die Sünde als solche zu empfinden. Meistens setzt eine Verhärtung gegenüber der Bosheit ein, bis der Unterschied zwischen Gewöhnlichem und Heiligem jede Bedeutung verliert. Wie können wir dann aber Gottes Maßstab und seinen Forderungen entsprechen? "Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe!" (1. Korinther 6,19.20) "Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre." (1. Korinther 10,31) Zu allen Zeiten gilt die ernste und furchtbare Warnung, die an die christliche Gemeinde gerichtet ist: "Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig; der seid ihr." (1. Korinther 3,17) ------------------------Kapitel 32 - Gottes Gesetze Und Bündnisse WABT 341 1 Adam und Eva kannten von ihrer Erschaffung an Gottes Gesetz. Sie waren mit den Forderungen vertraut, die es an sie stellte, denn es war ihnen ins Herz geschrieben. Als der Mensch dann dieses Gesetz übertrat und in Sünde fiel, wurde an dessen Inhalt nichts verändert. Aber es wurde ein Rettungsplan entworfen, um die Menschen zum Gehorsam zurückzuführen. Es wurde ihnen versprochen, dass ein Erlöser kommen werde. Es wurden Tieropfer eingesetzt, die auf den Tod von Christus - auf das große Sündopfer - hinwiesen. Wäre aber Gottes Gesetz niemals übertreten worden, hätte es keinen Tod gegeben. Ohne den Tod wäre kein Erlöser nötig gewesen und folglich auch kein Opfer. Die Zehn Gebote Und Weitere Verordnungen WABT 341 2 Adam belehrte seine Nachkommen über das Gesetz Gottes. Über viele Generationen wurde es vom Vater an den Sohn weitergegeben. Doch obwohl Gott aus reiner Barmherzigkeit eine Erlösung für die Menschen vorgesehen hatte, nahmen nur wenige dieses Angebot in Anspruch und leisteten ihm Gehorsam. Durch die Gesetzesübertretungen wurde die Welt so schlecht, dass sie schließlich durch eine Flut von ihrer Verdorbenheit gereinigt werden musste. Noah und seine Familie bewahrten das Gesetz. Er lehrte seine Nachkommen die Zehn Gebote. Als die Menschen wieder von Gott abwichen, erwählte der Herr Abraham, von dem er später sagte: "Abraham [hat] meiner Stimme gehorcht und meine Vorschriften gehalten ... meine Gebote, meine Ordnungen und meine Gesetze" (1. Mose 26,5 Elb.). Mit ihm wurde die Zeremonie der Beschneidung eingeführt. Sie war ein Zeichen dafür, dass der Beschnittene dem Dienst Gottes geweiht war, und auch ein Versprechen, sich vom Götzendienst fernzuhalten und dem Gesetz Gottes zu gehorchen. Doch Abrahams Nachkommen versagten im Bemühen, dieses Versprechen einzuhalten, was sich in ihrer Neigung zeigte, sich mit den Heiden zu verbünden und deren Gewohnheiten zu übernehmen. Deshalb kam es zu ihrem Aufenthalt und ihrer Versklavung in Ägypten. Durch ihren Umgang mit Götzendienern und durch den erzwungenen Gehorsam gegenüber den Ägyptern wurden Gottes Gebote noch mehr verkehrt. Die abscheulichen und grausamen Lehren der Heiden taten das Übrige. Als Gott dann die Israeliten aus Ägypten befreit hatte, kam er auf den Berg Sinai hernieder, eingehüllt in Herrlichkeit und umgeben von seinen Engeln, und verkündete in Ehrfurcht gebietender Majestät vor dem ganzen Volk sein Gesetz. WABT 342 1 Aber nicht einmal da vertraute Gott sein Gesetz dem Gedächtnis eines Volkes an, das dazu neigte, seine Forderungen zu vergessen, sondern schrieb es auf zwei Steintafeln. Er wollte Israel alle Möglichkeiten nehmen, heidnische Überlieferungen mit seinen heiligen Geboten zu vermischen oder seine Forderungen mit menschlichen Verordnungen und Bräuchen zu vermengen. WABT 342 2 Aber Gott beließ es nicht bei der Verkündung der Zehn Gebote. Nachdem sich das Volk so leicht auf Abwege hatte bringen lassen, wollte er kein Tor zur Versuchung unbewacht lassen. Mose wurde befohlen, Rechte und Gebote gemäß dem Willen Gottes niederzuschreiben. Sie enthielten genaue Anweisungen bezüglich dessen, was Gott verlangte. Diese Anweisungen bezogen sich auf die Pflichten des Volkes gegenüber Gott sowie gegenüber den Volksgenossen und den Fremden. Es handelte sich um die richtige und besondere Umsetzung der Zehn Gebote, damit niemand dem Irrtum erliege. Die Anweisungen sollten die Heiligkeit der Zehn Gebote, die in die Steintafeln gemeißelt waren, bewahren. WABT 342 3 Wenn die Menschen Gottes Gesetz so gehalten hätten, wie es Adam nach dem Sündenfall gegeben worden war, wie Noah es bewahrt und Abraham es befolgt hatte, wäre es nicht nötig gewesen, die Zeremonie der Beschneidung zu verordnen. Und hätten Abrahams Nachkommen ihrerseits den Bund gehalten, dessen Zeichen die Beschneidung war, wären sie niemals zum Götzendienst verführt worden. Sie hätten nicht das Sklavendasein in Ägypten durchleiden müssen. Sie hätten Gottes Gesetz in Herz und Sinn bewahrt, und es wäre nicht nötig gewesen, es vom Sinai zu verkünden oder es auf steinerne Tafeln zu schreiben. Und wenn die Israeliten die Grundsätze der Zehn Gebote im Alltag befolgt hätten, wären die zusätzlichen Anweisungen durch Mose überflüssig gewesen. Der Sinn Der Opfer- Und Zeremonialvorschriften WABT 342 4 Die Opfervorschriften, die Adam von Gott erhalten hatte, wurden von seinen Nachkommen ebenfalls entstellt. Aberglaube, Götzendienst, Grausamkeit und Zügellosigkeit verwandelten den schlichten, aber bedeutsamen Dienst, den Gott eingesetzt hatte, ins Gegenteil. Aufgrund ihres langen Umgangs mit Götzenanbetern hatten die Israeliten viele heidnische Bräuche in ihre Gottesanbetung aufgenommen. Deshalb gab ihnen Gott am Sinai genaue Anweisungen für den Opferdienst. Als das Heiligtum vollendet war, sprach Gott mit Mose aus der Wolke der Herrlichkeit, die auf dem Gnadenthron ruhte, und erteilte ihm umfassende Anweisungen hinsichtlich des Opferwesens und der Gottesdienstformen, die im Heiligtum aufrechterhalten werden sollten. So erhielt Mose das Zeremonialgesetz und schrieb es in ein Buch (vgl. 5. Mose 31,24-26). Aber die Zehn Gebote, die Gott vom Sinai verkündet hatte, schrieb der Herr selbst auf Steintafeln. Sie wurden in der Bundeslade unantastbar aufbewahrt (vgl. 5. Mose 10,1-5). WABT 343 1 Viele Christen versuchen, diese beiden Ordnungen miteinander zu vermischen. Sie verwenden Bibelstellen, die sich auf das Zeremonialgesetz beziehen, um zu beweisen, dass das Sittengesetz der Zehn Gebote abgeschafft sei. Das ist aber eine Verdrehung der Heiligen Schrift. Der Unterschied zwischen beiden Ordnungen ist weitgehend und deutlich. Das Zeremonialgesetz bestand aus symbolischen Handlungen, die auf Christus, sein Opfer und seinen Priesterdienst hinwiesen. Dieses Gesetz mit seinen Opfern und Riten mussten die Israeliten befolgen, bis dieses Sinnbild (der Typus) durch das Original (den sogenannten Antitypus) im Sühnetod, den Christus erlitt, erfüllt wurde. Jesus ist das wahre "Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt" (Johannes 1,29 Elb.). Dann sollten alle zeremoniellen Opfer aufhören. Dieses Gesetz hat Christus "weggetan und an das Kreuz geheftet" (Kolosser 2,14). Aber über die Zehn Gebote erklärte ein Psalmist: "In Ewigkeit, Herr, steht dein Wort fest im Himmel" (Psalm 119,89 Elb.). Und Christus selbst sagte: "Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen." Danach versicherte er so nachdrücklich wie nur möglich: "Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist." (Matthäus 5,17.18 Elb.) Christus lehrte in der Bergpredigt nicht nur, welche Ansprüche Gottes Gesetz in der Vergangenheit erhoben hatte und zu seiner Zeit erhob, sondern auch, dass diese Ansprüche ihre Gültigkeit behalten, solange Himmel und Erde bestehen. Gottes Gesetz ist genauso unveränderlich wie sein Thron. Es wird seine Forderungen an die Menschheit in allen zukünftigen Zeiten beibehalten. WABT 343 2 Über das Gesetz, das am Sinai verkündet wurde, sagte Nehemia: "Du bist herabgestiegen auf den Berg Sinai und hast mit ihnen vom Himmel her geredet und ihnen ein wahrhaftiges Recht und rechte Gesetze und gute Satzungen und Gebote gegeben" (Nehemia 9,13). Und Paulus, der "Apostel der Heiden" erklärte: "So ist also das Gesetz heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut." Damit kann kein anderes Gesetz gemeint sein als die Zehn Gebote, denn dieses Gesetz sagt: "Du sollst nicht begehren" (Römer 7,12.7). WABT 344 1 Der Tod des Erlösers bereitete dem Gesetz der Abbilder und "Schatten" ein Ende (vgl. Hebräer 10,1.9). Er erlöste uns aber nicht im Geringsten von den Verpflichtungen, die uns das Moralgesetz auferlegt. Im Gegenteil: Gerade die Tatsache, dass Christus sterben musste, um die Übertretung dieses Gesetzes zu sühnen, beweist, dass es unveränderlich ist. Das Wirken Des Sohnes Gottes In Alter Zeit WABT 344 2 Wer behauptet, Christus sei gekommen, um Gottes Gesetz abzuschaffen und das Alte Testament zu beseitigen, spricht meistens vom israelitischen Zeitalter als einer finsteren Zeit und stellt die Religion der Hebräer so dar, als ob sie nur aus Formen und Zeremonien bestanden hätte. Das aber ist grundfalsch. In allen Büchern der biblischen Geschichte, wo vom Umgang Gottes mit seinem auserwählten Volk berichtet wird, finden sich leuchtende Spuren des großen "Ich bin" (2. Mose 3,14a Elb.). Niemals gewährte er Menschen größere Offenbarungen seiner Macht und Herrlichkeit als zu der Zeit, als er von Israel als alleiniger Herrscher anerkannt wurde und seinem Volk die Gesetze gab. Damals führte jemand das Zepter, der mehr war als ein Mensch. Das majestätische Wirken des unsichtbaren Königs Israels war unbeschreiblich erhaben und Ehrfurcht gebietend. WABT 344 3 Immer wenn sich Gottes Gegenwart offenbarte, bekundete sich seine Herrlichkeit durch Christus, seinen Sohn. Nicht erst nach der Ankunft des Erlösers, sondern bereits in allen Jahrhunderten nach dem Sündenfall und der Verheißung der Erlösung war Gott "in Christus und versöhnte so die Welt mit sich selbst" (2. Korinther 5,19 NLB). Zur Zeit der Erzväter wie im alten Israel war Christus das Fundament und der Mittelpunkt des Opferwesens. Seit der Sünde unserer Voreltern gab es keine unmittelbare Verbindung mehr zwischen Gott und den Menschen. Der Vater hat die Welt in die Hände seines Sohnes gelegt, der als Vermittler die Menschen erlösen und die Autorität und Heiligkeit des Gesetzes Gottes rechtfertigen sollte. Jede Verbindung des Himmels mit der gefallenen Menschheit war nur durch Christus möglich. Es war der Sohn Gottes, der unseren Voreltern das Versprechen der Erlösung gab. Er war es, der sich den Erzvätern Israels offenbarte. Adam, Noah, Abraham, Isaak, Jakob und Mose verstanden das Evangelium. Sie warteten auf die Errettung durch den Stellvertreter und Bürgen der Menschen. Diese heiligen Männer pflegten Gemeinschaft mit dem Erlöser, der einmal in menschlicher Gestalt auf unsere Erde kommen sollte. Einige von ihnen unterhielten sich sogar mit ihm und himmlischen Engeln von Angesicht zu Angesicht. WABT 345 1 Christus war nicht nur der Anführer der Israeliten auf ihrer Wüstenwanderung. Als Engel, in dem der Name Jahwe war (vgl. 2. Mose 23,20a.21b), ging er, in einer Wolkensäule verhüllt, der Volksmenge voraus (vgl. 2. Mose 14,19; 1. Korinther 10,1-4). Er war es auch, der Israel das Gesetz gab. Aus der Furcht erregenden Herrlichkeit auf dem Sinai verkündete Christus vor den Ohren des Volkes die Zehn Gebote aus dem Gesetz seines Vaters. Er war es auch, der Mose das Gesetz übergab, das auf Steintafeln eingraviert war. WABT 345 2 Es war Christus, der durch die Propheten zu seinem Volk sprach. Der Apostel Petrus schrieb an die christliche Gemeinde, die Propheten "haben euch angekündigt, welches Gnadengeschenk Gott euch zugedacht hat, und sie haben eifrig gesucht und geforscht, um herauszufinden, wann und wie dies alles eintreffen sollte. Der Geist, den wir durch Christus empfangen haben, war schon in ihnen wirksam und zeigte ihnen im Voraus die Leiden, die Christus erdulden musste, und die Herrlichkeit, die ihm daraufhin zuteilwurde." (1. Petrus 1,10.11 GNB) Es ist die Stimme von Christus, die aus dem ganzen Alten Testament zu uns redet. "Das Zeugnis Jesu ... ist der Geist der Weissagung" (Offenbarung 19,10c). WABT 345 3 Als Jesus unter den Menschen lebte, wies er sie auf das Alte Testament hin. Er sagte zu den Juden: "Ihr forscht doch in den Heiligen Schriften und seid überzeugt, in ihnen das ewige Leben zu finden - und gerade sie weisen auf mich hin" (Johannes 5,39 GNB). Damals bestand die Bibel nur aus den Büchern des Alten Testaments. An anderer Stelle erklärte der Sohn Gottes: "Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören", und fügte hinzu: "Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde" (Lukas 16,29.31). Der Zweck Des Zeremonialgesetzes WABT 345 4 Christus erließ auch das Zeremonialgesetz. Selbst nachdem es nicht mehr befolgt werden musste, führte Paulus den Juden dessen wahren Stellenwert vor Augen. Er erklärte ihnen dessen Platz im Erlösungsplan und in der Beziehung zum Werk des Herrn. Dieser große Apostel nannte das Zeremonialge- setz glorreich und seines göttlichen Urhebers würdig. Der feierliche Dienst am Heiligtum stellte typologisch die großartigen Wahrheiten dar, die in nachfolgenden Generationen enthüllt werden sollten. Die Weihrauchwolke, die mit den Gebeten Israels aufstieg, stellte die Gerechtigkeit von Christus dar, die allein die Gebete der Sünder vor Gott annehmbar machen kann. Das blutige Opfer auf dem Altar bezeugte, dass ein Erlöser kommen wird. Und aus dem Allerheiligsten leuchtete das sichtbare Zeichen der Gegenwart Gottes. So blieb durch all die Jahrhunderte, die von Finsternis und Abfall geprägt waren, der Glaube in den Menschen lebendig, bis die Zeit für die Ankunft des verheißenen Messias gekommen war. WABT 346 1 Jesus war das Licht seines Volkes - "das Licht der Welt" (Johannes 8,12a) -, bevor er in Menschengestalt auf diese Erde kam. Der erste Lichtschimmer, der das Dunkel durchdrang, mit dem die Sünde die Welt bedeckte, kam von Christus. Von ihm ging auch jeder hell glänzende Lichtstrahl aus, der vom Himmel auf die Bewohner der Erde fiel. Im Erlösungsplan ist Christus "das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte" (Offenbarung 22,13 Elb.). WABT 346 2 Seit der Erlöser sein Blut zur Vergebung der Sünden vergoss und in den Himmel auffuhr, "um jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen" (Hebräer 9,24), fließt ein ständiger Lichtstrom vom Kreuz auf Golgatha und von den Stätten des himmlischen Heiligtums. Aber die klarere Erkenntnis, die uns zuteilwurde, sollte uns nicht veranlassen, das geringzuschätzen, was man in früheren Zeiten an Erkenntnis aus den Sinnbildern, die auf den kommenden Erlöser hinwiesen, gewinnen konnte. Das Evangelium von Jesus Christus wirft Licht auf das israelitische Opferwesen und verleiht dem Ze- remonialgesetz Bedeutung. Wenn neue Wahrheiten offenbart werden, rückt dadurch bereits Bekanntes in ein helleres Licht. So werden Gottes Wesen und seine Absichten im Umgang mit seinem auserwählten Volk deutlicher. Jeder weitere Zuwachs an Erkenntnis lässt uns ein besseres Verständnis des Erlösungsplans gewinnen, der die Verwirklichung des göttlichen Willens in der Erlösung der Menschen ist. Dann entdecken wir neue Schönheit und Kraft im inspirierten Wort Gottes und durchforschen noch gründlicher und aufmerksamer seine Seiten. Gottes Absicht Mit Der Erwählung Des Volkes Israel WABT 346 3 Viele meinen, Gott habe eine Trennwand zwischen den Israeliten und der restlichen Welt errichtet; er habe seine Fürsorge und Liebe den übrigen Menschen weitgehend entzogen und sie hauptsächlich auf Israel gerichtet. Aber es lag nicht in Gottes Absicht, dass sein Volk zwischen sich und seinen Mitmenschen eine Schranke errichtete. Seine unendliche Liebe wollte alle Bewohner der Erde erreichen. Obwohl sie ihn zurückgewiesen hatten, versuchte er immer wieder, sich ihnen zu offenbaren und ihnen seine Liebe und Gnade zukommen zu lassen. Er segnete sein auserwähltes Volk, damit es anderen Völkern zum Segen würde. WABT 347 1 Gott berief Abraham, schenkte ihm Wohlstand und ehrte ihn. Die Treue des Patriarchen war in allen Ländern, die er als Nomade durchzog, ein Licht für die Menschen. Abraham grenzte sich nicht von seiner Umgebung ab. Er pflegte freundschaftliche Beziehungen zu den Königen der benachbarten Völker, von denen ihm einige großen Respekt entgegenbrachten. Seine aufrichtige und selbstlose Art, sein Mut und seine Güte verkörperten etwas vom Wesen Gottes. In Mesopotamien, Kanaan und Ägypten, ja sogar in Sodom wurde der Gott des Himmels von seinem Vertreter bekanntgemacht. In ähnlicher Weise offenbarte sich Gott durch Josef den Ägyptern und allen Völkern, die mit diesem mächtigen Reich verbunden waren. Warum ließ er ihn in Ägypten zu einer so hohen Stellung aufsteigen? Er hätte sich auch einen anderen Weg aussuchen können, um seine Ziele mit Jakobs Nachkommen zu erreichen. Er wollte durch Josef ein Licht leuchten lassen und setzte ihn in den Palast des Königs, damit sich das himmlische Licht [die wahre Gotteserkenntnis] in Nah und Fern ausbreiten konnte. Weisheit und Gerechtigkeit zeichneten ihn ebenso im täglichen Leben aus wie Reinheit und Güte. Durch seine hingebungsvolle Fürsorge für das Wohl des ägyptischen Volkes, obwohl es eine Nation von Götzendienern war, war Josef ein Vertreter von Christus. In ihrem Wohltäter, an den sich ganz Ägypten mit Dankbarkeit und Lob wandte, sollten diese Heiden erkennen, dass ihnen ihr Schöpfer und Erlöser in Liebe zugetan war. WABT 347 2 Auch mit Mose entzündete Gott am Thron des damals bedeutendsten Reiches dieser Welt ein Licht. Alle, die es wollten, sollten etwas von dem wahren, lebendigen Gott erfahren. Den Ägyptern wurde diese Erkenntnis angeboten, bevor Gott seine Gerichte über sie verhängte. WABT 347 3 Durch die Befreiung Israels aus Ägypten verbreitete sich das Wissen um Gottes Macht weit und breit. Das kriegerische Volk in der Festung Jericho zitterte. "Seitdem wir das gehört haben, ist unser Herz verzagt, und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen", sagte Rahab, "denn der Herr, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden" (Josua 2,11). Noch Jahrhunderte nach dem Auszug erinnerten die Priester der Philister ihr Volk an die Plagen, die die Ägypter trafen, und warnten davor, dem Gott Israels Widerstand zu leisten (vgl. 1. Samuel 4,6-8). WABT 347 4 Gott erwählte, segnete und erhöhte das Volk Israel nicht, damit es durch die Einhaltung seiner Gesetze seine Gunst erlangen und zum alleinigen Empfänger seiner Segnungen werden sollte, sondern um sich durch die Israeliten allen Bewohnern der Erde zu offenbaren. Um diese Absicht in die Tat umzusetzen, gebot er ihnen, sich von den abgöttischen Völkern in ihrer Umgebung fernzuhalten. WABT 348 1 Der Götzendienst und alle damit verbundenen Sünden waren Gott ein Gräuel. Deshalb befahl er seinem Volk, sich nicht mit anderen Völkern zu vermischen. Es durfte "nicht nach ihren Taten tun" (2. Mose 23,24 Elb.) und ihn vergessen. Er untersagte den Israeliten die Heirat mit Götzenanbetern, damit sie ihm nicht entfremdet würden. Damals war es ebenso notwendig wie heute, dass sich Gottes Volk rein und "von der Welt unbefleckt" hält (Jakobus 1,27). Es darf den Geist der Welt nicht übernehmen, denn dieser steht Wahrheit und Gerechtigkeit entgegen. Aber Gott wollte keinesfalls, dass sich sein Volk in einer selbstgerechten und hochmütigen Haltung gegenüber der Welt abschottet. Dann kann es nämlich keinen Einfluss auf sie ausüben. WABT 348 2 Wie ihr Herr sollen die Nachfolger von Christus zu allen Zeiten das Licht der Welt sein. Jesus sagte: "Ihr seid das Licht für die Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Auch zündet niemand eine Lampe an, um sie dann unter einen Topf zu stellen. Im Gegenteil, man stellt sie auf den Lampenständer, damit sie allen im Haus Licht gibt" - das heißt: allen, die in der Welt sind. Und er fügte hinzu: "Genauso muss auch euer Licht vor den Menschen leuchten: Sie sollen eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen." (Matthäus 5,14-16 GNB) Genau das taten Henoch und Noah, Abraham, Josef und Mose. Und genau dazu hatte Gott auch sein Volk Israel vorgesehen. WABT 348 3 Weil ihr Herz jedoch böse, ungläubig und von Satan beherrscht war, verbargen die Israeliten ihr Licht, statt es auf die umliegenden Völker scheinen zu lassen. Aus demselben Geist folgten sie entweder den abscheulichen Bräuchen der Heiden oder grenzten sich in stolzer Abgehobenheit von ihnen ab, als ob Gottes Liebe und Fürsorge nur ihnen allein zugutekommen sollte. Der Neue Und Der Alte Bund WABT 348 4 Wie die Heilige Schrift von zwei Gesetzen spricht - einem unveränderlichen, ewigen und einem vorläufigen, zeitlich begrenzten -, so gibt es auch zwei Bündnisse. Den Bund der Gnade schloss Gott mit den Menschen zuerst in Eden, als er ihnen nach dem Sündenfall das Versprechen gab, der Nachkomme der Frau werde der Schlange den Kopf zertreten (vgl. 1. Mose 3,15). Dieser Bund bot allen Menschen Vergebung und Gottes Kraft an, damit sie ihm in der Zukunft durch den Glauben an den Messias gehorsam sein könnten. Ferner versprach er ihnen ewiges Leben unter der Bedingung, dass sie treu an Gottes Gesetz festhielten. So empfingen die Patriarchen die Hoffnung auf Erlösung. WABT 349 1 Derselbe Bund wurde mit Abraham erneuert, als ihm Gott die Zusage gab: "Alle Völker der Erde werden durch dich gesegnet werden" (1. Mose 12,3b NLB). Dieses Versprechen wies auf Christus hin. So verstand es Abraham (vgl. Galater 3,8.16) und vertraute auf Christus im Hinblick auf die Vergebung der Sünden. Dieser Glaube wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet (vgl. 1. Mose 15,6). Der Bund mit Abraham unterstrich auch die Autorität des Gesetzes Gottes. Der Herr erschien Abraham und sagte zu ihm: "Ich bin Gott, der Allmächtige. Lebe vor meinem Angesicht und sei untadelig!" (1. Mose 17,1 Elb.). Gott bezeugte seinem treuen Diener, dass er "meiner Stimme gehorsam gewesen ist und gehalten hat meine Rechte, meine Gebote, meine Weisungen und mein Gesetz" (1. Mose 26,5). Der Herr erklärte ihm: "Und ich werde meinen Bund aufrichten zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir durch alle ihre Generationen zu einem ewigen Bund, um dir Gott zu sein und deinen Nachkommen nach dir." (1. Mose 17,7 Elb.) WABT 349 2 Obwohl dieser Bund mit Adam geschlossen und mit Abraham erneuert worden war, konnte er erst mit dem Tod von Christus in Kraft treten. Aufgrund der göttlichen Zusage bestand er jedoch schon, seitdem Gott zum ersten Mal die Erlösung angedeutet hatte. Er wurde im Glauben angenommen, doch als er durch Christus bestätigt wurde, wird er ein neuer Bund genannt. Gottes Gesetz war die Grundlage dieses Bundes. Er diente einfach als Übereinkunft, um die Menschen erneut in Einklang mit Gottes Willen zu bringen und sie in die Lage zu versetzen, Gottes Gesetz zu befolgen. WABT 349 3 Eine weitere Übereinkunft - in der Heiligen Schrift alter Bund genannt - wurde zwischen Gott und dem Volk Israel am Sinai geschlossen und damals durch das Blut von Opfertieren in Kraft gesetzt (vgl. 2. Mose 24,8). Gottes Bund mit Abraham wurde hingegen durch das Blut, das Christus vergoss, besiegelt. Er wird der zweite oder neue Bund genannt (vgl. Lukas 22,20b; Hebräer 9,15), weil das Blut, mit dem er besiegelt wurde, nach dem Blut des ersten Bundes vergossen wurde. Dass der neue Bund schon in den Tagen Abrahams gültig war, geht aus der Tatsache hervor, dass er damals auf zweifache Weise bekräftigt wurde: durch Gottes Zusage und durch seinen Eid - "durch zwei unveränderliche Dinge, bei denen Gott doch unmöglich lügen kann" (Hebräer 6,18 Elb.). WABT 349 4 Wenn aber der Bund mit Abraham schon die Zusage der Erlösung enthielt, wozu wurde dann noch ein weiterer Bund am Sinai geschlossen? In der Sklaverei in Ägypten hatten die Israeliten die Gotteserkenntnis und die Grundsätze des Bundes mit Abraham weitgehend aus den Augen verloren. Als Gott die Israeliten aus Ägypten befreite, wollte er ihnen seine Macht und seine Barmherzigkeit zeigen, damit sie ihn liebten und ihm vertrauten. Er führte sie an das Rote Meer, wo es unmöglich schien, den ihnen nachjagenden Ägyptern zu entkommen. Er wollte, dass sie ihre völlige Hilflosigkeit erkannten und einsahen, dass sie Gottes Hilfe benötigten. Dann erst befreite er sie aus der misslichen Lage. Das erfüllte sie mit Liebe und Dankbarkeit zu Gott, und sie fassten Vertrauen zu seiner Macht, ihnen zu helfen. Als Befreier aus ihrer zeitlichen Knechtschaft band er sie fest an sich. WABT 350 1 Es gab aber noch eine wichtigere Wahrheit, die sie sich einprägen sollten. Da sie inmitten von Götzendienst und verderblichen Einflüssen gelebt hatten, besaßen sie weder eine rechte Vorstellung von Gottes Heiligkeit noch von ihrer außerordentlichen Sündhaftigkeit. Sie erkannten weder ihre völlige Unfähigkeit, aus eigener Kraft dem Gesetz Gottes zu gehorchen, noch die Tatsache, einen Erlöser nötig zu haben. Das mussten sie gelehrt bekommen. WABT 350 2 Gott führte sie zum Sinai, wo er ihnen seine Herrlichkeit offenbarte und ihnen sein Gesetz gab, verbunden mit dem Versprechen, sie unter der Bedingung des Gehorsams reich zu segnen: "Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr ... mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein" (2. Mose 19,5.6). Die Israeliten sahen aber weder ihre Sündhaftigkeit ein, noch erkannten sie, dass es ihnen unmöglich war, ohne Christus Gottes Gesetz zu halten. Sie gingen bereitwillig den Bund mit Gott ein. Davon überzeugt, aus sich selbst heraus gerecht sein zu können, erklärten sie: "Alles, was der Herr befohlen hat, wollen wir tun. Wir wollen seinen Geboten gehorchen" (2. Mose 24,7b NLB). Sie hatten der Verkündigung des Gesetzes beigewohnt und Gottes Ehrfurcht gebietende Majestät miterlebt. Zitternd vor Angst standen sie vor dem Berg. Aber es vergingen nur wenige Wochen, bis sie ihren Bund mit Gott brachen und sich in Anbetung vor einem gegossenen Götzen niederwarfen. Mit Hilfe eines Bundes, den sie gebrochen hatten, konnten sie nun nicht mehr auf Gottes Gunst hoffen. Da begriffen sie ihre Sündhaftigkeit und die Notwendigkeit der Vergebung und spürten, dass sie den Erlöser brauchten, der im Bund mit Abraham offenbart und in den Tieropfern vorausgeschattet wurde. Nun waren sie durch Vertrauen und Liebe mit Gott als ihrem Befreier aus der Sklaverei der Sünde verbunden. Nun waren sie bereit, die Segnungen des neuen Bundes zu schätzen. Der Neue Bund Und Das Gesetz WABT 350 3 Die Bedingungen des alten Bundes hießen: Gehorche und lebe. "Dort [am Sinai] gab ich den Menschen mein Gesetz und machte sie mit meinen Gebo ten vertraut, durch die ein Mensch sein Leben bewahrt, wenn er sie befolgt" (Hesekiel 20,11 NLB, vgl. 3. Mose 18,5b). Aber "verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllt, dass er danach tue!" (5. Mose 27,26). Der neue Bund wurde "auf bessere Verheißungen gegründet" (Hebräer 8,6) - auf die Zusagen, dass Gott die Sünden vergibt und dass seine Gnade das Herz erneuert und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Gesetzes Gottes bringt. "Das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein ... Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken" (Jeremia 31,33. 34). WABT 351 1 Dasselbe Gesetz, das zuerst in Steintafeln gemeißelt wurde, schreibt der Heilige Geist nun auf die Tafeln des Herzens. Anstelle des Versuchs, unsere eigene Gerechtigkeit aufzurichten, nehmen wir die Gerechtigkeit von Christus an. Sein Blut sühnt unsere Sünden; sein Gehorsam wird von Gott angenommen, als stamme er von uns. Dann bringt das vom Heiligen Geist erneuerte Herz "die Frucht ... des Geistes" hervor (Galater 5,22). Durch die Gnade in Christus sind wir dem Gesetz Gottes gehorsam, das uns in Herz und Sinn geschrieben ist. Da wir den Geist, den Christus hat, besitzen, wandeln wir nun, wie er wandelte (vgl. Galater 5,25). Durch das prophetische Wort des Psalmisten erklärte er über sich selbst: "Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen" (Psalm 40,9). Als Jesus unter uns Menschen lebte, sagte er: "Er [der Vater] lässt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt" (Johannes 8,29). WABT 351 2 Der Apostel Paulus stellt die Beziehung zwischen Glaube und Gesetz im neuen Bund klar heraus. Er sagt: "Sind wir nun aus Glauben gerecht gesprochen, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus." (Römer 5,1 ZÜ) "Heben wir also das Gesetz durch den Glauben auf? Gewiss nicht! Im Gegenteil: Wir richten das Gesetz auf." (Römer 3,31 ZÜ) "Denn was dem Gesetz nicht möglich war, was es mit Hilfe des Fleisches nicht schaffte" - es konnte Menschen nicht rechtfertigen, weil sie in ihrer sündigen Natur das Gesetz nicht halten konnten -, "das ist Wirklichkeit geworden: Gott hat seinen Sohn in der Gestalt des von der Sünde beherrschten Fleisches gesandt, als Sühnopfer, und verurteilte damit die Sünde im Fleisch. So sollte der Rechtsanspruch des Gesetzes erfüllt werden unter uns, die wir unseren Weg nicht nach dem Fleisch gehen, sondern nach dem Geist." (Römer 8,3.4 ZÜ) WABT 351 3 Gottes Werk war zu allen Zeiten gleich, obwohl es unterschiedliche Stufen der Entwicklung und verschiedenartige Offenbarungen seiner Macht gab, um die Bedürfnisse der Menschen in den jeweiligen Zeitaltern erfüllen zu können. Von der ersten Verheißung des Evangeliums über die Zeit der Patriarchen, über die Zeit Israels und des Judentums erkennt man bis heute die schrittweise Entfaltung der Absichten, die Gott mit dem Erlösungsplan verfolgte. Derselbe Erlöser, auf den die Riten und Zeremonien des israelitischen Gesetzes typologisch hinwiesen, wird auch im Evangelium offenbart. Die Wolken, die seine göttliche Gestalt verhüllten, sind gewichen. Die Nebel und Schatten sind verschwunden, und Jesus, der Erlöser der Welt, ist offenbart. Er, der vom Berg Sinai das Gesetz verkündet und Mose die Vorschriften des Zeremonialgesetzes übergeben hat, ist derselbe, der die Bergpredigt hielt. Die großartigen Grundsätze der Gottes- und der Nächstenliebe, die er als Grundlage des Gesetzes und der Propheten herausstellte (vgl. Matthäus 22,37-40), sind nur eine Wiederholung dessen, was er den Israeliten durch Mose gesagt hatte: "Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft" (5. Mose 6,4.5). "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (3. Mose 19,18). Der Lehrer ist in den beiden Heilsabschnitten derselbe. Gottes Forderungen sind dieselben. Die Grundlagen seiner Herrschaft sind dieselben, denn alles kommt von ihm. "Bei ihm gibt es kein Zu- und Abnehmen des Lichts und keine Verfinsterung." (Jakobus 1,17 GNB) ------------------------Kapitel 33 - Unterwegs Vom Sinai Nach Kadesch WABT 353 0 4.Mose 10,33 bis 12,16. WABT 353 1 Der Bau des Heiligtums begann erst einige Zeit nach der Ankunft Israels am Sinai. Zu Beginn des zweiten Jahres nach dem Auszug war es fertig. Dann folgten die Weihe der Priester, die Feier des Passa-Festes und die Volkszählung. Auch wurden verschiedene organisatorische Dinge ergänzt, die zum bürgerlichen und religiösen Leben notwendig waren, sodass die Israeliten fast ein Jahr in ihrem Lager am Sinai verbrachten. In dieser Zeit nahm ihr Gottesdienst festere Formen an, und sie erhielten bürgerliche Gesetze, nach denen das Volk regiert werden sollte. Auch eine besser funktionierende Organisation wurde aufgebaut, die das Volk auf den Einzug in das Land Kanaan vorbereitete. WABT 353 2 Die Regierung Israels zeichnete sich durch eine äußerst gründliche Verwaltung aus, die bezüglich Vollständigkeit und Einfachheit wunderbar ablief. Dieselbe Ordnung, die bereits in der Vollendung und Anordnung aller von Gott geschaffenen Werke deutlich zu erkennen war, zeigte sich nun auch bei den Israeliten. Gottes Autorität und Regierung standen im Mittelpunkt. Er war der Herrscher über Israel. Mose war von Gott zum sichtbaren Führer bestimmt worden, um die Gesetze im Namen Gottes umzusetzen. Später wurde ein Rat von 70 Stammesältesten eingesetzt, der ihn in den allgemeinen Regierungsangelegenheiten unterstützen sollte. Dazu kamen die Priester, die den Herrn im Heiligtum um Rat fragten. Oberhäupter oder Fürsten regierten die Stämme. Unter ihnen standen "Oberste über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn" und zuletzt gab es Amtsleute (5. Mose 1,15), die für besondere Aufgaben zur Verfügung standen. Die Ordnung Im Lager Der Israeliten WABT 353 3 Das Lager der Israeliten war genau angeordnet. Es war in drei große Teile gegliedert. Jeder Bereich hatte seinen zugewiesenen Platz. In der Mitte stand das Heiligtum, der Wohnsitz des unsichtbaren Königs. Darum herum lebten die Priester und Leviten. Dahinter lagerten sich ringsum die anderen Stämme. WABT 354 1 Den Leviten war die Aufsicht über das Heiligtum anvertraut und über alles, was im Lager und auf der Wanderung damit verbunden war. Zog man weiter, brachen sie das heilige Zelt ab. War ein Rastplatz erreicht, mussten sie es wieder aufbauen. Kein Angehöriger eines anderen Stammes durfte sich dem Zelt nähern - unter Androhung der Todesstrafe (vgl. 4. Mose 1,51). Gemäß den drei Söhnen Levis wurden die Leviten in drei Arbeitsgruppen eingeteilt. Jede von ihnen erhielt eine besondere Stellung und Aufgabe. Vor dem Heiligtum und ihm am nächsten standen die Zelte von Mose und Aaron vgl. 4. Mose 3,38). Im Süden lagerten die Kehatiter. Sie hatten sich um die Bundeslade und die anderen Einrichtungsgegenstände zu kümmern. Nördlich davon lagerten die Merariter, zu deren Aufgabenbereich die Säulen, Sockelhülsen, Bretter und ähnliche Dinge gehörten. Den Gersonitern, die im Westen auf der Rückseite des Heiligtums lagerten, war die Sorge für die Vorhänge an den Eingängen und alle Umhänge des Vorhofes anvertraut (vgl.4.Mose 4,15-33). WABT 354 2 Auch der Standort jedes Stammes war genau festgelegt. Jeder musste bei seiner Fahne wandern und lagern, wie es der Herr befohlen hatte: "Die Israeliten sollen in einiger Entfernung rings um das Zelt Gottes lagern. Jeder soll beim Banner seiner Heeresabteilung und dem seiner Sippe lagern." (4. Mose 2,2 NLB) "Wie sie lagern, so sollen sie aufbrechen, jeder an seiner Stelle, Feldzeichen um Feldzeichen." (4. Mose 2,17 ZÜ) Alle Nichtjuden, die sich Israel beim Auszug aus Ägypten angeschlossen hatten, waren von den Lagerplätzen der Stämme ausgeschlossen. Diese Menschen sollten in den Außenbezirken des Lagers wohnen. Ihre Nachkommen durften erst ab der dritten Generation in die Volksgemeinschaft aufgenommen werden (vgl.5.Mose 23,8.9). WABT 354 3 Überall im Lager und in dessen Umgebung waren peinliche Sauberkeit und strikte Ordnung vorgeschrieben. Strenge hygienische Vorschriften wurden erlassen. Niemand, der aus irgendeinem Grund unrein geworden war, durfte das Lager betreten (vgl. 4. Mose 5,2.3). Diese Maßnahmen waren unbedingt erforderlich, um eine so große Ansammlung von Menschen vor Krankheiten zu schützen. Außerdem musste auf makellose Ordnung und Reinheit geachtet werden, um sich der Gegenwart des heiligen Gottes zu erfreuen. Er hatte gesagt: "Der Herr, euer Gott, zieht selbst mit euch, um euch zu beschützen und um eure Feinde in eure Hand zu geben. Deshalb soll er nichts Anstößiges bei euch sehen." (5. Mose 23,15 NLB) Die Wanderungen Des Volkes Israel WABT 355 1 Auf allen Wanderungen Israels ging "die Lade des Bundes des Herrn ... vor ihnen her ... um ihnen zu zeigen, wo sie ruhen sollten" (4. Mose 10,33). Getragen von den Söhnen Kehats bildete die heilige Lade mit dem Gesetz Gottes die Vorhut. Vor ihr her gingen Mose und Aaron. In ihrer Nähe gingen die Priester mit den silbernen Trompeten. Sie gaben die Anweisungen, die sie von Mose erhielten, mit ihren Instrumenten an das Volk weiter. Jeder Gruppenführer hatte die Pflicht, gemäß diesen Signalen genaue Anweisungen über alle Marschbewegungen weiterzugeben. Wer es unterließ, diesen Befehlen nachzukommen, wurde mit dem Tod bestraft. WABT 355 2 Gott ist ein Gott der Ordnung. In allem, was mit dem Himmel in Zusammenhang steht, herrscht vollkommene Ordnung. Unterordnung und völlige Disziplin kennzeichnen das Handeln der Engelscharen. Nur Ordnung und harmonisches Zusammenwirken bringen Erfolg. Genau wie zur Zeit Israels verlangt Gott auch heute in seinem Werk Ordnung und gezieltes Vorgehen. Wer in Gottes Diensten steht, muss seine Arbeit klug verrichten - nicht in einer unüberlegten, planlosen Weise. Gott möchte, dass wir in Bezug auf sein Werk Treue und Sorgfalt walten lassen, damit er diesem Werk das Siegel seiner Anerkennung aufdrücken kann. WABT 355 3 Er selbst führte die Israeliten auf allen ihren Wanderzügen. Die Wolkensäule zeigte ihnen den Lagerplatz an, indem sie sich niederließ. Solange sie über dem heiligen Zelt schwebte, musste das Volk im Lager bleiben. Sollten sie ihren Wanderzug fortsetzen, erhob sich die Wolke hoch über das Heiligtum. Wenn das Volk anhielt oder weiterzog, wurde Gott feierlich angerufen. "Wenn die Lade aufbrach, sagte Mose: Steh auf, Herr, dass deine Feinde sich zerstreuen und deine Hasser vor dir fliehen. Und wenn sie ruhte, sagte er: Kehre zurück, Herr, zur großen Menge der Tausendschaften Israels!" (4. Mose 10, 35.36 Elb.) WABT 355 4 Elf Tage nur dauerte der Weg vom Sinai nach Kadesch an der Grenze Kanaans (vgl. 5. Mose 1,2). Mit der Aussicht, bald in das Gelobte Land einzuziehen, setzten Israels Scharen ihren Wanderzug fort, als die Wolke endlich das Zeichen zum Aufbruch gab. Jahwe hatte Wunder getan, als er für ihren Auszug aus Ägypten sorgte. Mit welchen Segnungen durften sie jetzt rechnen, wo sie doch inzwischen einen Bund mit Gott geschlossen und ihn als ihren Herrscher angenommen hatten sowie als auserwähltes Volk des Allerhöchsten anerkannt waren? WABT 355 5 Doch viele verließen den Platz, an dem sie so lange gelagert hatten, mit Zögern. Sie betrachteten ihn schon beinahe als ihr Zuhause. Im Schutz dieser Felsmauern hatte Gott sein Volk versammelt und ihnen - abgeschieden von allen anderen Völkern - sein heiliges Gesetz wiederholt. Sie schauten gern auf diesen heiligen Berg, auf dessen ehrwürdigem Gipfel und kahlen Felsgraten sich Gottes Herrlichkeit wiederholt offenbart hatte. Die ganze Landschaft war für sie so eng mit Gottes Gegenwart und der Anwesenheit seiner heiligen Engel verbunden, dass sie ihnen zu heilig erschien, um sie gedankenlos oder gar gern zu verlassen. WABT 356 1 Auf das Zeichen der Trompeter setzte sich das ganze Lager in Bewegung. Das Heiligtum wurde in der Mitte getragen. Jeder Stamm hatte seinen zugewiesenen Platz eingenommen und zog hinter seinem eigenen Banner her. Aller Augen schauten gespannt danach aus, in welche Richtung sie die Wolke führen würde. Als sie sich nach Osten wandte, wo sich nur schwarze, öde Bergmassen befanden, kam in so manchen ein Gefühl von Trauer und Zweifel auf. WABT 356 2 Je weiter sie kamen, desto beschwerlicher wurde der Weg. Es ging durch steinige Hohlwege und unfruchtbares Ödland. Um sie herum erstreckte sich nur große Wildnis. Sie waren "im Land der Steppen und Schluchten, im dürren und düsteren Land, im Land, das keiner durchwandert und niemand bewohnt" (Jeremia 2,6 EÜ). Soweit das Auge reichte, waren die felsigen Bergschluchten gedrängt voll von Männern, Frauen und Kindern, von Tieren, Wagen und langen Reihen von Groß- und Kleinvieh. Zwangsläufig kamen sie nur langsam und mit Mühe vorwärts. Nach der langen Zeit im Lager waren die Israeliten nicht mehr auf die Gefahren und Unannehmlichkeiten des Weges eingestellt. WABT 356 3 Nach drei Tagen hörte man offene Beschwerden. Sie stammten von der gemischten Menge, von der sich viele noch nicht wirklich mit Israel verbunden hatten und ständig einen Grund zum Nörgeln suchten. Den Beschwerdeführern gefiel die Marschrichtung nicht. Fortwährend schimpften sie über den Weg, den Mose sie führte, obwohl sie genau wussten, dass er doch ebenso wie sie der vorausziehenden Wolkensäule nachging. Unzufriedenheit ist ansteckend. Bald griff sie im ganzen Lager um sich. Ein Erneuter Aufruhr WABT 356 4 Wieder verlangten sie danach, Fleisch zu essen. Obwohl sie reichlich mit Manna versorgt wurden, waren sie nicht zufrieden. Während ihres Sklavenlebens in Ägypten hatten sich die Israeliten gezwungenermaßen mit einfachster Nahrung begnügen müssen. Entbehrungen und schwere Arbeit hatten sie so hungrig gemacht, dass sie ihnen schmackhaft erschien. Aber viele Ägypter, die jetzt unter ihnen lebten, waren eine üppige Kost gewohnt. Sie waren die Ersten, die sich beklagten. Als der Herr ihnen unmittelbar vor dem Sinai Manna schickte, bekamen sie auf ihr Jammern auch Fleisch, aber nur für einen Tag (vgl. 2. Mose 16,13. 14). WABT 357 1 Gott hätte sie genauso leicht mit Fleisch versorgen können, wie mit Manna. Aber diese Einschränkung geschah zu ihrem Besten. Er wollte sie mit einer Nahrung versorgen, die besser ihren Bedürfnissen entsprach als die Fieber erregende Kost, an die sich viele von ihnen in Ägypten gewöhnt hatten. Ihr verdorbener Geschmack sollte sich gesünderen Dingen anpassen, damit sie sich an der Nahrung erfreuten, die Gott ursprünglich für die Menschen vorgesehen hatte - die Früchte, die der Herr Adam und Eva im Garten Eden gab (vgl. 1. Mose 1,29). Deshalb hatte Gott den Israeliten die Fleischnahrung weitgehend vorenthalten. WABT 357 2 Satan verführte sie dazu, diese Einschränkung als ungerecht und hart anzusehen. Er weckte in ihnen die Gier nach verbotenen Dingen, denn er wusste, dass es Sinnlichkeit erregt, wenn man der Esslust ungezügelt nachgibt. Dadurch konnte er das Volk viel leichter unter seine Kontrolle bringen. Der Urheber von Krankheit und Elend greift die Menschen immer da an, wo er sich den größten Erfolg verspricht. Seitdem er Eva dazu verführte, von der Frucht des verbotenen Baumes zu essen, hat er viele Menschen durch die Esslust in Versuchung geführt und zur Sünde verleitet. Auf gleiche Weise stiftete er Israel an, gegen Gott aufzubegehren. Unmäßigkeit im Essen und Trinken verlockt dazu, sich den niedrigen Trieben hinzugeben, und bereitet den Weg, dass Menschen alle moralischen Verpflichtungen außer Acht lassen. Wenn dann Versuchungen auf sie einstürmen, verfügen sie nur über geringe Widerstandskraft. WABT 357 3 Gott hatte die Israeliten aus Ägypten ausgeführt, damit sie als reines, heiliges und glückliches Volk im Land Kanaan wohnten. Um dieses Ziel zu erreichen, unterzog er sie einem Lehrgang in Sachen Disziplin und Selbstbeherrschung - ihnen selbst und ihren Nachkommen zum Nutzen. Wären sie bereit gewesen, im Gehorsam gegenüber seinen weisen Einschränkungen ihre Esslust zu bezähmen, wären ihnen Schwäche und Krankheiten unbekannt geblieben. Ihre Nachkommen hätten sowohl körperliche als auch verstandesmäßige Stärke besessen. Sie hätten eine klare Vorstellung von Wahrheit und Pflicht, ein scharfes Unterscheidungsvermögen und eine gesunde Urteilsfähigkeit gehabt. Aber ihre mangelnde Bereitschaft, sich den Beschränkungen und Forderungen Gottes zu unterwerfen, hinderte sie weitgehend daran, den hohen Stand zu erreichen, den Gott für sie vorgesehen hatte, und die Segnungen zu empfangen, die er für sie bereithielt. WABT 357 4 Der Psalmist Asaf erklärte: "Sie versuchten Gott in ihrem Herzen, als sie Speise forderten für ihr Gelüste, und redeten wider Gott und sprachen: Kann Gott wohl einen Tisch bereiten in der Wüste? Siehe, er hat wohl den Felsen geschlagen, dass Wasser strömte und Bäche sich ergossen; kann er aber auch Brot geben und seinem Volk Fleisch verschaffen? Da der Herr das hörte, entbrannte er im Grimm." (Psalm 78,18-21) Auf der Wanderung vom Roten Meer zum Sinai hatte es bereits häufig Unzufriedenheit und Aufruhr gegeben. Doch aus Mitleid mit ihrer Unwissenheit und Verblendung hatte Gott ihre Sünde bis dahin nicht mit Strafgerichten geahndet. Inzwischen aber hatte er sich ihnen am Sinai offenbart. Sie hatten große Erkenntnis gewonnen, als sie Zeugen seiner Majestät, Macht und Barmherzigkeit wurden. Deshalb luden sie jetzt mit ihrem Unglauben und Aufbegehren größere Schuld auf sich. Außerdem hatten sie sich per Bundesbeschluss dazu verpflichtet, Jahwe als ihren König anzunehmen und ihm zu gehorchen. Jetzt war ihr Aufbegehren eine Rebellion, die schnell und spürbar bestraft werden musste, um Israel vor Gesetzlosigkeit und Untergang zu bewahren. "Das Feuer des Herrn loderte auf unter ihnen und fraß am Rande des Lagers." (4. Mose 11,1) Die schlimmsten Aufwiegler unter ihnen wurden von Blitzen aus der Wolke erschlagen. WABT 358 1 Entsetzt flehte das Volk Mose an, sich bei Gott für sie einzusetzen. Als er das tat, verloschen die Flammen. Zur Erinnerung an dieses Gericht nannte er "den Ort Tabera" - ein Brand (4. Mose 11,3 GNB). WABT 358 2 Doch das Übel war bald schlimmer als zuvor. Statt die Überlebenden zur Demut und Reue zu leiten, schien dieses schreckliche Gericht ihr Aufbegehren nur noch zu steigern. Überall versammelten sie sich am Eingang ihrer Zelte, weinten und jammerten. "Unter dem bunt zusammengewürfelten Haufen von Fremden, die sich dem Volk angeschlossen hatten, brach ein unwiderstehliches Gelüst nach Fleisch aus. Die Israeliten ließen sich davon anstecken und fingen wieder an zu jammern: Wenn uns doch nur jemand Fleisch verschaffen würde! Wie schön war das doch in Ägypten! Da konnten wir Fische essen und mussten nicht einmal dafür bezahlen. Wir hatten Gurken und Melonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch. Aber hier gibt es tagaus, tagein nichts als Manna. Das bleibt einem ja allmählich im Hals stecken!" (4. Mose 11,4-6 GNB) Damit brachten sie ihre Unzufriedenheit über die Nahrung zum Ausdruck, die ihnen der Schöpfer bereitstellte. Dabei erlebten sie ständig den Beweis, dass die Nahrung ihren Bedürfnissen entsprach, denn trotz der beschwerlichen Umstände, denen sie ausgesetzt waren, gab es in all ihren Stämmen keinen einzigen Schwachen oder Kranken. WABT 358 3 Da verlor Mose den Mut. Er hatte Gott angefleht, Israel nicht zu vernichten, obwohl seine eigene Nachkommenschaft ein großes Volk hätte werden können. In seiner Liebe zu den Israeliten hatte er darum gebeten, lieber seinen Namen aus dem Buch des Lebens zu streichen, als sie untergehen zu las- sen. Er hatte alles für sie aufs Spiel gesetzt - und das war nun die Antwort. Alle beschwerlichen Umstände, selbst ihre eingebildeten Probleme bürdeten sie Mose auf. Ihr böses Aufbegehren machte ihm die Last seiner Fürsorge und Verantwortung doppelt schwer. In seinem Kummer geriet er sogar in die Versuchung, Gott zu misstrauen. Sein Gebet war fast eine Klage: "Warum bekümmerst du deinen Knecht? Und warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volkes auf mich legst? ... Woher soll ich Fleisch nehmen, um es all diesem Volk zu geben? Sie weinen vor mir und sprechen: Gib uns Fleisch zu essen. Ich vermag all das Volk nicht allein zu tragen, denn es ist mir zu schwer." (4. Mose 11,11.13.14) Die Berufung Der 70 Ältesten WABT 359 1 Der Herr erhörte sein Gebet und beauftragte ihn, 70 Männer aus den Ältesten Israels zu berufen. Es sollten Männer sein, die nicht nur in einem reifen Alter waren, sondern auch Würde, ein gesundes Urteilsvermögen und Erfahrung besaßen. "Bring sie zum Offenbarungszelt", sagte er. "Dort sollen sie sich mit dir zusammen aufstellen. Dann komme ich herab und rede dort mit dir. Ich nehme etwas von dem Geist, der auf dir ruht, und lege ihn auf sie. So können sie mit dir zusammen an der Last des Volkes tragen, und du musst sie nicht mehr allein tragen." (4. Mose 11,16.17 EÜ) WABT 359 2 Der Herr erlaubte Mose, sich die treuesten und tüchtigsten Männer auszusuchen, die mit ihm die Verantwortung teilen sollten. Ihr Einfluss sollte mithelfen, die Gewalt im Volk unter Kontrolle zu halten und Aufstände zu unterdrücken. Doch ihre Erwählung zeitigte schließlich böse Folgen. Diese Leute wären nie auserwählt worden, wenn Mose das notwendige Vertrauen aufgebracht hätte, das den Offenbarungen der Macht und Güte Gottes, die er selbst erlebt hatte, entsprach. Aber er hatte seine eigenen Belastungen und Dienste aufgebauscht und dabei fast die Tatsache aus den Augen verloren, dass er nur das Werkzeug war, durch das Gott gewirkt hatte. Es gab keine Entschuldigung dafür, dass er auch nur im Geringsten dieser aufrührerischen Haltung, die Israel zum Fluch wurde, nachgab. Hätte er sich voll und ganz auf Gott verlassen, hätte dieser ihn ständig geleitet und ihm für jede Notlage die erforderliche Kraft verliehen. WABT 359 3 Mose erhielt die Anweisung, das Volk darauf vorzubereiten, dass Gott etwas Besonderes tun würde. "Heiligt euch für morgen, so sollt ihr Fleisch zu essen haben; denn euer Weinen ist vor die Ohren des Herrn gekommen, die ihr sprecht: Wer gibt uns Fleisch zu essen? Denn es ging uns gut in Ägypten. Darum wird euch der Herr Fleisch zu essen geben, nicht nur einen Tag, nicht zwei, nicht fünf, nicht zehn, nicht zwanzig Tage lang, sondern einen Monat lang, bis ihr's nicht mehr riechen könnt und es euch zum Ekel wird, weil ihr den Herrn verworfen habt, der unter euch ist, und weil ihr vor ihm geweint und gesagt habt: Warum sind wir aus Ägypten gegangen?" (4. Mose 11,18-20) "600 000 Mann Fußvolk sind es, mit denen ich lebe", rief Mose aus, "und du sprichst: Ich will ihnen Fleisch geben, dass sie einen Monat lang zu essen haben. Kann man so viele Schafe und Rinder schlachten, dass es für sie genug sei? Oder kann man alle Fische des Meeres einfangen, dass es für sie genug sei?" (4. Mose 11,21.22) Sein Misstrauen brachte ihm Gottes Tadel ein: "Ist denn die Hand des Herrn zu kurz? Aber du sollst jetzt sehen, ob sich dir mein Wort erfüllt oder nicht." (4. Mose 11,23) WABT 360 1 Mose gab der Gemeinde die Worte des Herrn weiter und kündigte die Einsetzung der 70 Ältesten an. Dann erteilte er den ausgewählten Männern ihren Auftrag. Der Inhalt könnte heute noch Richtern und Gesetzgebern als Vorbild juristischer Rechtschaffenheit dienen: "Hört eure Brüder an und richtet recht, wenn einer etwas mit seinem Bruder hat oder mit dem Fremdling, der bei ihm ist. Beim Richten sollt ihr die Person nicht ansehen, sondern sollt den Kleinen hören wie den Großen und vor niemand euch scheuen; denn das Gericht ist Gottes." (5. Mose 1,16.17) WABT 360 2 Nun ließ Mose die 70 zum Heiligtum kommen. "Der Herr aber fuhr in der Wolke herab und sprach zu ihm, und er nahm von dem Geist, der auf ihm ruhte und legte ihn auf die siebzig Männer, die Ältesten. Und als der Geist sich auf ihnen niederließ, gebärdeten sie sich wie Propheten, aber nur für kurze Zeit." (4. Mose 11,25 ZÜ) Wie die Jünger zu Pfingsten erhielten sie "Kraft aus der Höhe" (Lukas 24,49). Der Herr wollte sie auf diese Weise für ihre Arbeit vorbereiten und sie in der Gegenwart des Volkes ehren, damit Vertrauen zu ihnen entstand als zu von Gott auserwählten Männern, die gemeinsam mit Mose die Regierung Israels übernehmen sollten. WABT 360 3 Erneut gab Mose ein Beispiel seiner vornehmen und selbstlosen Gesinnung. Zwei von den 70 hielten sich aus Bescheidenheit einer so verantwortungsvollen Stellung nicht für würdig und hatten sich nicht mit den anderen am Heiligtum eingefunden. Aber der Geist Gottes kam über sie dort, wo sie sich gerade befanden, sodass auch sie die prophetische Gabe ausübten. Als Josua davon erfuhr, versuchte er diese Uneinheitlichkeit zu unterbinden, weil er befürchtete, dass es zu einer Aufspaltung führen könnte. Besorgt um die Ehre seines Meisters sagte er: "›Lass das nicht zu!‹ Aber Mose erwiderte: ›Hast du Angst um mein Ansehen? Ich wäre froh, wenn alle Israeliten Propheten wären. Wenn doch der Herr seinem ganzen Volk seinen Geist gegeben hätte!‹" (4. Mose 11,28.29 GNB) WABT 361 1 Plötzlich erhob sich vom Meer her ein starker Wind und trieb riesige Scharen von Wachteln heran. "Er warf sie im Umkreis von einem Tagesmarsch rings um das Lager zur Erde. Die Tiere lagen fast einen Meter hoch." (4. Mose 11,31 GNB) Den ganzen Tag über, in der Nacht und am folgenden Tag sammelte das Volk die Nahrung ein, mit der sie auf so wunderbare Weise versorgt worden waren. Jeder sammelte eine immense Menge. "Jeder hatte hinterher mindestens zehn große Körbe voll." (4. Mose 11,32 Hfa) Was nicht sofort verzehrt zu werden brauchte, wurde getrocknet, sodass der Vorrat einen ganzen Monat lang reichte, wie es versprochen war. WABT 361 2 Gott gab den Israeliten etwas, was nicht zu ihrem Besten diente, weil sie beharrlich darauf bestanden hatten. Sie wollten sich nicht mit dem zufriedengeben, was ihnen zuträglich gewesen wäre. Nun war ihr rebellisches Verlangen befriedigt, aber die Folgen mussten sie tragen. Als sie hemmungslos schlemmten, wurde ihre Maßlosigkeit schnell bestraft. Der Herr "schlug sie mit einer sehr großen Plage" (4. Mose 11,33). Eine große Anzahl wurde von einem verzehrenden Fieber dahingerafft. Die Rädelsführer der Rebellion wurden davon schon befallen, sobald sie von der Speise kosteten, nach der ihnen gelüstet hatte. Aarons Und Mirjams Eifersucht WABT 361 3 Bei Hazerot, der nächsten Lagerstätte nach Tabera, erwartete Mose eine noch schmerzlichere Prüfung. Aaron und Mirjam hatten hoch angesehene Führungsämter in Israel übernommen. Beide waren mit der prophetischen Gabe ausgestattet, beide hatten auf Gottes Anordnung hin Mose bei der Befreiung der Israeliten zur Seite gestanden. "Ich habe Mose, Aaron und Mirjam vor dir hergesandt", lauteten des Herrn Worte durch den Propheten Micha (Micha 6,4b Elb.). Mirjams Charakterstärke war schon früh zum Ausdruck gekommen. Als Kind hatte sie am Ufer des Nils auf das Körbchen aufgepasst, in dem der Säugling Mose versteckt war. Gott hatte damals ihre Selbstbeherrschung und ihr Feingefühl benutzt, um den künftigen Befreier seines Volkes zu bewahren. Da sie dichterisch und musikalisch sehr begabt war, hatte sie am Ufer des Roten Meeres die Frauen Israels bei Gesang und Tanz angeführt. In der Zuneigung des Volkes und der Ehrerweisung des Himmels kam sie gleich nach Mose und Aaron. Aber dasselbe Übel, das am Anfang im Himmel Zwietracht verursachte, keimte auch in dieser Frau Israels. Es war ihr nicht schwer, jemanden zu finden, der mit ihrer Unzufriedenheit sympathisierte. WABT 361 4 Bei der Ernennung der 70 Ältesten waren Mirjam und Aaron nicht zu Rate gezogen worden. Das machte beide auf Mose eifersüchtig. Als die Israeliten noch auf dem Weg zum Sinai waren und Jitro sie besuchte, war in beiden die Sorge wach geworden, dass dessen Einfluss auf Mose vielleicht ihren eigenen übersteigen könnte, weil er den Rat seines Schwiegervaters so bereitwillig annahm. Nun meinten sie, bei der Bildung des Ältestenrates seien ihre Stellung und ihr Ansehen unbeachtet geblieben. Mirjam und Aaron hatten nie die Schwere der Belastung und Verantwortung erfahren, die auf Mose ruhte. Doch weil sie ihm zur Seite gestellt worden waren, meinten sie, im gleichen Umfang wie er die Last der Führung Israels zu tragen. Sie hielten die Berufung weiterer Helfer für unnötig. WABT 362 1 Mose spürte die Bedeutung der großen Aufgabe, die ihm anvertraut war, wie kein anderer. Er war sich seiner eigenen Schwäche bewusst und machte Gott zu seinem Ratgeber. Aaron besaß ein größeres Selbstbewusstsein und vertraute weniger auf Gott. Als ihm Verantwortung übertragen worden war, hatte er versagt. Am Sinai war seine Charakterschwäche sichtbar geworden, als er dem Götzendienst aus niedrigen Beweggründen zustimmte. Aber blind vor Eifersucht und Ehrgeiz verloren Mirjam und Aaron das alles aus den Augen. Aaron war hoch geehrt worden, als Gott seine Familie zum heiligen Priesterdienst berief. Doch leider steigerte gerade dies sein Verlangen nach Selbsterhöhung. Mirjam und er fragten: "Redet denn der Herr allein durch Mose? Redet er nicht auch durch uns?" (4. Mose 12,2) Sie hielten sich von Gott in gleicher Weise bevorzugt und meinten, ihnen stünden die gleiche Stellung und das gleiche Ansehen zu. WABT 362 2 Weil Mirjam ihrer Unzufriedenheit freien Lauf ließ, beschwerte sie sich über Dinge, die Gott eigens übergangen hatte. Sie hatte an Moses Heirat Anstoß genommen. Dass sich Mose eine Frau aus einem anderen Volk statt aus Israel genommen hatte, war in ihren Augen eine Beleidigung ihrer Familie und ihres Nationalstolzes. Darum behandelte Mirjam Zippora mit unverhohlener Verachtung. WABT 362 3 Obwohl man Moses Frau eine "Kuschiterin" nannte (4. Mose 12,1), war sie eine Midianiterin und gehörte somit zu den Nachkommen Abrahams. Aber vom Äußeren her unterschied sie sich von den Israeliten durch eine etwas dunklere Hautfarbe. Auch wenn Zippora keine Israelitin war, betete sie doch den wahren Gott an. Sie war von Natur aus schüchtern und zurückhaltend, freundlich und sanft. Der Anblick von Leid berührte sie äußerst schmerzlich. Deshalb hatte Mose auf dem Weg nach Ägypten eingewilligt, dass sie nach Midian zurückkehrte. Er wollte ihr die Qual ersparen, Augenzeuge der göttlichen Strafgerichte zu werden, die Ägypten treffen sollten. WABT 362 4 Als Zippora ihrem Mann in der Wüste wieder begegnete, sah sie ihm an, dass die Belastung an seinen Kräften zehrte. Sie teilte Jitro ihre Befürchtungen mit, der dann die Maßnahmen zu Moses Unterstützung anregte. Hier lag der Hauptgrund für Mirjams Abneigung gegen Zippora. Sie litt unter der vermeintlichen Vernachlässigung, die sie und ihr Bruder Aaron erfuhren. Sie sah Moses Frau als Ursache dafür an, denn sie schlussfolgerte, dass Zipporas Einfluss Mose bewogen habe, sich nicht mehr wie früher bei ihnen Rat zu holen. Wäre Aaron an dieser Stelle standhaft für das Recht eingetreten, hätte er dem Bösen Einhalt gebieten können. Aber statt Mirjam das Sündhafte ihres Verhaltens deutlich zu machen, war er mit ihr einig. Er hörte auf ihre Beschwerden und teilte bald ihre Eifersucht. WABT 363 1 Schweigend ertrug Mose ihre Beschuldigungen. Während der langen Jahre in Midian, die mit schwerer Arbeit und Warten ausgefüllt waren, hatte er eine bescheidene und langmütige Einstellung entwickelt. Sie hatte ihn darauf vorbereitet, den Unglauben und das Aufbegehren des Volkes und den Stolz und Neid derer zu ertragen, die eigentlich seine zuverlässigsten Helfer hätten sein sollen. "Mose war ein sehr demütiger Mensch, mehr als alle Menschen auf Erden", heißt es von ihm (4. Mose 12,3). Deshalb erhielt er mehr Weisheit und Beistand von Gott als andere. Die Heilige Schrift sagt: "Er lässt die Demütigen gehen im Recht, er lehrt die Demütigen seinen Weg." (Psalm 25,9 ZÜ) Der Herr führt die Demütigen, weil sie lernwillig sind und sich belehren lassen. Sie haben den aufrichtigen Wunsch, Gottes Willen zu erkennen und zu befolgen. Jesus Christus versprach: "Wer seinen Willen tun will, wird erkennen, ob diese Lehre aus Gott ist." (Johannes 7,17 ZÜ) Durch den Apostel Jakobus erklärte er: "Wem es unter euch aber an Weisheit fehlt, der erbitte sie von Gott, der allen vorbehaltlos gibt und niemandem etwas zum Vorwurf macht: Sie wird ihm zuteilwerden." (Jakobus 1,5 ZÜ) Aber seine Zusage gilt nur denen, die bereit sind, dem Herrn in allem zu folgen. Gott beugt den Willen keines Menschen. Darum kann er auch niemanden führen, der zu stolz ist, sich belehren zu lassen, und unbedingt seinen eigenen Weg gehen will. Von innerlich gespaltenen Menschen, die ihrem eigenen Willen folgen, aber vorgeben, Gottes Willen zu tun, schrieb Jakobus: "Ein solcher Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde." (Jakobus 1,7) Mirjams Bestrafung WABT 363 2 Gott hatte Mose erwählt und seinen Geist auf ihn gelegt. Mirjam und Aaron machten sich mit ihrer Auflehnung daher nicht nur an ihrem Führer, den Gott berufen hatte, der Untreue schuldig, sondern auch an Gott selbst. Die aufrührerischen Gerüchtestreuer wurden zum Heiligtum bestellt und Mose persönlich gegenübergestellt. "Dann kam der Herr in der Wolkensäule herab und stellte sich in den Eingang des Zeltes Gottes. Er rief Aaron und Mirjam zu sich und die beiden traten vor." (4. Mose 12,5 NLB) Ihr Anspruch, die Gabe der Weissagung zu besitzen, wurde nicht bestritten. Gott mochte tatsächlich in Gesichten und Träumen zu ihnen gesprochen haben. Aber Mose, dem nach den Worten des Herrn sein "ganzes Haus anvertraut" (4. Mose 12,7) war, gewährte er eine persönlichere Verbindung. Mit ihm sprach Gott "von Mund zu Mund". Deshalb richtete er die Frage an sie: "Warum habt ihr euch denn nicht gefürchtet, gegen meinen Knecht Mose zu reden? Und der Zorn des Herrn entbrannte gegen sie, und er wandte sich weg." (4. Mose 12,8.9) Zum Zeichen seines Missfallens wich die Wolke vom Heiligtum, und Mirjam wurde geschlagen. Sie wurde "aussätzig wie Schnee" (4. Mose 12,10). Aaron blieb zwar verschont, aber Mirjams Bestrafung war auch für ihn eine harte Zurechtweisung. WABT 364 1 Als nun ihr Hochmut bestraft worden war, bekannte Aaron, dass er und seine Schwester gesündigt hatten. Er flehte, Mirjam nicht an dieser abscheulichen und tödlichen Geißel sterben zu lassen. Als Antwort auf Moses Gebete wurde der Aussatz geheilt. Mirjam wurde allerdings sieben Tage lang vom Lager ausgeschlossen. Erst als sie die Gemeinschaft verlassen hatte, ließ sich das Zeichen der Gunst Gottes wieder auf das heilige Zelt nieder. Mit Rücksicht auf ihre hohe Stellung und aus Trauer über ihre schwere Strafe blieben die Israeliten in Hazerot und warteten auf Mirjams Rückkehr. WABT 364 2 Diese Äußerung göttlichen Missfallens sollte für ganz Israel eine Warnung sein. Es sollte dem wachsenden Geist der Unzufriedenheit und des Aufbegehrens Einhalt gebieten. Hätte Gott Mirjams Neid und Missfallen nicht mit einem deutlichen Zeichen bestraft, wären schlimme Folgen daraus entstanden. Neid ist einer der teuflischsten Züge, die ein Mensch besitzen kann, und in den Auswirkungen einer der unheilvollsten. Der weise Mann sagt: "Zorn ist grausam und Wut wie überschäumendes Wasser; doch noch unerträglicher ist Eifersucht." (Sprüche 27,4 GNB) Neid und Eifersucht verursachten die erste Uneinigkeit im Himmel. Wo man sie gewähren ließ, haben sie unsägliches Elend über die Menschen gebracht. "Wo Neid und Streit ist, da sind Unordnung und lauter böse Dinge." (Jakobus 3,16) WABT 364 3 Es sollte nicht als geringfügig gewertet werden, wenn jemand schlecht über andere spricht oder sich zum Richter ihrer Beweggründe oder ihres Verhaltens aufspielt. "Wer seinen Bruder verleumdet oder verurteilt, der verleumdet und verurteilt das Gesetz. Verurteilst du aber das Gesetz, so bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter." (Jakobus 4,11) Es gibt nur einen Richter, nämlich den, "der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und ... das Trachten der Herzen offenbar machen" wird (1. Korinther 4,5). Wer es unternimmt, seine Mitmenschen zu richten und zu verurteilen, maßt sich ein Recht an, das nur dem Schöpfer zusteht. WABT 365 1 Die Bibel lehrt ausdrücklich, dass wir uns vor leichtfertigen Anklagen gegen jene hüten sollen, die Gott als seine Botschafter berufen hat. Der Apostel Petrus beschrieb gewisse Menschen, die verkommene Sünder sind, mit den Worten: "Verwegen und frech, wie sie sind, fürchten sie sich nicht, Majestäten zu lästern, wo doch Engel, die an Stärke und Macht größer sind, kein lästerndes Urteil gegen sie bei dem Herrn vorbringen." (2. Petrus 2,10.11 Schl.) Und Paulus schrieb in einer Unterweisung für jene, die als Gemeindeleiter eingesetzt sind: "Nimm keine Klage gegen einen Ältesten entgegen, es sei denn, sie stützt sich auf zwei oder drei Zeugen." (1. Timotheus 5,19 ZÜ) Gott hat manchen Menschen die große Verantwortung übertragen, Leiter und Lehrer seines Volkes zu sein. Er wird die Gemeindeglieder dafür verantwortlich machen, wie sie mit seinen Dienern umgehen. Wir sollen denen Ehre erweisen, die Gott geehrt hat. Das Gericht, das über Mirjam verhängt wurde, ist eine ernste Warnung. Sie ist an alle gerichtet, die Eifersucht hegen und gegen die murren, denen Gott die Last für sein Werk aufgetragen hat. ------------------------Kapitel 34 - Die Zwölf Kundschafter WABT 366 0 4.Mose 13 und 14. WABT 366 1 Elf Tage nach dem Aufbruch vom Berg Sinai lagerten die Israeliten bei Kadesch in der Wüste Paran, nicht weit entfernt von der Grenze des verheißenen Landes. Hier kam vom Volk der Vorschlag, Kundschafter auszuschicken, um das Land zu erforschen. Mose legte die Angelegenheit Gott vor, der zusammen mit der Erlaubnis die Anweisung erteilte, dass zu diesem Zweck aus jedem Stamm ein Oberhaupt auszuwählen sei. Als die entsprechenden Männer bestimmt waren, gebot ihnen Mose, das Land zu erkunden: die Beschaffenheit, seine Lage, die natürlichen Vorzüge und seine Bewohner - ob sie stark oder schwach, gering oder zahlreich seien. Außerdem sollten sie auf die Art und Fruchtbarkeit des Bodens achten und Früchte des Landes mitbringen. WABT 366 2 Sie zogen hin und nahmen das ganze Land in Augenschein, angefangen von der Grenze im Süden bis hinauf in den äußersten Norden. Nach 40 Tagen kamen sie zurück. Die Israeliten hegten große Hoffnungen und erwarteten die Kundschafter voller Spannung. Die Nachricht von ihrer Rückkehr verbreitete sich von einem Stamm zum anderen und wurde überall begeistert aufgenommen. Das Volk stürmte hinaus, den Kundschaftern entgegen, die trotz ihres gefährlichen Unterfangens unversehrt zurückgekehrt waren. Sie hatten Proben vom dortigen Obst mitgebracht, die die Fruchtbarkeit des Landes bewiesen. Es war gerade die Zeit der Traubenernte. Die Kundschafter hatten eine Traube mitgebracht, die so groß war, dass sie von zwei Männern getragen werden musste. Auch Feigen und Granatäpfel zeigten sie, die dort im Überfluss wuchsen. WABT 366 3 Das Volk freute sich, dass es ein so gutes Land in Besitz nehmen sollte. Aufmerksam hörten die Israeliten zu, als die Kundschafter Mose von ihrem Streifzug berichteten. Kein Wort davon wollten sie sich entgehen lassen. "Wir sind in das Land gekommen, in das ihr uns sandtet", hörten sie, "es fließt wirklich Milch und Honig darin, und dies sind seine Früchte." (4. Mose 13,27) Die Israeliten waren begeistert. Sie wollten der Stimme des Herrn unverzüglich gehorchen, gleich hinaufziehen und das Land einnehmen. Aber nachdem die Kundschafter die Schönheit und Fruchtbarkeit des Landes gepriesen hatten, schilderten alle bis auf zwei ausführlich die Schwierigkeiten und Gefahren, die den Israeliten bei der Eroberung Kanaans bevorstehen würden. Sie zählten die mächtigen Völker auf, die in den verschiedenen Teilen des Landes wohnten. Sie berichteten von großen, befestigten Städten mit ihren starken Bewohnern und behaupteten, es sei unmöglich, sie zu bezwingen. Auch von Riesen erzählten sie, die sie dort gesehen hätten, den Nachkommen Enaks. Es sei deshalb sinnlos, an eine Eroberung des Landes auch nur zu denken. Der Kleinmut Gewinnt Die Oberhand WABT 367 1 Nun schlug die Stimmung um. Hoffnung und Mut machten feiger Verzweiflung Platz, als die Kundschafter ihre Eindrücke schilderten. Sie entsprangen ihrem Unglauben und verrieten ihre Mutlosigkeit, die ihnen Satan eingeflößt hatte. Ihr Misstrauen warf einen dunklen Schatten auf das versammelte Volk. Die große Macht Gottes, die sich so oft zum Segen des auserwählten Volkes offenbart hatte, war vergessen. Die Leute fingen gar nicht erst an nachzudenken. Sie überlegten nicht, dass Gott ihnen gewiss das Land geben werde, wo er sie doch schon so weit geführt hatte. Auch erinnerten sie sich nicht daran, auf welch wunderbare Weise er sie von ihren Unterdrückern befreit hatte - wie er ihnen einen Weg durch das Meer gebahnt und das Heer des Pharao vernichtet hatte, das ihnen nachgejagt war. Sie verloren Gott aus dem Blickfeld und verhielten sich, als müssten sie sich ausschließlich auf die Kraft ihrer Waffen verlassen. WABT 367 2 In ihrem Unglauben setzten sie der Macht Gottes Grenzen und misstrauten der Hand, die sie bis dahin so sicher geführt hatte. Und erneut verfielen sie ihrem alten Fehler, gegen Mose und Aaron aufzubegehren. Das sei nun das Ende all ihrer Hoffnungen, jammerten sie. Das sei nun das Land, für dessen Besitz sie den weiten Weg von Ägypten zurückgelegt hätten! Sie warfen ihren Anführern vor, das Volk zu täuschen und Israel in Schwierigkeiten zu stürzen. WABT 367 3 Das Volk war hoffnungslos, enttäuscht und verzweifelt. Angstvolles Gejammer war zu vernehmen und mischte sich in das allgemeine Stimmengewirr. Da erfasste Kaleb die Lage. Unerschrocken verteidigte er Gottes Zusagen und tat alles, was in seiner Macht stand, um dem üblen Einfluss seiner ungläubigen Begleiter entgegenzuwirken. Einen Augenblick lang wurde das Volk beruhigt und hörte seinen Worten über das Gelobte Land zu, mit denen er ihnen Mut und Hoffnung zusprach. Kaleb widersprach dem, was die anderen gesagt hatten, nicht. Die Mauern waren tatsächlich hoch und die Kanaaniter stark. Aber Gott hatte Israel dieses Land versprochen. "Lasst uns nur hinaufziehen und es in Besitz nehmen", drängte Kaleb, "denn wir werden es gewiss bezwingen!" (4. Mose 13,30 Elb.) WABT 368 1 Aber die anderen zehn unterbrachen ihn und malten die Hindernisse in noch dunkleren Farben aus als zuvor. Sie behaupteten: "Wir können nicht gegen dieses Volk hinaufziehen, denn es ist stärker als wir ... und alle Leute, die wir darin gesehen haben, sind hochgewachsene Männer. Und wir haben dort die Riesen gesehen - die Enakiter stammen von den Riesen ab -, und wir kamen uns vor wie Heuschrecken, und so erschienen wir auch ihnen." (4. Mose 13,31-33 ZÜ) WABT 368 2 Nachdem diese Männer einmal den falschen Weg eingeschlagen hatten, lehnten sie sich hartnäckig gegen Kaleb und Josua sowie auch gegen Mose und Gott auf. Jeder vorgebrachte Einwand machte sie nur noch entschiedener. Sie waren entschlossen, das Volk von jedem Versuch, Kanaan einzunehmen, abzuhalten. Sie verdrehten die Wahrheit, um ihren unheilvollen Einfluss aufrechtzuerhalten. "In diesem Land kann man nicht leben, es verschlingt seine Bewohner", behaupteten sie (4. Mose 13.32 GNB). Dies war nicht nur eine schlechte Nachricht, sondern eine Lüge. Es war ein Widerspruch in sich selbst. Die Kundschafter hatten von einem fruchtbaren, blühenden Land und von groß gewachsenen Menschen berichtet. Das wäre alles aber nicht zutreffend gewesen, wenn ein so ungesundes Klima geherrscht hätte, dass man hätte sagen müssen, das Land verschlinge seine Einwohner. Wenn sich Menschen erst einmal für den Unglauben entschieden haben, unterstellen sie sich der Herrschaft Satans. Niemand kann dann sagen, wozu dieser sie noch führen wird. WABT 368 3 "Da schrien alle Israeliten laut auf und weinten die ganze Nacht hindurch." (4. Mose 14,1 NLB) Bald folgten Aufruhr und offene Revolte, denn Satan hatte sie ganz in seiner Gewalt. Die Leute schienen ihrer Vernunft beraubt zu sein. Sie verfluchten Mose und Aaron. Dabei vergaßen sie, dass Gott ihre bösartigen Worte hörte und der Engel seiner Gegenwart in der Wolkensäule Zeuge ihres schrecklichen Zornesausbruchs wurde. Verbittert rief das ganze Volk aus: "Wären wir doch bloß in Ägypten oder hier in der Wüste gestorben! Ach, wären wir doch schon tot!" (4. Mose 14,2 NLB) Dann richtete sich ihr ganzer Ärger auf Gott: "Warum hat uns der Herr in dieses Land gebracht? Etwa nur, damit wir hier in der Schlacht getötet und unsere Frauen und Kinder als Sklaven verschleppt werden? Wäre es da nicht das Beste für uns, nach Ägypten zurückzukehren? ... Lasst uns einen Anführer wählen und nach Ägypten zurückkehren." (4. Mose 14,3.4 NLB) Damit beschuldigten sie nicht nur Mose der Täuschung, sondern Gott selbst, weil er ihnen ein Land versprochen hätte, das sie gar nicht in Besitz nehmen konnten. Sie gingen sogar so weit, einen Anführer zu ernennen, der sie wieder in das Land ihrer Leiden und Unterdrückung bringen sollte, aus dem sie mit der starken Hand der Allmacht befreit worden waren. WABT 369 1 Gedemütigt und verzweifelt fielen Mose und Aaron "auf ihr Angesicht vor der ganzen Versammlung der Gemeinde der Israeliten" (4. Mose 14,5). Sie wussten nicht, wie sie das Volk von seinem unbesonnenen und aufgebrachten Entschluss abbringen sollten. Kaleb und Josua versuchten, den Aufstand zu dämpfen. Als Ausdruck von Kummer und Entrüstung zerrissen sie ihre Kleider und stürmten unter das Volk. Laut und vernehmlich hörte man sie über den Sturm des Gejammers und rebellischen Kummers hinweg rufen: "Das Land, das wir durchzogen haben, um es zu erkunden, ist sehr gut. Wenn der Herr uns gnädig ist, so wird er uns in dies Land bringen und es uns geben, ein Land, darin Milch und Honig fließt. Fallt nur nicht ab vom Herrn und fürchtet euch vor dem Volk dieses Landes nicht, denn wir wollen sie wie Brot auffressen. Es ist ihr Schutz von ihnen gewichen, der Herr aber ist mit uns. Fürchtet euch nicht vor ihnen!" (4. Mose 14,7-9) WABT 369 2 Das Maß der Bosheit der Bewohner Kanaans war voll. Gott hatte keine Geduld mehr mit ihnen. Ohne seinen Schutz würden sie daher eine leichte Beute sein. Durch den Bund war das Land den Israeliten zugesichert worden. Aber sie glaubten dem verfälschten Bericht der treulosen Kundschafter, durch den das ganze Volk getäuscht wurde. Die Verräter hatten ihr Werk getan. Wenn nur zwei der Männer einen so schlechten Bericht erstattet und die zehn anderen dazu ermutigt hätten, das Land Kanaan im Namen des Herrn einzunehmen, wäre das Volk wegen seines Unglaubens doch dem Rat dieser zwei gefolgt und hätte das Wort der anderen zehn verworfen. Es waren aber nur zwei Kundschafter, die sich für das Rechte einsetzten; zehn standen aufseiten der Rebellion. WABT 369 3 Laut prangerten die ungläubigen Kundschafter Kaleb und Josua an. Es wurde sogar die Forderung laut, sie zu steinigen. Der rasende Pöbel griff nach Wurfgeschossen, um diese treuen Männer zu töten. Mit wütendem Geschrei stürmten sie auf die beiden los. Da fielen ihnen plötzlich die Steine aus den Händen. Ein großes Schweigen überkam sie, und sie bebten vor Angst. Gott selbst hatte eingegriffen, um ihrem mörderischen Vorhaben Einhalt zu gebieten. Die Herrlichkeit seiner Gegenwart erhellte das heilige Zelt wie ein flammendes Licht. Das ganze Volk sah dieses Zeichen des Herrn. Einer, der mächtiger war als sie, hatte sich offenbart. Da wagte keiner mehr, weiter Widerstand zu leisten. Die Kundschafter aber, die einen so üblen Bericht gegeben hatten, kauerten sich starr vor Schreck nieder und suchten dann mit angehaltenem Atem ihre Zelte auf. Die Bestrafung Des Volkes WABT 370 1 Nun machte sich Mose auf und ging in das Heiligtum. Der Herr sprach zu ihm: "Ich will sie mit der Pest schlagen und sie vertilgen und dich zu einem größeren und mächtigeren Volk machen als dieses." (4. Mose 14,12) Doch erneut betete Mose inständig für sie. Er konnte ihrer Vernichtung nicht zustimmen, um selbst der Stammvater eines mächtigeren Volkes zu werden. Er berief sich auf Gottes Barmherzigkeit und flehte ihn an: "Lass nun deine Kraft, o Herr, groß werden, wie du gesagt hast: Der Herr ist geduldig und von großer Barmherzigkeit ... So vergib nun die Missetat dieses Volkes nach deiner großen Barmherzigkeit, wie du auch diesem Volk vergeben hast von Ägypten an bis hierher." (4. Mose 14,17-19) WABT 370 2 Der Herr versprach, die Israeliten nicht auf der Stelle zu vernichten. Aber wegen ihres Unglaubens und ihrer Feigheit konnte er seine Macht nicht zur Unterwerfung ihrer Feinde einsetzen. In seiner Barmherzigkeit befahl er ihnen umzukehren und den einzig sicheren Weg einzuschlagen: den Weg zurück zum Roten Meer! WABT 370 3 Während ihres Aufstands hatten die Israeliten gerufen: "Wären wir doch bloß ... in der Wüste gestorben!" (4. Mose 14,2 NLB) Dieser Wunsch sollte nun in Erfüllung gehen. Der Herr erklärte: "Was ihr da gesagt habt, lasse ich in Erfüllung gehen - so gewiss ich lebe! In dieser Wüste sollt ihr sterben, alle wehrfähigen Männer von 20 Jahren an aufwärts. Das ist die Strafe dafür, dass ihr euch gegen mich aufgelehnt habt. Keiner von euch soll in das Land kommen . Eure kleinen Kinder dagegen, von denen ihr gesagt habt: Sie werden den Feinden in die Hände fallen - die werde ich in das Land hineinbringen, das ihr verschmäht habt." (4. Mose 14,28-31 GNB) Und über Kaleb sagte er: "Nur meinen Knecht Kaleb, weil ein anderer Geist in ihm ist und er mir treu nachgefolgt ist, den will ich in das Land bringen, in das er gekommen ist, und seine Nachkommen sollen es einnehmen." (4. Mose 14,24) So wie die Kundschafter 40 Tage lang unterwegs waren, sollten die Israeliten nun 40 Jahre lang durch die Wüste ziehen (vgl. 4. Mose 14,34). Ein Beispiel Unechter Reue WABT 370 4 Als Mose den Israeliten Gottes Entscheidung bekannt gab, verwandelte sich ihre Wut in Jammern. Sie wussten, dass ihre Bestrafung gerecht war. Die zehn treulosen Kundschafter wurden von Gott mit einer Seuche geschlagen und kamen vor den Augen des ganzen Volkes um. An deren Schicksal erkannte das Volk sein eigenes Verhängnis. WABT 371 1 Nun schienen die Israeliten ihr sündiges Verhalten aufrichtig zu bereuen. Aber sie trauerten mehr über dessen Folgen als aus einem Bewusstsein ihrer Undankbarkeit und ihres Ungehorsams. Als sie merkten, dass der Herr sein Urteil über sie nicht zurückzog, wurde ihr Eigenwille von neuem wach. Sie erklärten, nicht in die Wüste zurückkehren zu wollen. Als Gott ihnen befahl, vor dem Land ihrer Feinde umzukehren, wollte er ihre vorgebliche Unterordnung prüfen. Nun zeigte sich, dass diese nicht echt war. Sie wussten, wie schwer sie gesündigt hatten, als sie ihren unbeherrschten Gefühlen freien Lauf ließen und die beiden Kundschafter töten wollten, die sie gedrängt hatten, Gott zu gehorchen. Doch sie waren nur deswegen entsetzt, einen solch fürchterlichen Fehler begangen zu haben, weil die Folgen für sie persönlich verheerend waren. Ihre Herzen waren unverändert, und es bedurfte nur eines weiteren Anlasses für einen ähnlichen Ausbruch. Dieser bot sich, als Mose ihnen in Gottes Auftrag befahl, wieder in die Wüste zu ziehen. WABT 371 2 Das Urteil, dass Israel erst nach 40 Jahren Kanaan betreten dürfe, war für Mose und Aaron, Kaleb und Josua eine bittere Enttäuschung. Doch ohne Murren nahmen sie Gottes Entscheidung an. Jene aber, die sich über Gottes Führung beklagt hatten und nach Ägypten zurückkehren wollten, weinten und jammerten sehr, als ihnen die Segnungen entzogen wurden, die sie verachtet hatten. Sie hatten sich über Nichtigkeiten beklagt. Nun gab ihnen Gott einen Grund zum Weinen. Wären sie über ihre Sünde wirklich traurig gewesen, als sie ihnen bewusst gemacht wurde, hätte Gott dieses Urteil nicht über sie verhängt. Aber sie betrauerten ihre Strafe. Ihre Traurigkeit war keine echte Reue. Deshalb konnte das Urteil auch nicht rückgängig gemacht werden. Das Vorhaben, Kanaan Einzunehmen WABT 371 3 Die Nacht verging mit Wehklagen, aber am Morgen schöpften sie neue Hoffnung: Sie beschlossen, ihre Feigheit wettzumachen. Als Gott ihnen geboten hatte, hinaufzuziehen und das Land einzunehmen, weigerten sie sich. Doch nun, als er ihnen den Rückzug anordnete, lehnten sie sich genauso gegen ihn auf. Sie fassten den Entschluss, das Land zu erobern und in Besitz zu nehmen. Es wäre doch möglich, dass Gott ihren Einsatz geboten hatte und seinen Plan mit ihnen ändern könnte. WABT 371 4 Gott hatte den Israeliten sowohl das Vorrecht als auch die Pflicht übertragen, das Land zu der Zeit einzunehmen, die er dafür vorgesehen hatte. Aber nach ihrer eigensinnigen Weigerung hatte er diese Erlaubnis wieder zurückgezogen. Satan hatte sein Ziel erreicht, sie am Einzug nach Kanaan zu hindern. Nun trieb er sie dazu an, trotz des göttlichen Verbots gerade das zu tun, was sie sich zu tun geweigert hatten, als Gott es gefordert hatte. So errang der Erzbetrüger einen vollen Sieg, als er sie zum zweiten Mal zum Aufstand gegen Gott veranlassen konnte. Sie hatten bezweifelt, dass die Macht Gottes sie bei ihren Bemühungen zur Einnahme Kanaans unterstützen werde. Nun wagten sie es ohne seine Hilfe aus eigener Kraft. "Wir haben an dem Herrn gesündigt", riefen sie aus. "Wir wollen hinaufziehen und kämpfen, wie uns der Herr, unser Gott, geboten hat." (5. Mose 1,41) So schrecklich verblendet waren sie durch ihren Ungehorsam geworden! Gott hatte ihnen niemals geboten, hinaufzuziehen und zu kämpfen. Sie sollten das Gelobte Land nicht durch einen Feldzug erlangen, sondern durch striktes Befolgen seiner Gebote. WABT 372 1 Obwohl ihre Herzen unverändert blieben, waren sie doch zur Einsicht gebracht worden, dass es eine Sünde und Torheit gewesen sei, sich nach dem Bericht der Kundschafter gegen Gott aufzulehnen. Sie begriffen jetzt, wie wertvoll der Segen war, den sie so übereilt verworfen hatten, und gaben zu, dass ihr eigener Unglaube sie vom Einzug nach Kanaan abgehalten hatte. "Wir haben gesündigt" (4. Mose 14,40), sagten sie und räumten damit ein, dass der Fehler bei ihnen und nicht bei Gott lag, den sie in böser Weise beschuldigt hatten, seine Zusagen an sie nicht zu erfüllen. Selbst wenn ihr Bekenntnis keiner echten Reue entsprang, diente es doch dazu, Gottes Gerechtigkeit im Umgang mit seinem Volk zu bestätigen. WABT 372 2 Gott wirkt heute noch in ähnlicher Weise, seinen Namen zu verherrlichen, indem er Menschen dazu bringt, seine Gerechtigkeit anzuerkennen. Wenn jene, die vorgeben, ihn zu lieben, sich über seine Vorsehung beschweren, seine Verheißungen verachten und sich durch ihr Nachgeben in Versuchungen mit bösen Engeln einlassen, um Gottes Pläne zu durchkreuzen, lenkt der Herr häufig die Umstände so, dass diese Menschen - obwohl sie keine echte Reue empfinden - von ihrer Sünde überzeugt werden. Sie werden gezwungen, ihr böses Verhalten sowie die Gerechtigkeit und Güte Gottes im Umgang mit ihnen einzugestehen. Auf diese Weise ergreift Gott Gegenmaßnahmen, um das Wirken Satans zu entlarven. Obwohl die Einstellung, die zum bösen Verhalten geführt hat, nicht grundlegend geändert wird, werden Bekenntnisse abgelegt, die Gottes Ehre verteidigen und seine treuen Diener rechtfertigen, die wegen ihres Tadels abgelehnt und verleumdet wurden. Genauso wird es am Ende sein, wenn der Zorn Gottes ausgegossen wird. Wenn "der Herr ... mit seinen heiligen Myriaden [unzähligen Tausenden]" kommen wird, um das "Gericht auszuüben gegen alle", wird er "alle Gottlosen ... überführen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben, und von all den harten Worten, die gottlose Sünder gegen ihn geredet haben" (Judas 14.15 Elb.). Jeder Sünder wird dann einsehen und zugeben müssen, dass seine Verurteilung gerecht ist. Der Kampf Endet Mit Einer Niederlage WABT 373 1 Ohne Rücksicht auf Gottes Urteilsspruch bereiteten die Israeliten die Eroberung Kanaans vor. Mit Rüstung und Kriegswaffen ausgestattet waren sie ihrer Meinung nach bestens geeignet, in den Kampf zu ziehen. Aber in den Augen Gottes und seiner betrübten Diener waren sie völlig unzureichend vorbereitet. Als Gott fast 40 Jahre später Israel befahl, hinaufzuziehen und Jericho einzunehmen, versprach er, sie zu begleiten. Die Bundeslade, in der sein Gesetz lag, wurde dem Heer vorangetragen. Die Heerführer, die Gott ernannt hatte, sollten die Truppenbewegungen unter seiner Aufsicht lenken. Unter solcher Leitung konnten die Israeliten keinen Schaden erleiden. Jetzt aber zogen sie gegen Gottes Befehl und gegen das ernste Verbot ihrer Anführer aus - ohne die Bundeslade und ohne Mose -, um sich den Heeren des Feindes zu stellen. WABT 373 2 Die Trompete blies zum Aufbruch, und Mose eilte ihnen mit der Warnung nach: "Warum setzt ihr euch schon wieder über den Befehl des Herrn hinweg? Euer Vorhaben wird nicht gelingen. Zieht nicht in das Land, denn der Herr ist nicht bei euch. Sonst werdet ihr von euren Feinden geschlagen werden. Wenn ihr den Amalekitern und Kanaanitern in der Schlacht gegenübersteht, werdet ihr durchs Schwert umkommen." (4. Mose 14,41-43 NLB) WABT 373 3 Die Kanaaniter hatten von der geheimnisvollen Kraft gehört, die dieses Volk zu beschützen schien, und auch von den Wundern, die um seinetwillen geschehen waren. Darum boten sie nun eine große Streitmacht auf, um die Eindringlinge zurückzuschlagen. Die angreifenden Israeliten waren führerlos. Kein Gebet wurde gesprochen, dass Gott ihnen den Sieg schenken möge. Sie zogen in der verzweifelten Absicht aus, ihr Schicksal zu wenden oder im Kampf zu sterben. Obwohl kampfunerprobt, waren sie doch eine riesige Menge bewaffneter Männer, die den Gegner mit einem plötzlichen, ungestümen Angriff zu überwältigen hofften. Vermessen forderten sie den Feind heraus, der es von sich aus nicht gewagt hätte, sie anzugreifen. WABT 373 4 Die Kanaaniter hatten auf einer felsigen Hochebene Stellung bezogen, die man nur in steilem, gefährlichem Aufstieg über beschwerliche Pässe erreichen konnte. Die immense Anzahl der Israeliten musste zu einer umso schlimmeren Niederlage führen. Langsam wanden sie sich durch die Bergpfade, wobei sie sich den tödlichen Geschossen ihrer Feinde oben aussetzten. Schwere Felsbrocken donnerten herab und färbten die Wege mit dem Blut der Erschlagenen. Wer vom Aufstieg erschöpft die Höhe erreichte, wurde mit aller Kraft zurückgeschlagen, sodass sich die Israeliten mit großen Verlusten zurückziehen mussten. Der Kampfplatz war von Toten übersät. Israels Heer war vollständig zerschlagen. Vernichtung und Tod waren die Folge ihres rebellischen Vorhabens. WABT 374 1 Schließlich waren die Israeliten zur Aufgabe gezwungen. Als die Überlebenden zurückkamen und dem Herrn ihr Leid klagten, "wollte der Herr [ihre] Stimme nicht hören" (5. Mose 1,45). Dieser überraschende Sieg gab Israels Feinden, die das Herannahen des mächtigen Heeres zitternd erwartet hatten, das Vertrauen zurück, sich der Israeliten erwehren zu können. Nun hielten sie alle Berichte von den erstaunlichen Dingen, die Gott für sein Volk getan hatte, für falsch und meinten, es gebe für sie keinen Grund mehr, sich zu fürchten. Diese erste Niederlage der Israeliten gab den Kanaanitern Mut und Entschlossenheit zurück und machte die Eroberung sehr viel schwieriger. Es blieb Israel nichts anderes übrig, als vor den siegreichen Feinden in die Wüste zurückzuweichen - im Wissen, dass hier eine ganze Generation ihr Grab finden werde. ------------------------Kapitel 35 - Der Aufruhr Korachs WABT 375 0 4. Mose 16 und 17. WABT 375 1 Die Strafgerichte, mit denen die Israeliten heimgesucht worden waren, halfen eine Zeitlang, ihr Aufbegehren und ihre Widersetzlichkeit in Schranken zu halten. Aber der aufrührerische Geist war noch in den Herzen und führte schließlich zu den schlimmsten Folgen. Die früheren Rebellionen waren eher Volksaufstände, die plötzlich aus einer gereizten Menge hervorbrachen. Nun aber bildete sich eine von langer Hand geplante Verschwörung mit der festen Absicht, die von Gott selbst eingesetzten Führer zu stürzen. WABT 375 2 Der Kopf dieser Bewegung war Korach, ein Levit aus der Familie Kehats und ein Cousin von Mose. Er war ein fähiger und einflussreicher Mann. Obwohl zum Dienst am Heiligtum bestimmt, war er mit seiner Stellung unzufrieden und strebte nach der Würde des Priesterstandes. Die Übertragung des Priesteramtes auf Aaron und seine Familie hatte Anlass zu Eifersucht und Unzufriedenheit gegeben, denn früher war das Priesteramt dem Erstgeborenen jeder Familie zugefallen. Eine Zeitlang hatte sich Korach der Amtsgewalt von Mose und Aaron nur im Geheimen widersetzt, aber keinen offenen Aufruhr gewagt. Schließlich aber fasste er den kühnen Plan, die zivilen und geistlichen Machthaber zu stürzen. Es fiel ihm nicht schwer, Anhänger zu finden. An die Zelte Korachs und der Kehatiter an der Südseite des Heiligtums grenzte das Lager des Stammes Ruben mit den Zelten Datans und Abirams, zwei seiner Fürsten. Beide schlossen sich bereitwillig Korachs ehrgeizigen Plänen an. Weil sie von Jakobs ältestem Sohn Ruben abstammten, beanspruchten sie die zivile Gewalt für sich. Die Ehre des Priesterstandes wollten sie sich mit Korach teilen. WABT 375 3 Die Stimmung im Volk begünstigte Korachs Pläne. In ihrer bitteren Enttäuschung flammten wie früher Zweifel, Eifersucht und Hass erneut auf, und wie gehabt richteten sich ihre Beschwerden gegen ihren geduldigen Führer. Immer wieder verloren sie die Tatsache aus den Augen, dass der Bundesengel ihr unsichtbarer Führer war, dass in der verhüllenden Wolkensäule Christus vor ihnen herzog und dass Mose alle Anweisungen von ihm empfing. WABT 376 1 Auf keinen Fall wollten sie sich mit dem schrecklichen Urteil abfinden, dass alle in der Wüste umkommen sollten. Deshalb nutzten sie bereitwillig jeden Vorwand, der sie glauben ließ, dass nicht Gott, sondern Mose sie anführe und dieses vernichtende Urteil gesprochen habe. Die größten Anstrengungen des sanftmütigsten Menschen auf Erden reichten nicht aus, den widerstrebenden Geist dieses Volkes zu zähmen. Die Israeliten nahmen sich die erteilte Lehre nicht zu Herzen, obwohl sie die Spuren des göttlichen Missfallens über ihren früheren Eigensinn in den gelichteten Reihen und den fehlenden Volksgenossen noch vor Augen hatten. Erneut erlagen sie der Versuchung. WABT 376 2 Mose hatte es in seinem bescheidenen Hirtenleben viel glücklicher und ruhiger gehabt als in der gegenwärtigen Stellung als Anführer dieser Riesenherde Aufsässiger. Aber er wagte nicht zu wählen. Statt des Hirtenstabes war ihm das Zepter der Macht in die Hand gegeben worden, das er erst niederlegen konnte, wenn Gott ihn davon befreite. WABT 376 3 Gott, der die Geheimnisse aller Menschen kennt, hatte auch die Absichten Korachs und seiner Gefährten durchschaut. Er ließ seinem Volk Warnungen und Unterweisungen zukommen, die es ihm ermöglicht hätten, der Hinterlist dieser Ränke schmiedenden Männer zu entgehen. Die Israeliten hatten kurz zuvor das Gottesgericht über Mirjam erlebt - eine Folge ihrer Eifersucht und ihrer Anklagen gegen Mose. Der Herr hatte erklärt, dass Mose größer sei als ein Prophet: "Von Mund zu Mund rede ich mit ihm ... Warum", fuhr er fort, "habt ihr euch denn nicht gefürchtet, gegen meinen Knecht Mose zu reden?" (4. Mose 12,8) Diese Zurechtweisung war nicht nur für Aaron und Mirjam bestimmt, sondern für ganz Israel. Das Heimliche Vorgehen Korachs WABT 376 4 Korach und seine Mitverschwörer hatten besondere Offenbarungen der Größe und Macht Gottes miterlebt. Sie gehörten zu denen, die mit Mose auf den Berg Sinai stiegen und Gottes Herrlichkeit schauten. Aber seitdem hatten sie sich ziemlich verändert. Anfänglich war es nur eine geringe Versuchung. Als man ihr aber nachgab, wurde sie immer stärker, bis Satan ihre Gedanken beherrschte. Da gingen sie an ihr verräterisches Werk. Unter dem Vorwand, großes Interesse am Wohlergehen des Volkes zu haben, verbreiteten sie zuerst ihr Missfallen hinter vorgehaltener Hand bei Gleichgesinnten und dann bei den führenden Männern Israels. Ihre Unterstellungen wurden so bereitwillig aufgenommen, dass sie sich noch weiter vorwagten, bis sie schließlich glaubten, vom Eifer für Gott angetrieben zu sein. WABT 377 1 Es gelang ihnen, 250 Oberhäupter auf ihre Seite zu ziehen, lauter angesehene Männer im Volk. Mit dieser starken und einflussreichen Unterstützung meinten sie selbstsicher, eine einschneidende Veränderung in der Regierung durchsetzen und deutliche Verbesserungen in Bezug auf die Verwaltung, der Mose und Aaron vorstanden, herbeiführen zu können. WABT 377 2 Aus Eifersucht war Neid geworden, und Neid trieb sie zur Rebellion. Sie hatten die Frage, ob ihrem Anführer Mose das Recht auf ein so großes Maß an Ansehen und Ehre zukomme, so lange zerredet, bis ihnen zuletzt seine Stellung als begehrenswert erschien. Jeder von ihnen könnte das Amt genauso gut ausfüllen wie er. Und sie führten sich gegenseitig mit der Annahme in die Irre, Mose und Aaron hätten sich ihre Stellung eigenmächtig angeeignet. Die Unzufriedenen behaupteten, die beiden Führer hätten sich selbst zu Herrschern über die Gemeinde des Herrn aufgespielt, indem sie sich das Priesteramt und die Regierung angemaßt hätten. Aber ihre Familie habe kein Recht, sich über andere in Israel zu erheben; sie seien nicht heiliger als das Volk. Deshalb sollten sie damit zufrieden sein, auf einer Ebene mit ihren Brüdern zu stehen, die Gott ebenso mit seiner besonderen Gegenwart und seinem Schutz ausgestattet habe. WABT 377 3 Der nächste Schritt der Verschwörer bezog auch das Volk mit ein. Wer im Unrecht ist und eigentlich Tadel verdient, dem ist nichts angenehmer als Mitgefühl und Lob. Auf diese Weise verschafften sich Korach und seine Genossen Aufmerksamkeit und gewannen die Unterstützung der Israeliten. Die Anschuldigung, das Murren des Volkes habe Gottes Zorn heraufbeschworen, wurde als Irrtum zurückgewiesen. Das Volk habe sich nichts zuschulden kommen lassen, weil es nur sein Recht verlangt habe. Mose dagegen sei ein anmaßender Herrscher. Er habe dem Volk vorgeworfen, gesündigt zu haben, obwohl es ein heiliges Volk sei und sich der Herr in seiner Mitte aufgehalten habe. WABT 377 4 Kritisch überprüfte Korach, was auf ihrer Wanderung durch die Wüste vorgefallen war, auf der sie oft in eine missliche Lage geraten und viele infolge ihres Aufbegehrens und Ungehorsams umgekommen waren. Seine Zuhörer meinten nun klar zu erkennen, dass ihre Schwierigkeiten vermeidbar gewesen wären, wenn Mose einen anderen Kurs eingeschlagen hätte. Sie kamen zum Ergebnis, dass all diese Katastrophen ihm anzulasten seien und ihr Ausschluss von Kanaan der schlechten Führung durch Mose und Aaron zuzuschreiben sei. Wäre Korach ihr Führer, würde er ihnen Mut zusprechen, indem er ihre guten Taten loben würde, statt ihre Sünden zu tadeln. Dann hätten die Israeliten eine sehr friedliche und erfolgreiche Wanderung. Anstatt kreuz und quer durch die Wüste zu ziehen, würden sie direkt auf das Gelobte Land zusteuern. WABT 378 1 Bei dieser Verschwörung der Unzufriedenen herrschte unter den verschiedenen Gruppierungen des Volkes eine größere Eintracht und Übereinstimmung als je zuvor. Korachs Erfolg bei seinen Volksgenossen steigerte seine Zuversicht und bestärkte ihn in seiner Auffassung, dass die Anmaßung von Macht seitens Mose für Israels Freiheit verhängnisvoll sei, wenn man ihr nicht Einhalt gebiete. Korach behauptete außerdem, Gott habe ihm diese Sachlage offenbart und ihn dazu ermächtigt, einen Regierungswechsel zu veranlassen, bevor es zu spät sei. Viele wollten aber die Anklagen gegen Mose nicht gelten lassen. Sie erinnerten sich an seine geduldigen und selbstlosen Bemühungen zum Wohl des Volkes. Ihr Gewissen regte sich. Deshalb musste irgendein selbstsüchtiger Grund für Moses großes Interesse an Israel gefunden werden. Korach wiederholte den bereits früher erhobenen Vorwurf, Mose habe sie in die Wüste geführt, um sie dort umkommen zu lassen und sich ihren Besitz aneignen zu können. Der Offene Aufruhr WABT 378 2 Eine Zeitlang führten sie dieses Tun im Geheimen fort. Doch sobald die Bewegung stark genug geworden war, um einen offenen Bruch zu rechtfertigen, setzte sich Korach an die Spitze der Gruppe und klagte Mose und Aaron öffentlich an, dass sie sich eine Vollmacht angemaßt hätten, auf die Korach und seine Gefährten den gleichen Anspruch hätten. Ferner erhob er den Vorwurf, das Volk sei seiner Freiheit und Unabhängigkeit beraubt worden. "Ihr geht zu weit!", sagten die Verschwörer. "Denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist unter ihnen. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Herrn?" (4. Mose 16,3) WABT 378 3 Mose hatte nicht mit einer so hinterhältigen Verschwörung gerechnet. Als er sich ihrer schrecklichen Bedeutung bewusst wurde, fiel er auf sein Angesicht und flehte im Stillen zu Gott. Tieftraurig, aber innerlich ruhig und stark stand er auf. Gott hatte ihm seinen Beistand zugesichert. "Morgen wird der Herr zeigen, wer zu ihm gehört und wen er als heilig anerkennt", sagte er. "Er wird nur den in seine Nähe kommen lassen, den er auserwählt hat." (4. Mose 16,5 GNB) Die Entscheidung sollte auf den folgenden Tag verschoben werden, damit jeder Zeit zur Besinnung hatte. Wer nach dem Priesteramt strebte, sollte dann mit einer Weihrauchpfanne kommen und in der Gegenwart des Volkes vor dem Heiligtum Rauchopfer darbringen. Das Gesetz besagte ganz ausdrücklich, dass nur im Heiligtum dienen durfte, wer auch dazu bestimmt war. Sogar die Priester Nadab und Abihu waren getötet worden, weil sie es unter Missachtung der Weisung Gottes gewagt hatten, mit "fremdem Feuer" zu opfern (vgl. 4. Mose 3,4). Doch Mose forderte seine Ankläger auf, Gott die Entscheidung zu überlassen, wenn sie es wagen wollten, eine so gefährliche Sache zu befolgen. WABT 379 1 Mose sprach Korach und seine Anhänger vom Stamm der Leviten gesondert an: "Ist es euch etwa zu wenig, dass der Gott Israels euch aus der ganzen Gemeinde der Israeliten auserwählt hat, ihm nahe zu sein, in seinem Heiligtum Dienst zu tun und dem Volk zu dienen? Nur du und deine levitischen Brüder dürfen in seine Nähe kommen, und jetzt fordert ihr außerdem noch das Priesteramt! In Wirklichkeit lehnst du dich mit deinen Anhängern gegen den Herrn auf! Wer ist überhaupt Aaron, dass ihr gegen ihn aufbegehrt?" (4. Mose 16,9-11 NLB) Weitere Anschuldigungen Gegen Mose WABT 379 2 Datan und Abiram hatten keinen so kühnen Standpunkt eingenommen wie Korach. Mose hoffte, dass sie in die Verschwörung hineingezogen worden waren, ohne so völlig verkommen zu sein, und bestellte sie zu sich, um sich ihre Beschwerden gegen ihn anzuhören. Aber sie wollten nicht kommen. Sie weigerten sich in unverschämter Weise, seine Autorität anzuerkennen. Ihre Antwort - in Hörweite der Versammlung ausgesprochen - lautete: "Ist's nicht genug, dass du uns aus dem Land geführt hast, darin Milch und Honig fließt, und uns tötest in der Wüste? Musst du auch noch über uns herrschen? Wie fein hast du uns gebracht in ein Land, darin Milch und Honig fließt, und hast uns Äcker und Weinberge zum Erbteil gegeben! Willst du den Leuten auch die Augen ausreißen? Wir kommen nicht!" (4. Mose 16,13.14) WABT 379 3 Damit schilderten sie das Land, in dem sie als Sklaven gelebt hatten, mit genau denselben Worten, die Gott verwendet hatte, um das versprochene Erbe zu beschreiben. Mose wurde beschuldigt, er gebe nur vor, in seinem Tun von Gott geführt zu werden, um dadurch seine eigene Macht zu festigen. Sie brachten zum Ausdruck, sich ihm nicht länger unterordnen zu wollen und sich nicht mehr wie Blinde herumführen zu lassen, heute nach Kanaan, morgen in die Wüste, wie es eben am besten in seine ehrgeizigen Pläne passe. So wurde Mose, der zu ihnen wie ein gütiger Vater und geduldiger Hirte gewesen war, als die Verkörperung eines finsteren Tyrannen und Thronräubers dargestellt. Selbst das Scheitern ihres Einzugs in Kanaan, das die Strafe für ihre eigenen Sünden war, legte man ihm zur Last. WABT 380 1 Die Sympathien des Volkes waren offensichtlich aufseiten der Unzufriedenen. Aber Mose unternahm keinen Versuch, sich zu rechtfertigen. Vor der ganzen Versammlung rief er in ernstem Gebet Gott als Zeugen an, dass seine Beweggründe und sein Verhalten rein und aufrichtig seien. Er flehte zu Gott, dass dieser sein Richter sein möge. Das Eingreifen Gottes WABT 380 2 Am folgenden Morgen fanden sich 250 Oberhäupter mit ihren Räucherpfannen und Korach an der Spitze ein. Man führte sie in den Vorhof des Heiligtums, während sich das Volk draußen versammelte und auf den Ausgang wartete. Es war aber nicht Mose, der es zusammengerufen hatte, um die Niederlage Korachs und seiner Anhänger mitzuerleben, sondern die Rebellen hatten in blinder Vermessenheit das Volk bestellt, weil es Zeuge ihres Sieges werden sollte. Ein großer Teil der Versammelten stand offen auf der Seite Korachs, der große Hoffnungen hatte, sich gegen Aaron durchzusetzen. WABT 380 3 Als sie so vor Gott versammelt waren, "erschien ihnen die Herrlichkeit des Herrn, und der Herr sprach zu Mose und Aaron: ›Tretet von diesem Volk zurück, denn ich will es auf der Stelle vernichten‹ ... Aber Mose und Aaron warfen sich zu Boden. ›Gott, du bist der Herr alles Lebendigen, beteten sie, willst du wirklich das ganze Volk bestrafen, wenn doch nur ein einziger Mann schuldig geworden ist?‹" (4. Mose 16,19-22 NLB) WABT 380 4 Korach hatte die Versammlung verlassen und sich zu Datan und Ab- iram begeben, als sich Mose in Begleitung der 70 Ältesten zu ihnen auf den Weg machte. Er wollte diese Männer, die sich geweigert hatten, zu ihm zu kommen, ein letztes Mal warnen. Die Volksmenge folgte ihnen. Bevor er seine Botschaft ausrichtete, befahl er ihr aufgrund einer Anweisung Gottes: "Weicht von den Zelten dieser gottlosen Menschen und rührt nichts an, was sie haben, damit ihr nicht auch umkommt durch all ihre Sünde." (4. Mose 16,26) Sie gehorchten der Warnung, denn auf allen lag die Befürchtung, dass ein Gottesgericht unmittelbar bevorstand. Die Urheber der Rebellion sahen sich plötzlich von denen im Stich gelassen, die sie verführt hatten, doch ihre Kühnheit war unerschüttert. Der göttlichen Warnung zum Trotz standen sie mit ihren Familienangehörigen am Eingang ihrer Zelte. WABT 380 5 Im Namen des Gottes Israels erklärte Mose nun vor aller Ohren: "Daran sollt ihr merken, dass mich der Herr gesandt hat, alle diese Werke zu tun, und dass ich sie nicht tue aus meinem eigenen Herzen: Werden sie sterben, wie alle Menschen sterben, oder heimgesucht, wie alle Menschen heimgesucht werden, so hat mich der Herr nicht gesandt; wird aber der Herr etwas Neues schaffen, dass die Erde ihren Mund auftut und sie verschlingt mit allem, was sie haben, dass sie lebendig hinunter zu den Toten fahren, so werdet ihr erkennen, dass diese Leute den Herrn gelästert haben." (4. Mose 16,28-30) Die Augen aller Anwesenden waren auf Mose gerichtet, als sie voll Entsetzen und Spannung auf die Erfüllung seiner Worte warteten. Als er zu sprechen aufgehört hatte, teilte sich die Erde und die Verschwörer mit allen, die zu ihnen gehörten, stürzten lebendig in den Abgrund. "So verschwanden sie aus der versammelten Menschenmenge." (4. Mose 16,33 NLB) Da ergriffen die Leute, die Teilhaber an dieser Sünde waren und sich damit selbst verdammt hatten, die Flucht. WABT 381 1 Aber das Gericht war noch nicht beendet. Feuer fuhr aus der Wolke und verzehrte die 250 Oberhäupter, die Rauchopfer dargebracht hatten. Weil diese Männer nicht die Urheber des Aufruhrs waren, wurden sie nicht zusammen mit den Hauptverschwörern getötet. Um ihnen noch Gelegenheit zur Reue zu geben, hatten sie deren Ende miterleben dürfen. Weil aber ihre Sympathien ganz den Aufrührern galten, teilten sie auch deren Schicksal. Die Reuelosigkeit Und Bestrafung Des Volkes WABT 381 2 Als Mose Israel aufforderte, vor dem kommenden Verderben zu fliehen, hätte das Gottesgericht noch aufgehalten werden können. Doch dazu hätten Korach und seine Gefolgsleute bereuen und um Vergebung bitten müssen. Aber ihre halsstarrige Beharrlichkeit besiegelte ihren Untergang. Die ganze Versammlung war an ihrer Schuld beteiligt, denn alle waren mehr oder weniger mit ihnen einer Meinung gewesen. Doch Gott unterschied in seiner großen Barmherzigkeit zwischen den Anführern des Aufruhrs und denen, die sie angeführt hatten. Den Leuten, die sich hatten täuschen lassen, räumte er noch eine Frist zur Umkehr ein. Sie hatten einen überwältigenden Beweis dafür bekommen, dass sie Unrecht hatten und Mose im Recht war. Diese außergewöhnliche Bekundung der Macht Gottes hatte alle Ungewissheit beseitigt. WABT 381 3 Der Engel, der vor den Israeliten herzog - Jesus -, wollte sie vor dem Verderben bewahren. Noch bestand für sie die Möglichkeit der Vergebung. Das Gericht Gottes war dicht an ihnen vorbeigegangen und hatte sie zu Reue und Umkehr aufgefordert. Ein besonderes, nicht aufzuhaltendes Eingreifen vom Himmel hatte ihrer Rebellion ein Ende gesetzt. Wenn sie jetzt auf Gottes Eingreifen reagiert hätten, wäre ihre Rettung noch möglich gewesen. Doch weil sie nur aus Angst vor der Vernichtung flohen, wurde ihre rebellische Haltung nicht geheilt. Entsetzt, aber nicht reumütig, kehrten sie in jener Nacht in ihre Zelte zurück. WABT 382 1 Korach und seine Anhänger hatten ihnen so lange geschmeichelt, bis sie selbst glaubten, sehr gute Menschen und von Mose falsch behandelt worden zu sein. Sollten sie nun zugeben, dass Korach und seine Anhänger Unrecht und Mose Recht hatte, wären sie gezwungen, den Urteilsspruch, in der Wüste sterben zu müssen, als Wort Gottes hinzunehmen. Das aber wollten sie nicht. Sie redeten sich ein, Mose habe sie hintergangen. Eigensinnig hatten sie die Hoffnung genährt, dass eine neue Ordnung aller Dinge anstehe, in der Lob an die Stelle von Tadel und Bequemlichkeit an die Stelle von Sorgen und Kämpfen treten würden. Die Männer, die umgekommen waren, hatten ihnen nach dem Mund geredet und vorgegeben, große Anteilnahme und viel Liebe für sie zu hegen. Daraus schloss das Volk, dass Korach und seine Anhänger gute Menschen gewesen sein mussten und Mose auf irgendeine Weise schuld an ihrem Untergang war. WABT 382 2 Menschen können Gott kaum mehr beleidigen, als wenn sie seine Werkzeuge, durch die er sie retten will, verachten und zurückweisen. Die Israeliten hatten aber nicht nur das getan, sondern vorgeschlagen, Mose und Aaron zu töten! Sie sahen keine Notwendigkeit, für ihre schwere Sünde bei Gott um Vergebung zu bitten. Die Probezeit dieser Nacht nutzten sie nicht zur Reue und zum Bekenntnis, sondern dachten sich einen Weg aus, um die Beweise zu entkräften, die sie als die größten Sünder entlarvten. Noch immer hassten sie die Männer, die Gott berufen hatte, und versteiften sich auf den Standpunkt, sich deren Autorität widersetzen zu müssen. Satan war zur Stelle, um ihr Urteilsvermögen zu trüben und sie blindlings ins Verderben zu stürzen. WABT 382 3 In Panik waren die Israeliten geflohen, als sie den Aufschrei hörten, mit dem die dem Untergang geweihten Aufrührer in den Abgrund stürzten. Sie riefen: "Nur fort! Sonst verschlingt uns die Erde auch!" (4. Mose 16,34 GNB) "Am anderen Morgen aber murrte die ganze Gemeinde der Israeliten gegen Mose und Aaron. Sie sprachen: Ihr habt des Herrn Volk getötet." (4. Mose 17,6) Sie waren drauf und dran, an ihre treuen, sich selbst aufopfernden Führer Hand anzulegen. WABT 382 4 Gottes Herrlichkeit zeigte sich in der Wolke über dem heiligen Zelt. Eine Stimme aus dieser Wolke sprach zu Mose und Aaron: "Entfernt euch schnell aus dieser Gemeinde! Ich will sie auf einen Schlag vernichten!" (4. Mose 17,10 GNB) WABT 382 5 Auf Mose lastete in dieser Angelegenheit keine Sündenschuld. Deshalb hatte er keine Angst und machte sich nicht davon, um das Volk dem Verderben zu überlassen. Er blieb und bewies ihnen in dieser furchtbaren Krise die Fürsorge eines treuen Hirten für die ihm anvertraute Herde. Er flehte zu Gott, doch in seinem Zorn das auserwählte Volk nicht vollständig auszurotten. Durch seine Fürsprache hielt Mose den Arm der Rache zurück, sodass das ungehorsame und rebellische Israel nicht ganz und gar unterging. WABT 383 1 Aber der Bote, der Gottes Zorn vollstreckte, war schon ausgesandt. Eine Seuche verrichtete ihr todbringendes Werk. Auf Anweisung seines Bruders nahm Aaron eine Räucherpfanne, lief mitten unter die Versammlung "und erwirkte Sühnung für das Volk. Und er stand zwischen den Toten und den Lebenden." (4. Mose 17,12.13 Elb.) Mit Aarons Weihrauch stiegen auch Moses Gebete aus dem Heiligtum zu Gott empor. Da nahm die Plage ein Ende, aber erst als 14 700 Israeliten tot dalagen - ein Beweis, dass sich schuldig gemacht hatte, wer am Murren und am Aufruhr beteiligt war. Der Grünende Stab Aarons WABT 383 2 Die Israeliten erhielten noch einen weiteren Beweis dafür, dass Gott das Priesteramt der Familie von Aaron übertragen hatte. Auf Gottes Anweisung hin nahm jeder Stamm einen Stock und schrieb seinen Namen darauf. Auf den Stab des Stammes Levi schrieben sie Aarons Namen. Die Stöcke wurden im Heiligtum "vor der Lade mit dem Gesetz" niedergelegt (4. Mose 17,19). Das Blättertreiben eines Stabes sollte als Zeichen dafür gelten, dass der Herr jenen Stamm zum Priestertum erwählt hatte. "Am nächsten Morgen, als Mose in die Hütte des Gesetzes ging, fand er den Stab Aarons vom Hause Levi grünen und die Blüte aufgegangen und Mandeln tragen." (4. Mose 17,23) Man legte ihn als Beweis dem Volk vor und bewahrte ihn dann im Heiligtum auf, kommenden Generationen zum Zeugnis. Dieses Wunder entschied wirksam den Streit um das Priesteramt. WABT 383 3 Nun stand völlig außer Frage, dass Mose und Aaron kraft göttlicher Machtbefugnis gesprochen hatten. Damit war das Volk gezwungen, die unangenehme Wahrheit zu akzeptieren, dass es in der Wüste sterben musste. "Siehe, wir verderben und kommen um", riefen sie (4. Mose 17,27). Nun gaben sie zu, dass sie gesündigt hatten, als sie gegen Mose und Aaron rebellierten, und dass Korach und seine Anhänger das gerechte Strafgericht Gottes erlitten hatten. WABT 383 4 An Korachs Aufruhr zeigte sich - sozusagen auf einer kleineren Bühne - das Ergebnis des gleichen Geistes, der zu Satans Rebellion im Himmel geführt hatte. Stolz und Ehrgeiz hatten Luzifer dazu verleitet, sich über Gottes Herrschaft zu beschweren und zu versuchen, die Ordnung zu stürzen, die im Himmel galt. Seit seinem Fall verfolgte er das Ziel, die Menschen mit demselben Geist des Neides und der Unzufriedenheit und mit demselben ehrgeizigen Streben nach höherer Stellung und Ehre zu erfüllen. So beeinflusste er das Denken von Korach, Datan und Abiram, weckte in ihnen den Wunsch nach höheren Ehren und fachte Neid, Misstrauen und Rebellion an. Indem Satan sie veranlasste, die von Gott erwählten Männer zurückzuweisen, brachte er sie dazu, Gott selbst als ihren Führer abzulehnen. Durch ihr Aufbegehren gegen Mose und Aaron beleidigten sie ihn, aber sie waren so verblendet, dass sie sich selbst für gerecht hielten und diejenigen als Werkzeuge Satans ansahen, die ihnen gewissenhaft ihre Sünden vorgehalten hatten. Lehren Aus Korachs Aufruhr WABT 384 1 Bestehen die Übel, die zu Korachs Untergang führten, nicht immer noch? Stolz und Ehrgeiz sind weit verbreitet. Wer sie hegt, öffnet dem Neid und dem Streben nach einer Vormachtstellung die Tür. Dadurch wird der Mensch Gott entfremdet und - ohne es zu merken - auf Satans Seite gezogen. Wie Korach und seine Anhänger denken, planen und arbeiten heute selbst bekennende Christen so eifrig daran, sich selbst zu erhöhen, dass sie - um Wohlwollen und Unterstützung zu gewinnen - bereit sind, Gottes Wahrheit zu verdrehen, seine Diener in ein falsches Licht zu setzen und sie zu verleumden. Sie werfen ihnen sogar die gleichen niederträchtigen und selbstsüchtigen Beweggründe vor, von denen sie selbst getrieben werden. Indem sie dauernd ihre Unwahrheiten wiederholen, obwohl klare Gegenbeweise vorliegen, halten sie diese schließlich selbst für wahr. Während sie sich bemühen, das Vertrauen der Menschen in die Männer, die Gott berufen hat, zu erschüttern, glauben sie wirklich, ein gutes Werk zu tun, ja sogar wahrhaftig Gott zu dienen. WABT 384 2 Die Israeliten wollten die Anweisungen und Einschränkungen Gottes nicht hinnehmen. Sie wurden bei Beschränkungen unruhig und wollten keinen Tadel annehmen. Das war das Geheimnis ihres Aufbegehrens gegen Mose. Hätte man sie tun lassen, was ihnen beliebte, wären weniger Beschwerden über ihren Anführer laut geworden. In der ganzen Geschichte der Gemeinde mussten sich Gottes Diener mit dem gleichen Geist auseinandersetzen. WABT 384 3 Wenn Menschen der Sünde nachgeben, verschafft dieses Verhalten Satan Zugang zu ihrem Denken. Sie schreiten von einer Bosheit zur nächsten. Wenn man das geistliche Licht zurückweist, wird der Verstand verfinstert und das Herz verhärtet, sodass es leicht fällt, den nächsten sündigen Schritt zu tun und noch helleres Licht abzuweisen, bis schließlich die schlechten Gewohnheiten eingeprägt sind. Solchen Menschen erscheint Sünde nicht länger sündig zu sein. Wenn dann jemand Gottes Wort gewissenhaft verkündigt und dadurch ihre Sünden tadelt, zieht er sich oft ihre Feindschaft zu. Weil sie den Schmerz und das Opfer für eine Sinnesänderung nicht ertragen wollen, wenden sie sich gegen den Diener des Herrn und prangern seine Ermahnungen als unnötig und hart an. Wie Korach behaupten sie, dass der Fehler nicht bei ihnen liege; der den Tadel ausspricht, verursache den Ärger. Mit dieser Selbsttäuschung beruhigen die Neidischen und die Unzufriedenen ihr Gewissen und schließen sich zusammen, um unter Gottes Volk Zwietracht zu säen und die Bemühungen derer zu schwächen, die es aufbauen möchten. WABT 385 1 Jeder Schritt vorwärts von denen, die Gott berufen hat, um sein Werk zu leiten, hat Verdacht erregt. Jede ihrer Handlungen ist von den Eifersüchtigen und Nörglern falsch dargestellt worden. So war es zur Zeit Luthers, der beiden Brüder Wesley und anderer Reformatoren. Und so ist es auch heute. WABT 385 2 Korach hätte nicht diese falsche Richtung eingeschlagen, wenn er gewusst hätte, dass alle Anweisungen und Rügen, die an Israel gerichtet wurden, von Gott kamen. Aber er hätte es wissen können. Gott hatte ihnen eindeutige Beweise dafür gegeben, dass er selbst Israels Führer war. Doch Korach und seine Anhänger wiesen diese Erkenntnis ab, bis sie so verblendet waren, dass nicht einmal mehr die eindrucksvollsten Bekundungen der Macht Gottes genügten, um sie zu überzeugen. Diese führten sie alle auf menschliche oder satanische Kräfte zurück. Das Gleiche tat auch die Volksmenge, die am Tag nach der Vernichtung Korachs und seiner Anhängerschaft zu Mose und Aaron kam und sagte: "Ihr habt des Herrn Volk getötet." (4. Mose 17,6) Obwohl sie den unwiderlegbaren Beweis für Gottes Missfallen an ihrem Kurs hatten, indem die Männer, die sie in die Irre geführt hatten, vernichtet worden waren, wagten sie es, Gottes Gericht Satan zuzuschreiben. Sie behaupteten, Mose und Aaron hätten durch die Macht des Bösen den Tod guter und frommer Männer verursacht. Damit besiegelten sie ihr eigenes Schicksal. WABT 385 3 Sie hatten die Sünde gegen den Heiligen Geist begangen. Durch diese Sünde verschließt sich das Herz eines Menschen ganz dem Einfluss der Gnade Gottes. "Wer etwas redet gegen den Menschensohn", sagte Christus, "dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird's nicht vergeben." (Matthäus 12,32) Diese Worte sprach unser Erlöser, als die Juden seine Wunder, die er aus Gottes Macht vollbrachte, Satan zuschrieben. Durch den Heiligen Geist teilt sich Gott dem Menschen mit. Wer dieses Wirken absichtlich als satanisch abtut, hat die Verbindung zwischen sich und Gott zerstört. WABT 385 4 Gott wirkt durch seinen Geist, um den Sünder zurechtzuweisen und von seiner Schuld zu überzeugen. Wer aber das Wirken des Geistes endgültig zurückweist, für den kann Gott nichts mehr tun. Gott hat das letzte Mittel seiner Gnade angewandt, aber der Übertreter hat sich selbst von ihm abgeschnitten. Der Sünde aber fehlt das Heilmittel, um sich selbst zu kurieren. Es steht keine Reservekraft zur Verfügung, die Gott benutzen könnte, um den Sünder zu überführen und zur Umkehr zu bringen. "Lass sie machen, was sie wollen!" (Hosea 4,17 Hfa), lautet der göttliche Befehl. Danach "gibt es kein anderes Opfer mehr für diese Sünden. Dann bleibt nur noch das furchtbare Warten auf das göttliche Gericht und das wütende Feuer, das seine Feinde verzehren wird." (Hebräer 10,26.27 NLB) ------------------------Kapitel 36 - Die Jahre In Der Wüste WABT 387 0 5.Mose 8,2-5; 3. Mose 24,10-23; 4. Mose 15,30-36. WABT 387 1 Nahezu 40 Jahre lang entziehen sich die Israeliten in der unbekannten Wüste unserem Blickfeld. Mose sagte im Rückblick: "Die Zeit aber, die wir von Kadesch-Barnea zogen, bis wir durch den Bach Sered kamen, betrug 38 Jahre, bis alle Kriegsleute aus dem Lager gestorben waren, wie der Herr ihnen geschworen hatte. So war die Hand des Herrn wider sie, um sie aus dem Lager zu vertilgen bis auf den letzten Mann." (5. Mose 2,14.15) WABT 387 2 In all diesen Jahren wurde das Volk ständig daran erinnert, dass es unter Gottes Strafe stand. Mit der Rebellion bei Kadesch hatten die Israeliten Gott zurückgewiesen. Deshalb waren sie auch von ihm für diese Zeit zurückgewiesen worden. Weil sie seinem Bund untreu geworden waren, durften sie die Beschneidung - das Zeichen dieses Bundes - nicht empfangen. Ihr Verlangen, in das Land ihrer Knechtschaft zurückzukehren, hatte bewiesen, dass sie der Freiheit nicht würdig waren. Deshalb durfte das Passafest, das an ihre Befreiung erinnerte, nicht gefeiert werden. WABT 387 3 Doch der Priesterdienst im Heiligtum war nicht eingestellt worden und bezeugte, dass Gott sein Volk nicht völlig verlassen hatte. Er sorgte auch weiterhin für ihre Bedürfnisse. "Der Herr, dein Gott, hat dich gesegnet in allen Werken deiner Hände", sagte Mose, als er ihnen die Geschichte des Auszugs und ihrer langen Wanderung vortrug. "Er hat dein Wandern durch diese große Wüste auf sein Herz genommen. 40 Jahre ist der Herr, dein Gott, bei dir gewesen. An nichts hast du Mangel gehabt." (5. Mose 2,7) Und der Lobgesang der Leviten, den Nehemia Jahrhunderte später aufzeichnete, schildert anschaulich Gottes Fürsorge für Israel selbst in diesen Jahren der Zurückweisung und Verbannung. "Du hast sie nicht verlassen, auch dann nicht, als sie sich ein gegossenes Kalb machten und sprachen: ›Das ist unser Gott, der uns aus Ägypten geführt hat!‹ Schreckliche Lästerungen haben sie begangen. Du aber hast sie in deiner großen Barmherzigkeit nicht in der Wüste verlassen. Die Wolkensäule wich nicht von ihnen, die sie am Tag auf dem Weg geleitete, noch die Feuersäule in der Nacht, die ihnen den Weg erleuchtete, auf dem sie gehen sollten. Du hast deinen guten Geist gesandt, um sie zu unterweisen, hast ihnen dein Brot vom Himmel nicht vorenthalten und ihnen weiter Wasser geschenkt, damit sie ihren Durst löschen konnten. 40 Jahre lang hast du sie in der Wüste versorgt, und nie hat es ihnen an etwas gemangelt. Ihre Kleider verschlissen nicht und ihre Füße schwollen nicht an." (Nehemia 9,1721 NLB) WABT 388 1 Die vierzigjährige Wüstenwanderung war nicht nur als Strafe über die Aufrührer und Murrenden verhängt worden, sondern sollte der heranwachsenden Generation zur Erziehung dienen, als Vorbereitung auf den Einzug in das verheißene Land. Mose sagte ihnen danach: "Daran sollt ihr erkennen, dass der Herr, euer Gott, euch auf den rechten Weg bringen will wie ein Vater, der sein Kind erzieht ... um euch auf die Probe zu stellen und zu sehen, ob ihr seinen Weisungen folgen würdet oder nicht. Er ließ euch hungern, damit ihr lernt, dass ihr ohne ihn nicht leben könnt. Und er gab euch das Manna zu essen, von dem ihr bis dahin nichts gewusst hattet, so wenig wie eure Vorfahren; denn er wollte euch zeigen: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern er lebt zuerst und zuletzt von dem Wort, jedem einzelnen Wort, das aus dem Mund des Herrn kommt." (5. Mose 8,5.2.3 GNB) "Er fand sie hilflos in der Wüste, umlauert und umheult von wilden Tieren, da nahm er sie in seine Obhut, er schützte sie mit aller Sorgfalt, so wie ein Mann sein eigenes Auge schützt." (5. Mose 32,10 GNB) Gott dachte: "Mein Volk sind sie, meine Kinder, die mich nicht enttäuschen werden." "Darum ist er uns zu Hilfe gekommen. Er hat uns seinen Engel gesandt und unserer Not ein Ende gemacht; denn unsere Bedrängnis machte ihm selber Not. Er war voll Liebe und Erbarmen zu uns und hat uns immer wieder gerettet - wie ein Vater hat er für uns gesorgt in so vielen Generationen." (Jesaja 63,8.9 GNB) WABT 388 2 Trotzdem handeln die einzigen Berichte über ihr Leben in der Wüste nur von Fällen der Rebellion gegen Gott. Der Aufstand Korachs hatte die Vernichtung von 14 700 Israeliten zur Folge. Und weitere vereinzelte Fälle zeigten die gleiche Verachtung der Autorität Gottes. Ein Fall Von Gotteslästerung WABT 388 3 Einmal ging es um den Sohn einer israelitischen Frau und eines Ägypters, um jemanden aus der gemischten Menge, die mit den Israeliten aus Ägypten ausgezogen war. Der Sohn verließ seinen Teil des Lagers, betrat den Bereich der Israeliten und beanspruchte das Recht, dort sein Zelt aufzuschlagen. Das Gesetz Gottes verbot ihm das, denn die Nachkommen eines Ägypters waren bis in die dritte Generation vom Volk Israel ausgeschlossen (vgl. 5. Mose 23,8.9). Darüber kam es zum Streit zwischen ihm und einem Israeliten. Die Angelegenheit kam vor einen Richter, und der entschied gegen ihn. WABT 389 1 Wütend über diesen Entscheid verfluchte er den Richter und lästerte in höchster Erregung den Namen Gottes. Sofort brachte man ihn vor Mose. Gott hatte zwar befohlen: "Wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben" (2. Mose 21,17), aber für einen Fall wie diesen gab es keine entsprechende Bestimmung. Diese Übertretung war aber so schlimm, dass man es für notwendig hielt, Gott um eine besondere Anweisung zu bitten. Der Mann wurde in Gewahrsam genommen, bis man Gottes Willen erfahren hatte. Gott selbst sprach das Urteil. Auf seine Anweisung wurde der Gotteslästerer aus dem Lager geführt und zu Tode gesteinigt. Die Zeugen seines Vergehens legten ihm die Hände auf den Kopf und bestätigten auf diese Weise, dass die Anklage gegen ihn der Wahrheit entsprach. Nachdem diese Zeugen die ersten Steine auf ihn geworfen hatten, vollstreckte das Volk mit ihnen zusammen das Urteil. Daraufhin wurde ein Gesetz verkündet, nach dem bei ähnlichen Vergehen verfahren werden sollte: "Wer seinem Gott flucht, der soll seine Schuld tragen. Wer des Herrn Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Ob Fremdling oder Einheimischer, wer den Namen lästert, soll sterben." (3. Mose 24,15.16) WABT 389 2 Manche zweifeln an Gottes Liebe und Gerechtigkeit, weil er Worte so schwer bestraft, die in einer Erregung ausgesprochen worden sind. Aber gerade Liebe und Gerechtigkeit erfordern die Klärung: Worte, die aus Bosheit gegen Gott geäußert werden, sind eine große Sünde. Die Vergeltung, die an diesem ersten Übeltäter vollstreckt wurde, sollte andere daran erinnern, Gottes Namen nur mit Ehrfurcht zu gebrauchen. Hätte man die Sünde dieses Mannes durchgehen lassen, hätte das die Moral anderer untergraben. Letztlich hätten viele deshalb ihr Leben lassen müssen. WABT 389 3 Die Nichthebräer, die sich beim Auszug aus Ägypten den Israeliten angeschlossen hatten, führten diese ständig in Versuchung und Schwierigkeiten. Sie behaupteten, der Götzenverehrung abgesagt zu haben und den wahren Gott anzubeten. Aber ihre frühere Erziehung und Ausbildung hatten ihre Gewohnheiten und ihren Charakter geprägt. Sie waren deshalb mehr oder weniger vom Götzendienst verdorben und ließen es an Ehrfurcht vor Gott fehlen. Meistens waren sie es, die Streit entfachten, und sie waren die Ersten, die sich beklagten. Wie Sauerteig durchsetzten sie das Lager mit ihren götzendienerischen Praktiken und ihrem Murren gegen Gott. Eine Missachtung Des Sabbatgebots WABT 390 1 Bald, nachdem die Israeliten in die Wüste zurückgekehrt waren, kam es zu einem Fall von Sabbatübertretung. Die Umstände machten ihn zu einer Angelegenheit von besonderer Schuld. Gottes Ankündigung, Israel zu enterben, hatte eine rebellische Haltung aufflammen lassen. Einer aus dem Volk war wütend, weil ihm der Zutritt nach Kanaan verwehrt war. Er war entschlossen, seine Verachtung für Gottes Gesetz kundzutun. Er wagte es, das vierte Gebot zu übertreten, indem er am Sabbat außerhalb des Lagers Brennholz sammelte. Während der Wüstenwanderung war das Entfachen von Feuer am siebten Tag verboten (vgl. 2. Mose 35,3). Das Verbot sollte nicht im Land Kanaan gelten, wo es wegen der Härte des Klimas oft eine Notwendigkeit war, Feuer zu machen. Doch in der Wüste benötigte man kein Feuer, um sich zu wärmen. Der Mann übertrat willentlich und absichtlich das vierte Gebot. Es war keine Sünde aus Gedankenlosigkeit oder Unwissenheit, sondern aus Vermessenheit. WABT 390 2 Er wurde bei seiner Tat ergriffen und zu Mose gebracht. Es war bereits verkündet worden, dass eine Sabbatübertretung mit dem Tod zu bestrafen sei (vgl. 2. Mose 35,2). Aber Gott hatte die Israeliten noch nicht wissen lassen, wie die Strafe vollstreckt werden sollte. Mose legte nun Gott den Fall vor, und der Herr antwortete: "Der Mann soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen draußen vor dem Lager." (4. Mose 15,35) Gotteslästerung und absichtliche Sabbatübertretung wurden mit derselben Strafe geahndet, denn beide drückten eine Missachtung der Autorität Gottes aus. WABT 390 3 In unserer Zeit lehnen die meisten Christen den Schöpfungssabbat als eine jüdische Einrichtung ab. Sie behaupten, dass, wenn er wirklich zu feiern wäre, auch seine Übertretung mit dem Tod bestraft werden müsste. Aber wir sehen, dass auf Gotteslästerung dieselbe Strafe stand wie auf Sabbatübertretung. Darf man daraus schließen, dass auch das dritte Gebot (vgl. 2. Mose 20,7) abgeschafft wurde und nur für die Juden verbindlich ist? Außerdem lässt sich das Argument bezüglich der Todesstrafe neben dem vierten auch auf das dritte und fünfte Gebot, ja auf fast alle zehn Gebote anwenden (vgl. 2. Mose 21,12.15-17; 5. Mose 22,22). Wenn auch Gott die Übertretung seines Gesetzes heute nicht sofort bestraft, sagt sein Wort doch deutlich, dass "der Lohn der Sünde ... der Tod" ist (Römer 6,23a NLB). Im Endgericht wird sich herausstellen, dass mit dem Tod bestraft wird, wer Gottes heilige Gebote übertreten hat. WABT 390 4 Während der 40 Jahre in der Wüste wurden die Israeliten jede Woche durch das Mannawunder an die heilige Verpflichtung erinnert, den Sabbat einzuhalten. Doch nicht einmal das machte sie gehorsam. Zwar wagten sie keine so offenkundigen und dreisten Übertretungen wie diese, welche die erwähnte schwere Strafe zur Folge hatte. Dennoch nahmen sie das vierte Gebot auf die leichte Schulter. Durch einen seiner Propheten ließ Gott später verkünden: "Sie entheiligten meine Sabbate sehr." (Hesekiel 20,13) Und dies wird unter den Gründen aufgeführt, weshalb die erste Generation freier Israeliten vom Land, das ihnen Gott versprochen hatte, ausgeschlossen wurde (vgl. Verse 13-24). Selbst ihre Kinder lernten nichts daraus. Auch während der vierzigjährigen Wanderung missachteten sie den Sabbat immer wieder. Gott verwehrte ihnen zwar nicht das Betreten Kanaans, kündigte ihnen jedoch an, dass sie unter die Heiden verstreut würden, nachdem sie sich im Gelobten Land niedergelassen hatten (vgl. Hesekiel 20,23; 3. Mose 26,33). Das Ende Der Wanderschaft WABT 391 1 Von Kadesch aus war Israel in die Wüste zurückgekehrt. Schließlich näherte sich die Zeit ihrer Wüstenwanderung dem Ende. "Im ersten Monat des Jahres kamen die Israeliten, die ganze Gemeinde, in die Wüste Zin. Längere Zeit blieben sie in der Oase Kadesch. Während dieser Zeit starb Mirjam und wurde dort bestattet." (4. Mose 20,1 GNB) Am Ufer des Roten Meeres hatte sie Jubelszenen erlebt, als Israel mit Gesang und Reigentanz Jahwes Sieg feierte. Nun beendete ein Grab in der Wüste ihre lebenslange Wanderschaft. Und wie ihr war es Millionen ihrer Landsleute ergangen, die einst mit hochgespannten Erwartungen Ägypten verlassen hatten. Ihre Sünden hatten den Segenskelch von ihren Lippen gestoßen. Würde die nächste Generation daraus die entsprechende Lehre ziehen? WABT 391 2 "Zu dem allen sündigten sie noch mehr und glaubten nicht an seine Wunder ... Wenn er den Tod unter sie brachte, suchten sie Gott und fragten wieder nach ihm und dachten daran, dass Gott ihr Hort ist und Gott, der Höchste, ihr Erlöser." (Psalm 78,32.34.35) Doch sie wandten sich nicht mit aufrichtiger Absicht zu Gott. Wenn ihre Feinde sie bedrängten, suchten sie zwar Hilfe bei ihm, der allein sie retten konnte. Doch "ihr Herz hing nicht fest an ihm, und sie hielten nicht treu an seinem Bund. Er aber war barmherzig und vergab die Schuld und vertilgte sie nicht und wandte oft seinen Zorn ab ... Denn er dachte daran, dass sie Fleisch sind, ein Hauch, der dahinfährt und nicht wiederkommt." (Psalm 78,37-39) ------------------------Kapitel 37 - Der Geschlagene Fels WABT 392 0 4. Mose 20,1-13. WABT 392 1 Aus dem geschlagenen Felsen am Berg Sinai ergoss sich zum ersten Mal der Lebensstrom, der die Israeliten in der Wüste erfrischte (vgl. 2. Mose 17,5.6). Wo immer sie es auf ihrer Wanderung benötigten, erhielten die Israeliten Wasser durch ein gnädiges Wunder Gottes. Das Wasser floss aber nicht für immer aus dem Sinai. Wo sie auch gerade waren - in der Nähe ihres Lagers sprudelte es aus Felsspalten hervor. WABT 392 2 Durch die Kraft seines Wortes ließ Christus den erfrischenden Bach für Israel strömen: "Und tranken denselben geistlichen Trank. Sie tranken ja aus dem geistlichen Felsen, der mit ihnen ging, und dieser Felsen war Christus." (1. Korinther 10,4 GNB) Er war die Quelle aller zeitlichen und geistlichen Segnungen. Christus, der wahre Fels, war auf all ihren Wegen bei ihnen. "Sie litten keinen Durst, als er sie in der Wüste leitete. Er ließ ihnen Wasser aus dem Felsen fließen, er spaltete den Fels, dass Wasser herausrann." (Jesaja 48,21) "Bäche liefen in der dürren Wüste." (Psalm 105,41) WABT 392 3 Der geschlagene Fels war ein Sinnbild für Christus, durch das uns die wertvollsten geistlichen Wahrheiten vermittelt werden. Wie das Leben spendende Wasser aus dem geschlagenen Felsen floss, so kommt von Christus, der "von Gott geschlagen" war und "um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen" wurde (Jesaja 53,4.5), der Strom des Heils für eine verlorene Menschheit. Wie der Felsen nur einmal geschlagen wurde, "so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen" (Hebräer 9,28). Unser Erlöser musste kein zweites Mal geopfert werden. Wer Rettung und seinen Segen sucht, braucht nur in seinem Namen darum zu bitten. Sein tiefes Verlangen darf er ihm reumütig vorlegen. Durch solch ein Gebet verweist der Sünder beim himmlischen Herrscher auf die Wunden des Gekreuzigten. Dann wird das Leben spendende Blut frisch seine Wirkung entfalten, wie es durch die Wasserbäche, die für Israel in der Wüste geflossen sind, bildhaft dargestellt wurde. WABT 393 1 Noch nach der Einnahme Kanaans feierten die Israeliten das fließende Wasser in der Wüste mit großen Freudenkundgebungen. Zur Zeit, als Christus lebte, wurde diese Feier zu einer höchst eindrucksvollen Zeremonie. Sie fand während des Laubhüttenfestes statt, wozu sich die Bevölkerung aus dem ganzen Land in Jerusalem versammelte. An jedem der sieben Festtage zogen die Priester mit Musik und dem Chor der Leviten hinaus, um in einem goldenen Gefäß Wasser aus der Quelle Siloah zu schöpfen. Die Menge der Gläubigen folgte ihnen, und wer in die Nähe der Quelle gelangen konnte, trank daraus. Es ertönten Jubellieder: "Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen." (Jesaja 12,3) Dann trugen die Priester das Wasser zum Tempel - unter Trompetenschall und Jubelgesang: "Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem." (Psalm 122,2) Schließlich wurde das Wasser über dem Brandopferaltar ausgegossen, wozu Loblieder erklangen. Dabei stimmte die Menge als triumphierender Chor in das Spiel der Musikinstrumente und in den tief tönenden Trompetenschall ein. Wasser Als Sinnbild Der Erlösung WABT 393 2 Der Erlöser benutzte diese symbolische Feier, um die Gedanken des Volkes auf die Segnungen zu lenken, die er ihnen bringen wollte. "Am letzten Tag des Festes, welcher der höchste war", trat er auf und rief durch die Tem- pelvorhöfe: "Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen." Johannes gab dazu die Erklärung: "Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten." (Johannes 7,3739) Das frische Wasser, das aus einem trockenen und unfruchtbaren Boden hervorsprudelt, das wüste Land erblühen lässt und den Sterbenden Leben spendet, ist ein Symbol für die göttliche Gnade, die nur Christus schenken kann. Sie ist wie lebendiges Wasser. Sie reinigt, erfrischt und stärkt den inneren Menschen. Wer mit Christus verbunden ist, besitzt eine nie versiegende Quelle der Gnade und Kraft. Jesus macht das Leben froh und erleuchtet den Weg aller, die ihn wirklich suchen. Die Liebe, die sie von ihm erhalten, äußert sich in guten Werken und führt zum ewigen Leben. Sie wird aber nicht nur den Menschen, die diese Liebe verströmen, zum Segen. Der Strom lebendigen Wassers wird sich bei ihnen in gerechten Worten und Taten äußern, um alle um sie herum zu erfrischen, die danach verlangen. WABT 394 1 Dasselbe Bild hatte Christus schon im Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen benutzt: "Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt." (Johannes 4,14) Christus vereint beide typologischen Symbole in sich: Er ist der Fels und das lebendige Wasser. WABT 394 2 Dieselben schönen und ausdruckvollen Bilder finden sich in der ganzen Bibel. Jahrhunderte vor dem ersten Kommen des Messias wies Mose auf ihn hin als den "Fels des Heils" für Israel (vgl. 5. Mose 32,15). Der Psalmist sang: "Mein Erlöser" (Psalm 19,15), "der Fels meiner Stärke" (Psalm 62,8), "mein Fels und meine Burg" (Psalm 71,3). Er nannte ihn "einen hohen Felsen" (Psalm 61,3). In Davids Lied wird Gottes Gnade als "frisches Wasser" zwischen grünen Auen geschildert, auf die der himmlische Hirte seine Herde führt (vgl. Psalm 23,2). "Du tränkst sie mit Wonne", sagte er, "wie mit einem Strom. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens." (Psalm 36,9.10) Und der weise Salomo verkündete: "Die Quelle der Weisheit ist ein sprudelnder Bach." (Sprüche 18,4) Für Jeremia war Christus "die lebendige Quelle" (Jere- mia 2,13), und Sacharja nannte ihn "einen offenen Quell ... gegen Sünde und Befleckung" (Sacharja 13,1). WABT 394 3 Jesaja bezeichnete ihn als einen "Fels der Ewigkeiten" (Jesaja 26,4 Elb.) und als "Schatten eines großen Felsens im trockenen Land" (Jesaja 32,2). Er schrieb Gottes wunderbare Zusagen nieder, die anschaulich an das frische Wasser erinnerten, das für Israel geflossen war: "Die Elenden und Armen suchen Wasser, und es ist nichts da, ihre Zunge verdorrt vor Durst. Aber ich, der Herr, will sie erhören; ich, der Gott Israels, will sie nicht verlassen." (Jesaja 41,17) "Ich will Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das Dürre." (Jesaja 44,3) "Es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Land." (Jesaja 35,6) Die Einladung lautet: "Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser!" (Jesaja 55,1) Auf den letzten Seiten der Heiligen Schrift wird diese Einladung wiederholt. Der "Strom [des] lebendigen Wassers, klar wie Kristall", geht aus von "dem Thron Gottes und des Lammes", und ihr gnadenvoller Aufruf erschallt durch die Jahrhunderte: "Wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst." (Offenbarung 22,1.17) Eine Glaubensprüfung WABT 394 4 Unmittelbar bevor die Israeliten Kadesch erreichten, versiegte der erfrischende Wasserstrom, der sich so viele Jahre neben ihrem Lager ergossen hatte. Der Herr wollte sein Volk prüfen, ob es seiner Fürsorge vertraute oder dem Unglauben seiner Väter folgte. WABT 395 1 Kanaans Berge waren bereits in Sicht. Nach wenigen Tagesmärschen würden sie an der Grenze des versprochenen Landes stehen. Es war nicht mehr weit bis Edom, dessen Bewohner die Nachkommen Esaus waren. Durch ihr Land führte der vorgezeichnete Weg nach Kanaan. Mose hatte den Auftrag erhalten: "Wendet euch nach Norden. Und gebiete dem Volk und sprich: Ihr werdet durch das Land eurer Brüder, der Söhne Esaus, ziehen, die auf dem Seir wohnen, und sie werden sich vor euch fürchten. ... Speise sollt ihr für Geld von ihnen kaufen, damit ihr zu essen habt, und Wasser sollt ihr für Geld von ihnen kaufen, damit ihr zu trinken habt." (5. Mose 2,3.4.6) Diese Anweisungen erklärten ausreichend, warum ihre Versorgung mit Wasser aufgehört hatte. Sie waren im Begriff, durch ein reich bewässertes, fruchtbares Land zu ziehen, geradewegs auf Kanaan zu. Gott hatte ihnen eine ungehinderte Reise durch Edom mit der Möglichkeit zugesagt, Nahrung und genügend Wasser für das Volk zu kaufen. Deshalb hätte das Versiegen des wunderbaren Wasserstromes eigentlich ein Anlass zur Freude sein sollen, denn es war ein Zeichen dafür, dass die Wüstenwanderung zu Ende ging. Wären sie nicht durch ihren Unglauben wie mit Blindheit geschlagen gewesen, hätten sie das auch verstanden. Aber das, was eine Bestätigung dafür sein sollte, dass Gott sein Versprechen erfüllt, nahmen sie zum Anlass, um zu zweifeln und zu murren. Das Volk schien alle Hoffnung verloren zu haben, dass Gott sie jemals in den Besitz des Landes Kanaan bringen könnte. Es schrie lautstark nach den Wohltaten der Wüstenwanderung. WABT 395 2 Bevor Gott den Israeliten erlaubte, Kanaan zu betreten, mussten sie zeigen, dass sie seinen Zusagen vertrauten. Das Wasser versiegte, bevor sie Edom erreichten. Nun hatten sie für kurze Zeit Gelegenheit, "im Glauben" voranzugehen "und nicht im Schauen" (2. Korinther 5,7). Aber schon die erste Prüfung entfesselte dieselbe rebellische, undankbare Einstellung, die ihren Vätern eigen war. Kaum hörte man im Lager den Ruf nach Wasser, vergaßen sie auch schon die Hand, die so viele Jahre lang ihre Bedürfnisse gestillt hatte. Statt Gott um Hilfe zu bitten, murrten sie gegen ihn und riefen in ihrer Verzweiflung: "Ach, dass wir umgekommen wären, als unsere Brüder umkamen vor dem Herrn!" (4. Mose 20,3) Das heißt, sie hätten lieber zu denen gehört, die bei Korachs Aufstand umgekommen waren. WABT 395 3 Ihre Anklagen richteten sich gegen Mose und Aaron: "Warum habt ihr die Gemeinde des Herrn in diese Wüste gebracht, dass wir hier sterben mit unserem Vieh? Und warum habt ihr uns aus Ägypten geführt an diesen bösen Ort, wo man nicht säen kann, wo weder Feigen noch Weinstöcke noch Granatäpfel sind und auch kein Wasser zum Trinken ist?" (4. Mose 20,4.5) WABT 396 1 Da gingen Mose und Aaron zur Tür des Heiligtums und warfen sich vor Gott nieder. Abermals erschien "die Herrlichkeit des Herrn", und Mose erhielt den Befehl: "Nimm den Stab und versammle die Gemeinde, du und dein Bruder Aaron, und redet zu dem Felsen vor ihren Augen; der wird sein Wasser geben. So sollst du ihnen Wasser aus dem Felsen hervorbringen ..." (4. Mose 20,6.8) Das Schwerwiegende Vergehen Von Mose WABT 396 2 Die beiden Brüder - nun bereits betagte Männer - traten vor das Volk. Mose hielt den Stab Gottes in der Hand. Lange hatten sie Israels Aufsässigkeit und Halsstarrigkeit ertragen. Nun aber war auch Moses Geduld zu Ende. "Hört doch, ihr Widerspenstigen!", rief er, "Werden wir für euch Wasser aus diesem Felsen hervorbringen?" (4. Mose 20,10 Elb.) Und statt mit dem Felsen zu reden, wie Gott geboten hatte, schlug er ihn zweimal mit dem Stock. WABT 396 3 Das Wasser sprudelte mehr als reichlich hervor und stillte den Durst der Menge. Aber ein großes Unrecht war geschehen. Mose hatte aus Verärgerung so geredet. Seine Worte waren ein Ausdruck menschlicher Leidenschaft statt heiliger Entrüstung darüber, dass Gott entehrt worden war. "Hört doch, ihr Widerspenstigen!", hatte er gerufen. Diese Beschuldigung traf zwar zu, aber nicht einmal die Wahrheit darf unbeherrscht oder ungeduldig ausgesprochen werden. Als Gott Mose geboten hatte, Israel seine Rebellion vorzuhalten, hatten ihn die Worte geschmerzt und waren nur schwer zu ertragen, doch Gott hatte ihm die Kraft gegeben, die Botschaft auszurichten. Als er aber den Israeliten von sich aus Vorwürfe machte, betrübte er damit den Geist Gottes und schadete dem Volk. Hierbei fehlte es Mose offensichtlich an Geduld und Selbstbeherrschung. So gab er den Israeliten Anlass, sich zu fragen, ob er wohl in der Vergangenheit immer unter Gottes Leitung gestanden habe. Sie konnten somit ihre eigenen Sünden entschuldigen, denn nun hatte sogar Mose wie sie Gott erzürnt. Seine Führung, meinten sie, habe schon von Anfang an Anlass zu Rüge und Tadel geboten. Jetzt hatten sie den Vorwand gefunden, um jeden Tadel zurückzuweisen, den Gott durch seinen Diener an sie gerichtet hatte. WABT 396 4 Mose hatte in dieser Situation mangelndes Gottvertrauen bewiesen. "Werden wir für euch Wasser aus diesem Felsen hervorbringen?", hatte er gefragt (4. Mose 20,10 Elb.), als ob der Herr nicht zu seinen Zusagen stünde. "Weil ihr nicht an mich geglaubt", erklärte der Herr den beiden Brüdern, "und mich den Israeliten nicht als heilig vor Augen gestellt habt, darum sollt ihr diese Versammlung nicht ins Land bringen." (4. Mose 20,12 ZÜ) Als das Wasser versiegte, hatten das Murren und die Rebellion des Volkes auch ihren eigenen Glauben an die Erfüllung des Versprechens Gottes ins Wanken gebracht. Die erste Generation hatte um ihres Unglaubens willen in der Wüste sterben müssen. Doch derselbe Geist zeigte sich in ihren Kindern. Würden auch sie die Erfüllung der Verheißung Gottes nicht erleben? Erschöpft und entmutigt hatten sich Mose und Aaron keine Mühe mehr gegeben, sich dem Strom der allgemeinen Meinung entgegenzustemmen. Hätten sie selbst standhaften Glauben an Gott bewiesen, hätten sie dem Volk diese Angelegenheit in einem solchen Licht darstellen können, dass es diese Glaubensprüfung bestehen konnte. Durch schnelle, entschiedene Ausübung der Amtsbefugnis, die ihnen als Anführern übertragen war, hätten sie das Murren unterdrücken können. Es war ihre Pflicht, jede mögliche Anstrengung zu unternehmen, um eine bessere Lage zu schaffen, bevor sie Gott um sein Eingreifen baten. Wie viel Unheil wäre doch verhütet worden, wenn sie dem Murren bei Kadesch sofort Einhalt geboten hätten! WABT 397 1 Durch sein übereiltes Handeln nahm Mose der Lehre, die Gott seinem Volk erteilen wollte, die Kraft. Der Felsen - ein Symbol für Christus (vgl. 1. Korinther 10,4b) - war einmal geschlagen worden (vgl. 2. Mose 17,6), wie der Messias einmal geopfert werden sollte. Beim zweiten Mal hätte es ausgereicht, mit dem Felsen zu reden, so wie wir um Gottes Segnungen im Namen seines Sohnes nur zu bitten brauchen. Weil Mose aber den Felsen ein zweites Mal schlug, wurde die christusbezogene Bedeutung dieses wunderschönen Bildes zerstört. Moses Tat -- Eine Anmassung WABT 397 2 Aber noch mehr: Mose und Aaron hatten sich eine Macht angemaßt, die ausschließlich Gott zusteht. Die Notwendigkeit göttlichen Eingreifens machte diese Not zu einer feierlichen Angelegenheit, die die beiden Führer Israels hätten nutzen sollen, um dem Volk Ehrfurcht vor Gott einzuprägen und den Glauben an seine Macht und Güte zu stärken. Als sie aber ärgerlich ausriefen: "Werden wir für euch Wasser aus diesem Felsen hervorbringen?", setzten sie sich an die Stelle Gottes. Sie taten so, als ob die Macht dazu bei ihnen läge, bei Männern mit menschlichen Schwächen und Leidenschaften. Vom ständigen Murren und Aufbegehren der Israeliten müde geworden, hatte Mose seinen allmächtigen Helfer aus den Augen verloren. Ohne die göttliche Stärke aber war er auf sich gestellt und beeinträchtigte seinen Lebensbericht durch einen Ausbruch menschlicher Schwäche. Der Mann, der am Ende seines Lebenswerkes lauter, treu und selbstlos hätte dastehen können, war zuletzt doch überwältigt worden. Gerade als Gott vor den Israeliten gepriesen und verherrlicht werden sollte, wurde er vor dem versammelten Volk entehrt. WABT 398 1 Bei diesem Vorfall sprach Gott kein Urteil über die aus, die Mose und Aaron durch ihr böses Verhalten so verärgert hatten. Der ganze Vorwurf traf allein die beiden Führer. Die Vertreter Gottes selbst hatten ihm nicht die notwendige Ehre erwiesen. Mose und Aaron hatten sich verletzt gefühlt und die Tatsache aus dem Auge verloren, dass das Volk nicht gegen sie, sondern gegen Gott aufbegehrte. Indem sie nur auf sich selbst schauten und mit sich selbst Mitleid empfanden, fielen sie in Sünde, ohne es zu merken, und versäumten es, das Volk mit seiner großen Schuld vor Gott zu konfrontieren. Von Kanaan Ausgeschlossen WABT 398 2 Das Urteil, das Gott augenblicklich fällte, war bitter und zutiefst demütigend. "Der Herr aber sprach zu Mose und Aaron: Weil ihr nicht an mich geglaubt habt und mich nicht geheiligt habt vor den Israeliten, darum sollt ihr diese Gemeinde nicht ins Land bringen, das ich ihnen geben werde." (4. Mose 20,12) Sie mussten wie die rebellischen Israeliten sterben, bevor der Jordan überschritten wurde. Hätten Mose und Aaron viel von sich gehalten oder sich angesichts einer Warnung oder eines Tadels Gottes wütende Gefühle erlaubt, wäre ihre Schuld noch viel größer gewesen. Aber man konnte ihnen keine willentliche oder absichtliche Sünde zur Last legen. Sie waren von einer plötzlichen Versuchung überwältigt worden und hatten das auch gleich von Herzen bereut. Gott nahm ihre Reue an. Doch wegen des Schadens, den ihre Sünde unter dem Volk anrichtete, konnte er ihnen die Strafe nicht erlassen. WABT 398 3 Mose verheimlichte das Urteil, das über ihn gefällt wurde, nicht, sondern erzählte den Israeliten, dass er sie nicht ins Land Kanaan führen dürfe, weil er es versäumt habe, Gott die Ehre zu geben. Er mahnte sie, nicht die schwere Strafe zu vergessen, die Gott über ihn verhängt hatte. Sie mögen auch bedenken, wie Gott ihr Murren bewerten muss, wenn er einem einzigen Mann die Gerichte zur Last legt, die sie durch ihre Sünden über sich gebracht hatten. Er berichtete ihnen, wie er Gott angefleht habe, ihm die Strafe zu erlassen, doch vergeblich. "Der Herr war erzürnt auf mich um euretwillen", sagte er, "und erhörte mich nicht." (5. Mose 3,26) WABT 398 4 Bei jeder Schwierigkeit oder Prüfung hatten die Israeliten sogleich Mose vorgeworfen, sie aus Ägypten geführt zu haben, als ob Gott damit nichts zu tun gehabt hätte. Wenn sie sich auf der langen Wanderung über die Beschwernisse unterwegs beklagt und gegen ihre Anführer aufbegehrt hatten, hatte Mose ihnen immer wieder gesagt, dass sich ihr Aufbegehren gegen Gott richte und dieser, nicht er selbst, ihre Befreiung bewirkt habe. Aber seine voreiligen Worte vor dem Felsen "Werden wir euch wohl Wasser hervorbringen können?" (4. Mose 20,10) waren gleichsam das Eingeständnis, dass ihre Anschuldigungen zutrafen. Dies bestärkte sie in ihrem Unglauben und rechtfertigte ihr Murren. Diesen Eindruck wollte der Herr ein für alle Mal beseitigen, indem er Mose verbot, das Gelobte Land zu betreten. Dies war ein unmissverständlicher Beweis dafür, dass nicht Mose ihr Führer war, sondern der mächtige Engel, von dem der Herr gesagt hatte: "Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Weg und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe. Hüte dich vor ihm und gehorche seiner Stimme ... weil mein Name in ihm ist." (2. Mose 23,20.21) WABT 399 1 "Der Herr war erzürnt auf mich um euretwillen" (5. Mose 3,26), erklärte Mose. Weil jeder in Israel auf ihn sah, warf seine Sünde einen Schatten auf Gott, der Mose zum Führer seines Volkes bestimmt hatte. Die Sünde war im ganzen Volk bekannt. Wenn Gott sie einfach hätte durchgehen lassen, wäre der Eindruck entstanden, dass bei den Verantwortlichen Unglaube und Ungeduld - in der Erregung geäußert - mit Nachsicht behandelt würden. Als aber bekannt wurde, dass Mose und Aaron wegen dieser einen Sünde nicht das Land Kanaan betreten dürfen, erkannte das Volk, dass es bei Gott "kein Ansehen der Person" gibt (Römer 2,11) und er den Übertreter ganz gewiss bestrafen wird. Eine Lehre Für Die Zukunft WABT 399 2 Die Geschichte Israels wurde für kommende Generationen als Lehre und Warnung aufgezeichnet. Die Menschen aller künftigen Zeiten sollten den Gott des Himmels als einen unparteiischen Herrscher ansehen, der in keinem Fall Sünde gutheißt. Aber nur wenige erkennen, wie überaus abscheulich Sünde tatsächlich ist. Sie bilden sich ein, dass Gott viel zu gut sei, um den Übertreter zu bestrafen. Im Licht der biblischen Geschichte wird allerdings deutlich, dass ihn gerade seine Güte und Liebe dazu veranlassen, die Sünde als ein Übel zu behandeln, das sich verhängnisvoll auf den Frieden und das Glück des Universums auswirkt. WABT 399 3 Nicht einmal die Redlichkeit und Treue von Mose konnten die Vergeltung für sein Unrecht abwenden. Zwar hatte Gott dem Volk größere Übertretungen vergeben, aber er konnte die Sünde der Führer nicht genauso behandeln wie die der Geführten. Er hatte Mose mit größerer Ehre bedacht als irgendeinen anderen Menschen auf Erden. Er hatte ihm seine Herrlichkeit offenbart und durch ihn seine Rechtsordnungen an Israel vermittelt. Aber gerade deshalb, weil Mose so großes Licht und große Erkenntnis besaß, wog seine Sünde umso schwerer. Treue in der Vergangenheit kann keine einzige unrechte Tat sühnen. Je größer die Erkenntnis und die Vorzüge sind, die einem Menschen zuteilwerden, desto größer ist seine Verantwortung, umso schwerer wiegen seine Übertretungen und desto größer ist seine Strafe. WABT 400 1 In den Augen seiner Mitmenschen hatte sich Mose keines großen Vergehens schuldig gemacht. Seine Sünde war ein gewöhnlicher Vorfall. Ein Psalmist sagte, "dass ihm unbedachte Worte entfuhren" (Psalm 106,33). Menschlichem Urteilsvermögen mag das geringfügig erscheinen. Aber wenn Gott wegen dieser Sünde mit seinem treusten, hoch geachteten Diener so streng verfuhr, wird er sie auch bei anderen nicht entschuldigen. Der Geist der Selbsterhöhung und die Neigung, andere Gläubige zu kritisieren, missfallen dem Herrn. Wer sich diesen Übeln hingibt, wirft Zweifel auf das Wirken Gottes und liefert misstrauischen Menschen einen Vorwand für ihren Unglauben. Je bedeutender die Stellung ist und je weiter der Einfluss reicht, desto nötiger ist es, sich in Geduld und Demut zu üben. WABT 400 2 Satan frohlockt, wenn er Kinder Gottes - insbesondere jene in verantwortlichen Ämtern - dazu verleiten kann, sich selbst die Ehre, die Gott gebührt, anzurechnen. Dann hat er einen Sieg errungen. Genau das hatte auch ihn zu Fall gebracht. Auf diese Weise ist er sehr erfolgreich, andere ins Verderben zu führen. Damit wir gegen seine Täuschungen gewappnet sind, hat Gott uns in seinem Wort viele Lehren vermittelt, die vor der Gefahr der Selbsterhöhung warnen. Es gibt keine Regung unserer menschlichen Natur, keine Fähigkeit unseres Verstandes, keine Neigung unseres Herzens, die nicht in jedem Augenblick unter der Leitung des Heiligen Geistes stehen sollte. WABT 400 3 Es gibt keinen Segen, den Gott schenkt, und keine Prüfung, die er zulässt, die Satan nicht benutzen kann und wird, um uns zu versuchen, zu belästigen und zugrunde zu richten, sobald wir ihm den geringsten Vorteil bieten. Deshalb sollten wir - wie groß unsere geistliche Erkenntnis auch sein mag und wie sehr wir Gottes Gunst und Segen genießen dürfen - stets in Demut vor Gott unser Leben führen und ihn im Glauben darum bitten, jeden Gedanken zu lenken und jede Neigung zu steuern. WABT 400 4 Wer sich zur Frömmigkeit bekennt, steht unter der heiligen Verpflichtung, auf seine Gedanken zu achten und selbst bei der größten Herausforderung Selbstbeherrschung zu üben. Die Lasten, die Mose zu tragen hatte, waren sehr schwer. Nur wenige werden so hart auf die Probe gestellt wie er - doch das konnte seine Sünde nicht entschuldigen. Gott hat für die Gläubigen umfassende und mehr als ausreichende Vorkehrungen getroffen. Wenn sie sich auf seine Stärke verlassen, werden sie niemals zum Spielball äußerer Umstände. Selbst die größte Versuchung kann eine Sünde nicht entschuldigen. Wie groß der Druck auch sein mag, der auf uns ausgeübt wird - die Übertretung ist immer unsere eigene Tat. Keine Macht der Erde noch der Hölle kann jemanden zwingen, Böses zu tun. Satan greift uns zwar an unseren Schwachstellen an, aber wir brauchen uns nicht überwinden zu lassen. Wie schwer oder unerwartet der Angriff auch sein mag - Gott hat uns seine Hilfe zur Verfügung gestellt, und in seiner Stärke können wir überwinden (vgl. 1. Korinther 10,13; Epheser 1,19). ------------------------Kapitel 38 -Der Umweg Um Edom WABT 402 0 4. Mose 20,14 bis 21,9; 5. Mose 2,2-8. WABT 402 1 Das israelitische Lager bei Kadesch befand sich nicht weit von der Grenze zu Edom. Mose und das Volk wollten den geraden Weg einschlagen, der durch dieses Gebiet in das Gelobte Land führte. Wie von Gott befohlen, schickten sie deshalb eine Botschaft an den Edomiter-König: "So lässt dir dein Bruder Israel sagen: Du kennst all die Mühsal, die uns betroffen hat, dass unsere Väter nach Ägypten hinabgezogen sind und wir lange Zeit in Ägypten gewohnt haben und dass die Ägypter uns und unsere Väter schlecht behandelt haben. Und wir schrien zum Herrn; der hat unsere Stimme gehört und einen Engel gesandt und uns aus Ägypten geführt. Und siehe, wir sind in Kadesch, einer Stadt an deiner Grenze. Lass uns durch dein Land ziehen. Wir wollen nicht durch Äcker oder Weinberge gehen, auch nicht Wasser aus den Brunnen trinken. Die Landstraße wollen wir ziehen, weder zur Rechten noch zur Linken weichen, bis wir durch dein Gebiet hindurchgekommen sind." (4. Mose 20,14-17) Auf diese höfliche Bitte kam aber die drohende Antwort: "Ihr dürft nicht durch mein Land ziehen, sonst ziehe ich euch mit meinem Heer entgegen." (4. Mose 20,18 NLB) WABT 402 2 Überrascht von dieser Zurückweisung richteten die Israeliten ein zweites Gesuch an den König und versprachen: "Wir wollen auf der gebahnten Straße ziehen, und wenn wir von deinem Wasser trinken, wir und unser Vieh, so wollen wir's bezahlen. Wir wollen nichts als nur zu Fuß hindurchziehen." (4. Mose 20,19) WABT 402 3 "Nein, ihr dürft nicht hindurchziehen" (4. Mose 20,20 NLB), lautete erneut die Antwort. Bewaffnete Truppen der Edomiter waren bereits an den schwer zugänglichen Pässen aufgestellt worden, sodass ein friedliches Vorrücken in diese Richtung unmöglich wurde. Gewalt anzuwenden war den Israeliten aber verboten. Deshalb mussten sie den weiten Weg um Edom herum antreten. WABT 403 1 Hätte das Volk auf Gott vertraut, als sie in diese Prüfung gerieten, hätte der Herr der Heerscharen sie durch Edom hindurchgeführt. Die Einwohner Edoms hätten Angst vor ihnen gehabt und ihnen statt Feindseligkeit Wohlwollen entgegengebracht. Aber die Israeliten handelten nicht unverzüglich auf Gottes Wort hin. Während sie jammerten und murrten, verpassten sie die goldene Gelegenheit. Als sie dem König schließlich ihr Anliegen vortrugen, schlug er es ab. WABT 403 2 Seit dem Auszug aus Ägypten hatte sich Satan ununterbrochen bemüht, ihnen Hindernisse und Versuchungen in den Weg zu legen, damit sie Kanaan nicht in Besitz nahmen. Durch ihren Unglauben hatten sie ihm wiederholt die Tür geöffnet, sodass er Gottes Absicht durchkreuzen konnte. WABT 403 3 Es ist wichtig, Gottes Wort zu vertrauen und daraufhin prompt zu handeln, solange seine Engel bereitstehen, um für uns zu wirken. Böse Engel versuchen ständig, uns an jedem Schritt nach vorn zu hindern. Wenn Gott in seiner Vorsehung seinen Kindern gebietet, im Glauben voranzugehen, weil er Großes für sie tun will, verleitet Satan sie dazu, Gott durch ihr Zögern und Zaudern zu missfallen. Er versucht, Streitigkeiten, Murren oder Unglauben zu entfachen, um sie so der Segnungen zu berauben, die ihnen Gott geben möchte. Gottes Diener sollten allzeit bereit sein voranzugehen, sobald Gottes Vorsehung den Weg öffnet. Ihr Zögern gibt Satan eine Gelegenheit, die Oberhand zu gewinnen. WABT 403 4 Schon bei den ersten Anweisungen, die Gott Mose bezüglich des Durchzugs durch Edom gab - nachdem er erklärt hatte, dass die Edomiter Angst vor ihnen hätten -, untersagte der Herr dem Volk, diesen Vorteil auszunutzen. Weil seine Macht für Israel wirkte, würde die Furcht der Edomiter diese zu einer leichten Beute machen. Deshalb sollten die Israeliten keinen Krieg gegen sie führen. WABT 403 5 Der Befehl lautete: "Hütet euch ja davor, sie zu bekriegen; ich werde euch von ihrem Land nicht einen Fußbreit geben, denn das Gebirge Seir habe ich den Söhnen Esaus zum Besitz gegeben." (5. Mose 2,4.5) Die Edomiter waren Nachkommen Abrahams und Isaaks. Um dieser seiner Diener willen war Gott den Nachkommen Esaus gnädig. Er hatte ihnen das Gebirge Seir als Besitz zugewiesen. In ihrem Land sollten sie nicht beunruhigt werden - es sei denn, sie würden sich selbst durch ihre Sünden dem Einfluss der Gnade Gottes entziehen. Die Bewohner Kanaans sollten von den Israeliten vertrieben und vollständig vernichtet werden, weil das Maß ihrer Lasterhaftigkeit voll war. Aber für die Edomiter dauerte die gewährte Gnadenzeit noch an. Deshalb sollten sie barmherzig behandelt werden. Gott übt gern Barmherzigkeit und bekundet Mitleid, ehe er seine Strafgerichte verhängt. Darum wies er die Israeliten an, die Edomiter zu schonen, bevor er sie aufforderte, Kanaans Einwohner auszurotten. WABT 404 1 Die Vorfahren Edoms und Israels waren Brüder. Zwischen ihnen sollte deshalb brüderliche Freundlichkeit und Höflichkeit herrschen. Den Israeliten wurde sogar untersagt, weder jetzt noch in Zukunft die Kränkung zu vergelten, die sie ihnen durch die Verweigerung des Durchzugs angetan hatten. Die Israeliten sollten auch nicht damit rechnen, jemals einen Teil des Landes Edom zu besitzen. Obwohl sie Gottes auserwähltes und bevorrechtetes Volk waren, mussten sie die Einschränkungen annehmen, die ihnen auferlegt wurden. Gott hatte ihnen ein ansehnliches Erbe versprochen, aber sie sollten nicht meinen, sie allein hätten Rechte auf der Erde und dürften alle anderen Völker beiseite drängen. Sie wurden angewiesen, sich im Umgang mit den Edomitern vor jedem Unrecht zu hüten. Wohl durften sie mit ihnen Handel treiben, um die benötigten Lebensmittel zu erwerben. Sie sollten aber die erhaltene Ware sofort bezahlen. Gott ermutigte Israel, ihm zu vertrauen und seinem Wort zu gehorchen, indem er es an seine Führung erinnerte: "Denn der Herr, dein Gott, hat dich gesegnet ... An nichts hast du Mangel gehabt." (5. Mose 2,7) Die Israeliten waren keineswegs von den Edomitern abhängig, denn sie hatten einen Gott, dessen Schätze unerschöpflich sind. Sie sollten sich auch nicht mit Gewalt oder Betrug etwas von deren Besitz aneignen. Im Umgang mit ihnen sollten sie immer den Grundsatz des Gesetzes vorleben: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (3. Mose 19,18) WABT 404 2 Wenn sie mit dieser Einstellung durch Edom gezogen wären, wie es Gottes Absicht war, hätte der Durchzug nicht nur ihnen selbst, sondern auch den Bewohnern des Landes zum Segen werden können, indem er diesen die Gelegenheit geboten hätte, Gottes Volk und seine Gottesverehrung kennenzulernen. Die Edomiter hätten mit eigenen Augen gesehen, wie der Gott Jakobs denen Wohlergehen schenkt, die ihn lieben und ehren. Doch das alles verhinderte der Unglaube der Israeliten. Gott hatte ihnen zwar auf ihr Jammern hin Wasser verschafft, aber er ließ zu, dass ihr Unglaube die entsprechende Strafe zur Folge hatte. Wieder mussten sie die Wüste durchqueren und ihren Durst aus der wunderbaren Quelle stillen. Das wäre nicht länger nötig gewesen, wenn sie nur Gott vertraut hätten. Aarons Tod WABT 404 3 Also wandten sich die großen Scharen Israels wieder nach Süden und suchten ihren Weg durch ödes Wüstenland. Das erschien ihnen nach dem flüchtigen Blick auf die grünenden Flächen zwischen Edoms Bergen und Tälern nun noch viel trostloser. WABT 405 1 Aus der Gebirgskette, die diese trübselige Wüste überragt, erhebt sich der Berg Hor. Auf seinem Gipfel sollte Aaron sterben und begraben werden. Als die Israeliten diesen Berg erreichten, bekam Mose Gottes Befehl: "Nimm aber Aaron und seinen Sohn Eleasar und führe sie auf den Berg Hor und zieh Aaron seine Kleider aus und zieh sie seinem Sohn Eleasar an. Und Aaron soll dort zu seinen Vätern versammelt werden und sterben." (4. Mose 20,25.26) WABT 405 2 Miteinander stiegen die beiden alten Männer und der jüngere mühsam den Berg hinauf. Moses und Aarons Haare waren nach 120 Jahren weiß wie Schnee. In ihrem langen, ereignisreichen Leben hatten sie die schwersten Prüfungen und die höchsten Ehren erfahren, die je Menschen zuteil geworden sind. Sie waren hochbegabte Männer, die alle Kräfte durch den Umgang mit dem Unendlichen entfaltet und veredelt hatten. In ihrem ganzen Leben hatten sie sich selbstlos für Gott und ihre Mitmenschen eingesetzt. Ihre Gesichtszüge verrieten große Verstandeskraft, Entschlossenheit, vornehme Gesinnung und ein starkes Gefühlsleben. WABT 405 3 Viele Jahre lang hatten Mose und Aaron in Sorgen und Mühen Seite an Seite gestanden. Gemeinsam hatten sie zahllosen Gefahren getrotzt, aber auch überwältigende Segnungen von Gott empfangen. Nun war die Zeit gekommen, wo sie sich trennen mussten. Sehr langsam stiegen sie hinauf, denn jeder Augenblick des Beisammenseins war kostbar. Es ging steil und mühsam nach oben. Als sie des Öfteren innehielten, um auszuruhen, sprachen sie über die Vergangenheit und die Zukunft. Soweit das Auge reichte, erstreckte sich vor ihnen das Gebiet ihrer Wüstenwanderung. Unten in der Ebene lagerten die großen Scharen Israels. Für sie hatten diese erwählten Männer die besten Jahre ihres Lebens eingesetzt; an deren Wohlergehen hatten sie tiefen Anteil genommen und für sie so große Opfer gebracht. Irgendwo hinter den Bergen Edoms lag der Weg, der in das Gelobte Land führte - das Land, dessen Segnungen Mose und Aaron nicht genießen sollten. Aber in ihren Herzen gab es kein Aufbegehren. Kein klagendes Wort kam über ihre Lippen. Doch ernste Trauer lag auf ihren Gesichtern, wenn sie daran dachten, was sie vom Erbe ihrer Vorväter ausschloss. WABT 405 4 Aarons Werk für Israel war getan. 40 Jahre zuvor - damals 83 Jahre alt - hatte ihn Gott zusammen mit Mose zu seiner bedeutungsvollen Aufgabe berufen. Mit seinem Bruder hatte er die Israeliten aus Ägypten geführt. Er hatte dessen Hände gestützt, als das Heer Israels gegen Amalek kämpfte. Er durfte mit auf den Berg Sinai steigen, in Gottes Gegenwart treten und dessen Herrlichkeit schauen. Der Herr hatte Aarons Familie das Priestertum übertragen und ihn mit der Weihe zum Hohenpriester beehrt. Er hatte ihn in seinem heiligen Amt bewahrt, als das schreckliche Gottesgericht offenbar wurde, das Korach und dessen Anhängern ein Ende bereitete. Durch Aarons Fürsprache wurde der Plage Einhalt geboten. Als seine beiden Söhne starben, weil sie Gottes ausdrücklichen Befehl missachtet hatten, begehrte er weder auf, noch war ein Wehklagen zu vernehmen. Und doch weist die Geschichte seines edlen Lebens auch Flecken auf. Aaron hatte sich schwer versündigt, als er am Sinai den Forderungen des Volkes nachgab und das goldene Kalb herstellte, und dann erneut, als er zusammen mit Mirjam auf Mose neidisch war und sich gegen ihn auflehnte. Schließlich versündigte er sich zusammen mit Mose am Herrn bei Kadesch, als er dem Befehl nicht gehorchte, mit dem Felsen zu reden, damit dieser Wasser spende. WABT 406 1 Es war Gottes Absicht, dass diese beiden überragenden Führer seines Volkes Christus vertreten sollten. Aaron trug Israels Namen auf seiner Brust. Er teilte dem Volk den Willen Gottes mit. Am Versöhnungstag betrat er als Mittler für ganz Israel das Allerheiligste "nicht ohne Blut" (Hebräer 9,7). Nach dieser Handlung kam er heraus und segnete das Volk. Genau so wird nach Abschluss seines Versöhnungswerks Christus kommen, um die Gläubigen zu segnen, die auf ihn gewartet haben. Gerade dieser erhabene Charakter seiner heiligen Aufgabe als Vertreter unseres Hohenpriesters im Himmel verlieh Aarons Sünde bei Kadesch ein so großes Gewicht. WABT 406 2 Zutiefst betrübt nahm Mose Aaron die heiligen Gewänder ab und legte sie Eleasar an. Dieser wurde damit von Gott zu dessen Nachfolger berufen. Wegen der erwähnten Schuld bei Kadesch blieb es Aaron versagt, als Hoher- priester in Kanaan zu amtieren, das erste Opfer im Gelobten Land darzubringen und auf diese Weise Israels Erbe zu weihen. Mose hingegen musste seine schwere Aufgabe weiterhin tragen und das Volk bis unmittelbar an die Grenze Kanaans führen. Dort sollte er das zugesagte Land sehen, aber betreten durfte er es nicht. Hätten diese Diener Gottes vor dem Felsen bei Kadesch die Prüfung, ohne zu murren, bestanden, wie ganz anders hätte sich ihre Zukunft gestaltet! Doch eine unrechte Tat lässt sich nicht ungeschehen machen. So kann es kommen, dass ein ganzes Lebenswerk nicht aufzuwiegen vermag, was in einem einzigen Augenblick verlorenging, weil man der Versuchung nachgab oder nur gedankenlos war. WABT 406 3 Die Abwesenheit der beiden großen Führer vom Lager weckte Befürchtungen - zusammen mit der Tatsache, dass sie von Eleasar begleitet wurden, der bereits als Aarons Nachfolger im heiligen Dienst feststand. Deshalb wartete man besorgt auf ihre Rückkehr. Als sich die Israeliten unter ihrer großen Schar umschauten, stellten sie fest, dass fast alle Erwachsenen, die einst Ägypten verlassen hatten, in der Wüste umgekommen waren. Da überfiel sie eine unheilvolle Ahnung, weil sie an das Urteil dachten, das Gott über Mose und Aaron ausgesprochen hatte. Manche wussten, warum ihre Führer den geheimnisvollen Aufstieg auf den Berg Hor unternommen hatten. Die Besorgnis um sie wurde durch bittere Erinnerungen und Selbstanklagen noch verstärkt. WABT 407 1 Endlich erkannten sie Mose und Eleasar, die langsam den Berg herabstiegen. Aber Aaron war nicht bei ihnen. Eleasar trug die priesterlichen Gewänder. Damit wurde deutlich, dass er als Nachfolger seines Vaters den heiligen Dienst angetreten hatte. Als sich das Volk schweren Herzens um seinen Führer scharte, erzählte ihnen Mose, dass Aaron auf dem Berg Hor in seinen Armen verschieden war und sie ihn dort begraben hatten. Da brach die ganze Volksgemeinde in lautes Wehklagen aus. Alle hatten nämlich Aaron lieb gewonnen, wenn sie ihm auch oft Kummer bereitet hatten. So "trauerten alle Israeliten 30 Tage lang um ihn" (4. Mose 20,29 NLB). WABT 407 2 Über das Begräbnis des israelitischen Hohenpriesters berichtet die Heilige Schrift nur: "Dort starb Aaron und wurde daselbst begraben." (5. Mose 10,6) In welch auffallendem Gegensatz zu den heutigen Bräuchen steht diese Bestattung, die nach der ausdrücklichen Anweisung Gottes vollzogen wurde. Heutzutage bietet die Beerdigung eines hochgestellten Mannes oft Anlass zu pompösem, extravagantem Aufwand. Als Aaron starb - einer der berühmtesten Männer, die jemals gelebt haben -, waren nur zwei der nächsten Angehörigen Zeugen seines Todes und seiner Beerdigung. Das einsame Grab auf dem Berg Hor blieb den Blicken Israels für immer verborgen. Mit dem großen Aufwand, der so oft wegen eines Toten entfaltet wird, kann man Gott nicht ehren; auch nicht durch die großen Kosten, die entstehen, wenn der Leichnam der Erde übergeben wird. WABT 407 3 Ganz Israel trauerte um Aaron, aber niemand empfand den Verlust so schmerzlich wie Mose. Aarons Tod erinnerte ihn zwangsläufig daran, dass auch sein eigenes Ende nahe war. So kurz seine Zeit auf Erden auch noch sein mochte - der Verlust seines ständigen Gefährten traf ihn tief. Viele Jahre lang hatte Aaron als Einziger Freud und Leid, Hoffnungen und Befürchtungen mit ihm geteilt. Nun musste Mose das Werk allein fortsetzen. Aber er wusste, dass Gott sein Freund war. Auf ihn stützte er sich nun umso mehr. WABT 407 4 Bald nachdem die Israeliten den Berg Hor verlassen hatten, erlitten sie eine Niederlage gegen Arad, einen der Könige Kanaans. Als sie aber Gott ernstlich um Hilfe baten, wurde sie ihnen gewährt, und ihre Feinde wurden in die Flucht geschlagen. Doch dieser Sieg regte sie weder zur Dankbarkeit an, noch wurden sie sich dadurch ihrer Abhängigkeit von Gott bewusst, sondern er machte sie stolz und selbstsicher. Schon bald verfielen sie wieder in ihre alte Gewohnheit des Murrens. Jetzt waren sie unzufrieden, weil sie nicht schon 40 Jahre zuvor - unmittelbar nach ihrer Rebellion anlässlich des Berichts der Kundschafter - in Kanaan hatten einziehen dürfen. Sie bezeichne- ten die lange Wüstenwanderung als eine unnötige Verzögerung und schlussfolgerten, dass sie damals ihre Feinde ebenso leicht hätten besiegen können wie heute. Folgen Des Selbst Verschuldeten Umwegs WABT 408 1 Als sie ihre Wanderung nach Süden fortsetzten, führte sie der Weg durch ein heißes, sandiges Tal ohne jeden Schatten, ohne jede Vegetation. Der Weg schien weit und beschwerlich, und sie litten unter Müdigkeit und Durst. Wieder einmal bestanden sie eine Glaubens- und Geduldsprobe nicht. Weil sie immer nur die Schattenseiten ihrer Erlebnisse sahen, entfernten sie sich innerlich immer mehr von Gott. Sie vergaßen völlig die Tatsache, dass ihnen der Umweg um Edom erspart geblieben wäre, wenn sie nicht gemurrt hätten, als ihnen bei Kadesch das Wasser ausging. Gott hatte etwas Besseres für sie geplant. Eigentlich hätten sie ihm dankbar sein müssen, dass er ihre Sünde so mild bestraft hatte. Stattdessen bildeten sie sich ein, sie könnten längst im Besitz des Gelobten Landes sein, wenn Gott und Mose sie nicht daran gehindert hätten. Nachdem sie sich selbst in Schwierigkeiten gebracht hatten und ihr Schicksal damit härter geworden war, als Gott es geplant hatte, beschuldigten sie ihn auch noch für ihr Unglück. Sie hegten bittere Gedanken darüber, wie er sie behandelte. Schließlich waren sie mit allem unzufrieden. Ägypten erschien ihnen wieder einmal angenehmer und begehrenswerter als die Freiheit und das Land, in das Gott sie führte. WABT 408 2 Als sie dem Geist der Unzufriedenheit nachgaben, sahen sie sogar Mängel in den Segnungen, die sie empfangen hatten. "Das Volk wurde verdrossen auf dem Weg und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise." (4. Mose 21,4.5) WABT 408 3 Gewissenhaft hielt Mose daraufhin den Israeliten ihre große Sünde vor. Allein Gottes Macht hatte sie beschützt und geleitet "durch die große und furchtbare Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpione und lauter Dürre und kein Wasser war" (5. Mose 8,15). Täglich waren sie durch ein göttliches Wunder auf ihrer Wanderung versorgt worden. Durch Gottes Führung hatten sie Wasser gefunden, um die Durstigen zu erfrischen. Vom Himmel war Brot gefallen, sodass sie ihren Hunger stillen konnten. Frieden und Sicherheit hatten ihnen am Tag die Schatten spendende Wolke und die Feuersäule in der Nacht geschenkt. Engel hatten sie beschützt, wenn es felsige Berge hinaufging oder sie über raue Wüstenpfade zogen. Trotz aller Mühsal, die sie zu ertragen hatten, war niemand in ihren Reihen von Schwäche befallen. Ihre Füße waren auf der langen Wanderung nicht wund geworden, ihre Kleider nicht abgenutzt (vgl. 5. Mose 8,4). Gott hatte die Raubtiere vor ihnen gezähmt und die giftigen Reptilien des Waldes und der Wüste ferngehalten. Wenn sie sich trotz all dieser Zeichen seiner Liebe weiterhin beschwerten, würde Gott ihnen seinen Schutz entziehen, bis sie seine barmherzige Fürsorge wieder schätzen lernten und in Reue und Demut zu ihm zurückkehrten. Tod Durch Giftige Schlangen WABT 409 1 Weil sie von Gottes Macht beschirmt wurden, hatten sie die zahllosen Gefahren, die sie ständig umgaben, gar nicht wahrgenommen. In ihrer Undankbarkeit und ihrem Unglauben hatten sie dauernd den Tod vor Augen. Nun ließ der Herr tatsächlich den Tod über sie kommen. In der Wüste gab es giftige Schlangen, "feurige Schlangen" genannt, weil ihr Biss schlimme Folgen hatte: Er verursachte eine heftige Entzündung und einen schnellen Tod. Als Gott seine schützende Hand von den Israeliten zurückzog, wurden viele von diesen giftigen Tieren angegriffen. WABT 409 2 Nun herrschten im ganzen Lager Entsetzen und Verwirrung. Fast in jedem Zelt gab es Sterbende oder Tote. Niemand war sicher. Oft zerrissen schrille Schreie die Stille der Nacht und verrieten neue Opfer. Alle waren damit beschäftigt, den Leidenden zu helfen oder mit verzweifelter Sorge diejenigen zu schützen, die noch nicht gebissen worden waren. Keine Klagen kamen jetzt über ihre Lippen. Verglichen mit dem jetzigen Leid waren die früheren Schwierigkeiten und Anfechtungen nicht der Rede wert. WABT 409 3 Das Volk zeigte jetzt Reue und Demut vor Gott. Sie kamen mit ihrem Bekenntnis und der dringenden Bitte zu Mose: "Wir haben gesündigt, dass wir wider den Herrn und wider dich geredet haben." (4. Mose 21,7) Kurz zuvor hatten sie ihn noch angeklagt, ihr schlimmster Feind zu sein und an all ihrem Elend und ihrer Not Schuld zu haben. Doch schon während ihnen die Worte auf der Zunge lagen, wussten sie, dass ihre Vorwürfe ungerecht waren. Sobald es jedoch echte Probleme gab, flüchteten sie zu Mose als dem Einzigen, der bei Gott für sie eintreten konnte. "Bitte den Herrn", schrien sie verzweifelt, "dass er die Schlangen von uns nehme." (4. Mose 21,7) WABT 410 1 Gott gebot daraufhin Mose, eine Schlange aus Bronze anzufertigen, die den lebendigen glich, und sie mitten unter dem Volk an einer Stange aufzurichten. Wer gebissen wurde und auf sie blickte, sollte geheilt werden. Mose führte den Auftrag aus. Durch das ganze Lager erscholl bald die freudige Nachricht: Wer gebissen wird, braucht nur den Blick auf die bronzene Schlange zu richten, um am Leben zu bleiben. Viele aber waren inzwischen bereits gestorben. Als nun Mose die Schlange an einem Pfahl aufrichtete, wollten manche nicht glauben, dass nur der Blick auf das metallene Bild ausreichte, um geheilt zu werden. Ihr Unglaube brachte ihnen den Tod. Doch viele setzten ihr Vertrauen auf das Heilmittel, das Gott vorgesehen hatte. Mit allem Eifer bemühten sich Väter und Mütter, Brüder und Schwestern, ihren leidenden und sterbenden Angehörigen zu helfen, ihre verlöschenden Augen auf die erhöhte Schlange zu richten. Wenn sie nur ein einziges Mal darauf sehen konnten, wurden sie wieder völlig gesund, auch wenn sie schon schwach und dem Tod nahe waren. Die Bronzene Schlange -- Ein Symbol Für Den Erlöser WABT 410 2 Das Volk verstand sehr wohl, dass die bronzene Schlange nicht die Macht hatte, das Leben derer zu retten, die sie anschauten. Die heilende Kraft kam allein von Gott. In seiner Weisheit wählte er diesen Weg, um ihnen seine Macht zu zeigen. Dieses einfache Mittel ließ sie erkennen, dass sie sich diese Plage wegen ihrer Sünden selbst zuzuschreiben hatten. Sie erhielten aber auch die Zusicherung, dass sie sich nicht zu fürchten brauchten, solange sie Gott gehorchten, denn er würde sie bewahren. WABT 410 3 Das Aufrichten einer bronzenen Schlange enthielt für die Israeliten eine wichtige Lehre. Sie konnten sich nicht selbst vom tödlichen Gift in ihren Wunden retten. Gott allein konnte ihnen Heilung bringen. Aber sie mussten ihr Vertrauen zum Lösungsweg, den Gott geschaffen hatte, zum Ausdruck bringen: Sie mussten aufschauen, wenn sie leben wollten. Ihr Glaube zählte bei Gott, und dieses Vertrauen zeigten sie mit einem Blick auf die erhöhte Schlange. Sie wussten, dass die Schlange selbst keine Kraft besaß, sondern ein Sinnbild für Christus war. Auf diese Weise wurde ihnen nahegebracht, wie notwendig es ist, an seine Verdienste zu glauben. Bisher hatten viele Israeliten Gott ihre Opfer in der Meinung dargebracht, damit ihre Vergehen reichlich gesühnt zu haben. Sie verließen sich nicht auf den kommenden Erlöser, auf den diese Opfer schattenhaft hinwiesen. Nun aber zeigte ihnen Gott, dass ihre Opfer nicht mehr Kraft in sich hatten als die Schlange aus Bronze, sondern dazu bestimmt waren, ihre Gedanken auf Christus als das große Sündopfer zu lenken. WABT 411 1 Jesus bezog sich einmal auf diese Begebenheit, indem er erklärte: "Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben." (Johannes 3,14.15) Alle, die je auf Erden lebten, haben den tödlichen Biss der "alten Schlange, die da heißt: Teufel und Satan" (Offenbarung 12,9), zu spüren bekommen. Die tödliche Wirkung der Sünde kann nur durch die Vorkehrung, die Gott getroffen hat, beseitigt werden. Die Israeliten retteten ihr Leben, wenn sie auf die erhöhte Schlange sahen. Dieser Blick erforderte Glauben. Sie blieben am Leben, weil sie Gottes Wort glaubten und auf das Heilmittel vertrauten, das ihnen Genesung versprach. So kann der Sünder auf Christus blicken und leben. Er empfängt Vergebung durch den Glauben an das Sühnopfer. Aber im Gegensatz zum reg- und leblosen Symbol besitzt Christus Macht und Fähigkeiten, um dem reumütigen Sünder zu helfen. WABT 411 2 Der Sünder kann sich zwar nicht selbst retten, muss aber doch etwas zu seiner Rettung beitragen. "Wer zu mir kommt", sagte Jesus, "den werde ich nicht hinausstoßen." (Johannes 6,37) Wir müssen zu ihm kommen; und wenn wir unsere Sünden bereuen, dann müssen wir glauben, dass er uns annimmt und uns vergibt. Der Glaube ist zwar eine Gabe Gottes, aber es liegt in unserer Macht, ihn anzuwenden. Der Glaube ist die Hand, mit der wir die angebotene Gnade und Barmherzigkeit Gottes ergreifen. WABT 411 3 Nur durch die Gerechtigkeit in Christus können wir die Segnungen des Gnadenbundes beanspruchen. Viele haben sich lange Zeit danach gesehnt und auch versucht, sie zu erlangen, haben sie aber nicht empfangen, weil sie die Vorstellung hegten, sie könnten selbst etwas tun, um sich ihrer würdig zu erweisen. Sie haben nicht von sich selbst weggesehen und geglaubt, dass Jesus als Erlöser völlig ausreicht. Wir dürfen nicht meinen, dass unsere eigenen Verdienste uns retten werden. Unsere einzige Hoffnung auf Erlösung ist Christus. "In keinem anderen ist das Heil; denn uns Menschen ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen." (Apostelgeschichte 4,12 ZÜ) Die Erlösung Annehmen WABT 411 4 Wenn wir Gott völlig vertrauen und uns auf die Verdienste von Jesus als Erlöser, der Sünden vergibt, verlassen, erhalten wir alle Hilfe, die wir brauchen. Niemand darf auf sich selbst sehen, als könne er sich aus eigener Macht erlösen. Weil wir dazu völlig außerstande sind, ist Jesus für uns gestorben. Er ist unsere einzige Hoffnung, unsere Rechtfertigung, unsere Gerechtigkeit vor Gott. Wenn wir unsere Sündhaftigkeit erkennen, brauchen wir weder zu verzweifeln noch zu befürchten, dass wir keinen Erlöser haben oder er uns gegenüber nicht gnädig eingestellt ist. Gerade in diesem Augenblick lädt er uns ein, in unserer völligen Hilflosigkeit zu ihm zu kommen und uns von ihm retten zu lassen. WABT 412 1 Viele Israeliten sahen im Heilmittel, das der Himmel verordnet hatte, keine Hilfe. Um sie herum lagen Tote und Sterbende, und sie wussten, dass ihr Schicksal ohne Gottes Hilfe besiegelt war. Doch sie beklagten weiterhin ihre Wunden, ihre Schmerzen und ihren sicheren Tod, bis ihre Kräfte schwanden und ihre Augen brachen - obwohl sie sofort Heilung hätten erlangen können. Wenn wir uns unserer Mängel bewusst sind, sollten wir nicht all unsere Kraft damit verschwenden, sie zu beklagen. Wenn wir unseren hilflosen Zustand erkennen, in dem wir ohne Christus sind, sollten wir uns nicht entmutigen lassen, sondern uns auf die Verdienste des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers verlassen. Sieh auf und lebe! Jesus hat versprochen, dass er alle rettet, die zu ihm kommen. Obwohl Millionen Menschen, die Heilung nötig haben, die angebotene Gnade zurückweisen, wird niemand umkommen, der sein Vertrauen auf die Verdienste von Jesus setzt. WABT 412 2 Viele wollen Christus nicht annehmen, bevor ihnen das ganze Geheimnis des Erlösungsplans klar geworden ist. Sie verweigern den gläubigen Blick auf das Kreuz, obwohl sie sehen, dass Tausende ihn geworfen und seine Wirkung erfahren haben. Andere schweifen im Irrgarten der Philosophie umher und suchen nach Gründen und Beweisen, die sie niemals finden werden, während sie die Hinweise ablehnen, die Gott uns zu geben bereit war. Sie weigern sich, im Licht der "Sonne der Gerechtigkeit" (Maleachi 3,20) zu leben, wenn ihnen nicht erklärt wird, warum sie leuchtet. Wer bei dieser Haltung bleibt, wird nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Gott wird niemals jeden Anlass zum Zweifel beseitigen. Er liefert genügend Beweise, auf die man seinen Glauben gründen kann. Wenn man sie nicht gelten lässt, bleibt der Verstand im Dunkeln. Hätten die von den Schlangen Gebissenen erst noch lange überlegt und gezweifelt, bevor sie sich zum Aufschauen entschlossen, wären sie alle umgekommen. Auch wir müssen zuerst aufsehen, dann wird uns der Blick des Glaubens Leben schenken. ------------------------Kapitel 39 - Die Eroberung Von Baschan WABT 413 0 4. Mose 21,21-35; 5. Mose 2,8 bis 3,11. WABT 413 1 Nachdem die Israeliten südlich um Edom herumgezogen waren, wandten sie sich wieder nach Norden auf das verheißene Land zu. Ihr Weg führte jetzt über eine weite Hochebene, über welche kühle, frische Winde von den Bergen her wehten. Es war eine willkommene Abwechslung nach dem öden Tal, das sie durchwandert hatten. Hoffnungsvoll und frohen Mutes schritten sie voran. Nachdem der Bach Sered überquert war, zogen sie östlich des Landes Moab weiter. Der Herr hatte ihnen befohlen: "Kämpft nicht gegen die Moabiter, greift sie nicht an; denn auch von ihrem Land werde ich euch nichts geben. Sie sind die Nachkommen Lots und ich habe ihnen das Gebiet von Ar als bleibenden Besitz zugesprochen." (5. Mose 2,9 GNB) Dieselbe Anweisung erhielten sie bezüglich der Ammoniter, die ebenfalls Nachkommen Lots waren (vgl. 5. Mose 2,19). Der Kampf Mit Den Amoritern WABT 413 2 Weiter ging es nach Norden, und bald erreichten sie das Land der Amo- riter. Ursprünglich besaß dieses starke, kriegerische Volk den südlichen Teil Kanaans. Als sie aber an Zahl zunahmen, überquerten sie den Jordan, zettelten mit den Moabitern Krieg an und eroberten einen Teil von deren Gebiet. Hier ließen sie sich nieder und beherrschten nun das ganze Land vom Fluss Arnon im Süden bis zum Jabbok im Norden. Durch dieses Gebiet führte der Weg zum Jordan, den die Israeliten einschlagen wollten. Darum sandte Mose eine freundliche Botschaft an Sihon, den Amoriter-König, in dessen Hauptstadt: "Erlaube uns, durch dein Land zu ziehen. Wir wollen nur die Straße benutzen und werden weder nach rechts noch nach links davon abgehen. Was wir an Brot und Wasser brauchen, werden wir bezahlen. Wir wollen nichts weiter als durchziehen." (5. Mose 2,27.28 GNB) Die Antwort war eine entschiedene Ablehnung. Die Amoriter boten ihr ganzes Heer auf, um den Vormarsch der Eindringlinge zu stoppen. Diese gewaltige Armee versetzte die Israeliten in Angst und Schrecken. Auf einen Zusammenstoß mit so gut bewaffneten und ausgebildeten Streitkräften waren sie nur schlecht vorbereitet. Was die Geschicklichkeit in der Kriegsführung betraf, waren ihnen ihre Feinde weit überlegen. Nach menschlichem Ermessen würde es mit Israel ein schnelles Ende nehmen. WABT 414 1 Aber Mose hielt seinen Blick fest auf die Wolkensäule gerichtet und ermutigte die Israeliten mit dem Hinweis, dass das Zeichen der Gegenwart Gottes noch immer bei ihnen war. Gleichzeitig ordnete er an, alles Menschenmögliche zu unternehmen, um sich auf den Krieg vorzubereiten. Ihre Feinde waren kampfbegierig und hofften zuversichtlich, die unvorbereiteten Israeliten aus dem Land vertreiben zu können. Aber der Herr aller Lande hatte dem Führer Israels den Auftrag gegeben: "Brecht jetzt auf ... und überschreitet den Arnon-Fluss! Ich habe den Amoriter-König Sihon, der in Heschbon regiert, in eure Hand gegeben. Eröffnet den Kampf gegen ihn und nehmt sein Land in Besitz! Von heute an werde ich allen Völkern der Erde Furcht und Schrecken vor euch einjagen. Sie werden zittern vor euch und sich winden vor Angst, wenn sie hören, was man sich von euch erzählt." (5. Mose 2,24.25 GNB) WABT 414 2 Diese Völker an Kanaans Grenzen wären verschont geblieben, wenn sie nicht Gottes Wort getrotzt und versucht hätten, sich dem Vormarsch Israels entgegenzustemmen. Der Herr hatte auch diesen heidnischen Völkern Langmut, große Freundlichkeit und Barmherzigkeit erwiesen. Als Abraham in einer Vision mitgeteilt wurde, dass sich seine Nachkommen, die Israeliten, 400 Jahre lang als Ausländer in einem unbekannten Land aufhalten sollten, gab ihm der Herr die Zusicherung: "Sie aber sollen erst nach vier Menschenaltern wieder hierher kommen; denn die Missetat der Amoriter ist noch nicht voll." (1. Mose 15,16) Obgleich sie Götzendiener waren, die wegen ihrer großen Bosheit das Leben zu Recht verwirkt hatten, verschonte Gott die Amoriter 400 Jahre lang, um ihnen unmissverständliche Beweise zu geben, dass er der allein wahre Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde ist. Sie kannten all seine Wunder, die er vollbracht hatte, als er das Volk Israel aus Ägypten führte. Sie hatten genügend Beweise erhalten. Sie hätten die Wahrheit kennen können, wenn sie bereit gewesen wären, sich von ihrer Götzenanbetung und Unmoral abzuwenden. Aber sie verwarfen die Erkenntnis und hielten an ihren Götzen fest. WABT 414 3 Als der Herr sein Volk zum zweiten Mal an die Grenzen Kanaans führte, gewährte er diesen heidnischen Völkern weitere Beweise seiner Macht. Sie verstanden, dass Gott mit den Israeliten war, als diese den Sieg über König Arad und die Kanaaniter erlangten, und auch durch das Wunder, das die Sterbenden vom Gift der Schlangen heilte. Obwohl den Israeliten der Durchzug durch das Land Edom verweigert worden war, wodurch sie gezwungen waren, den langen und beschwerlichen Umweg über Elat am Roten Meer einzuschlagen, hatten sie auf all ihren Wanderungen und Lagerplätzen entlang der Grenzen zu Edom, Moab und Ammon keine Feindseligkeiten erkennen lassen und den Bewohnern und deren Besitztümern keinen Schaden zugefügt. Als sie nun an die Grenzen der Amoriter gekommen waren, hatten sie wieder nur die Erlaubnis erbeten, geradewegs durch das Land zu ziehen. Sie versprachen, denselben Verhaltensregeln zu folgen wie im Umgang mit den anderen Völkern. Als der Amoriterkönig diese höfliche Bitte abschlug und in trotziger Verachtung sein Heer zum Kampf sammelte, war das Maß ihrer Bosheit voll. Nun setzte Gott seine Macht ein, um sie zu vernichten. WABT 415 1 Die Israeliten überquerten den Fluss Arnon und rückten gegen den Feind vor. Es kam zu einem Kampf, aus dem das Heer der Israeliten als Sieger hervorging. Diesen Vorteil nutzten sie und waren bald im Besitz des Amori- ter-Landes. Der Herr der Heerscharen Gottes hatte die Feinde seines Volkes bezwungen. Er hätte das Gleiche auch 38 Jahre früher für sie getan, wenn ihm Israel nur vertraut hätte. Sieg Uber Den Riesenkönig Von Baschan WABT 415 2 Voller Hoffnung und Mut zog nun Israels Heer Richtung Norden voran. Bald stieß es auf ein Land, an dem sein Mut und sein Gottvertrauen auf die Probe gestellt werden sollten. Vor ihm lag das mächtige und bevölkerungsreiche Königreich Baschan. Es gab da große, aus Steinen erbaute Städte, die bis heute die Bewunderung der Welt erregen. Es waren darunter "60 Städte ... befestigt, mit hohen Mauern und verriegelten Toren. Auch sehr viele unbefestigte Orte nahmen wir ein." (5. Mose 3,4.5 NLB) Die Häuser bestanden aus schwarzen Steinen von solch erstaunlicher Größe, dass sie damals für jede Art von Gewalt, die gegen sie eingesetzt werden konnte, uneinnehmbar schienen. Das Land war voller wilder Höhlen, hoch aufragender Felswände, steiler Abgründe und felsiger Festungen. Die Einwohner, Nachkommen eines riesenhaften Geschlechts, waren selbst außergewöhnlich groß und stark und so bekannt für ihre Gewalt und Grausamkeit, dass sie der Schrecken aller umliegenden Völker waren. Og, der König des Landes, übertraf selbst sein Volk von Riesen noch an Größe und Tapferkeit. WABT 416 1 Aber die Wolkensäule zog unbeirrt vorwärts. Unter ihrer Führung rückten die Israeliten bis zur Stadt Edrei vor, wo sie der Riesenkönig mit seinen Streitkräften erwartete. Og hatte den Kampfplatz äußerst geschickt gewählt: Edrei lag am Rand einer Hochebene, die steil aus dem Flachland aufstieg und mit scharfkantigen vulkanischen Gesteinsbrocken übersät war. Die Stadt war nur auf schmalen, steilen Pfaden zu erreichen, die außerordentlich mühsam zu ersteigen waren. Im Fall einer Niederlage konnten seine Streitkräfte in dieser Steinwüste Schutz finden. Fremden Heeren war es schier unmöglich, ihnen zu folgen. WABT 416 2 Siegesgewiss rückte der König mit seinem gewaltigen Heer auf das offene Land hinaus, während Schmährufe von der Hochebene zu hören waren, wo man die Speere von Tausenden kampfeslustiger Krieger sehen konnte. Die Israeliten erblickten die mächtige Gestalt des hünenhaften Anführers, der seine Streiter noch um einiges überragte. Sie nahmen die Heerscharen wahr, die ihn umgaben, und sahen die scheinbar uneinnehmbare Festung, hinter der sich unsichtbar weitere Tausende verschanzt hatten. Da zitterten viele vor Angst. Doch Mose blieb ruhig und fest, denn der Herr der Heerscharen hatte über den König von Baschan gesagt: "Hab keine Angst vor ihm, denn ich habe dir den Sieg über Og und sein Heer geschenkt und sein ganzes Land in deine Hand gegeben. Verfahre genauso mit ihm wie mit Sihon, dem König der Amoriter, der in Heschbon herrschte." (5. Mose 3,2 NLB) WABT 416 3 Die ruhige Zuversicht ihres Führers stärkte auch das Vertrauen der Israeliten. Sie vertrauten der Allmacht Gottes, der sie nicht im Stich ließ. Dem Hauptmann der Heerscharen des Herrn konnten weder gewaltige Riesen noch befestigte Städte, weder eine bewaffnete Kriegsmacht noch Gebirgsfes- tungen standhalten. Der Herr zog dem Heer seines Volkes voran; der Herr besiegte den Feind; der Herr eroberte das Land für Israel. Der Riesenkönig und sein Heer wurden vernichtet, und die Israeliten nahmen sogleich das ganze Land in Besitz. So wurde dieses seltsame Volk ausgerottet, das sich der Sünde und einer verabscheuungswürdigen Götzenverehrung hingegeben hatte. Den Fehler Der Väter Nicht Wiederholen WABT 416 4 Bei der Eroberung von Gilead und Baschan erinnerten sich viele an die Ereignisse bei Kadesch fast vierzig Jahre zuvor, die Israel zur langen Wüstenwanderung verdammt hatten. Sie erkannten, dass der Bericht der Kundschafter über das verheißene Land in vieler Hinsicht zutreffend war: Die Städte waren sehr groß und von hohen Mauern umgeben; Riesen wohnten darin, denen gegenüber sich die Israeliten wie Zwerge fühlten (vgl. 4. Mose 13,28. 33). Aber sie erkannten nun auch den verhängnisvollen Irrtum ihrer Väter, die an Gottes Macht gezweifelt hatten. Dies allein hatte sie damals daran gehindert, das Gelobte Land sofort zu betreten. WABT 417 1 Als sich die Israeliten das erste Mal anschickten, in Kanaan einzuziehen, wäre das Unternehmen weit weniger schwierig gewesen als jetzt. Gott hatte ihnen versprochen: Wenn sie ihm gehorchen, werde er ihnen vorangehen und für sie kämpfen. Zudem werde er Hornissen schicken, um die Bewohner des Landes zu vertreiben (vgl. 5. Mose 7,20 Elb.). Damals war die Angst der Völker vor den Israeliten noch nicht weit verbreitet. Daher waren erst wenige Vorkehrungen getroffen worden, um ihr Vorrücken aufzuhalten. Aber als der Herr sie nun aufforderte vorwärts zu gehen, mussten sie gegen wachsame, mächtige Feinde anrücken und mit großen, gut ausgebildeten Heeren kämpfen, die sich darauf eingestellt hatten, ihren Vormarsch aufzuhalten. WABT 417 2 Im Kampf gegen Og und Sihon mussten die Israeliten die gleiche Prüfung bestehen, bei der ihre Väter so kläglich versagt hatten. Aber die Prüfung war nun viel schwieriger als damals, als Gott Israel erstmals befohlen hatte, voranzugehen. Die Schwierigkeiten auf ihrem Weg hatten wesentlich zugenommen, seitdem sie sich geweigert hatten, im Auftrag und Namen des Herrn voranzugehen. So stellt Gott sein Volk auch heute noch auf die Probe. Wenn es versagt, führt er es wieder in die gleiche Situation. Aber beim zweiten Mal fällt die Prüfung strenger und härter aus. Das wird sich wiederholen, bis sein Volk die Prüfung besteht, oder, wenn es immer noch rebellisch ist, bis Gott ihm die Erkenntnis entzieht und es der Finsternis überlässt. WABT 417 3 Viele Israeliten erinnerten sich nun daran, wie man sie einst in die Flucht geschlagen hatte und Tausende im Kampf gefallen waren. Aber damals hatten sie gegen den ausdrücklichen Befehl Gottes gehandelt. Sie waren ohne Mose ausgerückt, der von Gott zum Anführer bestimmt worden war, ohne die Wolkensäule - das Zeichen der Gegenwart Gottes - und ohne die Bundeslade (vgl. 4. Mose 14,40-45). Diesmal aber war Mose bei ihnen, der sie durch seine Worte der Hoffnung und des Vertrauens stärkte. Der Sohn Gottes zog - in der Wolkensäule verhüllt - vor ihnen her, und die heilige Bundeslade begleitete das Heer. WABT 417 4 Diese Erfahrung enthält für uns eine wichtige Lehre. Der mächtige Gott Israels ist auch unser Gott. Auf ihn können wir vertrauen. Wenn wir seinen Geboten gehorchen, wird er uns auf genauso beachtliche Weise helfen wie seinem alten Bundesvolk. Wer treu seine Pflicht erfüllen möchte, wird zeitweise von Zweifel und Unglauben angefochten. Manchmal wird der Weg von scheinbar unüberwindbaren Hindernissen versperrt, um die zu entmutigen, die der Entmutigung nachgeben würden. Aber gerade zu ihnen sagt Gott: Geht voran! Tut eure Pflicht, koste es, was es wolle! Die Schwierigkeiten, die so groß zu sein scheinen und euch einen Schrecken einjagen, werden verschwinden, wenn ihr gehorsam vorangeht und demütig Gott vertraut. ------------------------Kapitel 40 - Bileams Wirken Gegen Israel WABT 419 0 4. Mose 22 bis 24. WABT 419 1 Nach der Eroberung Baschans kehrten die Israeliten zum Jordan zurück. WABT 419 2 Oberhalb der Jordanmündung am Toten Meer, gegenüber der Ebene von Jericho, schlugen sie ihr Lager auf und bereiteten ihren baldigen Einzug nach Kanaan vor. Sie standen unmittelbar vor der moabitischen Grenze und die Moabiter wurden von Angst erfüllt, weil sich die Angreifer in nächster Nähe befanden. WABT 419 3 Die Moabiter waren bisher von den Israeliten in keiner Weise belästigt worden. Gleichwohl hatten sie böse Vorahnungen und beobachteten alles, was in den umliegenden Ländern vor sich ging. Die Amoriter, vor denen sie hatten zurückweichen müssen, waren bereits von den Israeliten besiegt worden. In deren Besitz befand sich nun das Gebiet, das die Amoriter vorher den Moabitern entrissen hatten. Die Heerscharen Baschans waren vor der geheimnisvollen Macht in der Wolkensäule zurückgewichen, sodass die Israeliten deren gewaltige Festungen einnahmen. Die Moabiter wagten daher nicht, sie anzugreifen. Angesichts der übernatürlichen Kräfte, die für Israel stritten, erschien ihnen der Ruf zu den Waffen sinnlos. Aber wie schon Pharao, versuchten auch sie, das Wirken Gottes zu behindern, indem sie Zaubermächte zu Hilfe nahmen. Sie wollten über Israel einen Fluch bringen. WABT 419 4 Die Völker von Moab und Midian waren aufgrund ihrer gemeinsamen Herkunft und Religion eng miteinander verbunden. Balak, der König von Moab, schürte nun Angst unter dem verwandten Volk und sicherte sich dessen Mitwirkung bei seinen Plänen gegen Israel mit der Botschaft: "Nun wird dieser Haufe auffressen, was um uns herum ist, wie ein Rind das Gras auf dem Feld abfrisst." (4. Mose 22,4) Ein Mann Mit Übernatürlichen Kräften WABT 419 5 Von Bileam, der in Mesopotamien wohnte, wurde berichtet, er habe übernatürliche Kräfte. Sein Ruf war bis ins Moabiter-Land gedrungen. Deshalb wurde beschlossen, ihn um Hilfe zu bitten. Botschafter aus den "Ältesten der Moabiter" und den "Ältesten der Midianiter" wurden zu ihm gesandt, um sich seiner Wahrsagerei und Zauberei gegen Israel zu versichern (4. Mose 22,7). WABT 420 1 Die Gesandten brachen sofort zu ihrer langen Reise über die Berge und durch die Wüsten nach Mesopotamien auf. Nachdem sie Bileam gefunden hatten, trugen sie ihm das Anliegen ihres Königs vor: "Es ist ein Volk aus Ägypten gezogen, das bedeckt das ganze Land und lagert mir gegenüber. So komm nun und verfluche mir das Volk, denn es ist mir zu mächtig; vielleicht kann ich's dann schlagen und aus dem Land vertreiben. Denn ich weiß: Wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht." (4. Mose 22,5.6) WABT 420 2 Bileam war einst ein frommer Mann und ein Prophet Gottes gewesen. Aber er war von Gott abgefallen und hatte sich der Habgier hingegeben. Trotzdem bezeichnete er sich immer noch als einen Diener des Allerhöchsten. Ihm war nicht unbekannt, was Gott für Israel getan hatte. Als ihm die Botschaft ausgerichtet wurde, wusste er genau, dass er die Pflicht hatte, Ba- laks angebotene Belohnung auszuschlagen und die Boten wegzuschicken. Aber er wagte es, mit der Versuchung zu liebäugeln, und drängte die Boten, über Nacht zu bleiben; denn er könne ihnen keine bestimmte Antwort geben, bevor er sich nicht mit dem Herrn beraten habe. Bileam wusste, dass sein Fluch den Israeliten nicht schaden konnte, denn Gott war auf ihrer Seite, und solange sie ihm treu blieben, würde sie keine gegnerische Macht der Erde oder der Hölle überwinden. Aber in seiner Eitelkeit fühlte er sich von den Worten der Gesandten geschmeichelt: "Wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht." (4. Mose 22,6) Die Bestechung durch kostbare Gaben und die Aussicht auf Ehrungen weckten seine Begierden. Gierig nahm er die angebotenen Schätze an. Dann versuchte er, Balaks Wünsche zu erfüllen, während er gleichzeitig beteuerte, sich streng an den Willen Gottes zu halten. WABT 420 3 In der Nacht kam der Engel Gottes zu Bileam und sagte zu ihm: "Geh nicht mit ihnen, verfluche das Volk auch nicht; denn es ist gesegnet." (4. Mose 22,12) Zögerlich entließ Bileam am anderen Morgen die Besucher, teilte ihnen aber nicht mit, was der Herr ihm gesagt hatte. Er war verärgert, dass die Aussichten auf Gewinn und Ehre so schnell zerronnen waren, und rief verdrossen aus: "Geht hin in euer Land; denn der Herr will's nicht gestatten, dass ich mit euch ziehe." (4. Mose 22,13) WABT 420 4 Bileam "liebte den Lohn der Ungerechtigkeit" (2. Petrus 2,15). Die Sünde der Habsucht, die Gott als Götzendienst bezeichnet (vgl. Kolosser 3,5b), hatte ihn zum Gesinnungslumpen werden lassen, und durch diese eine Sünde gewann Satan die volle Herrschaft über ihn. Dies führte letztlich zu seinem Untergang. WABT 421 1 Der Versucher bietet immer irdischen Gewinn und weltliche Ehre an, um Menschen vom Dienst für Gott abzubringen. Er redet ihnen ein, es liege an ihrer übertriebenen Gewissenhaftigkeit, wenn sie keinen Reichtum hätten. Auf diese Weise lassen sich viele dazu verleiten, vom Weg strikter Rechtschaffenheit abzuweichen. Nach dem ersten unrechten Schritt fällt der nächste schon leichter, und man wird immer kühner. Wer sich von Habsucht und Machtgier beherrschen lässt, wird nicht vor den schlimmsten Taten zurückschrecken. Viele bilden sich ein, sie bräuchten es um irgendeines weltlichen Vorteils willen zeitweise mit der strengen Rechtschaffenheit nicht so genau zu nehmen; sei das Ziel erreicht, könnten sie sich ja leicht wieder wie früher verhalten. So verstricken sie sich immer mehr in Satans Schlingen, und nur selten entkommen sie ihnen wieder. Der Reiz Der Belohnung WABT 421 2 Nach ihrer Rückkehr berichteten die Botschafter Balak, dass sich der Prophet geweigert habe, mit ihnen zu kommen. Aber sie verschwiegen ihm, dass Gott es ihm verboten hatte. Da der König annahm, Bileam zögere nur, um eine höhere Belohnung herauszuschlagen, schickte er noch mehr und vornehmere Fürsten zu ihm - mit dem Versprechen auf größere Ehrungen und der Vollmacht, auf alle Forderungen Bileams einzugehen. Balaks drängende Botschaft an den Propheten lautete: "Wehre dich doch nicht dagegen, zu mir zu ziehen; denn ich will dich hoch ehren, und was du mir sagst, das will ich tun; komm doch und verfluche mir dies Volk." (4. Mose 22,16.17) WABT 421 3 Zum zweiten Mal wurde Bileam auf die Probe gestellt. Aber auf das Begehren der Gesandten hin täuschte er große Gewissenhaftigkeit und hohe Rechtschaffenheit vor und versicherte ihnen, dass kein noch so hoher Betrag an Gold und Silber ihn dazu verleiten könne, etwas gegen den Willen Gottes zu unternehmen. Trotzdem hatte er das starke Verlangen, die Bitte des Königs zu erfüllen. Obgleich ihm Gottes Wille bereits ganz eindeutig mitgeteilt worden war, drängte er die Boten, doch zu bleiben, damit er Gott weiter befragen könne - als ob der Unendliche ein Mensch wäre, der überredet werden muss. WABT 421 4 In der Nacht erschien der Herr dem Bileam und sprach: "Sind die Männer gekommen, dich zu rufen, so mach dich auf und zieh mit ihnen; doch nur was ich dir sagen werde, sollst du tun." (4. Mose 22,20) So weit gewährte Gott Bileam Spielraum, seinen eigenen Willen zu verfolgen, weil er sich bereits dazu entschlossen hatte. Ihm lag nicht daran, den Willen Gottes zu tun; er ging lieber seinen eigenen Weg und versuchte dann, dazu Gottes Zustimmung zu erlangen. WABT 422 1 Es gibt heute tausende Christen, die einen ähnlichen Kurs verfolgen. Sie hätten keine Probleme damit, ihre Pflicht zu verstehen, wenn sie mit ihren Neigungen übereinstimmte. Sie wird ihnen in der Bibel klar gezeigt oder die Umstände und die Vernunft machen sie ihnen deutlich. Weil diese Hinweise aber ihren Wünschen und Neigungen im Weg stehen, schieben sie sie häufig beiseite und maßen sich an, zu Gott zu gehen und ihn nach ihrer Pflicht zu fragen. Mit scheinbar großer Gewissenhaftigkeit beten sie lange und ernsthaft um Erkenntnis. Aber Gott lässt sich nicht spotten. Oft erlaubt er, dass solche Menschen ihren eigenen Wünschen folgen und die Konsequenzen erleiden. "Mein Volk gehorcht nicht meiner Stimme ... So hab ich sie dahingegeben in die Verstocktheit ihres Herzens, dass sie wandeln nach eigenem Rat." (Psalm 81,12.13) Wer eine Aufgabe klar erkannt hat, soll sich nicht anmaßen, Gott zu bitten, ihm deren Ausführung zu erlassen. Stattdessen sollte er mit einer demütigen und gehorsamen Gesinnung um Gottes Kraft und Weisheit bitten, um deren Anforderungen gerecht werden zu können. WABT 422 2 Die Moabiter waren ein Volk, das sich erniedrigt hatte und der Götzenanbetung verfallen war. Doch gemessen am Licht, das sie empfangen hatten, war ihre Schuld in Gottes Augen nicht so groß wie jene Bileams. Da er sich weiterhin als Prophet Gottes ausgab, würde man annehmen, dass alles, was er sagte, mit Gottes Vollmacht gesprochen war. Deshalb durfte er nicht reden, was er wollte, sondern musste die Botschaft verkünden, die Gott ihm gab. "Nur was ich dir sagen werde, sollst du tun" (4. Mose 22,20b), lautete der göttliche Befehl. Ein Esel Sieht Mehr Als Der Prophet WABT 422 3 Bileam hatte die Erlaubnis erhalten, die Gesandten aus Moab zu begleiten, wenn sie ihn am folgenden Morgen rufen würden. Verärgert über sein Zögern und in Erwartung einer neuerlichen Absage traten diese aber ihren Heimweg an, ohne sich weiter mit ihm zu beraten. Damit war ihm jede Ausrede dafür genommen, der Bitte Balaks zu entsprechen. Doch Bileam war fest entschlossen, sich die Belohnung zu sichern. Er nahm die Eselin, auf der er gewöhnlich ritt, und machte sich auf den Weg. Weil er befürchtete, Gott könnte selbst jetzt noch seine Erlaubnis zurückziehen, drängte er sie ungeduldig eilig vorwärts, damit ihm nicht doch noch die begehrte Belohnung entging. WABT 422 4 Aber "der Engel des Herrn trat in den Weg, um ihm zu widerstehen" (4. Mose 22,22). Das Tier sah den Boten Gottes, den der Mensch nicht wahrnahm. Es wich zur Seite und lief auf ein Feld. Grausam schlug Bileam auf das Tier ein und brachte es damit auf den Weg zurück. Doch der Engel erschien aufs Neue an einer engen Stelle zwischen zwei Felswänden. Die Eselin versuchte, der drohenden Gestalt auszuweichen, und presste den Fuß ihres Herrn gegen die Felswand. Bileam war blind für Gottes Eingreifen und erkannte nicht, dass Gott ihm den Weg versperrte. Er wurde wütend und schlug unbarmherzig auf die Eselin ein, um sie zum Weitergehen zu zwingen. WABT 423 1 Noch einmal erschien der Engel in drohender Haltung. Dieses Mal trat er "an eine enge Stelle, wo kein Platz mehr war auszuweichen, weder zur Rechten noch zur Linken" (4. Mose 22,26). Das arme Tier zitterte vor Angst, hielt an und fiel unter seinem Reiter auf die Erde. Bileams Wut kannte keine Grenzen mehr. Er schlug mit seinem Stock noch grausamer als zuvor auf das Tier ein. Da öffnete Gott der Eselin das Maul und das "stumme Zugtier sprach ihn mit menschlicher Stimme an und gebot dem Wahnsinn des Propheten Einhalt" (2. Petrus 2,16 ZÜ). "Was hab ich dir getan", fragte es, "dass du mich nun dreimal geschlagen hast?" (4. Mose 22,28) WABT 423 2 Wütend, weil er auf seiner Reise aufgehalten wurde, antwortete Bileam dem Tier, als hätte er ein vernunftbegabtes Wesen vor sich: "Du hast mich zum Narren gehalten! ... Hätte ich ein Schwert dabei, so würde ich dich jetzt töten!" (4. Mose 22,29 NLB) Hier war ein angeblicher Zauberer auf dem Weg, einen Fluch über ein ganzes Volk auszusprechen, um dessen Streitkräfte zu lähmen, und hatte selbst nicht einmal die Macht, das Tier umzubringen, auf dem er ritt! WABT 423 3 Nun wurden Bileams Augen geöffnet. Er erblickte den Engel Gottes mit dem blanken Schwert in der Hand - bereit, ihn niederzustrecken. Entsetzt neigte sich Bileam "und fiel nieder auf sein Angesicht" (4. Mose 22,31). Der Engel sprach: "Warum hast du deine Eselin dreimal geschlagen? ... Ich bin gekommen, um dir den Weg zu versperren, weil du sonst vor meinen Augen ins Verderben rennst. Dreimal hat die Eselin mich gesehen und ist mir ausgewichen. Andernfalls hätte ich dich mit Sicherheit getötet und die Eselin am Leben gelassen." (4. Mose 22,32.33 NLB) WABT 423 4 Bileam verdankte dem armen Tier, das er so grausam behandelt hatte, die Bewahrung seines Lebens. Der Mann, der ein Prophet des Herrn sein wollte und erklärt hatte: "Ich sehe, was der Mächtige mir zeigt . ich schaue, was mir Gott vor Augen stellt" (4. Mose 24,3.4 GNB), war durch Habsucht und Ehrgeiz so verblendet, dass er den Engel Gottes nicht wahrnehmen konnte, den sein Tier sah! "Den Ungläubigen ... [hat] der Gott dieser Welt [Satan] den Sinn verblendet" (2. Korinther 4,4 Elb.). So viele sind auf diese Weise blind geworden! Sie eilen auf verbotenen Wegen voran, übertreten Gottes Gesetz und bemerken nicht, dass Gott und seine Engel gegen sie sind. Wie Bileam WABT 424 1 sind sie über diejenigen verärgert, die ihren Untergang verhindern möchten. Die Unbarmherzige Behandlung Von Tieren WABT 424 2 Durch die Behandlung seines Tieres hatte Bileam deutlich gemacht, was für ein Geist ihn beherrschte. "Der Gerechte erbarmt sich seines Viehs; aber das Herz der Gottlosen ist unbarmherzig." (Sprüche 12,10) Wenigen ist ihre Sünde zur Genüge bewusst, die sie mit der Misshandlung oder Vernachlässigung von Tieren begehen. Der Schöpfer des Menschen hat auch die niedrigeren Tiere geschaffen und "erbarmt sich aller seiner Werke" (Psalm 145,9). Sie wurden zwar erschaffen, um den Menschen zu dienen, aber diese haben nicht das Recht, ihnen durch harte Behandlung oder grausame Anforderungen Schmerzen zuzufügen. WABT 424 3 Es ist eine Folge der Sünde des Menschen, "dass die ganze Schöpfung bis jetzt noch stöhnt und in Wehen liegt wie eine Frau bei der Geburt." (Römer 8,22 GNB) Die Sünde brachte nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren Leiden und Tod. Deshalb sollten die Menschen versuchen, das Ausmaß der Leiden, das sie durch die Übertretung des Gesetzes über Gottes Geschöpfe gebracht haben, zu lindern, statt es zu vermehren. Wer Tiere misshandelt, weil sie in seiner Gewalt sind, ist Feigling und Tyrann zugleich. Die Neigung, Mitmenschen oder Tieren Schmerzen zuzufügen, ist satanisch. Manche glauben nicht, dass ihre Grausamkeit jemals bekannt werden könnte, weil die armen, stummen Tiere nichts verraten können. Würden diesen Menschen aber die Augen aufgetan wie jene von Bileam, würden sie einen Engel Gottes sehen, der einmal im himmlischen Gericht gegen sie als Zeuge auftreten wird. Im Himmel wird Bericht geführt, und es kommt ein Tag, an dem das Urteil über alle gefällt wird, die Gottes Geschöpfe misshandelt haben. Die Fortsetzung Der Reise WABT 424 4 Als Bileam den Boten Gottes erblickte, rief er erschrocken: "Ich habe gesündigt; ich hab's ja nicht gewusst, dass du mir entgegenstandest auf dem Weg. Und nun, wenn dir's nicht gefällt, will ich wieder umkehren." (4. Mose 22,34) Der Herr ließ ihn seine Reise zwar fortsetzen, aber gab ihm zu verstehen, dass seine Worte von der Macht Gottes gelenkt würden. Gott wollte den Moabitern den Beweis liefern, dass die Israeliten unter dem Schutz des Himmels standen. Das gelang ihm sehr wirksam, als er den Moabitern zeigte, wie machtlos Bileam war, ohne Gottes Zustimmung einen Fluch über Israel auszusprechen. WABT 425 1 Als der König von Moab erfuhr, dass Bileam auf dem Weg zu ihm war, zog er ihm mit großem Gefolge bis an die Grenze seines Reiches entgegen. Als er seine Verwunderung über Bileams Verspätung zum Ausdruck brachte, da ihm doch eine große Belohnung winkte, antwortete der Prophet: "Jetzt bin ich ja gekommen. Aber steht es denn in meiner Macht, einfach irgendetwas zu sagen? Ich kann nur das sagen, was Gott mir in den Mund legt." (4. Mose 22,38 NLB) Bileam bedauerte diese Einschränkung sehr. Er befürchtete, sein Vorhaben nicht ausführen zu können, weil Gottes lenkende Macht über ihm war. Bileam Will Israel Verfluchen WABT 425 2 Mit den höchsten Würdenträgern seines Reiches und großer Prachtentfaltung geleitete der König Bileam auf "die Baalshöhen" (4. Mose 22,41 GNB), von denen man die Scharen Israels überblicken konnte. Nun stand der Prophet hoch oben und schaute hinunter auf das Lager des von Gott auserwählten Volkes. Doch die Israeliten hatten keine Ahnung von dem, was in ihrer unmittelbaren Nähe vor sich ging. Wie wenig wussten sie von Gottes Fürsorge, die er Tag und Nacht über sein Volk ausbreitete! Wie schwer war es ihnen zu allen Zeiten gefallen, seine große Liebe und Gnade zu begreifen! Wenn sie Gottes wunderbare Kraft hätten erkennen können, mit der er sie ständig beschützte, würden dann nicht ihre Herzen mit Dankbarkeit für seine Liebe und mit Ehrfurcht erfüllt worden sein, angesichts seiner Majestät und Macht? WABT 425 3 Bileam hatte eine gewisse Kenntnis vom Opferwesen der Israeliten und hoffte, sich den Segen Gottes sichern zu können, indem er sie mit kostbaren Opfergaben überbot. Dann werde es ihm gelingen, seine sündhaften Pläne in die Tat umzusetzen. Auf diese Weise gewannen die Vorstellungen der götzendienerischen Moabiter die Herrschaft über seine Gedanken. Seine Weisheit war zur Torheit geworden, sein geistliches Sehvermögen war getrübt. Diese Blindheit hatte er selbst verursacht, indem er sich der Macht Satans auslieferte. WABT 425 4 Auf Bileams Anweisung wurden sieben Altäre errichtet. Auf jedem brachte er ein Opfer dar. Dann zog er sich auf eine der Höhen zurück, um Gott zu begegnen. Er versprach Balak, ihn wissen zu lassen, was Gott ihm offenbaren werde. WABT 425 5 Mit den Edlen und Prinzen Moabs stand der König neben den Opferaltären, während sich um sie eine neugierige Menge versammelte, um die Rückkehr des Propheten abzuwarten. Schließlich kam er auch. Das Volk war gespannt auf seinen Spruch, der für immer die seltsame Macht, die bisher den verhassten Israeliten geholfen hatte, bannen und unwirksam machen sollte. Bileams Segensspruche WABT 426 1 Bileam sagte: WABT 426 2 "Vom Osten her, vom Aramäer-Land und seinen Bergen, rief mich König Balak und er befahl: ›Du sollst das Jakobsvolk mit einem schweren Fluch belegen! Verwünschen sollst du dieses Israel!‹ Wie kann ich dieses Volk verwünschen, wenn Gott, der Herr, es nicht verwünschen will? Wie soll ich es verfluchen können, solange er nicht selbst den Fluch ausspricht? Hier von der Höhe aus kann ich sie sehen, von diesem Felsengipfel aus erkenne ich: Sie sind ein Volk von ganz besonderer Art, das sich mit anderen Völkern nicht vermischt. Kein Mensch kann diese Jakobsleute zählen, wie Staub bedecken sie die Erde, die Scharen Israels, die vielen Tausend. Sie sind ein Volk, das stets das Rechte tut. Ich möchte, dass ich einmal so wie sie in Gottes Frieden sterben könnte! (4. Mose 23,7-10 GNB) WABT 426 3 Bileam brachte zum Ausdruck, dass er zwar mit der Absicht gekommen war, Israel zu verfluchen, doch die Worte, die er hervorbrachte, standen ganz im Widerspruch zu seinen inneren Empfindungen. Er war gezwungen, Segensworte zu sprechen, während seine Seele mit Flüchen erfüllt war. WABT 426 4 Als Bileam das Lager der Israeliten überschaute, nahm er mit Erstaunen die Anzeichen ihres Wohlstands wahr. Man hatte sie ihm als einen wilden, ungeordneten Volkshaufen geschildert, der in Gestalt von Räuberbanden das Land überziehe und eine Plage und einen Schrecken für die umliegenden Völker darstelle. Doch der Anblick, der sich ihm bot, war das genaue Gegenteil. Er sah das riesige Ausmaß und die vollkommene Anordnung ihres Lagers. Überall waren peinliche Ordnung und Disziplin zu erkennen. Hier wurde ihm vor Augen geführt, welche Gunst Gott Israel entgegenbrachte und welch besonderer Charakter das auserwählte Volk auszeichnete. Es sollte nicht mit den anderen Völkern auf einer Stufe stehen, sondern sie alle überragen. "Sie sind ein Volk von ganz besonderer Art, das sich mit anderen Völkern nicht vermischt." (4. Mose 23,9b GNB) Als diese Worte gesprochen wurden, hatten die Israeliten noch keinen dauernden Wohnsitz, und Bileam war mit ihrem besonderen Charakter, ihren Sitten und Gewohnheiten nicht vertraut. Doch wie erstaunlich klar hat sich diese Weissagung in der späteren Geschichte Israels erfüllt! In den vielen Jahren ihrer Gefangenschaft, durch alle Jahrhunderte hindurch, in denen sie zerstreut unter den Völkern lebten, sind sie ein besonderes Volk geblieben. So ist auch heute Gottes Volk - das wahre Israel - unter allen Völkern zerstreut. Die Gläubigen sind auf Erden nur Wanderer, deren "Bürgerrecht ... im Himmel" ist (Philipper 3,20a). WABT 427 1 Bileam wurde aber nicht nur die Geschichte der Israeliten als Nation gezeigt, sondern auch das Wachstum und Wohlergehen des wahren Israels bis ans Ende der Zeit. Er sah, wie das besondere Wohlwollen des Allerhöchsten mit denen ist, die ihn lieben und ehren. Er nahm wahr, wie sein Arm sie trägt, wenn sie ins dunkle "Tal des Todesschattens" (Psalm 23,4a Elb.) treten. Er schaute, wie sie aus ihren Gräbern hervorkommen, gekrönt mit Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit. Und ihm wurde gezeigt, wie sich die Erlösten der unvergänglichen Pracht der neuen Erde erfreuen. Bei diesem Anblick rief er aus: "Wer kann zählen den Staub Jakobs, auch nur den vierten Teil Israels?" (4. Mose 23,10) Als er die Kronen der Herrlichkeit auf ihren Stirnen sah, die große Freude, die aus allen Gesichtern leuchtete, und auf das ewige, endlose Leben voll lauteren Glücks blickte, betete er ernst: "Meine Seele möge sterben den Tod der Gerechten, und mein Ende werde wie ihr Ende!" (4. Mose 23,10) WABT 427 2 Hätte Bileam die Einstellung gehabt, die Erkenntnis anzunehmen, die ihm Gott gegeben hatte, hätte er nun seine Worte wahr gemacht und sofort jede Verbindung mit den Moabitern abgebrochen. Er hätte nicht länger Gottes Gnade ausgenutzt, sondern wäre in tiefer Reue zu ihm zurückgekehrt. Aber Bileam liebte "den Lohn der Ungerechtigkeit" (2. Petrus 2,15) und war fest entschlossen, seiner habhaft zu werden. WABT 427 3 Voller Zuversicht hatte Balak auf einen Fluch gewartet, der wie ein vernichtender Hauch auf die Israeliten hätte fallen sollen. Bei den Worten des Propheten rief er leidenschaftlich aus: "Was hast du mir angetan? Ich habe dich geholt, damit du meine Feinde verwünschst, und nun hast du sie statt- dessen gesegnet." (4. Mose 23,11 EÜ) Bileam versuchte, aus der Not eine Tugend zu machen, und erklärte, aus gewissenhafter Achtung vor Gottes Willen diese Worte gesprochen zu haben, die doch durch göttliche Macht seinen Lippen aufgenötigt worden waren. Er fragte: "Muss ich nicht darauf achten, das zu reden, was der Herr in meinen Mund legt?" (4. Mose 23,12 Elb.) WABT 428 1 Balak wollte aber auch jetzt seine Absicht nicht aufgeben. Er war der Meinung, dass der großartige Anblick des riesigen hebräischen Lagers Bileam so tief beeindruckt hatte, dass er es nicht wagte, eine Weissagung gegen Israel auszusprechen. Also beschloss der König, den Propheten an einen Platz zu führen, von dem aus nur ein kleiner Teil Israels zu sehen war. Wenn er Bileam dazu bewegen könnte, die Israeliten abteilungsweise zu verfluchen, wäre bald auch das ganze Lager der Vernichtung geweiht. Auf der Spitze einer Erhebung namens Pisga unternahmen sie daher einen weiteren Versuch. Wieder wurden sieben Altäre errichtet und die gleichen Opfer dargebracht wie das erste Mal. König und Fürsten blieben neben den Altären stehen, während sich Bileam zurückzog, um Gott zu begegnen. Erneut wurde dem Propheten eine Botschaft aufgetragen, die er weder verändern noch zurückhalten konnte. WABT 428 2 Als er wieder bei der gespannt wartenden Menge erschien, fragte man ihn: "Was hat der Herr gesagt?" (4. Mose 23,17) Und wie beim ersten Mal packten den König und seine Fürsten bei der Antwort schreckliche Angst: WABT 428 3 "Gott ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschenkind, dass ihn etwas gereue. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten? Siehe, zu segnen ist mir befohlen; er hat gesegnet, und ich kann's nicht wenden. Man sieht kein Unheil in Jakob und kein Verderben in Israel. Der Herr, sein Gott, ist bei ihm, und es jauchzt dem König zu." (4. Mose 23,19-21) WABT 428 4 Von diesen Offenbarungen selbst eingeschüchtert, rief Bileam aus: "Zauber wirkt nicht in Jakob und kein Orakel in Israel." (4. Mose 23,23 ZÜ) Den Wünschen der Moabiter entsprechend, hatte der berühmte Magier versucht, seine Zaubermacht auszuüben. Aber gerade bei dieser Gelegenheit sollte man von Israel sagen: "Was hat Gott getan!" (4. Mose 23,23 ZÜ) Solange die Israeliten unter Gottes Schutz standen, konnte kein Volk und kein Staat etwas gegen sie ausrichten, auch wenn sie von Satans ganzer Macht unterstützt wurden. Alle Welt sollte über Gottes wunderbares Wirken zugunsten seines Volkes staunen: Darüber, dass ein Mann zwar entschlossen war, einen sündigen Weg einzuschlagen, aber derart von Gottes Macht gelenkt wurde, dass er statt Verwünschungen die reichsten und kostbarsten Segenswünsche in einer erhabenen und leidenschaftlichen Dichtung aussprechen musste. Die Gunst, die Gott damals Israel erwies, sollte zu allen Zeiten den gehorsamen, treuen Kindern Gottes die Gewissheit seiner beschützenden Fürsorge schenken. Wenn Satan böse Menschen dazu verleiten sollte, die Gläubigen zu verleumden, ihnen zuzusetzen und sie zu vernichten, würde ihnen diese Begebenheit wieder bewusst werden, um ihren Mut und Glauben an Gott zu stärken. WABT 429 1 Entmutigt und erschüttert rief der Moabiter-König: "Du sollst es weder verfluchen noch segnen." (4. Mose 23,25) Doch noch immer hegte er im Herzen eine leise Hoffnung. Er entschloss sich zu einem neuen Versuch. Diesmal führte er Bileam auf den Berg Peor, wo ein Tempel stand, der den ausschweifenden Kulthandlungen der Verehrung ihres Gottes Baal geweiht war. Hier wurde die gleiche Anzahl von Altären errichtet, und es wurden ebenso viele Opfer dargebracht. Aber diesmal zog sich Bileam nicht zurück, um Gottes Willen zu erfragen. Er gab nicht vor zu zaubern, sondern stand einfach neben den Altären und schaute weit über die Zelte Israels. Erneut ruhte der Geist Gottes auf ihm. Über seine Lippen kam die göttliche Botschaft: WABT 429 2 "Wie fein sind deine Zelte, Jakob, und deine Wohnungen, Israel! Wie die Täler, die sich ausbreiten, wie die Gärten an den Wassern, wie die Aloebäume, die der Herr pflanzt, wie die Zedern an den Wassern. Sein Eimer fließt von Wasser über, und seine Saat hat Wassers die Fülle. Sein König wird höher werden als Agag, und sein Reich wird sich erheben. Gott, der ihn aus Ägypten geführt hat, ist für ihn wie das Horn des Wildstiers. Er wird die Völker, seine Verfolger, auffressen und ihre Gebeine zermalmen und mit seinen Pfeilen zerschmettern. Er hat sich hingestreckt, sich niedergelegt wie ein Löwe und wie [eine Löwin] - wer will ihn aufstören? Gesegnet sei, wer dich segnet, und verflucht, wer dich verflucht!" (4. Mose 24,5-7.9) WABT 430 1 Hier wird das Wohlergehen Israels mit den schönsten Bildern beschrieben, die in der Natur zu finden sind. Der Prophet vergleicht Gottes Volk mit fruchtbaren Tälern voll überreicher Ernte, mit blühenden Gärten, die von nie versiegenden Quellen bewässert werden, und mit dem wohlriechenden Aloebaum und der stattlichen Zeder. Das letzte Bild gehört zu den eindrucksvollsten und treffendsten, die man in der inspirierten Bibel finden kann. Die Zeder des Libanon wurde von allen Völkern des Ostens geschätzt. Die Baumgattung, zu der sie gehört, findet man auf der ganzen Erde. Sie gedeiht von der Arktis bis in die Tropen; sie verträgt die Hitze gut, trotzt aber auch der Kälte. Üppig wächst sie an den Ufern von Flüssen, ragt aber auch hoch empor auf dürrem Boden. Sie senkt ihre Wurzeln tief zwischen die Felsen der Berge und hält trotzig dem Unwetter stand. Ihre Nadeln sind noch frisch und grün, wenn alles andere durch den kalten Hauch des Winters vergangen ist. Die Zeder des Libanon übertrifft jeden anderen Baum an Stärke, Festigkeit und unverwüstlicher Lebenskraft. Sie ist ein Sinnbild für alle, deren Leben "verborgen mit Christus in Gott" ist (Kolosser 3,3). In den Psalmen steht: "Der Gerechte ... wird wachsen wie eine Zeder." (Psalm 92,13) Gottes Hand erhob diesen Baum zur Königin der Wälder. "Die Zypressen waren seinen Ästen nicht zu vergleichen, und die Platanen waren nichts gegen seine Zweige. Ja, er war so schön wie kein Baum im Garten Gottes." (Hesekiel 31,8) Wiederholt wird die Zeder sogar als Sinnbild für die Königswürde gebraucht. Dass die Heilige Schrift die Gerechten mit der Zeder vergleicht, macht deutlich, wie der Himmel die Menschen einschätzt, die ihr Leben nach dem Willen Gottes gestalten. WABT 430 2 Bileam prophezeite, dass Israels König größer und mächtiger als Agag sein werde. Diesen Namen trugen die Könige der Amalekiter, die zu j ener Zeit eine sehr starke Nation waren. Solange Israel aber Gott treu bliebe, würde es alle seine Feinde unterwerfen. Israels König war der Sohn Gottes. Sein Thron sollte eines Tages auf der Erde aufgestellt werden. Seine Macht werde alle irdischen Reiche übertreffen. WABT 430 3 Als Balak diese Worte des Propheten hörte, wurde er von Enttäuschung, Angst und Wut schier überwältigt. Er war darüber entrüstet, dass ihm Bileam zumindest eine kleine Hoffnung auf eine positive Antwort gemacht hatte, während doch alles gegen ihn entschieden war. Nun verachtete er das unentschlossene und betrügerische Verhalten des Propheten. Grimmig rief er: "Geh nun weg in dein Land! Ich dachte, ich wollte dich ehren, aber der Herr hat dir die Ehre verwehrt." (4. Mose 24,11) Bileam entgegnete, er habe den König ja vorher gewarnt, dass er nur sagen könne, was Gott ihm eingeben werde. WABT 431 1 Bevor Bileam zu seinem Volk zurückkehrte, äußerte er eine der schönsten und erhabensten Weissagungen über den Erlöser der Welt und die endgültige Vernichtung der Feinde Gottes: WABT 431 2 "Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich schaue ihn, aber nicht nahe. Es tritt hervor ein Stern aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel und zerschlägt die Schläfen Moabs und zerschmettert alle Söhne Sets." (4. Mose 24,17 Elb.) WABT 431 3 Er schloss mit der Voraussage der vollständigen Vernichtung Moabs und Edoms, der Amalekiter und der Keniter. Damit ließ er dem Moabiter-König nicht den geringsten Hoffnungsschimmer. Der Rat Bileams Und Sein Ende WABT 431 4 In seinen Hoffnungen auf Reichtum und Ehre enttäuscht, kehrte Bileam von seiner selbst gewählten Mission zurück. Er war beim König in Ungnade gefallen und wusste, dass er sich das Missfallen Gottes zugezogen hatte. Zu Hause angekommen, verließ ihn die steuernde Macht des Geistes Gottes, und Bileams Habsucht, die nur eine gewisse Zeit im Zaum gehalten worden war, gewann die Oberhand. Ihm war nun jedes Mittel recht, um sich die Belohnung zu sichern, die ihm Balak versprochen hatte. Bileam wusste, dass das Wohlergehen der Israeliten von ihrem Gehorsam gegenüber Gott abhing und es keinen Weg gab, um sie zu überwinden, außer sie zur Sünde zu verleiten. Deshalb entschloss er sich, Balaks Gunst zu erlangen, indem er den Moabitern zeigte, wie sie vorgehen müssten, um einen Fluch über Israel zu erwirken. WABT 431 5 Bileam kehrte sofort nach Moab zurück und unterbreitete dem König seine Pläne. Die Moabiter waren selbst davon überzeugt, dass die Israeliten unter Gottes Schutz standen, solange sie ihm treu blieben. Bileams Vorschlag war, sie von Gott zu trennen, indem man sie zur Götzenverehrung verführte (vgl. 4. Mose 31,16). Wenn man sie veranlassen könnte, am ausschweifenden Kult Baals und der Astarte teilzunehmen, würde ihr allmächtiger Beschützer zu ihrem Feind. Dann würden sie bald eine Beute der ungestümen, kriegerischen Stämme, die um sie herum wohnten. Diesen Plan griff der König bereitwillig auf, und Bileam blieb dort, um bei dessen Ausführung zu helfen. WABT 432 1 Bileam erlebte den Erfolg seines teuflischen Vorhabens. Er sah, wie Gottes Fluch die Israeliten heimsuchte und Tausende in seinen Strafgerichten umkamen. Aber Gottes Gerechtigkeit, die Israels Sünde bestrafte, ließ auch die Verführer nicht entkommen. Im Krieg, den Israel gegen die Midianiter führte, wurde Bileam getötet. Er hatte wohl geahnt, dass sein eigenes Ende nahe war, als er ausrief: "Meine Seele möge sterben den Tod der Gerechten, und mein Ende werde wie ihr Ende!" (4. Mose 23,10) Aber er hatte sich dagegen entschieden, wie ein Gerechter zu leben. So erfüllte sich sein Schicksal aufseiten der Feinde Gottes. Der Fehler Von Bileam Und Judas WABT 432 2 Bileams Schicksal gleicht dem von Judas, und ihr Charakter zeigt eine bemerkenswerte Übereinstimmung. Beide Männer versuchten, sowohl Gott als auch dem "Mammon" zu dienen (vgl. Matthäus 6,24c). Sie erlitten dabei schmählich Schiffbruch. Bileam erkannte den wahren Gott an und gab vor, ihm zu dienen; Judas glaubte an Jesus als den Messias und gesellte sich zu seinen Nachfolgern. Aber Bileam hoffte, die Verehrung Jahwes als Sprungbrett für Reichtum und weltliche Ehre nutzen zu können. Als das misslang, strauchelte er, fiel und wurde zerbrochen. Judas versprach sich aus seiner Verbindung mit Christus Reichtum und eine hohe Stellung im weltlichen Reich, das der Messias seiner Meinung nach aufrichten werde. Als sich seine Hoffnungen zerschlugen, fiel er von Jesus ab und stürzte ins Verderben. Bileam wie Judas hatten viele geistliche Erkenntnisse gewonnen und besondere Vorrechte genossen. Doch eine einzige gehegte Sünde besudelte ihren ganzen Charakter und verursachte ihren Untergang. WABT 432 3 Es ist gefährlich, einen unchristlichen Wesenszug in sich zu dulden. Eine einzige gehegte Sünde verdirbt nach und nach den Charakter, indem sie alle edleren Kräfte dem bösen Verlangen unterwirft. Wenn man eine Schutzmaßnahme des Gewissens ausschaltet, einer schlechten Gewohnheit frönt oder den hohen Anspruch einer Pflicht vernachlässigt, werden die inneren Verteidigungsmechanismen niedergerissen und der Weg für Satan geöffnet, sodass er uns auf Abwege führt. Der einzig sichere Weg besteht darin, täglich aufrichtigen Herzens wie David zu beten: "Erhalte meinen Gang auf deinen Wegen, dass meine Tritte nicht gleiten." (Psalm 17,5) ------------------------Kapitel 41 - Der Abfall Am Jordan WABT 433 0 4. Mose 25 und 31,1-18. WABT 433 1 Israels siegreiche Scharen waren voller Freude und mit neuem Vertrauen zu Gott aus Baschan zurückgekehrt. Sie hatten bereits wertvolles Gebiet in Besitz genommen und rechneten zuversichtlich mit der baldigen Eroberung Kanaans. Zwischen ihnen und dem Gelobten Land lag nur noch der Jordan. Jenseits des Flusses befand sich eine fruchtbare Ebene. Sie war mit frischem Grün bedeckt, von Bächen aus zahlreichen Quellen bewässert und durch üppige Palmen beschattet. Am Westrand der Ebene erhoben sich die Türme und Paläste Jerichos - derart in Palmenhaine eingebettet, dass man sie die "Palmenstadt" nannte (5. Mose 34,3b). WABT 433 2 Auch auf der Ostseite des Jordan zwischen dem Fluss und dem hohen Tafelland, das sie gerade durchquert hatten, lag eine mehrere Kilometer breite Ebene, die sich dem Fluss entlangzog. Dieses geschützte Tal verfügte über ein tropisches Klima. Hier wuchs die Schittim oder Akazie, die der Ebene den Namen "Tal von Schittim" gab (vgl. 4. Mose 25,1a). An diesem Ort schlugen die Israeliten ihr Lager auf. Die Akazienhaine am Flussufer boten ihnen dabei einen angenehmen Rückzugsort. Abfall Durch Hurerei WABT 433 3 Aber mitten in dieser reizvollen Umgebung begegneten sie einem Übel, das tödlicher war als mächtige, bewaffnete Heere oder die Raubtiere der Wüste. Die Einwohner hatten das Land, dessen Natur so zahlreiche Vorzüge bot, entweiht. Bei der öffentlichen Verehrung Baals, des Hauptgottes, spielten sich ständig entwürdigende, schändliche Szenen ab. Überall gab es Stätten, die für ihre Götzenverehrung und Ausschweifung bekannt waren. Allein schon deren Namen ließen auf die Niederträchtigkeit und Verderbtheit der Leute schließen. WABT 433 4 Diese Umgebung übte einen schädlichen Einfluss auf die Israeliten aus. Sie wurden mit den abscheulichen Gedanken vertraut, die ihnen fortwährend nahegelegt wurden. Ihr bequemes, untätiges Leben untergrub ihre Moral, und ohne dass es ihnen recht bewusst wurde, wichen sie von Gott ab und gerieten in eine Verfassung, die sie zur leichten Beute der Versuchung machte. WABT 434 1 Während die Israeliten am Jordan lagerten, bereitete Mose die Einnahme Kanaans vor. Diese Aufgabe nahm ihn voll und ganz in Anspruch. Für seine Landsleute aber waren dieser Schwebezustand und die Wartezeit schwer zu ertragen. Schon nach wenigen Wochen hatten sie ihrer Geschichte einen weiteren Schandfleck hinzugefügt, weil sie in entsetzlichster Weise vom Pfad der Tugend und Rechtschaffenheit abgewichen waren. WABT 434 2 Anfangs bestanden nur wenige Kontakte zwischen den Israeliten und ihren heidnischen Nachbarn. Aber nach einiger Zeit schlichen sich midiani- tische Frauen ins Lager. Ihr Erscheinen beunruhigte zunächst niemanden, denn sie gingen bei ihrem Vorhaben so unauffällig vor, dass nicht einmal Mose etwas davon bemerkte. Diese Frauen verfolgten bei ihren Begegnungen mit den Israeliten das Ziel, sie zur Übertretung der Gebote Gottes zu verleiten, ihnen ihre heidnischen Riten und Bräuche nahezubringen und sie zur Anbetung ihrer Götter zu führen. Dabei wurden diese Absichten sorgfältig unter dem Deckmantel der Freundschaft verborgen, sodass auch die Aufseher Israels keinen Verdacht schöpften. WABT 434 3 Auf Bileams Anregung veranstaltete der König der Moabiter ein großes Fest zu Ehren ihrer Götter. Nach geheimer Absprache sollte Bileam die Israeliten veranlassen, daran teilzunehmen. Da sie ihn für einen Propheten Gottes hielten, fiel es ihm nicht schwer, sein Ziel zu erreichen. Ein großer Teil des Volkes schloss sich ihm an, um den Festlichkeiten zuzuschauen. Damit wagten sie sich auf verbotenes Gebiet und verfingen sich schnell in Satans Schlingen. Bezaubert von Musik und Tanz und angelockt von der Schönheit der heidnischen Priesterinnen, brachen sie Jahwe die Treue. Beim fröhlichen gemeinsamen Festmahl umnebelte der getrunkene Wein bald ihre Sinne. Daraufhin brachen alle Schutzmauern der Selbstbeherrschung zusammen. Die Leidenschaft beherrschte sie völlig. Nachdem sie ihr Gewissen mit Unzucht verunreinigt hatten, ließen sie sich dazu überreden, die Götzen anzubeten. Auf heidnischen Altären brachten sie Opfer dar und beteiligten sich an den äußerst entwürdigenden Zeremonien. WABT 434 4 Es dauerte nicht lange, bis sich das Gift wie eine tödliche Seuche im ganzen Lager ausgebreitet hatte. Sie, die ihre Feinde auf dem Schlachtfeld besiegt hätten, wurden von der List heidnischer Frauen überwunden. Das Volk schien betört zu sein. Zu den Ersten, die Gottes Gesetz übertraten, gehörten Oberhäupter und Anführer. Vom Volk waren so viele schuldig geworden, dass es zu einem nationalen Abfall kam. "Israel hängte sich an den Baal-Peor." (4. Mose 25,3) WABT 435 1 Als Mose darauf aufmerksam wurde und das Übel wahrnahm, waren die Pläne der Feinde schon so erfolgreich, dass die Israeliten nicht nur am zügellosen Gottesdienst am Berg Peor teilnahmen, sondern die heidnischen Riten sogar im eigenen Lager vollzogen. Der betagte Führer war außer sich vor Entrüstung, und der Zorn Gottes war entfacht. WABT 435 2 Das lasterhafte Treiben bewirkte bei den Israeliten, was alle Zauberei Bileams nicht vermocht hatte: Es trennte sie von ihrem Gott. Durch ein Strafgericht, das schnell über sie hereinbrach, kamen sie zur Besinnung und begriffen die Abscheulichkeit ihrer Sünde. Eine schreckliche Seuche brach im Lager aus, der Zehntausende zum Opfer fielen. Gott befahl, die Anführer des Abfalls durch die Richter zum Tod zu verurteilen. Das geschah prompt. Die Schuldigen wurden getötet, ihre Leichen vor den Augen ganz Israels aufgehängt. An der strengen Bestrafung ihrer Leiter sollte dem Volk zutiefst bewusst werden, wie sehr Gott ihre Sünde verabscheute und wie schrecklich sein Zorn auf sie war. Ein Dreistes Oberhaupt WABT 435 3 Alle empfanden diese Strafe als gerecht und eilten zum heiligen Zelt, um unter Tränen und in tiefer Demut ihre Sünden zu bekennen. Als sie am Eingang des Heiligtums vor Gott weinten - die tödliche Seuche wütete noch und die Richter führten gerade ihren furchtbaren Auftrag aus -, betrat Simri, einer der Oberhäupter Israels, dreist das Lager in Begleitung einer midiani- tischen Hure und führte sie in sein Zelt. Sie war eine Prinzessin, die "Tochter Zurs, des Hauptes eines Geschlechtes unter den Midianitern" (4. Mose 25,15b). Nie zuvor war das Laster so schamlos und trotzig aufgetreten. Vom Wein beflügelt, verglich Simri seine Sünde mit jener Sodoms und rühmte sich dieser Schande. Die Priester und Anführer hatten sich in Trauer und Demütigung auf den Boden geworfen. Sie weinten "zwischen Vorhof und Altar" (Joel 2,17) und baten den Herrn, das Volk zu schonen und es nicht der Schmach und Schande preiszugeben, als dieser Fürst von Israel seine Sünde vor den Augen der Versammelten stolz zur Schau stellte, als wollte er sich der Vergeltung Gottes widersetzen und die Richter des Volkes verspotten. Da erhob sich Pinhas, der Sohn des Hohenpriesters Eleasar, trat aus der Versammlung heraus, griff nach einem Speer, "folgte den beiden in den innersten Raum des Zeltes und durchbohrte sie. Sofort hörte die Seuche, die unter dem Volk wütete, auf." (4. Mose 25,8 GNB) Der Priester aber, der das göttliche Urteil vollstreckt hatte, wurde in Gegenwart des ganzen Volkes geehrt und ihm und seinem Haus das Priestertum für immer bestätigt. "Pinhas ... hat meinen Grimm von den Israeliten gewendet", lautete die Botschaft Gottes. "Darum sage: Siehe, ich gebe ihm meinen Bund des Friedens, und dieser Bund soll ihm und seinen Nachkommen das ewige Priestertum zuteilen, weil er für seinen Gott geeifert und für die Israeliten Sühne geschafft hat." (4. Mose 25,11-13) WABT 436 1 Im Strafgericht, das in Schittim über Israel verhängt wurde, kamen alle Überlebenden aus der großen Schar um, die beinahe 40 Jahre zuvor das Urteil heraufbeschworen hatte: "In dieser Wüste sollen sie aufgerieben werden und dort sterben." (4. Mose 14,35) Die Volkszählung, die Gott während ihres Feldlagers in der Jordanebene anordnete, offenbarte, dass unter den Israeliten keiner mehr war "von denen aus Israel, die Mose und Aaron, der Priester, gezählt hatten in der Wüste Sinai . Und so blieb keiner von ihnen übrig als Kaleb, der Sohn Jefunnes, und Josua, der Sohn Nuns." (4. Mose 26,64.65) Gottes Strafe Über Die Midianiter WABT 436 2 Gott hatte dieses Strafgericht über Israel kommen lassen, weil es den Verlockungen der Midianiter nachgegeben hatte. Aber auch die Verführer sollten dem gerechten Zorn Gottes nicht entrinnen. Die Amalekiter, die Israel bei Refidim angegriffen hatten und über die schwachen, müden Nachzügler hergefallen waren, wurden erst viel später bestraft. Doch die Midianiter, die das Volk zur Sünde verführten, bekamen Gottes Gericht als die gefährlicheren Feinde Israels schnell zu spüren. "Übe Rache für die Israeliten an den Midia- nitern", lautete Gottes Befehl an Mose, "Danach wirst du im Tod mit deinen Vorfahren vereint." (4. Mose 31,2 NLB) Mose führte diesen Auftrag sofort aus. Von jedem Stamm wurden 1000 Mann erwählt und unter der Führung von Pinhas ausgesandt. "Sie zogen aus zum Kampf gegen die Midianiter, wie der Herr es Mose geboten hatte, und töteten alles, was männlich war. Samt diesen Erschlagenen töteten sie auch ... die fünf Könige der Midianiter. Auch Bileam, den Sohn Beors, töteten sie mit dem Schwert." (4. Mose 31,7.8) Auch die Frauen, welche die angreifende Armee gefangen genommen hatte, wurden auf Moses Befehl hingerichtet. Sie waren die Hauptschuldigen und dazu die gefährlichsten Feinde Israels gewesen. WABT 436 3 So endeten alle, die Böses gegen Gottes Volk im Schild geführt hatten. Der Psalmist dichtete: "Die Heiden sind versunken in der Grube, die sie gegraben, ihr Fuß ist gefangen im Netz, das sie gestellt hatten." (Psalm 9,16) "Der Herr wird sein Volk nicht verstoßen noch sein Erbe verlassen. Denn Recht muss doch Recht bleiben, und ihm werden alle frommen Herzen zufallen. Sie rotten sich zusammen wider den Gerechten ... Aber der Herr ... wird ihnen ihr Unrecht vergelten und sie um ihrer Bosheit willen vertilgen." (Psalm 94,14.15.21-23) WABT 437 1 Als man Bileam aufforderte, die Israeliten zu verfluchen, konnte er mit all seinen Zauberformeln nichts Böses gegen sie ausrichten, denn der Herr sah "kein Unheil ... und kein Verderben in Israel" (4. Mose 23,21). Als sie aber der Versuchung erlagen und Gottes Gesetz übertraten, verloren sie seinen Schutz. Ist Gottes Volk seinen Geboten treu, gibt es "keine Zauberei gegen Jakob und keine Wahrsagerei gegen Israel" (4. Mose 23,23 Elb.). Deshalb setzte Satan auch alle Macht und Arglist ein, um die Israeliten zur Sünde zu verführen. Wenn jene, die beteuern, Gottes Gesetz zu bewahren, zu dessen Übertretern werden, trennen sie sich selbst von Gott und werden nicht gegen ihre Feinde bestehen können. Die Macht Von Verführerinnen WABT 437 2 Die Israeliten, die weder durch Waffen noch durch die Zauberkünste Midians zu überwinden waren, wurden die Beute seiner Huren. So groß ist die Macht einer Frau im Dienst Satans, dass sie Menschen eine Falle stellt und zugrunde richtet. "Sie hat schon viele Männer ruiniert, und nicht wenige sind ihretwegen ums Leben gekommen." (Sprüche 7,26 GNB) Auf diese Weise wurde Sets Nachkommenschaft um ihre Unbescholtenheit gebracht und das heilige Geschlecht verdorben. Auf eben diese Weise wurde Josef versucht. In gleicher Weise verriet Simson seine Kraft, die zum Schutz Israels dienen sollte, an die Philister. Auf diesem Gebiet strauchelte auch David. Und Salomo, der weiseste aller Könige, der dreimal als der von Gott Geliebte bezeichnet wurde, wurde zum Sklaven seiner Leidenschaft und opferte dieser betörenden Macht seinen guten Ruf. WABT 437 3 "Dies alles geschah mit ihnen in vorausdeutender Weise. Es ist zu unserer Warnung aufgeschrieben worden; denn wir leben in der letzten Zeit. Du meinst sicher zu stehen? Gib Acht, dass du nicht fällst!" (1. Korinther 10,11.12 GNB) Satan kennt die Neigungen des menschlichen Herzens gut. Er kennt die verwundbarsten Stellen in jedem Charakter, denn er hat sie Jahrtausende lang mit boshafter Gründlichkeit studiert. So gelang es ihm auch bei späteren Generationen, die stärksten Männer - Fürsten in Israel - mit den gleichen Versuchungen zu Fall zu bringen, mit denen er bei Baal-Peor Erfolg hatte. WABT 437 4 Die Felsklippen der sinnlichen Leidenschaft sind übersät von charakterlichen Wracks, die durch alle Zeitalter hindurch an ihnen zerschellt sind. Während wir uns dem Ende der Zeit nähern und Gottes Volk an der Grenze zum himmlischen Kanaan steht, wird Satan - wie damals - seine Anstrengungen verdoppeln, um es am Einzug in das wahre Gelobte Land zu hindern. Er legt seine Schlingen nach allen Menschen aus. Nicht nur die Unwissenden und Ungebildeten müssen auf der Hut sein. Er versucht auch Menschen in höchster Stellung und in heiligsten Ämtern. Kann er sie dazu verführen, ihr Gewissen zu verunreinigen, kann er durch sie wieder viele andere zugrunde richten. Und er wendet heute dieselben Mittel an wie vor drei Jahrtausenden. Durch weltliche Freundschaften, den Reiz der Schönheit, durch Vergnügungssucht, ausgelassene Fröhlichkeit, Festgelage oder Alkohol verleitet er zur Übertretung des siebten Gebots. WABT 438 1 Satan verführte Israel erst zur Zügellosigkeit, dann zur Götzenanbetung. Wer Gottes Ebenbild entehrt und dessen Tempel entweiht - d.h. seine eigene Person (vgl. 1. Korinther 6,19) - wird auch keine Bedenken haben, Gott auf jedwede Art zu entehren, wenn er seine verdorbenen Begierden befriedigen kann. Übermäßiger sinnlicher Genuss schwächt den Verstand und erniedrigt die Seele. Die sittlichen und geistigen Kräfte stumpfen ab und erlahmen durch die Befriedigung niederer Leidenschaften. Wer Sklave einer Leidenschaft ist, kann unmöglich die heiligen Verpflichtungen der Gebote Gottes erkennen, das Angebot der Versöhnung mit Gott schätzen oder den rechten Wert eines Menschen ermessen. Güte, Reinheit, Treue, Ehrfurcht vor Gott und Liebe zu geistlichen Dingen - alle diese edlen Eigenschaften und noblen Bestrebungen, die den Menschen mit dem Himmel verbinden, werden im Feuer der Sinneslust verzehrt. Schließlich wird die Seele zur dunklen, öden Wüste, zur Wohnstätte böser Geister und zum "Gefängnis aller unreinen Vögel" (Offenbarung 18,2). Wesen, die zum Bild Gottes geschaffen sind, werden so auf eine Stufe mit Bestien heruntergezogen. Die Gefahr Der Verbindung Mit Gottlosen WABT 438 2 Weil die Israeliten mit Götzendienern Gemeinschaft hatten und an deren Festen teilnahmen, begannen sie Gottes Gesetz zu übertreten. Deshalb brach sein Strafgericht über sie herein. So ist Satan auch heute höchst erfolgreich, die Nachfolger von Jesus zur Sünde zu verführen - durch den Umgang mit Gottlosen und die Teilnahme an deren Vergnügungen. "Geht aus von ihnen und sondert euch ab", spricht der Herr, "und rührt nichts Unreines an." (2. Korinther 6,17) Gott verlangt auch heute von seinem Volk, dass es sich - wie seinerzeit Israel - in seinen Gepflogenheiten, Gewohnheiten und Grundsätzen deutlich von der Welt unterscheidet. Wenn es gewissenhaft befolgt, was Gottes Wort lehrt, wird ein Unterschied bestehen. Es kann gar nicht anders sein. Die Warnungen an die Israeliten vor der Anpassung an die Heiden waren nicht deutlicher oder klarer als jene, die den Christen untersagen, sich der Einstellung und den Gewohnheiten der Gottlosen anzugleichen. Christus redet zu uns: "Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters." (1. Johannes 2,15) "Wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein." (Jakobus 4,4) Wer Christus nachfolgt, soll sich von Sündern fernhalten und deren Gemeinschaft nur suchen, wenn sich Gelegenheit bietet, ihnen Gutes zu tun. Wir können gar nicht entschieden genug das Zusammensein mit denen meiden, die uns durch ihren Einfluss von Gott abbringen. Wenn wir beten: "Führe uns nicht in Versuchung" (Matthäus 6,13), müssen wir auch jeder Versuchung soweit wie möglich aus dem Weg gehen. WABT 439 1 Gerade als die Israeliten in einem Zustand äußerer Ruhe und Sicherheit lebten, wurden sie zur Sünde verleitet. Sie versäumten es, Gott immer vor Augen zu haben. Sie vernachlässigten das Gebet und pflegten einen Geist falschen Selbstvertrauens. Muße und Nachgiebigkeit gegenüber sich selbst ließen die Tore ihres Herzens unbewacht, und erniedrigende Gedanken fanden Einlass. Verräter aus den eigenen Reihen rissen das Bollwerk ihrer Grundsätze ein und lieferten Israel der Macht Satans aus. Mit derselben Masche versucht Satan noch immer, Menschen ins Verderben zu stürzen. Eine lange Vorbereitung geht - von der Welt unbemerkt - im Innern eines Christen vor sich, bevor er eine offene Sünde begeht. Der Geist wandelt sich nicht auf einmal von Reinheit und Heiligkeit zu Verruchtheit, Verdorbenheit und Verbrechen. Es vergeht einige Zeit, bevor Wesen, die zu Gottes Bild geschaffen wurden, rücksichtslos oder satanisch werden. Durch Anschauen werden wir verändert. Wenn jemand unreine Gedanken hegt, kann er dadurch seinen Verstand so prägen, dass er an der Sünde, die ihm einst zuwider war, Gefallen findet. Satan Macht Sunde Populär WABT 439 2 Satan benutzt jedes Mittel, um Verbrechen und entwürdigende Laster populär zu machen. Man kann kaum durch die Straßen der Großstädte gehen, ohne auffallenden Hinweisen auf Verbrechen zu begegnen, von denen manch ein Roman handelt oder die auf einer Bühne [oder im Kino] dargestellt werden. Der Verstand wird darauf getrimmt, mit Sünde vertraut zu werden. Heutige Zeitschriften führen ihren Lesern andauernd Niedriges und Gemeines vor Augen. Alles, was irgendwie Leidenschaft erregt, wird ihnen in spannenden Geschichten nahegebracht. Die Leute hören und lesen so viel über entwürdigende Verbrechen, dass ihr einst empfindsames Gewissen, das vor solchen Handlungen mit Entsetzen zurückzuschrecken pflegte, verhärtet wird und sie diese Dinge nun mit gierigem Interesse aufsaugen. WABT 440 1 Viele der heute populären Vergnügungen sind selbst bei jenen beliebt, die sich Christen nennen. Doch sie verfolgen dasselbe Ziel wie die der Heiden damals. Es gibt tatsächlich darunter nur wenige, die Satan nicht benutzt, um Seelen zu Fall zu bringen. Über Jahrhunderte hat er durch Theaterstücke Leidenschaften geweckt und Laster verherrlicht. Satan benutzt Opern mit ihren eindrücklichen Darstellungen und ihrer verwirrenden Musik, Maskenbälle, Tanzvergnügen und Glücksspiele, um moralische Schranken niederzureißen und sinnlichen Ausschweifungen die Tür zu öffnen. Wo immer man zu Vergnügungen zusammenkommt, bei denen der Stolz gefördert oder der Schlemmerei gefrönt wird, wo man schließlich Gott vergisst und ewige Interessen aus dem Blickfeld verschwinden, legt Satan seine Ketten um einen Menschen. WABT 440 2 "Behüte dein Herz mit allem Fleiß", rät der weise Mann, "denn daraus quillt das Leben." (Sprüche 4,23) Das Innere des Menschen muss durch Gottes Gnade eine Erneuerung erfahren, sonst bemüht man sich vergeblich um ein reines Leben. Wer ohne diese Gnade einen edlen, tugendhaften Charakter heranbilden will, baut sein Haus auf Treibsand. In den heftigen Stürmen der Versuchung, wird es gewiss einstürzen. Wie David sollte jeder Mensch beten: "Gott, erschaffe in mir ein reines Herz und gib mir einen neuen, aufrichtigen Geist." (Psalm 51,12 NLB) Wenn wir Teilhaber dieser himmlischen Gabe geworden sind, sollen wir auf dem Weg zur Vollkommenheit weitergehen, "aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt" (1. Petrus 1,5). Wie Man Versuchungen Widerstehen Kann WABT 440 3 Doch wir müssen selbst etwas tun, um der Versuchung zu widerstehen. Wer den Schlichen Satans nicht zum Opfer fallen will, muss die Zugänge zu seinem Innenleben gut bewachen. Er muss vermeiden, das zu lesen, sehen oder hören, was unmoralische Gedanken hervorruft. Man darf die Gedanken nicht wahllos umherwandern und auf jedem Thema, das einem Satan vorsetzt, ruhen lassen. "Umgürtet die Lenden eures Gemüts", sagte der Apostel Petrus, "seid nüchtern und ... gebt euch nicht den Begierden hin, denen ihr früher in der Zeit eurer Unwissenheit dientet; sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel." (1. Petrus 1,13-15) Paulus riet: "Richtet eure Gedanken auf das, was ... als rechtschaffen, ehrbar und gerecht gilt, was rein, liebenswert und ansprechend ist, auf alles, was Tugend heißt und Lob verdient." (Philipper 4,8 GNB) Das erfordert ernstes Gebet und unaufhörliche Wachsamkeit. Uns muss ständig der Einfluss des Heiligen Geistes zu Hilfe kommen. Er wird die Gedanken aufwärts richten und sie daran gewöhnen, sich mit reinen, heiligen Dingen zu beschäftigen. Und wir müssen fleißig das Wort Gottes studieren. "Wie wird ein junger Mann seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält an deine Worte. Ich behalte dein Wort in meinem Herzen", sagt der Psalmist, "damit ich nicht wider dich sündige." (Psalm 119,9.11) WABT 441 1 Israels Sünde bei Baal-Peor brachte Gottes Strafgericht über das Volk. Auch wenn dieselben Sünden heute nicht sofort bestraft werden mögen, werden sie trotzdem ganz gewiss ihre Vergeltung finden. "Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben." (1. Korinther 3,17) Die Natur hat an derlei Freveltaten schlimme Strafen geknüpft - Folgen, die früher oder später jeder Übertreter erleidet. Mehr als andere haben gerade diese Sünden die schreckliche Entartung der Menschheit und die Last von Krankheiten und Elend, unter denen die Welt leidet, verursacht. Manchem mag es gelingen, seine Sünden vor den Mitmenschen zu verbergen, aber er wird bestimmt die Folgen ernten, seien es Leiden, Krankheit, Geistesschwäche oder Tod. Und nach dem Tod kommt das Gericht am Jüngsten Tag mit Strafen, die ewige Folgen haben. "Wer so lebt, wird niemals in Gottes neue Welt kommen" (Galater 5,21c Hfa), sondern mit Satan und den bösen Engeln seinen Teil haben im "Feuersee", der auch "der zweite Tod" 22 genannt wird (Offenbarung 20,14 Elb.). WABT 441 2 Die Bibel warnt: "Die fremde Frau lockt dich mit honigsüßen Worten, glatt wie Öl fließen sie von ihren Lippen. Doch am Ende ist sie bitter wie Galle und tödlich wie ein beidseitig geschliffenes Schwert. ... Geh dieser Frau aus dem Weg! Komm der Tür ihres Hauses nicht zu nahe! Sonst bist du deine Ehre los, und ein erbarmungsloser Rächer bringt dich um alles, was du in langen Jahren erworben hast. Dann leben Fremde von deinem Vermögen, und der Ertrag deiner Mühe kommt einem Unbekannten zugute. Wenn du schließlich bis auf die Knochen abgemagert bist, dann stöhnst du." (Sprüche 5,3.4.8-11 GNB) "Wer zu ihr geht, der geht in den Tod ... Wer sie aufsucht, kommt nicht mehr zurück." (Sprüche 2,18.19 GNB) "Doch die Menschen erkennen nicht, dass ihre früheren Gäste jetzt alle im Reich des Todes sind." (Sprüche 9,18 NLB) ------------------------Kapitel 42 - Moses Abschiedsreden WABT 442 0 4. Mose 27,12-23; 5. Mose 3,23 bis 7,26; Kap. 28 und 31,19 bis 32,43. WABT 442 1 Der Herr kündigte Mose an, dass die Zeit zur Einnahme Kanaans nun gekommen sei. Als der betagte Prophet auf den Anhöhen stand, die den Jordan und das verheißene Land überragten, schaute er staunend und tief bewegt auf das Erbe seines Volkes. Wäre es möglich, dass Gott das Urteil zurücknahm, das er wegen seiner Sünde bei Kadesch über ihn verhängt hatte? Mit tiefem Ernst flehte er ihn an: "›Herr, mein Gott, du hast begonnen, mir, deinem Diener, deine Größe und Macht zu zeigen. Nirgends im Himmel und auf der Erde gibt es einen Gott, der so gewaltige Taten und erstaunliche Wunder vollbringt wie du. Lass mich nun auch über den Jordan ziehen und das schöne Land dort sehen, dieses ganze herrliche Bergland bis hinauf zum Li- banon!‹ Aber weil ihr euch dem Herrn widersetzt hattet, war der Herr zornig auf mich und erfüllte meine Bitte nicht. Er sagte zu mir: ›Genug! Kein Wort mehr davon! Steig auf den Gipfel des Berges Pisga und schau nach allen Seiten, nach Westen, nach Norden, nach Süden und nach Osten. Du darfst das Land mit deinen Augen sehen, aber den Jordan darfst du nicht überschrei- ten.‹" (5. Mose 3,24-27 GNB) WABT 442 2 Mose fügte sich dem Ratschluss Gottes, ohne dagegen aufzubegehren. Aber er empfand große Sorge um Israel. Wer würde sich so um dessen Wohlergehen kümmern, wie er es getan hatte? Deshalb betete er aus übervollem Herzen: "Herr, du Gott, von dem alles Leben kommt, setze einen Mann ein, der das Volk führt, der an der Spitze des Heeres mit ihm auszieht und an seiner Spitze wieder mit ihm heimkehrt. Sonst wird deine Gemeinde wie eine Herde sein, die keinen Hirten hat." (4. Mose 27,16.17 GNB) Josua Als Nachfolger Moses WABT 442 3 Der Herr erhörte das Gebet seines Dieners und antwortete: "Nimm Jo- sua, den Sohn Nuns; ihn habe ich durch meinen Geist dazu befähigt. Lass ihn vor den Priester Eleasar und die ganze Gemeinde treten und bestelle ihn vor ihnen allen zu deinem Nachfolger. Leg deine Hände auf ihn und gib ihm von deiner Vollmacht, damit ihm die ganze Gemeinde Israel gehorcht." (4. Mose 27,18-20 GNB) Josua hatte Mose lange zur Seite gestanden. Da er Weisheit, Können und Glauben besaß, bestimmte ihn Gott zu Moses Nachfolger. WABT 443 1 Durch Handauflegen, verbunden mit einem höchst eindrucksvollen Auftrag, wurde Josua von Mose feierlich zum Führer Israels geweiht. Ihm wurde auch erlaubt, sofort in der Regierung mitzuwirken. Durch Mose ließ Gott den Israeliten über Josua ausrichten: "Er soll treten vor Eleasar, den Priester, der soll für ihn mit den heiligen Losen den Herrn befragen. Nach dessen Befehl sollen aus- und einziehen er und alle Israeliten mit ihm und die ganze Gemeinde." (4. Mose 27,21) Mose Soll Das Gesetz Wiederholen WABT 443 2 Bevor Mose seine Stellung als sichtbarer Führer der Israeliten aufgab, sollte er ihnen noch einmal die Geschichte ihrer Befreiung aus Ägypten und der Wüstenwanderung erzählen und ihnen das Gesetz wiederholen, das Gott auf dem Sinai verkündet hatte. Bei der Gesetzgebung waren nur wenige aus der jetzigen Generation alt genug gewesen, um den Ehrfurcht gebietenden Ernst jenes Ereignisses zu erfassen. Da sie nun bald über den Jordan gehen und das Gelobte Land in Besitz nehmen sollten, wollte ihnen Gott die Forderungen seines Gesetzes vor Augen führen und sie eindringlich zum Gehorsam ermahnen - der Bedingung für ihr Wohlergehen. Moses Ansprache WABT 443 3 So trat Mose vor das Volk, um es ein letztes Mal zu warnen und zu ermahnen. Auf seinem Angesicht lag ein heller, himmlischer Glanz. Sein Haar war von den Jahren weiß geworden, aber seine Gestalt war noch immer aufrecht, sein Gesicht strahlte unverminderte Kraft und Gesundheit aus, und seine Augen waren klar und ungetrübt. Es war ein wichtiger Anlass. Mit tiefem Empfinden schilderte er den Israeliten die Liebe und Barmherzigkeit ihres allmächtigen Beschützers. WABT 443 4 "Durchforscht doch einmal die Vergangenheit, die ganze Zeit, seit Gott die Menschen geschaffen hat! Durchforscht die ganze Erde von einem Ende zum andern! Ist irgendwann sonst etwas so Großes geschehen? Weiß man irgendwo sonst von etwas dergleichem zu erzählen? Hat je ein Volk die Stimme Gottes aus dem Feuer heraus gehört und ist am Leben geblieben, wie ihr das erlebt habt? Hat jemals ein Gott es unternommen, ein Volk aus einem anderen Volk herauszuholen und zu seinem Eigentum zu machen, wie das der Herr, euer Gott, in Ägypten an euch getan hat? Vor euren Augen hat er unerhörte Wunder vollbracht, er hat eure Unterdrücker in Furcht und Schrecken versetzt und hat furchtbare Plagen über sie gebracht. Ja, er hat selbst für euch gekämpft; mit starker Hand und ausgestrecktem Arm hat er euch aus ihrer Mitte herausgeführt! Das alles hat der Herr euch erleben lassen, damit ihr erkennt, dass er wahrhaftig Gott ist und es außer ihm keinen anderen Gott gibt." (5. Mose 4,32-35 GNB) WABT 444 1 "Nicht hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker - denn du bist das kleinste unter allen Völkern -, sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat er euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. So sollst du nun wissen, dass der Herr, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten." (5. Mose 7,7-9) WABT 444 2 Die Israeliten hatten immer dazu geneigt, ihre Schwierigkeiten Mose anzulasten. Nun aber waren ihre Verdächtigungen, er sei von Stolz, Ehrgeiz oder Selbstsucht beherrscht, verflogen, und sie hörten vertrauensvoll seinen Worten zu. Gewissenhaft führte ihnen Mose die Verfehlungen und Sünden ihrer Väter vor Augen. Oft waren sie wegen der langen Wüstenwanderung ungeduldig und widerspenstig gewesen. Aber die Verantwortung lag nicht bei Gott, dass die Einnahme Kanaans so lange verzögert wurde. Er war bekümmerter als sie, weil er sie nicht sofort in den Besitz des Gelobten Landes bringen und auf diese Weise vor allen Völkern seine große Macht in der Befreiung seines Volkes kundtun konnte. Aber mit ihrem Misstrauen gegenüber Gott, ihrem Stolz und ihrem Unglauben waren sie nicht vorbereitet, in Kanaan einzuziehen. Sie stellten in keiner Weise das Volk dar, an dem zu erkennen gewesen wäre, dass Jahwe sein Gott war, denn sie spiegelten nicht seinen Charakter der Reinheit, Güte und Barmherzigkeit wider. Wenn ihre Väter vertrauensvoll Gottes Anweisungen gefolgt wären, sich von seinen Ratschlüssen hätten leiten lassen und nach seinen Geboten gelebt hätten, könnten sie längst als wohlhabendes, heiliges und glückliches Volk in Kanaan wohnen. Ihr Zögern, das Gelobte Land einzunehmen, entehrte Gott und schadete seinem Ansehen in den Augen der umliegenden Völker. WABT 444 3 Mose, der das Wesen und den Wert der Gebote Gottes verstand, versicherte den Israeliten, dass kein anderes Volk solch weise, gerechte und barmherzige Regeln hatte wie sie. Er sagte: "Ich hab euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der Herr, mein Gott, geboten hat, dass ihr danach tun sollt im Lande, in das ihr kommen werdet, um es einzunehmen. So haltet sie nun und tut sie! Denn dadurch werdet ihr als weise und verständig gelten bei allen Völkern, dass ... sie sagen müssen: Ei, was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk!" (5. Mose 4,5.6) WABT 445 1 Mose rief den Israeliten den Tag ins Gedächtnis, als sie am Berg Sinai vor dem Herrn, ihrem Gott, standen. Er fragte sie herausfordernd: "Wo ist so ein herrliches Volk, dem ein Gott so nahe ist wie uns der Herr, unser Gott, sooft wir ihn anrufen? Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?" (5. Mose 4,7.8) Heute könnte man diese Herausforderung an Israel durchaus wiederholen. Die Gesetze, die Gott seinem Volk damals gab, waren weiser, besser und menschlicher als die Gesetze der zivilisiertesten Völker auf Erden. Die Gesetze der Nationen sind geprägt von den Schwächen und Leidenschaften der unbekehrten Menschen. Aber Gottes Gesetz trägt den Stempel des Göttlichen. WABT 445 2 "Euch aber hat der Herr angenommen und aus dem glühenden Ofen, nämlich aus Ägypten, geführt, dass ihr das Volk sein sollt, das allein ihm gehört, wie ihr es jetzt seid" (5. Mose 4,20), sagte Mose. Dann schilderte er ihnen das Land, das sie bald betreten würden und das ihnen unter der Bedingung, dass sie Gottes Gesetz gehorchten, auch gehören sollte. Wie müssen diese Worte die Israeliten bewegt haben, als sie sich erinnerten, dass der Mann, der ihnen die Segnungen des Gelobten Landes in so leuchtenden Farben vor Augen malte, von der Teilnahme am Erbe seines Volkes ausgeschlossen blieb - und das um ihrer Sünde willen. "Der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land ... nicht wie Ägyptenland, von dem ihr ausgezogen seid, wo du deinen Samen säen und selbst tränken musstest wie einen Garten, sondern es hat Berge und Auen, die der Regen vom Himmel tränkt ., ein Land, darin Bäche und Brunnen und Seen sind, die an den Bergen und in den Auen fließen, ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt, ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust ... ein Land, auf das der Herr, dein Gott, Acht hat, und die Augen des Herrn, deines Gottes, immerdar sehen vom Anfang des Jahres bis an sein Ende." (5. Mose 8,7-9; 11,10-12) WABT 445 3 "Wenn dich nun der Herr, dein Gott, in das Land bringen wird, von dem er deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, es dir zu geben - große und schöne Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser voller Güter, die du nicht gefüllt hast, und ausgehauene Brunnen, die du nicht ausgehauen hast, und Weinberge und Ölbäume, die du nicht gepflanzt hast -, und wenn du nun isst und satt wirst, so hüte dich, dass du nicht den Herrn vergisst." (5. Mose 6,10-12) "Hütet euch nun, dass ihr den Bund des Herrn, eures Gottes, nicht vergesst ... Denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer und ein eifernder Gott." (5. Mose 4,23.24) Wenn die Israeliten vor den Augen des Herrn Böses tun sollten, dann, so sagte Mose zu ihnen, "werdet ihr schnell wieder aus dem Land verschwinden, das ihr erobern werdet, nachdem ihr den Jordan überschritten habt" (5. Mose 4,26 NLB). Ankündigung Von Segen Und Fluch WABT 446 1 Nach der öffentlichen, mündlichen Wiederholung des Gesetzes vollendete Mose die Niederschrift aller Gebote, Vorschriften und Rechtsordnungen, die ihm Gott gegeben hatte, und aller Regelungen für den Opferdienst. Dieses Buch wurde den zuständigen Leitern übergeben und zur sicheren Verwahrung neben die Bundeslade gelegt (vgl. 5. Mose 31,24-26). WABT 446 2 Aber noch immer befürchtete Mose, das Volk könnte von Gott abweichen. In einer feierlichen, ergreifenden Rede stellte er den Israeliten die Segnungen vor Augen, die ihnen Gott unter der Bedingung des Gehorsams zugedacht hatte, sowie die Flüche, die der Übertretung folgen würden. WABT 446 3 "Wenn du nun der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen wirst, dass du hältst und tust alle seine Gebote, die ich dir heute gebiete . Gesegnet wirst du sein in der Stadt, gesegnet wirst du sein auf dem Acker. Gesegnet wird sein die Frucht deines Leibes, der Ertrag deines Ackers und die Jungtiere deines Viehs ... Gesegnet wird sein dein Korb und dein Backtrog. Gesegnet wirst du sein bei deinem Eingang und gesegnet bei deinem Ausgang. Und der Herr wird deine Feinde, die sich gegen dich erheben, vor dir schlagen . Der Herr wird gebieten dem Segen, dass er mit dir sei in dem, was du besitzt, und in allem, was du unternimmst." (5. Mose 28,1.3-8) WABT 446 4 "Wenn du aber nicht gehorchen wirst der Stimme des Herrn, deines Gottes, und wirst nicht halten und tun alle seine Gebote und Rechte, die ich dir heute gebiete, so werden alle diese Flüche über dich kommen und dich treffen. ... Du wirst zum Entsetzen, zum Sprichwort und zum Spott werden unter allen Völkern, zu denen der Herr dich treibt. . Denn der Herr wird dich zerstreuen unter alle Völker von einem Ende der Erde bis ans andere, und du wirst dort anderen Göttern dienen, die du nicht kennst noch deine Väter: Holz und Steinen. Dazu wirst du unter jenen Völkern keine Ruhe haben, und deine Füße werden keine Ruhestatt finden. Denn der Herr wird dir dort ein bebendes Herz geben und erlöschende Augen und eine verzagende Seele, und dein Leben wird immerdar in Gefahr schweben; Nacht und Tag wirst du dich fürchten und deines Lebens nicht sicher sein. Morgens wirst du sagen: Ach, dass es Abend wäre! Und abends wirst du sagen: Ach, dass es Morgen wäre! vor Furcht deines Herzens, die dich schrecken wird, und vor dem, was du mit deinen Augen sehen wirst." (5. Mose 28,15.37.64-67) Vorschau Auf Israels Geschichte Und Untergang WABT 447 1 Durch den Geist der Weissagung schaute Mose in die ferne Zukunft und schilderte die schrecklichen Ereignisse, die sich bei Israels endgültiger Vernichtung als Nation und bei der Zerstörung Jerusalems durch die römischen Heere abspielen würden: "Der Herr wird ein Volk über dich schicken von ferne, vom Ende der Erde, das wie ein Adler fliegt, ein Volk, dessen Sprache du nicht verstehst, ein freches Volk, das nicht Rücksicht nimmt auf die Alten und die Jungen nicht schont." (5. Mose 28,49.50) WABT 447 2 Anschaulich beschrieb er die völlige Verwüstung des Landes und das entsetzliche Leid, das viele Jahrhunderte später über das Volk hereinbrach, als Titus Jerusalem belagerte: Jenes Volk "wird verzehren die Jungtiere deines Viehs und den Ertrag deines Ackers, bis du vertilgt bist ... Es wird dich ängstigen in allen deinen Städten, bis es niedergeworfen hat deine hohen und festen Mauern, auf die du dich verlässt, in deinem ganzen Lande ... Du wirst die Frucht deines Leibes, das Fleisch deiner Söhne und deiner Töchter, die dir der Herr, dein Gott, gegeben hat, essen in der Angst und Not, mit der dich dein Feind bedrängen wird. . Eine Frau unter euch, die zuvor so verwöhnt und in Üppigkeit gelebt hat, dass sie nicht einmal versucht hat, ihre Fußsohle auf die Erde zu setzen, vor Verwöhnung und Wohlleben, die wird dem Mann in ihren Armen und ihrem Sohn und ihrer Tochter nicht gönnen ... ihr Kind, das sie geboren hat; denn sie wird beides vor Mangel an allem heimlich essen in der Angst und Not, mit der dich dein Feind bedrängen wird in deinen Städten." (5. Mose 28,51-53.56.57) WABT 447 3 Mose schloss seine Rede mit den ergreifenden Worten: "Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen, indem ihr den Herrn, euren Gott, liebt und seiner Stimme gehorcht und ihm anhangt. Denn das bedeutet für dich, dass du lebst und alt wirst und wohnen bleibst in dem Land, das der Herr deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, ihnen zu geben." (5. Mose 30,19.20) Das Lied Des Mose WABT 448 1 Um diese Wahrheiten noch eindrucksvoller zu gestalten, kleidete sie Mose in eine heilige Dichtung (vgl. 5. Mose 31,22). Dieses Lied war nicht nur historisch, sondern auch prophetisch. Es erzählt von Gottes wunderbarem Umgang mit seinem Volk in der Vergangenheit, weist aber auch auf die großen Ereignisse in der Zukunft hin - auf den endgültigen Sieg der Gläubigen, wenn Christus in Macht und Herrlichkeit ein zweites Mal kommen wird (siehe 5. Mose 32,1-43). Mose forderte die Israeliten auf, diese poetisch abgefasste Geschichte im Gedächtnis zu behalten und sie ihren Kindern und Kindeskindern zu überliefern. Sie sollte gesungen werden, wenn sie sich zum Gottesdienst versammelten, und wiederholt werden, wenn sie ihren täglichen Arbeiten nachgingen. Den Eltern wurde es zur Pflicht gemacht, diese Worte den empfänglichen Gemütern ihrer Kinder tief einzuprägen, damit sie niemals in Vergessenheit gerieten. WABT 448 2 Weil die Israeliten im besonderen Sinn Hüter und Bewahrer des Gesetzes Gottes sein sollten, musste ihnen die Bedeutung seiner Gebote und die Wichtigkeit des Gehorsams nachdrücklich vor Augen geführt werden - und durch sie auch allen ihren Nachkommen. Im Blick auf seine Verordnungen befahl Gott: Du "sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore." (5. Mose 6,7.9) WABT 448 3 Wenn ihre Kinder sie in späteren Zeiten fragen sollten: "Was sind das für Vermahnungen, Gebote und Rechte, die euch der Herr, unser Gott, geboten hat?" (5. Mose 6,20), dann sollten ihnen die Eltern die Geschichte des gnädigen Umgangs Gottes mit ihnen wiederholen - wie er sie befreit hatte, damit sie sein Gesetz befolgen konnten. Sie sollten zu ihren Kindern sagen: "Der Herr hat uns geboten, nach all diesen Rechten zu tun, dass wir den Herrn, unsern Gott, fürchten, auf dass es uns wohl gehe unser Leben lang, so wie es heute ist. Und das wird unsere Gerechtigkeit sein, dass wir alle diese Gebote tun und halten vor dem Herrn, unserm Gott, wie er uns geboten hat." (5. Mose 6,24.25) ------------------------Kapitel 43 - Moses Lebensende WABT 449 0 5. Mose 31,1-8 und32,48 bis 34,7. WABT 449 1 Im Umgang mit seinem Volk stellte Gott seine strikte, unparteiische Gerechtigkeit unter Beweis, vermischt mit seiner Liebe und Barmherzigkeit. Das geht deutlich aus der Geschichte des Volkes Israel hervor. Gott hatte den Israeliten große Segnungen zukommen lassen. Seine liebevolle Güte ihnen gegenüber wird im Lied von Mose in einem ergreifenden Bild geschildert: "Er ging mit ihnen um wie ein Adler, der seine Jungen fliegen lehrt: Der wirft sie aus dem Nest, begleitet ihren Flug, und wenn sie fallen, ist er da, er breitet seine Schwingen unter ihnen aus und fängt sie auf. So hat der Herr sein Volk geführt, der Herr allein, kein anderer Gott." (5. Mose 32,11.12 Hfa) Und dennoch - wie rasch und schwer bestrafte er sie für ihre Übertretungen! WABT 449 2 Gottes unendliche Liebe zeigte sich darin, dass er seinen einzigartigen Sohn in den Tod gab, um die verlorenen Menschen zu erlösen. Christus kam auf diese Erde, um ihnen den Charakter seines Vaters zu offenbaren. Sein Leben war voller Taten göttlicher Güte und göttlichen Mitgefühls. Und doch sagte Jesus selbst: "Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz." (Matthäus 5,18) Dieselbe Stimme, die den Sünder mit geduldigem, liebendem und inständigem Flehen einlädt, zu ihm zu kommen, um bei ihm Vergebung und Frieden zu finden, wird im Gericht denen zurufen, die seine Gnade zurückgewiesen haben: "Geht weg von mir, ihr Verfluchten!" (Matthäus 25,41) In der ganzen Heiligen Schrift finden wir Gott nicht nur als liebenden Vater dargestellt, sondern auch als gerechten Richter. Er liebt es, Barmherzigkeit zu erweisen, und vergibt "Schuld, Verfehlung und Auflehnung", aber lässt "nicht alles ungestraft hingehen" (2. Mose 34,7b GNB). Josua Als Moses Nachfolger Eingesetzt WABT 449 3 Der große Herrscher aller Völker hatte gesagt, dass Mose die Israeliten nicht in das Gelobte Land führen dürfe. Auch das ernste Bitten seines Dieners konnte dieses Urteil nicht rückgängig machen. Mose wusste, dass er bald sterben würde. Trotzdem hatte seine Fürsorge für die Israeliten nicht einen Augenblick nachgelassen. Gewissenhaft hatte er sich auch weiterhin bemüht, sie auf den Einzug in das ihnen zugesagte Erbe vorzubereiten. WABT 450 1 Auf Gottes Anweisung hin begab er sich mit Josua zum heiligen Zelt, über das sich die Wolkensäule herabsenkte und über dessen Eingang verharrte. Feierlich wurde das Volk Josuas Verantwortung anvertraut. Das Wirken von Mose als Führer Israels war beendet. Aber auch jetzt noch dachte er mehr an sein Volk als an sich selbst. Vor der versammelten Menge ermutigte er im Namen Gottes seinen Nachfolger mit der feierlichen Zusage: "Der Herr selbst wird vor dir herziehen. Er wird dir helfen und dich niemals im Stich lassen. Hab keine Angst und lass dich von keinem Gegner einschüchtern!" (5. Mose 31,8 GNB) Dann wandte sich Mose an die Ältesten und Aufseher des Volkes und ermahnte sie eindringlich, die Unterweisungen pflichtgetreu zu befolgen, die er von Gott empfangen und an sie weitergegeben hatte. WABT 450 2 Als das Volk auf den betagten Mann schaute, der bald von ihnen genommen werden sollte, erinnerten sie sich mit neuer und größerer Wertschätzung an seine väterliche Güte, seine weisen Ratschläge und seine unermüdliche Arbeit. Wie oft hatten seine Gebete, wenn ihre Sünden Gottes Gerichte herausgefordert hatten, bei Gott erreicht, dass das Volk verschont wurde! Ihr Kummer wurde durch ihre Reue vergrößert. Bitter erinnerten sie sich, dass ihr Eigensinn Mose zur Sünde verleitet hatte, derentwegen er nun vorzeitig sterben musste. WABT 450 3 Die Abberufung ihres geliebten Führers war für die Israeliten eine stärkere Zurechtweisung als alles, was sie hätte treffen können, wenn Mose am Leben geblieben und seine Mission weitergegangen wäre. Gott wollte sie spüren lassen, dass sie ihrem künftigen Anführer das Leben nicht so anstrengend machen sollten wie bei Mose. Gott spricht zu seinem Volk durch die Segnungen, die er ihm schenkt. Wenn diese aber nicht geschätzt werden, spricht er zu ihm, indem er die Segnungen wieder entzieht, damit es seine Sünden erkennt und sich wieder Gott von ganzem Herzen zuwendet. Ein Letzter Segen Für Die Stämme Israels WABT 450 4 Noch am selben Tag erhielt Mose den Befehl: "Geh ... auf den Berg Nebo ... Sieh von dort aus in das Land Kanaan hinüber, das ich dem Volk Israel zum Besitz geben werde! Danach wirst du auf dem Berg sterben und im Tod mit deinen Vorfahren vereint werden." (5. Mose 32,49.50 GNB) Mose hatte oft auf Gottes Geheiß gehorsam das Lager verlassen, um mit ihm zu sprechen, aber dieses Mal sollte er zu einem unbekannten, geheimnisvollen Gang aufbrechen. Er musste nun sein Leben in die Hände seines Schöpfers legen. Mose wusste, dass er allein sterben sollte. Kein irdischer Freund durfte ihm in seinen letzten Stunden beistehen. Ein furchterregendes Geheimnis lag über dem, was ihm bevorstand und sein Herz schreckte davor zurück. Die schwerste Prüfung aber war die Trennung von dem Volk, dem all seine Liebe und Fürsorge galt und mit dem seine Interessen und sein Leben so lange verbunden gewesen waren. Aber er hatte gelernt, Gott zu vertrauen. Darum vertraute er in bedingungslosem Glauben sich und sein Volk der Liebe und Gnade Gottes an. WABT 451 1 Zum letzten Mal stand Mose vor dem versammelten Volk. Erneut ruhte der Geist Gottes auf ihm. Mit feierlichen, ergreifenden Worten sprach er über jeden Stamm einen Segen (vgl. 5. Mose 33,6-25). Danach schloss er mit einer Segnung für alle: WABT 451 2 "Kein anderer Gott ist dem Gott Israels gleich, dem Gott Jeschuruns23! In seiner Majestät fährt er über den Himmel, auf den Wolken eilt er dir zu Hilfe. Der ewige Gott ist deine Zuflucht, Israel, in seinen Armen fängt er dich auf. Er hat deine Feinde vor dir vertrieben und dir befohlen: ›Vernichte sie!‹ Nun wohnst du in sicheren Grenzen, ausgesondert aus den übrigen Völkern. Tau und Regen schenkt dir der Himmel, Korn und Wein bringt die Erde in Fülle hervor. Wie glücklich bist du, Israel! Kein anderes Volk kann sich mit dir vergleichen, denn der Herr ist dein Helfer. Du kannst dich auf ihn verlassen, er ist für dich wie ein schützender Schild und ein scharfes, siegreiches Schwert. Deine Feinde müssen dich um Gnade bitten, doch du schreitest stolz über sie hinweg." (5. Mose 33,26-29 GNB) Rückschau Auf Ein Bewegtes Leben WABT 452 1 Dann wandte er sich schweigend von der Versammlung ab. Allein machte er sich auf den Weg zum Gipfel des Berges. Er stieg "auf den Berg Nebo, den Gipfel des Gebirges Pisga" (5. Mose 34,1). Dann stand er auf dieser einsamen Höhe und überschaute mit ungetrübten Augen die Landschaft, die sich vor ihm ausbreitete. Weit im Westen glänzte das Wasser des Mittelmeers. Im Norden ragte der Berg Hermon auf. Im Osten befand sich die Hochebene von Moab, und dahinter lag Baschan, wo Israel einen großen Sieg errungen hatte. Weit im Süden erstreckte sich die Wüste, durch die sie so lange gewandert waren. WABT 452 2 In dieser Abgeschiedenheit hielt Mose Rückschau auf sein Leben voller Veränderungen und Belastungen, nachdem er sich von höfischen Ehren und einer möglichen Königsherrschaft in Ägypten abgewandt hatte, um sein Los mit Gottes auserwähltem Volk zu verbinden. Mose dachte an die vielen Jahre mit Jitros Herden in der Wüste, an die Erscheinung des Engels des Herrn im brennenden Busch und an seine Berufung, Israel zu befreien. Er sah die gewaltigen Wunder wieder vor sich, durch die Gott seine Macht zum Wohl seines erwählten Volkes offenbart hatte, und seine langmütige Gnade in den Jahren der Wüstenwanderung und der Rebellion. Trotz all dessen, was der Herr für sie getan hatte, trotz aller Gebete und trotz des Wirkens von Mose waren von allen Erwachsenen aus dem großen Volk, das Ägypten verlassen hatte, nur zwei Gott so treu geblieben, dass sie das Gelobte Land betreten konnten. Als Mose auf das Ergebnis seiner Arbeit zurückblickte, schien es ihm, als sei sein Leben voller Prüfungen und Opfer nahezu vergeblich gewesen. WABT 452 3 Dennoch bedauerte er nicht, diese Last auf sich genommen zu haben. Er wusste, dass ihm Gott selbst diese Aufgabe übertragen hatte. Anfangs war er vor der Verantwortung zurückgeschreckt, Israel aus der Sklaverei zu führen. Aber seit er damit begonnen hatte, war er dieser Aufgabe treu geblieben. Selbst als ihm Gott vorschlug, ihn aus der Verantwortung zu entlassen und das widerspenstige Israel zu vernichten, konnte Mose dem nicht zustimmen. Auch wenn seine Prüfungen schwer gewesen waren, hatte er doch besondere Beweise der Gunst Gottes genossen. Auf der Wüstenwanderung erwarb er sich einen reichen Erfahrungsschatz, indem er Zeuge der Macht und Herrlichkeit Gottes wurde und sich in der Gemeinschaft seiner Liebe befand. Er war der Meinung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, "mit dem Volk Gottes geplagt zu werden, als den zeitlichen Genuss der Sünde zu haben" (Hebräer 11,25 Elb.). WABT 452 4 Als er auf seine Erlebnisse als Anführer des Volkes Gottes zurückschaute, trübte eine falsche Handlung seine Lebensgeschichte. Wenn diese Sünde ausgelöscht werden könnte, brauchte er sich nicht mehr vor dem Tod zu fürchten. Ihm wurde versichert, dass Reue und der Glaube an das verheißene Opfer alles seien, was Gott verlangte. Da bekannte Mose noch einmal seine Sünde und flehte im Namen von Jesus um Vergebung. Ein Panorama Des Verheissenen Landes WABT 453 1 Und nun breitete sich in einer Vision das Panorama des ganzen verheißenen Landes vor ihm aus. Jedes seiner Teile wurde ihm vor Augen geführt, aber nicht blass und verschwommen in trüber Ferne, sondern klar und in voller Schönheit. Mose war vom Anblick entzückt. Das Land wurde ihm aber nicht in seiner damaligen Verfassung vorgestellt, sondern so, wie es unter Gottes Segen und im Besitz Israels einmal werden sollte. Ihm war, als sähe er ein zweites Eden - Berge, auf denen die Zedern des Libanon wuchsen, Hügel, die mit grauen Ölbäumen bedeckt waren oder den Duft der Weinbeeren ausströmten, weite grüne Ebenen, die im Blumenschmuck leuchteten und sehr fruchtbar waren, Palmen der tropischen Region, wogende Weizen- und Gerstenfelder, sonnige Täler, in denen das Rauschen der Bäche und der Gesang der Vögel erklangen, stattliche Städte, schöne Gärten, fischreiche Seen, weidende Herden an den Hängen und selbst zwischen den Felsen wilde Bienen, die Honig sammelten. Es war wirklich ein Land, wie Mose es - vom Geist Gottes erfüllt - den Israeliten geschildert hatte: "gesegnet vom Herrn ... mit dem Köstlichsten vom Himmel droben, dem Tau, und mit der Flut, die drunten liegt, mit dem Köstlichsten, was die Sonne hervorbringt . mit dem Besten uralter Berge . mit dem Köstlichsten der Erde und ihrer Fülle" (5. Mose 33,13-16a). WABT 453 2 Mose sah, wie das auserwählte Volk in Kanaan sesshaft wurde, jeder Stamm in seinem eigenen Gebiet. Er erhielt einen Einblick in seine Geschichte nach der Besitznahme des Gelobten Landes. Die lange, traurige Geschichte seines Abfalls und seiner Bestrafung wurde vor ihm ausgebreitet. Er sah, wie die Israeliten wegen ihrer Sünden unter die Heiden zerstreut wurden, wie die Herrlichkeit von ihnen wich, ihre schöne Stadt in Trümmern lag und sie als Gefangene in fremden Ländern lebten. Er sah, wie sie in das Land ihrer Väter zurückkehrten und zuletzt unter die Herrschaft Roms gerieten. Vorausschau Auf Den Messias WABT 453 3 Er durfte den Zeitenlauf verfolgen und das erste Kommen des Erlösers erblicken. Er sah Jesus als neugeborenes Kind in Bethlehem. Er hörte die Stimmen der Engelschar, die Loblieder zur Ehre Gottes sangen und Frieden auf Erden verkündeten. Er sah den Stern am Himmel, der die Weisen aus dem Morgenland zu Jesus führte. Eine tiefe Erkenntnis ging ihm auf, als er an die prophetischen Worte dachte: "Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen." (4. Mose 24,17) Er sah das einfache, bescheidene Leben von Christus in Nazareth, dessen Dienst der Liebe, des Mitgefühls und der Heilungen und dessen Zurückweisung durch ein stolzes, ungläubiges Volk. Erstaunt vernahm Mose, wie sie großspurig Gottes Gesetz verherrlichten, aber denjenigen verachteten und ablehnten, der es ihnen verkündet hatte. Er sah Jesus auf dem Ölberg unter Tränen von seiner geliebten Stadt Abschied nehmen. Dann musste er die endgültige Verwerfung des Volkes, das Gott so reich gesegnet hatte, mit ansehen - des Volkes, für das er gebetet, sich abgemüht und aufgeopfert hatte und für das er bereit gewesen war, seinen Namen aus dem Buch des Lebens tilgen zu lassen. Als er die Worte hörte: "Deshalb wird Gott euren Tempel verlassen, und er wird verwüstet daliegen" (Matthäus 23,38 GNB), zerriss es ihm vor Kummer fast das Herz. Bittere Tränen quollen aus seinen Augen - aus Mitgefühl mit dem Kummer des Sohnes Gottes. WABT 454 1 Mose folgte dem Erlöser nach Gethsemane, sah dessen Todesqualen im Garten, den Verrat, die Verhöhnung, die Geißelung, die Kreuzigung. Er erkannte nun: So wie er in der Wüste die Schlange aufgerichtet hatte, musste "der Menschensohn erhöht werden ... damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben" (Johannes 3,14.16). Kummer, Entrüstung und Entsetzen erfüllten Mose, als er die Heuchelei und den satanischen Hass sah, den die jüdische Nation ihrem Erlöser entgegenbrachte - dem mächtigen Engel, der in der Wüste ihren Vätern vorangezogen war! Er hörte den qualvollen Aufschrei von Christus: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Markus 15,34) Dann sah Mose ihn in Josefs neuem Grab liegen. Hoffnungslos schien das Dunkel der Verzweiflung die Welt einzuhüllen. Als er aber nochmals hinschaute, sah er ihn als Sieger aus dem Grab hervorkommen und zum Himmel auffahren, begleitet von Engeln, die ihn liebten, und einer Menge Auferstandener. Er sah, dass die glänzenden Tore des Himmels zu seinem Empfang geöffnet waren, und die Engelschar ihren Herrn mit Siegesliedern willkommen hieß. Und dann wurde Mose offenbart, dass er selbst zu denen gehören werde, die den Erlöser begleiten und ihm die ewigen Tore öffnen. Als er auf dieses Geschehen blickte, leuchtete sein Antlitz von heiligem Glanz. Wie geringfügig erschienen ihm nun die Mühen und Opfer, die er zu erdulden hatte, im Vergleich mit denen des Sohnes Gottes; wie leicht im Gegensatz zur "ewige[n] und über alle Maßen gewichtigen Herrlichkeit" (2. Korinther 4,17)! Wie froh war er, dass er - wenn auch nur in geringem Maß - an den Leiden des Heilandes hatte teilhaben dürfen! WABT 455 1 Mose sah die Jünger ausziehen, um in der Welt das Evangelium zu verbreiten. Er sah, dass Gott Abrahams Nachkommen nicht verworfen hatte, obwohl das Volk Israel "nach dem Fleisch" (Römer 9,3) versäumt hatte, seine hohe Bestimmung, zu der Gott es berufen hatte, zu erfüllen. Es hatte aus Unglauben versagt, zum Licht der Welt zu werden. Es hatte Gottes Barmherzigkeit verachtet und die Segnungen als auserwähltes Volk verwirkt. Die großartigen Absichten, die Gott durch Israel erreichen wollte, sollten erfüllt werden. Alle, die durch Christus zu Kindern des Glaubens wurden, galten als Abrahams Nachkommen und waren Erben der Bundesverheißungen (vgl. Galater 3,29). Wie Abraham waren sie dazu berufen, Gottes Gesetz und die gute Nachricht von seinem Sohn zu bewahren und in der Welt bekanntzumachen. Mose sah, wie das Licht des Evangeliums durch die Jünger zu jedem Volk getragen wurde, "das in der Finsternis saß" (Matthäus 4,16 ZÜ), und wie Tausende aus den Ländern der Heiden zu diesem aufstrahlenden Licht strömten. Als er das wahrnahm, freute er sich über das Wachstum und das Wohlergehen Israels. Abfall Auch In Der Christenheit WABT 455 2 Dann zog ein weiteres Bild an ihm vorüber. Eben hatte ihm Gott gezeigt, wie Satan die Juden dazu verführte, Christus zu verwerfen, während sie beteuerten, das Gesetz Gottes zu ehren. Nun sah er die christliche Welt einer ähnlichen Täuschung erliegen: Sie bekannten zwar, Christus anzunehmen, verwarfen aber das Gesetz seines Vaters. Mose hatte gehört, wie die Priester und Ältesten wütend schrien: "Weg, weg mit dem!" und "Kreuzige, kreuzige ihn!" (Johannes 19,15; Lukas 23,21) Nun vernahm er von angeblich christlichen Lehrern den Ruf: "Weg mit dem Gesetz!" Mose sah, wie der Sabbat mit Füßen getreten wurde und man eine falsche Einrichtung an seine Stelle setzte. Erneut packte Mose Staunen und Entsetzen. Wie konnten jene, die an Christus glaubten, das Gesetz verwerfen, das er doch mit eigener Stimme auf dem heiligen Berg verkündet hatte? Wie konnten Menschen, die Gott ehrten, das Gesetz außer Kraft setzen, das die Grundlage seiner Herrschaft im Himmel und auf Erden bildet? Mit Freude bemerkte Mose, dass es doch einige wenige Treue gab, die Gottes Gesetz noch immer ehrten und hochhielten. Er schaute den letzten großen Kampf der irdischen Mächte, um jene zu vernichten, die Gottes Gesetz beachteten. Die Vollendung Der Erlösung WABT 456 1 Mose blickte auf die Zeit voraus, in der sich Gott aufmachen wird, um die Bewohner der Erde wegen ihrer Bosheit zu bestrafen, während jene, die seinen Namen in Ehren gehalten haben, am Tag seines Zorns beschützt und geborgen sein werden. Er hörte Gottes Friedensbund, den dieser mit denen schloss, die seine Gebote gehalten hatten, als seine Stimme aus dem Heiligtum ertönte und Himmel und Erde erbebten. Er sah die Wiederkunft von Christus in Kraft und Herrlichkeit, wie die gerechten Toten zum ewigen Leben auferweckt und die lebenden Heiligen verwandelt wurden, ohne dem Tod unterworfen zu werden. Er sah sie vereint und mit Freudengesängen in die Stadt Gottes auffahren. WABT 456 2 Noch eine weitere Szene wurde ihm vor Augen geführt: die vom Fluch befreite Erde, lieblicher als das verheißene Land, das kürzlich vor ihm ausgebreitet worden war. Dort gibt es keine Sünde mehr, der Tod hat keinen Zutritt. Dort finden die Scharen der Erlösten ihre ewige Heimat. Mit unaussprechlicher Freude schaute Mose auf dieses Bild - die Vollendung einer Befreiung, die weit herrlicher war, als er es sich in seinen kühnsten Hoffnungen jemals ausgemalt hatte. Die irdischen Wanderungen gehören für immer der Vergangenheit an. Das Israel Gottes hat endlich das Gelobte Land erreicht. Moses Tod WABT 456 3 Die Vision verschwand und Moses Augen ruhten wieder auf dem Land Kanaan, das sich in der Ferne ausbreitete. Dann legte er sich wie ein müder Krieger nieder, um zu ruhen. "So starb Mose, der Knecht des Herrn, daselbst im Land Moab nach dem Wort des Herrn. Und er begrub ihn im Tal, im Land Moab gegenüber Bet-Peor. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag." (5. Mose 34,5.6) Viele, die nicht auf Moses Ratschläge hören wollten, solange er bei ihnen war, wären in der Gefahr gestanden, seinen Leichnam wie einen Götzen zu verehren, wenn sie sein Grab gekannt hätten. Deshalb blieb es den Menschen verborgen. Engel Gottes begruben den Körper seines treuen Dieners und bewachten das einsame Grab. WABT 456 4 "Es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, den der Herr erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht, mit all den Zeichen und Wundern, mit denen der Herr ihn gesandt hatte ... und mit all der mächtigen Kraft und den großen Schreckenstaten, die Mose vollbrachte vor den Augen von ganz Israel." (5. Mose 34,10-12) WABT 456 5 Hätte nicht diese eine Sünde das Leben von Mose befleckt, als er versagte und Gott für das Hervorbringen von Wasser aus dem Felsen von Kadesch nicht die Ehre gab, wäre er ins gelobte Land gekommen und ohne den Tod zu schmecken, verwandelt in den Himmel aufgenommen worden. Aber er sollte nicht lange im Grab bleiben. Christus selbst kam mit den Engeln, die Mose bestattet hatten, vom Himmel herab, um den schlafenden Heiligen aus dem Grab herauszurufen. Satan hatte triumphiert, als es ihm gelungen war, Mose zur Sünde gegen Gott zu veranlassen und so unter die Herrschaft des Todes zu bringen. Der große Widersacher erklärte, dass ihm Gottes Urteilsspruch "Du bist Erde und sollst zu Erde werden" (1. Mose 3,19) ein Anrecht auf die Toten gebe. Die Macht des Todes war bis dahin noch nie gebrochen worden, und alle, die in den Gräbern lagen, beanspruchte Satan als seine Gefangenen. Nie wieder würden sie aus seinem dunklen Gefängnis freikommen. Moses Auferweckung WABT 457 1 Zum ersten Mal stand Christus im Begriff, einem Toten Leben zu schenken. Als sich der Herr des Lebens und seine Engel dem Grab näherten, fürchtete Satan um seine Vormachtstellung. Mit seinen bösen Engeln war er zur Stelle, um jedes Eindringen in seinen Herrschaftsbereich abzuwehren. Er prahlte damit, dass dieser Diener Gottes sein Gefangener geworden sei. Er erklärte, dass nicht einmal Mose in der Lage gewesen sei, Gottes Gesetz zu halten. Er habe sich die Ehre angemaßt, die Gott zustehe - die gleiche Sünde, die zu seiner eigenen Verbannung aus dem Himmel geführt habe. Durch diese Übertretung sei Mose unter Satans Herrschaft geraten. Der Erzverräter brachte somit wieder die gleichen Anklagen vor, die er auch ursprünglich gegen Gottes Herrschaft erhoben hatte, und wiederholte seine Beschwerde, Gott behandle ihn ungerecht. WABT 457 2 Christus ließ sich nicht auf einen Streit mit Satan ein. Er hätte die grausamen Folgen seiner Täuschungen im Himmel, die den Untergang einer großen Anzahl seiner Bewohner verursacht hatten, Vorbringen können. Er hätte auch auf Satans Lügen im Garten Eden hinweisen können, mit denen er Adam zur Sünde verführt und über das Menschengeschlecht den Tod gebracht hatte. Er hätte Satan daran erinnern können, dass er selbst es gewesen war, der Israel ständig zum Murren und Aufbegehren verführt hatte, was Moses Langmut und Geduld letztlich erschöpft und in einem unbedachten Augenblick zur Sünde verleitet hatte, weswegen er der Macht des Todes verfallen war. Aber Christus überließ das alles seinem Vater und sagte nur: "Der Herr strafe dich!" (Judas 9) Der Erlöser ließ sich nicht auf einen Streit mit seinem Gegner ein, sondern begann auf der Stelle damit, die Macht des gefallenen Feindes zu brechen und den Toten zum Leben zu erwecken. Hier lieferte der Sohn Gottes einen Beweis für seine Vormachtstellung, die Satan nicht anfechten konnte. Die Auferstehung wurde für alle Zeiten sichergestellt. Satan wurde seine Beute entrissen. Die gerechten Toten werden wieder leben. WABT 458 1 Infolge der Sünde war Mose unter die Gewalt Satans geraten. An seinen eigenen Verdiensten gemessen, war er zu Recht ein Gefangener des Todes. Aber er wurde zum unsterblichen Leben erweckt, weil er im Namen des Erlösers darauf Anspruch hatte. Mose kam verklärt aus dem Grab hervor und fuhr mit seinem Befreier in die Stadt Gottes auf. WABT 458 2 Solange Gottes Gerechtigkeit und Liebe schattenhaft im Opfertod von Christus veranschaulicht wurden, waren sie nie so eindrucksvoll dargestellt worden wie in seinem Umgang mit Mose. Gott schloss ihn von Kanaan aus, um zu verdeutlichen, was nie vergessen werden durfte: Dass er unbedingten Gehorsam verlangt und sich Menschen davor hüten sollten, die Ehre, die allein dem Schöpfer gebührt, für sich zu beanspruchen. Gott konnte Moses Bitte, doch am Erbe Israels teilhaben zu dürfen, nicht erhören, aber er hat seinen treuen Diener nicht vergessen oder verlassen. Der Gott des Himmels verstand die Leiden, die Mose erduldet hatte. Er hatte auf jede Tat im treuen Dienst während der langen Jahre der Auseinandersetzungen und Prüfungen geachtet. Auf dem Gipfel des Berges Pisga rief ihn Gott zu einem Erbe, das unendlich herrlicher war als das irdische Kanaan. WABT 458 3 Als Jesus auf einem Berg verklärt wurde, waren Mose und Elia, der verwandelt und lebend in den Himmel aufgenommen worden war, zugegen (vgl. Matthäus 17,1-3; 2. Könige 2,11). Als Träger von Licht und Herrlichkeit hatte sie der Vater zu seinem Sohn gesandt. So ging schließlich in Erfüllung, worum Mose viele Jahrhunderte zuvor gebetet hatte: Nun stand er wirklich auf dem "gute[n] Bergland" (5. Mose 3,25), mitten im Erbe seines Volkes, und gab dem ein Zeugnis, der im Mittelpunkt aller Zusagen Gottes an Israel stand. Dies war Moses letztes persönliches Auftreten, das von menschlichen Augen wahrgenommen wurde - jenes Mannes, dem der Himmel eine so große Ehre erwiesen hat. Ein Vorbild Auf Christus WABT 458 4 Mose war ein Vorbild auf Christus. Er selbst hatte Israel verkündet: "Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen." (5. Mose 18,15) Gott hielt es für angebracht, Mose in der Schule des Leidens und der Armut zu erziehen, bevor er bereit war, die große Schar der Israeliten in das irdische Kanaan zu führen. Das Israel Gottes auf dem Weg in das himmlische Kanaan hat einen Anführer, der für seine Aufgabe als göttlicher Leiter keine menschliche Vorbereitung nötig hatte. Doch auch Christus wurde erst durch Leiden vollendet; "denn worin er selbst gelitten hat, als er versucht worden ist, kann er denen helfen, die versucht werden" (Hebräer 2,18 Elb.). Unser Erlöser wies keine menschliche Schwäche oder Unvollkommenheit auf. Dennoch starb er, um uns den Eingang in das himmlische Kanaan zu verschaffen. WABT 459 1 "Mose war ein treuer Diener im Haus Gottes, und sein Beispiel bezeugte alles, was später von Gott offenbart werden sollte. Christus dagegen, der Sohn, wurde über das ganze Haus Gottes gesetzt. Gottes Haus sind wir, wenn wir zuversichtlich bleiben und an unserer Hoffnung auf Christus festhalten." (Hebräer 3,5.6 NLB) ------------------------Kapitel 44 - Die Überquerung Des Jordan WABT 462 0 Josua 1,1 bis 5,12. WABT 462 1 Die Israeliten waren sehr traurig, weil ihr Anführer verstorben war. 30 Tage lang fanden besondere Feierlichkeiten statt, um seiner gebührend zu gedenken (vgl. 5. Mose 34,8). Bis zu seinem Ableben hatten sie den Wert seiner weisen Ratschläge, seiner väterlichen Güte und seines unerschütterlichen Glaubens nie richtig begriffen. Nun erinnerten sie sich mit neuer und tieferer Wertschätzung an die Belehrungen, die sie zu seinen Lebzeiten von ihm erhalten hatten. WABT 462 2 Mose war tot, aber sein Einfluss starb nicht mit ihm. Er dauerte an und beeinflusste die Herzen seines Volkes. Die Erinnerung an dieses heilige, selbstlose Leben wurde lange hoch geschätzt und formte mit stiller, überzeugender Kraft sogar das Leben jener, die früher seine Worte vernachlässigt hatten. Wie der Glanz der sinkenden Sonne noch lange Zeit die Bergspitzen vergoldet, nachdem sie schon hinter den Hügeln verschwunden ist, wirft auch das Wirken von reinen, heiligen und guten Menschen Licht auf die Welt, lange nachdem sie selbst hingeschieden sind. Ihre Werke, ihre Worte und ihr Beispiel bleiben immer lebendig. "Der Gerechte wird nimmermehr vergessen." (Psalm 112,6) WABT 462 3 Obwohl die Israeliten über ihren großen Verlust trauerten, wussten sie doch, dass sie nicht verlassen waren. Über der Stiftshütte stand am Tag die Wolken- und in der Nacht die Feuersäule. Das gab ihnen die Gewissheit, dass Gott auch in Zukunft ihr Führer und Helfer bleiben würde, wenn sie seine Gebote befolgten. Josua Als Neuer Führer WABT 462 4 Nun war Josua der anerkannte Führer Israels. Er hatte sich vor allem als Krieger ausgezeichnet. Seine Gaben und Tugenden waren gerade in dieser Zeit der Geschichte seines Volkes besonders wertvoll. Mutig, entschlossen und beharrlich, schnell handelnd, unbestechlich, bei seinem Einsatz für die ihm Anvertrauten keine Rücksicht auf persönliche Interessen nehmend und vor allem von einem lebendigen Glauben an Gott beseelt - das waren die Charakterzüge des Mannes, den Gott dazu berufen hatte, Israels Heere bei ihrem Einzug in das Gelobte Land zu befehligen. Während der Wanderung in der Wildnis hatte Josua Mose als eine Art Premierminister gedient. Durch seine ruhige, ehrliche Treue, seine Standhaftigkeit, wenn andere wankten, und seine Entschlossenheit, die Wahrheit auch inmitten von Gefahren hochzuhalten, hatte er - selbst bevor ihn Gott in diese Stellung berief - bewiesen, dass er der geeignete Mann war, um Moses Nachfolger zu werden. WABT 463 1 Mit großer Sorge und mangelndem Selbstvertrauen blickte Josua auf die vor ihm liegende Aufgabe, aber seine Befürchtungen schwanden, als ihm Gott versicherte: "Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein ... denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will, wie ich ihren Vätern geschworen habe ... Jede Stätte, auf die eure Fußsohlen treten werden, habe ich euch gegeben, wie ich Mose zugesagt habe." (Josua 1,5.6.3) Bis zu den Höhen des Libanon weit im Norden, bis zu den Küsten des Mittelmeeres und bis an das Ufer des Euphrat im Osten sollte alles ihnen gehören. WABT 463 2 Zu diesem Versprechen kam die Ermahnung hinzu: "Sei mutig und entschlossen! Bemühe dich darum, das ganze Gesetz zu befolgen, das dir mein Diener Mose gegeben hat. Weiche nicht davon ab! ... Sag dir die Gebote immer wieder auf! Denke Tag und Nacht über sie nach, damit du dein Leben ganz nach ihnen ausrichtest. Dann wird dir alles gelingen, was du dir vornimmst." (Josua 1,7.8 Hfa) WABT 463 3 Die Israeliten lagerten noch am Ostufer des Jordan, der als erstes Hindernis die Einnahme Kanaans erschwerte. "Mach dich nun auf", war Gottes erste Botschaft an Josua, "und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, gegeben habe." (Josua 1,2) Gott gab keine Anweisungen, wie die Überquerung vor sich gehen sollte. Aber Josua wusste, dass Gott für alles, was er seinem Volk befahl, auch einen Weg bahnen würde. In diesem Vertrauen traf der furchtlose Heerführer sogleich Vorkehrungen für den Weitermarsch. Kundschafter In Jericho WABT 463 4 Wenige Kilometer jenseits des Flusses, ihrem Lagerplatz genau gegenüber, lag Jericho. Diese große, stark befestigte Stadt war in der Tat der Schlüssel zum ganzen Land, stellte aber für Israels Erfolg ein gewaltiges Hindernis dar. Deshalb schickte Josua zwei junge Männer als Kundschafter in die Stadt. Sie sollten etwas über ihre Bevölkerung, ihre Verteidigungskraft und die Stärke ihrer Befestigungen in Erfahrung bringen. Die Bewohner waren aufgeschreckt und argwöhnisch und daher ständig auf der Hut, was den Auftrag der Boten sehr gefährlich machte. Doch Rahab, eine Einwohnerin Jerichos, rettete sie unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Als Dank für diese Freundlichkeit versprachen ihr die beiden Schutz, falls die Stadt erobert werden sollte. WABT 464 1 Wohlbehalten kehrten die Kundschafter mit der Nachricht zurück: "Der Herr hat uns das ganze Land in unsere Hände gegeben, und es sind auch alle Bewohner des Landes vor uns feige geworden." (Josua 2,24) Man hatte ihnen in Jericho gesagt: "Wir haben gehört, wie der Herr das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hat vor euch her, als ihr aus Ägypten zogt, und was ihr den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, jenseits des Jordan getan habt, wie ihr an ihnen den Bann vollstreckt habt. Und seitdem wir das gehört haben, ist unser Herz verzagt, und es wagt keiner mehr vor euch zu atmen; denn der Herr, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden." (Josua 2,10.11) WABT 464 2 Nun erließ Josua den Befehl, sich für den Abmarsch vorzubereiten. Das Volk sollte sich für drei Tage mit Nahrung versorgen und das Heer sich kampfbereit machen. Alle billigten seine Pläne von ganzem Herzen und sicherten ihm ihr Vertrauen und ihre Unterstützung zu: "Wir wollen alles tun, was du uns gesagt hast, und hingehen, wohin du uns schickst. Wir wollen dir gehorchen, wie wir Mose gehorcht haben. Möge der Herr, dein Gott, mit dir sein, wie er mit Mose war." (Josua 1,16.17 NLB) Der Durchzug Durch Den Jordan WABT 464 3 Die große Schar verließ das Lager im Akazienhain von Schittim und stieg zum Jordanufer hinunter. Aber alle wussten, dass es ohne Gottes Hilfe hoffnungslos war, den Fluss zu überqueren. In dieser Jahreszeit - es war Frühling - hatte die Schneeschmelze im Gebirge den Jordan so anschwellen lassen, dass er über die Ufer getreten war. Deshalb konnten sie nicht an den üblichen Furten übersetzen. Es war Gottes Wille, dass die Überquerung des Flusses auf wunderbare Weise geschah. Auf seine Anweisung hin gebot Josua dem Volk, sich zu heiligen: Sie mussten ihre Sünden ablegen und sich auch äußerlich reinigen, denn "morgen wird der Herr Wunder unter euch tun", sagte er (Josua 3,5). Die Bundeslade - das Zeichen der Gegenwart Gottes - sollte der Menge vorangehen. Sobald sie sahen, dass sie von den Priestern aus der Mitte des Lagers zum Fluss getragen wurde, sollten die Israeliten aufbrechen und hinter ihr herziehen. Josua sagte ihnen die Umstände des Durchzuges genau voraus und erklärte: "Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter ... Siehe, die Lade des Bundes des Herrschers über alle Welt wird vor euch hergehen in den Jordan." (Josua 3,10.11) WABT 465 1 Zur festgesetzten Zeit begann der Vormarsch. Die Bundeslade, getragen auf den Schultern der Priester, zog voran. Das Volk hatte die Anweisung erhalten, etwas zu warten, sodass der Abstand zwischen Lade und Volk fast einen Kilometer betrug. Alle beobachteten gespannt, wie die Priester zum Jordanufer hinunterstiegen. Diese gingen mit der heiligen Lade ruhig auf den wilden, stark angeschwollenen Strom zu. Als die Träger jedoch ihre Füße ins Wasser setzten, wurde die Flut oberhalb dieses Ortes plötzlich zurückgehalten, während unterhalb der Stelle das Wasser abfloss. Das Flussbett lag nun offen da. WABT 465 2 Auf Gottes Befehl schritten die Priester bis zur Mitte der Stromrinne und hielten dort an, während die ganze Schar herunterkam und zum anderen Ufer hinüberging. Auf diese Weise wurde allen Israeliten die Tatsache bewusst gemacht, dass die Macht, die für sie das Jordanwasser zum Stehen brachte, dieselbe war, die ihren Vätern 40 Jahre zuvor den Weg durch das Rote Meer gebahnt hatte. Erst als alle drüben angekommen waren, wurde auch die Lade auf das Westufer getragen. Kaum hatte sie einen sicheren Platz erreicht und kaum hatten "die Füße der Priester das Trockene berührt" (Josua 4,18 ZÜ), brausten auch schon die aufgestauten Wassermassen heran. Wieder freigesetzt, rauschten sie in unwiderstehlicher Kraft im natürlichen Flussbett dahin. Ein Denkmal Des Durchzuges WABT 465 3 Kommende Generationen sollten ein Zeugnis für dieses große Wunder erhalten. Während die Priester mit der Bundeslade noch mitten im Jordan standen, nahmen zwölf Männer - aus jedem Stamm einer, die vorher dazu bestimmt waren - jeder einen Stein aus dem Flussbett, wo die Priester standen, und trugen sie auf die Westseite des Flusses. Aus diesen Steinen sollten die Israeliten im ersten Lagerplatz jenseits des Jordan ein Mahnmal errichten. Gott befahl ihnen, ihren Kindern und Enkeln immer wieder von der Errettung zu erzählen, die er für sie vollbracht hatte, damit, wie Josua es ausdrückte, "alle Völker auf Erden die Hand des Herrn erkennen, wie mächtig sie ist, und den Herrn, euren Gott, fürchten allezeit" (Josua 4,24). WABT 465 4 Dieses Wunder war sowohl für die Hebräer als auch für ihre Feinde von großer Bedeutung. Dem Volk sicherte es Gottes andauernde Gegenwart und fortwährenden Schutz zu - ein Beweis, dass er durch Josua für sie wirken würde, wie er es einst durch Mose getan hatte. Solche Gewissheit brauchten sie gerade jetzt zur inneren Stärkung, wo sie sich anschickten, das Land zu erobern - eine gewaltige Aufgabe, die 40 Jahre zuvor den Glauben ihrer Väter ins Wanken gebracht hatte. Vor der Überquerung des Jordan hatte der Herr seinem Diener Josua erklärt: "Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein." (Josua 3,7) Das Ergebnis bestätigte die Verheißung. "An diesem Tag machte der Herr Josua in den Augen aller Israeliten zu einem bedeutenden Mann, und bis ans Ende seines Lebens achteten sie ihn, wie sie Mose geachtet hatten." (Josua 4,14 NLB) WABT 466 1 Dieser Machtbeweis Gottes sollte auch die Angst der umliegenden Völkerschaften vor Israel steigern und dem Volk zu einem leichteren und vollständigen Triumph verhelfen. Als die Könige der Amoriter und Kanaaniter die Nachricht erreichte, Gott habe vor den Israeliten die Wasser des Jordan angehalten, packte sie panische Angst. Die Israeliten hatten bereits die fünf Könige von Midian geschlagen, den mächtigen Amoriter-König Sihon sowie Og von Baschan. Jetzt erfüllte der Durchzug durch den angeschwollenen und reißenden Jordan alle umliegenden Völker mit Angst und Schrecken. Die Kanaaniter, ganz Israel und auch Josua selbst hatten damit einen unmissverständlichen Beweis erhalten, dass der lebendige Gott - der König Himmels und der Erde - unter seinem Volk weilt und es nicht im Stich lassen oder aufgeben werde (vgl. 5. Mose 31,6.8). Beschneidung Und Passa Wieder Eingesetzt WABT 466 2 Unweit des Jordan schlugen sie ihr erstes Lager in Kanaan auf. Josua "beschnitt die Israeliten" dort. Als sie "in Gilgal das Lager aufgeschlagen hatten, hielten sie Passa" (Josua 5,3.10). Die Aussetzung der Beschneidung seit dem Aufruhr bei Kadesch hatte das Volk ständig daran erinnert, dass es seinen Bund mit Gott gebrochen hatte, denn sie war ja als dessen Zeichen eingesetzt worden. Und die Aufgabe des Passafestes - die Erinnerung an ihre Befreiung aus Ägypten - war ein Zeichen des Missfallens Gottes über ihr Verlangen, in das Land der Versklavung zurückzukehren. Aber nun waren die Jahre vorüber, in denen Gott sie verworfen hatte. Er erkannte erneut Israel als sein Volk an, und das Bundeszeichen wurde wieder eingesetzt. Die Beschneidung wurde an allen vollzogen, die in der Wüste geboren worden waren. Der Herr sagte zu Josua: "Heute habe ich die Schande Ägyptens von euch abgewälzt." (Josua 5,9) Als Hinweis darauf wurde der Lagerplatz Gilgal genannt, was "Wegrollen" oder "Abwälzen" bedeutet. WABT 467 1 Heidnische Völker hatten Gott und sein Volk geschmäht, weil die Israeliten Kanaan nicht gleich - wie erwartet - nach dem Auszug aus Ägypten in Besitz genommen hatten. Ihre Feinde hatten triumphiert, weil die Israeliten so lange in der Wüste umhergezogen waren. Sie hatten voll Spott behauptet, der Gott Israels sei unfähig, sie in das versprochene Land zu bringen. Nun aber hatte der Herr seine Macht und Gnade in auffallender Weise offenbart, indem er seinem Volk den Weg durch den Jordan bahnte. Nun hatten seine Feinde keinen Grund mehr, es zu verhöhnen. WABT 467 2 "Am 14. Tag des Monats am Abend" feierten sie in der Ebene von Jericho das Passa. Und sie "aßen vom Getreide des Landes am Tag nach dem Passa, nämlich ungesäuertes Brot und geröstete Körner. An eben diesem Tag hörte das Manna auf, weil sie jetzt vom Getreide des Landes aßen, sodass Israel vom nächsten Tag an kein Manna mehr hatte. Sie aßen schon von der Ernte des Landes Kanaan in diesem Jahr." (Josua 5,10-12) Die lange Zeit ihrer Wüstenwanderung war zu Ende. Israel hatte endlich den Boden des verheißenen Landes betreten. ------------------------Kapitel 45 - Der Fall Jerichos WABT 468 0 Josua 5,13 bis 7,26. WABT 468 1 Die Israeliten waren zwar in Kanaan einmarschiert, hatten es aber noch nicht unterworfen. Nach menschlichem Ermessen würde es einen langen und schwierigen Kampf geben, um das Land in Besitz zu nehmen. Es war von einem starken Volk bewohnt, das bereit war, sich gegen den Einfall von außen zu wehren. Die Angst vor der Gefahr, die sie alle bedrohte, verband die verschiedenen Stämme untereinander. Ihre Pferde, ihre eisernen Streitwagen, ihre Kenntnis des Landes und ihre Kriegserfahrung verschafften ihnen große Vorteile. Außerdem war das Land durch Festungen geschützt - "große Städte, ummauert bis an den Himmel" (5. Mose 9,1). Nur in der Gewissheit einer Stärke, die nicht ihre eigene war, konnten die Israeliten im bevorstehenden Kampf auf Erfolg hoffen. WABT 468 2 Eine der stärksten Festungen des Landes - die große und reiche Stadt Jericho - lag unmittelbar vor ihnen, nicht weit von ihrem Lager bei Gilgal entfernt. Sie befand sich am Rande einer fruchtbaren Ebene, mit einer breiten Vielfalt tropischer Erzeugnisse sowie mit Palästen und Tempeln, in denen Luxus und Laster zuhause waren. Hinter ihren starken Festungsmauern bot sie dem Gott Israels die Stirn. Jericho war eines der Hauptzentren des Götzendienstes, bei dem insbesondere die Mondgöttin Astarte24 verehrt wurde. Hier konzentrierte sich alles, was in der Religion der Kanaaniter am abscheulichsten und erniedrigendsten war. Die Israeliten, in deren frischer Erinnerung noch die schrecklichen Folgen ihrer Sünde bei Bet-Peor waren, konnten nur mit Abscheu und Entsetzen auf diese heidnische Stadt blicken. Josua Erhalt Göttliche Befehle WABT 468 3 Josua sah in der Unterwerfung Jerichos den ersten Schritt zur Eroberung Kanaans. Zunächst aber suchte er die Zusicherung göttlicher Leitung, und sie wurde ihm gewährt. Er zog sich zum Nachdenken und Beten aus dem Lager zurück und bat den Gott Israels, seinem Volk voranzugehen. Plötzlich sah er einen bewaffneten Krieger von hochragender Gestalt vor sich, der in gebieterischer Haltung "ein bloßes Schwert in seiner Hand" hielt (Josua 5,13). Auf Josuas Anruf "Gehörst du zu uns oder zu unseren Feinden?", antwortete er: "Ich bin der Fürst über das Heer des Herrn und bin jetzt gekommen." (Josua 5,13.14) Der gleiche Befehl, wie ihn Mose am Berg Sinai empfangen hatte, nämlich "Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du stehst, ist heilig" (Josua 5,15; vgl. 2. Mose 3,5), offenbarte ihm den wahren Charakter des geheimnisvollen Fremden. Christus, der Hochgepriesene, stand vor dem Anführer Israels. Voller Ehrfurcht warf sich Josua nieder und betete ihn an. Da hörte er die Zusicherung: "Ich habe Jericho samt seinem König und seinen Kriegsleuten in deine Hand gegeben." (Josua 6,2) Dann erhielt er Anweisungen für die Einnahme der Stadt. Eine Siebentägige Prozession Um Die Stadt WABT 469 1 Josua befolgte die göttlichen Befehle und bot das Heer Israels auf. Es sollte kein Angriff erfolgen. Sie sollten nur die Stadt umrunden und dabei die Bundeslade tragen und mit Posaunen aus Widderhörnern blasen. Den Zug anführen sollte ein Trupp auserlesener Kriegsleute, die nicht durch eigenes Können und Tapferkeit siegen sollten, sondern durch Gehorsam gegenüber den Anweisungen, die Gott gegeben hatte. Ihnen folgten sieben Priester mit Posaunen. Dann kam die Bundeslade, die von einem Glanz göttlicher Herrlichkeit umgeben war und von Priestern getragen wurde, deren Kleidung auf ihren heiligen Dienst hindeutete. Ihnen folgte Israels Heer, jeder Stamm unter seinem Banner. So sah die Prozession aus, die um die zum Untergang verurteilte Stadt zog. Kein Laut war zu hören außer den Schritten der mächtigen Schar und dem feierlichen Schmettern der Posaunen, das von den umliegenden Bergen widerhallte und durch die Straßen Jerichos erscholl. War der Umzug vollendet, kehrte das Heer schweigend zu seinen Zelten zurück. Die Lade wurde wieder an ihren Platz in der Stiftshütte gebracht. WABT 469 2 Staunend und mit wachsender Unruhe beobachteten die Wächter der Stadt jede Bewegung und meldeten alles ihrer Obrigkeit. Sie begriffen den Sinn dieser Darstellung nicht. Aber als sie das gewaltige Heer jeden Tag einmal mit der heiligen Lade und den begleitenden Priestern um ihre Stadt ziehen sahen, erfüllte das geheimnisvolle Geschehen Priester und Bewohner mit Schrecken. Wieder überprüften sie ihre starken Verteidigungsanlagen und waren sicher, dass sie auch dem mächtigsten Angriff erfolgreich widerstehen könnten. Viele spöttelten beim Gedanken, ihnen könnten diese sonderbaren Bekundungen irgendwie schaden. Andere wurden durch diesen täglichen Zug um ihre Stadt ehrfurchtsvoll. Sie erinnerten sich daran, dass einst das Rote Meer vor diesem Volk zurückgewichen war und der Jordan sich erst kürzlich für eine Durchquerung geöffnet hatte. Sie fragten sich, welche weiteren Wunder Gott noch für Israel tun würde. WABT 470 1 Sechs Tage lang zogen die Scharen Israels um die Stadt. Dann kam der siebente Tag, und Josua ließ das Heer des Herrn im frühen Morgengrauen antreten. Nun erhielt es den Befehl, siebenmal um Jericho zu marschieren und bei einem gewaltigen Posaunenton ein lautes Kriegsgeschrei anzustimmen, denn Gott hatte ihm die Stadt übergeben. WABT 470 2 Feierlich umschritt das gewaltige Heer die dem Untergang geweihten Befestigungen. Alle schwiegen. Man hörte nur den gemessenen Schritt vieler Füße und einen gelegentlichen Posaunenstoß, der die Morgenstille unterbrach. Die wuchtigen Mauern aus soliden Steinen schienen jeder Belagerung durch Menschen standzuhalten. Aber die Wächter auf den Festungswällen sahen mit steigender Angst, wie dem ersten Rundgang ein zweiter folgte, dann ein dritter, ein vierter, ein fünfter und ein sechster. Was mochte der Sinn dieser geheimnisvollen Bewegungen sein? Was für ein gewaltiges Ereignis stand ihnen bevor? WABT 470 3 Sie brauchten nicht lange zu warten. Als der siebte Rundgang beendet war, blieb die lange Prozession stehen. Die Posaunen, die eine Zeitlang geschwiegen hatten, schallten nun mit ohrenbetäubendem Lärm, der sogar die Erde erzittern ließ. Da wankten die festen Steinmauern mit ihren massiven Türmen und Zinnen, hoben sich aus ihren Fundamenten und stürzten mit lautem Krachen zur Erde. Die Einwohner Jerichos waren vor schrecklicher Angst wie gelähmt, und die Scharen Israels drangen in die Stadt ein und besetzten sie. WABT 470 4 Nicht aus eigener Kraft hatten die Israeliten den Sieg errungen. Die Eroberung war ausschließlich dem Herrn zu verdanken. Deshalb sollte die Stadt als "Erstlingsfrucht"25 des Landes mit allem, was sie enthielt, dem Herrn als Opfer zukommen. Es musste den Israeliten eindrücklich nahegebracht werden, dass sie bei der Eroberung Kanaans nicht für sich selbst kämpften, sondern einfach als Gottes Werkzeuge seinen Willen ausführten. Sie sollten nicht nach Reichtümern oder Eigenruhm streben, sondern nach der Verherrlichung Jahwes, ihres Königs. Vor der Einnahme war der Befehl gegeben worden: "Diese Stadt und alles, was darin ist, soll dem Bann des Herrn verfallen sein ... hütet euch vor dem Gebannten und lasst euch nicht gelüsten, etwas von dem Gebannten zu nehmen und das Lager Israels in Bann und Unglück zu bringen." (Josua 6,17.18) Die Vernichtung Der Stadt Und Ihrer Bewohner WABT 471 1 Alle Bewohner der Stadt und alle lebenden Wesen darin, "Männer und Frauen, Kinder und Alte, Rinder, Schafe und Esel" (Josua 6,21 GNB), sollten mit dem Schwert getötet werden. Nur die gläubige Rahab mit ihren Angehörigen blieb gemäß dem Versprechen der Kundschafter verschont. Die Stadt selbst wurde niedergebrannt. Ihre Paläste und Tempel, die großartigen Wohnhäuser mit allen verschwenderisch ausgestatteten Einrichtungen, die schmucken Behänge und die kostbaren Gewänder wurden den Flammen übergeben. Was jedoch nicht durch das Feuer zu vernichten war, "alles Silber und Gold samt dem kupfernen und eisernen Gerät", wurde für den Dienst an der Stiftshütte bestimmt (Josua 6,19). Grund und Boden der Stadt wurden verflucht, und Jericho sollte nie wieder als Festung aufgebaut werden. Jedem, der es wagen sollte, die Mauern wiederherzustellen, die Gottes Macht niedergerissen hatte, drohte ein Strafgericht. In Gegenwart des gesamten Volkes gab Josua die feierliche Erklärung ab: "Wer versucht, die Stadt Jericho wieder aufzubauen, den trifft der Fluch des Herrn. Wenn er die Fundamente legt, kostet es ihn seinen erstgeborenen Sohn. Wenn er die Tore einsetzt, kostet es ihn seinen Jüngsten." (Josua 6,26 GNB) WABT 471 2 Die vollständige Vernichtung der Einwohner Jerichos war nur der Vollzug eines früheren Befehls durch Mose bezüglich Kanaans Bevölkerung: "Ihr dürft sie nicht verschonen, sondern müsst den Bann an ihnen vollstrecken." (5. Mose 7,2b GNB). "Aus den Städten dieser Völker jedoch ... darfst du nichts, was Atem hat, am Leben lassen." (5. Mose 20,16 EÜ) Für viele scheinen diese Gebote dem Geist der Liebe und Barmherzigkeit, zu dem an anderen Stellen der Bibel eindringlich gemahnt wird, zu widersprechen. In Wahrheit sind sie aber das Gebot unendlicher Weisheit und Güte. Gott stand im Begriff, Israel in Kanaan anzusiedeln und dort ein Volk und eine Herrschaft als Offenbarung seines Reiches auf Erden aufzubauen. Sie sollten nicht nur Erben der wahren Religion sein, sondern auch deren Grundsätze in der ganzen Welt verbreiten. Die Kanaaniter hatten sich einem höchst widerwärtigen und herabwürdigenden Heidentum ergeben. Es war notwendig, das Land von allem zu reinigen, was die Erfüllung der gnädigen Absichten Gottes mit Sicherheit verhindern würde. WABT 471 3 Die Bewohner Kanaans hatten reichlich Gelegenheit zur Umkehr gehabt. 40 Jahre zuvor hatten der Durchzug durch das Rote Meer und die Strafgerichte an Ägypten die unanfechtbare Macht des Gottes Israels bezeugt. Und erst kürzlich hatte der Untergang der Könige von Midian, Gilead und Baschan gezeigt, dass Jahwe über allen Göttern stand. Die Heiligkeit seines Charakters und seine Abscheu vor Sittenlosigkeit waren in den Gerichten über Israel wegen dessen Teilnahme an den widerwärtigen Bräuchen des Baal-Peor deutlich genug bekundet worden. Die Einwohner Jerichos kannten diese Ereignisse. Viele teilten Rahabs Überzeugung - obwohl sie ihr nicht folgen wollten -, dass Jahwe, der Gott Israels, "Gott oben im Himmel und unten auf Erden" ist (Josua 2,11). Wie bei den Menschen vor der Sintflut führte auch das Leben der Kanaaniter nur dazu, dass sie den Himmel lästerten und die Erde schändeten. Sowohl Liebe als auch Gerechtigkeit verlangten die sofortige Hinrichtung dieser Rebellen gegen Gott und Feinde der Menschen. Sieg Durch Glauben WABT 472 1 Wie leicht brachten die himmlischen Heere die Mauern Jerichos zum Einsturz, die Befestigungen dieser stolzen Stadt, die noch 40 Jahre zuvor den ungläubigen Kundschaftern so viel Schrecken eingejagt hatten! Der Mächtige in Israel hatte gesagt: "Ich habe Jericho ... in deine Hand gegeben." (Josua 6,2) Gegen dieses Wort war menschliche Stärke machtlos. WABT 472 2 "Durch den Glauben fielen die Mauern Jerichos." (Hebräer 11,30) Gott offenbarte sich nur Josua, nicht der ganzen Gemeinde. Aber sie musste sich entscheiden, ob sie Josuas Worten glauben oder sie bezweifeln, den Befehlen des Herrn gehorchen oder seine Machtbefugnis ablehnen wollte. Die Israeliten konnten das Heer der Engel nicht sehen, das sie unter der Führung des Sohnes Gottes begleitete. Sie hätten einwenden können: "Was sollen diese sinnlosen Märsche und wie lächerlich ist doch der Auftritt mit der täglichen Umrundung der Stadtmauern und dem Blasen der Widderhörner! Das alles kann doch keine Auswirkung auf diese gewaltigen Befestigungen haben!" Aber gerade der Plan Gottes, diese Zeremonie so viele Tage lang vor dem Sturz der Mauern fortzusetzen, gab den Israeliten Gelegenheit, im Glauben zu wachsen. Es sollte sich ihnen tief ins Bewusstsein einprägen, dass ihre Kraft nicht in der Weisheit oder Macht von Menschen lag, sondern allein im Gott ihres Heils (vgl. Jes 17,10). Auf diese Weise sollte es ihnen zur Gewohnheit werden, sich ganz auf ihren göttlichen Führer zu verlassen. WABT 472 3 Gott wird Großes an denen tun, die ihm vertrauen. Der Grund, weshalb sein Volk, das ihn bekennt, keine größere Kraft besitzt, liegt darin, dass es so viel auf die eigene Klugheit baut und dem Herrn keine Gelegenheit gibt, seine Macht zu ihren Gunsten zu offenbaren. Er will seinen gläubigen Kindern in allen schwierigen Lagen helfen, wenn sie nur ihr volles Vertrauen auf ihn setzen und ihm treu gehorchen. Eine Unerwartete Niederlage WABT 473 1 Bald nach dem Fall Jerichos beschloss Josua, Ai anzugreifen, eine kleine Stadt in den Bergschluchten wenige Kilometer westlich des Jordantals. Dorthin entsandte Kundschafter brachten die Nachricht, sie habe nur wenige Einwohner, deshalb genüge zu ihrer Eroberung eine kleine Streitmacht. WABT 473 2 Der große Sieg, den Gott für sie erlangt hatte, hatte die Israeliten selbstsicher gemacht. Er hatte ihnen Kanaan verheißen, also fühlten sie sich sicher und vergaßen darüber, dass allein Gottes Hilfe ihnen Erfolg schenken konnte. Selbst Josua machte sich an die Planung der Eroberung von Ai, ohne Gott um Rat zu fragen. WABT 473 3 Die Israeliten hatten begonnen, sich ihrer Stärke zu rühmen und mit Geringschätzung auf die Feinde zu sehen. Sie rechneten mit einem leichten Sieg und hielten 3000 Männer für ausreichend, um die Stadt einzunehmen. Diese stürmten zum Angriff los, ohne sich der Hilfe Gottes versichert zu haben. Sie rückten fast bis an das Stadttor vor. Doch dort stießen sie auf den entschlossensten Widerstand. Wegen der großen Anzahl und der gründlichen Vorbereitung ihrer Feinde gerieten sie in Panik. Verstört flohen sie den steilen Abhang hinunter, ungestüm verfolgt von den Kanaanitern. "Sie hatten sie nämlich von dem Tor bis zu den Steinbrüchen gejagt und am Abhang erschlagen." (Josua 7,5) WABT 473 4 Wenn der zahlenmäßige Verlust auch gering war - nur 36 Mann wurden getötet -, war die Niederlage für die ganze Gemeinde entmutigend. "Die Israeliten waren vor Angst wie gelähmt, und ihr Mut schmolz dahin." (Josua 7,5 NLB) Erstmals waren sie im offenen Kampf auf die Kanaaniter gestoßen. Wenn bereits die Verteidiger dieser kleinen Stadt sie in die Flucht schlugen, was würde dann das Ergebnis der größeren Kämpfe sein, die ihnen bevorstanden? Josua sah in ihrem Misserfolg den Ausdruck göttlichen Missfallens und war voller Kummer und Befürchtungen. Er "zerriss seine Kleider und fiel auf sein Angesicht zur Erde vor der Lade des Herrn bis zum Abend samt den Ältesten Israels, und sie warfen Staub auf ihr Haupt" (Josua 7,6). WABT 473 5 "Ach, Herr Herr", rief er, "warum hast du dies Volk über den Jordan geführt und gibst uns in die Hände der Amoriter, um uns umzubringen? ... Ach, Herr, was soll ich sagen, nachdem Israel seinen Feinden den Rücken gekehrt hat? Wenn das die Kanaaniter und alle Bewohner des Landes hören, so werden sie uns umringen und unseren Namen ausrotten von der Erde. Was willst du dann für deinen großen Namen tun?" (Josua 7,7-9) WABT 473 6 Jahwe antwortete: "Steh auf! Warum liegst du da auf deinem Angesicht? Israel hat sich versündigt, sie haben meinen Bund übertreten, den ich ihnen geboten habe." (Josua 7,10.11a) Jetzt war die Zeit für schnelles, entschiedenes Handeln und nicht für Verzweiflung und Klagen gekommen. Es gab im Lager eine geheime Sünde, die es aufzuklären und zu beseitigen galt, ehe Gottes Gegenwart und Segen wieder bei seinem Volk sein konnten. "Ich werde euch nicht mehr beistehen, wenn ihr nicht alles vernichtet, was ihr gegen mein Verbot weggenommen habt." (Josua 7,12 GNB) Der Eigentliche Grund Des Unglücks WABT 474 1 Einer von denen, die Gottes Gericht vollstrecken sollten, hatte das Gebot des Herrn missachtet. Und für seine Schuld wurde das ganze Volk verantwortlich gemacht: "Sie ... haben von dem Gebannten genommen und gestohlen und haben's verheimlicht" (Josua 7,11). Josua erhielt Anweisung, wie der Schuldige aufzufinden und zu bestrafen sei: Das Los sollte benutzt werden, um ihn zu ermitteln. Der Sünder wurde nicht namentlich genannt. Die Angelegenheit wurde eine Zeitlang offen gelassen, damit das Volk die Verantwortung für die Sünde spürte und Zeit für eine Herzenserforschung und Demütigung vor Gott blieb. WABT 474 2 Früh am Morgen versammelte Josua das Volk, nach Stämmen aufgeteilt. Die ernste, eindrucksvolle Zeremonie begann. Schritt für Schritt ging die Untersuchung voran. Immer näher kam für den Schuldigen der schreckliche Test. Erst wurde der Stamm vom Los getroffen, dann das Geschlecht, die Familie und schließlich der Mann selbst. Achan, der Sohn Karmis aus dem Stamm Juda, wurde vom Finger Gottes als derjenige bezeichnet, der Israels Unglück bei Ai verursacht hatte. WABT 474 3 Um die Schuld zweifelsfrei festzustellen und keinen Anlass zur Behauptung zu liefern, Achan sei ungerecht bestraft worden, beschwor ihn Josua eindringlich, die Wahrheit einzugestehen. Darauf legte der niedergedrückte Mann ein umfassendes Geständnis ab: "Ja ... ich war es, der sich gegen den Herrn, den Gott Israels, vergangen hat. Ich sah unter den Beutestücken einen wertvollen babylonischen Mantel, 200 Silberstücke und einen Goldbarren, der gut ein halbes Kilo wiegt. Ich konnte nicht widerstehen und nahm es mir. Du wirst es alles in meinem Zelt vergraben finden." (Josua 7,20.21 GNB) Sofort wurden Boten dorthin geschickt, die an dem bezeichneten Platz die Erde aufgruben, "und sie fanden alles, wie er es beschrieben hatte. Sie brachten die Beutestücke zu Josua und ... legten sie vor der Bundeslade des Herrn nieder." (Josua 7,22.23 GNB) WABT 474 4 Das Urteil wurde gesprochen und sofort vollstreckt. "Du hast uns ins Unglück gestürzt. Dafür stürzt der Herr auch dich jetzt ins Unglück." (Josua 7,25a GNB) Da das Volk für Achans Sünde mitverantwortlich gemacht worden war und unter ihren Folgen gelitten hatte, sollte es durch seine Vertreter auch an der Bestrafung teilhaben. "Ganz Israel steinigte ihn." (Josua 7,25b) WABT 475 1 Dann wurde ein großer Steinhaufen über ihm errichtet - als Zeuge für seine Sünde und ihre Bestrafung. "Wegen dieses Vorfalls heißt das Tal bis heute Achor-Tal [Unglückstal]." (Josua 7,26 GNB) Im Buch der Chronik wird Achan in Erinnerung daran als derjenige erwähnt, "der Israel ins Unglück brachte" (1. Chronik 2,7). WABT 475 2 Achan versündigte sich in Auflehnung gegen die ausdrücklichsten, ernstesten Warnungen Gottes und trotz der klaren Bekundungen seiner Macht. "Hütet euch vor dem Gebannten und lasst euch nicht gelüsten, etwas von dem Gebannten zu nehmen und das Lager Israels in Bann und Unglück zu bringen", war allen Israeliten öffentlich verkündigt worden (Josua 6,18). Dieser Befehl war unmittelbar nach dem wunderbaren Durchzug durch den Jordan ergangen, also nach der Anerkennung des Bundes durch die Beschneidung des Volkes, nachdem sie Passa gefeiert hatten und der Engel des Bundes, der Fürst über das Heer des Herrn, erschienen war. Danach war der Sturz Jerichos als Zeichen erfolgt, dass alle Übertreter des göttlichen Gesetzes bestimmt vernichtet werden. Diese Tatsache, dass Gottes Macht allein Israel den Sieg geschenkt und das Volk Jericho nicht aus eigener Kraft in Besitz genommen hatte, verlieh dem Befehl, sich nicht an der Beute zu vergreifen, zusätzliches Gewicht. Durch die Macht seines Wortes hatte der Herr diese Festung überwunden. Die Eroberung war sein Werk. Deshalb sollte die Stadt mit allem, was darin war, allein ihm überlassen werden. WABT 475 3 Unter den Millionen Israeliten gab es nur einen einzigen Mann, der es in jener feierlichen Stunde des Triumphes und Gerichtes gewagt hatte, Gottes Gebot zu übertreten. Das wertvolle Kleidungsstück aus Babylon hatte Achans Habsucht erregt. Sogar als es ihn Auge in Auge dem Tod gegenüberstellte, bezeichnete er es noch als einen "kostbaren babylonischen Mantel" (Josua 7,21a). Eine Sünde führte zur nächsten, denn Achan eignete sich auch das Gold und Silber an, das für die Schatzkammer des Herrn bestimmt war. Er beraubte damit Gott der Erstlingsfrucht des Landes Kanaan. Habsucht - Die Wurzel Vieler Übel WABT 475 4 Achans todbringende Sünde hatte ihre Wurzel in der Habsucht, die eine der verbreitetsten Sünden ist, jedoch als unbedeutend angesehen wird. Andere Vergehen werden aufgedeckt und bestraft, aber wie selten hat die Übertretung des zehnten Gebotes auch nur eine Rüge zur Folge! Die Geschichte Achans sollte uns lehren, wie ungeheuerlich diese Sünde ist und wie schrecklich ihre Auswirkungen sind. WABT 476 1 Habsucht ist ein Übel, das sich stufenweise entwickelt. Achan hatte die Gier nach Erwerb so lange genährt, bis sie zu einer Gewohnheit wurde, die ihn mit kaum mehr lösbaren Fesseln band. Als er diesem Übel nachgab, wäre er beim Gedanken, er könnte dadurch Unglück über Israel bringen, tief erschrocken gewesen. Aber sein Wahrnehmungsvermögen war durch die Sünde inzwischen abgestumpft. Als die Versuchung kam, wurde er ihre leichte Beute. WABT 476 2 Werden nicht immer noch gleichartige Sünden angesichts ebenso ernster, ausdrücklicher Warnungen begangen? Uns ist es genauso deutlich verboten, Habgier zu hegen, wie es Achan untersagt war, sich Beute aus Jericho anzueignen. Gottes Wort sagt: "Habsucht ist so viel wie Götzendienst." (Kol 3,5b GNB) Wir werden gewarnt: "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon." (Matthäus 6,24) "Hütet euch vor aller Habgier." (Lukas 12,15) "Von ... Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein." (Ephe- ser 5,3) Wir haben das schreckliche Verhängnis eines Achan, eines Judas, eines Hananias und einer Saphira vor Augen. Zu alledem kennen wir das Unheil, das Luzifer verursachte, der "schöne Morgenstern" (Jesaja 14,12a), der den Glanz und die Seligkeit des Himmels für immer verwirkte, weil er eine höhere Stellung begehrte. Doch trotz dieser Warnungen breitet sich die Habgier stets weiter aus. WABT 476 3 Überall sieht man ihre gefährlichen Spuren. Sie schafft Unzufriedenheit und Streit in den Familien, sie erregt Neid und Hass bei den Armen gegenüber den Reichen; sie führt zu gnadenloser Unterdrückung der Armen durch die Reichen. Und dieses Übel existiert nicht nur in der Welt, sondern auch in der Gemeinde. Wie alltäglich ist es, sogar hier Selbstsucht, Geiz, Übervorteilung, Nachlässigkeit in Almosen und Beraubung Gottes am "Zehnten und an der Opfergabe" vorzufinden (Maleachi 3,8, vgl. Elb.). Auch unter angesehenen Gemeindegliedern gibt es leider viele Achans. Mancher kommt regelmäßig zur Gemeinde und nimmt am Abendmahl teil, während sich in seinem Besitz unrechtmäßig erworbene Gewinne verbergen, Dinge, die Gott verflucht hat. Für einen "kostbaren babylonischen Mantel" opfern viele die Zustimmung ihres Gewissens und die Hoffnung auf den Himmel. Viele tauschen ihre Redlichkeit und ihre guten Fähigkeiten gegen einen Beutel Silbertaler ein. Das Schreien der notleidenden Armen bleibt unbeachtet. Die Verbreitung des Lichts des Evangeliums wird behindert. Der Spott der Menschen aus der Welt wird durch Praktiken angefacht, die das christliche Bekenntnis Lügen strafen. Dennoch häuft der habgierige Christ, der sich zu Jesus bekennt, weiterhin Schätze auf. Dazu sagt aber der Herr: "Darf ein Mensch Gott berauben? Ja, ihr beraubt mich!" (Maleachi 3,8a Elb.) WABT 477 1 Achans Sünde brachte Unglück über das ganze Volk. Wegen der Sünde eines einzigen Menschen bleibt Gottes Missfallen so lange über seiner Gemeinde, bis das Unrecht herausgefunden und beseitigt ist. Was die Gemeinde am meisten fürchten sollte, sind nicht die offenen Gegner, die Ungläubigen und Spötter, sondern der Einfluss unaufrichtiger Menschen, die sich zu Christus bekennen. Sie sind es, die Gottes Segen zurückhalten und sein Volk schwächen. WABT 477 2 Wenn eine Gemeinde Schwierigkeiten hat und in ihr Kälte und geistlicher Niedergang herrschen, die den Feinden Gottes Anlass zum Triumphieren geben, sollten die Gemeindeglieder nachforschen, ob nicht ein Achan im Lager ist, statt die Hände in den Schoß zu legen und den betrüblichen Zustand zu beklagen. Jeder suche in Demut und eingehender Selbstprüfung nach verborgenen Sünden, die Gottes Gegenwart ausschließen. Ein Zu Spätes Bekenntnis WABT 477 3 Achan gab seine Schuld erst zu, als es zu spät war. Sein Geständnis nützte ihm nichts mehr. Er hatte gesehen, wie Israels Kämpfer geschlagen und entmutigt von Ai zurückgekehrt waren. Doch er trat nicht vor, um seine Sünde zu bekennen. Er hatte gesehen, wie sich Josua und die Ältesten in unbeschreiblichem Kummer zur Erde beugten. Hätte er zu der Zeit sein Bekenntnis abgelegt, hätte er damit einen Beweis aufrichtiger Reue gegeben. Doch er schwieg weiter. Er hatte die öffentliche Bekanntgabe gehört, dass jemand schweres Unrecht begangen habe, und auch vernommen, worum es sich handelte. Aber seine Lippen blieben verschlossen. Dann erfolgte die feierliche Untersuchung. Wie mag er vor Angst gebebt haben, als sein Stamm angezeigt wurde, danach seine Sippe und schließlich seine Familie! Aber noch immer legte er kein Geständnis ab - bis Gottes Finger auf ihn wies. Erst jetzt, als er seine Sünde nicht länger verheimlichen konnte, gab er die Wahrheit zu. Wie häufig werden ähnliche Bekenntnisse abgelegt. Es ist ein großer Unterschied, ob man Tatsachen zugibt, die nachgewiesen worden sind, oder ob man Sünden bekennt, von denen man nur selbst und Gott etwas weiß. Achan hätte immer noch nichts eingestanden, wenn er nicht gehofft hätte, dadurch den Folgen seines Verbrechens zu entgehen. Nun aber hatten seine bekennenden Worte nur noch die Funktion, seine Bestrafung zu rechtfertigen. Es gab keine echte Reue über die Sünde, keine Buße, keine Sinnesänderung, keine Abscheu vor dem Bösen. WABT 478 1 In gleicher Weise werden die Schuldigen einmal Geständnisse ablegen, wenn sie vor Gottes Gericht stehen, nachdem jeder Fall bezüglich Leben oder Tod entschieden worden ist. Die Folgen, die sich für jeden ergeben, werden ein Eingeständnis seiner Sünden bewirken. Es wird ihm durch ein furchtbares Bewusstsein der Verdammnis und ein schreckliches Warten auf das Gericht abgenötigt. Aber solche Bekenntnisse können den Sünder nicht retten. WABT 478 2 Solange sie ihre Verfehlungen vor den Mitmenschen verheimlichen können, fühlen sich viele Menschen wie einst Achan sicher und bilden sich ein, Gott werde Unrecht nicht so streng bewerten. Viel zu spät werden ihre Sünden an den Tag kommen, an dem sie weder durch Opfer noch durch Gaben getilgt werden können. Wenn die Bücher des Himmels einmal aufgetan sind, wird Gott, der Richter, den Menschen nicht mit Worten schuldig sprechen. Er wird ihm einen durchdringenden und tadelnden Blick zuwerfen, und jede Untat im Leben wird in das Gedächtnis des Übeltäters deutlich eingeprägt. Niemand braucht wie in Josuas Tagen aus Stamm und Familie aufgespürt zu werden. Er wird seine Scham selbst bekennen. Die vor den Menschen verborgenen Sünden werden dann der ganzen Welt offen genannt. ------------------------Kapitel 46 - Verkündigung Von Segen Und Fluch WABT 479 0 Josua 8,1-8.30-35. WABT 479 1 Als das Urteil an Achan vollstreckt war, erhielt Josua den Befehl, alle Krieger einzuberufen und noch einmal gegen Ai vorzurücken. Gottes Macht war nun mit ihnen, und bald waren sie im Besitz der Stadt. WABT 479 2 Dann wurden die militärischen Operationen eine Zeitlang unterbrochen, damit ganz Israel an einem feierlichen religiösen Geschehen teilnehmen konnte. Das Volk sehnte sich danach, Kanaan zu besiedeln. Es besaß ja bislang weder Häuser noch Grundbesitz für die Familien. Um sie zu erlangen, mussten die Israeliten zuerst die Kanaaniter vertreiben. Aber diese wichtige Aufgabe sollte zurückgestellt werden, weil eine höhere Pflicht die besondere Aufmerksamkeit erforderte. WABT 479 3 Ehe sie ihr Erbe in Besitz nehmen durften, mussten die Israeliten ihr Treuebündnis mit Gott erneuern. In seinen letzten Unterweisungen hatte ihnen Mose zweimal gesagt, dass sich die Stämme bei Sichern auf den Bergen Ebal und Garizim zur feierlichen Anerkennung des Gesetzes Gottes versammeln sollten (vgl. 5. Mose 11,29.30; 27,4.12.13). Diesen Anweisungen folgten sie nun. Das ganze Volk, nicht nur die Männer, sondern "auch die Frauen und Kinder und die Fremden, die bei ihnen lebten" (Josua 8,35b GNB), verließen das Lager bei Gilgal und marschierten durch das Gebiet ihrer Feinde ins Tal Sichem, das etwa in der Mitte des Landes lag. Obwohl sie von unbesiegten Feinden umgeben waren, konnten sie sich unter Gottes Schutz sicher fühlen, solange sie ihm treu blieben. Wie zur Zeit Jakobs kam auch jetzt "ein Gottesschrecken über die Städte, die um sie her lagen" (1. Mose 35,5). Die Israeliten blieben unbehelligt. Die Versammlung Im Tal Sichem WABT 479 4 Der Ort, an dem dieser feierliche Dienst stattfinden sollte, war schon durch seine Beziehung mit der Geschichte der Vorväter heilig. Hier hatte Abraham seinen ersten Altar im Land Kanaan errichtet. Abraham und Jakob hatten hier ihre Zelte aufgeschlagen. Jakob hatte das Feld gekauft, auf dem die Stämme später den Leichnam Josefs beerdigten. Hier war auch der Brunnen, den er ausheben ließ, und hier stand die Eiche, unter der er die Götzenbilder seiner Familie vergrub. WABT 480 1 Der ausgewählte Ort war einer der schönsten in ganz Palästina und des großartigen, eindrucksvollen Geschehens, das hier stattfinden sollte, durchaus würdig. Zwischen den kahlen Hügeln erstreckte sich ein einladendes, liebliches Tal: grüne Felder mit wild wachsenden Blumen, bewässert von Bächen aus gesunden Quellen, dazwischen einzelne Olivenhaine. Zu beiden Seiten des Tales erhoben sich die Berge Ebal und Garizim - so nahe beieinander, dass ihre unteren Ausläufer natürliche Kanzeln bildeten, sodass jedes Wort, das auf der einen gesprochen wurde, auch auf der anderen gehört werden konnte. Die zurückweichenden Berghänge boten Raum für eine riesige Versammlung. WABT 480 2 Nach den Anweisungen, die Mose gegeben hatte (vgl. 5. Mose 27,2-8), errichteten die Israeliten auf dem Berg Ebal ein Mahnmal aus großen Steinen. Es wurde mit einer Kalkschicht überzogen, auf die das Gesetz geschrieben wurde - nicht nur die Zehn Gebote, die am Sinai verkündet worden waren und auf den Steintafeln geschrieben standen, sondern auch die Gesetze, die Mose erhalten und in ein Buch geschrieben hatte. Neben diesem Mahnmal baute man einen Altar aus unbehauenen Steinen, auf dem man dem Herrn Opfer darbrachte. Dass der Altar auf dem Berg Ebal errichtet wurde, auf dem die Flüche verkündet werden sollten, war bedeutsam. Dies brachte zum Ausdruck, dass das Volk Israel wegen seiner Übertretungen des Gesetzes Gottes gerechterweise seinen Zorn auf sich geladen hatte und unmittelbar heimgesucht worden wäre, wenn nicht Christus, der durch den Opferaltar sinnbildlich dargestellt wurde, einst Sühne dafür leisten würde. WABT 480 3 Sechs Stämme - Nachkommen Leas und Rahels - stellten sich auf dem Berg Garizim auf, während die Nachkommen ihrer Mägde zusammen mit Ruben und Sebulon ihren Platz auf dem Ebal erhielten (vgl. 5. Mose 27,12.13). Die Priester standen mit der Bundeslade im Tal zwischen ihnen. Ein Posaunensignal gebot Schweigen, bevor Josua, der neben der heiligen Lade stand, in die tiefe Stille hinein vor dieser riesigen Versammlung den Segen verkündete, der dem Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz folgen würde. Alle Stämme auf dem Garizim antworteten mit einem Amen. Dann verlas er den Fluch, und die Stämme auf dem Ebal stimmten in gleicher Weise zu. Tausende und Abertausende Stimmen vereinigten sich in der feierlichen Antwort zu einer einzigen. Nun folgte die Verlesung des Gesetzes Gottes, zusammen mit den Geboten und Rechtsordnungen, die Mose ihnen übermittelt hatte. WABT 481 1 Am Sinai hatten die Israeliten das Gesetz unmittelbar aus Gottes Mund erhalten. Seine heiligen Gebote - geschrieben mit seiner eigenen Hand - wurden noch in der Bundeslade aufbewahrt. Nun waren sie erneut niedergeschrieben worden - dort, wo alle sie lesen konnten. Jeder konnte die Bedingungen des Bundes sehen, unter denen sie Kanaan besitzen sollten. Alle sollten ihre Annahme der Bedingungen des Bundes zum Ausdruck bringen und den Segnungen bei der Befolgung sowie den Flüchen bei der Vernachlässigung der Gebote zustimmen. Das Gesetz wurde nicht nur auf das Mahnmal geschrieben, sondern auch von Josua selbst vor den Ohren ganz Israels verlesen. Erst einige Wochen waren vergangen, seitdem Mose seine Abschiedsreden dem Volk in Form eines Buches (später das 5. Mosebuch oder Deuteronomium genannt, das bedeutet "zweites Gesetz") übergeben hatte. Nun las Josua das Gesetz nochmals vor. WABT 481 2 Nicht nur Israels Männer, sondern auch alle Frauen und Kinder hörten der Verkündigung zu, denn es war wichtig, dass auch sie ihre Pflichten kannten und taten. Gott hatte Israel bezüglich seiner Gebote durch Mose befohlen: "So nehmt nun diese Worte zu Herzen und in eure Seele und bindet sie zum Zeichen auf eure Hand und macht sie zum Merkzeichen zwischen euren Augen und lehrt sie eure Kinder ... auf dass ihr mit euren Kindern lange lebt in dem Land, das der Herr, wie er deinen Vätern geschworen hat, ihnen geben will, solange die Tage des Himmels über der Erde währen." (5. Mose 11,18.19.21) Die Wiederholte Verkündigung Des Gesetzes WABT 481 3 In jedem siebenten Jahr sollte den Israeliten das ganze Gesetz vorgelesen werden, wie Mose es angeordnet hatte: "Alle sieben Jahre, im Erlassjahr, sollt ihr dieses Gesetzbuch öffentlich verlesen. Tut es vor allen Israeliten, wenn sie am Laubhüttenfest zum Herrn, eurem Gott, an die Stätte kommen, die er auswählen wird. Ruft dann das ganze Volk zusammen, Männer, Frauen und Kinder und auch die Fremden, die bei euch leben. Sie sollen dieses ganze Gesetz hören, damit sie lernen, den Herrn, euren Gott, ernst zu nehmen und alle seine Weisungen in diesem Gesetzbuch genau zu befolgen. Auch eure Kinder, die dieses Gesetz noch nicht kennen, sollen es hören, damit sie lernen, den Herrn, euren Gott, ernst zu nehmen und ihm zu gehorchen. So soll es sein während der ganzen Zeit, die ihr in dem Land lebt, das ihr jetzt in Besitz nehmen werdet." (5. Mose 31,10-13 GNB) WABT 481 4 Satan ist ständig bemüht, Gottes Wort zu verdrehen, den Verstand der Menschen zu verdüstern und ihr Verständnis zu trüben, um sie zur Sünde zu verleiten. Deshalb macht der Herr seine Forderungen so eindeutig und klar, dass niemand in die Irre zu gehen braucht. Gott ist ständig bemüht, Menschen unter seinen Schutz zu ziehen, damit Satan nicht seine grausame, betrügerische Macht über sie ausüben kann. Gott ließ sich herab, um mit seiner eigenen Stimme zu den Israeliten zu reden und mit eigener Hand sein lebendiges Wort niederzuschreiben. Und alle diese gesegneten Worte, die von Leben erfüllt sind und vor Wahrheit leuchten, sind den Menschen als ein vollkommener Führer anvertraut. Weil Satan so eifrig darauf aus ist, den Verstand in Beschlag zu nehmen und das Gemüt von den Verheißungen und Forderungen des Herrn abzulenken, bedarf es umso größeren Fleißes, diese dem Herzen und dem Verstand einzuprägen. Unterweisung Der Kinder Und Jugendlichen WABT 482 1 Religionslehrer sollten der Belehrung der Kinder über die Tatsachen und Lehren der biblischen Geschichte sowie den Warnungen und Forderungen des Herrn größere Aufmerksamkeit schenken. Sie sollten in einfacher, den Kindern verständlicher Sprache dargeboten werden. Es sollte ein Teil der Aufgabe der Pastoren und der Eltern sein, die Jugendlichen in der Heiligen Schrift zu unterweisen. WABT 482 2 Eltern können und sollen das Interesse ihrer Kinder für das vielfältige Wissen wecken, das in der Bibel zu finden ist. Wenn sie aber ihre Söhne und Töchter für das Wort Gottes gewinnen wollen, müssen sie selbst daran interessiert sein. Sie müssen mit seinen Lehren vertraut sein und darüber sprechen, wie Gott es Israel geboten hat, "wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst" (5. Mose 6,7). Wer möchte, dass seine Kinder Gott lieben und ehren, muss ihnen von seiner Güte, Majestät und Macht erzählen, wie sie sich in seinem Wort und in den Werken der Schöpfung offenbaren. WABT 482 3 Jedes Kapitel und jeder Vers der Bibel ist eine Mitteilung Gottes an die Menschen. Wir sollen seine Gebote "zum Zeichen auf [die] Hand binden" und sie sollen uns "ein Merkzeichen zwischen [den] Augen sein" (5. Mose 6,8). Würde die Bibel studiert und befolgt werden, würde sie Gottes Volk so führen, wie seinerzeit die Israeliten durch die Wolkensäule bei Tag und die Feuersäule bei Nacht geführt worden sind. ------------------------Kapitel 47 - Das Bündnis Mit Den Gibeonitern WABT 483 0 Josua 9,1 bis 10,15. WABT 483 1 Von Sichem kehrten die Israeliten in ihr Lager bei Gilgal zurück. Dort erhielten sie bald Besuch von einer seltsamen Abordnung, die einen Vertrag mit ihnen schließen wollte. Die Botschafter gaben vor, aus einem fernen Land zu kommen, und ihr Aussehen schien das zu bestätigen: Ihre Kleidung war alt und abgetragen, die Sandalen waren geflickt, ihre Vorräte schimmlig und die Häute, die ihnen als Weinbehälter dienten, waren gerissen und wieder zusammengebunden, als ob sie auf dem Weg eilig ausgebessert worden wären. WABT 483 2 In ihrer weit entlegenen Heimat - angeblich jenseits der Grenzen Palästinas - hätten ihre Landsleute - so sagten sie - von den Wundertaten Jahwes für sein Volk gehört und sie hierher gesandt, um ein Bündnis mit Israel zu schließen. Die Israeliten waren von Gott ausdrücklich davor gewarnt worden, mit den Götzendienern Kanaans Bündnisse einzugehen. Den Anführern kamen bei den Worten der Fremden auch Zweifel an deren Ehrlichkeit: "Vielleicht wohnt ihr mitten unter uns", sagten sie. Darauf erwiderten die Gibe- oniter nur: "Wir sind deine Knechte." Aber als Josua sie direkt fragte: "Wer seid ihr und woher kommt ihr?" (Josua 9,7.8), wiederholten sie ihre frühere Aussage und fügten zum Beweis ihrer Aufrichtigkeit hinzu: "Und nun seht hier unser Brot: Es war noch warm, als wir von zu Hause aufbrachen; jetzt ist es hart geworden und zerbröckelt. Seht unsere Weinschläuche: Sie waren noch neu, als wir sie füllten, aber jetzt sind sie rissig. Und unsere Kleider und Schuhe sind zerschlissen von der langen Reise." (Josua 9,12.13 GNB) WABT 483 3 Diese Darstellung wirkte überzeugend. "Die Obersten befragten den Mund des Herrn nicht. Und Josua machte Frieden mit ihnen und schloss einen Bund mit ihnen, dass sie am Leben bleiben sollten. Und die Obersten der Gemeinde schworen es ihnen." (Josua 9,14.15) So kam der Vertrag zustande. Drei Tage später aber entdeckten die Obersten Israels die Wahrheit. So "kam es heraus, dass die Fremden in Wirklichkeit in nächster Nähe mitten im Gebiet Israels lebten" (Josua 9,16 GNB). Weil die Gibeoniter wussten, dass sie den Israeliten unmöglich widerstehen konnten, hatten sie zu dieser List gegriffen, um ihr Leben zu retten. Der Eid Wird Eingehalten WABT 484 1 Als die Israeliten erfuhren, dass man sie getäuscht hatte, war ihre Entrüstung groß. Und sie steigerte sich noch, als sie schon nach drei Tagen die Städte der Gibeoniter erreichten, die mitten im Land lagen. "Als aber die ganze Gemeinde gegen die Obersten murrte", weigerten sich diese, den Vertrag zu brechen, obwohl er durch Betrug zustande gekommen war, denn sie hatten "ihnen geschworen bei dem Herrn, dem Gott Israels" (Josua 9,18.19). "So verschonte Josua sie und erlaubte den Israeliten nicht, die Gibeoniter zu töten." (Jos 9,26 NLB) Die Gibeoniter hatten sich verpflichtet, all ihren Götzendienst aufzugeben und die Anbetung Jahwes anzunehmen. Insofern war die Verschonung ihres Lebens keine Verletzung des göttlichen Gebots, die götzendienerischen Kanaaniter auszurotten. Die Israeliten hatten mit ihrem Eid nichts Sündhaftes geschworen. Und obwohl der Eid durch Betrug erlangt worden war, durfte er nicht missachtet werden. Eine Verpflichtung, die jemand durch sein Wort eingegangen ist, sollte heilig gehalten werden - sofern sie ihn nicht dazu nötigt, Unrechtes zu tun. Kein Gedanke an Gewinn, Eigennutz oder Vergeltung kann die Unverletzlichkeit eines Eides oder Gelöbnisses berühren. "Lügenmäuler sind dem Herrn ein Gräuel" (Sprüche 12,22), heißt es in der Schrift. Und: "Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg? ... Wer seinen Eid hält, auch wenn es ihm schadet." (Psalm 15,1b.4b; vgl. Psalm 24,3.4b) WABT 484 2 Die Gibeoniter durften am Leben bleiben, aber sie mussten am Heiligtum als Leibeigene alle niedrigen Dienste verrichten. "So machte sie Josua an diesem Tag zu Holzhauern und Wasserschöpfern für die Gemeinde und den Altar des Herrn." (Josua 9,27) Diese Bedingungen nahmen sie dankbar an, wussten sie doch genau, dass sie im Unrecht waren und froh sein mussten, ihr Leben auf irgendeine Art gerettet zu haben. "Nun, wir sind in deiner Hand", sagten sie zu Josua, "mach mit uns, was du für richtig hältst." (Josua 9,25 GNB) Jahrhundertelang blieben ihre Nachkommen mit dem Dienst am Heiligtum verbunden. WABT 484 3 Das Gebiet der Gibeoniter umfasste vier Städte. Sie standen nicht unter der Herrschaft eines Königs, sondern wurden von Ältesten beziehungsweise Ratsherren regiert. Gibeon, die bedeutendste von ihnen, "war eine große Stadt wie eine der Königsstädte ... und alle seine Bürger [waren] streitbare Männer" (Josua 10,2). Dass sich die Bewohner einer solchen Stadt zur Rettung ihres Lebens eines derart demütigenden Mittels bedienten, ist ein eindrucksvoller Beweis für die großen Angst, die Israel unter den Kanaanitern ausgelöst hatte. Die Gibeoniter Hätten Anders Verschont Werden Können WABT 485 1 Aber den Gibeonitern wäre es besser ergangen, wenn sie zu den Israeliten ehrlich gewesen wären. Die Unterwerfung unter Jahwe rettete zwar ihr Leben, aber die Täuschung brachte ihnen Schande und Zwangsarbeit ein. Gott hatte Vorkehrung getroffen, dass alle, die sich vom Heidentum lossagen und Israel anschließen, auch an den Segnungen des Bundes teilhaben sollten. Sie fielen unter die Bezeichnung "Fremdlinge, die unter euch wohnen" (4. Mose 19,10). Mit wenigen Ausnahmen erfreuten sie sich derselben Gnaden erweise und Vorrechte wie die Israeliten. Die Anweisung des Herrn lautete: "Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Land, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst." (3. Mose 19,33.34) Was das Passafest und die Opfer betraf, war folgende Anweisung ergangen: "Für die ganze Gemeinde gelte nur eine Satzung, für euch wie auch für die Fremdlinge ... dass vor dem Herrn der Fremdling sei wie ihr." (4. Mose 15,15) WABT 485 2 Das war die Grundlage, auf der die Gibeoniter hätten aufgenommen werden können, wenn sie nicht zur Täuschung Zuflucht genommen hätten. Für die Bewohner einer "königlichen Stadt", deren Bürger alle "streitbare Männer" (Josua 10,2) waren, bedeutete es bestimmt keine geringe Demütigung, Generationen hindurch Holzhauer und Wasserschöpfer zu sein. Weil sie jedoch für den Betrug das Kleid der Armut angenommen hatten, haftete es ihnen nun als Zeichen dauernder Knechtschaft an. Auf diese Weise bezeugte der Sklavenstand in allen ihren Geschlechtern, wie Gott die Unwahrheit hasst. Die Israeliten Stehen Zu Den Gibeonitern WABT 485 3 Die Unterwerfung der Gibeoniter unter die Israeliten erfüllte die Könige Kanaans mit Entsetzen. Sie ergriffen sofort Vergeltungsmaßnahmen gegen jene, die mit den Eindringlingen Frieden geschlossen hatten. Unter der Führung von Adoni-Zedek, dem König von Jerusalem, schlossen fünf kanaaniti- sche Könige ein Bündnis gegen Gibeon. Ihr Vordringen geschah schnell. Die Gibeoniter waren nicht auf eine Verteidigung vorbereitet und sandten eine Botschaft an Josua nach Gilgal: "Zieh deine Hand nicht ab von deinen Knechten; komm eilends zu uns herauf, rette und hilf uns! Denn es haben sich gegen uns versammelt alle Könige der Amoriter, die auf dem Gebirge wohnen." (Josua 10,6) Die Gefahr drohte nicht allein den Gibeonitern, sondern auch den Israeliten. Die Stadt Gibeon, die die Pässe nach Mittel- und Südpalästina beherrschte, musste gehalten werden, wenn sie das Land erobern wollten. WABT 486 1 Josua bereitete sogleich die Unterstützung für die Gibeoniter vor. Die Einwohner der belagerten Stadt hatten befürchtet, er würde ihre Bitte wegen ihres vorherigen Betruges abschlagen. Aber weil sie sich der Herrschaft Israels unterworfen und die Anbetung Jahwes angenommen hatten, fühlte er sich verpflichtet, sie zu schützen. Diesmal handelte er nicht, ohne Gottes Rat einzuholen, und der Herr ermutigte ihn zu dem Unternehmen. "Fürchte dich nicht vor ihnen", sagte er, "denn ich habe sie in deine Hände gegeben. Niemand unter ihnen wird vor dir bestehen können." "Da zog Josua hinauf von Gilgal und das ganze Kriegsvolk mit ihm und alle streitbaren Männer." (Josua 10,8.7) WABT 486 2 Durch einen nächtlichen Marsch brachte er seine Truppen bis zum anderen Morgen vor Gibeon. Kaum hatten die verbündeten Fürsten ihre Heere um die Stadt aufgestellt, "kam Josua plötzlich über sie" (Josua 10,9b). Der Angriff führte zur völligen Verwirrung der Gegner. Die ungeheure Menge floh vor Josuas Männern über den Bergpass nach Bet-Horon. Nachdem sie die Anhöhe erklommen hatten, stürmten sie auf der anderen Seite den steilen Hang hinunter. Dort brach ein furchtbarer Hagelsturm über sie herein: "Als sie vor Israel flohen ... ließ der Herr große Steine vom Himmel auf sie fallen ... Von ihnen starben viel mehr durch die Hagelsteine, als die Israeliten mit dem Schwert töteten." (Josua 10,11) Die Sonne Steht Still WABT 486 3 Während die Amoriter ihre überstürzte Flucht fortsetzten, um in den Bergfestungen Zuflucht zu suchen, sah Josua vom Bergkamm aus, dass der Tag zu kurz sein würde, um das Werk zu vollenden. Wenn die Feinde nicht vollkommen vernichtet würden, könnten sie sich wieder sammeln und den Kampf von neuem beginnen. Josua betete "zum Herrn und rief vor ganz Israel: ›Sonne, steh still über Gibeon, du, Mond, überm Tal von Ajalon!‹ Und die Sonne stand still, auch der Mond blieb stehen; Israels Feinde mussten untergehen . Fast einen Tag lang blieb die Sonne hoch am Himmel stehen und bewegte sich nicht von der Stelle." (Josua 10,12.13 GNB) WABT 487 1 Ehe der Abend hereinbrach, hatte sich Gottes Verheißung erfüllt. Das ganze feindliche Heer war in Josuas Hand gegeben worden. Lange sollten die Ereignisse dieses Tages Israel in Erinnerung bleiben. "Es war kein Tag diesem gleich, weder vorher noch danach, dass der Herr so auf die Stimme eines Menschen hörte; denn der Herr stritt für Israel", lautete der Bericht (Josua 10,14). "Sonne und Mond verstecken sich, sie ziehen sich in ihr Haus zurück, weil deine leuchtenden Pfeile schwirren und dein blitzender Speer die Nacht erhellt. Du schreitest über die Erde, in deinem Zorn trittst du die Völker nieder." (Habakuk 3,10-12 GNB) WABT 487 2 Der Geist Gottes hatte Josua zum Gebet angeregt, damit sich die Macht des Gottes Israels abermals beweisen konnte. Deshalb war die Bitte auch keine Anmaßung seitens des großartigen Anführers. Josua hatte die Verheißung erhalten, dass Gott diese Feinde Israels ganz sicher besiegen werde, doch er setzte so große Anstrengungen ein, als hinge der Erfolg allein vom Heer Israels ab. Jo- sua tat alles, was menschliche Kraft vermochte. Dann rief er im Glauben nach göttlicher Hilfe. Das Geheimnis des Erfolgs liegt in der Vereinigung göttlicher Kraft mit menschlicher Anstrengung. Die größten Erfolge erringen diejenigen, die sich bedingungslos auf den mächtigen Arm Gottes verlassen. Der Mann, der gebot: "Sonne, steh still über Gibeon, du, Mond, überm Tal von Ajalon!", ist derselbe, der im Lager von Gilgal stundenlang im Gebet ausgestreckt auf dem Boden lag. Menschen des Gebets sind Menschen mit Macht. Gott Benutzt Naturgewalten Für Gerichte WABT 487 3 Dieses gewaltige Wunder bezeugt, dass der Schöpfer seine Schöpfung jederzeit unter seiner Kontrolle hält. Satan bemüht sich, das göttliche Wirken in der körperlichen Welt vor den Menschen zu verbergen und das unermüdliche Wirken des Urhebers ihrer Sicht zu entziehen. Dieses Wunder weist all jene zurecht, die die Natur über den Gott der Natur stellen. WABT 487 4 Gemäß seinem eigenen Willen ruft Gott die Naturkräfte auf, die Macht seiner Feinde zu besiegen - durch "Feuer, Hagel, Schnee und Nebel, Sturmwinde, die sein Wort ausrichten" (Psalm 148,8). Als die heidnischen Amoriter entschieden, sich seinen Absichten zu widersetzen, griff er ein und schleuderte "große Steine vom Himmel" auf die Feinde Israels (Josua 10,11a). WABT 487 5 Die Bibel verweist uns auf eine noch größere Schlacht, die am Ende der Weltgeschichte stattfinden wird: "Der Herr hat sein Zeughaus aufgetan und die Waffen seines Zorns hervorgeholt." (Jeremia 50,25) "Bist du gewesen, wo der Schnee herkommt", fragte er Hiob, "oder hast du gesehen, wo der Hagel herkommt, die ich verwahrt habe für die Zeit der Trübsal und für den Tag des Streites und Krieges?" (Hiob 38,22.23) WABT 488 1 Der Verfasser der Offenbarung schildert die Zerstörung, die stattfinden soll, wenn "eine große Stimme aus dem Tempel vom Thron" ausgehen wird, die spricht: "Es ist geschehen!" (Offenbarung 16,17). Er berichtet von seiner Vision: "Ein großer Hagel wie Zentnergewichte fiel vom Himmel auf die Menschen." (Offenbarung 16,21) ------------------------Kapitel 48 - Die Aufteilung Kanaans WABT 489 0 Josua 10,36 bis 11,23; 13,1-14; 14,6-15; 17,11-18; 19,49 bis 21,8 und 22,1-34 sowie 4. Mose 35. WABT 489 1 Dem Sieg bei Bet-Horon folgte bald die Eroberung Südkanaans. "So schlug Josua das ganze Land auf dem Gebirge und im Süden und im Hügelland und an den Abhängen ... und unterwarf alle diese Könige mit ihrem Land auf einmal; denn der Herr, der Gott Israels, stritt für Israel. Und Josua kehrte ins Lager nach Gilgal zurück mit ganz Israel." (Josua 10,40.42.43) Die Stämme Nordpalästinas wurden durch den Erfolg des israelitischen Heeres in Angst versetzt und verbündeten sich gegen Israel. An der Spitze dieses Bundes stand Jabin, der König von Hazor, einer Landschaft westlich des Meromsees. "Sie alle kamen mit ihren Kriegsleuten." Dieses Heer war viel größer als alle anderen, auf die Israel in Kanaan bis dahin gestoßen war - "die so unzählbar waren wie die Sandkörner am Meeresstrand. Auch viele Streitwagen mit Pferden brachten sie mit. Sie vereinigten ihre Truppen gegen Israel und schlugen bei den Quellen von Merom ihr gemeinsames Lager auf." (Josua 11,4.5 GNB) Nochmals erhielt Josua eine Botschaft der Ermutigung von Gott: "Fürchte dich nicht vor ihnen! Denn morgen um diese Zeit will ich sie alle vor Israel dahingeben und sie erschlagen; ihre Rosse sollst du lähmen und ihre Wagen mit Feuer verbrennen." (Josua 11,6) Die Vernichtung Der Bewohner Des Nordens WABT 489 2 In der Nähe des Meromsees überfiel Josua das Lager der Verbündeten und fügte ihnen eine vernichtende Niederlage zu. "Der Herr gab sie in die Hände Israels, und sie schlugen sie und jagten ihnen nach ... bis niemand mehr unter ihnen übrig blieb." (Josua 11,8) Die Streitwagen und Pferde, die der Stolz der Kanaaniter gewesen waren, sollten sich die Israeliten jedoch nicht aneignen. Auf Gottes Befehl wurden die Wagen verbrannt und die Pferde gelähmt und dadurch kampfunfähig gemacht. Nicht auf Streitwagen oder Pferde sollten sich die Israeliten verlassen, sondern auf den Herrn, ihren Gott (vgl. 5. Mose 20,1). WABT 490 1 Eine Stadt nach der andern wurde eingenommen und Hazor, das Bollwerk der Verbündeten, verbrannt. Die Kämpfe zogen sich noch einige Jahre hin, aber am Ende war Josua der Herr über Kanaan, "und das Land war zur Ruhe gekommen vom Krieg" (Josua 11,23). WABT 490 2 Obwohl die Macht der Kanaaniter gebrochen worden war, hatte man ihnen nicht allen Besitz entrissen. Im Westen hielten die Philister entlang der Meeresküste noch eine fruchtbare Ebene; im Norden lag das Gebiet der Sido- nier, die auch den Libanon besaßen; und im Süden, Richtung Ägypten, war das Land ebenfalls noch von Israels Feinden besetzt. WABT 490 3 Dennoch sollte Josua den Kampf nicht fortsetzen. Ehe er die Befehlsgewalt über das Volk Israel niederlegte, gab es für ihn noch eine andere Aufgabe zu erfüllen. Das ganze Land, sowohl die bereits eroberten als auch die noch nicht unterworfenen Gebiete, sollte unter Israels Stämmen aufgeteilt werden. Und es war dann die Pflicht eines jeden Stammes, das ihm als Erbe zugewiesene Gebiet selbst noch völlig zu unterwerfen. Vertrauten sie Gott, würde er ihre Feinde vor ihnen vertreiben. Er verhieß ihnen noch größere Besitztümer, wenn sie seinen Bund treu hielten. Die Landzuweisung An Die Stämme Israels WABT 490 4 Die Aufteilung des Landes war Josua zusammen mit dem Hohenpriester Eleasar und den Stammesoberhäuptern anvertraut worden. Jedem Stamm wurde sein Gebiet durch das Los zugewiesen. Mose selbst hatte die Außengrenzen des Landes, das unter die Stämme aufgeteilt werden sollte, festgelegt, sobald sie im Besitz Kanaans wären. Auch hatte er aus jedem Stamm einen Fürsten zur Überwachung der Verteilung bestimmt (vgl. 4. Mose 34). Der Stamm Levi, der für den Dienst am Heiligtum ausersehen war, wurde in diese Landverteilung nicht mit einbezogen; 48 Städte aber in verschiedenen Stammesgebieten des gesamten Landes wurden den Leviten als Erbteil zugewiesen (vgl. Josua 21). Kalebs Anspruch Auf Ein Besonderes Erbteil WABT 490 5 Bevor man mit der Verteilung des Landes begann, meldete Kaleb, begleitet von den Obersten seines Stammes, einen besonderen Anspruch an. Neben Josua war er jetzt der älteste Mann in Israel. Die beiden waren die einzigen Kundschafter gewesen, die positiv über das Land der Verheißung berichtet und das Volk ermutigt hatten, hinaufzuziehen und es im Namen des Herrn einzunehmen (vgl. 4. Mose 14,6-9). Nun erinnerte Kaleb Josua daran, was ihm Mose damals als Lohn für seine Treue verheißen hatte: "Das Land, das dein Fuß betreten hat, soll dein und deiner Nachkommen Erbteil sein für immer, weil du dem Herrn, meinem Gott, treulich gefolgt bist." (Jo- sua 14,9) Deshalb äußerte er die Bitte, ihm Hebron als Besitz zu geben. Dort war jahrelang Abrahams, Isaaks und Jakobs Wohnort gewesen. Dort, in der Höhle von Machpela, lagen sie auch begraben. In Hebron wohnten die gefürchteten Enakiter, deren furchterregende Erscheinung den Kundschaftern einen solchen Schrecken eingejagt hatte, dass ihretwegen ganz Israel der Mut vergangen war. Gerade diesen Ort erwählte sich Kaleb im Vertrauen auf die Kraft Gottes zum Erbteil. WABT 491 1 "Der Herr hat mich bis jetzt am Leben erhalten, wie er es versprochen hat", sagte er. "Vor 45 Jahren gab er Mose während der Wüstenwanderung Israels diese Zusage für mich. Heute bin ich 85 Jahre alt. Ich bin immer noch so stark wie damals, als Mose mich auf Kundschaft schickte, und ich bin heute noch rüstig und genauso gut im Kampf wie damals. Deshalb bitte ich dich, mir das Bergland zu geben, das der Herr mir an diesem Tag versprochen hat. Du wirst dich erinnern: Damals kundschafteten wir aus, dass dort die Ana- kiter [Enakiter] in großen, befestigten Städten leben. Doch wenn der Herr mit mir ist, werde ich sie aus dem Land vertreiben, wie der Herr gesagt hat." (Josua 14,10-12 NLB) Die Obersten des Stammes Juda unterstützten diese Bitte. Da Kaleb selbst zum Vertreter dieses Stammes für die Verteilung des Landes berufen war, hatte er beschlossen, seine Forderung gemeinsam mit diesen Männern vorzutragen. Es sollte nicht so aussehen, als habe er seine Autorität zu seinem eigenen Vorteil genutzt. WABT 491 2 Sein Anspruch wurde sofort gewährt. Die Eroberung der Festung der Riesen konnte keinem Zuverlässigeren anvertraut werden. "Da segnete ihn Josua und gab Kaleb, dem Sohn Jefunnes, Hebron zum Erbteil ... weil er dem Herrn, dem Gott Israels, treulich gefolgt war." (Josua 14,13.14) Kalebs Glaube war noch ebenso stark wie damals, als er dem ungünstigen Bericht der anderen Kundschafter widersprach. Er hatte auf Gottes Zusage vertraut, dass er sein Volk in den Besitz Kanaans bringen werde, und ihm rückhaltlos gehorcht. Mit seinem Volk hatte er die lange Wüstenwanderung ertragen und die Enttäuschungen und Beschwernisse der Schuldiggewordenen geteilt. Doch er klagte niemals darüber, sondern rühmte Gottes Gnade, die ihn in der Wüste bewahrt hatte, als seine Brüder hinweggerafft wurden. In allen Mühsalen, Gefahren und Plagen der Wüstenwanderung und während der Kriegsjahre seit dem Einzug in Kanaan hatte der Herr ihn behütet. Und noch jetzt, mit über 80 Jahren, war seine Lebenskraft ungemindert. Er erbat sich kein Land, das bereits erobert war, sondern den Ort, den die Kundschafter vor allen anderen für uneinnehmbar gehalten hatten. Mit Gottes Hilfe wollte er den Riesen, deren Stärke einst Israels Glauben ins Wanken gebracht hatte, die Festung entreißen. Es ging Kaleb bei diesem Wunsch nicht um Ehre oder Selbstverherrlichung. Dem tapferen alten Kriegsmann lag daran, dem Volk ein Beispiel zu setzen, das Gott ehrt und die Stämme ermutigt, das Land, das ihre Väter für uneinnehmbar gehalten hatten, vollständig zu erobern. WABT 492 1 Kaleb erhielt endlich das Erbteil, nach dem er sich über 40 Jahre lang gesehnt hatte. Im Vertrauen auf Gott "vertrieb [er] von dort die drei Söhne En- aks" (Josua 15,14). Sein Eifer erlahmte auch nicht, nachdem er für sich und seine Familie Besitz erworben hatte. Er ließ sich nicht einfach nieder, um nun das Erbe zu genießen, sondern drängte auf weitere Eroberungen zum Besten des Volkes und zur Ehre Gottes. WABT 492 2 Die Feiglinge und Aufrührer waren in der Wüste umgekommen, aber die beiden gerechten Kundschafter aßen von den Trauben am Bach Eschkol. Jedem wurde entsprechend seinem Glauben gegeben. Die Ungläubigen hatten ihre Befürchtungen bestätigt gesehen. Trotz Gottes Verheißungen hatten sie behauptet, es sei unmöglich, Kanaan einzunehmen - und sie nahmen es auch nicht in Besitz. Aber jene, die Gott vertrauten und nicht so sehr auf die Schwierigkeiten sahen, die sich ihnen in den Weg stellen würden, sondern vielmehr auf die Hilfe und Stärke des Allmächtigen bauten, betraten das verheißene Land. Jene ehrenwerten Männer "haben durch den Glauben Königreiche bezwungen ... sind der Schärfe des Schwerts entronnen, aus der Schwachheit zu Kräften gekommen, sind stark geworden im Kampf und haben fremde Heere in die Flucht geschlagen" (Hebräer 11,33.34). "Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube." (1. Johannes 5,4 Elb.) Unzufriedenheit Bei Den Nachkommen Josefs WABT 492 3 Einen ganz anderen Geist als Kaleb bei der Verteilung des Landes verriet die Forderung der Nachkommen Josefs, des Stammes Ephraim zusammen mit dem halben Stamm Manasse. In Anbetracht ihrer großen Anzahl verlangten sie einen doppelten Gebietsanteil. Ihnen war der reichste Teil des Landes zugesprochen worden, einschließlich der fruchtbaren Ebene Scharon. Viele wichtige Städte im Tal waren allerdings noch im Besitz der Kanaaniter. Die Stämme schreckten vor der Mühe und Gefahr zurück, ihren Anteil noch zu erobern. Stattdessen forderten sie zusätzlich bereits unterworfenes Gebiet. Der Stamm Ephraim war einer der größten in Israel und dazu noch der, dem Josua selbst angehörte. Seine Mitglieder fühlten sich deshalb zu besonderen Ansprüchen berechtigt. "Warum hast du uns nur einen einzigen Teil des Landes als Erbteil gegeben, obwohl der Herr uns doch gesegnet und zu einem so großen Volk gemacht hat?", fragten sie ihn (Josua 17,14 NLB). WABT 493 1 Aber Josua blieb unnachgiebig und wich nicht von der strengen Gerechtigkeit ab. Er antwortete: "Wenn ihr ein so großes Volk seid und euch das Bergland von Ephraim zu klein ist, dann geht in den Wald auf dem Gebiet der Pe- risiter und Refaiter und macht dort Land für euch urbar." (Josua 17,15 NLB) WABT 493 2 Die Antwort zeigte den wahren Grund ihrer Beschwerde: Es fehlte ihnen an Glauben und Mut, die Kanaaniter zu vertreiben. "Das Bergland reicht uns nicht aus", sagten sie, "und die Kanaaniter im Flachland rund um Bet-Schean mit seinen Tochterstädten und im Tal Jesreel haben eiserne Streitwagen." (Josua 17,16 NLB) WABT 493 3 Gott hatte Israel seine Hilfe versprochen, und hätten die Ephraimiter Kalebs Glaubensmut besessen, hätte ihnen kein Feind widerstehen können. Ihrem offensichtlichen Wunsch, Mühen und Gefahren aus dem Weg zu gehen, begegnete Josua mit Festigkeit. "Weil ihr ein so großes und starkes Volk seid", sagte er. "Ihr werdet aber auch die Gebirgsausläufer besitzen, denn ihr werdet die Kanaaniter vertreiben, obwohl sie stark sind und eiserne Streitwagen haben." (Josua 17,17.18 NLB) So führte er ihre eigenen Argumente gegen sie an. Wären sie ein großes Volk, wie sie behaupteten, dann wären sie auch durchaus in der Lage, sich ebenso wie ihre Brüder durchzusetzen. Mit Gottes Hilfe brauchten sie die eisernen Streitwagen nicht zu fürchten. Das Heiligtum Kommt In Die Mitte Des Landes WABT 493 4 Bis dahin war Israels Hauptquartier in Gilgal gewesen. Dort stand auch das heilige Zelt. Nun sollte es an einen ständigen Aufenthaltsort gebracht werden, nach Silo, einer kleinen Stadt im Gebiet Ephraims. Sie lag etwa in der Mitte des Landes und war von allen Stämmen leicht zu erreichen. Dieses Gebiet war bereits völlig unterworfen, sodass die Anbeter Gottes nicht belästigt werden konnten. "Als das Land erobert war, versammelten sich alle Israeliten in Silo und errichteten dort das heilige Zelt." (Josua 18,1 Hfa) Die Stämme, die noch in Gilgal lagerten, folgten dem heiligen Zelt nach Silo und schlugen dort ihre eigenen Zelte auf. Hier lebten sie, bis sie sich auf ihre Besitzungen verteilten. WABT 494 1 Rund 300 Jahre blieb die Bundeslade in Silo, bis sie wegen der Sünden des Hauses Eli in die Hände der Philister fiel und Silo zerstört wurde (vgl. 1. Samuel 4,1-11). Sie kam nie wieder dorthin zurück. Der Heiligtumsdienst wurde schließlich in den neuerbauten Tempel in Jerusalem verlegt; Silo wurde damit bedeutungslos. Heute kennzeichnen nur noch Ruinen den Platz, wo es einst lag. Viel später wurde sein Schicksal Jerusalem zur Warnung vorgehalten. "Geht doch einmal hinunter nach Silo, dorthin, wo früher mein Heiligtum stand", sprach der Herr durch den Propheten Jeremia, "seht doch, was wegen der bösen Taten meines Volkes Israel mit ihm geschehen ist! Deshalb werde ich diesen Tempel, in dem ihr euch in Sicherheit wähnt, diesen Ort, den ich euch und euren Vorfahren gab, genauso zerstören, wie ich es mit meinem Heiligtum in Silo getan habe." (Jeremia 7,12.14 NLB) Josua Erhält Als Letzter Sein Erbteil WABT 494 2 "Als sie das ganze Land ausgeteilt" und alle Stämme ihr Erbteil erhalten hatten, stellte auch Josua seine Forderung. Wie Kaleb hatte er ebenfalls eine besondere Verheißung bezüglich seines Erbes erhalten. Doch er bat nicht um eine große Provinz, sondern um eine einzige Stadt. Und sie "gaben ihm ... die Stadt, die er forderte ... Dann baute er die Stadt auf und wohnte darin." (Josua 19,49.50) Man nannte sie Timnat-Serach, "der Teil, der übrig bleibt", als ein dauerndes Zeugnis für den edlen Charakter und die Selbstlosigkeit des Eroberers. Statt sich die Kriegsbeute als Erster anzueignen, stellte er seine Ansprüche zurück, bis selbst der Geringste aus seinem Volk versorgt war. Die Einrichtung Der Freistädte WABT 494 3 Sechs der Städte, die den Leviten zugewiesen worden waren - auf jeder Seite des Jordan drei - wurden zu Freistädten bestimmt. Dorthin konnte ein Totschläger zu seiner Sicherheit fliehen. Schon Mose hatte bestimmt: Ihr sollt "Städte auswählen, die euch als Freistädte dienen sollen. Wer aus Versehen einen Menschen getötet hat, kann dorthin fliehen. . Ein Mörder darf nur hingerichtet werden, wenn die Gemeinschaft ihn dazu verurteilt hat." (4. Mose 35,11.12 NLB) Diese barmherzige Einrichtung war wegen der Blutrache nötig, einer alten Sitte, bei der die Bestrafung des Mörders dem nächsten Verwandten oder Erben des Getöteten zufiel. War die Schuld klar erwiesen, brauchte man nicht auf die Gerichtsverhandlung durch die Obrigkeit zu warten. Der Rächer konnte den Schuldigen überallhin verfolgen und töten, wo er ihn fand (vgl. 4. Mose 35,19). Der Herr hielt es nicht für angebracht, diesen Brauch damals abzuschaffen, aber er traf eine Sicherheitsmaßnahme für diejenigen, die ohne Absicht getötet hatten. WABT 495 1 Die Freistädte waren so verteilt, dass sie aus jeder Gegend des Landes in einem halben Tag zu erreichen waren. Die dahin führenden Straßen sollten immer in gutem Zustand sein (vgl. 5. Mose 19,3). Überall sollten Wegweiser stehen, die in deutlicher, auffallender Schrift das Wort "Zuflucht" trugen, damit der Flüchtige keinen Augenblick aufgehalten wurde. Jeder - ob Israelit, ein ansässiger oder ein durchreisender Fremdling - konnte sich diese Einrichtung zunutze machen. WABT 495 2 Auch wenn dadurch die Unschuldigen nicht übereilt getötet wurden, sollten die schuldigen Täter ihrer Strafe nicht entgehen. Die zuständige Obrigkeit sollte den Fall des Flüchtlings unparteiisch prüfen, und nur wenn er vom vorsätzlichen Mord freigesprochen wurde, sollte er den Schutz der Freistadt genießen. Ein Schuldiger wurde dem Rächer ausgeliefert. Und wer berechtigt war, den Schutz zu beanspruchen, konnte ihn nur unter der Bedingung erhalten, dass er im zugewiesenen Zufluchtsort blieb. Bewegte er sich außerhalb der vorgeschriebenen Grenzen und der Bluträcher fand ihn, bezahlte er die Missachtung der göttlichen Vorkehrung mit dem Leben (vgl. 4. Mose 35,2528). Beim Tod des Hohenpriesters aber konnten alle ehemals Schutzsuchenden in Freiheit zu ihrem Besitz zurückkehren. WABT 495 3 Bei einer Anklage wegen Mordes durfte der Beschuldigte nicht auf die Aussage eines einzigen Zeugen hin verurteilt werden, selbst dann nicht, wenn die Umstände als starke Indizien gegen ihn sprachen. Der Herr befahl: "Wer einen Menschen erschlägt, den soll man töten auf den Mund von Zeugen hin. Ein einzelner Zeuge aber soll keine Aussage machen, um einen Menschen zum Tode zu bringen." (4. Mose 35,30; vgl. 5. Mose 19,15) Christus hatte Mose diese Anweisungen für Israel gegeben, und als er selbst auf Erden weilte, lehrte er seine Jünger, wie man mit Irrenden umgeht. Er wiederholte ihnen gegenüber, dass eines einzigen Menschen Zeugnis nicht zum Freispruch oder zur Verurteilung genügen soll. Die Ansicht und Meinung eines einzelnen Menschen soll keine strittigen Punkte entscheiden. In all solchen Angelegenheiten sollen sich zwei oder mehrere zusammentun und gemeinsam die Verantwortung tragen, "sodass alles, was du sagst, von zwei oder drei Zeugen bestätigt werden kann" (Matthäus 18,16 NLB). WABT 495 4 Wurde der Angeklagte des Mordes für schuldig befunden, rettete ihn weder Sühne noch Lösegeld. "Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden." (1. Mose 9,6) "Ihr sollt kein Sühnegeld nehmen für das Leben des Mörders; denn er ist des Todes schuldig und soll des Todes sterben." (4. Mose 35,31) "Selbst wenn er an meinem Altar Schutz sucht, sollt ihr ihn von dort wegholen und töten", lautete Gottes Befehl (2. Mose 21,14b Hfa), denn "das Land kann nicht entsühnt werden vom Blut, das darin vergossen wird, außer durch das Blut dessen, der es vergossen hat" (4. Mose 35,33). Die Sicherheit und Reinheit der Nation verlangten, dass bei Mord hart durchgegriffen wurde. Menschliches Leben, das allein Gott verleihen kann, musste mit aller Sorgfalt geschützt werden. WABT 496 1 Die Freistädte, die Gott für sein Volk im Altertum bestimmte, symbolisierten die Zuflucht, die Christus bietet. Derselbe barmherzige Retter, der jene irdischen Freistädte einrichten ließ, schuf durch das Opfer seines eigenen Lebens den Übertretern des göttlichen Gesetzes eine sichere Zuflucht, die sie vor dem zweiten Tod bewahren soll. 26 Keine Macht der Welt kann die Menschen, die ihn um Vergebung bitten, aus seiner Hand reißen. "So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind", versicherte Paulus (Römer 8,1) und fragte: "Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt" (Römer 8,34), damit wir "einen starken Trost hätten, die wir unsere Zuflucht dazu genommen haben, die vorhandene Hoffnung zu ergreifen." (Hebräer 6,18 Elb.) WABT 496 2 Wer in die Freistadt flüchtete, durfte nicht lange zögern. Es galt, Familie und Beschäftigung zu verlassen. Er hatte keine Zeit, seinen Lieben Lebewohl zu sagen. Sein Leben stand auf dem Spiel. Da musste alles andere hinter diesem einen Ziel zurückstehen - die Stadt zu erreichen, wo er sicher war. Vergessen war die Müdigkeit, Schwierigkeiten blieben unbeachtet. Der Flüchtling durfte nicht wagen, seinen Schritt auch nur einen Augenblick zu verlangsamen, bevor er innerhalb der rettenden Stadtmauern war. WABT 496 3 So ist auch der Sünder dem ewigen Tod preisgegeben, bis er Zuflucht in Christus findet. Und so wie Zögern und Sorglosigkeit den Flüchtenden um seine einzige Überlebenschance bringen konnten, können Verzögerungen und Gleichgültigkeit das Verderben des Menschen bedeuten. Satan, der große Widersacher, ist jedem Übertreter des heiligen Gesetzes auf der Spur. Wer sich seiner Gefahr nicht bewusst wird und nicht ernsthaft in der ewigen Zuflucht Schutz sucht, fällt dem Verderber zum Opfer. WABT 496 4 Jeder Flüchtling, der die Freistadt irgendwann verließ, war dem Bluträcher ausgeliefert. Auf diese Weise wurden die Menschen gelehrt, sich an die Anordnungen zu halten, die die unendliche Weisheit zu ihrer Sicherheit vorgesehen hatte. Ebenso genügt es nicht, wenn der Sünder an die Vergebung in Christus glaubt; er muss durch Glauben und Gehorsam in Christus bleiben. "Denn wenn wir mutwillig sündigen27, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, bleibt kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig, sondern ein furchtbares Erwarten des Gerichts und der Eifer eines Feuers, das die Widersacher verzehren wird." (Hebräer 10,26.27 Elb.) Ein Umstrittener Altar Jenseits Des Jordan WABT 497 1 Zwei Stämme Israels - Gad und Ruben - hatten zusammen mit der Hälfte des Stammes Manasse ihr Erbteil bereits erhalten, ehe sie den Jordan überschritten (vgl. 4. Mose 32). Für ein Hirtenvolk waren die weiten Hochebenen und reichen Wälder von Gilead und Baschan mit dem ausgedehnten Weideland für die Herden ein Anreiz, den nicht einmal Kanaan selbst zu bieten hatte. Die zweieinhalb Stämme wollten sich darum dort niederlassen und hatten ihr Wort gegeben, ihren Anteil an bewaffneten Männern zu stellen und die anderen Stämme über den Jordan zu begleiten (vgl. 4. Mose 32,1619). Gemeinsam wollten sie mit ihnen kämpfen, bis auch die anderen ihr Erbteil in Besitz genommen hatten. Sie erfüllten diese Verpflichtung gewissenhaft. Als die zehn Stämme in Kanaan einzogen, führten "die bewaffneten Krieger der Stämme Ruben und Gad und des halben Stammes Manasse ... den Zug der Israeliten über den Jordan an ... etwa 40.000 zogen in der Gegenwart des Herrn durch den Fluss in Richtung der Ebene von Jericho zum Kampf." (Josua 4,12.13 NLB) Sie kämpften jahrelang tapfer an der Seite ihrer Brüder. Nun war die Zeit für sie gekommen, in das ihnen zugeteilte Land heimzukehren. Und wie sie gemeinsam gekämpft hatten, hatten sie auch die Beute mit ihren Brüdern geteilt: Sie kehrten nun zurück "mit großem Gut ... mit sehr viel Vieh, Silber, Gold, Kupfer, Eisen und Kleidern" (Josua 22,8). Davon sollten sie denen abgeben, die bei den Familien und Herden geblieben waren. WABT 497 2 Sie wohnten nun ziemlich weit vom Heiligtum des Herrn entfernt. Deshalb betrachtete Josua ihre Abreise mit Sorge, denn er wusste, wie stark bei ihrem abgesonderten Wanderleben die Versuchungen sein würden, in die Gewohnheiten der heidnischen Stämme zu verfallen, die an den Grenzen ihres Landes lebten. WABT 497 3 Während Josua und mit ihm einige andere Oberhäupter bange Ahnungen bedrückten, erreichte sie auch schon eine seltsame Nachricht. Nahe der Stelle, wo Israel das Wunder des Durchzugs durch den Jordan erlebt hatte, hatten die zweieinhalb Stämme einen großen Altar errichtet, ähnlich dem Brandopferaltar in Silo. Gottes Gesetz verbot aber bei Todesstrafe jeden anderen Opfergottesdienst als den am Heiligtum (vgl. 3. Mose 17,8.9). Falls das der Zweck dieses Altars war und man ihnen erlauben würde, ihn stehen zu lassen, würde er das Volk vom wahren Glauben abbringen. WABT 498 1 Die Vertreter des Volkes kamen in Silo zusammen. In der Hitze ihrer Aufregung und Entrüstung schlugen sie vor, sogleich gegen die Schuldigen Krieg zu führen. Aber unter dem Einfluss der Besonneneren beschloss man, erst eine Abordnung hinzuschicken und von den zweieinhalb Stämmen eine Erklärung für ihr Verhalten zu verlangen. Dazu wählte man zehn Fürsten, aus jedem Stamm einen. An ihrer Spitze stand Pinhas, der sich schon in der Sache mit Peor durch seinen Eifer ausgezeichnet hatte. WABT 498 2 Es war ein Fehler der zweieinhalb Stämme, ohne jede Erklärung etwas getan zu haben, was einen so schweren Verdacht hervorrufen musste. Da die Abgesandten davon ausgingen, dass ihre Brüder Schuld auf sich geladen hatten, machten sie ihnen sofort heftige Vorwürfe. Sie bezichtigten sie der Rebellion gegen den Herrn und erinnerten sie an das Gericht, mit dem die Israeliten heimgesucht worden waren, als sie sich mit dem Baal von Peor eingelassen hatten. Im Namen von ganz Israel bot Pinhas den Nachkommen von Gad und Ruben Folgendes an: Wenn sie nicht ohne einen Opferaltar in diesem Landesteil wohnen wollten, wäre man bereit, den Landbesitz und die Vorrechte auf der anderen Seite des Jordan mit ihnen zu teilen. Die Befurchtungen Werden Zerstreut WABT 498 3 Die Beschuldigten gaben als Erklärung zur Antwort, ihr Altar sei nicht als Opferstätte gedacht, sondern einfach als Zeugnis dafür, dass sie denselben Glauben hätten wie ihre Brüder in Kanaan, auch wenn sie durch den Fluss voneinander getrennt seien. Sie hätten befürchtet, dass ihre Kinder in Zukunft vom Heiligtum ausgeschlossen werden könnten, da sie keinen Anteil in Kanaan besaßen. Dann sollte dieser Altar, der nach dem Vorbild des Altars Jahwes in Silo errichtet worden war, das Zeugnis dafür sein, dass seine Erbauer ebenfalls Anbeter des lebendigen Gottes waren. WABT 498 4 Diese Erklärung nahmen die Abgesandten mit großer Freude an und überbrachten sie sofort ihren Auftraggebern. Jeder Gedanke an einen Krieg war damit aufgegeben, und das Volk vereinte sich in Freude und im Lobpreis Gottes. WABT 498 5 Die Angehörigen der Stämme Gad und Ruben setzten nun eine Inschrift auf den Altar, die den Zweck seiner Errichtung deutlich machte: "Er ist ein Zeichen zwischen uns, das bezeugt, dass der Herr unser Gott ist." (Josua 22,34b GNB) Auf diese Weise bemühten sie sich, künftigen Missverständnissen vorzubeugen und alles auszuräumen, was einen Anlass zur Versuchung geben könnte. Streitigkeiten In Der Rechten Gesinnung Regeln WABT 499 1 Wie oft entstehen aus einfachen Missverständnissen ernste Schwierigkeiten - selbst bei denen, die sich von den besten Beweggründen leiten lassen. Und welche ernsten und schicksalhaften Folgen können sie haben, wenn man es an der nötigen Höflichkeit und Nachsicht fehlen lässt! Die zehn Stämme dachten daran, wie Gott im Fall Achans ihre fehlende Wachsamkeit bei der Aufdeckung von Sünden getadelt hatte. Diesmal beschlossen sie, rasch durchzugreifen. Aber indem sie ihren früheren Fehler zu vermeiden suchten, waren sie in das andere Extrem verfallen. Statt höflich nachzufragen, um erst einmal die Umstände der Angelegenheit zu erfahren, hatten sie ihre Brüder getadelt und verurteilt. Hätten die Männer Gads und Rubens im selben Geist reagiert, wäre es zum Krieg gekommen. Während es einerseits wichtig ist, keine Nachlässigkeit im Umgang mit Sünden aufkommen zu lassen, ist es andererseits ebenso wichtig, schroffe Verurteilungen und grundlose Verdächtigungen zu vermeiden. WABT 499 2 Während viele Menschen beim geringsten Tadel bezüglich ihres eigenen Verhaltens sehr empfindlich reagieren, verfahren sie allzu hart mit denen, die sich ihrer Meinung nach im Irrtum befinden. Durch Tadel und Vorwürfe bringt man niemanden von seinem verkehrten Standpunkt ab. Viele werden dadurch noch weiter vom rechten Weg vertrieben und dazu geführt, sich gegen die Offenlegung ihrer Schuld zu verhärten. Eine freundliche Einstellung und ein höfliches, nachsichtiges Verhalten können die Irrenden retten und "eine Menge von Sünden bedecken" (Jak 5,20b Elb.). WABT 499 3 Die Weisheit, die die Rubeniter und ihre Gefährten an den Tag legten, ist nachahmenswert. Obwohl sie sich aufrichtig für die Sache des wahren Glaubens einsetzen wollten, wurden sie ungerechterweise und hart gerügt. Trotzdem brachten sie keinen Groll zum Ausdruck. Höflich und geduldig hörten sie sich die Vorwürfe ihrer Brüder an, ehe sie versuchten, sich zu verteidigen. Dann erklärten sie ausführlich ihre Beweggründe und bewiesen ihre Unschuld. Auf diese Weise wurde das Problem, aus dem so ernste Folgen zu entstehen drohten, freundschaftlich geregelt. WABT 499 4 Auch unter einer falschen Anklage können es sich diejenigen, die im Recht sind, leisten, ruhig und rücksichtsvoll zu bleiben. Gott kennt all das, was Menschen missverstehen und verkehrt deuten. Darum dürfen wir unsere Sache getrost in seine Hände legen. Er wird jene, die ihr Vertrauen auf ihn setzen, so gewiss rechtfertigen, wie er Achans Schuld heimsuchte. Wer vom Geist des Herrn angetrieben wird, wird jene Liebe besitzen, die "langmütig und freundlich" ist (1 Kor 13,4a). WABT 500 1 Gott will, dass unter seinem Volk Eintracht und brüderliche Liebe herrschen. Kurz vor seiner Kreuzigung betete Christus darum, dass seine Jünger eins seien, wie er mit dem Vater eins ist, damit die Welt glaubt, dass Gott ihn gesandt hat (vgl. Johannes 17,21b). Dieses wunderbare, ergreifende Gebet wirkt weiter durch die Jahrhunderte bis in unsere Zeit. Denn seine Worte lauteten: "Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden." (Johannes 17,20) Wir sollen zwar keinen einzigen Grundsatz der Wahrheit opfern, aber es sollte unser ständiges Ziel sein, diese Einheit zu erreichen. Das ist der Beweis unserer Jüngerschaft. Jesus erklärte: "An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid." (Johannes 13,35 GNB) Der Apostel Petrus ermahnte die Gemeindeglieder: "Euch allen schließlich sage ich: Haltet in derselben Gesinnung zusammen und habt Mitgefühl füreinander! Liebt euch gegenseitig als Brüder und Schwestern! Seid gütig und zuvorkommend zueinander! Vergeltet Böses nicht mit Bösem und gebt Beleidigungen nicht wieder zurück! Im Gegenteil, segnet eure Beleidiger, denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen." (1. Petrus 3,8.9 GNB) ------------------------Kapitel 49 - Josuas Letzte Ermahnungen WABT 501 0 Josua 23 und 24. WABT 501 1 Die Kämpfe und die Eroberungen waren vorbei. Josua hatte sich in den friedlichen Ruhestand in seinem Heim in Timnath-Serach zurückgezogen. "Nach langer Zeit, als der Herr Israel Ruhe gegeben hatte vor allen seinen Feinden ringsumher und Josua nun alt und hochbetagt war, berief er ganz Israel, seine Ältesten, Häupter, Richter und Amtleute." (Josua 23,1.2) WABT 501 2 Einige Jahre waren vergangen, seitdem sie sich in ihren Besitzungen niedergelassen hatten, und schon traten dieselben Übel zutage, die vormals Strafgerichte über Israel gebracht hatten. Als Josua zunehmend Altersbeschwerden verspürte und ihm klar wurde, dass er sein Werk bald beenden müsse, erfüllte ihn die Sorge um die Zukunft seines Volkes. Mit mehr als nur väterlicher Anteilnahme redete er zu den Israeliten, als sie sich noch einmal um ihren alt gewordenen Führer versammelten. "Ihr habt mit eigenen Augen gesehen, wie der Herr, euer Gott, die Völker dieses Landes besiegt hat", sagte er, "denn er war es, der für euch kämpfte." (Josua 23,3 GNB) Zwar waren die Kanaaniter unterworfen, aber sie besaßen immer noch einen beträchtlichen Teil des Landes, das Israel verheißen worden war. Josua ermahnte sein Volk eindringlich, sich nicht behaglich niederzulassen und den Befehl des Herrn zu vergessen, diese götzendienerischen Völker gänzlich zu enteignen. WABT 501 3 Das Volk zögerte im Allgemeinen die Vertreibung der Heiden hinaus. Die Stämme hatten sich auf ihre Besitzungen verteilt, das Heer war aufgelöst, und man betrachtete eine Wiederaufnahme des Krieges als ein schwieriges und zweifelhaftes Unterfangen. Aber Josua sagte: "Der Herr, euer Gott, wird sie vor euch ausstoßen und vor euch vertreiben, und ihr werdet ihr Land einnehmen, wie euch der Herr, euer Gott, zugesagt hat. So haltet nun ganz fest daran, dass ihr alles tut, was geschrieben steht im Gesetzbuch des Mose, und nicht davon weicht, weder zur Rechten noch zur Linken." (Josua 23,5.6) Die Verheissungen Und Auch Die Drohungen Werden Sich Erfüllen WABT 502 1 Josua rief das Volk zu Zeugen auf, dass Gott seine Verheißungen stets wahrmachte, sofern sie ihrerseits die Bedingungen dazu erfüllt hatten. "Macht es euch klar und nehmt es zu Herzen", sagte er, "der Herr, euer Gott, hat alle seine Zusagen erfüllt; nichts ist ausgeblieben von all dem Guten, das er euch versprochen hatte; alles ist eingetroffen." Er erklärte ihnen, dass der Herr - so wie seine Verheißungen - auch seine Drohungen erfüllen werde. "Aber genauso, wie all das Gute eingetroffen ist, das der Herr euch zugesagt hatte, wird auch das Böse eintreffen ... Der Herr, euer Gott, hat einen Bund mit euch geschlossen und erwartet von euch, dass ihr diesem Bund treu bleibt. Wenn ihr euch anderen Göttern zuwendet und sie anbetet, wird euch sein brennender Zorn treffen, und ihr werdet sehr schnell aus dem guten Land verschwunden sein, das er euch gegeben hat." (Josua 23,14-16 GNB) WABT 502 2 Satan täuscht viele mit der einleuchtenden Erklärung, Gottes Liebe zu seinem Volk sei so groß, dass er dessen Sünden entschuldige. Er stellt die Sache so dar, als ob die Strafandrohungen in Gottes Wort zwar einen moralischen Zweck hätten, aber doch nie buchstäblich erfüllt würden. Aber Gott hat im Umgang mit seinen Geschöpfen stets die Grundsätze der Gerechtigkeit aufrechterhalten, indem er das wahre Wesen der Sünde enthüllte und klarstellte, dass sie unweigerlich Elend und Tod zur Folge habe. Es hat nie eine bedingungslose Vergebung der Sünde gegeben, und es wird sie niemals geben. Eine solche Vergebung würde zeigen, dass die Grundsätze der Gerechtigkeit aufgegeben werden, die doch gerade das Fundament der Herrschaft Gottes sind. So etwas würde bei den nicht gefallenen Welten Bestürzung hervorrufen. Gott hat immer wieder auf die Folgen der Sünde hingewiesen. Wären diese Warnungen nicht wahr, wie könnten wir dann sicher sein, dass auch seine Verheißungen in Erfüllung gehen? Die sogenannte Güte, die die Gerechtigkeit zur Seite schiebt, ist keine Güte, sondern Schwäche. WABT 502 3 Gott ist der Lebensspender. Von Anfang an wurden alle seine Gesetze gegeben, um das Leben zu erhalten. Die Sünde jedoch brach in die von Gott geschaffene Ordnung ein, und die Folge war Zwietracht. Solange die Sünde besteht, sind Leiden und Tod unvermeidlich. Nur weil der Erlöser um un- seretwillen den Fluch der Sünde auf sich genommen hat, kann der Mensch hoffen, persönlich den schrecklichen Folgen der Sünde zu entrinnen. Die Abschiedsversammlung In Sichem WABT 502 4 Kurz vor seinem Tod versammelte Josua die Obersten und Stammesvertreter noch einmal in Sichem. Kein Ort im ganzen Land war mit so vielen ehrwürdigen Erinnerungen verknüpft. Er lenkte ihre Gedanken zurück auf Gottes Bund mit Abraham und Jakob und erinnerte sie auch an ihre eigenen feierlichen Gelübde beim Einzug in Kanaan. Hier ragten die Berge Ebal und Garizim empor, die stummen Zeugen jener Gelöbnisse, die sie nun in Gegenwart ihres sterbenden Anführers erneuern wollten. Ringsumher gab es sichtbare Beweise von dem, was Gott für die Israeliten getan hatte. Er hatte ihnen ein Land gegeben, das sie nicht bearbeitet, Städte, die sie nicht gebaut, Weinberge und Olivenhaine, die sie nicht gepflanzt hatten. Noch einmal hielt Josua Rückschau auf die Geschichte Israels und erzählte von den wunderbaren Taten Gottes, damit alle ein Gespür für seine Liebe und Gnade entwickeln und "ihm treulich und rechtschaffen" (Josua 24,14) dienen würden. WABT 503 1 Auf Josuas Anweisung hin hatte man die Bundeslade von Silo herbeigebracht. Es war ein außergewöhnlich feierliches Ereignis. Durch dieses Sinnbild der Gegenwart Gottes sollte der Eindruck des Geschehens verstärkt werden. Nachdem er Gottes Güte gegenüber den Israeliten dargestellt hatte, forderte er sie im Namen Jahwes auf, zu wählen, wem sie dienen wollten. Immer noch beteten manche heimlich Götzenbilder an. Josua bemühte sich jetzt, sie zu einer Entscheidung zu bewegen, die diese Sünde aus Israel verbannen würde. "Gefällt es euch aber nicht, dem Herrn zu dienen", sagte er, "so wählt euch heute, wem ihr dienen wollt." (Josua 24,15) Josua wollte sie dazu bringen, Gott freiwillig und nicht aus Zwang zu dienen. Liebe zu Gott ist die eigentliche Grundlage der Religion. Wer ihm nur in Erwartung einer Belohnung oder aus Angst vor Strafe dient, hat keinen Nutzen davon. Offener Abfall ist für Gott nicht anstößiger als Heuchelei und eine Anbetung, die bloße Formsache ist. WABT 503 2 Der gealterte Führer drängte das Volk, die ganze Tragweite dessen zu bedenken, was er ihnen dargelegt hatte, und zu entscheiden, ob es wirklich so leben wollte wie die erniedrigten Heidenvölker in seiner Umgebung. Wenn es den Israeliten falsch erschien, Jahwe zu dienen, der Quelle allen Segens, sollten sie an diesem Tag wählen, wem sie dienen wollten, "den Göttern, denen eure Väter gedient haben jenseits des Stroms", von denen Abraham weggerufen worden war, "oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt" (Josua 24,15). Die letzten Worte waren eine scharfe Zurechtweisung für Israel. Die Götter der Amoriter hatten ihre Anbeter nicht schützen können. Dieses gottlose Volk war wegen seiner abscheulichen und entwürdigenden Sünden vernichtet und das gute Land, das sie einst besaßen, dem Volk Gottes gegeben worden. Wie töricht wäre Israel, würde es Götter erwählen, derentwegen die Amoriter ausgerottet wurden! "Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen", erklärte Josua (Josua 24,15b). Derselbe heilige Eifer, der sein Herz beseelte, übertrug sich auf das Volk. Sein Aufruf veranlasste die unverzügliche Antwort: "Wir wollen den Herrn niemals verlassen, um anderen Göttern zu dienen." (Josua 24,16 GNB) Gehorsam Aus Eigener Kraft Ist Unmöglich WABT 504 1 "Ihr könnt dem Herrn nicht dienen", erklärte Josua daraufhin, "denn er ist ein heiliger Gott ... der eure Übertretungen und Sünden nicht vergeben wird" (Josua 24,19). Ehe es eine dauerhafte Reformation im Volk geben konnte, musste es seine völlige Unfähigkeit begreifen, Gott aus eigenem Vermögen zu gehorchen. Die Israeliten hatten Gottes Gesetz übertreten, das sie als Schuldige verurteilte und keine Möglichkeit des Entrinnens vorsah. Solange sie sich auf ihre eigene Kraft und Rechtschaffenheit verließen, konnten sie keine Sündenvergebung erlangen. Sie konnten die Forderungen des vollkommenen Gesetzes Gottes nicht erfüllen, und es war vergeblich, dass sie versprachen, Gott zu dienen. Nur durch den Glauben an den Erlöser konnten sie die Vergebung ihrer Sünden und die Stärke erlangen, um Gottes Gesetz zu halten. Sie mussten aufhören, darauf zu bauen, sich durch eigene Anstrengungen retten zu können. Stattdessen mussten sie sich völlig auf die Verdienste des verheißenen Erlösers verlassen, wenn sie von Gott angenommen werden wollten. WABT 504 2 Josua bemühte sich, seine Zuhörer dahin zu führen, ihre Worte abzuwägen und keine Gelübde abzulegen, die sie nicht erfüllen konnten. Mit großem Ernst wiederholten sie: "Nein, sondern wir wollen dem Herrn dienen." (Josua 24,21) Feierlich stimmten sie Josuas Erklärung zu: "Ihr seid Zeugen gegen euch selbst, dass ihr euch für den Herrn entschieden habt und ihm dienen wollt", und wiederholten ihr Treuegelöbnis noch einmal: "Wir wollen dem Herrn, unserem Gott, dienen und auf seine Weisungen hören." (Josua 24,22.24 GNB) WABT 504 3 "So schloss Josua an diesem Tag einen Bund für das Volk und legte ihnen Gesetze und Rechte vor in Sichern." (Josua 24,25) Dann hielt er diesen feierlichen Vorgang in einem Bericht fest und legte diesen mit dem Buch des Gesetzes [im Allerheiligsten] neben die Bundeslade. Außerdem errichtete er einen Pfeiler zum Gedächtnis und sagte: "Siehe, dieser Stein soll Zeuge sein unter uns, denn er hat gehört alle Worte des Herrn, die er mit uns geredet hat, und soll ein Zeuge unter euch sein, dass ihr euren Gott nicht verleugnet." (Josua 24,27) Dann entließ Josua das Volk. Jeder kehrte in sein Erbteil zurück. WABT 505 1 Josuas Aufgabe für Israel war erfüllt. Er war "dem Herrn treu gefolgt" (5. Mose 1,36). In der Heiligen Schrift wird er "der Diener des Herrn" (Josua 24,29b NLB) genannt. Das beste Zeugnis für seinen Charakter als Führer des Volkes ist aber die Geschichte der Generation, welche die Frucht seiner Arbeit genoss: "Die Israeliten blieben auch nach Josuas Tod dem Herrn treu, solange noch die Ältesten lebten, die alles miterlebt hatten, was der Herr für Israel getan hatte." (Josua 24,31 GNB) ------------------------Kapitel 50 - Der Zehnte Und Die Opfergaben WABT 506 0 3. Mose 27,30-33; 4. Mose 18,21-24 und 2. Mose 13,11-15. WABT 506 1 In der religiösen Ordnung Israels war ein Zehntel des Einkommens der Leute für die Unterstützung der öffentlichen Verehrung Gottes bestimmt. Diesbezüglich hatte Mose dem Volk gesagt: "Alle Zehnten im Lande, vom Ertrag des Landes und von den Früchten der Bäume, gehören dem Herrn und sollen dem Herrn heilig sein ... Alle Zehnten von Rindern und Schafen ... jedes zehnte davon soll heilig sein dem Herrn." (3. Mose 27,30.32) WABT 506 2 Das Zehntensystem geht aber nicht auf die Israeliten zurück. Von frühesten Zeiten an hat der Herr ein Zehntel als sein Eigentum beansprucht, und dieser Anspruch wurde anerkannt und erfüllt. Abraham entrichtete den Zehnten an Melchisedek, den Priester Gottes, des Höchsten (1. Mose 14,18.20b). Als flüchtiger Wanderer gelobte Jakob bei Bethel dem Herrn: "Von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben." (1. Mose 28,22b) Als die Israeliten im Begriff standen, eine Nation zu werden, wurde das Zehntengeben als eine der göttlichen Verordnungen bestätigt, von deren Befolgung ihr Wohlergehen abhing. WABT 506 3 Die Zehnten und Gaben sollten den Menschen eine große Wahrheit einprägen - dass Gott die Quelle jedes Segens für seine Geschöpfe ist und ihm der Dank der Menschen für die guten Gaben seiner Fürsorge gebührt. WABT 506 4 "Er selbst gibt ihnen das Leben und alles, was sie zum Leben brauchen." (Apostelgeschichte 17,25b GNB) Der Herr erklärte: "Alle Tiere des Waldes gehören mir, das Wild auf Tausenden von Bergen ist mein Eigentum." (Psalm 50,10 GNB) "Mein ist das Silber, und mein ist das Gold." (Haggai 2,8) Mose forderte die Israeliten auf: "Gedenke an den Herrn, deinen Gott; denn er ist's, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen." (5. Mose 8,18) Als Zeichen der Anerkennung dafür, dass alle Dinge von ihm kommen, ordnete der Herr an, dass ihm ein Teil von dieser Fülle in Form von Gaben und Opfern zurückgegeben werden soll, um den Gottesdienst aufrechtzuerhalten. WABT 507 1 "Ein Zehntel aller Erträge des Landes ... gehört dem Herrn und ist heilig." (3. Mose 27,30 NLB) Diese Ausdrucksform erinnert an jene im Sabbatgebot: "Der siebte Tag aber ist ein Ruhetag [Sabbat] für den Herrn, deinen Gott." (2. Mose 20,10a NLB) Gott reservierte für sich einen bestimmten Teil der Zeit und der Mittel der Menschen. Niemand kann etwas von beiden für seine eigenen Interessen verwenden, ohne schuldig zu werden. WABT 507 2 Der Zehnte war ausschließlich für die Verwendung durch die Leviten vorgesehen - den Stamm, der für den Dienst am Heiligtum ausersehen war (vgl. 4. Mose 18,21). Aber damit war den Beiträgen für religiöse Zwecke keineswegs eine Grenze gesetzt. Die Verschiedenen Opfergaben WABT 507 3 Das tragbare Heiligtum wurde - wie später der Tempel in Jerusalem - völlig mit freiwilligen Gaben erbaut. Um auch für notwendige Ausbesserungen und andere Ausgaben Mittel zur Verfügung zu haben, ordnete Mose an, dass jeder Israelit bei Volkszählungen einen halben Schekel "zum Dienst am Heiligtum" beisteuern soll (2. Mose 30,12-16; vgl. 2. Könige 12,5.6; 2. Chronik 24,5.6). Zu Nehemias Zeiten erhob man jedes Jahr einen Beitrag für diese Zwecke (vgl. Nehemia 10,33.34). WABT 507 4 Von Zeit zu Zeit wurden Gott Sühn- und Dankopfer dargebracht. Dies geschah in großer Zahl bei den jährlichen Pilgerfesten. Aber die großzügigste Fürsorge galt den Armen. WABT 507 5 Noch ehe man den Zehnten für Gott reservieren konnte, gab es Zeichen der Anerkennung der Ansprüche Gottes. Was von jedem Nahrungsmittel zuerst reif wurde, weihte man dem Herrn als Erstlingsfrucht. Die erste Wolle bei der Schafschur, die ersten Körner beim Dreschen des Weizens, das erste gepresste Öl, der erste Traubensaft - all dies wurde für Gott beiseitegelegt. Das geschah auch mit den erstgeborenen Tieren. Und für den erstgeborenen Sohn wurde ein Lösegeld bezahlt (vgl. 2. Mose 13,2.12.13b). Die ersten Früchte sollten vor dem Herrn im Heiligtum dargebracht und dann den Priestern zum Gebrauch überlassen werden (vgl. 2. Mose 23,19a). Erziehung Zur Dankbarkeit WABT 507 6 Auf diese Weise wurden die Menschen immer wieder daran erinnert, dass Gott der wahre Eigentümer ihrer Felder und Herden war und er ihnen den Sonnenschein und den Regen für ihre Aussaat und Ernte gab, denn er hatte all das geschaffen, was sie besaßen, und sie zu Verwaltern seiner Güter bestimmt. WABT 508 1 Wenn sich die Israeliten mit den Erstlingen ihrer Früchte von den Feldern, Obstgärten und Weinbergen am Heiligtum einfanden, bekundeten sie öffentlich ihren Dank für Gottes Güte. Wenn der Priester die Gaben entgegennahm, sagte der Opfernde, als spräche er in Jahwes Gegenwart: "Mein Vater war ein Aramäer, dem Umkommen nahe", und dann schilderte er den Aufenthalt in Ägypten, die Not, aus der Gott Israel befreit hatte mit "ausgerecktem Arm und mit großem Schrecken, durch Zeichen und Wunder, und brachte uns an diese Stätte und gab uns dies Land, darin Milch und Honig fließt. Nun bringe ich die Erstlinge der Früchte des Landes, das du, Herr, mir gegeben hast." (5. Mose 26,5.8-10) Treue Im Geben Als Ursache Des Wohlstands WABT 508 2 Die von den Israeliten verlangten Beiträge für gottesdienstliche und wohltätige Zwecke machten ein reichliches Viertel ihres Einkommens aus. Man könnte meinen, eine so schwere Besteuerung des Einkommens könnte das Volk in Armut stürzen, aber das Gegenteil war der Fall: Die treue Einhaltung dieser Vorschriften war eine der Ursachen für ihren Wohlstand. Unter der Voraussetzung des Gehorsams gab ihnen Gott die Verheißung: "Ich werde auch die Schädlinge von euren Feldern und Weinbergen fernhalten, damit sie die Ernte nicht verderben. Das sage ich, der Herrscher der Welt! Dann werden euch alle Völker glücklich preisen, weil ihr in einem so fruchtbaren Land wohnt." (Maleachi 3,11.12 GNB) WABT 508 3 Wir finden in der Zeit des Propheten Haggai ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wohin es führt, wenn man aus Eigennutz dem Werk Gottes sogar freiwillige Gaben vorenthält. Nach ihrer Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft begannen die Juden, den Tempel des Herrn wieder aufzubauen. Als sie aber bei ihren Feinden auf entschlossenen Widerstand stießen, stellten sie die Arbeit ein. Eine große Dürre, die sie wirklich in Not brachte, weckte in ihnen die Überzeugung, dass die Vollendung des Tempelbaus unmöglich sei. "Es sei noch zu früh", sagten sie, "[den] Tempel wieder aufzubauen." (Haggai 1,2 GNB) Da sandte ihnen der Herr durch seinen Propheten eine Botschaft: "Ist jetzt etwa die Zeit für euch, in euren holzvertäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus in Trümmern liegt? ... Seht doch, wie es euch geht: Ihr habt viel ausgesät, aber wenig geerntet. Ihr habt zwar zu essen, aber ihr werdet nicht satt. Ihr habt zu trinken, doch euer Durst bleibt ungestillt. Ihr habt Kleidung, doch sie hält euch nicht warm. Und die Lohnarbeiter müssen ihr Geld in löchrige Beutel stecken!" (Haggai 1,4-6 NLB) Dann gab er den Grund dafür an: "Ihr habt auf vieles gehofft, doch bekamt ihr nur wenig, und als ihr das Wenige ins Haus brachtet, blies ich es fort. Warum ich das tat? Weil mein Haus in Trümmern liegt, während ihr euch eifrig Häuser baut ... Deshalb hat der Himmel den Tau zurückgehalten und die Erde ihre Ernte. Ich habe über die Äcker und Hügel eine Dürre geschickt, über das Korn, die Trauben und Oliven und über alles andere, was der Acker hervorbringt, sowie über die Menschen und das Vieh und über alles, wofür ihr so hart gearbeitet habt." (Haggai 1,9-11 NLB) "Damals gab es von einem Feld statt der erwarteten zwanzig Sack Korn nur zehn und von einem Weinberg statt der erwarteten fünfzig Krug Wein nur zwanzig. Ich schickte euch Hagel, Mehltau und Getreidebrand und machte alle eure Arbeit zunichte." (Haggai 2,16.17 GNB) WABT 509 1 Von dieser Warnung des Propheten aufgerüttelt begann das Volk, mit neuem Eifer am Tempel Gottes zu bauen. Da erreichte es das Wort des Herrn: "Aber jetzt achtet darauf, was von heute an geschieht - vom 24.Tag des 9. Monats an, dem Tag, an dem das Fundament für meinen Tempel gelegt wurde . von heute ab werde ich euer Land segnen und alles gedeihen lassen!" (Haggai 2,18.19 GNB) WABT 509 2 Der weise Salomo sagte: "Wer großzügig gibt, wird dabei immer reicher; wer aber sparsamer ist, als er sein sollte, wird immer ärmer dabei." (Sprüche 11,24 NLB) Und im Neuen Testament lehrte der Apostel Paulus dieselbe Wahrheit: "Wer spärlich sät, wird nur wenig ernten. Aber wer mit vollen Händen sät, auf den wartet eine reiche Ernte. Er [Gott] hat die Macht, euch so reich zu beschenken, dass ihr nicht nur jederzeit genug habt für euch selbst, sondern auch noch anderen reichlich Gutes tun könnt." (2. Korinther 9,6.8 GNB) Gaben Für Die Verbreitung Des Lichtes WABT 509 3 Gott wollte sein Volk Israel zu einem Lichtträger für alle Bewohner der Erde machen. Das Volk sollte durch die öffentliche Anbetung im Tempel die Existenz und Oberhoheit des lebendigen Gottes bezeugen. Es war für die Israeliten ein Vorrecht, diese Verehrung Gottes als Ausdruck ihrer Treue und Liebe zu ihm dauerhaft aufrechtzuerhalten. Gott hat bestimmt, dass die Ausbreitung des Lichtes der Wahrheit über die Erde von den Anstrengungen und Gaben derer abhängig ist, die der "himmlischen Gabe" (Hebräer 6,4b) teilhaftig geworden sind. Er hätte Engel zu Botschaftern seiner Wahrheit erwählen können; er hätte seinen Willen mit seiner eigenen Stimme kundtun können, so wie er vom Sinai das Gesetz verkündigt hatte; aber in seiner unendlichen Liebe und Weisheit hat er Menschen beauftragt, seine Mitarbeiter zu werden, um dieses Werk auszuführen. WABT 510 1 Zur Zeit des alten Israel wurden der Zehnte und die freiwilligen Gaben benötigt, um die vorgesehenen gottesdienstlichen Handlungen aufrechtzuerhalten. Sollte Gottes Volk in unserer Zeit weniger geben? Christus stellte den Grundsatz auf, dass unsere Gaben für Gott im rechten Verhältnis zur Erkenntnis und den Vorrechten stehen sollten, die wir genießen. "Wem viel gegeben worden ist, von dem wird auch viel verlangt." (Lukas 12,48 GNB) Als der Erlöser seine Jünger aussandte, sagte er zu ihnen: "Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es auch." (Matthäus 10,8) Unsere Segnungen und Vorrechte sind heute größer als damals - vor allem, da wir das unvergleichliche Opfer des erhabenen Sohnes Gottes vor Augen haben. Sollte unsere Dankbarkeit dafür nicht in reicheren Gaben Ausdruck finden, damit auch anderen die Botschaft der Erlösung gebracht werden kann? In dem Maß, wie sich das Werk der Evangeliumsverkündigung ausweitet, benötigt es auch mehr Mittel zum Unterhalt als in früheren Zeiten. Damit werden die Gebote bezüglich Zehnten und Gaben heute zu einer noch dringenderen Notwendigkeit als in der religiösen Ordnung Israels. Wenn Gottes Volk sein Werk durch freiwillige Gaben großzügig unterstützen würde, statt unchristliche und unheilige Methoden anzuwenden, um die Gemeindekassen zu füllen, würde dies Gott ehren, und viel mehr Menschen könnten für Christus gewonnen werden. WABT 510 2 Moses Plan, die Mittel zum Bau der Stiftshütte durch Spenden aufzubringen, war sehr erfolgreich. Da war kein Drängen nötig. Er wandte auch keine der Kunstgriffe an, zu denen Gemeinden heutzutage so oft Zuflucht nehmen. Er veranstaltete kein großes Fest. Er lud nicht zu Vergnügungen, Tanz und Volksbelustigungen ein. Er organisierte auch keine Lotterien oder ähnliche weltliche Sachen, um Mittel zum Bau des Heiligtums zu erhalten. Durch Mose forderte der Herr die Israeliten auf, ihre Gaben zu bringen. Mose sollte sie von jedem annehmen, der sie willig und von Herzen gab. Und die Gaben kamen in solchem Übermaß, dass Mose das Volk anwies aufzuhören, weil sie mehr gebracht hatten, als man gebrauchen konnte (vgl. 2. Mose 36,5-7). WABT 510 3 Gott hat Menschen zu seinen Verwaltern gemacht. Das Eigentum, das er ihnen in die Hand gegeben hat, ist das Mittel zur Ausbreitung des Evangeliums. Wer sich als treuer Verwalter erweist, dem wird er mehr anvertrauen. Der Herr sagt: "Wer mich ehrt, den will ich auch ehren." (1. Samuel 2,30) "Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb", und wenn ihm seine Kinder mit dankbaren Herzen ihre Gaben bringen, "nicht mit Unwillen oder aus Zwang" (2. Korinther 9,7), wird er sie nach seiner Verheißung segnen: "Bringt den ganzen Zehnten in das Vorratshaus, damit Nahrung in meinem Haus ist! Und prüft mich doch darin, spricht der Herr der Heerscharen, ob ich euch nicht die Fenster des Himmels öffnen und euch Segen ausgießen werde bis zum Übermaß!" (Maleachi 3,10 Elb.) ------------------------Kapitel 51 - Gottes Vorsorge Für Die Armen WABT 512 0 5. Mose 14,22-29; 24,10-22 und 15,1-18 sowie 3. Mose 25,1 bis 26,17. WABT 512 1 Um die gottesdienstlichen Versammlungen des ganzen Volkes zu fördern und auch, um Armen etwas zur Verfügung zu stellen, war ein zweiter Zehnte von allem Einkommen vorgeschrieben. Über den ersten hatte der Herr erklärt: "Den Leviten aber weise ich als Entgelt für die Arbeit am Heiligen Zelt den zehnten Teil jeder Ernte in Israel zu." (4. Mose 18,21 GNB) Bezüglich des zweiten aber ordnete er an: "Du sollst gewissenhaft allen Ertrag deiner Saat verzehnten, was auf dem Feld wächst, Jahr für Jahr, und sollst essen vor dem Herrn, deinem Gott, an der Stätte, die er erwählen wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, nämlich den Zehnten deines Getreides, deines Mostes und deines Öles und die Erstgeborenen deiner Rinder und deiner Schafe, damit du lernst, den Herrn, deinen Gott, alle Tage zu fürchten." (5. Mose 14,22.23 Elb.) WABT 512 2 Diesen Zehnten oder seinen Gegenwert in Geld sollten die Israeliten für zwei Jahre an den Platz bringen, wo das Heiligtum stand. Nachdem sie Gott ein Dankopfer dargebracht und dem Priester den für ihn bestimmten Teil abgegeben hatten, sollten die Opfernden das Übrige für ein Pilgerfest verwenden, an dem die Leviten, die Fremden, die Vaterlosen und die Witwen teilnahmen (vgl. 5. Mose 16,11.16). So wurde für die Dankopfer und Festmahle bei den jährlichen Festen gesorgt und das Volk in die Gemeinschaft der Priester und Leviten einbezogen, damit es Belehrung und Aufmunterung zum Dienst für Gott erhielt. WABT 512 3 In jedem dritten Jahr aber sollte dieser zweite Zehnte am Heimatort zum Feiern mit den Leviten und Armen benutzt werden, damit sie "in deiner Stadt essen und satt werden", wie Mose gesagt hatte (5. Mose 26,12; vgl. 14,28.29). Dieser Zehnte sollte Mittel für wohltätige Zwecke und für die Bewirtung beschaffen. Weitere Vorsorge Für Die Armen WABT 513 1 Noch auf eine weitere Art wurde für die Armen gesorgt. Nächst der Anerkennung der Forderungen Gottes zeichnet die mosaischen Gesetze nichts so sehr aus wie die Ermahnung zu einer freigebigen, mitfühlenden und gastfreien Gesinnung gegenüber den Armen. Wohl hatte Gott seinem Volk reichen Segen verheißen, aber es war nicht seine Absicht, dass ihnen Armut völlig unbekannt blieb. Er erklärte, dass es im Land immer Arme geben würde. Immer wird es Menschen geben, an denen Verständnis, Mitgefühl und Wohlwollen geübt werden kann (vgl. 5. Mose 15,11). Damals wie heute konnten Personen Unglück erleiden, krank werden oder ihren Besitz verlieren. Aber solange die Israeliten die göttlichen Anweisungen befolgten, gab es unter ihnen weder Bettler noch Hungernde. WABT 513 2 Das Gesetz Gottes gewährte den Armen das Recht auf einen gewissen Teil des Bodenertrags. Wenn jemand hungrig war, durfte er auf das Feld, in den Obstgarten oder den Weinberg seines Nachbarn gehen und von den Getreidekörnern und Früchten essen, um seinen Hunger zu stillen (vgl. 5. Mose 23,25.26). Es war also rechtens, als die Jünger mit Jesus am Sabbat durch ein Feld gingen und dabei Ähren ausrissen und die Körner aßen (vgl. Matthäus 12,1). WABT 513 3 Auch die gesamte Nachlese auf den Feldern, in den Obstgärten und Weinbergen gehörte den Armen. Mose hatte dazu geboten: "Wenn du auf deinem Acker geerntet und eine Garbe vergessen hast auf dem Acker, so sollst du nicht umkehren, sie zu holen ... Wenn du deine Ölbäume geschüttelt hast, so sollst du nicht nachschütteln ... Wenn du deinen Weinberg abgelesen hast, so sollst du nicht nachlesen; es soll dem Fremdling, der Waise und der Witwe zufallen. Denn du sollst daran denken, dass du Knecht im Ägyptenland gewesen bist." (5. Mose 24,19-22; vgl. 3. Mose 19,9.10) Die Bestimmungen Für Das Sabbatjahr WABT 513 4 In jedem siebenten Jahr wurde in besonderer Weise für die Armen gesorgt. Das Sabbatjahr, wie es genannt wurde, begann mit dem Abschluss der Ernte. In der darauf folgenden Saatzeit sollten die Israeliten nichts aussäen; sie sollten im Frühling die Weinberge nicht vorbereiten, sie sollten keine Ernte oder Weinlese erwarten. Von allem, was das Land von selbst hervorbrachte, durften sie essen, solange es frisch war, aber sie sollten nichts davon in ihre Speicher bringen (vgl. 3. Mose 25.3-7). Der Ertrag dieses Jahres sollte den Fremden, den Waisen und Witwen zur Verfügung stehen, und sogar den Tieren auf den Feldern (vgl. 2. Mose 23,11). WABT 514 1 Wenn aber das Land schon normalerweise nur so viel Ertrag brachte, dass die Menschen ihren Bedarf gerade decken konnten, wie sollten sie dann in dem Jahr über die Runden kommen, in dem nichts geerntet wurde? Auch dafür sorgte Gottes Verheißung in reichlichem Maß vor. "So will ich meinem Segen über euch im sechsten Jahr gebieten", versprach er, "dass er Getreide schaffen soll für drei Jahre, dass ihr sät im achten Jahr und von dem alten Getreide esst bis in das neunte Jahr, sodass ihr vom alten esst, bis wieder neues Getreide kommt." (3. Mose 25,21.22) WABT 514 2 Die Beachtung des Sabbatjahres sollte sowohl dem Boden als auch den Bewohnern Nutzen bringen. Nach einem Jahr brachliegenden Bodens würde die Ernte umso ertragreicher sein. Und die Menschen waren eine Zeitlang vom Druck der dringenden Feldarbeiten befreit. Wenn auch in dieser Zeit mancherlei andere Arbeit verrichtet werden konnte, blieb doch allen mehr Freizeit zur Erholung und zum Sammeln körperlicher Kräfte für die Anstrengungen der folgenden Jahre. Sie hatten mehr Zeit zu religiöser Besinnung und zum Beten. Sie konnten sich selbst besser mit den Unterweisungen und Forderungen des Herrn vertraut machen und ihre Kinder und Hausgenossen darin unterrichten. WABT 514 3 Im Sabbatjahr sollten auch die hebräischen Sklaven freigelassen, aber nicht etwa mittellos fortgeschickt werden. Das Gebot des Herrn lautete: "Wenn du ihn freigibst, sollst du ihn nicht mit leeren Händen von dir gehen lassen, sondern du sollst ihm aufladen von deinen Schafen, von deiner Tenne, von deiner Kelter, sodass du gibst von dem, womit dich der Herr, dein Gott, gesegnet hat." (5. Mose 15,13.14; vgl. 2. Mose 21,2) WABT 514 4 Der Lohn eines Arbeiters sollte stets pünktlich bezahlt werden: "Wenn ein armer, völlig mittelloser Mann um Tageslohn für dich arbeitet, darfst du ihn nicht ausbeuten, gleichgültig, ob er einer von deinen Brüdern ist oder ein Fremder, der bei euch lebt. Gib ihm seinen Lohn, bevor die Sonne untergeht; denn er braucht ihn dringend." (5. Mose 24,14. 15 GNB) WABT 514 5 Für die Behandlung eines entflohenen Sklaven galten besondere Anweisungen: "Einen Sklaven, der sich vor seinem Herrn zu dir rettet, sollst du seinem Herrn nicht ausliefern. Bei dir soll er wohnen, in deiner Mitte, an dem Ort, den er in einem deiner Tore erwählen wird, wo es ihn gut dünkt: du sollst ihn nicht unterdrücken." (5. Mose 23,16.17 Elb.) WABT 514 6 Für die Armen fand im siebenten Jahr ein Schuldenerlass statt (vgl. 5. Mose 15,2). Den Israeliten wurde eingeschärft, ihre hilfsbedürftigen Brüder jederzeit dadurch zu unterstützen, dass sie ihnen zinslos Geld liehen (vgl. (vgl. 5. Mose 15,7.8). Es war ausdrücklich verboten, von einem Armen Wucherzinsen zu nehmen: "Wenn dein Bruder neben dir verarmt und nicht mehr bestehen kann, sollst du dich seiner annehmen wie eines Fremdlings oder Beisassen28, dass er neben dir leben könne; und du sollst nicht Zinsen von ihm nehmen noch Aufschlag, sondern sollst dich vor deinem Gott fürchten, dass dein Bruder neben dir leben könne. Denn du sollst ihm dein Geld nicht auf Zinsen leihen noch Speise geben gegen Aufschlag." (3. Mose 25,35-37) Blieb die Schuld bis zum Erlassjahr unbezahlt, durfte das geliehene Kapital nicht eingetrieben werden. Das Volk wurde ausdrücklich davor gewarnt, dem hilfsbedürftigen Nächsten deswegen die nötige Unterstützung zu versagen: "Wenn aber dein Bruder ... Not leidet ... dann darfst du nicht hartherzig sein und deine Hand vor deinem Bruder verschließen ... Sei auch nicht so gemein und berechnend, dass du denkst: ›Das siebte Jahr ist nicht mehr fern, dann muss ich ihm die Schulden erlassen!‹ Gönne ihm das und lass ihn nicht vergeblich bitten! Wenn er sich beim Herrn über dich beklagen muss, hast du schwere Schuld auf dich geladen." (5. Mose 15,7.9 GNB) Mose erklärte: Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden. ... Seid vielmehr großzügig und leiht ihnen, was sie brauchen." (5. Mose 15,11.8 NLB) WABT 515 1 Niemand braucht zu befürchten, dass er wegen seiner Freigebigkeit Mangel leiden müsse. Gehorsam gegenüber den Gesetzen Gottes hat ganz sicher Wohlstand zur Folge. "Dann wirst du vielen Völkern leihen, doch du wirst von niemand borgen; du wirst über viele Völker herrschen, doch über dich wird niemand herrschen", erklärte Mose (5. Mose 15,6). Die Rückgabe Des Grundbesitzes Im Halljahr WABT 515 2 Wenn "sieben Sabbatjahre, siebenmal sieben Jahre" vergangen waren (3. Mose 25,8), kam das große Erlassjahr, das "Jobeljahr"29. "Da sollst du die Posaune blasen lassen durch euer ganzes Land ... Und ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und sollt eine Freilassung ausrufen im Land für alle, die darin wohnen; es soll ein Erlassjahr für euch sein. Da soll ein jeder bei euch wieder zu seiner Habe und zu seiner Sippe kommen." (3. Mose 25,9.10) WABT 515 3 "Am zehnten Tag des siebenten Monats, am Versöhnungstag" (3. Mose 25,9b) erscholl das Widderhorn des Jobeljahres. Im ganzen Land hörte man den Ton dieser Posaunen, der alle Kinder Jakobs aufrief, das Erlassjahr willkommen zu heißen. Am großen Versöhnungstag wurde Sühne für Israels Sünden erwirkt und das Jobeljahr mit Freude begrüßt. WABT 516 1 Wie im Sabbatjahr sollte weder gesät noch geerntet werden, und alles, was das Land hervorbrachte, galt als rechtmäßiges Eigentum der Armen. Diejenigen Gruppen hebräischer Sklaven, die im Sabbatjahr ihre Freiheit nicht erhalten hatten, wurden nun freigelassen (vgl. 3. Mose 25,39-41). WABT 516 2 Was aber das Halljahr besonders auszeichnete, war die Rückgabe allen Grundbesitzes an die Familien der ursprünglichen Besitzer. Auf göttliche Anweisung war das Land einmal durchs Los aufgeteilt worden. Danach war niemand befugt, mit seinem Besitz Handel zu treiben. Keiner sollte sein Land verkaufen, außer wenn Armut ihn dazu zwang. Und wann auch immer er oder einer seiner Verwandten das Land wieder einzulösen wünschte, durfte sich der Käufer nicht weigern, es ihm zurückzuverkaufen. Wurde es nicht zurückgekauft, fiel es im Jobeljahr wieder dem ersten Besitzer oder dessen Erben zu (vgl. 3. Mose 25,25-28). WABT 516 3 Der Herr hatte Israel verkündet: "Das Land soll nicht endgültig verkauft werden, denn mir gehört das Land; denn Fremde und Beisassen seid ihr bei mir." (3. Mose 25,23 Elb.) Die Israeliten sollten sich immer der Tatsache bewusst bleiben, dass es Gottes Land ist, das sie nur eine Zeitlang besitzen dürfen. Gott ist der rechtmäßige Eigentümer und ursprüngliche Besitzer, der die Armen und Unglücklichen in besonderer Weise berücksichtigt wissen will. Jedem sollte im Gedächtnis eingeprägt werden, dass die Armen genauso viel Recht auf einen Platz in Gottes Welt haben wie die Wohlhabenden. WABT 516 4 Solcher Art waren die Vorkehrungen unseres barmherzigen Schöpfers, um Leiden zu lindern und in das Leben der Mittellosen und Bekümmerten einen Hoffnungsstrahl und etwas Sonnenschein zu senden. Soziale Spannungen Verhindern WABT 516 5 Der Herr wollte ein unangebrachtes Verlangen nach Besitz und Macht unterbinden. Ständiges Anhäufen von Reichtum bei der einen Bevölkerungsschicht und Absinken in Armut und Erniedrigung bei der anderen führt zu großen Missständen. Ohne eine gewisse Einschränkung würde die Macht der Reichen zu einem Alleinanspruch werden. Die Armen dagegen - obwohl sie in jeder Hinsicht in Gottes Augen gleich wertvoll sind - würden im Vergleich mit ihren besser gestellten Volksgenossen als minderwertig betrachtet und behandelt werden. Das Gefühl dieser Unterdrückung würde den Zorn der ärmeren Schichten erregen. Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung würde sie überkommen, und das wiederum würde zur Entsittlichung der Gesellschaft führen. Damit wären dem Verbrechen aller Art Tür und Tor geöffnet. Die Bestimmungen, die Gott einführte, waren dazu da, die soziale Gleichheit zu fördern. Im Sabbat- und im Jobeljahr sollte weithin das zurechtgerückt werden, was in der Zwischenzeit im gesellschaftlichen und politischen Leben des Volkes falsch gelaufen war. WABT 517 1 Diese Anordnungen sollten den Reichen nicht weniger zum Segen sein als den Armen. Sie sollten die Habgier und die Neigung zur Überheblichkeit überwinden helfen und eine edle Gesinnung der Wohltätigkeit fördern. Durch die Förderung von Wohlwollen und Vertrauen zwischen allen Bevölkerungsschichten würden sie die soziale Ordnung und den Bestand der Regierung gewährleisten. Wir sind alle in das große Netz der Menschheit hineinverflochten. Was immer wir tun können, um anderen zu nützen und ihnen Auftrieb zu geben, wird als Segen auf uns zurückwirken. Das Gesetz gegenseitiger Abhängigkeit betrifft alle Schichten der Gesellschaft. Die Ärmeren sind von den Reicheren genauso abhängig wie diese von den Ärmeren. Während die einen ihren Anteil an den Segnungen, die Gott ihren wohlhabenderen Nachbarn zuteilwerden ließ, beanspruchen, brauchen die anderen die verlässliche geistige und körperliche Arbeitsleistung, die das Kapital der Ärmeren ist. WABT 517 2 Den Israeliten wurden reichliche Segnungen versprochen, wenn sie die Anweisungen des Herrn befolgten. "So will ich euch Regen geben zur rechten Zeit, und das Land soll sein Gewächs geben und die Bäume auf dem Felde ihre Früchte bringen. Und die Dreschzeit soll reichen bis zur Weinernte, und die Weinernte soll reichen bis zur Zeit der Saat. Und ihr sollt Brot die Fülle haben und sollt sicher in eurem Land wohnen. Ich will Frieden geben in eurem Land, dass ihr schlaft und euch niemand aufschrecke. Ich will die wilden Tiere aus eurem Land wegschaffen, und kein Schwert soll durch euer Land gehen ... Und ich will unter euch wandeln und will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein ... Werdet ihr mir aber nicht gehorchen und nicht alle diese Gebote tun ... und werdet ihr meinen Bund brechen, so will auch ich euch dieses tun: ... Ihr sollt umsonst euren Samen säen, und eure Feinde sollen ihn essen. Und ich will mein Antlitz gegen euch richten, und ihr sollt geschlagen werden vor euren Feinden, und die euch hassen, sollen über euch herrschen, und ihr sollt fliehen, ohne dass euch einer jagt." (3. Mose 26,4-6.12.14-17) WABT 517 3 Viele fordern mit großem Nachdruck, dass jeder den gleichen Anteil an den irdischen Segnungen Gottes hat. Doch das entsprach nicht der Absicht des Schöpfers. Die Ungleichheit der Verhältnisse ist eines der Mittel, mit denen Gott den Charakter prüft und entwickeln hilft. Es ist seine Absicht, dass sich diejenigen, die über irdischen Besitz verfügen, nur als Verwalter seiner Güter betrachten. Ihnen sind Mittel anvertraut, die zum Wohl der Leidenden und Bedürftigen eingesetzt werden sollen. WABT 518 1 Christus hat gesagt, dass wir allezeit Arme unter uns haben werden (vgl. Matthäus 26,11a), und er verbindet seine Interessen mit denen der leidenden Menschen. Unser Erlöser ist voller Mitgefühl mit den Ärmsten und Niedrigsten seiner irdischen Kinder. Er sagt uns, dass sie seine Vertreter auf Erden sind. Er hat sie unter uns gestellt, damit die Liebe, die er für Leidende und Bedrückte empfindet, auch in uns geweckt wird. Das Mitleid und die Wohltaten, die wir ihnen erweisen, sieht Christus als ihm erwiesen an. Aber er betrachtet auch jede Art von Grausamkeit oder Vernachlässigung als ihm zugefügt (vgl. Matthäus 25,35-40). WABT 518 2 Wenn die Gesetze, die Gott zum Wohl der Armen gegeben hat, beständig Anwendung gefunden hätten, sähe der heutige Zustand unserer Welt ganz anders aus - moralisch, geistlich und materiell! Dann würden Selbstsucht und Überheblichkeit nicht in einem solchen Ausmaß wie heute zutage treten, sondern jedem würde das Glück und Wohlergehen seines Nächsten am Herzen liegen, und eine so weit verbreitete Armut, wie sie in vielen Ländern heute herrscht, gäbe es nicht. WABT 518 3 Die Grundsätze, die in den Anordnungen Gottes zum Ausdruck kommen, hätten die schrecklichen Missstände verhindert, die in allen Zeitaltern aus der Unterdrückung der Armen durch die Reichen und aus dem Argwohn und dem Hass der Armen gegenüber den Reichen entstanden sind. Sie würden einerseits die Aufhäufung von großen Reichtümern und den Genuss von grenzenlosem Luxus und andererseits die daraus folgende Unwissenheit und Erniedrigung Zehntausender verhindern, deren schlecht bezahlte Arbeit erforderlich ist, um solch gewaltige Vermögen anzuhäufen. Die Anwendung dieser Richtlinien würde eine friedliche Lösung vieler Probleme herbeiführen, die heute die Welt mit Gesetzlosigkeit und Blutvergießen zu erfüllen drohen. ------------------------Kapitel 52 - Die Jährlichen Pilgerfeste WABT 519 0 3. Mose 23 und 5. Mose 16,1-17. WABT 519 1 Es gab drei jährliche Versammlungen für ganz Israel, um im Heiligtum anzubeten (vgl. 2. Mose 23,14-17). Längere Zeit war Silo der Ort dieser Zusammenkünfte, aber später wurde Jerusalem der religiöse Mittelpunkt. Dort versammelten sich dann die Stämme zu den feierlichen Festen. WABT 519 2 Die Israeliten waren umgeben von wilden, kriegerischen Volksstämmen, die begierig darauf warteten, ihr Land einzunehmen. Dennoch sollten alle Männer, die körperlich dazu in der Lage waren, und alle Leute, die die Reise auf sich nehmen konnten, dreimal im Jahr ihr Zuhause verlassen und sich auf den Weg zum Versammlungsort nahe der Landesmitte begeben. Was sollte ihre Feinde daran hindern, die ungeschützten Häuser zu überfallen und sie mit Feuer und Schwert zu verwüsten? Wodurch könnte eine Invasion des Landes verhindert werden, durch die Israel in die Gefangenschaft eines fremden Feindes gekommen wäre? Gott hatte versprochen, der Beschützer seines Volkes zu sein. Während die Israeliten hinaufzogen, um anzubeten, hielt Gott ihre Feinde zurück. Sein Versprechen lautete: "Ich werde die Heiden vor dir ausstoßen und dein Gebiet weit machen, und niemand soll dein Land begehren, während du dreimal im Jahr hinaufgehst, um vor dem Herrn, deinem Gott, zu erscheinen." (2. Mose 34,24) "Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und hilft ihnen heraus." (Psalm 34,8) WABT 519 3 Das erste der drei Feste, das Passa mit dem Fest der ungesäuerten Brote, fand im Abib30 statt, im ersten Monat des jüdischen Jahres (Ende März/An- fang April nach unserer Einteilung). Die Winterkälte war dann vorüber, der Spätregen hatte aufgehört, und die gesamte Natur erfreute sich der Frische und Schönheit des Frühlings. Auf den Bergen und in den Tälern grünte es, und überall leuchteten wild wachsende Blumen. Der werdende Vollmond tauchte die Abende in liebliches Licht. Diese Jahreszeit hat der geistliche Sänger eindrücklich beschrieben: WABT 520 0 "Der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei und dahin. Die Blumen sind aufgegangen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande. Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, und die Reben duften mit ihren Blüten." (Hoheslied 2,11-13) Die Pilgerreise Nach Jerusalem WABT 520 2 Aus dem ganzen Land machten sich die Pilgergruppen auf den Weg nach Jerusalem. Schäfer kamen von ihren Herden, Rinderhirten von den Hügeln, Fischer vom See Genezareth, Bauern von ihren Feldern und später auch die Prophetensöhne aus ihren heiligen Schulen - alle lenkten ihre Schritte zu dem Ort, wo sich Gottes Gegenwart offenbarte. Sie reisten in kurzen Etappen, denn viele gingen zu Fuß. Die Züge bekamen ständig Zuwachs und wurden oft sehr groß, bis sie die Heilige Stadt erreichten. WABT 520 3 Die liebliche Natur weckte in den Herzen der Israeliten Freude und Dankbarkeit gegenüber dem Geber alles Guten. Man sang die großartigen hebräischen Psalmen, die die Herrlichkeit und Majestät Jahwes preisen. Auf den Klang der Posaune hin erscholl, begleitet von Zimbelklängen, der Dankeschor, der von Hunderten Stimmen getragen wurde: WABT 520 4 "Ich freute mich über die, die mir sagten: Lasset uns ziehen zum Hause des Herrn! Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem ... wohin die Stämme hinaufziehen, die Stämme des Herrn ... zu preisen den Namen des Herrn . Wünschet Jerusalem Glück! Es möge wohl gehen denen, die dich lieben!" (Psalm 122,1.2.4.6) WABT 520 5 Wenn die Israeliten die Berge ringsum sahen, auf denen die Heiden ihre Opferfeuer anzuzünden pflegten, sangen sie: WABT 520 6 "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat." (Psalm 121,1.2) WABT 521 1 "Die auf den Herrn hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben wie der Berg Zion. Wie um Jerusalem Berge sind, so ist der Herr um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit." (Psalm 125,1.2) WABT 521 2 Wenn sie die Hügel überwunden hatten und die heilige Stadt vor ihnen lag, blickten sie voller Andacht und Ehrfurcht auf die große Schar von Anbetern, die mit ihnen unterwegs auf dem Weg zum Tempel waren. Sie sahen den Weihrauch des Opfers aufsteigen, und wenn sie die Posaunen der Leviten hörten, die den heiligen Gottesdienst ankündigten, wurden sie vom Geschehen ergriffen und sangen: WABT 521 3 "Der Herr ist mächtig! Groß ist der Ruhm unseres Gottes in seiner Stadt und auf seinem heiligen Berg! Prächtig erhebt sich der Zion, eine Freude für die ganze Welt! Er ist der wahre Gottesberg; dort steht die Stadt des großen Königs." (Psalm 48,2.3 GNB) WABT 521 4 "Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen!" (Psalm 122,7) WABT 521 5 "Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich durch sie einziehe und dem Herrn danke." (Psalm 118,19) WABT 521 6 "Was ich dem Herrn versprochen habe, das löse ich ein in Gegenwart seines ganzen Volkes, in den Vorhöfen seines Tempels, mitten in dir, Jerusalem! Preist den Herrn - Halleluja!" (Psalm 116,18.19 GNB) WABT 521 7 In Jerusalem wurden den Pilgern alle Häuser geöffnet. Die Räume wurden unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Aber das reichte natürlich bei Weitem nicht für die riesige Versammlung. Deshalb schlug man auf allen verfügbaren Plätzen in der Stadt und auf den Hügeln ringsum Zelte auf. Die Drei Jährlichen Pilgerfeste WABT 522 1 Am 14. Tag des Monats Abib wurde abends das Passa begangen. Seine feierlichen, eindrucksvollen Zeremonien erinnerten an die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten und wiesen auf das Opfer hin, das aus der Knechtschaft der Sünde erretten sollte. Als der Erlöser auf Golgatha sein Leben dahingab, verlor das Passafest diese Bedeutung. Jesus setzte das Abendmahl zum Gedächtnis an das Ereignis ein, auf welches das Passa schattenhaft hingewiesen hatte. WABT 522 2 Auf das Passa folgte das siebentägige Fest der ungesäuerten Brote. Der erste und der siebente Tag waren Tage der heiligen Versammlung, an denen keine gewöhnliche Arbeit verrichtet werden durfte. Am zweiten Tag des Festes wurden Gott die Erstlingsfrüchte des Jahres dargebracht. In Palästina war die Gerste das früheste Getreide, und es reifte gerade zu Beginn des Festes. Eine Gerstengarbe schwangen die Priester vor dem Altar Gottes als Bekenntnis, dass alles Gott gehörte. Erst nach dieser Zeremonie durfte die Ernte eingebracht werden (vgl. 3. Mose 23,10.11.14). WABT 522 3 Am 50. Tag nach der Darbringung der Erstlingsfrüchte war Pfingsten, auch Ernte- oder Wochenfest genannt. Als Ausdruck der Dankbarkeit für das als Speise zubereitete Korn wurden Gott zwei mit Sauerteig gebackene Laibe Brot dargebracht. Pfingsten nahm nur einen Tag in Anspruch, an dem ausschließlich Gottesdienst abgehalten wurde (vgl. 4. Mose 28,26). WABT 522 4 Im siebenten Monat wurde das Laubhütten- oder Erntedankfest gefeiert. Mit diesem Fest dankte man Gott für seine großzügigen Gaben in den Obstgärten, Olivenhainen und Weinbergen. Es war die krönende Festversammlung des Jahres. Das Land hatte seinen Ertrag geliefert, die Ernte war in die Kornkammern eingebracht, Früchte, Öl und Wein waren eingelagert und die Erstlingsfrüchte waren als Opfer beiseitegelegt. Nun kam das Volk mit seinen Dankesgaben zu Gott, der es so reichlich gesegnet hatte. WABT 522 5 Dieses Fest sollte vor allem eine Gelegenheit zur Freude sein. Es fand unmittelbar nach dem großen Versöhnungstag statt, an dem die Gläubigen die Gewissheit empfangen hatten, dass ihrer Sünden nicht mehr gedacht wurde (vgl. 3. Mose 23,27. 28). Versöhnt mit Gott kamen sie nun vor ihn, um ihm für seine Güte zu danken und seine Barmherzigkeit zu preisen. Die Erntearbeit war vorüber, die Anstrengungen des neuen Jahres hatten noch nicht begonnen. Man war sorgenfrei und konnte sich der unbeschwerten Fröhlichkeit dieser Stunden hingeben. Obwohl nur Vätern und Söhnen aufgetragen war, zu den Festen zu erscheinen, sollte doch - soweit das möglich war - die ganze Familie dabei sein, und bei ihrer Gastfreiheit waren auch Bedienstete, Leviten, Fremde und Arme willkommen. WABT 523 1 Wie das Passa war auch das Laubhüttenfest eine Gedächtnisfeier. In Erinnerung an ihr Pilgerleben in der Wüste sollten sie jetzt die Häuser verlassen und in Hütten oder Lauben aus grünen Zweigen wohnen. Sie sollten "Früchte nehmen von schönen Bäumen, Palmwedel und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden" (3. Mose 23,40). WABT 523 2 Am ersten Tag fand eine heilige Versammlung statt, und den sieben Festtagen wurde ein achter hinzugefügt, der in gleicher Weise begangen wurde. Die Bedeutung Des Laubhüttenfestes Damals Und Heute WABT 523 3 Bei diesen jährlichen Zusammenkünften wurden Jung und Alt zum Dienst für Gott ermutigt. Zugleich stärkten sie die Gemeinschaft, die das Volk aus den verschiedenen Teilen des Landes untereinander und mit Gott verband. Es wäre auch für das gegenwärtige Volk Gottes manchmal gut, ein Laubhüttenfest als frohe Erinnerung an die empfangenen Segnungen Gottes zu veranstalten. Wie die Israeliten der Befreiung ihrer Väter durch Gottes Hilfe und ihrer wunderbaren Bewahrung auf den Wanderungen seit dem Auszug aus Ägypten gedachten, so sollten wir uns dankbar erinnern, wie der Herr uns aus der Welt und von der Finsternis in das wunderbare Licht seiner Gnade und Wahrheit geführt hat. WABT 523 4 Für alle, die weit entfernt vom Heiligtum wohnten, muss der Besuch der jährlichen Feste insgesamt mehr als einen Monat Zeit in Anspruch genommen haben. Dieses Beispiel der Hingabe an Gott sollte betonen, wie bedeutsam gemeinsamer Gottesdienst ist und wie notwendig es erscheint, unsere eigensüchtigen und weltlichen Interessen den geistlichen und ewigen unterzuordnen. Es geht uns etwas verloren, wenn wir die Möglichkeiten zur gegenseitigen Stärkung und Ermutigung im Dienst für Gott nicht nutzen. Die Wahrheiten seines Wortes büßen allmählich an Lebendigkeit und Bedeutung in unserem Bewusstsein ein. Wir werden nicht mehr von seinem heiligenden Einfluss erfasst und aufgerüttelt. Unsere geistliche Einstellung schwindet. Wenn in unseren christlichen Beziehungen das Mitgefühl fehlt, geht uns viel verloren. Wer sich den anderen verschließt, erfüllt nicht die Aufgabe, die Gott ihm zugedacht hat. Wir alle sind Kinder eines einzigen Vaters und befinden uns in unserem Streben nach Glück in gegenseitiger Abhängigkeit. Gott und unsere Mitmenschen haben Anspruch auf uns. Die rechte Pflege von sozialen Beziehungen, auf die wir Menschen angelegt sind, führt zu Freundschaften mit unseren Geschwistern und verschafft uns Freude in unserem Bestreben, anderen ein Segen zu sein. WABT 524 1 Das Laubhüttenfest war nicht nur ein Gedenkfest, sondern hatte auch sinnbildliche Bedeutung. Es erinnerte nicht nur an die Wüstenwanderung, sondern feierte das Einbringen der Früchte der Erde und verwies auf den großen Tag der Welternte, wenn der Herr der Ernte seine Schnitter aussenden wird, um das Unkraut in Bündeln für das Feuer zu sammeln und den Weizen in seine Scheunen einzubringen (vgl. Matthäus 13,30). Dann werden alle Gottlosen umkommen. Sie werden sein, "als wären sie nie gewesen" (Obadja 16). Und alle Stimmen im gesamten Universum werden sich zum freudigen Lob Gottes vereinen. Johannes berichtete in der Offenbarung: "Und jedes Geschöpf, das im Himmel und auf der Erde und unter der Erde und auf dem Meer ist, und alles, was in ihnen ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm den Lobpreis und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!" (Offenbarung 5,13 Elb.) WABT 524 2 Die Israeliten priesen Gott beim Laubhüttenfest, wenn sie an seine Barmherzigkeit bei ihrer Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten und an seine liebevolle Fürsorge während ihres Pilgerlebens in der Wüste erinnerten. Freude empfanden sie auch im Bewusstsein der Sündenvergebung und ihrer Annahme bei Gott durch den kurz vorher abgeschlossenen Dienst des Versöhnungstages. Aber erst wenn die Erlösten des Herrn im himmlischen Kanaan aufgenommen sind, für immer befreit von der Knechtschaft der Vergänglichkeit, unter der "die ganze Schöpfung zusammen seufzt und ... in Geburtswehen liegt bis jetzt" (Römer 8,22 Elb.), werden sie mit unaussprechlicher Freude in Herrlichkeit jauchzen. Dann ist das große Versöhnungswerk in Christus für die Menschen vollendet. Ihre Sünden sind für immer ausgelöscht. WABT 524 3 "Die Steppe soll sich freuen, das dürre Land glücklich sein, die Wüste soll jubeln und blühen! Mit Blumen soll sie sich bedecken, jauchzen und vor Freude schreien! Herrlich wie der Libanon soll sie werden, prächtig wie der Berg Karmel und wie die Ebene Scharon. Dann sieht das Volk die Herrlichkeit des Herrn, die Pracht und Hoheit unseres Gottes . Dann können die Blinden wieder sehen und die Tauben wieder hören. Dann springt der Gelähmte wie ein Hirsch und der Stumme jubelt vor Freude. In der Wüste brechen Quellen auf und Bäche ergießen sich durch die Steppe ... Eine feste Straße wird dort sein, den ›heiligen Weg‹ wird man sie nennen. Wer unrein ist, darf sie nicht betreten, nur für das Volk des Herrn ist sie bestimmt. Selbst Unkundige finden den Weg, sie werden dort nicht irregehen. Auf dieser Straße gibt es keine Löwen, kein Raubtier ist auf ihr zu finden; nur die geretteten Menschen gehen dort. Sie, die der Herr befreit hat, kehren heim; voll Jubel kommen sie zum Zionsberg. Aus ihren Augen strahlt grenzenloses Glück. Freude und Wonne bleiben bei ihnen, Sorgen und Seufzen sind für immer vorbei." (Jesaja 35,1-2.5-6.8-10 GNB) ------------------------Kapitel 53 - Die Älteren Richter WABT 528 0 Richter 6 bis 8 und 10. WABT 528 1 Nach der Ansiedlung in Kanaan unternahmen die Stämme keine größeren Anstrengungen mehr, um die Eroberung des Landes zu vollenden. Da sie mit dem gewonnenen Gebiet zufrieden waren, ließ ihr Eifer bald nach. Der Eroberungskrieg hörte auf. "Als die Israeliten stärker wurden, zwangen sie die Kanaaniter zur Fronarbeit, trieben sie aber nicht aus dem Land." (Richter 1,28 GNB) WABT 528 2 Der Herr hatte seinerseits die Verheißungen, die er Israel gegeben hatte, treu erfüllt. Josua hatte die Macht der Kanaaniter gebrochen und das Land unter die Stämme verteilt. Für sie blieb nur noch eine Aufgabe übrig: Im Vertrauen auf Gottes Hilfe die Enteignung der Bewohner des Landes zu Ende zu führen. Und darin versagten sie. Indem sie Bündnisse mit ihnen eingingen, übertraten sie ein ausdrückliches Gebot und unterließen es, die Bedingung zu erfüllen, unter der ihnen Gott den Besitz Kanaans verheißen hatte. WABT 528 3 Dabei waren sie schon bei seiner ersten Mitteilung am Sinai vor der Abgötterei gewarnt worden. Unmittelbar nach der Verkündigung der Zehn Gebote erhielten sie durch Mose die folgende Botschaft hinsichtlich der Völker Kanaans: "Folgt nicht ihrem schlimmen Beispiel! Werft euch nicht vor ihren Göttern nieder, dient ihnen nicht! Stürzt ihre Götzenbilder um und zerschlagt ihre Steinmale. Ehrt mich allein, den Herrn, euren Gott, dann werde ich dafür sorgen, dass es in eurem Land genug zu essen gibt und ihr reichlich Wasser habt. Ich werde auch alle Krankheiten von euch fernhalten." Gott sicherte ihnen zu, ihre Feinde vor ihnen zu unterwerfen, solange sie ihm gehorsam blieben: "Angst und Schrecken werde ich vor euch hersenden. Ich werde die Völker, zu denen ihr kommt, in Verwirrung stürzen; alle eure Feinde werden vor euch die Flucht ergreifen. Panik werde ich vor euch her verbreiten und so die Hiwiter, Kanaaniter und Hetiter vertreiben. Allerdings werde ich sie nicht schon im ersten Jahr vollständig vertreiben, sonst bleiben weite Landstriche unbestellt und verwildern, und das Wild vermehrt sich so stark, dass ihr nicht mehr Herr darüber werdet. Deshalb werde ich sie nur nach und nach vor euch vertreiben, in dem Maß, in dem ihr euch vermehrt und das Land in Besitz nehmen könnt. ... Alle Bewohner dieses Landes gebe ich in eure Hand, sodass ihr sie vertreiben könnt. Schließt keinen Bund mit ihnen und lasst euch nicht mit ihren Göttern ein. Sie dürfen nicht mit euch zusammen in eurem Land leben, sonst werden sie euch dazu verleiten, mir untreu zu werden und ihre Götter zu verehren. Und das würde euch den Untergang bringen." (2. Mose 23, 24-25.27-33 GNB) Mose wiederholte diese Anweisungen vor seinem Tod in sehr ernster Weise, und Josua tat es noch einmal (vgl. 5. Mose 7,1-5; Jos 23,12.13). WABT 529 1 Gott hatte sein Volk als ein mächtiges Bollwerk nach Kanaan gesetzt, um die Flut der moralischen Verdorbenheit aufzuhalten, damit sie nicht die Welt überschwemmte. Wenn die Israeliten Gott treu blieben, sollten sie nach Gottes Absicht weiterhin Land erobern. Er wollte ihnen größere und stärkere Völker in die Hand geben, als es die Kanaaniter waren. Seine Verheißung lautete: "Wenn ihr diese Gebote alle halten werdet ... und danach tut ... so wird der Herr alle diese Völker vor euch her vertreiben, dass ihr größere und stärkere Völker beerbt, als ihr es seid. Alles Land, darauf eure Fußsohle tritt, soll euer sein: Von der Wüste bis an den Berg Libanon und von dem Strom Euphrat bis ans Meer im Westen soll euer Gebiet sein. Niemand wird euch widerstehen können. Furcht und Schrecken vor euch wird der Herr über alles Land kommen lassen, das ihr betretet, wie er euch zugesagt hat." (5. Mose 11,22-25) Die Folgen Der Mangelhaften Vertreibung Der Heidenvölker WABT 529 2 Doch sie missachteten ihre hohe Bestimmung und wählten einen weniger beschwerlichen, bequemen Weg. So ließen sie die Gelegenheiten zur völligen Eroberung des Landes verstreichen; und viele Generationen lang wurden sie von den Überresten jener abgöttischen Völker bedrängt, die, wie der Prophet Mose vorausgesagt hatte, zu "Dornen in ihren Augen" und zu "Stacheln in ihren Seiten" (vgl. 4. Mose 33,55) wurden. WABT 529 3 Die Israeliten verschwägerten sich mit den fremden Völkern und nahmen deren Gebräuche an. Sie vermischten sich mit den Kanaanitern durch Heiraten, und der Götzendienst verbreitete sich wie eine Pest im Land. Sie "warfen sich nieder vor den Götzen, die ihnen zum Verhängnis wurden. Sie nahmen ihre Söhne und Töchter und brachten sie den Dämonen als Opfer dar ... dadurch entweihten sie das Land . Der Herr wurde zornig auf sein Volk, er sah sein Eigentum nur noch mit Abscheu." (Psalm 106,35-38.40 GNB) WABT 529 4 Solange die Generation noch lebte, die von Josua unterwiesen worden war, gewann der Götzendienst nur wenig an Boden. Aber die Eltern hatten den Weg für den Abfall ihrer Kinder vorbereitet. Die Missachtung der Einschränkungen des Herrn seitens derer, die Kanaan in Besitz genommen hatten, ließ eine Saat des Bösen aufgehen, die viele Generationen lang immer wieder bittere Früchte trug. Eine einfache Lebensweise hatte den Israeliten körperliche Gesundheit gesichert. Doch die enge Verbindung mit den Heiden führte sie zu Nachgiebigkeit gegenüber der Esslust und den Begierden, wodurch die körperliche Kraft abnahm und die geistigen und moralischen Kräfte geschwächt wurden. Durch ihre Sünden wurden die Israeliten von Gott getrennt. Seine Kraft wurde ihnen genommen und sie konnten ihre Feinde nicht mehr besiegen. Auf diese Weise wurden sie gerade jenen Völkern untertan, die sie sich durch Gott hätten unterwerfen können. WABT 530 1 Sie "verließen den Herrn, den Gott ihrer Väter, der sie aus Ägyptenland geführt hatte" (Richter 2,12). Er "führte sie wie eine Herde in der Wüste" (Psalm 78,52). "Sie erzürnten ihn mit ihren Höhen und reizten ihn zum Zorn mit ihren Götzen ... Er verwarf Israel so sehr, dass er seine Wohnung in Silo dahingab, das Zelt, in dem er unter Menschen wohnte; er gab seine Macht in Gefangenschaft und seine Herrlichkeit in die Hand des Feindes." (Psalm 78,58-61) WABT 530 2 Doch Gott gab sein Volk nicht völlig auf. Es gab immer einen Überrest - einige, die Jahwe treu blieben. Von Zeit zu Zeit erweckte der Herr glaubensmutige Männer, die den Götzendienst abschafften und die Israeliten von ihren Feinden befreiten. War aber der Retter tot und das Volk unterstand nicht mehr seiner Gewalt, kehrte es allmählich wieder zu seinen Götzen zurück (vgl. Richter 2,18.19). Und so wiederholte sich die Geschichte von Abfall und Bestrafung, von Schuldbekenntnis und Befreiung immer aufs Neue. Weitere Auseinandersetzungen WABT 530 3 Erst waren die Könige von Mesopotamien und Moab Israels Unterdrücker (vgl. Richter 3,8.12). Nach ihnen waren es die Philister und die Kanaaniter von Hazor unter Siseras Führung (vgl. Richter 4,2.3). Othniel, Schamgar und Ehud, Debora und Barak wurden zu jener Zeit zu Befreiern ihres Volkes berufen (vgl. Richter 3,9.10; 3,31; 4,4-6). Als aber "die Israeliten [wiederum] taten, was dem Herrn missfiel, gab sie der Herr in die Hand der Midianiter" (Richter 6,1). Bis dahin hatten die östlich des Jordan wohnenden Stämme nur wenig von den Unterdrückern gespürt, aber beim jetzigen Unheil waren sie die Ersten, die zu leiden hatten. WABT 530 4 Nach wie vor waren die Amalekiter im Süden Kanaans sowie die Midia- niter an der Ostgrenze und in den Wüstengebieten jenseits des Jordan unerbittliche Feinde Israels. Wohl hatten die Israeliten zur Zeit von Mose die Midianiter fast vernichtet, aber inzwischen war ihre Bevölkerung stark angewachsen, sodass sie wieder ein zahlreiches und mächtiges Volk geworden waren. Sie lechzten nach Rache. Als nun Gott seine schützende Hand von Israel zurückzog, war die Gelegenheit gekommen. Nicht nur die Stämme östlich des Jordan, sondern alle im Land litten unter ihren Plünderungszügen. Die wilden, grausamen Wüstenbewohner schwärmten "wie eine große Menge Heuschrecken" (Richter 6,5) mit ihren Herden über das Land. Wie eine verzehrende Plage breiteten sie sich vom Jordan bis zur Philister-Ebene aus. Sie kamen, sobald die Ernte zu reifen begann, und blieben, bis die letzten Früchte eingesammelt waren. Sie plünderten die Felder, beraubten und misshandelten die Bewohner und verschwanden dann wieder in der Wüste. Israeliten, die auf dem Land wohnten, mussten deshalb oft ihre Häuser verlassen und in befestigten Städten oder Festungen Zuflucht suchen, oder sie fanden Schutz in Höhlen und Schlupfwinkeln in den Bergen. Sieben Jahre lang dauerte diese schreckliche Bedrängnis. Als das Volk Israel in seinem Elend nun doch wieder auf Gottes Ermahnungen achtete und seine Sünden bekannte, erweckte ihm der Herr abermals einen Retter. Gideons Berufung WABT 531 1 Gideon war der Sohn des Joasch aus dem Stamm Manasse. Das Geschlecht, zu dem diese Familie gehörte, nahm keine führende Stellung ein, aber es zeichnete sich durch Mut und Redlichkeit aus. Von Joaschs tapferen Söhnen sagt die Heilige Schrift: "Sie waren ... jeder anzusehen wie ein Königssohn." (Richter 8,18) Bis auf einen waren alle in den Kämpfen gegen die Midianiter gefallen, und dessen Name war von den Eindringlingen gefürchtet. An seinen Sohn Gideon erging nun Gottes Ruf, das Volk zu befreien. Er war gerade beim Weizendreschen. Er hatte eine kleine Menge Korn versteckt. Weil er sie nicht auf der gewöhnlichen Tenne zu dreschen wagte, tat er es heimlich bei einer Kelter. Die Zeit der Weinlese war ja noch lange nicht da, und darum wurden die Weingärten von den Feinden kaum beachtet. Während Gideon still und verborgen arbeitete, dachte er bekümmert über Israels Lage nach und überlegte, wie das Joch der Unterdrücker abgeschüttelt werden könnte. WABT 531 2 Plötzlich "zeigte sich ihm der Engel des Herrn und sagte: ›Gott mit dir, du tapferer Krieger!‹ Gideon erwiderte: ›Verzeihung, mein Herr! Aber wenn wirklich Gott mit uns ist, wie konnte uns dann so viel Unglück treffen? Unsere Väter haben uns doch immer wieder erzählt: ›Der Herr hat uns aus Ägypten hierher geführt.‹ Wo sind denn nun alle seine Wundertaten geblieben? Nein, der Herr hat uns im Stich gelassen und uns den Midianitern ausgeliefert!‹" Der Bote des Himmels erwiderte: "Du bist stark und mutig. Geh und rette Israel aus der Hand der Midianiter. Ich sende dich!" (Richter 6,12-14 GNB) WABT 532 1 Gideon erbat sich ein Zeichen zum Beweis, dass der Engel, der mit ihm sprach, der Engel des Bundes war, der in der Vergangenheit für Israel gekämpft hatte. Die Engel Gottes, die einst zu Abraham gekommen waren, hatten gezögert, dessen Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Doch nun nötigte Gideon den Himmelsboten, sein Gast zu sein. Er lief in sein Zelt, bereitete aus seinen bescheidenen Vorräten einen jungen Ziegenbock und ungesäuerte Brote zu und legte sie ihm vor. Aber der Engel gebot ihm: "Nimm das Fleisch und die Brote und lege es hin auf den Fels hier und gieß die Brühe darüber." (Richter 6,20) Gideon tat es und erhielt das gewünschte Zeichen: Der Engel berührte mit seinem Stab das Fleisch und die ungesäuerten Brote. Da loderte Feuer aus dem Fels und verzehrte das Opfer. Dann entschwand der Engel seinen Augen. WABT 532 2 Auch Gideons Vater Joasch gehörte zu den Abtrünnigen unter seinen Landsleuten und hatte in der Nähe seines Wohnortes Ofra einen großen Altar für Baal errichtet, vor dem die Einheimischen anbeteten. Diesen sollte Gideon zerstören und über dem Felsen, auf dem sein Opfer verzehrt wurde, für Jahwe einen Altar errichten und dem Herrn opfern. Nur Priester durften Gott Opfer darbringen, und der Opferdienst war auf den Altar in Silo beschränkt. Aber der Begründer dieses rituellen Dienstes, auf den alle Opfer hinwiesen, hatte die Macht, diese Vorschriften zu ändern. Bevor Israel befreit werden konnte, musste ernsthaft gegen die Verehrung Baals protestiert werden. Gideon musste dem Götzendienst den Kampf ansagen, ehe er gegen die Feinde seines Volkes in den Kampf zog. WABT 532 3 Gewissenhaft führte er Gottes Auftrag aus. Es war ihm klar, dass es Widerstand gäbe, wenn er öffentlich ans Werk ginge. Deshalb rief er seine Gehilfen heimlich zusammen. In einer Nacht wurde alles vollbracht. Der Zorn der Männer in Ofra war groß, als sie am nächsten Morgen kamen, um Baal anzubeten. Sie hätten Gideon umgebracht, wenn nicht Joasch seinen Sohn verteidigt hätte, weil er vom Besuch des Engels erfahren hatte. "Wollt ihr für Baal streiten?", fragte er. "Wollt ihr ihm helfen? Wer für ihn streitet, der soll noch diesen Morgen sterben. Ist er Gott, so streite er für sich selbst, weil sein Altar niedergerissen ist." (Richter 6,31) Wenn Baal seinen eigenen Altar nicht verteidigen konnte, wie sollte man ihm zutrauen, in der Lage zu sein, seine Anbeter zu beschützen? WABT 533 1 Damit war jeder Gedanke an Gewaltanwendung gegen Gideon abgetan. Als er die Kriegsposaune erschallen ließ, gehörten die Männer von Ofra zu den Ersten, die sich um sein Banner scharten. Schnell sandte er Boten zu seinem eigenen Stamm Manasse und auch zu den Stämmen Asser, Sebulon und Naftali. Alle folgten dem Ruf. WABT 533 2 Gideon wagte es nicht, das Heer ohne eine weitere Bestätigung, dass Gott ihn zu dieser Aufgabe berufen habe und mit ihm sein werde, anzuführen. Darum betete er: "Willst du Israel durch meine Hand erretten, wie du zugesagt hast, so will ich abgeschorene Wolle auf die Tenne legen: Wird der Tau allein auf der Wolle sein und der ganze Boden umher trocken, so will ich daran erkennen, dass du Israel erretten wirst durch meine Hand, wie du zugesagt hast." (Richter 6,36.37) Am Morgen war die Wolle nass und der Boden trocken. Aber nun kamen ihm Zweifel: Wolle zieht naturgemäß Feuchtigkeit aus der Luft an, also konnte der Test nicht maßgebend sein. Deshalb erbat er das umgekehrte Zeichen und flehte, dass seine übergroße Vorsicht dem Herrn nicht missfallen möge. Gott gewährte ihm auch diese Bitte. Die Auswahl Von Gideons Streitmacht WABT 533 3 Das gab Gideon Mut. Er führte seine Streitkräfte in den Kampf gegen die Eindringlinge. "Die Midianiter und dazu die Amalekiter und die Beduinen aus dem Osten versammelten ihre ganze Streitmacht und überschritten den Jordan. In der Ebene von Jesreel schlugen sie ihr Lager auf." (Richter 6,33 GNB) Die gesamte Streitmacht unter Gideons Befehl betrug nur 32 000 Mann. Doch trotz der riesigen Menge von Feinden sagte der Herr zu ihm: "Dein Heer ist zu groß! So kann ich die Midianiter nicht in eure Hand geben. Sonst werden die Leute von Israel am Ende prahlen und sagen: ›Der eigenen Hand verdanken wir unsere Rettung!‹ Darum lass im ganzen Lager ausrufen, dass alle, die Angst haben, nach Hause gehen." (Richter 7,2.3 GNB) Wer keine Gefahren und Mühsal auf sich nehmen wollte oder wessen Herz durch weltliche Interessen vom Werk Gottes abgehalten wurde, bedeutete für Israels Heer keine Verstärkung. Seine Anwesenheit wäre nur ein Grund für Schwäche. WABT 533 4 Bevor man in den Kampf zog, musste in Israel laut Gesetz im ganzen Heer Folgendes bekannt gemacht werden: "Ist jemand da, der ein neues Haus gebaut und noch nicht eingeweiht hat? Er soll heimkehren, damit er nicht im Kampf fällt und ein anderer das Haus an seiner Stelle bewohnt. Oder ist jemand da, der einen neuen Weinberg angelegt und noch nicht davon geerntet hat? Er soll heimkehren, damit er nicht fällt und ein anderer die erste Lese hält. Oder ist jemand da, der sich mit einem Mädchen verlobt, es aber noch nicht geheiratet hat? Er soll heimkehren, damit er nicht fällt und ein anderer seine Braut bekommt." Schließlich sollen sie noch hinzufügen: "Ist jemand da, der Angst hat und sich vor dem Feind fürchtet? Er soll heimkehren, damit er nicht die anderen ansteckt und auch ihnen den Mut nimmt." (5. Mose 20,5-8 GNB) WABT 534 1 Gideon hatte diese übliche Verkündigung unterlassen, weil sein Heer im Vergleich zu dem des Feindes so klein war. Als Gott ihm nun eröffnete, dass es noch zu groß sei, war er sehr erstaunt. Aber der Herr sah den Stolz und den Unglauben seines Volkes. Angefacht durch Gideons mitreißende Appelle, hatten sie sich leicht anwerben lassen, aber beim Anblick der Menge von Midi- anitern wurden viele ängstlich. Doch gerade sie hätten nach einem Sieg Israels den Ruhm für sich in Anspruch genommen, statt ihn Gott zuzuschreiben. WABT 534 2 Gideon gehorchte der Weisung des Herrn und sah schweren Herzens 22 000 Mann, also mehr als zwei Drittel seiner gesamten Streitmacht, nach Hause ziehen. Doch erneut erreichte ihn ein Wort des Herrn: "Dein Heer ist immer noch zu groß. Führe die Männer hinunter zur Quelle, dort will ich selbst die Auswahl treffen. Ich werde dir sagen, wer mit dir gehen soll und wer nicht." (Richter 7,4 GNB) Die Leute wurden zum Flussufer geführt und dachten, dass sie nun gleich gegen den Feind vorrücken würden. Einige wenige nahmen noch schnell etwas Wasser mit der Hand auf und schlürften es im Weitergehen, aber die meisten knieten nieder und tranken in aller Ruhe das Wasser direkt aus dem Fluss. Von 10 000 Männern schöpften nur 300 Wasser mit ihren Händen - und gerade diese erwählte der Herr. Alle anderen durften den Heimweg antreten. WABT 534 3 Oft wird der Charakter eines Menschen auf die einfachste Weise geprüft. Wer in Zeiten der Gefahr darauf aus ist, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, auf den ist in einem Notfall kein Verlass. Für träge und genießerische Leute ist im Werk des Herrn kein Platz. Die wenigen Männer, die er erwählte, ließen sich nicht durch eigene Bedürfnisse von ihrer Pflichterfüllung abhalten. Diese 300 besaßen nicht nur Mut und Selbstbeherrschung, sondern waren auch Männer des Glaubens. Sie hatten sich nicht durch Götzendienst verunreinigt. Gott konnte sie leiten, und durch sie konnte er Israel befreien. Erfolg hängt nicht von Zahlen ab. Gott kann sowohl durch wenige wie auch durch viele erretten. Er wird nicht so sehr durch die große Anzahl geehrt als durch den Charakter derer, die ihm dienen. Eine Ermutigung Für Gideon WABT 534 4 Die Israeliten stellten sich auf der Kuppe eines Hügels auf, von dem sie das Tal und die Scharen der Feinde überschauen konnten. "Die Midianiter und Amalekiter und alle aus dem Osten hatten sich niedergelassen in der Ebene wie eine Menge Heuschrecken, und ihre Kamele waren nicht zu zählen wegen ihrer großen Menge, wie der Sand am Ufer des Meeres." (Richter 7,12) Gideon zitterte, als er an den Kampf des kommenden Tages dachte. Aber in der Nacht sprach der Herr zu ihm und gebot ihm, zusammen mit seinem Diener Pura in das Lager der Midianiter hinabzugehen. Er deutete dabei an, er werde dort etwas Ermutigendes hören. Gideon ging, und als er schweigend im Dunkeln wartete, hörte er, wie ein Krieger einem anderen seinen Traum erzählte: "Ich habe im Traum gesehen, wie ein Gerstenbrot vom Berg herab in unser Lager rollte. Es stieß an unser Zelt, warf es um und kehrte das Unterste zuoberst." Die Entgegnung des anderen versetzte den unbemerkten Lauscher in Erregung: "Das kann nur eine Bedeutung haben: Der Israelit Gideon wird uns besiegen; Gott hat uns und unser Lager in seine Hand gegeben!" (Richter 7,13.14 GNB) Gideon erkannte die Stimme Gottes, die durch jene fremden Midianiter zu ihm sprach. Er kehrte zurück zu den wenigen Männern, die unter seinem Befehl standen, und rief ihnen zu: "Steht auf! Der Herr hat das Lager der Midianiter in eure Hand gegeben." (Richter 7,15 GNB) WABT 535 1 Durch göttliche Anleitung wurde ihm ein Angriffsplan gegeben, den er sofort ausführte. Die 300 Männer wurden in drei Einheiten geteilt. Jeder erhielt eine Posaune und eine Fackel, die in einem Tonkrug verborgen war. Die Männer waren so aufgestellt, dass sie von verschiedenen Seiten auf das midi- anitische Lager zukamen. Auf ein Signal aus Gideons Kriegstrompete ließen die drei Gruppen in der stockfinsteren Nacht ihre Posaunen erschallen. Dann zerschlugen sie ihre Krüge und hielten die brennenden Fackeln hoch. Zugleich stürmten sie mit dem furchterregenden Kriegsgeschrei: "Ein Schwert für den Herrn und für Gideon!" auf die Feinde los (Richter 7,20 NLB). Die Niederlage Der Midianiter WABT 535 2 Im Nu war das schlafende Heer wach. Auf allen Seiten sah es sich von brennenden Fackeln umgeben. Aus jeder Richtung hörte es Posaunenschall und das Geschrei der Angreifer. Da die Midianiter glaubten, der Gewalt einer Übermacht ausgeliefert zu sein, wurden sie von panischem Schrecken erfasst. Laut aufschreiend rannten sie um ihr Leben, und weil sie die eigenen Kameraden für Feinde hielten, erschlugen sie sich gegenseitig. WABT 535 3 Als sich die Nachricht vom Sieg der Israeliten verbreitete, kamen Tausende von den Männern, die nach Hause entlassen worden waren, zurück und schlossen sich der Verfolgung der fliehenden Feinde an. In der Hoffnung, jenseits des Flusses ihr eigenes Gebiet zu erreichen, schlugen die Midianiter den Weg zum Jordan ein. Aber Gideon sandte Boten zum Stamm Ephraim und bewog sie, die Flüchtenden an den südlichen Furten abzufangen. Inzwischen überquerte er selbst mit seinen 300 Männern den Fluss. Sie waren zwar erschöpft, jagten aber dennoch den Feinden nach, dicht hinter denen, die schon auf die andere Seite gelangt waren. Er holte die Oberbefehlshaber des feindlichen Heeres ein - die beiden Fürsten Sebach und Zalmunna, die mit 15 000 Mann entkommen waren -, zerstreute ihre Streitmacht vollständig, nahm diese Anführer gefangen und erschlug sie. WABT 536 1 Nicht weniger als 120 000 Eindringlinge kamen bei dieser außergewöhnlichen Niederlage ums Leben. Die Macht der Midianiter war gebrochen, sodass sie nie wieder Krieg gegen Israel führen konnten. Überall verbreitete sich die Nachricht, dass der Gott Israels wieder für sein Volk gekämpft hatte. Worte können das Entsetzen der umliegenden Völker nicht beschreiben, als sie erfuhren, mit welch einfachen Mitteln die Macht eines kühnen, kriegerischen Volkes überwunden worden war. WABT 536 2 Gideon, den Gott als Anführer erwählte, um die Midianiter zu besiegen, nahm keine herausragende Stellung in Israel ein. Er war weder Fürst noch Priester noch Levit. Er hielt sich selbst für den Geringsten in seinem Vaterhaus. Aber Gott sah in ihm den mutigen und rechtschaffenen Mann, der sich selbst nicht viel zutraute, aber willig war, der Führung des Herrn zu folgen. Gott erwählt für sein Werk nicht immer hochbegabte Männer, sondern solche, die er am besten gebrauchen kann. "Ehe man zu Ehren kommt, muss man Demut lernen." (Sprüche 15,33) Am besten kann der Herr durch jene wirken, die sich ihrer Unzulänglichkeit am stärksten bewusst sind und sich auf ihn als Führer und Kraftquelle verlassen. Er wird sie stark machen, indem er ihre Schwachheit mit seiner Macht vereint. Er macht sie klug, indem er ihre Unwissenheit mit seiner Weisheit verbindet. WABT 536 3 Wenn echte Demut praktiziert würde, könnte Gott viel mehr für sein Volk tun. Aber nur wenigen kann große Verantwortung übertragen und Erfolg geschenkt werden, ohne dass sie sich überheben und ihre Abhängigkeit von Gott vergessen. Das ist der Grund, weshalb der Herr bei der Auswahl seiner Werkzeuge diejenigen übergeht, die in den Augen der Welt als groß, talentiert und brillant gelten. Sie sind allzu oft stolz und selbstzufrieden und meinen, ohne Gottes Rat handeln zu können. WABT 536 4 Die Armee Josuas mit ihrem einfachen Posaunenblasen bei der Umrundung von Jericho sowie die kleine Schar Gideons vor den Heeren Midians wurden durch Gottes Macht zu wirksamen Werkzeugen, um seine gewaltigen Feinde zu besiegen. Ohne Gottes Macht und Weisheit sind die ausgeklügeltsten Pläne der Menschen zum Scheitern verurteilt. Die am wenigsten versprechenden Methoden haben dagegen Erfolg, wenn sie von Gott angeordnet sind und in Demut und im Vertrauen ausgeführt werden. Genauso wichtig ist es für den geistlichen Kampf eines Christen, Gott zu vertrauen und seinem Willen zu gehorchen, wie es für Gideon und Josua bei ihren Kämpfen gegen die Kanaaniter zutraf. Durch die wiederholten Offenbarungen seiner Macht zugunsten der Israeliten wollte Gott ihren Glauben festigen, damit sie in jeder Not vertrauensvoll seine Hilfe suchten. Er ist heute ebenso bereit, die Bemühungen seines Volkes zu unterstützen und große Dinge durch schwache Werkzeuge zu vollbringen. Der ganze Himmel wartet auf unsere Bitten um Weisheit und Stärke. Gott kann "überschwänglich tun ... über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen" (Epheser 3,20). Der Neid Der Kleingläubigen WABT 537 1 Gideon kehrte von der Vertreibung der Feinde zurück und erlebte von seinen eigenen Landsleuten nichts als Tadel und Anklage. Als er die Männer Israels zum Kampf gegen die Midianiter aufgerufen hatte, war der Stamm Ephraim zurückgeblieben. In dessen Augen war das ein zu gefährliches Unterfangen. Und da Gideon die Ephraimiter nicht eigens aufgerufen hatte, benutzte der Stamm diese Ausrede, um sich seinen Brüdern nicht anschließen zu müssen. Als aber die Siegesnachrichten eintrafen, waren sie neidisch, weil sie nicht beteiligt waren. Nach der Niederlage der Midianiter hatten sie allerdings auf Gideons Anweisung die Jordanfurten besetzt und damit ein Entkommen der Flüchtigen verhindert. Auf diese Weise waren viele Feinde erschlagen worden, unter ihnen auch die beiden Fürsten Oreb und Seeb. So setzten die Ephraimiten den Kampf fort und halfen mit, den Sieg zu vollenden. Trotzdem waren sie eifersüchtig und zornig, als ob Gideon seinem eigenen Willen und Urteil gefolgt wäre. Sie sahen in Israels Sieg nicht Gottes Hand. Sie schätzten seine Macht und Gnade bei ihrer Befreiung nicht - und gerade diese Tatsache bewies, dass sie unwürdig waren, seine besonderen Werkzeuge zu sein. WABT 537 2 Als sie mit den Siegestrophäen heimkehrten, machten sie Gideon zornige Vorwürfe: "Warum hast du uns nicht gerufen, als du in den Kampf gegen die Midianiter gezogen bist? Das hättest du uns nicht antun dürfen!" Er aber fragte: "Der Sieg, den ich errungen habe, ist nichts, verglichen mit dem, was euch geglückt ist. Ihr kennt doch das Sprichwort: ›Die Nachlese Ephraims ist besser als die Lese Abiesersh Gott hat die Anführer der Midianiter in eure Hand gegeben; das stellt alles in den Schatten, was ich getan habe." (Richter 8,1-3 GNB) WABT 538 1 Der Geist der Eifersucht hätte hier leicht einen Streit entfachen und einen blutigen Konflikt verursachen können. Aber Gideons bescheidene Antwort besänftigte den Zorn der Männer Ephraims, und sie kehrten friedlich in ihre Heime zurück. So fest und unnachgiebig Gideon in grundsätzlichen Dingen war, im Krieg ein "tapferer Held" (Richter 6,12b Elb.), bewies er hier einen Geist der Höflichkeit, wie man ihn selten findet. Gideons Demut Und Sein Fehler WABT 538 2 In ihrer Dankbarkeit für die Befreiung von den Midianitern schlugen die Israeliten vor, Gideon zu ihrem König zu machen. Der Thron sollte auch seinen Nachkommen zugesichert werden. Aber dieses Angebot war eine offene Verletzung der Grundsätze einer Gottesherrschaft (Theokratie). Gott war der König Israels. Hätten sie einen Menschen auf den Thron gehoben, wäre dies einer Ablehnung Gottes als Herrscher gleichgekommen. Das erkannte Gideon, und seine Antwort zeigt, wie edel und aufrichtig seine Beweggründe waren. Gideon erklärte: "Ich will nicht Herrscher über euch sein, und mein Sohn soll auch nicht Herrscher über euch sein, sondern der Herr soll Herrscher über euch sein." (Richter 8,23) WABT 538 3 Aber Gideon wurde in einen anderen Irrtum verführt, der Unglück über seine Familie und ganz Israel brachte. Die Zeit der Untätigkeit, die oft auf schwere Kampfzeiten folgt, ist vielfach gefährlicher als die Zeit der Auseinandersetzung. Dieser Gefahr war Gideon nun ausgesetzt. Ihn packte die Unruhe. Bisher war er damit zufrieden gewesen, Gottes Befehle auszuführen. Nun aber fing er an, selbst Pläne zu schmieden, statt auf göttliche Weisungen zu warten. Immer wieder zeigt die Geschichte: Wenn die Heere des Herrn einen besonderen Sieg errungen haben, verdoppelt auch Satan seine Anstrengungen, um Gottes Werk zugrunde zu richten. Darum flüsterte er Gideon Gedanken und Pläne ein, die das Volk Israel in die Irre führten. WABT 538 4 Weil ihm befohlen worden war, auf dem Felsen, wo ihm der Engel erschienen war, zu opfern, schlussfolgerte er, dass er zum Priesteramt berufen sei. Ohne auf eine göttliche Bestätigung zu warten, ließ er einen geeigneten Platz vorbereiten, um eine gottesdienstliche Ordnung einzurichten, die der am Heiligtum glich. Er wurde von der Gunst des Volkes getragen und hatte keine Schwierigkeiten, diesen Plan auszuführen. Auf sein Ersuchen hin gab man ihm alle Ohrringe der Midianiter als seinen Anteil an der Beute. Das Volk sammelte ferner viele andere wertvolle Dinge, darunter auch die reich verzierten Gewänder der Midianiter-Fürsten. Aus den gelieferten Materialien machte Gideon ein Efod und ein Brustschild, eine Nachbildung dessen, was der Hohepriester trug. Dies wurde ihm selbst, seiner Familie und dem Volk Israel zum Fallstrick. Dieser unberechtigte Gottesdienst verführte viele schließlich dazu, den Herrn gänzlich zu verlassen und Götzen zu dienen. Nach Gideons Tod schloss sich eine große Anzahl, darunter auch seine eigene Familie, diesem Abfall an. Derselbe Mann, der einst die Abgötterei besiegte, brachte das Volk wieder von Gott weg. WABT 539 1 Nur wenige machen sich den weitreichenden Einfluss ihrer Worte und Taten klar. Wie oft haben Irrtümer der Eltern bei den Kindern und Enkeln noch verheerende Folgen, wenn sie selbst schon längst im Grab ruhen. Jeder übt irgendwie einen Einfluss auf andere aus und wird für die Folgen verantwortlich gemacht. Worte und Taten sind von prägender Macht, und unser irdisches Leben wirkt noch lange nach. Der Eindruck, den unsere Handlungen hinterlassen, wird sich als Segen oder Fluch auf uns selbst auswirken. Dieser Gedanke verleiht dem Leben einen feierlichen Ernst und sollte uns zur demütigen Bitte veranlassen, dass Gott uns durch seine Weisheit lenken möge. WABT 539 2 Menschen in höchsten Stellungen können andere auf falsche Wege führen; die Erfahrensten können sich irren; die Stärksten können straucheln und fallen. Unser Lebensweg muss ständig von oben erleuchtet sein. Unsere einzige Sicherheit liegt im bedingungslosen Vertrauen zu dem, der gesagt hat: "Folge mir nach!" (Markus 2,14b u. a.) Erneute Abgötterei Und Unterdrückung WABT 539 3 "Als aber Gideon gestorben war, kehrten sich die Israeliten ab und ... sie dachten nicht an den Herrn, ihren Gott, der sie errettet hatte aus der Hand aller ihrer Feinde ringsumher, und erzeigten sich nicht dankbar dem Hause des Jerubbaal - das ist Gideon - für alles Gute, das er an Israel getan hatte." (Richter 8,33-35) Ungeachtet all dessen, was die Israeliten ihm als Richter und Befreier verdankten, machten sie seinen unehelichen Sohn Abimelech zu ihrem König, der mit einer Ausnahme alle rechtmäßigen Kinder Gideons umbrachte, um seine Macht zu sichern. Wenn Menschen keine Ehrfurcht vor Gott kennen, dauert es meist nicht lange, bis bei ihnen auch Ehre und Rechtschaffenheit verlorengehen. Wenn wir Gottes Gnade recht schätzen, werden wir auch diejenigen würdigen, die - wie Gideon - zum Segen seines Volkes Werkzeuge in Gottes Hand gewesen sind. Das grausame Vorgehen Israels gegen das Haus Gideons konnte nur in einem Volk geschehen, das Gott gegenüber sehr undankbar war. WABT 539 4 Nach Abimelechs Tod geboten gottesfürchtige Richter der Götzenanbetung eine Zeitlang Einhalt. Aber es dauerte nie lange, bis Israel zu den Gewohnheiten der heidnischen Völker seiner Umgebung zurückkehrte. Bei den Stämmen im Norden hatten die Götter Syriens und Sidons viele Anhänger. Im Südwesten brachten die Abgötter der Philister und im Osten jene von Moab und Ammon Israel von der Anbetung des Gottes ihrer Väter ab. Aber dem Abfall folgte unmittelbar die Strafe. Die Ammoniter unterwarfen die östlichen Stämme, überschritten den Jordan und drangen in das Gebiet von Juda und Ephraim ein. Im Westen zogen die Philister aus ihrer Ebene am Mittelmeer herauf. Sie brandschatzten und plünderten weit und breit. Wieder einmal schien Israel seinen unbarmherzigen Feinden preisgegeben zu sein. WABT 540 1 Und wieder suchte das Volk Hilfe bei dem, den es verlassen und beleidigt hatte. "Da schrien die Israeliten zu dem Herrn und sprachen: Wir haben an dir gesündigt, denn wir haben unseren Gott verlassen und den Baalen gedient." (Richter 10,10) Aber ihr Kummer bewirkte keine echte Reue. Das Volk klagte, weil seine Sünden Leiden mit sich brachten - nicht aber, weil es Gott durch Übertretung seines heiligen Gesetzes Schande bereitet hatte. Wahre Reue ist mehr als Traurigkeit über die Sünde. Sie ist die entschiedene Abkehr vom Bösen. WABT 540 2 Der Herr antwortete ihnen durch einen seiner Propheten: "Habe ich euch nicht vor den Ägyptern, den Amoritern, Ammonitern und Philistern gerettet? Und als ihr zu mir um Hilfe riefet, weil euch die Phönizier, Amalekiter und Maoniter bedrängten, habe ich euch da nicht vor ihnen beschützt? Ihr aber habt euch von mir abgewandt und habt anderen Göttern geopfert. Deshalb werde ich euch jetzt nicht mehr helfen. Geht doch zu den Göttern, die ihr euch ausgesucht habt! Die sollen euch jetzt in der Not beistehen und euch retten!" (Richter 10,11-14 GNB) WABT 540 3 Diese ernsten, furchtbaren Worte lenken die Gedanken auf ein anderes, zukünftiges Geschehen - den großen Tag des Jüngsten Gerichts - an dem alle, die Gottes Barmherzigkeit verworfen und seine Gnade verachtet haben, seiner Gerechtigkeit gegenüberstehen werden. Vor jenem Gericht müssen all diejenigen Rechenschaft ablegen, die ihre von Gott verliehenen Gaben an Zeit, Mitteln oder geistigen Fähigkeiten in den Dienst der Götter dieser Welt gestellt haben. Sie haben ihren wahrhaften, liebenden Freund verlassen und sind den Weg der Bequemlichkeit und der irdischen Vergnügungen gegangen. Sie hatten wohl die Absicht, sich irgendwann wieder Gott zuzuwenden, aber die Welt mit ihren Torheiten und Täuschungen nahm ihre Aufmerksamkeit ganz in Anspruch. Leichtsinnige Vergnügungen, Kleiderstolz und maßloses Essen verhärteten ihr Herz und stumpften ihr Gewissen ab, sodass sie die Stimme der Wahrheit nicht mehr hörten. Sie hielten nichts von Pflichtbewusstsein. Ewigkeitswerte wurden geringgeschätzt, bis das Herz jegliche Opferbereitschaft für den verlor, der den Menschen so viel gegeben hat. Aber zur Erntezeit werden sie das ernten, was sie gesät haben. WABT 541 1 Der Herr sagt: "Ich habe euch gerufen, aber ihr seid nicht gekommen. Ich kam euch entgegen, aber ihr habt mich nicht beachtet. Ihr habt meinen Rat verachtet und meine Ermahnungen zurückgewiesen ... wenn es euch überrascht wie ein Unwetter und es wie ein Sturm über euch hereinbricht, wenn Angst und Sorgen euch überwältigen. Dann werden sie rufen und ich werde nicht antworten. Sie werden mich suchen und mich nicht finden. Denn sie hassen die Erkenntnis und haben keine Ehrfurcht vor dem Herrn. Sie wollen meinen Rat nicht und hören nicht auf meine Ermahnungen. So sollen sie die Früchte ihres Handelns ernten und müssen mit ihren eigenen Ratschlägen leben. Doch wer auf mich hört, wird ohne Angst in Frieden und Sicherheit leben." (Sprüche 1,24.25.27-31.33 NLB) Ein Weiterer Befreier WABT 541 2 Nun demütigte sich Israel vor dem Herrn. "Und sie beseitigten die fremden Götter aus ihrer Mitte und dienten dem Herrn. Da konnte er ihre Not nicht länger ertragen." (Richter 10,16 NLB) Gottes Herz war bekümmert aus Liebe. O welch langmütige Barmherzigkeit unseres Gottes! Als sein Volk die Sünden ablegte, die Gottes Gegenwart ausgeschlossen hatten, erhörte er seine Gebete und half ihm sogleich. WABT 541 3 Der Herr erweckte einen Befreier in der Gestalt Jeftahs, eines Mannes aus Gilead, der mit den Ammonitern Krieg führte und deren Macht endgültig brach. 18 Jahre lang hatte Israel diesmal unter der Bedrückung seiner Feinde gelitten, doch sie vergaßen die Lehren, die ihnen durch Leiden beigebracht wurden, bald wieder. WABT 541 4 Als Gottes Volk wieder auf üble Wege geriet, ließ es der Herr erneut durch mächtige Feinde bedrängen, dieses Mal durch die Philister. Viele Jahre lang wurde es fortwährend von diesem grausamen, kriegerischen Volk belästigt und zeitweise vollständig unterworfen. Israel hatte sich mit diesen Götzendienern vermischt und so lange an deren Vergnügungen und deren Anbetung teilgenommen, bis es in Geist und Interessen eins mit ihnen zu sein schien. Doch dann wurden diese vorgeblichen Freunde Israels bitterste Feinde, die mit allen Mitteln versuchten, sie gänzlich zugrunde zu richten. WABT 541 5 Wie Israel damals, so geben Christen nur zu oft den Einflüssen der Welt nach und passen sich deren Grundsätzen und Gewohnheiten an, um die Freundschaft der Gottlosen zu gewinnen. Aber zuletzt wird sich herausstellen, dass diese vorgeblichen Freunde die allergefährlichsten Feinde sind. Die Bibel lehrt klar, dass es keine Übereinstimmung zwischen dem Volk Gottes und der Welt geben kann. "Wundert euch nicht, meine Brüder, wenn euch die Welt hasst", schrieb Johannes (1. Johannes 3,13). Unser Erlöser sagte: "Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat." (Johannes 15,18) Unter dem Deckmantel vorgeblicher Freundschaft verleitet Satan Gottes Kinder durch die Gottlosen zur Sünde, um sie von Gott zu trennen. Hat er ihnen ihre Schutzwehr erst einmal genommen, kehren sich seine Helfer gegen sie und versuchen, sie völlig zu verderben. ------------------------Kapitel 54 - Simson WABT 543 0 Richter 13 bis 16. WABT 543 1 Inmitten des weit verbreiteten Abfalls gab es treue Anbeter Gottes, die fortfuhren, ihn um die Befreiung Israels anzuflehen. Obwohl es schien, als käme keine Antwort, obwohl Jahr für Jahr die Hand der Unterdrücker immer schwerer auf dem Land lastete, sorgte Gottes Vorsehung bereits für Hilfe. Gleich in den ersten Jahren der Unterdrückung durch die Philister wurde ein Kind geboren, durch das Gott die Macht dieser Feinde demütigen wollte. WABT 543 2 Am Rand des Hügellandes, von dem man die Philisterebene überschauen konnte, lag die kleine Stadt Zora. Hier wohnte die Familie Manoachs aus dem Stamm Dan, eine der wenigen Familien, die bei der allgemein vorherrschenden Abtrünnigkeit Jahwe treu geblieben war. Eines Tages erschien Manoachs kinderloser Frau der "Engel des Herrn" mit der Botschaft, sie werde einen Sohn bekommen, durch den Gott anfangen werde, Israel zu befreien (Richter 13,3). Im Hinblick darauf gab ihr der Engel Anweisungen für die eigene zukünftige Lebensweise und die Behandlung des Kindes: "Achte darauf, dass du weder Wein noch andere alkoholische Getränke zu dir nimmst und auch keine unreinen Speisen isst." (Richter 13,4 NLB) Dasselbe Verbot galt von Anfang an auch für das Kind mit dem Zusatz, sein Haar nicht zu schneiden, denn das Kind sollte von Geburt an ein Geweihter Gottes sein (vgl. 4. Mose 6,2-5). WABT 543 3 Die Frau ging zu ihrem Mann, beschrieb ihm den Engel und wiederholte dessen Botschaft. Voller Sorge, sie könnten bei der ihnen anvertrauten wichtigen Aufgabe etwas falsch machen, betete ihr Mann: "Bitte, Herr, lass doch den Gottesmann noch einmal zu uns kommen! Er soll uns genau sagen, was wir mit dem Kind, das er uns angekündigt hat, machen sollen." (Richter 13,8 GNB) WABT 543 4 Als der Engel daraufhin nochmals erschien, erkundigte sich Manoach genau: "Wie sollen wir mit dem Jungen umgehen?" Der Engel wiederholte seine vorher gegebenen Anweisungen: "Deine Frau soll alle meine Anweisungen beachten. Sie darf keine Trauben oder Rosinen essen, keinen Wein oder andere alkoholische Getränke zu sich nehmen und keine unreinen Speisen essen. Sie soll alles beachten, was ich ihr angewiesen habe." (Richter 13,12-14 NLB) Die Verantwortung Der Eltern WABT 544 1 Gott hatte für das verheißene Kind Manoachs eine wichtige Aufgabe. Es galt, seine Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln. Deshalb mussten die Lebensgewohnheiten von Mutter und Kind sorgfältig festgelegt werden. Sie soll "Wein oder andere alkoholische Getränke" nicht trinken, lautete die Unterweisung des Engels für Manoachs Frau, "und keine unreinen Speisen essen. Sie soll alles beachten, was ich ihr angewiesen habe." (Richter 13,14 NLB) Die Gewohnheiten einer Mutter werden sich auf das Kind auswirken - sei es zum Wohl oder zum Unheil. Sie muss sich grundsätzlich beherrschen sowie Mäßigkeit und Selbstverleugnung üben, wenn sie auf das Wohlergehen ihres Kindes bedacht ist. Unkluge Berater werden ihr vielleicht einreden, sie müsse jedem Wunsch und Verlangen nachgeben, doch das ist verkehrt und schädlich. Mit feierlichem Ernst verpflichtet Gottes Gebot eine Mutter zur Selbstbeherrschung. WABT 544 2 Und wie die Mütter sind auch die Väter in diese Verantwortung einbezogen. Beide Elternteile vererben ihre geistigen und körperlichen Veranlagungen und Neigungen an ihre Kinder. Als Folge elterlicher Unmäßigkeit fehlt es Kindern oft an körperlicher Stärke und geistiger und moralischer Kraft. Trinker und Raucher können und werden ihr unersättliches Verlangen, ihr unreines Blut und ihre gereizten Nerven an ihre Kinder weitergeben. Undisziplinierte Menschen reichen ihre gottlosen Begierden und sogar grässliche Krankheiten an ihre Nachkommen weiter. Und da die Kinder weniger Kraft besitzen, den Versuchungen zu widerstehen, als die Eltern hatten, geht es mit jeder Generation weiter bergab. Eltern sind nicht nur in hohem Maß für den Hang zur Gewalttätigkeit und die abartigen Neigungen ihrer Kinder verantwortlich, sondern auch in vielen Fällen für die Schwächen derer, die taub, blind, krank oder geistig behindert geboren werden. WABT 544 3 Jeder Vater und jede Mutter sollte sich die Frage stellen: "Wie sollen wir uns gegenüber dem Kind, das uns geboren werden wird, verhalten?" Viele nehmen die Auswirkungen der vorgeburtlichen Einflüsse viel zu leicht. Aber die Unterweisung, die der Himmel jenen israelitischen Eltern gab - und dann noch sehr klar und feierlich wiederholte -, zeigt, wie unser Schöpfer die Sache sieht. Erziehung Zur Selbstbeherrschung WABT 544 4 Es genügte nicht, dass das verheißene Kind von seinen Eltern gute Anlagen erben sollte. Eine sorgfältige Erziehung und die Entwicklung richtiger Gewohnheiten sollten sich anschließen. Gott ordnete an, dass der zukünftige Richter und Retter Israels schon von Kindheit an strikte Enthaltsamkeit lernen musste. Er sollte von Geburt an ein Nasiräer sein, dem der Genuss von Wein und sonstigen berauschenden Getränken für immer untersagt war (vgl. 4. Mose 6,2.3). Kinder sollen schon von klein auf Mäßigkeit, Selbstverleugnung und Selbstbeherrschung lernen. WABT 545 1 Die Anweisung des Engels schloss auch ein, "nichts Unreines [zu] essen". Die Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Speisen (vgl. 3. Mose 11) war nicht bloß eine zeremonielle oder willkürliche Vorschrift, sondern beruhte auf den Prinzipien der Gesunderhaltung. Auf die Befolgung dieser Unterscheidung kann man in hohem Maß die Jahrtausende lange staunenswerte Lebenskraft des jüdischen Volkes zurückführen. Die Grundsätze der Mäßigkeit dürfen nicht nur auf den Gebrauch von alkoholischen Getränken angewandt werden. Der Verzehr von Genussmitteln und schlecht verdaulicher Nahrung ist häufig ebenso gesundheitsschädigend. In vielen Fällen legt dies den Keim zur Trunksucht. Wahre Mäßigkeit lehrt uns, alles Schädliche völlig zu meiden und das, was der Gesundheit dient, wohlüberlegt zu gebrauchen. Nur wenige sind sich ausreichend bewusst, wie sehr ihre Ernährungsgewohnheiten mit ihrer Gesundheit, ihrem Charakter, ihrer Nützlichkeit in dieser Welt und ihrem ewigen Schicksal zu tun haben. Die Esslust sollte jederzeit unter der Herrschaft der moralischen und geistigen Kräfte stehen. Der Körper sollte dem Geist dienen und nicht der Verstand dem Körper untergeordnet sein. Eine Verbindung, Die Gott Nicht Gutheisst WABT 545 2 Gottes Verheißung an Manoach erfüllte sich genau wie vorgesehen. Ihm wurde ein Sohn geboren, dem er den Namen Simson gab. Als der Junge heranwuchs, zeigte es sich, dass er über außergewöhnliche Körperkräfte verfügte. Simson selbst und seine Eltern wussten genau, dass er das nicht seinen gut ausgebildeten Muskeln verdankte, sondern der Tatsache, dass er ein Nasiräer war, wofür er als Sinnbild ungeschorenes Haar trug. Hätte Simson die göttlichen Befehle ebenso gewissenhaft befolgt wie seine Eltern, wäre sein Leben edler und glücklicher verlaufen! Aber sein Umgang mit Götzendienern verdarb ihn. Die Stadt Zora lag dicht an der Grenze zum Land der Philister, und Simson stand bald in freundschaftlichem Kontakt mit ihnen. So kam es in seinen jungen Jahren zu Vertraulichkeiten, deren Einfluss sein ganzes Leben verdüsterte. Eine junge Frau aus Timna gewann Simsons Zuneigung, und er beschloss, sie zu heiraten. Seine gottesfürchtigen Eltern versuchten, ihn davon abzubringen, aber er gab ihnen lediglich zur Antwort: "Sie gefällt mir." (Richter 14,3c NLB) Schließlich gaben sie seinem Wunsch nach. Die Hochzeit fand statt. WABT 546 1 Gerade als er ins Mannesalter kam, in dem er seinen göttlichen Auftrag durchführen sollte - zu der Zeit also, in der er Gott vor allem hätte treu sein müssen -, verband er sich mit Israels Feinden. Er fragte weder danach, ob er Gott mit der Wahl dieser jungen Frau ehrte, noch ob er sich damit in eine Lage brachte, in der er seiner Lebensaufgabe nicht gerecht werden konnte. Gott hat allen, die sich an erster Stelle darum bemühen, ihn zu ehren, Weisheit zugesagt. Aber es gibt keine Verheißung für diejenigen, die entschlossen sind, sich ihre eigenen Wünsche zu erfüllen. WABT 546 2 Wie viele machen es ähnlich wie Simson! Wie oft werden Ehen zwischen Gläubigen und Gottlosen geschlossen, bei denen nur die Zuneigung den Ausschlag bei der Partnerwahl gab! Die Beteiligten fragen weder Gott um Rat, noch haben sie seine Ehre im Blick. Gerade bei der Eheschließung sollte der christliche Glaube einen beherrschenden Einfluss ausüben, aber allzu oft haben die Beweggründe, die zur Verbindung führen, nichts mit christlichen Grundsätzen zu tun. WABT 546 3 Satan bemüht sich ständig, seine Macht über Gottes Volk zu vergrößern, indem er es dazu verleitet, Bindungen mit seinen Untertanen einzugehen. Um das zu erreichen, versucht er, im Herzen unheilige Begierden zu wecken. Aber der Herr hat in seinem Wort sein Volk deutlich davor gewarnt, sich mit denen zusammenzutun, die ihn nicht lieben. "Zieht nicht an einem Strang mit Leuten, die nicht an Christus glauben. Was haben denn Gottes Gerechtigkeit und die Gesetzlosigkeit dieser Welt miteinander zu tun? Wie passen Licht und Finsternis zusammen? Was hat Christus mit dem Teufel gemeinsam? Oder was verbindet einen Glaubenden mit einem Ungläubigen?" (2. Korinther 6,14.15 Hfa) WABT 546 4 Beim Hochzeitsfest wurde Simson mit denen, die den Gott Israels hassten, noch vertrauter. Wer solche Beziehungen freiwillig aufnimmt, wird nicht darum herumkommen, sich bis zu einem gewissen Grad den Sitten und Gewohnheiten seiner Gefährten anzupassen. Die auf solche Weise verbrachte Zeit ist mehr als vergeudet, denn es werden Ansichten geäußert, die dazu neigen, feste Grundsätze zu durchbrechen und den inneren Halt zu schwächen. Auseinandersetzungen Mit Den Philistern WABT 546 5 Die Ehefrau, um derentwillen Simson Gottes Gebot übertreten hatte, übte noch vor dem Abschluss der Hochzeitsfeierlichkeiten Verrat an ihrem Mann. 31Empört über ihr niederträchtiges Verhalten verließ Simson sie kurzerhand und kehrte allein nach Zora in sein Zuhause zurück. Als sein Zorn nachgelassen hatte, ging er wieder zu seiner Frau. Doch er erfuhr, dass sie inzwischen einem anderen Mann gegeben worden war. Aus Rache verwüstete Simson daraufhin alle Felder und Weinberge der Philister. Diese waren darüber so erzürnt, dass sie die Frau umbrachten, obwohl ihre Drohungen sie erst zum Verrat getrieben hatten, mit dem das Ganze begonnen hatte. WABT 547 1 Simson hatte seine erstaunliche Kraft schon unter Beweis gestellt, als er ganz allein einen jungen Löwen tötete und 30 Männer aus Aschkelon erschlug (vgl. Richter 14,5.6.19). Die barbarische Ermordung seiner Frau und deren Familie versetzte ihn in eine solche Wut, dass er die Philister eigenhändig angriff und sie "gründlich zusammenschlug - ein gewaltiger Schlag". Dann zog er sich in Sicherheit zurück und fand "in der Felsspalte von Etam" im Gebiet von Juda Schutz (Richter 15,8 Elb.). WABT 547 2 Bis dorthin verfolgte ihn eine starke Streitmacht. Die Bewohner Judäas kamen in ihrer großen Angst zu der feigen Übereinkunft, ihn an seine Feinde auszuliefern. Deshalb zogen 3000 Männer vom Stamm Juda zu ihm hinauf. Trotz dieser großen Übermacht hätten sie es nicht gewagt, in seine Nähe zu kommen, wenn sie nicht sicher gewesen wären, dass er ihnen als seinen Landsleuten nichts antun werde. Simson willigte ein, dass man ihn fesselte und den Philistern übergab. Aber zuerst verlangte er den Männern Judas das Versprechen ab, ihn nicht anzugreifen und zu zwingen, sie zu vernichten. Er ließ sich mit zwei neuen Stricken binden und in das Lager seiner Feinde führen, wo darüber großer Jubel herrschte. Aber noch während ihr Jubelschrei von den Hügeln widerhallte, "geriet der Geist des Herrn über ihn". Er zerriss die starken neuen Stricke, als wären es "Fäden, die das Feuer versengt" (Richter 15,14 GNB) hatte. Dann ergriff er die erstbeste Waffe, die ihm unter die Hände kam. Es war zwar nur ein Eselskinnbacken, aber dieser half ihm mehr als ein Schwert oder Speer. Er schlug auf die Philister mit solcher Gewalt ein, dass sie in panischem Schrecken flohen und 1000 Erschlagene auf dem Feld zurückließen. WABT 547 3 Wären die Israeliten bereit gewesen, sich Simson anzuschließen und den Sieg auszunützen, hätten sie sich damals von der Macht ihrer Unterdrücker befreien können. Aber sie waren mutlos und feige geworden. Den Befehl Gottes zur Enteignung der Heiden hatten sie nicht ausgeführt und stattdessen bei ihren entwürdigenden Bräuchen mitgemacht und ihre Grausamkeiten geduldet und - solange es sie nicht selbst betraf - ihre Ungerechtigkeit gebilligt. Sobald sie aber selbst von den Tyrannen unterdrückt wurden, nahmen sie die Erniedrigung kampflos hin. Dieser wären sie entkommen, wenn sie Gott gehorcht hätten. Selbst als der Herr ihnen Befreier erweckte, ließen sie diese nicht selten im Stich und schlossen sich ihren Feinden an. Simson Als Richter Israels WABT 548 1 Nach seinem Sieg machten die Israeliten Simson zum Richter. Er regierte Israel 20 Jahre lang. Doch ein falscher Schritt bereitet schon den Weg für den nächsten. Simson hatte Gottes Gebot übertreten, als er sich eine Frau von den Philistern nahm und wagte sich erneut unter sie, die jetzt seine Todfeinde waren, um einer unerlaubten Leidenschaft nachzugeben. Im Vertrauen auf seine große Kraft, die den Philistern solchen Schrecken eingejagt hatte, ging er kühn nach Gaza, um eine Prostituierte jenes Ortes zu besuchen. Die Einwohner der Stadt erfuhren von seiner Anwesenheit und sannen auf Rache. Ihr Feind war innerhalb der Mauern der am stärksten befestigten aller ihrer Städte eingeschlossen. Die Philister waren sich ihrer Beute sicher und warteten nur noch den Morgen ab, um ihren Triumph zu vollenden. Um Mitternacht wurde Simson wach. Die anklagende Stimme seines Gewissens weckte in ihm Reue, als er daran dachte, dass er sein Gelübde als Nasiräer gebrochen hatte. Aber trotz seiner Sünde hatte Gottes Barmherzigkeit ihn nicht verlassen. Wieder konnte er sich durch seine ungeheure Kraft befreien. Er ging zum Stadttor, riss es samt Pfosten und Riegeln aus seiner Verankerung und trug es auf einen Hügel auf dem Weg nach Hebron. Delila, Die Betrügerische Geliebte WABT 548 2 Aber selbst dieses knappe Entrinnen brachte Simson nicht von seinem verkehrten Weg ab. Zwar wagte er sich nicht wieder mitten unter die Philister, aber er suchte weiterhin seine sinnlichen Freuden, die ihn schließlich ins Verderben führten. Bald "gewann er eine Frau im Tal Sorek lieb", unweit von seinem Geburtsort; "ihr Name war Delila", die Verzehrerin (Richter 16,4 Elb.). Das Tal Sorek war für seine Weinberge berühmt. Auch diese bedeuteten für den wankelmütigen Nasiräer eine Versuchung. Er hatte sich bereits dem Weingenuss hingegeben und somit ein weiteres Band zerrissen, das ihn an die Reinheit und an Gott gebunden hatte. Die Philister beobachteten das Treiben ihres Feindes sehr genau. Da er sich durch seine neue Bindung weiter erniedrigte, beschlossen sie, ihn durch Delila völlig zugrunde zu richten. WABT 549 1 Eine Abordnung führender Männer aus allen Gebieten der Philister wurde ins Tal Sorek gesandt. Sie wagten ihn nicht anzugreifen, solange er im Besitz seiner großen Stärke war, wollten aber - falls möglich - das Geheimnis seiner Kraft erfahren. Deshalb bestachen sie Delila, um es ausfindig zu machen. Sie sollte es ihnen verraten. WABT 549 2 Als die Verräterin Simson mit ihren Fragen bearbeitete, täuschte er sie mit der Erklärung, er werde schwach wie andere Menschen, wenn man ihn auf bestimmte Weise behandle. Als sie dies ausprobierte, wurde der Betrug aufgedeckt. Da warf sie ihm Unwahrhaftigkeit vor und sagte: "Wie kannst du sagen, dass du mich liebst, wenn du mir nicht vertraust? Du hast mich jetzt drei Mal getäuscht und mir noch immer nicht gesagt, was dich so stark macht." (Richter 16,15 NLB) Dreimal erhielt Simson den eindeutigen Beweis, dass die Philister mit seiner Liebhaberin im Bunde waren, um ihn zu vernichten. Aber jedes Mal, wenn ihr Plan misslang, tat sie die Sache als Scherz ab, und er verdrängte unbedacht seine Angst. WABT 549 3 Tag für Tag bedrängte ihn Delila, bis "er es nicht mehr aushielt" (Richter 16,16 NLB), doch eine geheimnisvolle Kraft hielt ihn an ihrer Seite. Schließlich wurde er überwunden und verriet sein Geheimnis: "Noch nie in meinem Leben sind mir die Haare geschnitten worden. Seit meiner Geburt bin ich dem Herrn geweiht. Wenn man mir die Haare abschneidet, verliere ich meine Kraft und bin nicht stärker als irgendein anderer Mensch." (Richter 16,17 GNB) Sofort sandte sie einen Boten zu den Fürsten der Philister und forderte sie dringend auf, unverzüglich zu ihr zu kommen. Während der Krieger schlief, schnitt man ihm die schwere Menge seines Haares ab. Dann rief sie, wie sie es schon dreimal getan hatte: "Philister über dir, Simson!" (Richter 16,20a) Als er plötzlich erwachte, wollte er seine Kraft wie früher anwenden und sie vernichten. Aber die kraftlos gewordenen Arme versagten den Dienst, und er begriff, "dass der Herr von ihm gewichen war" (Richter 16,20b). Als er geschoren war, fing Delila an, ihn zu ärgern und ihm Schmerzen zuzufügen, um seine Kraft auf die Probe zu stellen, denn die Philister trauten sich nicht an ihn heran, ehe sie nicht restlos überzeugt waren, dass ihn seine Stärke verlassen hatte. Dann ergriffen sie ihn, stachen ihm beide Augen aus und nahmen ihn mit nach Gaza. Hier wurde er im Gefängnis mit Ketten gebunden und zu schwerer Arbeit gezwungen. Ein Gefangener Der Philister WABT 549 4 Was für eine Veränderung für den einstigen Richter und Helden Israels! Nun war er schwach, blind, gefangen und zu niedrigstem Dienst verurteilt. Nach und nach hatte er alle Bedingungen seiner heiligen Berufung verletzt. Gott hatte lange Geduld mit ihm gehabt. Aber als sich Simson der Macht der Sünde so weitgehend gebeugt hatte, dass er sein Geheimnis preisgab, verließ ihn der Herr. In seinem langen Haar lag keine Kraft, es war ein Zeichen seiner Treue zu Gott. Während er sich seiner Leidenschaft hingab, opferte er dieses Zeichen und verlor damit auch den Segen, für den es stand. WABT 550 1 In Leid und Erniedrigung und als Belustigung für die Philister wurde sich Simson seiner Schwäche mehr als je zuvor bewusst. Sein Elend führte ihn zur Reue. Als sein Haar nachwuchs, kehrte seine Kraft allmählich zurück, aber seine Feinde hegten keine Befürchtungen, denn sie sahen in ihm nur einen gefesselten, hilflosen Gefangenen. WABT 550 2 Die Philister schrieben ihren Sieg ihren Göttern zu. Triumphierend spotteten sie über den Gott Israels. Sie veranstalteten ein Fest zu Ehren des Fischgottes Dagon, des Beschützers des Meeres. Aus dem gesamten Philister-Land kamen Stadt- und Landvolk und seine Fürsten zusammen. Scharen von Anbetern füllten den riesigen Tempel und drängten sich auf den Dachgalerien. Überall herrschte Feststimmung. Auf den Prunk des Opferritus folgten Musik und ein Festgelage. Dann wurde Simson als krönendes Siegeszeichen für Dagons Macht hereingeführt. Triumphgeschrei begrüßte sein Erscheinen. Das Volk und die Herrscher spotteten über sein Elend und huldigten dem Gott, der den, "der unser Land verwüstete und viele von uns erschlug", überwunden habe (Richter 16,24b). Simsons Letzter Sieg WABT 550 3 Nach einer Weile tat Simson so, als wäre er müde, und bat, sich an die beiden Hauptsäulen lehnen zu dürfen, die das Tempeldach trugen. Dann betete er still: "Allmächtiger Herr, erinnere dich an mich. O Gott, gib mir noch ein einziges Mal Kraft, damit ich, o Gott, mich an den Philistern für den Verlust meiner Augen rächen kann." (Richter 16,28 NLB) Danach umfasste er die Säulen mit seinen kräftigen Armen. Mit dem Ruf: "Ich will sterben mit den Philistern!" beugte er sich. Das Dach stürzte ein und begrub mit lautem Krachen die große Menschenmenge unter sich, "sodass es mehr Tote waren, die er durch seinen Tod tötete, als die er zu seinen Lebzeiten getötet hatte" (Richter 16,30). WABT 550 4 Das Götzenbild und seine Anbeter - Priester und Bauern, Krieger und Edelleute - wurden gemeinsam unter den Trümmern des Dagon-Tempels begraben. Und mitten unter ihnen lag auch die Riesengestalt Simsons, den Gott zum Befreier seines Volkes ausersehen hatte. Die Nachricht vom schrecklichen Geschehen drang bis nach Israel. Da kamen seine Verwandten von ihren Hügeln herab und bargen - ohne auf Widerstand zu stoßen - den Leichnam des gefallenen Helden "und brachten ihn hinauf und begruben ihn im Grab seines Vaters Manoach zwischen Zora und Eschtaol" (Richter 16,31). WABT 551 1 Gottes Verheißung, Simson werde "anfangen, Israel aus der Hand der Philister zu retten" (Richter 13,5c Elb.), hatte sich erfüllt. Aber wie düster und schrecklich ist die Lebensgeschichte dieses Mannes, der Gott zur Ehre und zur Verherrlichung seines Volkes hätte dienen können! Wäre Simson seiner göttlichen Berufung treu geblieben, hätte Gott ihn dadurch ehren und erhöhen können, dass er seine Absichten durch ihn verwirklichte. Aber Simson gab den Versuchungen nach und erwies sich des Vertrauens nicht würdig. Darum endete seine Sendung mit Niederlage, Sklavendienst und Tod. Wahre Stärke Zeigt Sich In Der Beherrschung Der Eigenen Begierden WABT 551 2 Körperlich war Simson der stärkste Mensch auf Erden, aber in Bezug auf Selbstbeherrschung, Rechtschaffenheit und Standhaftigkeit gehörte er zu den schwächsten. Viele halten starke Leidenschaften irrtümlich für das Zeichen eines starken Charakters, aber in Wahrheit ist der Mensch, der sich von seinen Begierden beherrschen lässt, ein Schwächling. Die wahre Größe eines Menschen lässt sich an der Stärke der Gefühle messen, die er beherrscht, nicht an der Stärke der Gefühle, die ihn beherrschen. WABT 551 3 Simsons Leben war unter Gottes fürsorglicher Obhut gestanden, damit er für die Aufgabe vorbereitet war, zu der er berufen wurde. Seit frühester Kindheit umgaben ihn Verhältnisse, die günstige Voraussetzungen für die Entwicklung körperlicher Stärke, geistiger Fähigkeiten und moralischer Reinheit boten. Aber durch seinen schlechten Umgang ließ er den Halt an Gott - den einzigen Schutz des Menschen - fahren und wurde von der Flut des Bösen fortgerissen. Auch wer seine Pflicht erfüllt, wird in Versuchungen geraten, aber er kann gewiss sein, dass Gott ihn bewahren wird (vgl. 1. Korinther 10,13). Wer sich jedoch absichtlich unter die Macht der Versuchung begibt, wird früher oder später zu Fall kommen. WABT 551 4 Gerade bei denen, die Gott als seine Werkzeuge für besondere Aufgaben benutzen möchte, wendet Satan all seine Verführungskünste an. Er greift uns stets an unseren schwachen Stellen an und nutzt unsere charakterlichen Mängel, um die Herrschaft über den ganzen Menschen zu gewinnen. Und er weiß, dass es ihm gelingen wird, wenn wir diese Charaktermängel hegen. Aber niemand braucht sich besiegen zu lassen. Der Mensch muss nicht allein mit seinen schwachen Kräften die Macht des Bösen überwinden. Hilfe ist vorhanden und wird jedem gewährt, der wirklich danach verlangt. Die Engel Gottes, die Jakob in seiner Vision die Leiter auf- und niedersteigen sah (vgl. 1. Mose 28,12), helfen jedem Menschen, der es nur will, zum höchsten Himmel emporzusteigen. ------------------------Kapitel 55 - Samuels Geburt Und Kindheit WABT 553 0 1. Samuel 1 und2,1-12.18-21. WABT 553 1 Elkana, ein Levit vom Gebirge Ephraim, war ein wohlhabender und einflussreicher Mann, der den Herrn liebte und verehrte. Seine Frau Hanna besaß eine tiefe Frömmigkeit. Sie war eine sanftmütige und bescheidene Person. Ihr Charakter war geprägt von großer Ernsthaftigkeit und einem vornehmen Glauben. WABT 553 2 Allerdings war der Segen, den sich jeder Israelit sehnlichst wünschte, diesem frommen Paar versagt. In seinem Heim hörte man keine fröhlichen Kinderstimmen. Der Wunsch, seinen Namen nicht aussterben zu lassen, hatte Elkana - wie viele andere - dazu bewogen, eine zweite Ehe einzugehen. Aber dieser Schritt, den er aus Mangel an Gottvertrauen unternommen hatte, brachte kein Glück. Nun gab es Söhne und Töchter im Haushalt, aber die Freude und Schönheit der von Gott gestifteten Einrichtung der Ehe war gestört und der häusliche Friede dahin. Peninna, die zweite Frau, war eifersüchtig und engherzig, zudem stolz und unverschämt. Für Hanna schien jede Hoffnung zerstört und das Leben nur noch eine beschwerliche Last zu sein. Doch demütig und ohne zu klagen nahm sie diese Prüfung an. WABT 553 3 Elkana beachtete gewissenhaft Gottes Verordnungen. Der Gottesdienst in Silo wurde zwar noch immer aufrechterhalten, doch aufgrund von Unregelmäßigkeiten in der Amtsführung, wurden seine Dienste am Heiligtum nicht in Anspruch genommen, obwohl er als Levit daran hätte teilnehmen müssen. Doch er ging mit seiner Familie stets zu den vorgeschriebenen Versammlungen, um anzubeten und zu opfern. WABT 553 4 Sogar mitten in den Festlichkeiten, die mit dem Gottesdienst verbunden waren, machte sich der böse Geist, der sein Familienleben belastete, bemerkbar. Nach dem Dankopfer versammelte sich die ganze Familie der gewohnten Ordnung entsprechend zu einem würdevollen, doch fröhlichen Fest. Bei diesen Gelegenheiten gab Elkana der Mutter seiner Kinder je ein Stück vom Opferfleisch für sie und ihre Söhne und Töchter. Hanna aber reichte er zum Zeichen seiner Wertschätzung einen doppelten Anteil, um deutlich zu machen, dass seine Liebe zu ihr genauso groß war, wie wenn sie einen Sohn gehabt hätte. Daraufhin forderte die zweite Frau, von Eifersucht getrieben, den Vorrang für sich, da sie doch von Gott gesegnet sei. Sie verhöhnte Hanna wegen ihrer Kinderlosigkeit und behauptete, diese sei ein Zeichen göttlichen Missfallens. Dies wiederholte sich Jahr für Jahr, bis Hanna es nicht mehr ertragen konnte. Unfähig, ihren Kummer zu verbergen, weinte sie hemmungslos und verließ die Feier. Vergeblich versuchte ihr Mann sie zu trösten. "Warum weinst du, und warum isst du nichts? Und warum ist dein Herz so traurig?", fragte er. "Bin ich dir nicht mehr wert als zehn Söhne?" (1. Samuel 1,8) WABT 554 1 Hanna machte ihm keinen Vorwurf. Ihre Last, die sie mit niemandem auf der Welt teilen konnte, legte sie Gott vor. Ernstlich flehte sie ihn an, er möge die Schmach von ihr nehmen und ihr das kostbare Geschenk eines Sohnes gewähren, den sie für ihn pflegen und erziehen würde. Sie legte ein feierliches Gelübde ab, dieses Kind von Geburt an dem Herrn zu weihen, wenn ihre Bitte erhört würde. Hanna hatte sich dem Eingang der Stiftshütte genähert; "sie war von Herzen betrübt und betete ... und weinte sehr" (1. Samuel 1,10). Doch sie hielt im Stillen Zwiesprache mit Gott und sprach kein hörbares Wort. WABT 554 2 In jener schlimmen Zeit sah man eine solche Ausdrucksform des Gebets nur noch selten. Unehrerbietiges Feiern und sogar Trunkenheit waren selbst bei den religiösen Festen nichts Ungewöhnliches. Als Eli, der Hohepriester, Hanna beobachtete, vermutete er darum, sie habe zu viel Wein getrunken. Er dachte, dass ein verdienter Tadel angebracht sei, und sagte streng: "Wie lange willst du dich wie eine Betrunkene benehmen? Mach, dass du deinen Rausch los wirst." (1. Samuel 1,14 Elb.) WABT 554 3 Erschrocken und schmerzlich getroffen, antwortete Hanna sanft: "Nein, mein Herr! Ich bin nichts anderes als eine betrübte Frau. Wein und Rauschtrank habe ich nicht getrunken, sondern ich habe mein Herz vor dem Herrn ausgeschüttet. Halte deine Magd nicht für eine verkommene Frau! Denn aus meinem großen Kummer und Herzeleid habe ich so lange geredet." (1. Samuel 1,15.16 Elb.) WABT 554 4 Der Hohepriester war tief bewegt, denn er war ein Mann Gottes. Statt zu tadeln, segnete er sie nun: "Geh hin mit Frieden; der Gott Israels wird dir die Bitte erfüllen, die du an ihn gerichtet hast." (1. Samuel 1,17) Von Gott Erbeten -- Für Gott Geweiht WABT 554 5 Hannas Gebet wurde erhört. Sie empfing die Gabe, um die sie so ernstlich gebetet hatte. Als sie das Kind betrachtete, nannte sie es Samuel - "von dem Herrn erbeten" (1. Samuel 1,20). Sobald der Kleine alt genug war, um von seiner Mutter getrennt zu werden, erfüllte sie auch ihr Gelübde. Sie liebte ihr Kind mit der ganzen Hingabe eines Mutterherzens. Wenn sie sah, wie seine Kräfte zunahmen und zuhörte, wie er kindlich plauderte, umgab sie ihn Tag für Tag mit noch herzlicherer Liebe. Er war ihr einziger Sohn, das besondere Geschenk des Himmels, aber sie hatte ihn als einen Gott geweihten Schatz empfangen und wollte dem Geber sein Eigentum nicht vorenthalten. WABT 555 1 Wieder einmal pilgerte Hanna mit ihrem Mann nach Silo und übergab im Namen Gottes dem Hohenpriester ihr kostbares Geschenk mit den Worten: "›Hier ist das Kind, um das ich damals Gott angefleht habe; er hat mein Gebet erhört. Auch ich will nun mein Versprechen erfüllen: Das Kind soll für sein ganzes Leben dem Herrn gehören.‹ Und alle warfen sich zum Gebet vor dem Herrn nieder." (1. Samuel 1,27.28 GNB) Eli war vom Glauben und von der Frömmigkeit dieser israelitischen Frau tief beeindruckt. Er, der selbst ein allzu nachsichtiger Vater war, empfand Hochachtung für sie und fühlte sich beim Anblick des großen Opfers, das diese Mutter brachte, zugleich gedemü- tigt: Sie trennte sich von ihrem einzigen Kind und weihte es dem Dienst Gottes. Eli fühlte sich ob seiner eigenen selbstsüchtigen Liebe getadelt. In Demut und Ehrfurcht beugte er sich vor dem Herrn und betete ihn an. Hannas Lobpreis WABT 555 2 Ihr Mutterherz war von Freude und Lobpreis erfüllt. Sie wünschte nichts sehnlicher, als ihren Dank vor Gott auszusprechen. Da kam eine göttliche Eingebung über sie: "Und Hanna betete und sprach: WABT 555 3 Mein Herz jubelt über den Herrn, er hat mich wieder aufgerichtet und mich gestärkt! Jetzt kann ich über meine Feinde lachen. Ich bin voller Freude, weil er mir geholfen hat. Der Herr allein ist heilig; es gibt keinen Gott außer ihm. Auf nichts ist so felsenfest Verlass wie auf ihn, unseren Gott. Tut nicht so groß! Spielt euch nicht so auf! Prahlt nicht so frech mit euren Plänen! Der Herr ist ein Gott, der euer Treiben kennt; er prüft alle eure Taten ... Der Herr tötet und macht lebendig, er verbannt in die Totenwelt und er ruft aus dem Tod ins Leben zurück. Er macht arm und er macht reich, er bringt die einen zu Fall und andere erhöht er. WABT 556 1 Die Armen holt er aus der Not, die Hilflosen heraus aus ihrem Elend; er lässt sie aufsteigen in den Kreis der Angesehenen und gibt ihnen einen Ehrenplatz. Denn die Grundpfeiler der Erde gehören dem Herrn; auf ihnen hat er die Erde errichtet. WABT 556 2 Der Herr leitet und schützt alle, die ihm vertrauen; aber seine Feinde enden in Finsternis, denn kein Mensch erreicht etwas aus eigener Kraft. Alle, die mit dem Herrn streiten, gehen zugrunde; er lässt im Himmel seinen Donner gegen sie grollen. WABT 556 3 Der Herr hält Gericht über die ganze Erde. Er hat seinen König erwählt und gesalbt, darum gibt er ihm große Kraft." (1. Samuel 2,1-3.6-10 GNB) WABT 556 4 Hannas prophetische Worte wiesen sowohl auf David hin, den späteren König von Israel, als auch auf den Messias, den Gesalbten des Herrn. Das Lied berichtet zunächst vom Auftrumpfen einer dreisten und streitbaren Frau und verweist dann auf die Vernichtung der Feinde Gottes und auf den endgültigen Triumph seines erlösten Volkes. Zeichen Der Mutterliebe WABT 556 5 Ruhig kehrte Hanna von Silo in ihr Zuhause nach Rama zurück und überließ den kleinen Samuel der Obhut des Hohenpriesters, damit er für den Dienst im Hause Gottes erzogen werde. Sobald er es begreifen konnte, hatte sie ihn gelehrt, Gott zu lieben und zu verehren und sich als Eigentum des Herrn zu betrachten. Durch die vertrauten Dinge, die ihn umgaben, hatte sie versucht, seine Gedanken auf den Schöpfer zu lenken. WABT 556 6 Mit der Trennung hörte die liebevolle Fürsorge der Mutter für ihr Kind keineswegs auf. Jeden Tag war er eines ihrer Gebetsanliegen. Jedes Jahr nähte sie ihm eigenhändig ein neues Obergewand für seinen Dienst; und wenn sie mit ihrem Mann nach Silo hinaufging, um Gott anzubeten, gab sie es Samuel zum Zeichen ihrer Liebe. Jede Faser dieses kleinen Gewandes war mit einem Gebet verwoben, dass das Kind rein, edel und treu sein möge. Sie erbat für ihren Sohn keine weltliche Größe, flehte aber ernstlich darum, er möge jene Größe erreichen, auf die der Himmel Wert legt, damit er Gott ehren und seinen Mitmenschen zum Segen werden könne. WABT 557 1 Wie sehr wurde Hanna belohnt! Und welche Ermutigung zur Treue liegt in ihrem Beispiel! Es gibt Gelegenheiten von unschätzbarem Wert, unendlich kostbare Möglichkeiten, die jeder Mutter anvertraut sind. Die bescheidenen Verpflichtungen, die Frauen zusehends als langweilige Aufgaben ansehen, sollten als großes und edles Werk betrachtet werden. Es ist das Vorrecht einer Mutter, der Welt durch ihren Einfluss zum Segen zu werden. Indem sie das tut, wird Freude in ihr eigenes Herz einkehren. Sie kann ihren Kindern Wege ebnen, die durch Sonnenschein und Schatten zu den herrlichen Höhen droben führen. Aber nur wenn sie im eigenen Leben die Lehren von Jesus zu verwirklichen sucht, kann eine Mutter hoffen, den Charakter ihrer Kinder nach dem göttlichen Vorbild zu formen. Die Welt ist voll von verderblichen Einflüssen. Mode und Stil üben einen starken Einfluss auf die Jugendlichen aus. Versagt die Mutter in ihrer Pflicht, sie zu unterweisen, zu lenken und zurückzuhalten, werden ihre Kinder natürlicherweise Schlechtes annehmen und sich vom Guten abwenden. Jede Mutter sollte sich oft an ihren Erlöser wenden und ihn bitten: "Wie sollen wir ... mit dem Jungen umgehen? Wie müssen wir uns verhalten?" (Richter 13,12b Hfa) Sie sollte auf die Belehrungen in seinem Wort achten. Dann wird ihr viel Weisheit geschenkt werden, wenn sie sie benötigt. Dienst Im Heiligtum Von Kindheit An WABT 557 2 "Samuel aber wuchs heran zu einem jungen Mann, an dem Gott und die Menschen Freude hatten." (1. Samuel 2,26 GNB) Obwohl Samuel schon als Kind an das Heiligtum kam, das der Anbetung Gottes geweiht war, blieb er doch nicht von bösen Einflüssen und sündhaften Beispielen verschont. Elis Söhne besaßen keine Ehrfurcht vor Gott und keine Achtung vor ihrem Vater. Samuel mied jedoch ihre Gesellschaft und folgte auch nicht ihrem schlechten Beispiel. Er bemühte sich ständig darum, das zu werden, was er nach Gottes Absicht werden sollte. Und das ist das Vorrecht jedes Jugendlichen. Gott freut es, wenn sich sogar kleine Kinder in seinen Dienst stellen. WABT 557 3 Samuel war nun Elis Fürsorge anvertraut. Mit seinem liebenswürdigen Wesen gewann er bald die Zuneigung des alten Priesters, denn er war freundlich, wohlwollend, gehorsam und respektvoll. Eli wiederum, den der Eigensinn seiner eigenen Söhne schmerzte, fand Ruhe, Trost und Segen durch die Gegenwart seines Schützlings. Samuel war hilfsbereit und liebevoll. Kein Vater hätte sein Kind mehr lieben können als Eli diesen Jungen. Das herzliche Verhältnis zwischen dem höchsten Richter Israels und dem einfachen Kind war etwas Einzigartiges. Als die Altersbeschwerden auftraten und Eli durch das frevelhafte Treiben seiner Söhne voller Sorge und Reue war, wandte er sich zum Trost Samuel zu. WABT 558 1 Die Leviten traten ihre besonderen Dienste üblicherweise nicht vor dem 25. Lebensjahr an, aber bei Samuel hatte man eine Ausnahme gemacht. Von Jahr zu Jahr vertraute man ihm weitere wichtige Pflichten an. Bereits als Kind erhielt er als Zeichen seiner Weihe zum Heiligtumsdienst einen leiner- nen Leibrock. Obwohl Samuel noch sehr jung war, als ihn seine Mutter zum heiligen Zelt brachte, übertrug man ihm schon damals Aufgaben im Dienst für Gott, die seinen Fähigkeiten angemessen waren. Sie waren zunächst recht bescheiden und nicht immer angenehm. Aber er führte sie so gut aus, wie er konnte, und vor allem willig. Seine geistliche Einstellung zeigte sich in den alltäglichen Pflichten, denn er betrachtete sich als Diener Gottes und seine Arbeit als Gottes Werk. Der Herr nahm seine Bemühungen an, weil sie der Liebe zu Gott und dem aufrichtigen Verlangen entsprangen, dessen Willen zu tun. Auf diese Weise wurde Samuel ein Mitarbeiter des Herrn über Himmel und Erde. Und Gott befähigte ihn, ein großes Werk für Israel zu verrichten. Alltagspflichten Als Schule Gottes WABT 558 2 Wenn man Kinder lehren würde, die sich wiederholenden Alltagspflichten als den von Gott vorgezeichneten Weg anzusehen, als eine Schule, in der sie lernen sollen, einen treuen und wirksamen Dienst zu verrichten, wie viel angenehmer und ehrenvoller kämen ihnen dann ihre Aufgaben vor! Der Gedanke, jede Pflicht für den Herrn zu verrichten, macht auch die bescheidenste Beschäftigung reizvoller und verbindet die Arbeiter auf der Erde mit den heiligen Wesen, die Gottes Willen im Himmel tun. WABT 558 3 Der Erfolg in diesem Leben und der Gewinn des zukünftigen Lebens hängen davon ab, ob jemand auch in kleinen Dingen treu und gewissenhaft ist. Wir sehen Vollkommenheit nicht nur in den größten, sondern auch in den geringsten Werken Gottes. Die Hand, die die Himmelskörper in das Weltall setzte, ist dieselbe, die auch die zarten Lilien auf dem Feld mit Feinfühligkeit schuf. Und wie Gott in seinem Wirkungsbereich vollkommen ist, so sollen wir es in unserem sein (vgl. Matthäus 5,48). Ein ausgeglichener, starker und wertvoller Charakter wird durch einzelne Taten in der Erfüllung von Pflichten geformt. Treue sollte unser Leben im kleinsten wie im größten Bereich auszeichnen. Redlichkeit in kleinen Dingen, die Verrichtung kleiner Taten aus Treue und die kleinen Freundlichkeiten schaffen Freude im Leben. Wenn unser Werk auf Erden getan ist, wird sich zeigen, dass auch jede ganz unscheinbare, aber treu erfüllte Pflicht einen Einfluss zum Guten hatte - einen Einfluss, der niemals vergehen kann. WABT 559 1 Die Jugendlichen in unserer Zeit können in Gottes Augen ebenso wertvoll werden wie Samuel. Wenn sie sich ihre christliche Haltung treu bewahren, können sie im Werk der geistlichen Reform großen Einfluss ausüben. Wir brauchen heute solche Menschen. Gott hat für jeden Einzelnen eine Aufgabe. Noch nie haben Menschen für Gott und die Gesellschaft größere Ergebnisse erzielt als heute, wenn sie den Auftrag, den Gott ihnen gegeben hat, treu erfüllen. ------------------------Kapitel 56 - Eli Und Seine Söhne WABT 560 0 1. Samuel 2,12-36. WABT 560 1 Eli war Hoherpriester und Richter in Israel. Damit bekleidete er innerhalb des Volkes Gottes die höchsten und verantwortungsvollsten Ämter. Er wurde als Vorbild angesehen und verehrt, denn Gott hatte ihn für die heiligen Pflichten des Priesteramtes erwählt und mit höchstrichterlicher Vollmacht im Land betraut. Darum hatte er bei den Stämmen Israels großen Einfluss. Doch obgleich Eli zur Führung des Volkes berufen war, stand er seiner Familie nicht korrekt vor. WABT 560 2 Eli war als Vater nachgiebig. Er liebte Ruhe und Frieden und setzte seine Autorität nicht dazu ein, den bösen Gewohnheiten und Leidenschaften seiner Kinder Einhalt zu gebieten. Statt sich ihnen mit einem deutlichen Verbot entgegenzustellen oder sie zu bestrafen, gab er ihrem Willen immer wieder nach und ließ sie ihre Wege gehen. Anstatt die Erziehung seiner eigenen Söhne als eine seiner wichtigsten Verantwortungen zu betrachten, behandelte er diese Angelegenheit, als hätte sie kaum irgendwelche Folgen. WABT 560 3 Gott hatte den Hohenpriester und Richter Israels nicht in Ungewissheit darüber gelassen, dass er die ihm anvertrauten Kinder in Schranken zu weisen und zu lenken habe. Aber diese Pflicht scheute er, denn das hätte bedeutet, dem Willen seiner beiden Söhne entgegenzutreten, ihnen manches zu versagen und sie zu bestrafen. Ohne die schrecklichen Konsequenzen zu bedenken, die seinem Verhalten folgen würden, gab er ihnen in all ihrem Begehren nach und versäumte es, sie für den Dienst Gottes und für die Pflichten des Lebens zuzurüsten. WABT 560 4 Von Abraham hatte Gott gesagt: "Ich habe ihn auserwählt, damit er seine Nachkommen lehrt, nach meinem Willen zu leben und zu tun, was richtig und gerecht ist." (1. Mose 18,19 NLB) Eli hingegen ließ es zu, dass seine Kinder ihn beherrschten. Der Fluch der Gesetzesübertretung zeigte sich denn auch in der Verdorbenheit und im gottlosen Lebenswandel seiner Söhne. Sie schätzten weder den Charakter Gottes noch die Heiligkeit seines Gesetzes. Der Dienst für Gott war für sie etwas Gewöhnliches. Sie waren von Kind auf mit dem Heiligtum und dem damit verbundenen Dienst vertraut. Aber statt dadurch ehrerbietiger zu werden, hatten sie jedes Gefühl für dessen Heiligkeit und Bedeutung verloren. Der Vater hatte ihren Mangel an Ehrerbietung seiner Autorität gegenüber nicht gerügt und war ihrer Respektlosigkeit gegenüber den feierlichen Diensten im Heiligtum nicht entgegengetreten. Als sie erwachsen wurden, ging die böse Saat des Zweifels und Aufruhrs in ihnen auf. Elis Söhne Entweihen Das Priestertum WABT 561 1 Obwohl für diesen Dienst völlig untauglich, wurden sie dennoch als Priester eingesetzt, um am Heiligtum vor Gott zu dienen. Der Herr hatte genaueste Anweisungen erteilt, wie Opfer darzubringen waren. Doch diese bösen Männer ließen ihre Missachtung der Autorität Gottes auch in ihrem Dienst erkennen und beachteten die Gebote bezüglich der Opfer, die auf die feierlichste Weise dargebracht werden sollten, nicht. Die Opferhandlungen, die auf den zukünftigen Tod des Messias hinwiesen, sollten im Herzen der Menschen den Glauben an den kommenden Erlöser bewahren. Deshalb war es wichtig, die diesbezüglichen göttlichen Anordnungen genau zu beachten. Besonders durch die Heilsopfer (vgl. 3. Mose 3 und 7,11-15) erwies der Mensch dem Herrn seine Dankbarkeit. Bei diesen Opfern sollte auf dem Altar nur das Fett verbrannt werden. Ein bestimmter Anteil des Fleisches war den Priestern vorbehalten, aber der größere Teil wurde dem Opfernden zurückgegeben, damit er es mit seinen Angehörigen und Freunden bei einer Opferfeier verzehren konnte. So sollten die Herzen aller in Dankbarkeit und im Glauben auf das große Opfer, das die Sünden der Welt wegnehmen würde, ausgerichtet werden. WABT 561 2 Anstatt sich den Ernst dieses symbolischen Dienstes zu vergegenwärtigen, waren Elis Söhne nur darauf bedacht, wie sie ihn für ihre zügellose Genusssucht nutzen konnten. Sie gaben sich mit dem ihnen zustehenden Anteil des Opferfleisches nicht zufrieden und forderten mehr. Die große Anzahl dieser Opfer, die auf den jährlichen Festen dargebracht wurde, gab den Priestern die Gelegenheit, sich auf Kosten des Volkes zu bereichern. Sie verlangten nicht nur mehr, als ihnen zustand, sondern wollten nicht einmal so lange warten, bis das Fett als Opfer für Gott verbrannt war. Sie beharrten darauf, sich die Teile zu nehmen, die ihnen gefielen. Wurde ihnen dies verweigert, drohten sie, es sich mit Gewalt zu nehmen. WABT 561 3 Dieser Mangel an Ehrfurcht seitens der Priester beraubte den Dienst bald seiner heiligen, ernsten Bedeutung. "Sie beleidigten den Herrn, weil sie die Opfer nicht achteten, die ihm dargebracht wurden." Das große Opfer Gottes, auf das alles im Voraus hinwies und das die Israeliten erwarten sollten, war nicht mehr zu erkennen. "Auf diese Weise luden die Söhne von Eli schwere Schuld auf sich." (1. Samuel 2,17 GNB) WABT 562 1 Durch ihr gemeines und entwürdigendes Verhalten übertraten diese treulosen Priester Gottes Gesetz und entehrten ihr heiliges Amt. Dennoch verunreinigten sie das Heiligtum Gottes weiterhin durch ihre Anwesenheit. Viele Israeliten empörten sich über die Verkommenheit von Hofni und Pinhas und kamen deshalb nicht mehr zum festgelegten Ort der Anbetung. So wurde der von Gott eingesetzte Dienst vernachlässigt und verachtet, weil man ihn mit den Sünden gottloser Priester in Zusammenhang brachte, während andere, die schon dem Bösen zuneigten, zum Sündigen ermutigt wurden. Bosheit, Sittenlosigkeit und sogar Götzendienst nahmen in erschreckender Weise überhand. Eli Kann Seinen Söhnen Keinen Einhalt Gebieten WABT 562 2 Eli hatte einen schweren Fehler begangen, als er seine Söhne im heiligen Amt dienen ließ. Weil er unter dem einen oder anderen Vorwand ihr Verhalten entschuldigte, wurde er gegenüber ihren Sünden allmählich blind. Aber schließlich erreichten diese ein solches Ausmaß, dass er die Verbrechen seiner Söhne nicht mehr übersehen konnte. Das Volk beklagte sich über deren Gewalttaten, und Eli war erschüttert und bekümmert. Er wagte nun nicht länger zu schweigen. Doch seine Söhne waren erzogen worden, nur an sich selbst zu denken. Sie kümmerten sich um nichts und niemanden. Sie sahen den Kummer ihres Vaters, aber in ihrer Hartherzigkeit blieben sie ungerührt. Sie hörten sich seine milden Ermahnungen an, doch beeindrucken ließen sie sich davon nicht. Obwohl er sie vor den Folgen ihrer Sünden warnte, wollten sie von ihrem bösen Wandel nicht lassen. Hätte Eli seine bösen Söhne dem Recht entsprechend behandelt, wären sie vom Priesteramt ausgeschlossen und mit dem Tod bestraft worden. Da er davor zurückschreckte, öffentlich Schande und Verurteilung über sie zu bringen, beließ er sie in ihrer heiligen Vertrauensstellung. Er ließ es zu, dass sie weiterhin ihre Verdorbenheit mit dem heiligen Dienst für Gott vermischten und damit der Sache der Wahrheit einen solchen Schaden zufügten, dass dieser sich auf Jahre hinaus nicht wiedergutmachen ließ. Doch da Israels Richter seine Aufgabe versäumte, nahm Gott die Angelegenheit selbst in die Hand. Gott Sendet Eine Botschaft An Eli WABT 563 1 Eines Tages kam ein Prophet zu Eli und sagte zu ihm: "So spricht der Herr: ›Denkst du nicht mehr daran, wie ich in Ägypten deinen Vorfahren erschienen bin, als sie noch Sklaven des Pharao waren? Aus allen Stämmen Israels habe ich sie mir zu Priestern ausgewählt. Ich habe sie dazu bestimmt, auf meinem Altar Opfer darzubringen, Weihrauch für mich zu verbrennen und im Priestergewand vor mich zu treten. Ich habe deiner Sippe das Recht auf einen Anteil an allen Opfern gegeben, die mir von den Israeliten dargebracht werden. Warum behandelt ihr dann die Opfer, die mir auf meinen Befehl dargebracht werden, mit solcher Missachtung? Du, Eli, achtest deine Söhne mehr als mich und lässt zu, dass sie die besten Stücke von dem, was mein Volk mir opfert, wegnehmen, damit ihr euch daran mästen könnt. Ich habe dir einst zugesagt, dass deine Nachkommen für alle Zukunft meine Priester sein sollen. Aber jetzt widerrufe ich meine Zusage und erkläre: Wer mich ehrt, den ehre ich auch; aber wer mich verachtet, den gebe ich der Verachtung preis. ... Dann werde ich einen Priester einsetzen, der mir treu bleibt und tut, was mir gefällt. Er wird im Dienst des gesalbten Königs stehen, den ich erwählen werde, und auch seine Nachkommen sollen für alle Zukunft meine Priester sein.‹" (1. Samuel 2,27-30;35 GNB) WABT 563 2 Gott warf Eli vor, seine Söhne mehr zu ehren als ihn. Eli hatte es zugelassen, dass der von Gott verordnete Opferdienst statt zum Segen Israels zu einem Abscheu erregenden Geschehen wurde. Er hätte seine Söhne der Schande für ihre gotteslästerlichen und widerwärtigen Praktiken preisgeben sollen. Wer seiner Neigung folgt und seinen Kindern in blinder Zuneigung die Befriedigung ihrer selbstsüchtigen Wünsche nachsieht und Gottes Autorität nicht zur Geltung bringt, um Sünden zu tadeln und böses Verhalten zu berichtigen, der ehrt seine gottlosen Kinder mehr als Gott. Es liegt ihm mehr daran, den eigenen Ruf zu wahren, als Gott zu verherrlichen. Er will seinen Kindern mehr gefallen als dem Herrn und bemüht sich nicht, den Anschein des Bösen von dessen Dienst fernzuhalten. WABT 563 3 Gott machte Eli als Hohenpriester und Richter für den sittlichen und geistlichen Zustand seines Volkes verantwortlich, und insbesondere auch für den Charakter seiner Söhne. Eli hätte zuerst mit milden Maßnahmen versuchen sollen, dem Bösen zu wehren. Aber wenn diese erfolglos geblieben wären, hätte er das Unrecht mit strengsten Mitteln unterbinden müssen. Er hatte die Sünden nicht getadelt und die Schuldigen nicht zur Rechenschaft gezogen, und erregte damit das Missfallen Gottes. Man konnte sich nicht darauf verlassen, dass er Israel moralisch rein erhalten werde. Wer nicht genug Mut aufbringt, Unrecht zu tadeln, oder wer sich aus Trägheit oder Gleichgültigkeit nicht ernsthaft darum bemüht, die Familie oder die Gemeinde Gottes vom Bösen zu reinigen, wird für die schlimmen Folgen seiner Pflichtversäumnisse verantwortlich gemacht werden. Wir sind für die Untaten anderer, die wir kraft unserer Autorität als Eltern oder als Pastoren hätten aufhalten können, genauso verantwortlich, als ob wir sie selbst begangen hätten. Weitreichende Erziehungsfehler WABT 564 1 Eli stand seinem Haushalt nicht so vor, wie es die Richtlinien Gottes für das Familienleben vorsahen. Er folgte seinem eigenen Urteilsvermögen. Der liebevolle Vater übersah die Fehler und Sünden seiner Söhne bereits, als sie noch klein waren, und bildete sich ein, sie werden aus ihren bösen Neigungen mit der Zeit herauswachsen. Viele begehen heute ähnliche Fehler. Sie meinen, bessere Erziehungsmethoden zu kennen als die von Gott in seinem Wort gegebenen. Sie begünstigen verkehrte Neigungen und führen zur Entschuldigung an, die Kinder seien zu klein, um sie zu bestrafen; man müsse warten, bis sie größer seien und man vernünftig mit ihnen reden könne. Auf diese Weise aber lässt man zu, dass sich schlechte Angewohnheiten verfestigen und zur zweiten Natur werden. Die Kinder wachsen ohne Einschränkungen auf, mit Wesenszügen, die sie ihr Leben lang belasten und sich in ihren Nachkommen fortzupflanzen drohen. WABT 564 2 Nichts ist für Familien ein größerer Fluch, als dem Willen der Kinder freien Lauf zu lassen. Wenn Eltern ihnen jeden Wunsch erfüllen und ihnen in dem nachgeben, von dem sie wissen, dass es nicht gut für sie ist, verlieren die Kinder bald jeden Respekt vor den Eltern und alle Achtung vor der Autorität Gottes und der Menschen. Sie werden auf diese Weise vom Willen Satans gefangen genommen. Der Einfluss einer Familie, in der keine Regeln herrschen, reicht weit und wirkt sich verheerend auf die Gesellschaft aus. Er schwillt zu einer Flut des Bösen an, die ganze Familien, Gemeinwesen und Regierungen in Mitleidenschaft zieht. WABT 564 3 Aufgrund seiner Stellung übte Eli einen viel weitreichenderen Einfluss auf die Gesellschaft aus, als dies bei einem einfachen Mann der Fall gewesen wäre. In ganz Israel fand sein Familienleben Nachahmer. Die unseligen Folgen von Elis nachlässiger und bequemer Haltung zeigten sich in Tausenden von Familien, die seinem Vorbild folgten. WABT 564 4 Wenn Kinder bösen Gepflogenheiten frönen, während sich ihre Eltern als Gläubige bekennen, gerät die Wahrheit Gottes in Verruf. Der beste Beweis des Christentums in einer Familie ist die Art der unter ihrem Einfluss geformten Charaktere. Taten reden lauter, als die nachdrücklichste Beteuerung von Frömmigkeit es tut. Wenn Menschen, die sich als Gläubige bekennen, in ihren Familien nachlässig sind und dem bösen Treiben ihrer Kinder immer wieder nachgeben, statt ernste, sorgfältige und beharrliche Anstrengungen um ein wohlgeordnetes Familienleben zu unternehmen, das den Wert des Glaubens an Gott bezeugt, dann handeln sie wie Eli, schaden sich und ihren Angehörigen und bereiten Christus und seinem Werk Schande. Die Besondere Verantwortung Der Religiösen Leiter WABT 565 1 Wie schlimm elterliche Pflichtvergessenheit auch sein mag, ist sie doch um das Zehnfache ärger, wenn sie in Familien auftritt, wo die Väter als Lehrer der Gläubigen fungieren. Wenn diese ihrem eigenen Haushalt nicht recht vorstehen können, führen sie durch ihr verkehrtes Beispiel viele auf Abwege. Ihre Schuld ist in dem Maß größer, wie auch die Verantwortung in ihrem Amt größer ist als die anderer. WABT 565 2 Dem Haus Aarons war verheißen worden, dass "die Priester für alle Zeiten aus [s]einer Sippe kommen" sollten (1. Samuel 2,30a Hfa), aber diese Zusage war an die Bedingung geknüpft, dass sie sich von Herzen und zielstrebig dem Dienst am Heiligtum widmen, Gott auf allen ihren Wegen ehren, nicht selbstsüchtig sind oder ihren verdorbenen Neigungen folgen. Eli und seine Söhne waren auf die Probe gestellt worden. Der Herr hatte sie für völlig unwürdig befunden, die hohe Stellung als Priester in seinem Dienst einzunehmen. Deshalb sagte Gott: "Jetzt widerrufe ich meine Zusage" (1. Samuel 2,30b GNB) Er konnte das Gute, das er durch sie zu tun beabsichtigte, nicht verwirklichen, weil sie ihrerseits versagten. WABT 565 3 Das Beispiel jener, die einen heiligen Dienst versehen, sollte die Menschen derart beeindrucken, dass sie Gott mit Ehrfurcht begegnen, und davor zurückschrecken, ihn zu beleidigen. Wer "an Christi statt" (2. Korinther 5,20) Gottes Gnadenbotschaft und Versöhnung verkündigt, seine heilige Berufung aber als Deckmantel für die Befriedigung selbstsüchtiger oder sinnlicher Wünsche missbraucht, macht sich selbst zu einem wirksamen Werkzeug Satans. Wie Hofni und Pinhas verführt er dazu, dass Menschen "die Opfergabe des Herrn" verachten (1. Samuel 2,17b Elb.). Möglicherweise können sie ihren bösen Wandel eine gewisse Zeit lang geheim halten. Doch wenn ihr wahrer Charakter schließlich zutage tritt, erschüttert dies den Glauben der Menschen oft dermaßen, dass ihr Vertrauen in die Religion dadurch gänzlich zerstört wird. Es bleibt im Denken ein Misstrauen gegen alle zurück, die behaupten, Gottes Wort zu verkündigen. Die Botschaft eines wahren Dieners von Jesus Christus wird dadurch in Zweifel gezogen. Ständig erhebt sich die Frage: "Wird es sich nicht irgendwann erweisen, dass dieser Mann jenem gleicht, den wir für so heilig hielten und als so verdorben fanden?" Auf diese Weise verliert Gottes Wort bei den Menschen seine Überzeugungskraft. WABT 566 1 In Elis Zurechtweisung seiner Söhne finden sich Worte von feierlicher und schrecklicher Bedeutung - Worte, die alle, die in einem heiligen Amt dienen, bedenken sollten: "Wenn jemand gegen einen anderen sündigt, kann Gott für ihn eintreten. Doch wenn jemand gegen den Herrn sündigt, wer soll dann für ihn eintreten?" (1. Samuel 2,25a NLB) Hätten Elis Söhne mit ihren Verbrechen nur ihren Mitmenschen geschadet, hätte ein Richter sie aussöhnen können, indem er eine Strafe festsetzt und Wiedergutmachung verlangt. Dann hätte man den Schuldigen vergeben können. Oder wenn keine vermessene Sünde vorgelegen wäre, hätte für sie ein Sündopfer dargebracht werden können. Aber ihre Vergehen waren so eng mit ihrem Opferdienst als Priester des Allerhöchsten verknüpft und das Werk Gottes stand vor dem Volk dermaßen entweiht und entehrt da, dass für sie keine Sühne möglich war. Ihr eigener Vater wagte nicht, für sie Fürbitte einzulegen, obwohl er der Hohepriester war. Er konnte sie nicht vor dem Zorn eines heiligen Gottes schützen. Unter allen Sündern tragen diejenigen die größte Schuld, die jene Mittel verächtlich machen, die der Himmel für die Errettung der Menschen vorgesehen hat, "da sie für sich selbst den Sohn Gottes abermals kreuzigen und zum Spott machen" (Hebräer 6,6). ------------------------Kapitel 57 - Die Philister Rauben Die Bundeslade WABT 567 0 1. Samuel 3 bis 7. WABT 567 1 Das Haus Elis sollte noch eine weitere Warnung erhalten. Gott konnte sich dem Hohenpriester und seinen Söhnen nicht mehr offenbaren. Wie eine dichte Wolke verhinderten deren Sünden die Gegenwart des Heiligen Geistes. Aber inmitten von allem Bösen blieb das Kind Samuel dem Himmel treu. Es wurde sein Auftrag, als Prophet des Allerhöchsten das Verdammungsurteil über das Haus Eli anzukündigen. WABT 567 2 "Der junge Samuel half Eli beim Priesterdienst. In jener Zeit kam es nur noch selten vor, dass der Herr zu einem Menschen sprach und ihm etwas offenbarte. Eli war fast erblindet. Eines Nachts schlief er an seinem gewohnten Platz, und auch Samuel schlief im Heiligtum, ganz in der Nähe der Bundeslade. Die Lampe im Heiligtum brannte noch. Da rief der Herr: ›Sa- muel!‹ ›Ja‹, antwortete der Junge, lief schnell zu Eli und sagte: ›Hier bin ich, du hast mich gerufen!‹ ›Nein‹, sagte Eli, ›ich habe nicht gerufen. Geh wieder schlafen!‹ Samuel ging und legte sich wieder hin." (1. Samuel 3,1-5 GNB) Dreimal wurde Samuel gerufen, und dreimal verhielt er sich in der gleichen Weise. Dann war Eli überzeugt, dass der geheimnisvolle Ruf Gottes Stimme war. Der Herr hatte seinen erwählten Diener, den völlig ergrauten Mann, übergangen, um mit einem Kind Zwiesprache zu halten. Schon allein darin lag für Eli und sein Haus ein bitterer, aber verdienter Tadel. WABT 567 3 In Elis Herzen kamen weder Neidgefühle noch Eifersucht auf. Er wies Samuel an, wenn er wieder gerufen würde, zu antworten: "Sprich, Herr, dein Diener hört!" Als das Kind die Stimme noch einmal vernahm, antwortete es: "Sprich, dein Diener hört!" (1. Samuel 3,9b.10b GNB) Beim Gedanken, dass der große Gott zu ihm sprach, war Samuel so ehrfurchtsvoll, dass er sich nicht an den genauen Wortlaut erinnern konnte, den Eli ihm aufgetragen hatte. Ankündigung Von Unheil Über Elis Haus WABT 568 1 "Da sagte der Herr zu Samuel: ›Ich werde in Israel etwas tun - die Ohren werden jedem wehtun, der davon hört. Es wird alles eintreffen, was ich Eli und seiner Familie angedroht habe. Er wusste, dass seine Söhne mich beleidigten, und doch hat er sie nicht daran gehindert. Deshalb habe ich über seine Familie ein unwiderrufliches Urteil verhängt. Ich habe ihm das schon lange angekündigt. Es gibt kein Opfer, durch das diese Schuld jemals gesühnt werden kann; das habe ich geschworene" (1. Samuel 3,11-14 GNB) WABT 568 2 Ehe er diese Botschaft von Gott empfing, hatte Samuel "den Herrn noch nicht erkannt, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart worden" (1. Samuel 3,7 Elb.) - das bedeutet, dass er solche unmittelbaren Offenbarungen der Gegenwart Gottes, wie sie den Propheten zuteilwurden, noch nicht kannte. Es lag in Gottes Absicht, sich in dieser unvermuteten Weise zu offenbaren, damit Eli durch die überraschte Nachfrage des Jungen davon erfuhr. WABT 568 3 Der Gedanke an die schreckliche Botschaft, die ihm anvertraut worden war, versetzte Samuel in Angst und Erstaunen. Am nächsten Morgen ging er wie gewohnt seinen Pflichten nach, aber mit einer schweren Last auf seinem jungen Herzen. Der Herr hatte ihm nicht befohlen, über die furchtbare Strafandrohung zu reden. Deshalb schwieg er und mied Eli, soweit wie möglich. Er fürchtete sich vor irgendwelchen Fragen, die ihn zwingen könnten, das göttliche Urteil dem kundzutun, den er liebte und verehrte. Eli war sich sicher, dass die Botschaft ihm und seiner Familie großes Unglück ankündigte. Er rief Samuel zu sich und ermahnte ihn, wahrheitsgetreu zu berichten, was der Herr ihm offenbart hatte. Der Junge gehorchte, und der alte Mann beugte sich demütig unter das entsetzliche Urteil: "Er ist der Herr! Er soll tun, was er für richtig hält." (1. Samuel 3,18b GNB) WABT 568 4 Doch Eli zeigte nicht die Früchte echter Reue. Er bekannte zwar seine Schuld, aber er gab die Sünde nicht auf. Jahr um Jahr verzögerte der Herr sein angedrohtes Strafgericht. In dieser Zeit hätte viel getan werden können, um die Versäumnisse der Vergangenheit wieder gutzumachen, aber der betagte Hohepriester ergriff keine wirksamen Maßnahmen, um die Übel zu beheben, die das Heiligtum des Herrn verunreinigten und Tausende Israeliten ins Verderben führten. Gottes Langmut veranlasste Hofni und Pinhas, sich noch mehr zu verhärten und bei ihren Verfehlungen noch dreister vorzugehen. Die Warnungs- und Tadelsbotschaften an sein Haus machte Eli dem gesamten Volk bekannt. Damit hoffte er, dem schlimmen Einfluss seiner früheren Versäumnisse bis zu einem gewissen Grad entgegenzuwirken. Aber das Volk missachtete die Warnungen, so wie es schon die Priester getan hatten. Auch die Nachbarvölker, denen Israels offen begangene Sünden nicht verborgen blieben, wurden in ihrer Götzenanbetung und ihren Verbrechen noch kühner. Sie verspürten kein Schuldbewusstsein, wie es der Fall gewesen wäre, wenn die Israeliten ihre Rechtschaffenheit bewahrt hätten. Nun nahte der Tag der Vergeltung. Man hatte Gottes Autorität verworfen, seine Anbetung vernachlässigt und verachtet. Nun wurde es notwendig, dass Gott eingriff, damit die Ehre seines Namens gewahrt blieb. Die Bundeslade Geht Verloren WABT 569 1 "Die Israeliten zogen in den Kampf gegen die Philister. Ihr eigenes Lager war bei Eben-Eser, das Lager der Philister bei Afek." Dieser Kriegszug wurde von den Israeliten unternommen, ohne zuvor Gott um Rat zu fragen und ohne die Zustimmung des Hohenpriesters oder eines Propheten einzuholen. "Die Philister griffen an, und nach einem langen und zähen Kampf gelang es ihnen, die Israeliten zu schlagen. Von diesen wurden etwa 4000 Mann im Kampf getötet." Als die zerschlagene und entmutigte Streitmacht Israels ins Lager zurückkehrte, "fragten sich die Ältesten des Volkes: ›Warum hat der Herr das zugelassen? Warum konnten uns die Philister heute besiegen?‹ Sie berieten sich und beschlossen: ›Wir wollen nach Silo senden und die Bundeslade ins Lager holen! Dann wird der Herr mitten unter uns sein und uns gegen unsere Feinde helfen.‹" (1. Samuel 4,1-3 GNB) Die Nation war reif für Gottes Strafgericht, sah jedoch nicht ein, dass ihre eigenen Sünden die Ursache dieser fürchterlichen Niederlage waren. Der Herr hatte es weder befohlen noch erlaubt, dass die Bundeslade vom Heer mitgeführt wird. Aber die Israeliten waren davon überzeugt, dass sie nun siegen würden, und erhoben lautes Jubelgeschrei, als Elis Söhne die Lade ins Lager brachten. WABT 569 2 Die Philister sahen die Bundeslade als den Gott Israels an. Alle mächtigen Taten Jahwes für sein Volk schrieb man ihrer Macht zu. Als sie das Freudengeschrei bei deren Näherkommen vernahmen, fragten sie daher: "›Was ist das für ein lauter Jubel im Lager der Hebräer?‹ ... Als sie erfuhren, dass die Lade des Herrn im Lager Israels angekommen sei, bekamen sie Angst. Jetzt sind wir verloren!‹, sagten sie. ›Ihr Gott ist zu ihnen ins Lager gekommen. Das hat es noch nie gegeben. Wer kann uns vor solch einem mächtigen Gott schützen? Das ist doch derselbe Gott, der die Ägypter in der Wüste vernichtet hat!‹ Aber ihre Anführer riefen ihnen zu: Jetzt gilt es! Seid mutig, Philister, und kämpft wie Männer! Sonst werden die Hebräer euch zur Fronarbeit zwingen, so wie ihr es bisher mit ihnen gemacht habt. Zeigt, dass ihr Männer seid, und kämpft!‹" (1. Samuel 4,6-9 GNB) WABT 570 1 Die Philister unternahmen einen ungestümen Angriff, der die Niederlage Israels zur Folge hatte. Sie richteten ein großes Blutbad an. 30 000 Männer blieben tot auf dem Schlachtfeld liegen. Die Lade Gottes wurde erbeutet. Beide Söhne Elis waren gefallen, als sie diese im Kampf verteidigten. So wurde wiederum im Geschichtsbuch ein Zeugnis für spätere Generationen niedergeschrieben, dass die Sünden derer, die sich als Volk Gottes bekennen, nicht ungestraft bleiben. Je größer die Erkenntnis des Willens Gottes ist, desto größer ist auch die Schuld derer, die ihn missachten. WABT 570 2 Israel hatte das schrecklichste Unglück getroffen, das ihm überhaupt zustoßen konnte. Die Bundeslade war geraubt worden und befand sich nun im Besitz der Feinde. Die Herrlichkeit Jahwes war tatsächlich von Israel gewichen, als dieses Sinnbild seiner dauerhaften Gegenwart und Macht aus ihrer Mitte weggeführt wurde. Mit der heiligen Bundeslade verbanden sich die wunderbarsten Offenbarungen göttlicher Wahrheit und Macht. Wann immer sie in Erscheinung getreten war, hatte Israel erstaunliche Siege errungen. Die Flügel der goldenen Cherubim überschatteten sie, und die unbeschreibliche Herrlichkeit der Schechina, des sichtbaren Symbols der Gegenwart des allerhöchsten Gottes, hatte im Allerheiligsten über ihr geruht. Aber dieses Mal hatte sie keinen Sieg gebracht; sie war kein Schutz gewesen. Nun herrschte bei allen Israeliten Trauer. Ein Formeller Glaube Genügt Nicht WABT 570 3 Sie hatten nicht begriffen, dass ihr Glaube nur ein vorgeblicher war und die Kraft verloren hatte, um bei Gott wirksam zu sein. Auch das Gesetz Gottes, das in der Bundeslade lag, war ein Sinnbild seiner Gegenwart. Doch sie hatten die Gebote mit Verachtung behandelt, deren Forderungen beiseitegeschoben und den Geist des Herrn betrübt. Solange das Volk den heiligen Vorschriften gehorchte, war der Herr mit ihm und führte es durch seine unendliche Macht. Aber sobald die Israeliten beim Anblick der Lade weder an Gott dachten noch seinen offenbarten Willen durch Gehorsam gegenüber seinem Gesetz ehrten, konnte sie ihnen nicht mehr nützen als eine gewöhnliche Truhe. Die Menschen betrachteten die Bundeslade wie die heidnischen Völker ihre Götzenbilder, so als ob sie Kraft und Erlösung in sich selbst besäße. Sie übertraten das darin verwahrte Gesetz. Gerade ihre Verehrung der Bundeslade führte zu Formalismus, Heuchelei und Götzendienst. Ihre Sünden hatten sie von Gott getrennt, und er konnte ihnen keinen Sieg verleihen, ehe sie nicht bereut und ihre Bosheit aufgegeben hatten. WABT 571 1 Es genügte nicht, dass die Bundeslade und das Heiligtum mitten in Israel standen. Es reichte nicht aus, dass die Priester Opfer darbrachten und sich das Volk Kinder Gottes nannte. Der Herr hört nicht auf die Bitten derer, die Bosheit im Herzen hegen. Es steht geschrieben: "Wer Gottes Gesetz nicht mehr hören will, dessen Gebet will Gott nicht mehr hören." (Sprüche 28,9 GNB) Elis Tod WABT 571 2 Als das Heer in die Schlacht zog, war der alte, blinde Eli in Silo geblieben. Mit trüben Vorahnungen erwartete er den Ausgang des Kampfes, "denn sein Herz bangte um die Lade Gottes" (1. Samuel 4,13). Tag für Tag saß er vor dem Tor des Heiligtums und erwartete ängstlich die Ankunft eines Boten vom Schlachtfeld. WABT 571 3 Schließlich kam ein Benjaminit aus dem Heerlager die Anhöhe heraufgelaufen, die zur Stadt führte. Er "hatte seine Kleider zerrissen und Erde auf sein Haupt gestreut" (1. Samuel 4,12). Achtlos eilte er an dem alten Mann vorbei in die Stadt und verkündete der wissbegierigen Menge immer wieder die Nachricht von Verlust und Niederlage. WABT 571 4 Das laute Jammern und Klagen erreichte auch Eli vor dem Heiligtum. Man brachte den Boten zu ihm. Dieser erklärte: "Wir sind besiegt! Unser Heer ist geflohen. Deine beiden Söhne, Hofni und Pinhas, sind tot ...". Eli konnte das alles ertragen, so schrecklich es auch war, denn er hatte es erwartet. Aber als der Bote hinzufügte: "Die Lade Gottes ist verloren!", huschte ein Ausdruck unaussprechlicher Seelenqual über sein Gesicht. Der Gedanke, dass seine Sünde Gott so sehr entehrt hatte, dass er Israel seine Gegenwart entzog, war mehr, als er ertragen konnte. Die Kräfte verließen ihn, er fiel um, so "dass er sich dabei das Genick brach und starb" (1. Samuel 4,17.18 GNB). WABT 571 5 Trotz der Gottlosigkeit ihres Ehemannes verehrte die Frau des Pinhas den Herrn. Der Tod ihres Schwiegervaters und ihres Mannes, vor allem aber die schreckliche Nachricht vom Verlust der Lade Gottes, verursachten auch ihren Tod. Sie war "schwanger und sollte bald gebären. Als sie davon hörte ... kauerte sie sich nieder und gebar; denn ihre Wehen überfielen sie." (1. Samuel 4,19) Sie spürte, dass die letzte Hoffnung Israels dahingeschwunden war, und gab dem Kind, das sie in dieser Schreckensstunde entband, den Namen "Ikabod", das heißt: "Fort ist die Herrlichkeit". Mit ihrem letzten Atemzug wiederholte sie kummervoll die Worte: "Die Herrlichkeit Gottes ist fort aus Israel! Die Lade Gottes ist verloren!" (1. Samuel 4,21a.22 GNB) WABT 571 6 Aber der Herr hatte sein Volk nicht völlig verworfen. Er wollte auch den Jubel der Heiden nicht lange dulden. Die Philister waren sein Instrument gewesen, um Israel zu bestrafen, und nun benutzte er die Bundeslade, um die Philister heimzusuchen. In der Vergangenheit war die Gegenwart Gottes, welche die Bundeslade begleitete, Kraftquelle und Ruhm für sein gehorsames Volk gewesen. Diese unsichtbare Gegenwart blieb auch weiterhin bei ihr, was den Übertretern des heiligen Gesetzes Schrecken und Verderben brachte. Oft benutzt der Herr seine erbittertsten Feinde, um die Treulosigkeit derer zu ahnden, die sich als sein Volk bekennen. Die Gottlosen mochten eine Zeitlang triumphieren, wenn sie Israels Züchtigung miterlebten; aber der Tag wird kommen, an dem auch sie sich dem Richterspruch eines heiligen Gottes, der die Sünde hasst, stellen müssen. Wenn immer an Ungerechtigkeit festgehalten wird, folgen Gottes Gerichte prompt und unausweichlich. Die Bundeslade Bringt Plagen Über Die Philister WABT 572 1 Die Philister brachten die Bundeslade voller Siegesfreude nach Aschdod, einer ihrer fünf wichtigsten Städte, und stellten sie im Haus ihres Gottes Dagon auf. Sie bildeten sich ein, nun gehöre die Kraft, die bis dahin die Lade begleitet hatte, ihnen und mache sie zusammen mit Dagons Macht unbesiegbar. Doch als sie am nächsten Tag in den Tempel kamen, bot sich ihnen ein Anblick, der sie mit Entsetzen erfüllte. Dagon war zu Boden gefallen und lag mit dem Gesicht nach unten vor der Lade Jahwes. Ehrfurchtsvoll hoben die Priester das Götzenbild auf und stellten es wieder an seinen Platz. Aber am darauf folgenden Morgen fanden sie es seltsam verstümmelt wieder vor der Lade auf dem Boden liegen. Der obere Teil dieses Götzenbildes hatte Menschengestalt, der untere ähnelte einem Fisch. Nun war alles zerbrochen, was einer menschlichen Gestalt entsprach, nur der Fischleib war übrig geblieben. Da packte Priester und Volk das Grauen. Sie sahen in diesem rätselhaften Geschehen ein schlimmes Vorzeichen, das ihnen und ihren Göttern Vernichtung durch den Gott Israels ankündigte. Daher trugen sie die Bundeslade aus ihrem Tempel und stellten sie in ein eigenes Gebäude. WABT 572 2 Nun wurden Aschdods Einwohner von einer qualvollen, tödlichen Krankheit befallen. Sie erinnerten sich an die Plagen, die Israels Gott über Ägypten verhängt hatte, und schrieben ihre Not der Anwesenheit der Lade zu. Man beschloss deshalb, sie nach Gat zu bringen. Aber die Plage folgte ihr auf dem Fuß, und die dortigen Einwohner schickten sie nach Ekron. Dort empfing die Bevölkerung sie mit Schrecken und schrie: "Jetzt haben sie die Lade des Gottes Israels zu uns gebracht! Sie wollen uns noch alle umbringen!" (1. Samuel 5,10 GNB) Wie die Einwohner von Gat und Aschdod wandten sie sich an ihre Götter um Schutz. Doch das Werk der Vernichtung ging weiter, "und die Menschen schrien zum Himmel um Hilfe" (1. Samuel 5,12 GNB). Da sie Angst hatten, die Lade weiter in ihren Häusern zu behalten, stellte man sie als Nächstes auf ein freies Feld. Darauf folgte eine Mäuseplage, die das Land befiel und den Bodenertrag vernichtete, sowohl den in den Vorratshäusern als auch den auf den Feldern. Nun drohte dem Volk völlige Vernichtung durch Krankheit oder Hungersnot. WABT 573 1 Sieben Monate lang blieb die Bundeslade im Land der Philister. Während dieser ganzen Zeit unternahmen die Israeliten nichts, um sie wieder zurückzuholen. Aber die Philister waren nun genauso bestrebt, die Lade wieder loszuwerden, wie sie sie vorher in ihren Besitz bekommen wollten. Statt zu einer Kraftquelle war sie ihnen zur großen Last und zum schweren Fluch geworden. Doch sie wussten nicht, wie sie das anstellen sollten, denn wohin man die Lade auch brachte, folgten Gottes Strafgerichte. Das Volk rief nach den Fürsten, Priestern und Wahrsagern und fragte sie eifrig: "Was sollen wir mit der Lade des Herrn machen? Können wir sie einfach zurückschicken oder was müssen wir sonst noch tun?" (1. Samuel 6,2 GNB) Man riet ihnen, sie mit einer reichen Sühneopfergabe zurückzuschicken. "Dann werdet ihr wieder gesund werden, und ihr wisst dann auch, warum er euch bisher so hart bestraft hat." (1. Samuel 6,3 GNB) WABT 573 2 Um eine Seuche abzuwehren oder zum Stillstand zu bringen, war es bei heidnischen Völkern im Altertum Brauch, ein Abbild aus Gold, Silber oder einem anderen Material von dem Gegenstand oder Körperteil zu machen, der eine Schädigung verursachte beziehungsweise der besonders befallen war. Dieses wurde dann auf eine Säule oder an einen anderen gut sichtbaren Platz gestellt. Damit glaubte man, über einen wirksamen Schutz vor dem dargestellten Übel zu verfügen. Ein ähnlicher Brauch besteht bei manchen heidnischen Völkern heute noch. Wenn zum Beispiel ein Kranker zur Heilung in den Tempel seines Götzen geht, nimmt er oft ein Abbild des Körperteils mit, an dem er erkrankt ist, und bringt es dann seinem Gott als Opfer dar. WABT 573 3 Es entsprach also dem herrschenden Aberglauben, wenn die Philister-Fürsten dem Volk befahlen, bildliche Darstellungen von den Plagen anzufertigen, unter denen sie gelitten hatten: "Fünf goldene Beulen und fünf goldene Mäuse, je eine für jede Philister-Stadt", sagten sie, "denn alle fünf samt ihren Königen hat dieselbe Plage getroffen." (1. Samuel 6,4 GNB) Unterwerfung, Aber Keine Hingabe An Jahwe WABT 573 4 Diese klugen Männer anerkannten, dass die Lade von einer geheimnisvollen Macht begleitet wurde, gegen die sie mit ihrer Weisheit nichts ausrichten konnten. Sie rieten dem Volk aber auch nicht, sich von der Abgötterei abzuwenden und dem Herrn zu dienen. Sie hassten immer noch den Gott Israels, obwohl sie sich durch überwältigende Strafgerichte genötigt sahen, sich seiner Autorität zu fügen. So können Sünder durch Gottes Gerichte davon überzeugt werden, dass es vergeblich ist, gegen ihn zu streiten. Sie können sich genötigt sehen, sich seiner Macht zu unterwerfen, obwohl sie sich innerlich gegen seine Herrschaft auflehnen. Aber eine solche Unterwerfung kann einen Sünder nicht retten. Das Herz muss Gott übergeben werden - es muss durch die göttliche Gnade unterworfen werden -, bevor die Reue eines Menschen angenommen werden kann. WABT 574 1 Wie langmütig ist doch Gott mit den Gottlosen! Die götzendienerischen Philister wie das abtrünnige Israel hatten die Segnungen seiner Vorsehung in gleicher Weise genossen. Zehntausende Gnadenbeweise säumten unbeachtet den Lebensweg der undankbaren, widerspenstigen Menschen. Jede Segnung erzählte ihnen von ihrem Geber, doch seine Liebe war ihnen gleichgültig. Gott war mit den Menschen sehr nachsichtig. Wenn sie aber hartnäckig in ihrer Unbußfertigkeit verharrten, zog er seine schützende Hand von ihnen zurück. Sie weigerten sich, auf Gottes Stimme in den Werken seiner Schöpfung zu hören, auch auf die Warnungen, Ratschläge und Tadel in seinem Wort. Somit wurde er gezwungen, durch Strafgerichte zu ihnen zu sprechen. Die Rückkehr Der Bundeslade WABT 574 2 Einige Philister waren entschlossen, sich der Rückführung der Bundeslade in ihr Herkunftsland zu widersetzen. Ein derartiges Eingeständnis der Macht des Gottes Israels wäre für den Stolz der Philister beschämend gewesen. Aber die Priester und Wahrsager warnten sie davor, so halsstarrig zu sein wie der Pharao und die Ägypter und dadurch noch größeres Elend heraufzubeschwören. Sie machten nun einen Vorschlag, der allseitige Zustimmung fand und sofort ausgeführt wurde. Die Lade wurde mit den goldenen Sühnopfergaben auf einen neuen Wagen geladen, womit jede Gefahr einer Verunreinigung ausgeschlossen wurde. Vor diesen Wagen spannte man zwei Kühe, auf deren Nacken noch nie ein Joch gekommen war. Ihre Kälber sperrte man ein und ließ die Kühe gehen, wohin sie wollten. Wenn die Lade über Bet-Schemesch, die nächst gelegene Stadt der Leviten, zu den Israeliten zurückkehrte, wollten die Philister darin den Beweis sehen, dass der Gott Israels das große Unheil über sie gebracht hatte. "Fährt sie in eine andere Richtung, dann wissen wir wenigstens, dass wir nicht vom Herrn bestraft worden sind", sagten sie, "sondern die Plage uns nur zufällig getroffen hat." (1. Samuel 6,9 GNB) WABT 575 1 Als man die Kühe freiließ, wandten sie sich von ihren Kälbern ab und schlugen muhend den geraden Weg nach Bet-Schemesch ein. Ohne menschliche Lenkung behielten die Tiere die Richtung bei. Gottes Gegenwart geleitete die Bundeslade, und sie gelangte sicher zum vorgesehenen Ort. Es war gerade die Zeit der Weizenernte. Die Leute von Bet-Schemesch brachten im Tal die Ernte ein. "Als sie von der Arbeit aufblickten, sahen sie die Bundeslade herankommen. Ihre Freude darüber war groß. Der Wagen fuhr bis zum Feld von Joschua und blieb neben einem Felsblock stehen. An Ort und Stelle zerhackten die Leute von Bet-Schemesch den Wagen zu Brennholz und opferten die Kühe dem Herrn als Brandopfer." (1. Samuel 6,13.14 GNB) Die Fürsten der Philister, die der Lade "bis zum Gebiet von Bet-Schemesch" gefolgt waren (1. Samuel 6,12), kehrten nun nach Ekron zurück, nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass die Lade angenommen worden war. Die Plage hörte auf. Nun waren sie überzeugt, dass ihr Unheil ein Strafgericht des Gottes Israels gewesen war. Die Israeliten Sind Dreister Als Die Philister WABT 575 2 Schnell verbreiteten die Männer von Bet-Schemesch die Nachricht, dass die Bundeslade in ihrem Besitz sei. Aus der ganzen Umgebung strömten die Leute herbei, um ihrer Freude über die Rückkehr Ausdruck zu verleihen. Sie stellten die Lade auf den Stein, der zuvor als Altar gedient hatte, und brachten dem Herrn zusätzliche Opfer dar. Hätten diese Anbeter ihre Sünden bereut, hätte Gottes Segen sie begleitet. Aber sie gehorchten seinem Gesetz nicht gewissenhaft. Wohl freuten sie sich über die Rückkehr der Bundeslade als eines Vorboten von Gutem, aber sie besaßen kein richtiges Verständnis für ihre Heiligkeit. Statt einen geeigneten Ort für ihre Unterbringung vorzubereiten, ließen sie sie auf dem Erntefeld stehen. Als sie die heilige Truhe betrachteten und sich darüber unterhielten, auf welch wunderbare Weise sie zu ihnen zurückgekommen war, fingen sie an, Vermutungen darüber anzustellen, worin ihre wunderbare Macht liege. Schließlich packte sie die Neugier. Sie entfernten die Decken und wagten es, sie zu öffnen. WABT 575 3 Ganz Israel war darüber belehrt worden, der Bundeslade mit heiliger Scheu und Ehrfurcht zu begegnen. Ergab sich die Notwendigkeit, sie an einen anderen Ort zu bringen, sollten auch die Leviten sie nicht betrachten. Nur einmal im Jahr durfte der Hohepriester die Lade Gottes ansehen. Nicht einmal die heidnischen Philister hatten gewagt, die Decken von der Lade abzunehmen. Himmlische Engel begleiteten die Lade unsichtbar bei allen Ortsveränderungen. Die unehrerbietige Dreistigkeit der Einwohner von Bet-Schemesch wurde schnell bestraft. Viele ereilte ein plötzlicher Tod. WABT 576 1 Dennoch brachte dieses Strafgericht die Überlebenden nicht zur Reue über ihre Sünden. Sie sahen lediglich mit abergläubischer Angst auf die Lade. Den Einwohnern von Bet-Schemesch lag nun sehr daran, die Lade loszuwerden, aber sie wagten nicht, sie wegzubringen, sondern forderten die Bewohner von Kirjat-Jearim auf: "Holt sie zu euch!" (1. Samuel 6,21 GNB) Glücklich begrüßten die Männer der Stadt die heilige Truhe. Sie wussten, dass sie das Unterpfand göttlicher Gnade für alle gehorsamen und treuen Israeliten war. Mit feierlicher Freude brachten sie die Lade in ihre Stadt und stellten sie in das Haus des Leviten Abinadab. Dieser beauftragte seinen Sohn Eleasar, sie in seine Obhut zu nehmen. Dort blieb sie dann viele Jahre lang. Samuel Wird Richter Über Israel WABT 576 2 In all den Jahren, seitdem sich der Herr dem Sohn Hannas zum ersten Mal offenbart hatte, war Samuels Berufung zum Prophetenamt vom ganzen Volk anerkannt worden. Mit der gewissenhaften Weitergabe der göttlichen Warnung an das Haus Elis - so schwer und schmerzlich die Pflicht gewesen war - hatte er seine Zuverlässigkeit als Jahwes Diener bewiesen. "Der Herr stand ihm bei und ließ alle Worte in Erfüllung gehen, die er durch Samuel sprach. Ganz Israel von Dan bis Beerscheba erkannte, dass der Herr ihn zu seinem Propheten bestimmt hatte." (1. Samuel 3,19. 20 GNB) WABT 576 3 Als Nation verharrten die Israeliten immer noch in Unglauben und Götzendienst, und als Strafe dafür blieben sie den Philistern weiterhin unterworfen. In dieser Zeit durchzog Samuel die Städte und Dörfer im ganzen Land und versuchte, das Volk zum Gott seiner Väter zu bekehren. Seine Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg. Nachdem die Israeliten die Unterdrückung ihrer Feinde 20 Jahre lang ertragen hatten, "schrien sie zum Herrn". Samuel riet ihnen: "Wenn ihr wirklich zum Herrn zurückkehren wollt, dann schafft die Bilder der fremden Götter und Göttinnen fort! Setzt euer ganzes Vertrauen auf den Herrn und verehrt keinen Gott außer ihm." (1. Samuel 7,3 GNB) Hieran wird deutlich, dass praktische Frömmigkeit und eine Religion des Herzens schon in der Zeit Samuels gepredigt wurden, wie es später der Sohn Gottes tat, als er auf Erden weilte. Ohne seine Gnade waren auch für das alte Israel die äußerlichen religiösen Formen wertlos. Bei der Gemeinde von heute ist dies nicht anders. WABT 577 1 Wir benötigen heute eine Erweckung zu einer wahren Religion des Herzens, wie Israel sie damals erlebte. Bei allen, die zu Gott zurückfinden möchten, muss als Erstes Reue zu erkennen sein. Das kann keiner für einen anderen tun. Jeder Einzelne von uns muss sich selbst vor Gott demütigen und seine Götzen beiseitelegen. Wenn wir alles getan haben, was wir können, wird der Herr seine Erlösung offenbaren. WABT 577 2 In Zusammenarbeit mit den Stammesfürsten wurde eine große Versammlung in Mizpa anberaumt. Ein feierliches Fasten wurde abgehalten, und in tiefer Demut bekannten die Leute ihre Sünden. Als Beweis ihrer Entschlossenheit, die eben empfangenen Anweisungen zu befolgen, betrauten sie Samuel mit dem Amt des Richters. Die Philister Greifen Erneut An WABT 577 3 Die Philister aber deuteten diese Zusammenkunft als Kriegsrat und brachen mit einer großen Streitmacht auf, um die Israeliten auseinanderzutreiben, ehe ihre Pläne ausreifen konnten. Die Nachricht von ihrem Anrücken erregte unter den Israeliten große Angst. Sie flehten Samuel an: "Bitte den Herrn, unseren Gott, uns vor den Philistern zu retten!" (1. Samuel 7,8 NLB) WABT 577 4 Während Samuel ein Lamm als Brandopfer darbrachte, zogen die Philister zum Kampf heran. Da offenbarte der mächtige Gott, der unter Feuer und Rauch auf dem Berg Sinai erschienen war, der das Rote Meer geteilt und für die Israeliten einen Weg durch den Jordan gebahnt hatte, abermals seine Macht. Ein schreckliches Unwetter brach über das anrückende Heer herein, und die Erde war mit den Leichnamen der starken Krieger übersät. WABT 577 5 Die Israeliten hatten in schweigender Ehrfurcht verharrt und schwankten zwischen Hoffnung und Angst. Als sie Zeugen der Vernichtung ihrer Feinde wurden, wussten sie, dass Gott ihre Reue angenommen hatte. Obwohl sie nicht auf einen Kampf vorbereitet waren, ergriffen sie die Waffen der erschlagenen Philister und verfolgten die fliehenden Scharen bis Bet-Kar. WABT 577 6 Dieser entscheidende Sieg wurde auf demselben Schlachtfeld errungen, auf dem 20 Jahre zuvor die Philister Israel geschlagen, die Priester getötet und die Bundeslade weggenommen hatten. Für Nationen wie für Einzelne ist der Weg des Gehorsams der Weg zu Sicherheit und Freude, während die Übertretung von Gottes Gesetz nur zu Unheil und Niederlagen führt. Die Philister waren jetzt so nachhaltig besiegt, dass sie alle Festungen zurückgaben, die sie von Israel erobert hatten, und sich viele Jahre lang sämtlicher Feindseligkeiten enthielten. Andere Völker folgten ihrem Beispiel. Solange Samuel allein über Israel herrschte, konnte es in Frieden leben. WABT 578 1 Damit dieses Ereignis nie in Vergessenheit geriet, errichtete Samuel zwischen Mizpa und Schen ein Steinmal und nannte es Eben-Eser, "Stein der Hilfe". Er sagte zum Volk: "Bis hierher hat uns der Herr geholfen." (1. Samuel 7,12 GNB) ------------------------Kapitel 58 - Die Schulen Der Propheten WABT 579 1 Der Herr selbst leitete die Erziehung Israels. Seine Aufsicht beschränkte sich nicht auf religiöse Belange. Die göttliche Vorsorge galt dem ganzen geistigen und körperlichen Wohlbefinden der Israeliten und gehörte zum Bereich des göttlichen Gesetzes. WABT 579 2 Gott hatte den Israeliten geboten, ihren Kindern seine Forderungen beizubringen und ihnen davon zu erzählen, was er an ihren Vätern getan hatte (vgl. 5. Mose 4,9.10; 6,7). Dies gehörte zu den besonderen Aufgaben der Eltern, die sie niemand anderem übertragen sollten. Nicht Fremde, sondern der Vater und die Mutter sollten ihre Kinder in liebevoller Weise unterrichten. Alle Ereignisse des täglichen Lebens sollten mit den Gedanken an Gott verknüpft werden. Im Familienkreis sollte man oft von seinen machtvollen Taten bei der Befreiung seines Volkes und von der Verheißung des kommenden Erlösers sprechen. Durch Beispiele und Sinnbilder sollten die Lehren noch besser im Gedächtnis haften bleiben. Die wichtigen Wahrheiten über das Wirken Gottes und über das zukünftige Leben prägten sich dem jungen Verstand tief ein. Die Kinder lernten daraus, Gott ebenso im Naturgeschehen wie in den Worten der Offenbarung zu sehen. Die Sterne am Himmel, die Bäume und Blumen auf den Feldern, die hoch aufragenden Berge und die plätschernden Bäche - sie alle redeten von ihrem Schöpfer. Der feierliche Opferdienst, die Anbetung am Heiligtum und die Botschaften der Propheten waren eine Offenbarung über Gott. WABT 579 3 So wurde Mose in der bescheidenen Hütte seiner Eltern in Goschen erzogen, Samuel durch die gläubige Hanna, David in der Bergwelt seiner Heimat in Bethlehem oder Daniel im Haus seiner Vorväter, ehe ihn die Gefangenschaft davon trennte. So verlief auch die Jugendzeit von Jesus in Nazareth, und so erfuhr Timotheus als Kind die Wahrheiten der Heiligen Schriften aus dem Mund seiner Großmutter Lois und seiner Mutter Eunike (siehe 2. Timotheus 1,5 und 3,15). Die Unterweisung In Den Schulen Der Propheten WABT 580 1 Für die weitere Unterweisung der Jugendlichen sorgten die Schulen der Propheten. Jedem Jugendlichen, der tiefer in die Wahrheiten des Wortes Gottes eindringen wollte und Weisheit von oben erstrebte, um ein Lehrer in Israel zu werden, standen diese Ausbildungsstätten offen. Die Schulen der Propheten wurden durch Samuel begründet, um als Schutzwehr gegen den weit verbreiteten Sittenverfall zu dienen, um das sittliche und geistliche Wohlergehen der Jugendlichen zu gewährleisten und um das künftige Wohlergehen der Nation zu fördern, indem sie Männer heranbildeten, die befähigt waren, der Nation als Leiter und Ratgeber zu dienen. Dazu versammelte Samuel Gruppen von jungen Männern, die fromm, klug und strebsam waren. Man nannte sie Prophetenjünger. Durch Zwiesprache mit Gott sowie durch das Studium seines Wortes und seiner Werke empfingen sie zu ihren natürlichen Begabungen Weisheit von oben. Ihre Lehrer waren nicht nur mit der göttlichen Wahrheit gut vertraut, sondern pflegten selbst Umgang mit Gott und hatten eine besondere geistliche Zurüstung empfangen. Sie genossen wegen ihrer Gelehrsamkeit und Frömmigkeit Anerkennung und Vertrauen im ganzen Volk. WABT 580 2 Zur Zeit Samuels gab es zwei dieser Schulen, eine in Rama, der Heimat des Propheten, die andere in Kirjat-Jearim, wo damals die Bundeslade stand. Später kamen noch weitere hinzu. WABT 580 3 Die Schüler bestritten ihren Lebensunterhalt selbst durch Landarbeit oder ein Handwerk. Das war für die Israeliten weder befremdlich noch erniedrigend. Man sah es geradezu als Frevel an, Kinder ohne Kenntnis einer nützlichen Arbeit aufwachsen zu lassen. Auf göttliche Anweisung erlernte jeder Jugendliche irgendeinen Beruf, selbst wenn er als Levit für den Dienst am Heiligtum ausgebildet werden sollte. Auch viele religiöse Lehrer lebten von ihrer Hände Arbeit. Selbst noch zur Zeit der Apostel waren Paulus und Aquila nicht weniger geachtet, weil sie ihren Lebensunterhalt durch die Zelttuchweberei verdienten (vgl. Apostelgeschichte 18,2.3) Die Lehrfächer Und Ziele Der Prophetenschulen WABT 580 4 Die wichtigsten Lehrfächer an diesen Schulen waren die Thora mit den Unterweisungen, die Mose von Gott erhalten hatte, die Heilsgeschichte, geistliche Musik und Dichtkunst. Der Unterricht unterschied sich wesentlich von den theologischen Lehrstätten der heutigen Zeit, wo viele Studenten beim Abschluss weniger echte Erkenntnis über Gott und die Wahrheit besitzen als bei ihrem Eintritt. WABT 581 1 An jenen Schulen in alter Zeit war das wichtigste Studienziel, den Willen Gottes und die Pflichten des Menschen ihm gegenüber kennenzulernen. In den Berichten der Heilsgeschichte wurden die Spuren Jahwes verfolgt. Die großen Wahrheiten, die im schattenhaften Heiligtumsdienst verborgen lagen, wurden erklärt, und der Glaube konnte die zentrale Figur dieses Opferwesens erfassen: "Gottes Opferlamm, das die Sünde aller Menschen" wegnehmen sollte (Johannes 1,29 Hfa). WABT 581 2 Man pflegte einen Geist der Andacht. Die Schüler lernten nicht nur, dass Beten eine Pflicht ist, sondern sie wurden belehrt, wie sie beten sollten, wie sie sich ihrem Schöpfer nahen durften, wie sie ihr Vertrauen auf ihn setzen konnten und wie man die Lehren seines Geistes verstehen und ihnen gehorchen konnte. Gebildete, geheiligte Männer zeigten ihnen Neues und Altes aus Gottes Schatzkammer, und Gottes Geist offenbarte sich in Weissagungen und heiligen Liedern. WABT 581 3 Die Musik wurde eingesetzt, um einem heiligen Zweck zu dienen, die Gedanken auf das Reine, Edle und Erhabene zu richten und im Herzen Dankbarkeit gegenüber Gott und Hingabe an ihn zu erwecken. Was für ein Gegensatz zwischen dem alten Brauch und dem, wozu heute Musik allzu oft verwendet wird! Wie viele benutzen diese Gabe zum Selbstruhm, statt Gott damit zu verherrlichen! Die Liebe zur Musik verleitet manchen Unachtsamen dazu, sich mit denen, die die Welt lieben, zu vereinen und an Vergnügungen teilzunehmen, die Gott seinen Kindern untersagt hat. So wird das, was bei rechtem Gebrauch sehr segensreich sein kann, zu einem der erfolgreichsten Mittel Satans, die Gedanken von den Pflichten und der Besinnung auf ewige Dinge abzulenken. WABT 581 4 Auch in den himmlischen Vorhöfen gehört Musik zur Anbetung Gottes. Darum sollten wir uns bemühen, in unseren Lobliedern dem Wohlklang der himmlischen Chöre so nahe wie möglich zu kommen. Eine gründliche Stimmausbildung ist ein wichtiger Teil der Unterweisung und sollte nicht vernachlässigt werden. Das Singen ist als Teil des Gottesdienstes ebenso ein Anbetungsakt wie das Gebet. Das Herz muss den Geist des Liedes spüren, um ihm den richtigen Ausdruck zu verleihen. Was Wir Von Den Prophetenschulen Lernen Können WABT 581 5 Wie groß ist doch der Unterschied zwischen jenen Schulen, in denen Gottes Propheten unterrichteten, und unseren heutigen Lehranstalten! Es gibt kaum noch Bildungsstätten, die nicht nach weltlichen Begriffen und Gewohnheiten geleitet werden. Äußerst beklagenswert ist der heutige Mangel an Selbstbeherrschung und an maßvoller Disziplin. Die Unwissenheit über Gottes Wort in sogenannten christlichen Ländern ist geradezu erschreckend. Oberflächliches Gerede und bloße Gefühlsduselei ersetzen den Unterricht in Moral und Religion. Die Jugendlichen erfahren nichts über die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes, über die Schönheit der Heiligkeit und den sicheren Lohn der Rechtschaffenheit, über das abscheuliche Wesen der Sünde und die Gewissheit ihrer schrecklichen Folgen. Schlechter Umgang lehrt die Jugendlichen die Wege der Ausschweifung, der Unzucht und des Verbrechens. WABT 582 1 Könnten unsere heutigen Lehrer nicht manch Nutzbringendes von den alten Schulen der Israeliten lernen? Er, der den Menschen schuf, hat auch für seine körperliche, geistige und seelische Entwicklung Vorkehrung getroffen. Wirklicher Erfolg in der Erziehung hängt deshalb davon ab, wie gewissenhaft die Menschen die Pläne ihres Schöpfers ausführen. WABT 582 2 Das wahre Ziel der Erziehung besteht darin, Gottes Bild im Menschen wiederherzustellen. Am Anfang schuf Gott den Menschen nach seinem Bild und rüstete ihn mit edlen Eigenschaften aus. Sein Verstand war ausgeglichen und alle Kräfte seines Wesens standen in einem harmonischen Verhältnis zueinander. Aber der Sündenfall und seine Folgen haben diese Gaben verdorben. Die Sünde hat das Bild Gottes im Menschen entstellt und nahezu ausgelöscht. Um es wiederherzustellen, wurde der Erlösungsplan erdacht und dem Menschen im Leben eine Probezeit gewährt. Das große Lebensziel, das allen anderen zugrunde liegt, besteht darin, ihn zur Vollkommenheit zurückzubringen, in der er am Anfang geschaffen wurde. Eltern und Lehrer haben die Aufgabe, bei der Erziehung der Jugend mit Gott zusammenzuarbeiten. Wenn sie das tun, sind sie "Gottes Mitarbeiter" (1. Korinther 3,9). WABT 582 3 All die mannigfaltigen Fähigkeiten des Geistes, der Seele und des Leibes hat der Mensch von Gott empfangen, um mit deren Gebrauch den höchstmöglichen Stand zu erreichen. Das kann aber keine eigennützige, einseitige Bildung sein, denn Gottes Wesen, dem wir ähnlich werden sollen, ist Güte und Liebe. Jede Eigenschaft und Fähigkeit, mit der uns der Schöpfer ausgestattet hat, soll zu seiner Ehre und zur Förderung unserer Mitmenschen angewandt werden. Darin finden wir die reinste, edelste und beglückendste Erfüllung. WABT 582 4 Wenn man diesem Grundsatz die gebührende Beachtung schenken würde, gäbe es in vielen gegenwärtigen Erziehungsmethoden einen gründlichen Wandel. Anstatt Stolz und selbstsüchtigen Ehrgeiz anzustacheln und ungesundes Wettbewerbsdenken zu entfachen, würden sich die Lehrer bemühen, die Liebe zur Güte, zur Wahrheit und zu echter Schönheit sowie den Wunsch nach Auszeichnung zu wecken. Die Schüler würden danach streben, Gottes Gaben in sich zu entwickeln - nicht, um andere zu übertreffen, sondern um die Absicht des Schöpfers zu erfüllen und seinem Bild ähnlicher zu werden. Anstatt mit rein irdischen Maßstäben zu messen oder vom Wunsch nach Selbstüberhöhung erfüllt zu sein, der alles andere herabsetzt und verachtet, würden sich die Gedanken auf den Schöpfer richten, um ihn zu erkennen und ihm ähnlich zu werden. Die Bibel Als Mittel Der Bildung WABT 583 1 "Alle Weisheit beginnt damit, dass man Ehrfurcht vor Gott hat. Den heiligen Gott kennen, das ist Einsicht!" (Sprüche 9,10 Hfa) Die große Aufgabe des Lebens heißt Charakterbildung. Eine Kenntnis Gottes ist das Fundament aller wahren Erziehung. Diese Kenntnis zu vermitteln und in Übereinstimmung damit den Charakter zu formen, sollte das Ziel jedes Lehrers sein. WABT 583 2 Gottes Gesetz spiegelt seinen Charakter wider. Deshalb dichtete ein Psalmist: "Alle deine Gebote sind gerecht" und: "Deine Gebote machen mich einsichtig" (Psalm 119,172.104 NLB). Gott hat sich uns in seinem Wort und in den Werken der Schöpfung offenbart. Durch die Heilige Schrift und durch das Buch der Natur sollen wir ihn kennenlernen. WABT 583 3 Es ist eine Gesetzmäßigkeit des Verstandes, dass er sich den Themen anpasst, mit denen er sich beschäftigt und worin er geschult ist. Sind das nur alltägliche Angelegenheiten, wird er geschwächt werden und verkümmern. Wenn von ihm nie verlangt wird, mit schwierigeren Problemen zu ringen, wird er allmählich die Fähigkeit zum Wachstum verlieren. WABT 583 4 Als erzieherischer Einfluss ist die Bibel ohnegleichen. Im Wort Gottes findet der Verstand Stoff für die tiefsten Gedanken und die erhabensten Bestrebungen. Die Bibel ist das lehrreichste Geschichtsbuch, das die Menschen besitzen. Sie kommt frisch aus der Quelle ewiger Wahrheit, und die Hand Gottes hat ihre Reinheit durch alle Zeitalter bewahrt. Sie erleuchtet die weit zurückliegende Vergangenheit, in die menschliche Forschungen vergeblich einzudringen versuchen. Im Wort Gottes erkennen wir die Macht, die den Grund der Erde gelegt und die Himmel ausgebreitet hat. Nur hier finden wir eine Geschichte der Menschheit, die von menschlichem Vorurteil oder Stolz unberührt ist. Hierin finden wir Berichte von den Kämpfen, den Niederlagen und Siegen der größten Männer, die diese Welt jemals gekannt hat. Hier werden die großen Probleme von Pflicht und Bestimmung entfaltet. Der Schleier, der die sichtbare Welt von der unsichtbaren trennt, wird gelüftet, und wir erblicken den Kampf zwischen den gegensätzlichen Kräften von Gut und Böse vom Anbeginn der Sünde bis zum endgültigen Sieg der Gerechtigkeit und Wahrheit. Und in all dem offenbart sich das Wesen Gottes. Bei ehrfürchtiger Betrachtung der Wahrheiten, die in Gottes Wort dargestellt werden, kommt der Lernende in Zwiesprache mit dem Geist des Unendlichen. Ein solches Studium wird nicht nur den Charakter bilden und veredeln, sondern auch die geistigen Kräfte stärken und weiter entfalten. WABT 584 1 Die Lehren der Bibel haben ganz wesentliche Auswirkungen auf das Wohlergehen der Menschen in allen Bereichen dieses Lebens. Die Bibel zeigt uns die Grundsätze, die das Fundament der Wohlfahrt eines Volkes sind - Grundsätze, die die Familie schützen und auf denen das Wohlergehen der Gesellschaft beruht. Ohne sie kann kein Mensch Nützliches leisten, glücklich sein, rechtschaffen leben oder auf das künftige, unvergängliche Leben hoffen. Es gibt keine Stellung im Leben und keinen Abschnitt menschlicher Erfahrung, für welche die Lehren der Bibel nicht eine wesentliche Vorbereitung wären. Würde man diese Lehren studieren und befolgen, würde das Wort Gottes der Welt mehr Menschen mit stärkerem und aktiverem Verstand schenken, als es eine noch so intensive Anwendung aller Themen der menschlichen Philosophie könnte. Es vermag Menschen Stärke und Festigkeit des Charakters, eine scharfe Auffassungsgabe und ein gesundes Urteilsvermögen zu verleihen. Diese Menschen wären eine Ehre für Gott und ein Segen für die Welt. Das Buch Der Natur WABT 584 2 Auch durch das Studium der Naturwissenschaften sollen wir eine Erkenntnis des Schöpfers erlangen, denn alle wahre Wissenschaft ist nur eine Deutung der Handschrift Gottes in der greifbaren Welt. Die Naturwissenschaft bringt aus ihrer Forschungsarbeit immer neue Beweise für Gottes Weisheit und Macht. Richtig verstanden macht sowohl das Buch der Natur als auch das geschriebene Wort mit Gott vertraut, indem sie uns die weisen und gütigen Gesetze, durch die er wirkt, verständlicher machen. WABT 584 3 Die Schüler sollten dazu angeleitet werden, in allen Werken der Schöpfung Gott zu sehen. Die Lehrkräfte sollten sich den Meisterlehrer zum Vorbild nehmen: Aus den vertrauten Dingen der Natur nahm Jesus Gleichnisse, die seine Lehren vereinfachten und seinen Hörern tiefer in den Verstand einprägten. Die trillernden Vögel in den Zweigen, die Blumen im Tal, die hoch aufragenden Bäume, das fruchtbare Land, das sprießende Getreide, der unfruchtbare Boden, die untergehende Sonne, die den Himmel mit ihren Strahlen vergoldet - alles diente ihm als Lehrbehelf. Er verknüpfte die sichtbaren Werke des Schöpfers mit seinen Worten des Lebens. Die Gedanken seiner Zuhörer sollten sich dann jedes Mal jenen Wahrheiten zuwenden, die er damit in Verbindung brachte. WABT 585 1 Der Stempel Gottes, der in seinem Wort offenkundig ist, zeigt sich auch an den hohen Bergen, den fruchtbaren Tälern, dem weiten, tiefen Meer. Die Dinge der Natur erzählen den Menschen von der Liebe des Schöpfers. Durch unzählige Zeichen am Himmel und auf der Erde hat er uns mit sich verbunden. Diese Welt ist keineswegs nur mit Leid und Elend erfüllt. "Gott ist Liebe" steht auf jeder sich öffnenden Knospe, auf jedem Blütenblatt und auf jedem Grashalm. Obwohl die Erde durch den Fluch der Sünde Dornen und Disteln hervorgebracht hat, haben die Disteln doch Blüten und die Dornen werden von den Rosen verborgen. Alle Dinge in der Natur zeugen von der gütigen, väterlichen Fürsorge unseres Gottes und von seinem Wunsch, seine Kinder glücklich zu machen. Seine Verbote und Anordnungen sind nicht dazu da, bloß seine Herrschaft unter Beweis zu stellen. Vielmehr hat er in allem, was er tut, das Wohlergehen seiner Kinder im Auge. Er verlangt von ihnen nicht, etwas aufzugeben, was zu ihrem Besten dienen könnte. WABT 585 2 Die Ansicht, die in manchen gesellschaftlichen Gruppen vorherrscht, Religion sei der Gesundheit oder dem irdischen Lebensglück nicht förderlich, ist einer der schlimmsten Irrtümer. Die Heilige Schrift sagt: "Die Ehrfurcht vor dem Herrn schenkt Leben und Sicherheit." (Sprüche 19,23 NLB) "Wollt ihr ein glückliches Leben führen und gute Tage erleben? Dann hütet eure Zunge vor bösen Worten und verbreitet keine Lügen! Wendet euch ab vom Bösen und tut Gutes. Bemüht euch, mit anderen in Frieden zu leben." (Psalm 34,1315 NLB) Die Worte der Weisheit "schenken jedem, der ihren Sinn versteht, Leben und Gesundheit" (Sprüche 4,22 NLB). Die Segnungen Der Wahren Religion WABT 585 3 Die wahre Religion bringt Menschen in Übereinstimmung mit Gottes Gesetzen - körperlich, geistig und moralisch. Sie lehrt Selbstbeherrschung, Gelassenheit und Mäßigkeit. Sie erhebt den Verstand, verfeinert den Geschmack und heiligt das Urteilsvermögen. Sie lässt den Menschen an der Reinheit des Himmels teilhaben. Der Glaube an die Liebe Gottes und an seine lenkende Vorsehung (vgl. Römer 8,28) nimmt die Last der Angst und Sorgen. Er macht das Herz fröhlich und zufrieden im großartigsten oder bescheidensten Los. Wahre Religion fördert im Allgemeinen die Gesundheit, verlängert das Leben und steigert unsere Freude an allen seinen Segnungen. Sie erschließt uns eine nie versiegende Quelle des Glücks. Wenn doch alle, die sich bisher noch nicht für Christus entschieden haben, einsehen würden, dass er ihnen weit Besseres zu bieten hat, als sie für sich selbst suchen! Wer im Gegensatz zum Willen Gottes denkt und handelt, schadet sich selbst am meisten und begeht großes Unrecht an sich. Es kann keine echte Freude geben auf Wegen, die der Herr verboten hat, der das Beste für uns kennt und auf das Wohl seiner Geschöpfe bedacht ist. Übertretung führt ins Elend, aber der Weisheit "Wege sind freundliche Wege, und alle ihre Pfade sind Frieden" (Sprüche 3,17 Elb.). Der Nutzen Körperlicher Arbeit WABT 586 1 Es lohnt sich, die körperliche wie die religiöse Ausbildung in den Schulen der Israeliten zu studieren. Der Wert einer solchen Erziehung wird heutzutage nicht geschätzt. Aber es besteht zwischen Körper und Geist eine enge Beziehung, und um einen hohen sittlichen und geistigen Stand zu erreichen, müssen die Gesetzmäßigkeiten, die unser körperliches Sein beherrschen, beachtet werden. Um einen starken, ausgeglichenen Charakter zu entwickeln, muss er sowohl seine geistigen als auch seine körperlichen Kräfte betätigen und entwickeln. Welches Studium kann für die Jugendlichen wichtiger sein als die Funktionsweise unseres Körpers und das Studium der Gesetzmäßigkeiten, durch die er gesund erhalten werden kann? WABT 586 2 Wie zur Zeit Israels müssten heute alle Jugendlichen in den Pflichten des täglichen Lebens angeleitet werden. Jeder sollte irgendein Handwerk erlernen, mit dem er - wenn nötig - seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Dies ist nicht nur wichtig als Absicherung gegen die Unwägbarkeiten des Lebens, sondern dient auch der Förderung der körperlichen, geistigen und moralischen Entwicklung. Selbst wenn jemand genau weiß, dass er seinen Unterhalt nie durch Handarbeit zu verdienen braucht, sollte er zur Arbeit mit seinen eigenen Händen angeleitet werden. Ohne körperliche Betätigung kann niemand eine kräftige Statur und eine robuste Gesundheit bewahren. Und die Disziplin bei einer regelmäßigen Arbeit ist nicht weniger wichtig, um einen starken, aktiven Verstand und einen edlen Charakter zu erlangen. WABT 586 3 Jeder Schüler sollte einen Teil des Tages der körperlichen Betätigung widmen. Auf diese Weise würden sich die Jugendlichen an Fleiß gewöhnen, an Selbstvertrauen gewinnen und vor vielen schlechten und erniedrigenden Praktiken bewahrt werden, die oft die Folge von Müßiggang sind. Das alles steht im Einklang mit dem vorrangigen Ziel der Erziehung, denn durch Arbeit, Fleiß und Reinheit stellen wir die Harmonie mit dem Schöpfer her. WABT 586 4 Helft den Jugendlichen, die Absicht Gottes mit ihrer Erschaffung zu verstehen, nämlich ihn zu ehren und für ihre Mitmenschen segensreich zu wirken. Zeigt ihnen die zärtliche Liebe, die ihnen ihr himmlischer Vater erwiesen hat, die hohe Bestimmung, auf die sie in der Schule des Lebens vorbereitet werden sollen, und die Würde und Ehre der Gotteskindschaft, zu der sie berufen sind. So würden sich Tausende mit Verachtung und Abscheu von den niedrigen, selbstsüchtigen Zielen und leichtfertigen Vergnügungen abwenden, die sie bisher so gefesselt haben. Sie würden lernen, die Sünde zu hassen und zu meiden - nicht nur wegen der Aussicht auf Belohnung oder aus Angst vor Strafe, sondern weil sie sich der innewohnenden Niederträchtigkeit der Sünde bewusst sind, die zudem ihre von Gott verliehenen Kräfte schwächt und einen Makel für ihr gottähnliches Menschsein darstellt. WABT 587 1 Gott wünscht nicht, dass die Jugendlichen weniger strebsam sind. Die Wesenszüge, die einen erfolgreichen, angesehenen Menschen ausmachen - das unbändige Verlangen nach Höherem, der unbezähmbare Wille, die Bereitschaft, sich anzustrengen, und unermüdliche Ausdauer -, sollen nicht unterdrückt werden. Mit der Hilfe Gottes sollten sie aber auf Ziele ausgerichtet werden, die weit höher sind als die eigensüchtigen irdischen Interessen - so wie der Himmel höher als die Erde ist. Die Erziehung - Ein Prinzip Der Ewigkeit WABT 587 2 Die Erziehung, die in diesem Leben begonnen hat, wird im künftigen fortgesetzt werden. Tag für Tag werden sich dann Gottes wunderbare Werke, die Beweise seiner Weisheit und Macht in der Erschaffung und Erhaltung des Universums und das unendliche Geheimnis seiner Liebe und Weisheit im Erlösungsplan dem Geist in neuer Schönheit auftun. "Was kein Auge jemals gesehen und kein Ohr gehört hat, worauf kein Mensch jemals gekommen ist, das hält Gott bereit für die, die ihn lieben." (1. Korinther 2,9 GNB) Doch wir können schon hier in diesem Leben flüchtige Blicke auf seine Gegenwart werfen und die Freude der Gemeinschaft mit dem Himmel schmecken. Aber die Fülle der Freude und Segnungen werden wir erst in der Zukunft erreichen. Nur die Ewigkeit kann die herrliche Bestimmung offenbaren, die der zum Bild Gottes wiederhergestellte Mensch erlangen kann. ------------------------Kapitel 59 - Saul Wird Der Erste König WABT 590 0 1. Samuel 8 bis 12. WABT 590 1 Israel wurde im Namen und durch die Autorität Gottes regiert. 32 Die Aufgabe von Mose, der 70 Ältesten, der Obersten und der Richter war es lediglich, den Gesetzen Geltung zu verschaffen, die Gott gegeben hatte. Sie besaßen keine Befugnis, Gesetze für das Volk zu erlassen. Das war und blieb die Bedingung für Israels Existenz als eine Nation unter Gott. In jedem Zeitalter sandte ihnen Gott erleuchtete Männer, um das Volk zu unterrichten und die Durchsetzung der Gesetze zu gewährleisten. Das Volk Wünscht Einen König WABT 590 2 Der Herr sah voraus, dass sich sein Volk einen König wünschen werde, aber er willigte in keine Änderung der Grundsätze ein, auf denen der Staat beruhte. Der König sollte der Statthalter des Höchsten sein. Als Oberhaupt der Nation sollte Gott anerkannt werden, und sein Gesetz sollte als das höchste Recht im Land gelten. WABT 590 3 Als sie sich in Kanaan ansiedelten, bekannten sich die Israeliten zu den Grundsätzen der Theokratie (Gottesherrschaft), und unter Josuas Regentschaft gedieh die Nation. Aber die Zunahme der Bevölkerung und der Umgang mit anderen Völkern änderten das. Das Volk übernahm viele Gewohnheiten seiner heidnischen Nachbarn und büßte damit weitgehend seinen eigenen heiligen Charakter ein. Allmählich verloren die Israeliten die Ehrfurcht vor Gott und wussten ihre Ehre als sein auserwähltes Volk nicht mehr zu schätzen. Angezogen vom Prunk und Aufwand, den die heidnischen Fürsten betrieben, wurden sie ihrer Einfachheit überdrüssig. Zwischen den Stämmen keimten Eifersucht und Neid, und innere Streitigkeiten schwächten sie. Zudem waren sie ständig den Angriffen ihrer heidnischen Feinde ausgesetzt. Das Volk glaubte allmählich, dass sich die Stämme Israels unter einer starken Zentralregierung vereinigen müssten, um ihre Stellung unter den Völkern behaupten zu können. Als sie sich vom Gehorsam gegen Gottes Gesetz abwandten, wollten sie auch von der Herrschaft ihres göttlichen Souveräns frei werden. Auf diese Weise verbreitete sich in Israel weithin das Verlangen nach einer Monarchie. WABT 591 1 Seit Josuas Zeit war die Regierung nie mit so viel Umsicht und Erfolg geführt worden wie unter Samuel. Er hatte von Gott ein dreifaches Amt erhalten: Als Richter, Prophet und Priester hatte er unermüdlich und selbstlos für das Wohl seines Volkes gewirkt. Unter seiner weisen Führung war die Nation gediehen. Die Ordnung war wiederhergestellt. Die Frömmigkeit im Volk wurde gefördert. Der Geist der Unzufriedenheit konnte eine Zeitlang in Grenzen gehalten werden. Samuels Söhne Als Zusätzliche Richter WABT 591 2 Mit zunehmendem Alter allerdings war der Prophet genötigt, die Regierungsgeschäfte mit anderen zu teilen. Er bestimmte seine beiden Söhne zu Assistenten. Während Samuel seine Amtspflichten weiterhin in Rama versah, wies er den beiden jungen Männern Beerscheba als Sitz zu. Von dort aus sollten sie unter dem Volk nahe der Südgrenze des Landes Recht sprechen. WABT 591 3 Samuel hatte seine Söhne mit der uneingeschränkten Zustimmung des Volkes mit diesem Dienst betraut, aber sie erwiesen sich der väterlichen Wahl nicht würdig. Der Herr hatte durch Mose den Obersten seines Volkes genaue Anweisungen gegeben, wie sie Israel gewissenhaft richten, vor allem Witwen und Waisen gerecht behandeln und sich nicht bestechen lassen sollten (vgl. WABT 591 4 5.Mose 16.18. 19). Aber Samuels Söhne "suchten sich zu bereichern. Sie ließen sich durch Bestechung in ihrem Urteil beeinflussen" (1. Samuel 8,3 GNB). Sie beachteten die Vorschriften nicht, die ihnen Samuel einzuprägen versucht hatte. Sie hatten sich das reine, selbstlose Leben ihres Vaters nicht zum Vorbild genommen. Die an Eli gerichtete Warnung hatte bei Samuel nicht die Wirkung erzielt, die sie haben sollte. Auch er war in gewisser Weise zu nachsichtig mit seinen Söhnen gewesen. Die Folgen zeigten sich jetzt in ihrem Charakter und Lebenswandel. WABT 591 5 Die Ungerechtigkeit dieser Richter rief viel Unzufriedenheit hervor und bot einen Vorwand dafür, auf die Veränderung zu drängen, die sich viele insgeheim schon lange gewünscht hatten. Da kamen alle Ältesten Israels zusammen und gingen zu Samuel nach Rama. Sie sagten zu ihm: "Du bist alt geworden, und deine Söhne folgen nicht deinem Beispiel. Setze deshalb einen König über uns ein, der bei uns für Recht sorgt, wie es bei allen Völkern üblich ist!" (1. Samuel 8,4.5 GNB) Die Fälle von Rechtsbruch waren Samuel nie mitgeteilt worden. Wäre ihm das üble Verhalten seiner Söhne bekannt gewesen, hätte er sie sofort abgesetzt. Aber das war nicht die Absicht der Bittsteller. Samuel erkannte, dass ihre wahren Beweggründe Unzufriedenheit und Stolz waren und ihr Begehren einer wohlüberlegten, entschlossenen Absicht entsprang. Sie erhoben keinerlei Klage gegen ihn selbst. Alle erkannten die Rechtschaffenheit und Weisheit seiner klugen Verwaltung an. Doch der alternde Prophet betrachtete ihre Forderung als Kritik an seiner Person und als einen Versuch, ihn beiseitezuschieben. Er ließ sich jedoch seine Gefühle nicht anmerken und machte ihnen auch keine Vorwürfe. Er trug die Angelegenheit dem Herrn im Gebet vor und erbat sich Rat von ihm allein. Israel Verwirft Den Herrn Als König WABT 592 1 Der Herr sagte zu Samuel: "Erfülle ihnen nur ihren Wunsch! Nicht dich lehnen sie ab, sondern mich. Ich soll nicht länger ihr König sein! Seit ich sie aus Ägypten herausgeführt habe, sind sie mir immer wieder untreu geworden und haben sich anderen Göttern zugewandt. Das ist bis heute so geblieben. Jetzt ergeht es dir ebenso." (1. Samuel 8,7.8 GNB) Das war eine Zurechtweisung des Propheten, weil er das Verhalten des Volkes als persönliche Kränkung empfunden hatte. Es hatte jedoch nicht ihm gegenüber mangelnden Respekt gezeigt, sondern gegenüber Gott, der die Herrscher über sein Volk eingesetzt hatte. Wer einen treuen Diener Gottes ablehnt, verachtet nicht nur ihn, sondern den Herrn, der ihn gesandt hat. Es sind die Worte Gottes, seine Zurechtweisungen und Ratschläge, die beiseitegesetzt werden. Seine Autorität wird damit verworfen. WABT 592 2 Die Zeiten ihres größten Wohlstands hatten die Israeliten erlebt, als sie Jahwe als ihren König anerkannten - als Gottes Gesetze und die von ihm eingerichtete Regierungsform höher geachtet wurden als die aller anderen Völker. Mose hatte ihnen bezüglich der Gesetze des Herrn erklärt: "Beachtet sie also und handelt danach! Dann werdet ihr unter den Völkern für eure Weisheit berühmt werden. Denn wenn die anderen Völker hören, nach was für Geboten ihr lebt, werden sie voll Achtung auf euch blicken und sagen: "Wie klug und einsichtig ist doch dieses große Volk!" (5. Mose 4,6 GNB) Aber indem die Israeliten von Gottes Gesetz abwichen, versagten sie darin, zu dem Volk zu werden, das Gott aus ihnen machen wollte. Und dann schrieben sie die üblen Folgen ihrer eigenen Sünden und Dummheiten der Herrschaft Gottes zu. So verblendet waren sie durch die Sünden geworden. WABT 593 1 Der Herr hatte durch seinen Propheten Mose zuvor gesagt, dass Israel einmal von einem König regiert werden würde (vgl. 5. Mose 17,14). Aber daraus folgt nicht, dass diese Regierungsform die beste für sie war oder dem Willen Gottes entsprach. Weil sich das Volk aber nicht von seinem Rat leiten lassen wollte, erlaubte ihm Gott, der eigenen Entscheidung zu folgen. "Voller Zorn habe ich euch einen König gegeben", ließ der Herr später durch Hosea verkündigen (Hosea 13,11a Hfa). WABT 593 2 Wenn Menschen ihre eigenen Wege gehen wollen, entgegen Gottes offenbartem Willen oder ohne seinen Rat zu suchen, gewährt ihnen Gott oft ihren Wunsch, damit sie aus den bitteren Erfahrungen, die daraus folgen, ihre Torheit erkennen und ihre Sünde bereuen. Hochmut und menschliche Klugheit erweisen sich oft als gefährliche Führer. Was das Herz gegen den Willen Gottes begehrt, wird sich zuletzt als Fluch statt als Segen erweisen. WABT 593 3 Gott wünschte, dass sein Volk in ihm allein den Gesetzgeber und die Quelle der Kraft sehen sollte. Im Bewusstsein seiner Abhängigkeit von Gott würde es sich ständig näher zu ihm hingezogen fühlen. Es würde erhoben und geadelt werden, tauglich für die hohe Bestimmung, zu der Gott es als sein auserwähltes Volk berufen hatte. Sobald aber ein Mensch auf dem Thron säße, würde dies die Gedanken der Israeliten eher von Gott abwenden. Sie würden mehr auf menschliche Stärke als auf Gottes Macht bauen. Und durch die Fehler ihres Königs würden sie zur Sünde verleitet werden und sich als Nation von Gott trennen. Das Volk Wird Vor Den Folgen Gewarnt WABT 593 4 Samuel erhielt die Anweisung, ihrer Bitte zu entsprechen, aber die Missbilligung Gottes bekanntzumachen und ihnen die Folgen ihres Verlangens darzulegen. "Samuel sagte alle Worte des Herrn dem Volk, das von ihm einen König forderte." (1. Samuel 8,10) Er erklärte ihnen genau, welche Lasten ihnen auferlegt würden, und zeigte ihnen den Gegensatz auf zwischen solch einem Zustand der Unterdrückung und ihrer gegenwärtigen, relativ freien und wohlhabenden Lage. Ihr König würde den Prunk und Luxus anderer Monarchen nachahmen, was zum Unterhalt schmerzliche Forderungen an sie persönlich und ihren Besitz zur Folge hätte. Die stattlichsten jungen Männer würde er für seinen Dienst verlangen. Er würde sie zu Wagenlenkern, Reitern und Läufern machen, sie müssten die Reihen seines Heeres füllen, seine Felder bestellen, seine Ernte einbringen und Kriegsgeräte zu seiner Verfügung herstellen. Israels Töchter würden im königlichen Haushalt als Salbenmischerinnen, Köchinnen und Bäckerinnen gebraucht. Zur Bestreitung seines Hofstaates würde er ihre besten Ländereien beschlagnahmen, die ihnen Jahwe selbst verliehen hatte. Auch ihre tüchtigsten Knechte und ihr Vieh würde er ihnen wegnehmen und in seinen Dienst stellen. Außerdem würde er einen Zehnten all ihres Einkommens, ihrer Arbeitserzeugnisse oder Bodenfrüchte einfordern. "Ihr werdet seine Knechte sein", schloss der Prophet, aber "wenn dieser Tag kommt, werdet ihr um Hilfe schreien wegen eures Königs ... aber der Herr wird euch dann nicht erhören." (1. Samuel 8,16-18 NLB) Wie belastend sie die Forderungen des Königs dann auch empfinden würden, war die Monarchie erst einmal errichtet, könnten sie sie nicht nach Belieben wieder abschaffen. WABT 594 1 Aber das Volk gab wieder zur Antwort: "Nein, wir wollen einen König! Es soll bei uns genauso sein wie bei den anderen Völkern! Ein König soll uns Recht sprechen und uns im Krieg anführen!" (1. Samuel 8,19.20 GNB) WABT 594 2 "Wie bei den anderen Völkern." Die Israeliten begriffen nicht, welch ein außergewöhnlicher Segen und Vorzug es war, in dieser Hinsicht nicht so zu sein wie andere Nationen. Gott hatte die Israeliten von allen anderen Völkern abgesondert, um sie zu seinem besonderen Eigentum zu machen. Aber sie verwarfen diese hohe Ehre und forderten ungeduldig, das Vorbild der Heiden nachahmen zu dürfen. Dieses Bestreben, sich weltlichen Gepflogenheiten und Gewohnheiten anzupassen, besteht auch heute noch unter den Gläubigen, die sich als Volk Gottes bekennen. Wenn sie dem Herrn den Rücken zukehren, sind sie erpicht darauf, den Gewinn und die Ehre der Welt zu erlangen. Christen versuchen dauernd, die Lebensweise derer nachzuahmen, die den Gott dieser Welt anbeten. Viele betonen dann, sie könnten auf Ungläubige einen viel stärkeren Einfluss ausüben, wenn sie mit ihnen mehr Gemeinschaft pflegen und sich ihren Gebräuchen anpassen würden. Doch wer solche Wege geht, trennt sich damit von der Quelle seiner Kraft. "Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein." (Jakobus 4,4). Um weltlicher Anerkennung willen opfert er die unbeschreibliche Ehre, zu der Gott ihn berufen hat, nämlich den Charakter dessen bekanntzumachen, der ihn "aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat" (1. Petrus 2,9b Elb.). Die Gründe Für Die Ablehnung Samuels WABT 594 3 Tieftraurig hörte Samuel den Worten des Volkes zu. Aber der Herr sagte zu ihm: "Gib ihrer Forderung nach und setze einen König über sie ein!" (1. Samuel 8,22 GNB) Der Prophet hatte seine Pflicht erfüllt. Gewissenhaft hatte er die Warnung verkündet, aber sie war zurückgewiesen worden. Schweren Herzens entließ er das Volk und brach auf, um die grundlegende Änderung der Regierungsform vorzubereiten. WABT 595 1 Samuels Leben in Reinheit und selbstloser Treue war ein dauernder Vorwurf für selbstsüchtige Priester und Älteste und für die stolze, auf Äußerlichkeiten bedachte Gemeinde Israels. Auch ohne Prunk und Aufwand trug seine Arbeit das Siegel des Himmels. Ihn ehrte der Erlöser der Welt, unter dessen Leitung er die israelitische Nation regierte. Aber das Volk war der Frömmigkeit und Treue Samuels überdrüssig geworden. Es verachtete seine demütige Haltung und lehnte ihn ab. Es verlangte nach einem Mann, der es als König regieren sollte. Samuels Charakter -- Ein Abbild Von Jesus WABT 595 2 Im Charakter Samuels spiegelt sich das Bild von Jesus wider. Es war die Reinheit des Lebens des Erlösers, die den Zorn Satans erregte. Dieses Leben war das Licht der Welt, das die im Herzen der Menschen verborgene Bosheit aufdeckte. Seine Heiligkeit löste bei den Pharisäern, die sich unaufrichtig zu ihrer angeblichen Frömmigkeit bekannten, die heftigsten Angriffe gegen ihn aus. Christus trat nicht mit dem Reichtum und den Würden dieser Erde auf, aber seine Werke zeigten, dass er größere Macht besaß als irgendein menschlicher Herrscher. Die Juden erwarteten einen Messias, der das Joch ihrer Unterdrücker zerbrechen sollte, und doch hegten sie die Sünden, die das Joch auf ihrem Nacken verursacht hatten. Hätte Christus ihre Schuld bemäntelt und ihre Frömmigkeit gelobt, hätten sie ihn als ihren König angenommen. Aber sie konnten es nicht ertragen, dass er ihre Laster furchtlos rügte. Sie verachteten die Schönheit eines Charakters, in dem vor allem Güte, Reinheit und Heiligkeit regierten und der keinen Hass hegte - außer gegenüber der Sünde. WABT 595 3 So ist es zu allen Zeiten gewesen. Das Licht vom Himmel verurteilt jeden, der nicht darin wandeln will. Das Vorbild derer, die die Sünde verabscheuen, empfinden Heuchler als Vorwurf und werden dann zu Werkzeugen Satans, um die treuen Gläubigen zu unterdrücken und zu verfolgen. "Jeder, der an Christus Jesus glaubt und ein Leben zur Ehre Gottes führen will, wird Verfolgung erleben", erklärte Paulus (2. Timotheus 3,12 NLB). Die Erwählung Sauls Als König WABT 595 4 Obwohl eine monarchische Regierungsform für Israel prophetisch vorhergesagt war, hatte sich Gott das Recht vorbehalten, den König zu bestimmen. Die Israeliten erkannten Gottes Herrschaftsanspruch noch insoweit an, als sie ihm die Wahl allein überließen. Sie fiel auf Saul, einen Sohn des Kisch, aus dem Stamm Benjamin. WABT 596 1 Die äußere Erscheinung des künftigen Monarchen war derart, dass sie den Stolz befriedigen konnte, der nach einem König rief. "Es war niemand unter den Israeliten so schön wie er." (1. Samuel 9,2) Er war von edler Gestalt, würdevoll, gut aussehend und hochgewachsen und stand in der Blüte seines Lebens. Er schien ein geborener Herrscher zu sein. Doch trotz aller äußerlicher Anziehungskraft mangelte es Saul an jenen höheren Werten, die die wahre Weisheit ausmachen. Er hatte in jungen Jahren nicht gelernt, seine unbesonnenen, heftigen Leidenschaften zu beherrschen. Er hatte die erneuernde Kraft der göttlichen Gnade nie erfahren. WABT 596 2 Saul war der Sohn eines mächtigen und wohlhabenden Stammesfürsten, doch verrichtete er - den einfachen Verhältnissen jener Zeit entsprechend - mit seinem Vater die bescheidenen Pflichten eines Bauern. Als sich eines Tages einige von ihren Tieren im Bergland verirrt hatten, begab sich Saul mit einem Knecht auf die Suche. Drei Tage lang suchten sie vergeblich nach ihnen. Als sie in die Nähe von Rama, Samuels Wohnort, kamen, schlug der Knecht vor, den Propheten nach dem vermissten Eigentum zu fragen. "Ich habe noch einen Viertel Silberschekel", sagte er, "das will ich dem Mann Gottes geben, damit er uns den Weg sagt." (1. Samuel 9,8 NLB) Das entsprach der Sitte der Zeit: Wenn man eine im Rang oder Amt höhere Person ansprach, überreichte man ihr als Ausdruck der Hochachtung ein kleines Geschenk. WABT 596 3 Als sie sich der Stadt näherten, begegneten ihnen einige junge Mädchen, die unterwegs waren, um Wasser zu schöpfen. Sie fragten diese nach dem Propheten. Sie erwiderten, es werde gleich ein Gottesdienst stattfinden, und er sei schon angekommen. Auf der Anhöhe werde ein Opfer dargebracht, und danach finde ein Fest statt. WABT 596 4 Unter Samuels Amtsführung hatte sich einiges grundlegend verändert. Als Gott Samuel zum Dienst berief, war der Heiligtumsdienst bei den Priestern verpönt. "Sie verachteten das Opfer des Herrn." (1. Samuel 2,17) Aber jetzt wurde die Anbetung Gottes im ganzen Land hochgehalten, und das Volk nahm regen Anteil an den religiösen Diensten. Da es damals keinen Opferdienst am Heiligtum mehr gab, wurden die Opfer anderswo dargebracht. Die Städte der Priester und Leviten, wo das Volk zur Belehrung zusammenkam, wurden für diesen Zweck ausgesucht. Gewöhnlich wählte man die höchsten Erhebungen der Gegend als Opferstätte aus. Daher nannte man sie "Höhen" (1. Samuel 9,12b). Saul Wird Zum König Gesalbt WABT 597 1 Am Stadttor wurde Saul vom Propheten selbst begrüßt. Gott hatte Samuel offenbart, dass sich der erwählte König Israels um diese Zeit bei ihm einfinden werde. Als sie sich nun Auge in Auge gegenüberstanden, sprach der Herr zu Samuel: "Das ist der Mann, den ich dir angekündigt habe! Er wird über mein Volk herrschen." WABT 597 2 Auf Sauls Bitte: "Kannst du mir bitte sagen, wo ich das Haus des Sehers finde?", erwiderte Samuel: "Ich bin der Seher." Er versicherte ihm, dass die verlorenen Tiere gefunden seien, und drängte ihn, zu bleiben und am Fest teilzunehmen. Gleichzeitig deutete er ihm seine bevorstehende hohe Bestimmung an: "Und wem gehört alles Wertvolle in Israel? Gehört es nicht dir und deiner ganzen Familie?" Diese Worte des Propheten berührten Sauls Herz. Er ahnte etwas von ihrer Bedeutung, denn die Forderung nach einem König fesselte das Interesse der ganzen Nation. Doch in bescheidener Selbsteinschätzung erwiderte Saul: "Aber ich stamme doch nur aus Benjamin, dem kleinsten Stamm in Israel, und meine Familie ist die unbedeutendste von allen Familien dieses Stammes! Warum sagst du so etwas zu mir?" (1. Samuel 9,17-21 NLB) WABT 597 3 Samuel führte den Fremden zu dem Platz, wo die wichtigsten Männer der Stadt versammelt waren. Auf seine Anordnung hin räumte man Saul den Ehrenplatz ein und setzte ihm beim Festmahl das erlesenste Stück vor. Nach dem Gottesdienst nahm Samuel seinen Gast mit nach Hause. Dort unterhielt er sich lange mit ihm auf der Dachterrasse. Er erklärte ihm die wichtigsten Grundsätze, auf denen Israels Regierung beruhe, und versuchte ihn in gewissem Maß auf seine hohe Stellung vorzubereiten. WABT 597 4 Als Saul am anderen Morgen in der Frühe aufbrach, begleitete ihn der Prophet. Nachdem sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, gebot Samuel dem Diener vorauszugehen, Saul aber bat er stillzustehen und eine Botschaft von Gott zu empfangen. "Dann nahm Samuel ein Fläschchen Öl und goss es über Sauls Kopf aus. Er küsste ihn und sagte: ›Ich tue das, weil der Herr dich zum Anführer seines Volkes Israel gesalbt hat.‹" (1. Samuel 10,1 NLB) Zum Beweis, dass dies aus göttlicher Vollmacht geschah, sagte er ihm voraus, was sich auf dem Heimweg ereignen werde. Er gab Saul die Zusicherung, dass ihn der Geist Gottes für das zu erwartende Amt befähigen werde. "Der Geist des Herrn wird über dich kommen", sagte der Prophet, "da wirst du umgewandelt und ein anderer Mensch werden. Wenn bei dir nun diese Zeichen eintreffen, so tue, was dir vor die Hände kommt; denn Gott ist mit dir." (1. Samuel 10,6.7) WABT 598 1 Als Saul seines Weges zog, traf alles so ein, wie der Prophet es gesagt hatte. Im Grenzgebiet von Benjamin bekam er die Nachricht, dass die verlorenen Tiere gefunden wurden. Dann traf er in der Ebene von Tabor drei Männer, die zur Anbetung Gottes nach Bethel unterwegs waren. Einer von ihnen trug drei Böcklein, der zweite trug drei Laibe Brot und der dritte einen Krug mit Wein für das Opferfest. Sie entboten Saul den üblichen Gruß und schenkten ihm zwei von den drei Broten. Bei Gibea, seiner Heimatstadt, kehrte eine Schar von Propheten von der Anhöhe zurück und sang Loblieder mit Begleitung von Flöte und Harfe, Psalter und Pauke. Als sich Saul ihr näherte, kam der Geist des Herrn auch über ihn. Er stimmte in ihren Lobgesang ein und weissagte wie sie. Er redete so gewandt und voller Weisheit und gab sich dem Dienst so inbrünstig hin, dass jene, die ihn kannten, erstaunt ausriefen: "Was ist mit dem Sohn des Kisch geschehen? Ist Saul auch unter den Propheten?" (1. Samuel 10,11) WABT 598 2 Während Saul gemeinsam mit den Propheten anbetete, ging durch die Wirkung des Heiligen Geistes eine große Veränderung in ihm vor. Das Licht göttlicher Reinheit und Heiligkeit strahlte in die Dunkelheit des von Natur sündigen Herzens. Er sah sich so, wie er vor Gott dastand. Er erkannte die Schönheit der Heiligkeit. Nun war er dazu berufen, den Kampf gegen die Sünde und Satan zu führen. Er wurde sich bewusst, dass in dieser Auseinandersetzung seine Stärke nur von Gott kommen konnte. Ihm wurde ein Verständnis des Erlösungsplanes gegeben, der ihm zuvor unklar und ungewiss erschienen war. Der Herr gab ihm Mut und Weisheit für sein hohes Amt. Er offenbarte ihm die Quelle der Kraft und Gnade und schenkte ihm Erleuchtung über die göttlichen Forderungen und seine eigenen Pflichten. Sauls Öffentliche Einsetzung WABT 598 3 Bis dahin wusste das Volk noch nichts von Sauls Salbung zum König. Gottes Wahl sollte öffentlich durch das Los bekannt werden. Dazu berief Samuel das Volk nach Mizpa. Mit einem Gebet um Gottes Leitung begann die Versammlung, dann erfolgte die feierliche Zeremonie des Loswerfens. Schweigend wartete die Menge auf das Ergebnis. Nacheinander wurden der Stamm, das Geschlecht und die Familie bezeichnet, und dann traf das Los Saul, den Sohn des Kisch, als den Erwählten. Aber Saul war nicht anwesend. Angesichts der großen Verantwortung, die er künftig tragen sollte, hatte er sich unauffällig zurückgezogen. Man führte ihn zurück in die Versammlung, die mit Stolz und Genugtuung seine königliche Haltung und die edle Gestalt bemerkte, denn er "war einen Kopf größer als alle". Sogar Samuel rief aus, als er ihn vorstellte: "Hier ist der Mann, den der Herr ausgewählt hat! Seht ihn euch an! Keiner im ganzen Volk ist wie er." Die riesige Volksmenge antwortete mit einem langen, lauten Jubelruf: "Es lebe der König!" (1. Samuel 10,23.24 GNB) WABT 599 1 Dann machte Samuel "dem Volk die Rechte des Königs bekannt" (1. Samuel 10,25a GNB), die Grundsätze, auf denen die monarchische Regierung beruhte und von denen sie getragen werden sollte. Der König war kein absoluter Herrscher, sondern sollte seine Macht in Unterordnung unter den Willen des Allerhöchsten ausüben. Seine Ansprache hielt Samuel in einem Buch fest, in dem die Vorrechte des Fürsten und die Rechte des Volkes aufgezeichnet waren. Obwohl sich die Menschen vom treuen Propheten nicht hatte warnen lassen und er gezwungen war, ihren Wünschen nachzugeben, bemühte er sich dennoch, ihre Freiheit soweit wie möglich zu schützen. Die Opposition Gegen Saul WABT 599 2 Während das Volk im Allgemeinen bereit war, Saul als König anzuerkennen, gab es auch eine große Oppositionspartei. Ein König aus Benjamin, dem kleinsten Stamm Israels, unter Missachtung der größten und mächtigsten Stämme Juda und Ephraim, war eine Beleidigung, die sie nicht dulden konnten. Sie lehnten es ab, Saul ihre Treue zu bekunden oder ihm die üblichen Geschenke zu überreichen. Diejenigen, die vorher am heftigsten auf einen König gedrängt hatten, weigerten sich nun, den Mann der Wahl Gottes in Dankbarkeit anzuerkennen. Die Mitglieder jeder Gruppe hatten einen Favoriten, den sie auf dem Thron sehen wollten, und mancher der Stammesobersten hatte diese Ehre für sich selbst erstrebt. In vielen entbrannten Neid und Eifersucht. Die Bemühungen, die aus Stolz und Ehrgeiz geboren waren, hatten nun zu Enttäuschung und Unzufriedenheit geführt. WABT 599 3 Unter diesen Umständen sah sich Saul nicht in der Lage, die Königswürde anzunehmen. Er überließ es Samuel, die Regierung wie bisher zu führen, und kehrte nach Gibea zurück. Eine Schar, die in seiner Erwählung die Hand Gottes sah und entschlossen war, ihn zu unterstützen, gab ihm das Ehrengeleit. Aber Saul machte keinen Versuch, sein Recht auf den Thron mit Gewalt durchzusetzen. Still ging er daheim im Bergland des Stammes Benjamin den Pflichten eines Landwirts nach und überließ die Errichtung seines Königtums völlig Gott. Die Bedrohung Von Jabesch Durch Die Ammoniter WABT 600 1 Bald nach Sauls Berufung fielen die Ammoniter unter ihrem König Nahasch in das Gebiet der Stämme östlich des Jordan ein und bedrohten die Stadt Jabesch in Gilead. Die Bewohner versuchten Frieden zu erlangen, indem sie den Ammonitern anboten, ihnen tributpflichtig zu werden. Aber der grausame König wollte nur unter der Bedingung darauf eingehen, dass er ihnen allen das rechte Auge ausstechen dürfe, damit sie ein dauerndes Zeichen seiner Macht an sich trügen. WABT 600 2 Die Einwohner der belagerten Stadt baten um einen Aufschub von sieben Tagen. In der Meinung, den erwarteten Triumph noch zu vergrößern, stimmten die Ammoniter zu. Sofort wurden Boten von Jabesch ausgesandt, um Hilfe bei den Stämmen westlich des Jordan zu erbitten. Diese trugen die Nachricht nach Gibea, wo sie überall Schrecken verbreitete. Als Saul abends "mit seinen Rindern von der Feldarbeit heim" kam, hörte er ein lautes Wehklagen, das von einem großen Unglück kündete. Er fragte: "Warum weinen sie alle?" Als man ihm die schmachvolle Geschichte wiederholte, erwachten alle schlummernden Kräfte in ihm. "Als Saul das hörte, nahm der Geist Gottes von ihm Besitz ... Er nahm zwei von den Rindern, zerhackte sie und sandte die Stücke in alle Gegenden Israels. Die Überbringer sollten überall ausrufen: "Wer nicht mit Saul und Samuel in den Kampf zieht, dessen Rindern wird es ebenso ergehen!" (1. Samuel 11,5-7 GNB) WABT 600 3 Darauf versammelten sich in der Ebene Besek 330 000 Männer unter Sauls Befehl. Dann sandte man Boten zur belagerten Stadt mit dem Versprechen, dass sie am nächsten Morgen Hilfe erwarten könnten - genau an dem Tag, an dem sie sich den Ammonitern unterwerfen sollten. In einem nächtlichen Eilmarsch überschritten Saul und sein Heer den Jordan und erreichten Jabesch "vor Anbruch der Morgendämmerung". Wie einst Gideon teilte er seine Streitmacht in drei Abteilungen und überfiel das Lager der Ammoniter zu sehr früher Stunde, als diese keine Gefahr vermuteten und auch nicht im Geringsten gewappnet waren. Bei der nun folgenden Panik wurden sie unter großen Verlusten in die Flucht geschlagen. "Die wenigen, die entkamen, wurden in alle Winde zerstreut." (1. Samuel 11,11 GNB) WABT 600 4 Die Entschlossenheit und Tapferkeit Sauls und auch seine Feldherrenkunst, die er bei der erfolgreichen Führung einer solch großen Streitmacht gezeigt hatte, waren Eigenschaften, die man in Israel von einem König erwartete, um mit anderen Nationen fertig werden zu können. Nun begrüßten sie ihn als König und schrieben die Ehre des Sieges menschlichen Fähigkeiten zu. Darüber vergaßen sie, dass all ihre Anstrengungen ohne den besonderen Segen Gottes vergeblich gewesen wären. WABT 601 1 In ihrer Begeisterung hatten einige vor, all diejenigen zu töten, die Sauls Herrschaft anfangs nicht anerkennen wollten. Aber der König erhob Einspruch: "Am heutigen Tag soll niemand getötet werden! Denn heute hat der Herr sein Volk Israel gerettet." (1. Samuel 11,13 GNB) Hier bewies Saul den Wandel, der in seinem Wesen vor sich gegangen war. Anstatt den Ruhm für sich zu beanspruchen, gab er Gott die Ehre. Statt ein Verlangen nach Rache zu zeigen, erwies er Mitgefühl und Vergebungsbereitschaft. Eine solche Haltung beweist unmissverständlich, dass Gottes Gnade im Herzen wohnt. Samuels Abschiedsbotschaft WABT 601 2 Samuel machte nun den Vorschlag, eine Volksversammlung nach Gilgal einzuberufen, um Sauls Königtum öffentlich zu bestätigen. So geschah es; und sie "schlachteten Opfertiere, und Saul feierte mit allen Männern Israels ein großes Fest." (1. Samuel 11,15 GNB). WABT 601 3 Gilgal war das erste Lager Israels im verheißenen Land gewesen. Hier hatte Josua auf göttliche Anweisung zur Erinnerung an den wunderbaren Übergang über den Jordan die zwölf Steine aufgerichtet. Hier war die Beschneidung erneuert worden, und hier hatten sie nach dem Abfall bei Kade- sch und am Ende der Wüstenwanderung das erste Passafest gefeiert. Hier hatte das Manna zu fallen aufgehört. Hier hatte sich der Fürst über das Heer des Herrn als oberster Feldherr der Heere Israels offenbart. Von hier aus waren sie aufgebrochen, um Jericho zu bezwingen und Ai zu erobern. Hier hatte Achan die Strafe für seine Sünde erhalten. Hier war der Vertrag mit den Gi- beonitern geschlossen worden, wobei Israel leichtfertig versäumt hatte, Gott um Rat zu fragen. In dieser Ebene, die mit so vielen bewegenden Erinnerungen verknüpft war, stand Samuel mit Saul. Als die Begrüßungsrufe für den König verklungen waren, richtete der greise Prophet als abtretender Führer des Volkes ergreifende Abschiedsworte an die Zuhörer. WABT 601 4 "Ich habe eure Bitte erfüllt", sagte er, "und euch einen König gegeben. Hier steht er vor euch; er ist von jetzt an euer Anführer. Ich selbst bin schon alt ... Von meiner Jugend an bis heute habe ich euch geführt. Ich stelle mich jetzt eurem Urteil. Erhebt vor dem Herrn und seinem gesalbten König Anklage gegen mich, wenn ich irgendein Unrecht begangen habe. Wem habe ich ein Rind oder einen Esel weggenommen? Wen habe ich erpresst, wen unterdrückt? Von wem habe ich mich durch Bestechung dazu bringen lassen, als Richter ein Auge zuzudrücken? Ich bin bereit, für alles Wiedergutmachung zu leisten." Einstimmig antworteten sie: "Du hast keinen von uns unterdrückt oder erpresst und von niemand etwas angenommen." (1. Samuel 12,1-4 GNB) WABT 602 1 Samuel suchte nicht bloß sein eigenes Verhalten zu rechtfertigen. Er hatte ihnen bereits früher die Grundsätze dargelegt, die den König und das Volk leiten sollten, und nun wollte er seinen Worten das Gewicht des eigenen Beispiels hinzufügen. Von Kind auf war er mit dem Werk Gottes verbunden gewesen, und während seines langen Lebens hatte ihm nur ein Ziel vor Augen gestanden: die Ehre Gottes und das Beste für Israel. WABT 602 2 Ehe die Israeliten aber auf Wohlergehen hoffen konnten, mussten sie zur Reue vor Gott geführt werden. Infolge ihrer Sünden hatten sie ihren Glauben an Gott und an die Erkenntnis seiner Macht und Weisheit, das Volk zu regieren, verloren. Sie hatten das Vertrauen in seine Fähigkeit eingebüßt, seine Sache zu verteidigen. Ehe sie echten Frieden finden konnten, mussten sie dahin geführt werden, die Sünde, derer sie sich schuldig gemacht hatten, einzusehen und zu bekennen. Sie hatten erklärt, der Zweck ihres Verlangens nach einem König sei, "ein König soll uns Recht sprechen und uns im Krieg anführen!" (1. Samuel 8,20 GNB) Samuel erzählte ihnen noch einmal Israels Geschichte von dem Tag an, als Gott sie aus Ägypten führte. Jahwe, der König der Könige, war vor ihnen hergezogen und hatte ihre Kämpfe ausgefoch- ten. Oft waren sie um ihrer Sünden willen in die Gewalt der Feinde geraten, aber sobald sie sich von ihren bösen Wegen abwandten, erweckte ihnen Gott in seiner Barmherzigkeit einen Befreier. Der Herr sandte Gideon und Barak, "Jiftach und schließlich mich selbst und half euch gegen alle Feinde rings um euch her, sodass ihr in Frieden und Sicherheit in eurem Land leben konntet." Aber als Gefahr drohte, erklärten sie: "›Nein, ein König soll uns regieren!‹, obwohl", sagte der Prophet, "doch der Herr, euer Gott, euer König ist." (1. Samuel 12,11.12 GNB) WABT 602 3 "›Darum tretet her‹, fuhr Samuel fort, ›und gebt Acht, was für ein großes Wunder der Herr jetzt vor euren Augen tun wird! Es ist gerade Weizenernte, und ihr wisst, dass zu dieser Zeit niemals Regen fällt. Ich aber werde zum Herrn rufen und ihn bitten, dass er ein Gewitter schickt. Dann werdet ihr einsehen, was für ein großes Unrecht gegen den Herrn ihr begangen habt, als ihr einen König verlangtet.‹ Samuel rief zum Herrn, und der Herr ließ es donnern und regnen." (1. Samuel 12,16-18 GNB) Zur Zeit der Weizenernte, im Mai und Juni, fiel im Nahen Osten kein Regen. Der Himmel war wolkenlos, die Luft klar und mild. Ein solch heftiges Unwetter in dieser Jahreszeit erfüllte alle mit Angst. Nun bekannte das Volk in Demut jene Sünde, derer es sich schuldig gemacht hatte: "Bitte den Herrn, deinen Gott, für uns, dass wir nicht sterben müssen! Wir sind sündige Menschen, und nun haben wir auch noch die Untat begangen, einen König zu verlangen." (1. Samuel 12,19 GNB) WABT 603 1 Samuel ließ das Volk aber nicht entmutigt zurück, denn damit wären alle Bemühungen um ein besseres Leben zunichte gewesen. Satan hätte sie so weit gebracht, Gott als streng und unversöhnlich anzusehen, und sie damit mannigfachen Versuchungen ausgesetzt. Gott ist gnädig und vergebungsbereit und möchte seinem Volk stets seine Gunst erweisen, wenn es ihm gehorchen will. "Habt keine Angst!", lautete Gottes Botschaft durch seinen Diener. "Ihr habt zwar all dieses Unrecht getan, aber haltet von jetzt an treu zum Herrn und gehorcht ihm von ganzem Herzen. Lauft nur nicht den ohnmächtigen Götzen nach! Sie können euch nicht helfen und euch nicht retten, weil sie nichts sind. Der Herr ... wird euch nicht verstoßen." (1. Samuel 12,20.21 GNB) WABT 603 2 Mit keinem Wort erwähnte Samuel die geringschätzige Behandlung, die er selbst erfahren hatte. Er äußerte auch keinen Vorwurf über die Undankbarkeit, mit der das Volk Israel seine lebenslange Hingabe vergolten hatte. Vielmehr sicherte er ihnen seine unaufhörliche Anteilnahme zu: "Auch ich werde weiter wie bisher mit meinen Gebeten beim Herrn für euch eintreten und euch den guten und geraden Weg weisen. Ich würde ja Schuld auf mich laden, wenn ich damit aufhörte. Aber ihr müsst den Herrn ehren und ihm in Treue und von ganzem Herzen gehorchen. Denkt doch daran, was für gewaltige Dinge er für euch getan hat! Wenn ihr trotz alledem weiter Unrecht tut, werdet ihr samt eurem König weggefegt werden." (1. Samuel 12,23-25 GNB). ------------------------Kapitel 60 -- Sauls Anmassungen WABT 604 0 1. Samuel 13 und 14. WABT 604 1 Nach der Versammlung in Gilgal entließ Saul das Heer, das er aufgeboten hatte, um die Ammoniter zu besiegen. Er behielt nur 2000 Mann unter seinem Befehl in Michmas und ließ 1000 als Gefolge seines Sohnes Jonatan in Gibea. Das erwies sich als schwerer Fehler. Durch den jüngsten Sieg war das Heer voller Hoffnung und Mut. Wäre Saul gleich im Anschluss auch gegen andere Feinde Israels vorgegangen, wäre ein entscheidender Schlag zur Sicherung der Freiheit der Nation möglich gewesen. Die Philister Kehren Zurück WABT 604 2 Inzwischen handelten seine kriegerischen Nachbarn, die Philister. Auch nach ihrer Niederlage bei Eben-Eser waren noch immer einige Bergfestungen in Israel in ihrem Besitz, und jetzt setzten sie sich sogar noch im Landesinneren fest. In Einrichtungen, Waffen und Ausrüstung waren die Philister den Israeliten weit überlegen. Während der langen Zwangsherrschaft über die Israeliten hatten sie ihre Macht dadurch zu stärken gewusst, dass sie diesen verboten, das Schmiedehandwerk zu betreiben, damit sie kein Kriegsgerät herstellen konnten. Auch nach dem Friedensschluss hatten sich die Israeliten immer noch an die Philister in deren Festungen gewandt, wenn Arbeiten an eisernen Gerätschaften nötig waren. Aus Bequemlichkeit und Unterwürfigkeit als Folge der langen Unterdrückung hatten die israelitischen Männer es weitgehend unterlassen, sich selbst mit Waffen zu versorgen. Bei der Kriegsführung wurden Pfeil und Bogen sowie Schleudern verwendet. Diese konnten die Israeliten bekommen. Doch außer Saul und seinem Sohn Jonatan besaß keiner von ihnen einen Speer oder ein Schwert. WABT 604 3 Erst in Sauls zweitem Regierungsjahr machten die Israeliten einen Versuch, die Philister zu besiegen. Jonatan, der Sohn des Königs, führte den ersten Schlag aus. Er griff ihre Festung in Gibea an und überwältigte sie. Erbittert über diese Niederlage, bereiteten die Philister einen raschen Gegenangriff vor. Nun ließ Saul mit Posaunenschall im ganzen Land zum Krieg blasen und alle wehrfähigen Männer aufrufen, sich in Gilgal zu versammeln, einschließlich der Stämme jenseits des Jordan. Und sie folgten diesem Ruf. WABT 605 1 Die Philister hatten eine ungeheure Streitmacht bei Michmas versammelt. "Sie hatten 3.000 Streitwagen, 6.000 Reiter und so viele Krieger wie Sandkörner am Meeresstrand!" (1. Samuel 13,5 NLB). Als Saul und sein Heer bei Gilgal davon hörten, erschraken sie beim Gedanken, einer so gewaltigen Heeresmacht im Kampf begegnen zu müssen. Sie waren nicht vorbereitet, dem Feind zu begegnen. Viele waren dermaßen erschrocken, dass sie es nicht einmal auf einen Versuch zum Gefecht ankommen lassen wollten. Einige gingen über den Jordan, andere versteckten sich in Schluchten und Höhlen und zwischen den vielen Felsen jener Gegend. Als die Zeit des Gefechts nahte, wuchs die Zahl der Fahnenflüchtigen rasch, und diejenigen, die nicht davonliefen, waren von schlimmen Ahnungen und Entsetzen erfüllt. WABT 605 2 Als Saul zum König gesalbt wurde, hatte ihm Samuel ganz ausdrücklich geboten, wie er sich bei dieser Gelegenheit zu verhalten hätte. "Geh mir voraus, hinunter nach Gilgal, und warte dort sieben Tage auf mich. Ich werde dich dort treffen und Brand- und Friedensopfer darbringen. Wenn ich komme, werde ich dir weitere Anweisungen geben." (1. Samuel 10,8 NLB) WABT 605 3 Saul wartete Tag für Tag, unternahm jedoch keine entschlossenen Anstrengungen, um seine Leute zu ermutigen oder sie anzuspornen, auf Gott zu vertrauen. Noch bevor die vom Propheten festgesetzte Frist ganz verstrichen war, packte ihn die Ungeduld über die Verzögerung. Er ließ sich durch die schwierigen Umstände entmutigen. Statt die Israeliten gewissenhaft auf den Gottesdienst vorzubereiten, den Samuel mit ihnen abhalten wollte, hing er ungläubig trüben Vorahnungen nach. Gott beim Opferdienst zu suchen, war ein sehr ernstes und wichtiges Werk. Gott erwartete von seinem Volk, sich selbst zu prüfen und seine Sünden zu bereuen, damit er das Opfer annehmen und die Bemühungen, den Feind zu besiegen, mit seinem Segen begleiten konnte. Aber Saul war unruhig geworden. Und das Volk - anstatt auf die Hilfe Gottes zu vertrauen - schaute auf den erwählten König, damit er es führe und befehlige. WABT 606 4 Doch der Herr kümmerte sich weiter um die Israeliten und gab sie nicht dem Unheil preis, das sie erlitten hätten, wenn sie sich allein auf ihre eigene schwache Kraft verlassen hätten. Er ließ sie in Bedrängnis kommen, damit sie einsahen, wie töricht es war, sich auf Menschen zu verlassen. Sie sollten sich an ihn als ihre einzige Hilfe wenden. Für Saul war die Prüfungszeit gekommen. WABT 606 5 Jetzt musste sich zeigen, ob er sich auf Gott verlassen und dessen Befehl gemäß geduldig warten würde - und sich damit als jemand erwies, dem Gott in schwierigen Situationen als Herrscher seines Volkes vertrauen konnte - oder ob er schwanken und sich der heiligen Verantwortung, die ihm übertragen worden war, unwürdig erweisen würde. Würde der König, den sich Israel erwählt hatte, auf den König aller Könige hören? Würde er die Aufmerksamkeit seiner verzagten Krieger auf den Einen hin lenken, bei dem allezeit Stärke und Rettung zu finden ist? Sauls Anmassendes Opfer WABT 606 1 Mit wachsender Ungeduld erwartete Saul die Ankunft Samuels und schrieb die Verwirrung, die Verzweiflung und die Fahnenflucht in seinem Heer der Abwesenheit des Propheten zu. Die festgesetzte Zeit kam, aber der Mann Gottes erschien nicht sofort. Gottes Vorsehung hatte seinen Diener aufgehalten. Aber nun konnte sich Saul in seiner Unruhe und Erregung nicht länger beherrschen. Er meinte, es müsse irgendetwas geschehen, um die Angst seiner Leute zu vertreiben. Er entschloss sich, alle zum Gottesdienst zusammenzurufen und durch ein Opfer Gottes Hilfe zu erbitten. Gott hatte bestimmt, dass nur jemand, der für dieses Amt geweiht war, vor ihm Opfer darbringen durfte. Saul befahl jedoch: "Bringt mir her das Brandopfer!" (1. Samuel 13,9) Und so, wie er war, in Rüstung und mit Waffen, ging er zum Altar und opferte vor Gott. WABT 606 2 "Kaum hatte er die Opferhandlung vollzogen, traf Samuel ein. Saul ging ihm entgegen und begrüßte ihn." (1. Samuel 13,10 NLB) Samuel sah sofort, dass Saul gegen die ihm gegebenen ausdrücklichen Anweisungen gehandelt hatte. Der Herr hatte durch seinen Propheten gesagt, dass er zu dieser Zeit kundtun werde, was Israel in dieser Krise tun sollte. Wenn Saul die Bedingungen, unter denen Gottes Hilfe verheißen war, erfüllt hätte, hätte der Herr mit den wenigen Getreuen, die beim König geblieben waren, Israel auf wunderbare Weise befreit. Aber Saul war von sich und seiner Tat so überzeugt, dass er dem Propheten begegnete wie jemand, der eher Lob als Tadel verdient hat. WABT 606 3 Samuels Gesicht verriet Sorgen und Unbehagen, aber auf seine Frage "Was hast du getan?" rechtfertigte Saul seine Anmaßung: "Ich musste mit ansehen, wie mir die Männer davonliefen, und du bist nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erschienen, während die Philister schon in Michmas bereitstanden. Da habe ich mir gesagt: ›Die Philister wollen mich in Gilgal angreifen, und ich habe noch nicht den Herrn um Hilfe gebeten!‹ So sah ich mich gezwungen, das Brandopfer selbst darzubringen." (1. Samuel 13,11.12 NLB) WABT 607 1 "Wie dumm von dir!", rief Samuel zu Saul. "Du hast das Gebot des Herrn, deines Gottes, das er dir gegeben hat, nicht befolgt. Hättest du das getan, hätte der Herr dein Königtum über Israel für immer bestehen lassen. So aber wird deine Herrschaft nicht von Dauer sein, denn der Herr hat sich einen Mann nach seinem Herzen ausgesucht. Er hat ihn bereits zum Anführer seines Volkes bestimmt ... Danach verließ Samuel Gilgal und zog weiter." (1. Samuel 13,13-15 NLB) Die Monarchie Steht Auf Dem Spiel WABT 607 2 Entweder konnte Israel nicht länger Gottes Volk sein oder der Grundsatz, auf dem die Monarchie beruhte, musste bestehen bleiben und die Nation durch göttliche Macht regiert werden. Wenn Israel ganz dem Herrn gehören wollte und sein menschliches, irdisches Denken dessen Willen unterordnete, würde er weiterhin sein Herrscher sein. Solange sich der König und das Volk Gott unterordneten, würde er ihr Schutz sein. Aber es konnte kein Königtum in Israel gedeihen, das nicht in allen Dingen Gott als höchste Autorität anerkannte. WABT 607 3 Hätte Saul in dieser Prüfungszeit Gottes Anordnungen befolgt, hätte Gott mächtig durch ihn wirken können. Sein Versagen bewies nun, dass er als Statthalter Gottes nicht geeignet war. Er würde Israel auf falsche Wege führen; sein eigener statt Gottes Wille würde die herrschende Macht sein. Wenn Saul treu gewesen wäre, wäre sein Königtum für immer bestätigt worden. Da er aber versagt hatte, musste ein anderer Gottes Absichten ausführen. Die Herrschaft über Israel musste einem Mann anvertraut werden, der das Volk nach dem Willen Gottes führen würde. WABT 607 4 Wir erkennen nicht, welch große Interessen auf dem Spiel stehen, wenn Gott uns prüft. Es gibt keine Sicherheit, außer im unbedingten Gehorsam gegenüber Gottes Wort. Alle seine Verheißungen sind an die Bedingungen des Glaubens und Gehorsams geknüpft. Wer sich aber seinen Geboten nicht fügt, verhindert die Erfüllung der reichlichen Vorkehrungen, von denen die Bibel berichtet. Wir sollten nicht irgendeiner Eingebung folgen noch uns auf das Urteil von Menschen verlassen, sondern auf den offenbarten Willen Gottes achten und uns gemäß seinen ausdrücklichen Geboten verhalten - ganz gleich, wie die Umstände sein mögen. Gott selbst wird sich um die Folgen kümmern. In Prüfungszeiten können wir durch das Festhalten an seinem Wort vor Menschen und Engeln beweisen, dass sich Gott auch in schwierigen Lebenslagen auf uns verlassen kann, dass wir seinen Willen ausführen, seinen Namen ehren und zum Segen seines Volkes wirken. Gründe Für Sauls Anmassungen WABT 608 1 Saul war bei Gott in Ungnade gefallen und doch nicht bereit, sich reuevoll zu demütigen. Was ihm an echter Frömmigkeit fehlte, versuchte er durch Eifer in den religiösen Formen wettzumachen. Er wusste um Israels Niederlage, nachdem Hophni und Pinhas die Bundeslade ins Kriegslager gebracht hatten. Trotzdem befahl er, die heilige Lade und den diensthabenden Priester zu holen. Wenn es ihm gelänge, dem Volk dadurch Vertrauen einzuflößen, dann - so hoffte er - könnte er sein zerstreutes Heer wieder sammeln und gegen die Philister in den Kampf ziehen. Er wollte nun auf Samuels Anwesenheit und Unterstützung verzichten und so von dessen unerwünschten Vorwürfen und Zurechtweisungen verschont bleiben. WABT 608 2 Der Heilige Geist war Saul verliehen worden, um dessen Verstand zu erleuchten und dessen Herz zu besänftigen. Gewissenhaft hatte ihn der Prophet Gottes belehrt und getadelt. Wie groß war der Eigensinn Sauls! Die Geschichte des ersten Königs Israels bietet ein trauriges Beispiel dafür, wie stark der Einfluss früh angeeigneter schlechter Gewohnheiten sein kann. In jungen Jahren hatte Saul keine Ehrfurcht vor Gott und liebte ihn nicht. Sein ungestümer Geist war nicht frühzeitig erzogen worden, sich unterzuordnen, und neigte deshalb stets dazu, sich gegen die Autorität Gottes aufzubäumen. Wer in seiner Jugend ehrfürchtig auf den Willen Gottes achtet und die mit seiner Stellung verbundenen Pflichten treu erfüllt, wird für einen höheren Dienst im späteren Leben vorbereitet sein. Aber niemand kann die von Gott verliehenen Kräfte jahrelang ins Gegenteil verkehren und meinen, dass diese noch frisch und frei für einen völlig entgegengesetzten Weg seien. Sauls Rückzug Und Jonatans Mutige Tat WABT 608 3 Sauls Bemühungen, das Volk zum Handeln anzuspornen, erwiesen sich als erfolglos. Seine Streitmacht war bis auf 600 Mann zusammengeschmolzen. Darum verließ er Gilgal und zog sich in die Festung Gibea zurück, die jüngst den Philistern entrissen worden war. Sie lag in einer Schlucht an der Südseite eines tiefen, wilden Tals, nur wenige Kilometer nördlich von Jerusalem. An der Nordseite dieses Tales, bei Michmas, lagerte die Streitmacht der Philister, während einzelne Scharen in verschiedenen Richtungen umherzogen und das Land plünderten. WABT 608 4 Gott hatte es zu dieser Krise kommen lassen, um Sauls Eigensinn zu bestrafen und seinem Volk eine Lehre in Demut und Glauben zu erteilen. Weil Saul durch sein vermessenes Opfer gesündigt hatte, verwehrte ihm der Herr die Ehre, die Philister zu besiegen. Jonatan, der gottesfürchtige Sohn des Königs, wurde als Werkzeug zur Befreiung Israels ausersehen. Eine göttliche Eingebung bewog ihn, seinem Waffenträger einen geheimen Angriff auf das feindliche Lager vorzuschlagen. "Vielleicht", sagte er, "vielleicht hilft uns der Herr; denn für ihn ist es nicht schwer, den Sieg zu schenken, ganz gleich, ob nun viele oder wenige kämpfen." (1. Samuel 14,6 NLB) WABT 609 1 Auch sein Waffenträger war ein Mann des Glaubens und des Gebets. Er unterstützte den Plan. Heimlich verließen beide das Lager, damit sich niemand ihrer Absicht widersetzen konnte. Nach dem sie innig zum Herrn ihrer Väter gebetet hatten, einigten sie sich auf ein Zeichen, das eine Bestätigung für ihr Vorhaben sein sollte. Dann stiegen sie in die Felsenschlucht hinunter, die beide Heere voneinander trennte. Schweigend schlichen sie den mühsamen, gewundenen Weg im Schatten der Felsklippen entlang, teilweise verdeckt durch die Steinhaufen und Grate im Tal. Als sie sich der Philister-Festung näherten, wurden sie für die Feinde sichtbar, die höhnisch riefen: "Seht! Die Hebräer kriechen aus ihren Löchern, in denen sie sich versteckt hielten!" Sie forderten sie auf: "Kommt herauf, wir werden euch eine Lektion erteilen!" (1. Samuel 14,11.12 NLB), was so viel hieß wie: Sie würden den beiden Israeliten ihre Dreistigkeit schon heimzahlen. Diese Aufforderung war für Jonatan und seinen Begleiter genau das Zeichen, das sie als Beweis dafür vereinbart hatten, dass der Herr ihr Unternehmen gelingen lassen wollte. Sie verschwanden nun aus dem Blickfeld der Philister und gelangten über einen geheimen, schwierigen Pfad auf eine Felsspitze, die als unzugänglich galt und darum weniger gut bewacht wurde. Auf diese Weise drangen sie in das feindliche Lager ein und erschlugen die Wachposten, die völlig überrascht und erschrocken keinen Widerstand leisteten. WABT 609 2 Engel schützten Jonatan und seinen Waffenträger. Engel kämpften an ihrer Seite, und vor ihnen fielen die Philister. Die Erde bebte, als käme eine riesige Menge von Reitern und Kriegswagen daher. Jonatan erkannte darin das Zeichen göttlicher Hilfe. Selbst die Philister wussten nun, dass Gott zur Befreiung Israels am Wirken war. Große Angst überkam das Heer in der Festung und auf dem Feld. In ihrer Verwirrung hielten sie die eigenen Leute für Feinde und fingen an, sich gegenseitig zu erschlagen. WABT 609 3 Bald war der Kampfeslärm bis ins israelitische Lager zu hören. Die Wachen des Königs meldeten, dass bei den Philistern ein großes Durcheinander herrsche und die Zahl ihrer Kämpfer immer weiter abnehme. Doch es war nicht bekannt, dass jemand vom Heer Israels das Lager verlassen hatte. Nachforschungen ergaben, dass nur Jonatan und sein Waffenträger fehlten. Als Saul aber sah, dass die Philister einen Angriff abwehren mussten, führte er sein Heer an, um am Angriff teilzunehmen. Jene Israeliten, die zum Feind übergelaufen waren, wandten sich nun gegen ihn. Viele kamen auch aus ihren Verstecken hervor. Als sich das Heer der Philister auflöste und floh, fügte Sauls Heer auch noch den Flüchtenden schwere Verluste zu. Sauls Selbstgefällige Verwünschung WABT 610 1 Um seinen Vorteil ganz auszunutzen, gebot der König seinen Kriegern unbesonnen, den ganzen Tag nichts zu essen. Er bekräftigte seinen Befehl mit der feierlichen Verwünschung: "Verflucht sei jeder, der vor dem Abend etwas isst, bis ich mich an meinen Feinden gerächt habe." (1. Samuel 14,24 Elb.) Der Sieg war bereits ohne Sauls Wissen und Mitwirkung errungen worden, aber er hoffte, sich selbst durch die völlige Vernichtung der besiegten Armee auszuzeichnen. Den Befehl, sich der Nahrung zu enthalten, erließ der König aus selbstsüchtigem Ehrgeiz. Damit zeigte er, dass ihm die Bedürfnisse seines Volkes gleichgültig waren, wenn diese im Widerspruch zu seinem Verlangen nach Selbsterhöhung standen. Und dieses Verbot auch noch mit einem feierlichen Eid zu bekräftigen, zeigte, wie unbesonnen und frevelhaft er war. Schon der Wortlaut des Fluches bewies, dass es bei Sauls Eifer nur um ihn selbst ging und nicht um die Ehre Gottes. Als Zweck gab er nicht an, "damit der Herr an seinen Feinden Rache übe", sondern: "bis ich mich an meinen Feinden gerächt habe". WABT 610 2 Das Verbot führte dazu, dass die Krieger ein Gebot Gottes übertraten. Sie hatten den ganzen Tag im Kampf gestanden und waren nun erschöpft vor Hunger. Kaum war die vorgeschriebene Zeit vorbei, fielen sie über erbeutete Tiere her, verschlangen das Fleisch zusammen mit dem Blut und versündigten sich dadurch, denn das Gesetz verbot den Genuss von Blut (vgl. 3. Mose 17,10-14). WABT 610 3 Jonatan hatte vom Befehl des Königs nichts erfahren und verletzte ihn unwissentlich, als er beim Durchstreifen eines Waldes ein wenig Honig aß. Saul erfuhr am Abend davon. Er hatte bekanntgeben lassen, dass jede Missachtung seiner Anordnung mit dem Tod bestraft würde. Obwohl Jonatan kein vorsätzliches Unrecht begangen und Gott ihn wunderbar beschützt und durch ihn Israel von den Feinden erlöst hatte, erklärte der König, das Urteil müsse vollstreckt werden. Das Leben seines Sohnes zu schonen wäre gleichbedeutend gewesen mit dem Eingeständnis, dass er sich mit dem voreiligen Schwur versündigt hatte. Das wäre eine Demütigung seines Stolzes gewesen. Also lautete sein schreckliches Urteil: "Gott soll mich strafen, wenn ich dich leben lasse!" (1. Samuel 14,44 GNB) WABT 611 1 Saul konnte die Ehre für den Sieg nicht für sich beanspruchen, aber er hoffte, für seinen Eifer um die Einhaltung seines Eides geehrt zu werden. Selbst um den Preis seines Sohnes wollte er seinen Untertanen einprägen, dass die königliche Autorität aufrechterhalten werden müsse. Nicht lange zuvor hatte er in Gilgal entgegen Gottes Gebot priesterliche Amtshandlungen vollzogen. Als Samuel ihn deswegen tadelte, hatte er sich selbstgefällig gerechtfertigt. Als nun sein eigener Befehl missachtet wurde - obwohl dieser der Vernunft widersprach und nur aus Unwissenheit übertreten worden war - verurteilte der König und Vater seinen eigenen Sohn zum Tod. WABT 611 2 Doch die Leute weigerten sich, die Urteilsvollstreckung zu erlauben. Mutig traten sie dem zornigen König entgegen und sagten: "Soll er sterben, nachdem er diesen großen Sieg für Israel errungen hat? Nie und nimmer! So gewiss der Herr lebt: Wir werden nicht zulassen, dass ihm auch nur ein Haar gekrümmt wird! Nur mit Gottes Hilfe hat er heute solche Taten vollbringen können." (1. Samuel 14,45 GNB) Der stolze Monarch wagte gegen dieses einmütige Urteil nichts zu sagen. Somit blieb Jonatan am Leben. WABT 611 3 Saul spürte, dass ihm sein Sohn sowohl vom Volk als auch vom Herrn vorgezogen wurde. Jonatans Rettung war für die Unbesonnenheit des Königs eine schwere Rüge. Er begann zu ahnen, dass seine Flüche einmal auf ihn selbst zurückfallen würden. Er brach den Krieg gegen die Philister ab und kehrte verstimmt und unzufrieden nach Hause zurück. Sauls Wahrer Charakter Wird Sichtbar WABT 611 4 Wer schnell dabei ist, eigenes Unrecht zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, verurteilt andere oft sehr hart. Wie Saul erregen viele Gottes Missfallen, aber Rat verschmähen sie und Vorwürfe weisen sie zurück. Selbst wenn sie davon überzeugt sind, dass der Herr nicht mit ihnen ist, weigern sie sich, die Ursache für ihre Schwierigkeiten bei sich selbst zu suchen. Stolz und anmaßend erlauben sie sich harte Urteile oder strengen Tadel über andere Menschen, die oft besser sind als sie. Wer sich selbst zum Richter aufwirft, täte gut daran, einmal über die Worte von Christus nachzudenken: "Der Maßstab, nach dem ihr andere beurteilt, wird auch an euch angelegt werden, wenn man euch beurteilt." (Matthäus 7,2 NLB) WABT 611 5 Wer dazu neigt, sich selbst über andere zu erheben, kommt oft in Lebenslagen, in denen sein wahrer Charakter offenbar wird. So war es bei Saul. Sein eigenes Verhalten ließ das Volk zur Überzeugung kommen, dass ihm königliche Ehre und Würde mehr bedeuteten als Gerechtigkeit, Barmherzigkeit oder Güte. Auf diese Weise begann es einzusehen, wie verkehrt es war, als sie die von Gott eingesetzte Regierung verwarfen. Sie hatten den gottesfürchtigen Propheten, dessen Fürbitte ihnen den Segen Gottes gebracht hatte, gegen einen König eingetauscht, der in blindem Eifer bat, dass ein Fluch über sie kommen möge. WABT 612 1 Hätten sich Israels Männer nicht für Jonatans Leben eingesetzt, wäre ihr Befreier auf Befehl des Königs umgekommen. Mit welchen Befürchtungen müssen sie fortan Sauls Führung gefolgt sein! Wie bitter mag der Gedanke gewesen sein, dass es ihr eigenes Verlangen war, das ihn auf den Thron gehoben hatte! Der Herr hat lange Geduld mit dem Eigensinn der Menschen und gibt ihnen allen Gelegenheit, ihre Sünden einzusehen und aufzugeben. Auch wenn es manchmal so scheinen mag, als ginge es denen gut, die seinen Willen und seine Warnungen missachten, wird Gott zu seiner Zeit ihre Torheit gewiss offenbar werden lassen. ------------------------Kapitel 61 - Saul Wird Als König Verworfen WABT 613 0 1. Samuel 15. WABT 613 1 Saul hatte die Glaubensprüfung in der schwierigen Lage in Gilgal nicht bestanden und den Opferdienst für Gott entweiht, aber es war für ihn noch möglich, seine Charakterfehler zu korrigieren. Der Herr gab ihm noch eine weitere Gelegenheit, um bedingungsloses Vertrauen in sein Wort und Gehorsam gegenüber seinen Geboten zu lernen. WABT 613 2 Als ihn Samuel in Gilgal tadelte, sah Saul in seinem Handeln kein großes Vergehen. Er meinte, er sei ungerecht behandelt worden, und versuchte, sein Tun zu rechtfertigen. Er brachte Entschuldigungen für sein Fehlverhalten vor. Von diesem Zeitpunkt an hatte er nur noch wenig Umgang mit dem Propheten. Samuel liebte ihn wie seinen eigenen Sohn. Saul - leidenschaftlich und kühn, wie er war - hatte den Propheten auch hoch geachtet, aber er ärgerte sich über Samuels Tadel und ging ihm fortan soweit wie möglich aus dem Weg. Gottes Urteil Über Die Amalekiter WABT 613 3 Der Herr aber sandte seinen Diener mit einer weiteren Botschaft zu Saul. Auch jetzt noch hätte Saul durch Gehorsam beweisen können, dass er Gott treu war und würdig, Israel vorzustehen. Samuel kam zu ihm und überbrachte ihm das Wort des Herrn. Damit der König den Ernst des Befehls begriff, erklärte Samuel ausdrücklich, dass er in göttlichem Auftrag spreche, im Namen derselben Autorität, die Saul auf den Thron berufen hatte: "So spricht der Herr, der Allmächtige: ›Ich habe nicht vergessen, was die Amalekiter Israel angetan haben: Sie haben Israel im Weg gestanden, als es aus Ägypten kam. Geh, besiege und vernichte sie - Männer, Frauen, Kinder, Säuglinge, Rinder, Schafe, Kamele und Esel, verschone nichts.‹" (1. Samuel 15,2.3 NLB) Die Amalekiter waren die Ersten gewesen, die Israel bei der Wüstenwanderung mit Waffen angegriffen hatten. Wegen dieser Schuld und auch wegen ihrer Auflehnung gegen Gott und wegen ihres entwürdigenden Götzendienstes hatte der Herr durch Mose ein Urteil über sie verhängt. Auf göttliche Anweisung hin war ihr grausames Verhalten gegenüber Israel niedergeschrieben worden, und Gott hatte befohlen: "Ihr [sollt] die Amalekiter vernichten, sodass sich niemand mehr an sie erinnert. Vergesst das niemals!" (5. Mose 25,19 NLB) 400 Jahre lang war der Vollzug dieses Urteils aufgeschoben worden, aber die Amalekiter hatten sich nicht von ihren Sünden abgekehrt. Der Herr wusste, dass dieses bösartige Volk - wenn es möglich wäre - sein eigenes Volk und dessen Gottesdienst von der Erde vertilgen würde. Nun war es an der Zeit, das so lange hinausgezögerte Urteil zu vollstrecken. WABT 614 1 Gottes Langmut gegenüber den Bösen ermutigt Menschen oft in ihrer Übertretung, aber ihre Bestrafung ist nicht weniger sicher und schrecklich, nur weil sie lange hinausgezögert wird. "Ja, der Herr wird in den Kampf ziehen wie einst gegen die Philister am Berg Perazim, er wird wüten wie damals im Tal Gibeon. Alles, was er sich gegen euch vorgenommen hat, wird er tun - so seltsam und befremdend es auch ist." (Jesaja 28, 21 Hfa) Für unseren barmherzigen Gott ist Bestrafung wahrlich ein befremdliches Handeln. "So wahr ich lebe, spricht Gott, der Herr, ich freue mich nicht über den Tod eines gottlosen Menschen, sondern ich freue mich viel mehr, wenn er sein Verhalten ändert und am Leben bleibt." (Hesekiel 33,11 NLB) Der Herr ist "barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue ... und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber ungestraft lässt er niemand" (2. Mose 34,6.7). Obwohl Gott kein Gefallen an Rache hat, wird er doch die Übertreter seines Gesetzes richten. Er muss es tun, um die Bewohner der Erde vor der völligen Verdorbenheit und dem Untergang zu bewahren. Um einige zu retten, muss er die verstockten Sünder vertilgen. "Der Herr ist geduldig und von großer Kraft, vor dem niemand unschuldig ist." (Nahum 1,3) Durch schreckliches Handeln in Gerechtigkeit wird er die Autorität seines nicht beachteten Gesetzes rechtfertigen. Und gerade sein Zögern, die gerechte Bestrafung auszuführen, bezeugt das ungeheure Ausmaß der Sünden, die seine Strafgerichte herausfordern, und die Strenge der Vergeltung, die die Übertreter erwartet. WABT 614 2 Doch während Gott Strafe verhängt, erinnert er sich auch an Barmherzigkeit. Die Amalekiter sollten vernichtet werden, aber die Keniter, die unter ihnen lebten, wurden verschont. Dieses Volk war zwar nicht ganz frei von Götzendienst, aber sie beteten auch Gott an und waren Israel gegenüber freundlich. Zu diesem Stamm gehörte Moses Schwager Hobab, der die Israeliten auf ihrer Wüstenwanderung begleitet und ihnen durch seine Kenntnis des Landes wertvolle Dienste geleistet hatte (vgl. 4. Mose 10,29-32). Seit der Niederlage der Philister bei Michmas hatte Saul gegen die Moabiter, Ammoniter und Edomiter Kriege geführt, auch gegen die Amalekiter und weiterhin gegen die Philister. Gegen wen er auch immer seine Waffen richtete, errang er neue Siege. Als er den Auftrag erhielt, gegen die Amalekiter auszuziehen, ließ er sofort den Krieg ausrufen. Zu seiner eigene Autorität kam noch die des Propheten hinzu und beim Ruf in den Kampf sammelten sich die Männer Israels unter sein Banner. Die Israeliten sollten den Feldzug nicht mit der Absicht auf Selbstverherrlichung antreten und weder Siegesruhm noch Kriegsbeute entgegennehmen. Ihre Teilnahme am Krieg sollte allein aus Gehorsam Gott gegenüber erfolgen und einzig dem Zweck dienen, sein Gericht an den Amalekitern zu vollstrecken. Nach Gottes Absicht sollten alle Völker den Untergang jenes Volkes mitverfolgen, das seiner Oberherrschaft getrotzt hatte. Sie sollten merken, dass die Amalekiter gerade von dem Volk vernichtet wurden, das sie so verachtet hatten. Sauls Teilweiser Gehorsam WABT 615 1 "Dann schlug Saul die Amalekiter vernichtend von Hawila bis nach Schur, das östlich von Ägypten liegt. Er nahm Agag, den König der Amale- kiter, gefangen und tötete alle anderen. Saul und seine Männer verschonten das Leben von Agag und behielten die besten Schafe und Rinder, die fetten Kälber und Lämmer ein - überhaupt alles, was ihnen wertvoll erschien. Sie töteten nur, was nutzlos oder von minderer Qualität war." (1. Samuel 15,7-9 NLB) WABT 615 2 Dieser Sieg über die Amalekiter war der glänzendste, den Saul je errungen hatte, und führte dazu, seinen Stolz - die größte Gefahr für ihn - aufs Neue zu entfachen. Der Erlass Gottes, der seine Feinde zur völligen Vernichtung bestimmt hatte, wurde nur teilweise ausgeführt. In seinem Ehrgeiz wagte es Saul, die Sitten der umliegenden Völker nachzuahmen. Er verschonte Agag, den ungestümen und kriegerischen König der Amalekiter, um seinen Ruhm bei seiner triumphalen Heimkehr durch die Anwesenheit eines königlichen Gefangenen noch zu steigern. Das Volk behielt die besten Schafe, Rinder und Lasttiere für sich und entschuldigte sein Unrecht mit der Begründung, die Tiere seien als Opfer für den Herrn vorgesehen. Ihre Absicht aber war, diese Tiere nur als Ersatz zu verwenden, um das eigene Vieh zu behalten. Das war für Saul die letzte Bewährungsprobe gewesen. Seine anmaßende Missachtung des Willens Gottes zeigte seine Entschlossenheit, als unabhängiger Monarch zu herrschen, und bewies, dass er nicht als Statthalter des Herrn mit der Königsmacht betraut werden konnte. Samuel Soll Saul Rügen WABT 616 1 Während Saul und sein Heer im Siegestaumel heimkehrten, gab es im Haus des Propheten Samuel großen Kummer. Er hatte eine Botschaft vom Herrn empfangen, die das Verhalten des Königs brandmarkte: "Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe; denn er hat sich von mir abgewandt und meine Befehle nicht erfüllt." (1. Samuel 15,11) Samuel war über die Handlungsweise des rebellischen Königs so betrübt, dass er die ganze Nacht weinte und betete, Gott möge doch seinen schrecklichen Richterspruch zurücknehmen. WABT 616 2 Gottes Reue gleicht nicht der menschlichen. "Auch lügt der nicht, der Israels Ruhm ist, und es gereut ihn nicht; denn er ist nicht ein Mensch, dass ihn etwas gereuen könnte", erklärte Samuel später (1. Samuel 15,29). Die Reue eines Menschen bedeutet eine Sinnesänderung, Gottes Reue schließt dagegen eine Änderung der Umstände und Beziehungen ein. Der Mensch kann seine Beziehung zu Gott verändern, indem er die Bedingungen erfüllt, unter denen er Gottes Gunst erlangt, oder er kann sich durch sein eigenes Handeln selbst davon ausschließen. Aber der Herr bleibt "derselbe gestern und heute und in Ewigkeit." (Hebräer 13,8 Elb.) Sauls Ungehorsam hatte sein Verhältnis zu Gott verändert, aber die Bedingungen für die Annahme bei Gott waren unverändert geblieben. Gottes Forderungen waren immer noch dieselben, weil es bei ihm "kein Zu- und Abnehmen des Lichtes und keine Verfinsterung" gibt (Jakobus 1,17 GNB). WABT 616 3 Bekümmert machte sich der Prophet am nächsten Morgen auf, um dem irrenden König zu begegnen. Samuel hoffte noch immer, Saul könnte zum Nachdenken kommen, seine Schuld einsehen und durch Reue und Demut Gottes Gunst wieder erlangen. Aber wenn erst einmal der erste Schritt in die falsche Richtung getan ist, fällt der nächste leichter. Saul trat - durch seinen Ungehorsam beschädigt - Samuel mit einer Lüge auf den Lippen entgegen: "Sei vom Herrn gesegnet! Ich habe den Befehl des Herrn ausgeführt!" (1. Samuel 15,13 GNB) WABT 616 4 Die Geräusche, die an das Ohr des Propheten drangen, widerlegten die Worte des ungehorsamen Königs. Auf die scharfe Frage "Und was ist das für ein Blöken von Schafen, das zu meinen Ohren kommt, und ein Brüllen von Rindern, das ich höre?" antwortete Saul: "Von den Amalekitern hat man sie gebracht; denn das Volk verschonte die besten Schafe und Rinder, um sie zu opfern dem Herrn, deinem Gott; an dem andern haben wir den Bann vollstreckt." (1. Samuel 15,14.15) Das Volk hatte lediglich Sauls Anordnungen befolgt. Doch um sich selbst herauszureden, legte er seinen Ungehorsam dem Volk zur Last. WABT 617 1 Die Botschaft von Sauls Verwerfung verursachte Samuel unsäglichen Schmerz. Er musste sie vor dem ganzen Heer Israels verkünden, das gerade sehr stolz und voller Siegesfreude über den Erfolg war, den es der Tapferkeit und Feldherrenkunst seines Königs zuschrieb. Saul hatte nämlich den Sieg Israels in diesem Kampf nicht mit Gott in Verbindung gebracht. Als aber der Prophet den Beweis für Sauls Widerspenstigkeit vor Augen sah, war er empört, dass der, den Gott so reich begnadet hatte, dessen Befehl übertreten und Israel zur Sünde verführt hatte. Samuel ließ sich durch die Ausflüchte des Königs nicht beirren. Entrüstet und traurig zugleich erklärte er: "Halt ein, damit ich dir verkünde, was der Herr diese Nacht zu mir geredet hat! ... Wurdest du nicht, als du gering in deinen Augen warst, das Oberhaupt der Stämme Israels? Und der Herr salbte dich zum König über Israel."(1. Samuel 15,16.17 Elb.) Er wiederholte den Befehl des Herrn bezüglich Amalek und verlangte, den Grund für den Ungehorsam des Königs zu erfahren. WABT 617 2 Saul blieb bei seiner Selbstrechtfertigung: "Ich habe ihm doch gehorcht", erwiderte Saul. "Ich habe getan, was er mir aufgetragen hatte: An den Amale- kitern habe ich den Bann vollstreckt und ihren König Agag hierher gebracht. Meine Leute aber ließen die besten von den erbeuteten Schafen und Rindern am Leben, um sie hier in Gilgal dem Herrn, deinem Gott, zu opfern." (1. Samuel 15,20. 21 GNB) WABT 617 3 Mit strengen und ernsten Worten fegte der Prophet die verlogenen Ausreden beiseite und sprach das unwiderrufliche Urteil aus: "Was meinst du, was gefällt dem Herrn besser: Brandopfer und Mahlopfer oder Gehorsam gegenüber seinem Befehl? Lass dir gesagt sein: Wenn du dem Herrn gehorchst, ist das besser als ein Opfer; und wenn du ihm richtig zuhörst, ist das besser als das Fett von Widdern. Trotz gegen Gott ist ebenso schlimm wie Zauberei, Auflehnung gegen ihn so schlimm wie Götzendienst. Weil du gegen den Befehl des Herrn verstoßen hast, hat der Herr auch dich verstoßen: Du kannst nicht länger König über sein Volk sein." (1. Samuel 15,22.23 GNB) Die Unehrliche Reue Sauls WABT 617 4 Als der König dieses schreckliche Urteil hörte, rief er aus: "Ja, ich habe gesündigt. Ich habe deine Anweisungen und den Befehl des Herrn nicht befolgt, denn ich hatte Angst vor dem Volk und tat, was es verlangte." (1. Samuel 15,24 NLB) Erschreckt durch die Anprangerung des Propheten bekannte Saul zwar nun seine Sünde, die er zuvor hartnäckig geleugnet hatte; aber er schob weiterhin die Schuld auf das Volk und behauptete, aus Angst vor ihm gesündigt zu haben. WABT 618 1 Nicht Betrübnis über seine Sünde, sondern Angst vor ihrer Strafe trieb den König Israels zu der Bitte an Samuel: "Bitte, vergib mir meine Sünde und tritt mit mir vor den Herrn, um ihn anzubeten." (1. Samuel 15,25 NLB) Wäre Sauls Reue echt gewesen, hätte er ein öffentliches Schuldbekenntnis abgelegt. Aber seine größte Sorge war, sein Ansehen zu bewahren und sich der Treue des Volkes zu versichern. Er wollte die Ehre der Anwesenheit Samuels dazu nutzen, den eigenen Einfluss beim Volk zu stärken. WABT 618 2 "Ich werde nicht mit dir gehen", antwortete ihm der Prophet. "Weil du dich vom Wort des Herrn abgewandt hast, hat er sich nun auch von dir abgewandt; du wirst nicht länger König über Israel sein." Als sich Samuel zum Gehen wandte, ergriff ihn der König aus Angst und Verzweiflung. Er "packte ihn am Mantel, dabei riss ein Stück Stoff ab." Darauf erklärte ihm der Prophet: "So hat heute der Herr dir die Königsherrschaft über Israel entrissen, um sie einem anderen zu geben - einem, der besser ist als du." (1. Samuel 15,26-28 NLB) WABT 618 3 Saul beunruhigte die Entfremdung von Samuel viel stärker als das Missfallen Gottes. Er wusste, dass das Volk mehr Vertrauen zum Propheten als zu ihm besaß. Sollte nun auf Gottes Befehl ein anderer zum König gesalbt werden, meinte Saul, wäre es unmöglich, die eigene Autorität aufrechtzuerhalten. Er befürchtete sogar einen sofortigen Aufstand, wenn Samuel ihn gänzlich verlassen würde. Deshalb flehte Saul den Propheten an, ihn vor den Ältesten und dem Volk zu ehren, indem er mit ihm gemeinsam öffentlich einen Gottesdienst feierte. Auf göttliche Weisung hin gab Samuel der Bitte des Königs nach, um keinen Anlass zu einem Aufstand zu geben. Aber er war nur als stummer Zeuge beim Gottesdienst anwesend. WABT 618 4 Noch galt es, Gottes Urteil zu vollstrecken, so hart und schrecklich es war. Samuel musste Gottes Ehre öffentlich verteidigen und Sauls Handlungsweise rügen. Er befahl, den König der Amalekiter vor ihn zu bringen. Von allen, die durch das Schwert Israels fielen, hatte Agag am wenigsten Erbarmen gehabt und die größte Schuld auf sich geladen. Er hatte das Volk Gottes gehasst, war auf dessen vollständige Vernichtung aus gewesen und hatte den Götzendienst am meisten gefördert. Auf Befehl des Propheten kam er und bildete sich ein, die Todesgefahr sei vorüber. Aber Samuel sagte: "›Dein Schwert hat die Kinder vieler Mütter getötet, so wird jetzt auch deine Mutter kinderlos sein.‹ Und Samuel hieb Agag in Gilgal vor dem Herrn in Stücke." (1. Samuel 15,33 NLB) Daraufhin kehrte Samuel in sein Heim nach Rama zurück, und Saul nach Gibea. Prophet und König begegneten sich danach nur noch ein einziges Mal. Sauls Verpasste Gelegenheiten WABT 619 1 Als Saul auf den Thron berufen wurde, hatte er eine bescheidene Meinung von sich und seinen Fähigkeiten und war bereit, sich belehren zu lassen. Ihm fehlten Kenntnisse und Erfahrungen, und er wies ernste Charakterfehler auf. Aber der Herr verlieh ihm den Heiligen Geist als Führer und Helfer und ermöglichte es ihm, die für die Herrschaft über Israel notwendigen Eigenschaften zu entwickeln. Wäre Saul demütig geblieben und hätte sich von der göttlichen Weisheit leiten lassen, wäre er befähigt worden, den Pflichten seiner hohen Stellung ehrenhaft und erfolgreich nachzukommen. Unter dem Einfluss der göttlichen Gnade wäre jede gute Eigenschaft gestärkt worden, während die üblen Neigungen ihre Macht verloren hätten. WABT 619 2 Dies ist das Werk, das Gott für alle zu tun beabsichtigt, die sich seinem Dienst weihen. Er hat viele zu Stellungen in seinem Werk berufen, weil sie demütig und lernbereit sind. In seiner Vorsehung stellt er sie dahin, wo sie von ihm lernen können. Er wird ihnen ihre charakterlichen Schwächen offenbaren und allen, die seine Hilfe suchen, die Stärke geben, um ihre Fehler zu berichtigen. WABT 619 3 Aber Saul wurde durch seine Erhöhung anmaßend und entehrte Gott durch sein mangelndes Vertrauen und seinen Ungehorsam. Obwohl er bei seiner Berufung zum Thron bescheiden und ohne viel Selbstvertrauen war, machte ihn der Erfolg überheblich. Schon der erste Sieg entfachte in ihm jenen Stolz, der für ihn die größte Gefahr darstellte. Seine Tapferkeit und seine militärische Führungsgabe, die er bei der Befreiung von Jabesch in Gilead unter Beweis gestellt hatte, hatten die ganze Nation begeistert. Das Volk ehrte seinen König und vergaß darüber, dass er nur das Werkzeug war, durch das Gott gewirkt hatte. Zwar hatte Saul anfangs Gott die Ehre gegeben, doch später beanspruchte er den Ruhm für sich. Er verlor seine Abhängigkeit von Gott aus den Augen und entfernte sich auch innerlich immer mehr von ihm. Somit war der Weg für das anmaßende und frevelhafte Opfer in Gilgal bereitet. Dieselbe blinde Selbstsicherheit führte ihn dazu, Samuels Tadel zurückzuweisen. Da Saul Samuel als einen von Gott gesandten Propheten anerkannt hatte, hätte er den Verweis annehmen müssen, auch wenn er seine Verfehlung noch nicht einzusehen vermochte. Wäre er willens gewesen, seinen Irrtum zu erkennen und einzugestehen, wäre ihm diese bittere Erfahrung zu einem Schutz für die Zukunft geworden. WABT 619 4 Hätte sich der Herr damals ganz von Saul zurückgezogen, würde er nicht abermals durch seinen Propheten zu ihm gesprochen und ihn mit einer bestimmten Aufgabe betraut haben, damit er die Fehler der Vergangenheit ausgleichen konnte. Wenn jemand, der bekennt, ein Kind Gottes zu sein, darin nachlässig wird, dessen Willen auszuführen, und dadurch andere beeinflusst, gegenüber den Anordnungen Gottes gleichgültig und unachtsam zu sein, ist es immer noch möglich, dass sich seine Verfehlungen in einen Sieg verwandeln, wenn er den Tadel mit aufrichtiger Reue annimmt und in Demut und im Glauben zu Gott zurückkehrt. Das Demütigende einer Niederlage erweist sich oft als Segen, weil es uns zeigt, dass wir nicht in der Lage sind, Gottes Willen ohne seine Hilfe auszuführen. WABT 620 1 Als Saul den Tadel, der ihm durch Gottes Geist übermittelt wurde, von sich wies und in seiner starrköpfigen Selbstrechtfertigung verharrte, verwarf er das einzige Mittel, durch das Gott wirken konnte, um ihn vor sich selbst zu retten. Er hatte sich mutwillig von Gott getrennt. Nun konnte er keine Hilfe oder Führung von ihm erhalten, es sei denn, er kehrte durch ein Bekenntnis seiner Sünden zu Gott zurück. WABT 620 2 In Gilgal hatte Saul den Anschein großer Gewissenhaftigkeit erweckt, als er vor dem Heer Israels stand und Gott ein Opfer darbrachte. Aber seine Frömmigkeit war nicht echt. Diese religiöse Handlung, die entgegen Gottes ausdrücklichem Befehl vorgenommen wurde, schwächte nur Sauls Hände und stellte ihn außerhalb der Hilfe, die Gott ihm gewähren wollte. WABT 620 3 Bei seinem Feldzug gegen die Amalekiter meinte Saul, alles Wesentliche, das ihm der Herr befohlen hatte, getan zu haben. Aber Gott war mit teilweisem Gehorsam nicht zufrieden und nicht bereit, ein noch so vernünftiges Versäumnis zu übersehen. Gott hat niemandem die Freiheit gegeben, von seinen Forderungen abzuweichen. Er hatte den Israeliten verboten, dass "ein jeder [tut], was ihm recht dünkt" (5. Mose 12,8), sondern sie sollten "alle Weisungen" beachten, die er ihnen gegeben hatte (5. Mose 12,28a Hfa). Bei den Entscheidungen über all unser Handeln sollen wir nicht fragen, ob uns daraus Schaden erwächst, sondern ob sie dem Willen Gottes entsprechen. "Mancher Mensch hält seinen Weg für den richtigen, aber am Ende führt er ihn in den Tod." (Sprüche 14,12 GNB) WABT 620 4 "Gehorsam ist besser als Opfer." (1. Samuel 15,22a) In Gottes Augen waren die Opfer an sich ohne Wert. Ihr Sinn lag darin, dass der Opfernde durch sie seine Reue über die Sünde und seinen Glauben an den Erlöser ausdrückte und für die Zukunft Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes gelobte. Ohne Reue, Glauben und ein gehorsames Herz waren die Opfer wertlos. Als Saul gar vorschlug, in offener Übertretung des göttlichen Gebotes ein Opfer von jenen Tieren darzubringen, die Gott zur Vernichtung bestimmt hatte, zeigte er damit seine klare Verachtung der göttlichen Autorität. Ein solcher Gottesdienst wäre eine Beleidigung für Gott gewesen. WABT 621 1 Doch wie viele handeln heute ähnlich, obwohl sie Sauls Sünde und ihre Folgen kennen! Während sie einem bestimmten Gebot Gottes nicht glauben und ihm nicht gehorchen, halten sie an äußerlichen Gottesdienstformen fest. Auf einen solchen Dienst gibt es keine Antwort des Geistes Gottes. Mögen sie noch so eifrig alle religiösen Zeremonien befolgen - der Herr kann sie nicht annehmen, wenn sie in willentlicher Übertretung eines seiner Gebote verharren. Selbsttäuschung Durch Satans Einfluss WABT 621 2 "Auflehnung ist so schlimm wie die Sünde der Zauberei und Eigensinn so schlimm wie Götzendienst." (1. Samuel 15,23a NLB) Die Rebellion begann mit Satan, und jede Auflehnung gegen Gott ist unmittelbar auf satanischen Einfluss zurückzuführen. Wer sich gegen Gottes Herrschaft auflehnt, tritt in einen Bund mit dem ersten Abtrünnigen, und dieser wird seine ganze Macht und List aufbieten, um die Sinne gefangen zu nehmen und den Verstand irrezuführen. Er wird alles in einem falschen Licht erscheinen lassen. Wie unsere Voreltern sehen manche, die seinem betörenden Bann erliegen, nur den großen Nutzen, den sie auf dem Weg der Übertretung erlangen. WABT 621 3 Es kann keinen stärkeren Beweis für Satans verführerische Macht geben als den, dass viele, die sich von ihm leiten lassen, sich selbst mit der Ansicht täuschen, sie stünden im Dienst Gottes. Als Korach, Datan und Abiram gegen Moses Führungsanspruch rebellierten, meinten sie, nur gegen einen irdischen Leiter vorzugehen - einen Menschen wie sie selbst. Sie glaubten, Gott einen Dienst zu erweisen. Aber indem sie das von ihm erwählte Werkzeug verwarfen, lehnten sie Christus ab und beleidigten den Geist Gottes. Das Gleiche taten in der Zeit, als Jesus lebte, die jüdischen Schriftgelehrten und Ältesten. Sie gaben vor, für Gottes Ehre zu eifern, und kreuzigten seinen Sohn. Derselbe Geist wirkt auch heute in jenen, die entgegen dem ausdrücklichen Willen Gottes ihre eigenen Wege gehen. WABT 621 4 Saul hatte genügend Beweise dafür erhalten, dass Samuel vom Geist Gottes inspiriert war. Sein Wagnis, den Befehl Gottes durch den Propheten zu missachten, erfolgte gegen alle Vernunft und gegen das gesunde Urteilsvermögen. Seine verhängnisvolle Vermessenheit kann man nur satanischer Verführungskraft zuschreiben. Saul hatte sich eifrig um die Beseitigung von Götzendienst und Zauberei bemüht. Doch in seinem Ungehorsam gegen das göttliche Gebot war er von demselben Geist der Auflehnung gegen Gott angetrieben und genauso von Satan inspiriert worden, wie jene, die Zauberei betreiben. Als Saul zurechtgewiesen wurde, verstockte er nun sein rebellisches Herz. Selbst durch eine öffentliche Verbindung mit Götzendienern hätte er Gottes Geist nicht schwerer beleidigen können. WABT 622 1 Es ist gefährlich, die Mahnungen und Warnungen des Wortes oder des Geistes Gottes zu übergehen. Viele geben wie Saul der Versuchung nach, bis sie für das wahre Wesen der Sünde blind geworden sind. Sie bilden sich ein, eine gute Absicht zu verfolgen und kein Unrecht zu begehen, wenn sie von den Forderungen Gottes abweichen. Auf diese Weise widerstreben sie dem Geist der Gnade, bis sie seine Stimme nicht mehr wahrnehmen und ihren selbst erwählten Täuschungen überlassen bleiben. Ein König Nach Dem Wunsch Des Volkes WABT 622 2 Mit Saul hatte Gott den Israeliten einen König nach ihrem Herzen gegeben, wie Samuel sagte, als er in Gilgal Sauls Königtum bestätigte: "Da ist der König, den ihr erwählt und den ihr erbeten habt." (1. Samuel 12,13a Elb.) Gut aussehend, von edler Gestalt und fürstlichem Auftreten, stimmte seine Erscheinung ganz mit ihren Vorstellungen von königlicher Würde überein. Sauls persönliche Tapferkeit und die Befähigung zum Heerführer waren die Eigenschaften, die ihnen am besten geeignet erschienen, Respekt und Ansehen bei anderen Völkern zu erwerben. Es kümmerte sie wenig, ob ihr König jene höheren Eigenschaften aufwies, die ihn allein dazu befähigen konnten, gerecht und unparteiisch zu regieren. Sie verlangten nach keinem, der einen wahrhaft edlen Charakter besaß, der Gott liebte und Ehrfurcht vor ihm besaß. Sie hatten Gott nicht um Rat gefragt, was für Eigenschaften ein Herrscher haben sollte, damit ihr besonderer, heiliger Charakter als Gottes auserwähltes Volk erhalten blieb. Sie suchten nicht Gottes Weg, sondern ihren eigenen. Deshalb gab ihnen Gott einen König, wie sie sich ihn wünschten WABT 622 3 . jemanden, dessen Wesenszüge ihren eigenen entsprachen. Ihr Herz hatten sie Gott nicht unterworfen, und ihr König war nicht durch die Gnade Gottes gebändigt worden. Unter der Herrschaft dieses Königs würden sie die nötigen Erfahrungen machen, um ihren Irrtum einzusehen und zur Treue Gott gegenüber zurückzukehren. WABT 622 4 Doch der Herr ließ Saul - nachdem er ihm das Königtum übertragen hatte WABT 622 5 . in seiner Verantwortung nicht allein. Er ließ den Heiligen Geist auf ihm ruhen, damit er seine eigene Schwachheit und die Notwendigkeit des göttlichen Beistands erkannte. Hätte sich Saul auf Gott verlassen, wäre Gott auch mit ihm gewesen. Solange er seinen Willen dem Willen Gottes unterstellt und sich der Erziehung durch Gottes Geist untergeordnet hätte, würde der Herr seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt haben. Aber als Saul es vorzog, unabhängig von Gott zu handeln, konnte der Herr ihn nicht länger leiten. Er war gezwungen, ihn abzusetzen. Dann berief er "einen Mann nach seinem Herzen" auf den Thron (1. Samuel 13,14) - keinen, der charakterlich fehlerlos war, aber der nicht sich selbst, sondern Gott vertraute und sich von dessen Geist führen ließ - einen, der sich auch zurechtweisen und korrigieren lassen würde, wenn er eine Sünde begangen hatte. ------------------------Kapitel 62 - Davids Salbung Zum König WABT 624 0 1. Samuel 16,1-13. WABT 624 1 Nur wenige Kilometer südlich von Jerusalem, der "Stadt des großen Königs" (Matthäus 5,35), liegt Bethlehem, wo David, der Sohn Isais, zur Welt kam. Dies geschah mehr als tausend Jahre bevor das Jesuskind dort in eine Krippe gelegt und von den Weisen aus dem Morgenland angebetet wurde. Jahrhunderte vor der Ankunft des Erlösers bewachte der jugendliche David seine Schafherden, während sie auf den Hügeln um Bethlehem weideten. Der einfache Hirtenjunge sang mit frischer, kräftiger Stimme seine selbstverfassten Lieder und spielte dazu auf seiner Harfe. Der Herr hatte David erwählt und bereitete ihn hier in der Einsamkeit bei seinen Herden für die Aufgabe vor, die er ihm in späteren Jahren anvertrauen wollte. WABT 624 2 Während David in der Zurückgezogenheit sein schlichtes Hirtendasein führte, sprach Gott, der Herr, schon über ihn zum Propheten Samuel: "›Wie lange willst du noch um Saul trauern? Ich habe mich von ihm als König über Israel abgewandt. Jetzt fülle dein Horn mit Öl und mache dich auf den Weg. Suche in Bethlehem einen Mann namens Isai auf, denn ich habe mir unter seinen Söhnen einen als König ausgewählt ... Nimm eine junge Kuh mit ... und sage, dass du gekommen bist, um dem Herrn ein Opfer zu bringen. Lade Isai dazu ein, und ich werde dir zeigen, was du tun und welchen seiner Söhne du für mich salben sollst.‹ Samuel tat, was der Herr ihm gesagt hatte. Als er in Bethlehem ankam, bekamen die Ältesten der Stadt Angst und fragten: ›Kommst du in Frieden?‹ ›Ja, in Frieden‹, antwortete Samuel." (1. Samuel 16,1-5 NLB) WABT 624 3 Die Ältesten von Bethlehem nahmen die Einladung zum Opfermahl an, und Samuel rief auch Isai und dessen Söhne dazu. Man errichtete einen Altar und hielt das Opfer bereit. Die ganze Familie Isais war anwesend, mit Ausnahme Davids, des jüngsten Sohnes. Er musste die Schafe hüten, denn man konnte sie nicht gefahrlos unbewacht lassen. Die Auswahl Des Neuen Königs WABT 625 1 Als Samuel das Opfer dargebracht hatte, aber noch bevor er am Opfermahl teilnahm, begann er seine prophetische Prüfung der stattlichen Söhne Isais. Der Älteste, Eliab, glich Saul in Größe und Schönheit am ehesten. Sein freundliches Gesicht und sein harmonischer Wuchs zogen die Aufmerksamkeit des Propheten auf sich. Als er die geradezu fürstliche Haltung an ihm wahrnahm, dachte er: "Das ist bestimmt der, den der Herr als König ausgesucht hat." (1. Samuel 16,6 Hfa) Er wartete auf die göttliche Zustimmung, um ihn zu salben. Aber Jahwe sah nicht auf die äußere Erscheinung. Eliab hatte keine Ehrfurcht vor Gott. Hätte er den Thron bestiegen, wäre aus ihm ein stolzer, fordernder Herrscher geworden. Gott sagte daher zu Samuel: "Lass dich nicht von seinem Äußeren oder seiner Größe blenden, ich habe ihn nicht erwählt. Der Herr entscheidet nicht nach den Maßstäben der Menschen! Der Mensch urteilt nach dem, was er sieht, doch der Herr sieht ins Herz." (1. Samuel 16,7 NLB) Keine äußere Schönheit kann einen Menschen Gott empfehlen. Die Weisheit und Vortrefflichkeit, die sich im Charakter und Verhalten zeigen, drücken die wahre Schönheit eines Menschen aus. Die inneren Werte, die Schönheit des Herzens, sind für unsere Annahme beim Herrn der Heerscharen entscheidend. Das sollten wir zutiefst bedenken, wenn wir uns und andere beurteilen. Von Samuels Irrtum können wir lernen, wie nichtig eine Einschätzung ist, die auf einem schönen Gesicht oder einer ansehnlichen Gestalt beruht. Wir können erkennen, wie unfähig der menschliche Verstand ist, die Geheimnisse des Herzens oder die Meinung Gottes ohne besondere Erleuchtung durch dessen Geist zu erfassen. Gottes Gedanken und Wege bezüglich seiner Geschöpfe gehen über unser begrenztes Verständnis hinaus. Aber wir können sicher sein, dass Gott seine Kinder dazu bringt, genau den Platz auszufüllen, für den sie geeignet sind. Er befähigt sie, genau das Werk zu tun, das er ihnen anvertraut, wenn sie sich nur dem Willen Gottes unterstellen. Dann werden seine segensreichen Pläne nicht durch menschlichen Eigensinn vereitelt. WABT 625 2 Eliab schied also bei der Prüfung Samuels aus. Darauf beobachtete der Prophet mit prüfendem Blick der Reihe nach seine sechs Brüder, die ebenfalls am Opfermahl teilnahmen. Aber bei keinem bedeutete ihm der Herr, dass er ihn erwählt habe. Mit schmerzlicher Spannung hatte Samuel auf den letzten jungen Mann geschaut und war verwirrt und verunsichert. Dann fragte er Isai: "Sind das alle deine Söhne?" Der Vater antwortete: "Der jüngste fehlt noch, David, der hütet die Schafe." Samuel befahl, auch ihn zu rufen, und sagte: "Wir setzen uns nicht zum Opfermahl hin, bevor er hier ist!" (1. Samuel 16,11 GNB) WABT 626 1 Der einsame Hirte wurde vom unerwarteten Ruf des Boten aufgeschreckt, der ihm die Nachricht brachte, der Prophet sei nach Bethlehem gekommen und habe nach ihm gesandt. Erstaunt fragte sich David, weshalb der Prophet und Richter Israels gerade ihn sehen wolle. Aber er gehorchte, ohne zu zögern. "Er war bräunlich, mit schönen Augen und von guter Gestalt." Während Samuel den ansehnlichen, mannhaften und bescheidenen jungen Hirten mit Freude betrachtete, sagte die Stimme des Herrn zu ihm: "Er ist es, salbe ihn!" (1. Samuel 16,12 GNB) David hatte sich bis dahin in seinem schlichten Hirtendienst als mutig und gewissenhaft erwiesen, und jetzt hatte Gott ihn zum Oberhaupt seines Volkes erwählt. "Und während David inmitten seiner Brüder stand, nahm Samuel das Öl, das er mitgebracht hatte, und goss es über Davids Kopf aus. Von diesem Tag an kam der Geist des Herrn über ihn und verließ ihn nicht mehr." (1. Samuel 16,13 NLB) Der Prophet hatte die Aufgabe erfüllt, die ihm übertragen worden war, und kehrte erleichtert nach Rama zurück. WABT 626 2 Samuel hatte niemandem die wirkliche Bedeutung seines Auftrags mitgeteilt - nicht einmal der Familie Isais. Davids Salbung war "geheim" vollzogen worden. Sie war für den jungen Mann ein Zeichen für seine spätere hohe Bestimmung. Das Wissen darum sollte ihm bei den vielfältigen Erlebnissen und Gefahren der kommenden Jahre ein Antrieb sein, der Absicht Gottes, die er in seinem Leben erfüllen sollte, treu zu bleiben. Der Einfluss Der Schöpfung Auf David WABT 626 3 Die große Ehrung, die David erfuhr, erfüllte ihn nicht mit Stolz. Trotz der hohen Stellung, die er einmal bekleiden sollte, ging er weiterhin still seiner Beschäftigung nach und war damit zufrieden, dass Gott seine Pläne zu seiner Zeit und auf seine Weise umsetzen werde. Genauso anspruchslos und bescheiden wie vor seiner Salbung kehrte der Hirtenknabe auf die Hügel zurück und hütete dort seine Herden sorgsam wie eh und je. Aber mit einer neuen Vision komponierte er seine Melodien und spielte auf seiner Harfe. Vor ihm lag eine Landschaft von großer Schönheit und Vielfalt. Weinstöcke voller Trauben glänzten im Sonnenschein. Die grün belaubten Bäume des Waldes neigten sich im Wind. Er sah, wie die Sonne den Himmel mit Licht durchflutete, "wie ein Bräutigam aus seinem Gemach tritt sie hervor; sie freut sich wie ein Held, die Bahn zu durchlaufen." (Psalm 19,6 Elb.) Da waren die steilen Berggipfel, die zum Himmel hinauf ragten. In der Ferne erhoben sich die kahlen Gebirgsklippen Moabs, und über allem thronte das zartblaue Himmelsgewölbe. Jenseits davon war Gott. David konnte ihn nicht sehen, aber seine Werke priesen den Schöpfer. Das Tageslicht vergoldete Wälder und Berge, Auen und Bäche und richtete seine Gedanken zum Vater des Lichtes empor, zum Geber aller guten und vollkommenen Gaben. Die tägliche Offenbarung des Wesens und der Majestät des Schöpfers erfüllten das Herz des jungen Dichters mit Anbetung und Freude. Beim Nachsinnen über Gott und dessen Werke wuchsen und erstarkten Davids geistige und seelische Kräfte für seine späteren Aufgaben. Jeden Tag wurde seine Zwiesprache mit Gott inniger. Ständig drang sein Geist in neue Tiefen ein und entdeckte dabei neue Themen, die ihn zum Dichten seiner Lieder und zum Harfenspiel anregten. Der volle Klang seiner Stimme erfüllte die Luft und hallte von den Hügeln wider wie eine Antwort auf die freudigen Gesänge der Engel im Himmel. WABT 627 1 Wer kann die Auswirkungen jener mühevollen Jahre der Wanderschaft in der Abgeschiedenheit dieser Hügel ermessen? Seine Verbundenheit mit der Natur und mit Gott, die Sorge um die Herden, die Rettung aus mancherlei Gefahren, der Kummer und die Freuden seines bescheidenen Daseins - all das formte Davids Charakter. Darüber hinaus beeinflusste es sein ganzes zukünftiges Leben. Die Psalmen dieses frohen Sängers in Israel würden aber auch für alle künftigen Zeiten in den Herzen der Gläubigen Liebe entfachen und Vertrauen wecken und sie so näher zum ewig liebenden Herzen des Schöpfers bringen, aus dem alle leben. WABT 627 2 In der Schönheit und Tatkraft seiner Jugendzeit bereitete sich David darauf vor, eine hohe Stellung unter den Edelsten der Erde einzunehmen. Seine Fähigkeiten waren für ihn Gottesgaben, die er zum Ruhm des göttlichen Gebers einsetzte. Seine reichlichen Gelegenheiten, zu beobachten und nachzusinnen, dienten dazu, ihn mit jener Weisheit und Frömmigkeit zu bereichern, die Gott und die Engel an ihm so schätzten. Während er über die vollkommenen Werke seines Schöpfers nachdachte, eröffnete sich seinem inneren Auge ein klareres Verständnis des Wesens Gottes. In unklare Themen kam Licht, Schwieriges wurde verdeutlicht, Verwirrendes wurde in Einklang gebracht, und jeder Strahl neuen Lichtes entfachte neue Begeisterung und erweckte in ihm noch schönere Lobeshymnen zur Ehre Gottes und des Erlösers. Die Liebe, die ihn bewegte, die Sorgen, die ihn bedrückten, die Siege, die er errang - all das waren Themen, über die er angestrengt nachdachte. Als er in allen Fügungen seines Lebens Gottes Liebe erkannte, schlug sein Herz höher in Anbetung und Dankbarkeit. Seine Stimme erklang noch melodischer, in seinen Harfenklängen lag noch freudigere Begeisterung. Der junge Hirte wurde dadurch innerlich immer gefestigter. Seine Erkenntnis nahm zu, denn der Geist des Herrn ruhte auf ihm. ------------------------Kapitel 63 - David Besiegt Goliat WABT 628 0 1. Samuel 16,14 bis 17,54. WABT 628 1 Als König Saul bewusst wurde, dass er von Gott verworfen worden war, und die volle Bedeutung der anklagenden Worte erfasste, die der Prophet Samuel an ihn gerichtet hatte, regten sich in ihm Gefühle bitterer Empörung und Verzweiflung. Es war keine echte Reue, die das stolze Haupt des Königs gebeugt hatte. Er konnte weder den beleidigenden Charakter seiner Sünde deutlich erkennen, noch bemühte er sich darum, sein Leben zu bessern. Stattdessen brütete er über der vermeintlichen Ungerechtigkeit Gottes, weil dieser ihn vom Thron Israels gestoßen und seine Nachkommen von der Thronfolge ausgeschlossen hatte. In Gedanken war er ständig damit beschäftigt, wie das Verderben abgewendet werden könnte, das über sein Haus gekommen war. Er meinte, dass seine Tapferkeit, mit der er seinen Feinden begegnet war, die Sünde seines Ungehorsams wettmachen müsste. Saul nahm Gottes Zurechtweisung nicht in Demut an. Vielmehr schlug sein Hochmut in Verzweiflung um, bis er am Rande des Wahnsinns stand. Seine Ratgeber rieten ihm, nach den Diensten eines begabten Musikers zu suchen - in der Hoffnung, dass die besänftigenden Töne eines wohlklingenden Instruments seinen aufgewühlten Geist beruhigen könnten. Es war Gottes Vorsehung, dass der geschickte Harfenspieler David vor den König gebracht wurde. Seine erhabenen und himmlisch inspirierten Melodien hatten die gewünschte Wirkung. Die bedrückende Schwermut, die sich wie eine dunkle Wolke über Sauls Gemüt gelegt hatte, war wie weggeblasen. David Durchschaut Saul Allmählich WABT 628 2 Wenn seine Dienste am Hof Sauls nicht gebraucht wurden, kehrte David zu seinen Herden im Hügelland zurück. In seinem Geist und Verhalten bewahrte er sich seine Bescheidenheit. Wann immer es nötig war, rief man ihn wieder an den Hof, um dem geplagten Monarchen zu dienen und dessen Gemüt zu besänftigen, bis der böse Geist ihn verließ. Doch obwohl Saul Gefallen an David und dessen Musik zum Ausdruck brachte, kehrte der junge Hirte immer wieder mit einem Gefühl der Erleichterung und Freude aus dem Haus des Königs auf seine Weiden im Hügelland zurück. WABT 629 1 Davids Gunst bei Gott und den Menschen wuchs. Er war in den Wegen des Herrn erzogen worden und nahm sich jetzt im Herzen vor, den Willen Gottes noch genauer zu erfüllen als je zuvor. Es gab viel Neues, worüber er nachdenken musste. Er war am Hof des Königs gewesen und hatte Einblick in die Verantwortlichkeiten eines Monarchen gewonnen. Er hatte einige der Versuchungen gesehen, denen Saul ausgesetzt war, und manches Geheimnis im Charakter und Verhalten des ersten Königs von Israel durchschaut. Er hatte gesehen, wie eine dunkle Wolke des Kummers die Herrlichkeit des Königshauses überschattete, und wusste, dass die Familie Sauls in ihrem Privatleben alles andere als glücklich war. All dies trug dazu bei, dass David, der zum künftigen König über Israel gesalbt worden war, selbst beunruhigt wurde. Doch wenn er in tiefem Nachdenken versunken war und ihn sorgenvolle Gedanken quälten, nahm er seine Harfe zur Hand und entlockte ihr Melodien, die seinen Geist zum Geber alles Guten emporhoben. Dann wurden die dunklen Wolken, die den Horizont der Zukunft zu überschatten schienen, bald vertrieben. Davids Vorbereitung Auf Seine Verantwortung WABT 629 2 Gott lehrte David, was Vertrauen heißt. So wie er einst Mose für dessen Aufgabe ausgebildet hatte, bereitete er auch den Sohn Isais darauf vor, Führer seines auserwählten Volkes zu werden. Durch die umsichtige Betreuung seiner Herden lernte David die Fürsorge des großen Hirten für die Schafe seiner Weide zu schätzen. WABT 629 3 Die einsamen Hügel und wilden Schluchten, die David mit seinen Herden durchzog, waren Schlupfwinkel von Raubtieren. Nicht selten brach ein Löwe gierig vor Hunger aus einem Dickicht am Jordan oder ein Bär aus seinem Lager in den Hügeln hervor, um die Herde anzugreifen. Nach dem Brauch jener Zeit war David nur mit einer Schleuder und einem Hirtenstock ausgerüstet, doch er bewies schon früh Stärke und Mut, wenn es galt, die ihm anvertraute Herde zu schützen. Als er später Saul diese Begegnungen beschrieb, sagte er: "Als ich die Schafe meines Vaters hütete, kam es vor, dass ein Löwe oder Bär sich ein Tier von der Herde holen wollte. Dann lief ich ihm nach, schlug auf ihn ein und rettete das Opfer aus seinem Rachen. Wenn er sich wehrte und mich angriff, packte ich ihn an der Mähne und schlug ihn tot." (1. Samuel 17,34.35 GNB) Solche Erfahrungen stellten Davids Herz auf die Probe und förderten seinen Mut, seine Tapferkeit und seinen Glauben. WABT 630 1 Schon bevor David an den Hof gerufen worden war, hatte er sich durch heldenhafte Taten ausgezeichnet. Der Offizier, der den König auf ihn aufmerksam machte, nannte ihn "mutig und tapfer im Kampf und wortgewandt" und sagte: "Der Herr ist mit ihm." (1. Samuel 16,18 NLB.) Ein Erneuter Kampf Mit Den Philistern WABT 630 2 Als Israel gegen die Philister in den Krieg zog, traten drei Söhne Isais in das Heer Sauls ein, aber David blieb zu Hause. Nach einer gewissen Zeit jedoch machte David einen Besuch im Lager Sauls. Er sollte im Auftrag seines Vaters seinen älteren Brüdern eine Botschaft und Geschenke überbringen und herausfinden, ob sie noch in Sicherheit und bei guter Gesundheit waren. Aber ohne Isais Wissen war der jugendliche Schafhirte mit einer höheren Aufgabe betraut worden. Israels Heer war in Gefahr, und David war durch einen Engel beauftragt worden, sein Volk zu retten. WABT 630 3 Als David in die Nähe des Lagers kam, hörte er einen Tumult, als ob ein Gefecht bevorstünde. "Er traf gerade im Lager ein, als das Heer mit Geschrei und Schlachtrufen in den Kampf zog." (1. Samuel 17,20 NLB) Die Heere Israels und der Philister standen sich in Schlachtaufstellung gegenüber. David lief zum Heer der Israeliten und begrüßte seine Brüder. Während er mit ihnen sprach, trat aus den feindlichen Lagern Goliat hervor, der Vorkämpfer der Philister, und forderte die Israeliten mit beleidigenden Worten auf, aus ihren Reihen einen Mann aufzubieten, der sich mit ihm im Zweikampf messen sollte. Diese Herausforderung wiederholte er. Als David sah, wie angsterfüllt die Israeliten waren, und hörte, wie dieser Philister sie Tag für Tag verhöhnte, ohne dass sich ein Kämpfer fand, der den Angeber zum Schweigen brachte, entbrannte sein Zorn. Er war erfüllt vom Verlangen, die Ehre des lebendigen Gottes und das Ansehen seines Volkes zu retten. WABT 630 4 Die israelitischen Kämpfer waren niedergeschlagen und mutlos. Untereinander hörte man sie reden: "Habt ihr diesen Mann gesehen, der da heraufkommt? ... Er kommt nur, um Israel zu verspotten." Beschämt und entrüstet rief David: "Wer ist dieser unbeschnittene Philister überhaupt, dass er das Heer des lebendigen Gottes verhöhnen darf?" (1. Samuel 17,25.26 NLB) WABT 630 5 Als Eliab, der älteste Bruder Davids, diese Worte hörte, wusste er genau, welche Gefühle das Gemüt des jungen Mannes erregten. Schon als Schafhirte hatte David Kühnheit, Mut und Stärke in einem selten erlebten Maß gezeigt. Der geheimnisvolle Besuch Samuels in ihrem Vaterhaus und dessen stiller Weggang hatten damals das Misstrauen seiner Brüder über die wahre Absicht dieses Besuches geweckt. Als sie sahen, dass David von Samuel mehr geehrt wurde als sie, hatte das ihre Eifersucht erregt, und sie behandelten ihn nicht mit der Achtung und Liebe, die er aufgrund seiner Rechtschaffenheit und brüderlichen Herzlichkeit verdient hätte. Sie sahen auf ihn herab als einen kleinen Hirtenjungen. Nun fasste Eliab die bloße Frage Davids als Kritik an seiner eigenen Feigheit auf, weil er selbst keine Anstalten gemacht hatte, den Riesen der Philister zum Schweigen zu bringen. Zornig rief der ältere Bruder aus: "Was tust du hier überhaupt? ... Was ist mit den paar Schafen, die du in der Steppe hüten solltest? Ich kenne deinen Stolz und deine Verschlagenheit. Du bist nur gekommen, um den Kampf zu sehen!" Respektvoll, aber entschieden entgegnete David: "Was habe ich denn getan? Ich habe doch nur eine Frage gestellt!" (1. Samuel 17,28.29 NLB) WABT 631 1 Die Worte Davids wurden dem König vorgetragen. Dieser befahl den jungen Mann zu sich. Erstaunt hörte Saul auf die Worte des Hirten, als dieser sagte: "Mach dir keine Sorgen mehr ... Ich werde mit diesem Philister kämpfen!" (1. Samuel 17,32 NLB) Saul versuchte, David von seinem Vorhaben abzubringen, aber der junge Mann blieb bei seinem Entschluss. Schlicht und bescheiden erzählte er von seinen Erfahrungen beim Hüten der väterlichen Herden und fügte hinzu: ›Der Herr, der mich aus den Klauen des Löwen und des Bären gerettet hat, wird mich auch vor diesem Philister retten!‹ Schließlich war Saul einverstanden. ›Gut, so geh‹, sagte er. ›Der Herr ist mit dir!‹ (1. Samuel 17,37 NLB) Davids Kampf Gegen Goliat WABT 631 2 40 Tage lang hatte Israels Heer schon vor der hochmütigen Herausforderung durch den Riesen der Philister gezittert. Den Israeliten stockte das Herz, wenn sie diese mächtige Gestalt, "über drei Meter groß", vor sich sahen. "Gerüstet war er mit einem Helm, einem schweren Schuppenpanzer und mit Beinschienen, alles aus Bronze." Der Panzer bestand aus bronzenen Plättchen, die wie Fischschuppen übereinander lagen und so dicht gefügt waren, dass ihn möglichst kein Speer oder Pfeil durchbohren konnte. "Auf der Schulter trug er eine bronzene Lanze. Sein Brustpanzer wog 60 Kilogramm, sein Speer war so dick wie ein kleiner Baum, und allein die Eisenspitze des Speeres war über 7 Kilogramm schwer. Vor ihm her marschierte sein Schildträger mit einem riesigen Schild." (1. Samuel 17,4-7 Hfa). WABT 631 3 Jeden Morgen und jeden Abend hatte sich Goliat vor das Lager der Israeliten gestellt und mit lauter Stimme ausgerufen: "Warum stellt ihr euch zur Schlacht auf? Ich stehe für die Philister und ihr steht für Saul. Wählt einen von euch aus! Er soll zu mir herabkommen und mit mir kämpfen. Wenn er mich besiegt und tötet, werden wir eure Sklaven. Wenn aber ich siege und ihn töte, müsst ihr unsere Sklaven werden und uns dienen." Und frech schloss er: "Habt ihr gehört: Ich fordere das ganze Heer Israels heraus! Schickt mir einen Mann, damit wir miteinander kämpfen!" (1. Samuel 17,8-10 GNB) WABT 632 1 Zwar durfte David mit Sauls Erlaubnis Goliats Herausforderung annehmen, aber der König hatte nur wenig Hoffnung, dass David bei seinem mutigen Unterfangen Erfolg haben würde. Er befahl, dem jungen Mann seine eigene Waffenrüstung anzulegen. Man setzte David den schweren, bronzenen Helm auf den Kopf, legte den Schuppenpanzer über seine Schultern und gürtete das Schwert des Monarchen an seine Seite. Mit dieser Ausrüstung machte sich David auf den Weg. Doch bald kehrte er um. Der erste Gedanke bei den besorgten Zuschauern war: Er wagt es doch nicht, sein Leben im Kampf gegen einen solch ungleichen Gegner aufs Spiel zu setzen. Aber dieser Gedanke lag dem mutigen jungen Mann fern. Er kam nur zurück, weil er Saul bitten wollte, die schwere Rüstung ablegen zu dürfen: "Ich kann darin nicht gehen ... ich bin nicht daran gewöhnt." (1. Samuel 17,39 NLB) Er legte die königliche Waffenrüstung ab und ergriff stattdessen lediglich seinen Stab, seine Hirtentasche und eine einfache Steinschleuder. Aus dem Bach holte er sich fünf glatte Steine, steckte sie in seine Tasche, und mit der Schleuder in der Hand ging er auf den Philister zu. WABT 632 2 In der Erwartung, dem stärksten Krieger Israels gegenüberzutreten, schritt der Riese selbstbewusst voran. Sein Waffenträger ging vor ihm her und er blickte um sich, als ob sich ihm nichts widersetzen könnte. Als er sich David näherte, erblickte er lediglich einen Burschen, den man aufgrund seiner Jugend fast noch einen Knaben nennen konnte. David sah frisch und gesund aus und seine ebenmäßige Gestalt kam ohne eine schützende Rüstung, gut zur Geltung. Doch seine jugendliche Erscheinung stand im krassen Gegensatz zum wuchtigen Körper des Philisters. WABT 632 3 Erstaunt und wütend zugleich rief Goliat aus: "Bin ich ein Hund . dass du mit einem Stock auf mich zukommst?" Dann überschüttete er David mit den schrecklichsten Flüchen bei sämtlichen Göttern, die er kannte. Hohnlachend rief er aus: "Komm herüber, ich werde dein Fleisch den Vögeln und wilden Tieren vorwerfen!" (1. Samuel 17,43.44 NLB) WABT 632 4 David ließ sich vom Helden der Philister nicht einschüchtern. Er lief auf seinen Gegner zu und rief: "Du trittst mir mit Schwert, Speer und Wurfspieß entgegen, ich aber komme im Namen des Herrn, des Allmächtigen - des Gottes des israelitischen Heeres, das du verhöhnt hast. Heute wird der Herr dich besiegen, und ich werde dich töten und dir den Kopf abhauen. Und dann werde ich die Leichen deiner Männer den Vögeln und wilden Tieren vorwerfen, und die ganze Welt wird wissen, dass es einen Gott in Israel gibt! Und jeder wird wissen, dass der Herr keine Waffen braucht, um sein Volk zu retten. Es ist sein Kampf. Der Herr wird euch in unsere Hände geben!" (1. Samuel 17,45-47 NLB) WABT 633 1 In seiner Stimme lag ein Ausdruck von Furchtlosigkeit und sein schönes Gesicht widerspiegelte Triumph und Freude. Die mit klarer und klangvoller Stimme gerufenen Worte wurden vom Wind hinübergetragen, so dass Tausende von versammelten Kriegsleuten sie deutlich vernahmen. Goliats Zorn war entbrannt und steigerte sich ins Unermessliche. In seiner Wut schob er den Helm, der seine Stirn schützte, nach hinten und stürmte vorwärts, um sich an seinem Gegner zu rächen. Isais Sohn war auf seinen Feind gefasst. "Als sich der Philister auf ihn zubewegte, um ihn anzugreifen, lief David ihm rasch entgegen. Er griff in seine Hirtentasche, holte einen Kiesel heraus, schleuderte ihn und traf den Philister an der Stirn. Der Stein bohrte sich in seine Stirn, und er fiel mit dem Gesicht voran auf den Boden." (1. Samuel 17,48.49 NLB) WABT 633 2 In beiden Heerlagern breitete sich Schrecken aus. Alle waren fest davon überzeugt gewesen, dass David umkommen würde. Aber kaum war der Stein durch die Luft geradewegs seinem Ziel entgegen geflogen, sahen sie den mächtigen Krieger taumeln und seine Hände ausstrecken, als wäre er plötzlich mit Blindheit geschlagen worden. Der Riese wankte, taumelte und stürzte wie eine gefällte Eiche zu Boden. David zögerte keinen Augenblick. Er sprang auf den im Staub liegenden Philister zu und packte dessen schweres Schwert mit beiden Händen. Kurz zuvor hatte der Riese noch geprahlt, er werde damit dem jungen Mann den Kopf von seinen Schultern schlagen und seinen Leichnam den Vögeln unter dem Himmel zum Fraß geben. Nun schwang David das Schwert durch die Luft, und im nächsten Augenblick rollte der Kopf des Prahlers in den Staub. Im Lager Israels erhob sich Jubelgeschrei. WABT 633 3 Großes Entsetzen packte die Philister und führte zu einer kopflosen, überstürzten Flucht. Das Triumphgeschrei der Israeliten hallte von den Gipfeln der Berge wider, als sie ihre fliehenden Feinde verfolgten. Und sie "verfolgten sie bis nach Gat und vor die Tore von Ekron. Auf dem ganzen Weg von Schaarajim bis nach Gat und Ekron lagen die Leichen der toten Philister. Dann kehrten die Israeliten um und plünderten das Lager der Philister. David brachte den Kopf des Philisters nach Jerusalem, aber die Waffen des Philisters bewahrte er in seinem Zelt auf." (1. Samuel 17, 52-54 NLB) ------------------------Kapitel 64 - Saul Will David Töten WABT 634 0 1. Samuel 18,1 bis 22,19. WABT 634 1 Nachdem David Goliat erschlagen hatte, wollte ihn Saul nicht in sein Vaterhaus zurückgehen lassen. Er behielt ihn bei sich. "Nach seinem Gespräch mit Saul fühlte sich Jonatan mit David tief verbunden, und er liebte ihn wie sein eigenes Leben." Jonatan und David schlossen einen Bund, der sie als Brüder verband, und der Königssohn schenkte "ihm sein Gewand, seine Rüstung, sein Schwert, seinen Bogen und seinen Gürtel." (1. Samuel 18,1-4 NLB) David wurde mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut, doch er blieb bescheiden und erwarb sich die Zuneigung des Volkes wie auch des königlichen Hofes. WABT 634 2 "David zog für Saul in den Kampf und war erfolgreich in allem, was Saul ihm auftrug. Schließlich machte Saul ihn zum Heerführer." (1. Samuel 18,5 NLB) David war umsichtig und zuverlässig. Ganz offensichtlich war Gottes Segen mit ihm. Zeitweise erkannte Saul seine eigene Untauglichkeit, Israel zu regieren. Er spürte, dass sein Königtum sicherer wäre, wenn er jemanden um sich hätte, der Unterweisungen vom Herrn empfing. Auch erwartete Saul, dass ihm die Verbindung zu David mehr eigene Sicherheit bringen würde. Weil David in Gottes Gunst und unter seinem Schutz stand, würde Saul dank Davids Gegewart auf den gemeinsamen Kriegszügen bewahrt bleiben. WABT 634 3 Gottes Vorsehung hatte David und Saul zusammengeführt. Davids Stellung am Hof würde ihm Kenntnisse über die Staatsgeschäfte vermitteln und ihn so für sein künftiges hohes Amt vorbereiten. Diese würden es ihm ermöglichen, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen. Die Unsicherheit und Bedrängnis, die er durch Sauls Feindschaft erlebte, würde ihm seine Abhängigkeit von Gott bewusst machen und ihn dazu bringen, sein ganzes Vertrauen auf ihn zu setzen. Und auch die Freundschaft Jonathans mit David war eine Fügung Gottes, um das Leben des künftigen Herrschers von Israel zu bewahren. In all diesen Dingen verwirklichte Gott seine gnädigen Absichten mit David und dem Volk Israel. Sauls Neid Und Eifersucht Auf David WABT 635 1 Saul blieb nicht lange freundlich zu David. "Als das Heer nach dem Sieg Davids über den Philister nach Hause zurückkehrte, kamen die Frauen aus allen Städten König Saul entgegen. Sie sangen und tanzten vor Freude und spielten auf Tamburinen und Zimbeln. Sie sangen: ›Saul hat Tausende getötet, aber David Zehntausende!‹" (1. Samuel 18,6.7 NLB) Da ergriff eine dämonische Eifersucht das Herz des Königs. Er war wütend, weil David im Lied der israelitischen Frauen höher gepriesen wurde als er selbst. Statt diese Neidgefühle zu zügeln, offenbarte er seine ganze Charakterschwäche in den Worten: "Sie sagen, David habe Zehntausende getötet, und ich nur Tausende. Als Nächstes werden sie ihn zu ihrem König machen!" (1. Samuel 18,8 NLB) WABT 635 2 Ein schwerwiegender Charakterfehler von Saul war sein starkes Verlangen nach Beifall. Dieser Wesenszug hatte sein ganzes Denken und Handeln bestimmt. Alles wurde von seinem Verlangen nach Lob und Selbsterhöhung bestimmt. Seinen Maßstab für Recht und Unrecht legte er am tiefen Niveau der Volksgunst fest. Wer nur dafür lebt, Menschen zu gefallen und nicht zuerst Gottes Zustimmung sucht, steht nicht auf sicherem Grund. Saul wollte im Urteil der Menschen unbedingt der Erste sein. Als dieses Loblied erklang, setzte sich beim König die Überzeugung fest, dass sich die Herzen des Volkes nun David zuneigen würden und dass dieser an seiner Stelle regieren würde. WABT 635 3 Indem Saul der Eifersucht Raum gab, wurde seine Seele vergiftet. Obwohl ihm der Prophet Samuel erklärt hatte, dass Gott ausführt, was immer er will, und niemand ihn daran hindern kann, offenbarte der König, dass er keine rechte Vorstellung von den Absichten und der Macht Gottes besaß. Der Herrscher Israels widersetzte sich dem Willen des Ewigen. Während seiner ganzen Regierungszeit hatte Saul nicht gelernt, sich selbst zu beherrschen. Er erlaubte seinen Gefühlen über seinen Verstand zu herrschen, bis er von seinen Wutausbrüchen übermannt wurde. Vom Wahnsinn getrieben war er bereit, jeden zu töten, der es wagte, ihm zu widersprechen. Nach diesen Wutanfällen befielen ihn Gefühle der Niedergeschlagenheit und der Selbstverachtung und er wurde von heftigen Gewissensbissen überwältigt. Sauls Erste Versuche, David Umzubringen WABT 635 4 Saul liebte es, David beim Harfenspiel zuzuhören und dann schien es, als ob der Böse Geist vorübergehend verscheucht würde. Aber während ihm der junge Mann eines Tages liebliche Melodien auf seinem Instrument vorspielte und dazu seine Stimme zum Lob Gottes erhob, schleuderte Saul plötzlich seinen Speer nach dem Sänger, um ihn zu töten. David aber blieb durch Gottes Eingreifen bewahrt und entkam unverletzt der Wut des wahnsinnigen Königs. WABT 636 1 Je mehr Sauls Hass auf David wuchs, desto eifriger suchte er nach einer Gelegenheit, ihn umzubringen. Aber keiner seiner Pläne gegen den Gesalbten des Herrn war erfolgreich. Saul überließ sich ganz und gar dem Einfluss des bösen Geistes, der ihn beherrschte. David dagegen vertraute dem, der ein mächtiger Ratgeber und starker Retter ist. "Die Ehrfurcht vor dem Herrn ist der Anfang der Weisheit." (Sprüche 9,10 NLB) David betete beständig darum, vor Gott ein untadeliges Leben führen zu können. WABT 636 2 Um von der Gegenwart seines Rivalen befreit zu werden, "verbannte Saul David aus seiner Nähe und gab ihm den Oberbefehl über tausend Mann ... Doch ganz Israel und Juda liebte David." (1. Samuel 18,13.16 NLB) Das Volk erkannte sehr bald, dass David ein tüchtiger Mann war und die Aufgaben, die ihm übertragen wurden, weise und geschickt erledigte. Die Ratschläge des jungen Mannes waren verständig und wohlüberlegt. Man war auf der sicheren Seite, wenn man sie beherzigte. Sauls Urteilsvermögen dagegen war manchmal unzuverlässig. Seine Entscheidungen waren nicht klug. WABT 636 3 Obwohl Saul immer auf eine Gelegenheit wartete, David zu vernichten, fürchtete er ihn, weil der Herr ganz offensichtlich mit ihm war. Davids untadeliger Charakter erregte den Zorn des Königs. Das Leben und die Anwesenheit Davids empfand Saul als Vorwurf, da ein Vergleich mit seinem eigenen Charakter zu seinem Nachteil ausfiel. Es war Neid, der Saul so unglücklich machte und den bescheidenen Diener seines Throns in Gefahr brachte. Wie viel unsägliches Unheil hat doch dieser Charakterzug in unserer Welt schon angerichtet! Im Herzen Sauls war dieselbe Feindseligkeit vorhanden, die schon Kain gegen seinen Bruder Abel aufgebracht hatte. Gott ehrte Abel, weil seine Werke gerecht waren, Kains Werke hingegen waren böse und deshalb konnte ihn der Herr nicht segnen. Neid ist ein Kind des Stolzes. Wenn er im Herzen genährt wird, führt er zu Hass und schließlich zu Rachsucht und Mord. Als Satan Sauls Wut gegen jemanden entfachte, der ihm nichts zuleide getan hatte, offenbarte er seinen eigenen Charakter. WABT 636 4 Der König beobachtete David ganz genau. Er hoffte, ihn bei einem Fehltritt oder einer Unbesonnenheit zu ertappen, was ihm als Vorwand gedient hätte, Schande über David zu bringen. Er glaubte nicht eher ruhen zu können, bis er dem jungen Mann das Leben genommen hätte und ihn seine Böse Tat vor dem Volk sogar noch rechtfertigen würde. Er stellte David eine Falle und drängte ihn, den Krieg gegen die Philister noch energischer zu führen. Als Belohnung für seinen Wagemut versprach er ihm die Hand seiner ältesten Tochter. Auf diesen Vorschlag antwortete David bescheiden: "Wer bin ich, und welche Stellung hat meine Familie in Israel, dass gerade ich der Schwiegersohn des Königs werden sollte?" (1. Samuel 18,18 NLB) Als der Monarch aber bald darauf die Prinzessin einem anderen zur Frau gab, zeigte sich seine Unaufrichtigkeit. WABT 637 1 Als Michal, die jüngste Tochter von Saul, gegenüber David Zuneigung zeigte, ergab sich für den König eine weitere Gelegenheit, gegen seinen Feind Ränke zu schmieden. Er bot ihm Michals Hand an, vorausgesetzt, er werde als Brautpreis den Beweis für die Niederlage und den Tod von 100 Feinden der Nation erbringen. "In Wirklichkeit hoffte er, dass David in der Schlacht gegen die Philister fallen würde." (1. Samuel 18,25 NLB) Doch Gott beschützte seinen Diener. David kehrte als Sieger aus der Schlacht zurück, brachte den Beweis von 200 erschlagenen Philistern und wurde des Königs Schwiegersohn. "Michal, Sauls Tochter, hatte David lieb." (1. Samuel 18,20) Das machte den Monarchen wütend, weil er feststellen musste, dass sein Komplott denjenigen noch erhöhte, den er eigentlich vernichten wollte. Mehr denn je war er davon überzeugt, dass dies der Mann wurde, von dem der Herr gesagt hatte, er sei besser als er, und der an seiner Stelle auf Israels Thron regieren sollte. Nun ließ er seine Maske fallen und erteilte Jonathan und den Palastoffizieren den Befehl, David, den er so sehr hasste, zu töten. Jonatan Und Michal Setzen Sich Für David Ein WABT 637 2 Doch Jonatan informierte David über die Absicht des Königs und bat ihn, sich zu verbergen, während er sich bei seinem Vater dafür einsetzen wolle, das Leben des Befreiers Israels zu schonen. Er zählte dem König gegenüber alles auf, was David unternommen hatte, um die Ehre und sogar das Leben des Volkes zu erhalten, und welch eine schreckliche Schuld der Mörder dessen auf sich lüde, den Gott dazu benutzt hatte, die Feinde zu zerstreuen. Das berührte das Gewissen des Königs, und er beruhigte sich. "Saul hörte auf Jonatan und schwor: ›So wahr der Herr lebt, David soll nicht getötet werden.‹" (1. Samuel 19,6 NLB) David wurde zu Saul zurückgebracht und diente ihm wie zuvor. WABT 637 3 Wieder brach Krieg aus zwischen den Israeliten und den Philistern. David befehligte das Heer gegen Israels Feinde. Die Israeliten errangen einen großen Sieg, und das Volk rühmte Davids Weisheit und Heldenmut. Dies erregte Sauls frühere Bitterkeit gegen ihn. Als der junge Mann wieder einmal vor ihm auf der Harfe spielte und den Palast mit wohlklingenden Melodien erfüllte, wurde der König einmal mehr von seiner Wut übermannt. Er schleuderte einen Speer auf David, um ihn an die Wand zu spießen. Aber der Engel des Herrn lenkte die tödliche Waffe ab. David entkam und floh in sein Haus. Saul entsandte Späher, die ihn ergreifen und töten sollten, wenn er am Morgen herauskäme. WABT 638 1 Michal informierte David von der Absicht ihres Vaters. Sie drängte ihn zur Flucht, um sein Leben zu retten, und ließ ihn aus dem Fenster hinab, sodass er entkommen konnte. Er floh zu Samuel nach Rama. Der Prophet fürchtete sich nicht vor dem Missfallen des Königs und nahm David freundlich auf. Was für eine friedliche Stätte war Samuels Zuhause im Gegensatz zum königlichen Palast! Hier, inmitten der Berge, setzte der verehrte Diener Gottes seine Tätigkeit fort. Bei ihm lebte eine Gruppe von Propheten, die gründlich nach dem Willen Gottes forschte. Andächtig hörten sie den Unterweisungen Samuels zu. David konnte in diesen wertvollen Stunden vom Lehrer Israels viel lernen. Gott Vereitelt Sauls Mordpläne WABT 638 2 David ging davon aus, dass Saul seinen Truppen niemals befehlen würde, an diesen heiligen Ort vorzudringen. Doch dem umnachteten Geist dieses verzweifelten Königs schien kein Ort mehr heilig zu sein. Davids Verbindung zu Samuel erregte die Eifersucht des Königs. Damit der in ganz Israel als Prophet Gottes verehrte Mann seinen Einfluss nicht für das Emporkommen seines Rivalen einsetzen konnte, schickte der König Offiziere dorthin, um David nach Gibea zu holen, wo Saul seinen mörderischen Plan auszuführen gedachte. WABT 638 3 Die Abgesandten begaben sich auf den Weg in der Absicht, David umzubringen, aber ein Größerer als Saul hinderte sie daran. Unsichtbare Engel begegneten ihnen wie einst Bileam, als dieser Israel verfluchen wollte. "Als sie ankamen und sahen, wie unter der Leitung Samuels die anderen Propheten weissagten, kam der Geist Gottes über Sauls Männer, und auch sie begannen prophetisch zu reden." (1. Samuel 19,20 NLB) Sie weissagten, was in der Zukunft geschehen werde, und verkündeten die Herrlichkeit und die Majestät Jahwes. So überwand Gott den menschlichen Zorn und offenbarte seine Macht, dem Bösen Einhalt zu gebieten, indem er seinen Diener mit einer Wache von Engeln umgab. WABT 638 4 Diese Nachrichten erreichten Saul, während er ungeduldig darauf wartete, David in seine Gewalt zu bekommen. Aber anstatt darin Gottes Zurechtweisung zu sehen, wurde er noch gereizter und schickte andere Boten aus. Doch auch sie wurden vom Geist Gottes überwältigt und weissagten gemeinsam mit den ersten. Da sandte der König eine dritte Gesandtschaft aus. Als sie jedoch die Prophetenschar erreichten, wurden auch sie vom Wirken Gottes erfasst und begannen zu weissagen. Nun beschloss Saul, sich selbst auf den Weg zu machen, denn er konnte seinen ungestümen Hass nicht mehr bändigen. Der König wollte auf keine weitere Gelegenheit warten, um David zu töten, sondern ihn, sobald er seiner habhaft würde, mit eigener Hand umbringen, koste es was es wolle. WABT 639 1 Doch ein Engel Gottes begegnete Saul auf dem Weg und lenkte ihn. Der Geist Gottes hielt ihn in seiner Macht, sodass Saul im Weitergehen betete, weissagte und geistliche Lieder sang. Er prophezeite das Kommen des Messias, des Erlösers der Welt. Beim Haus des Propheten in Rama angekommen, legte er das Obergewand - das Zeichen seiner Würde - ab und lag unter dem Einfluss des göttlichen Geistes den ganzen Tag und die ganze Nacht vor Samuel und dessen Schülern. Die Leute liefen zusammen, um das seltsame Schauspiel zu sehen, und erzählten weit herum, was mit dem König geschehen war. So kam gegen Ende seiner Herrschaft noch einmal das Sprichwort in Israel auf: "Gehört Saul auch zu den Propheten?" (1. Samuel 19,24c NLB) David Sucht Hilfe Bei Jonatan WABT 639 2 Erneut wurde die Absicht des Verfolgers vereitelt. Saul sicherte David zu, Frieden mit ihm zu halten, aber David hatte wenig Vertrauen in die Reue des Königs. Er benutzte die Gelegenheit zur Flucht, ehe sich Sauls Laune, so wie zuvor, wieder änderte. Sein Herz war schwer und er sehnte sich nach einem Wiedersehen mit seinem Freund Jonatan. Im Bewusstsein seiner Unschuld suchte er den Sohn des Königs auf und klagte tief bewegt: "Was hab ich getan? Was ist meine Schuld? Was hab ich gesündigt vor deinem Vater, dass er mir nach dem Leben trachtet?" (1. Samuel 20,1) Jonathan glaubte, sein Vater hätte seine Absicht geändert und würde David nicht mehr nach dem Leben trachten. Darum sagte er zu ihm: "Das ist nicht wahr ... Du wirst nicht sterben. Er erzählt mir immer alles, was er vorhat, Wichtiges und Unwichtiges. Ich weiß, dass er mir so etwas nicht verschweigen würde. Es ist einfach nicht wahr!" (1. Samuel 20,2 NLB) Nachdem Gott seine Macht so ausergewöhn- lich offenbart hatte, konnte Jonathan nicht glauben, dass sein Vater David noch immer Leid zufügen wollte, denn dies wäre offene Rebellion gegen Gott gewesen. Aber David ließ sich nicht überzeugen. Mit eindringlichem Ernst erklärte er Jonatan: "So wahr der Herr lebt und so wahr du lebst: Es ist nur ein Schritt zwischen mir und dem Tod!" (1. Samuel 20,3) WABT 639 3 Zur Zeit des Neumondes wurde in Israel stets ein heiliges Fest gefeiert. Diesmal fiel das Fest auf den Tag nach dem Gespräch zwischen David und Jonathan, die beide an der Tafel des Königs erwartet wurden. Aber weil sich David davor fürchtete, vereinbarten die beiden, dass David seine Brüder in Bethlehem besuchen werde. Nach seiner Rückkehr sollte er sich auf einem Feld nicht weit von der Festhalle verborgen halten, und der Gegenwart des Königs drei Tage fernbleiben. In diesen Tagen würde Jonathan Sauls Reaktion genau beobachten. Sollte der König fragen, wo sich Isais Sohn aufhielte, würde Jonatan sagen, er sei zu seinem Vater gegangen, um dort dem Opferfest beizuwohnen. Wenn der König keinerlei Ärger zeigte und sagte: "Es ist recht" (1. Samuel 20,7), würde David beruhigt an den Hof zurückkehren können. Sollte er aber über dessen Abwesenheit in Zorn geraten, würde dies Davids Flucht bedeuten. WABT 640 1 Am ersten Festtag stellte der König keine Frage zu Davids Abwesenheit. Aber als dessen Platz auch am zweiten Tag leer blieb, fragte er: "Warum ist der Sohn Isais nicht zu Tisch gekommen, weder gestern noch heute?" Jonatan antwortete: "David hat mich gebeten, ihn nach Bethlehem gehen zu lassen. Er sagte: ›Lass mich doch gehen, denn wir feiern das Opferfest unserer Familie in der Stadt, und mein Bruder verlangt, dass ich kommen soll. Wenn du mir Gutes tun willst, dann lass mich gehen, damit ich meine Brüder sehen kann.‹ Deshalb ist er nicht an der Tafel des Königs erschienen." (1. Samuel 20,28.29 NLB) Als Saul das hörte, geriet er in unbändigen Zorn und behauptete, solange David lebe, könne Jonatan den Thron Israels nicht besteigen. Er befahl, David sofort holen zu lassen, um ihn zu töten. Erneut trat Jonatan bittend für seinen Freund ein: "Warum soll er getötet werden? Was hat er denn getan?" (1. Samuel 20,32 GNB) Doch dieser Einspruch steigerte Sauls teuflische Wut nur noch. Er schleuderte den für David vorgesehenen Speer nun gegen seinen eigenen Sohn. WABT 640 2 Tief bekümmert und aufgewühlt verließ der Prinz die königliche Tafel und nahm nicht länger am Fest teil. Seine Seele war von Kummer erfüllt, als er sich zur verabredeten Zeit an dem Ort einfand, wo David die Absichten des Königs erfahren sollte. Sie fielen einander um den Hals und weinten bitterlich. Die finstere Leidenschaft des Königs überschattete das Leben der beiden jungen Männer. Sie fanden kaum Worte in ihrem tief empfundenen Schmerz. Die letzten Worte, die David von Jonatan hörte, ehe sich ihre Wege trennten, waren: "Geh in Frieden, denn wir haben einen Bund im Namen des Herrn geschlossen. Dafür wird der Herr zwischen uns und unseren Kindern für immer Zeuge sein." (1. Samuel 20,42 NLB) David Sucht Zuflucht Im Heiligtum WABT 640 3 Der Königssohn kehrte nach Gibea zurück, David aber eilte nach Nob, einer Stadt, die auch zum Stamm Benjamin gehörte und nur wenige Kilometer von Gibea entfernt lag. Man hatte die Stiftshütte von Silo dorthin gebracht, und das Amt des Hohenpriesters hatte Ahimelech inne. David wusste nicht, wo er sonst Zuflucht finden könnte, als beim Diener Gottes. Als David hastig und allem Anschein nach ganz alleine daherkam - das Gesicht von Angst und Kummer gezeichnet - blickte ihn der Hohepriester verwundert an. Er fragte, was ihn hergeführt habe. Der junge Mann lebte in ständiger Angst, entdeckt zu werden. In seiner äußersten Not nahm er Zuflucht zu einer Lüge. Er erzählte dem Priester, er komme in geheimen Auftrag des Königs, der höchste Eile erfordere. Hier zeigte David einen Mangel an Glauben. Seine Sünde führte später zum Tod des Hohenpriesters. Hätte David die Dinge wahrheitsgemäß berichtet, hätte Ahimelech gewusst, was er zu seiner Rettung hätte tun können. Gott fordert, dass sich seine Kinder auch in größter Gefahr durch Wahrhaftigkeit auszeichnen. David bat den Priester um fünf Laibe Brot. Obwohl dem Mann Gottes in diesem Moment nur heiliges Brot zur Verfügung stand, gelang es David, Ahimelechs Bedenken zu zerstreuen. Er erhielt das Brot, um seinen Hunger zu stillen. WABT 641 1 Doch nun drohte neue Gefahr. Doeg, der Oberste über Sauls Hirten, ein Edomiter, der sich zum Glauben Israels bekannte, löste gerade an dieser Anbetungsstätte sein Gelübde ein. Als David diesen Mann sah, suchte er eiligst nach einem andere Zufluchtsort und nach einer Waffe, um sich, falls nötig, damit verteidigen zu können. Er bat Ahimelech um ein Schwert. Dieser antwortete ihm, er habe nur Goliats Schwert, das in der Stiftshütte als Andenken aufbewahrt werde. "Ein besseres Schwert gibt es nicht", entgegnete David, "gib es mir." (1. Samuel 21,10 NLB). Als er das Schwert ergriff, mit dem er einst den Helden der Philister erschlagen hatte, fasste er wieder neuen Mut. Davids Wankendes Vertrauen Zu Gott WABT 641 2 David floh zu Achisch, dem König von Gat, weil er meinte, unter Israels Feinden sicherer zu sein als im Herrschaftsbereich Sauls. Aber man berichtete Achisch, dass David jener Mann sei, der vor Jahren den großen Helden der Philister erschlagen habe. Und nun fand er sich bei den Gegnern Israels, wo er eigentlich Zuflucht gesucht hatte, selbst in großer Gefahr. Da täuschte er seine Feinde, indem er sich wahnsinnig stellte und konnte ihnen schließlich so entrinnen. WABT 641 3 Davids erster Fehler war sein mangelndes Gottvertrauen in Nob und sein zweiter die Täuschung vor Achisch. Bis dahin hatte er edle Charakterzüge gezeigt und mit seinem einwandfreien moralischen Verhalten die Gunst des Volkes gewonnen. Aber in dieser Bewährungsprobe geriet sein Glaube ins Wanken. Menschliche Schwächen kamen zum Vorschein. In jedem Mann sah er einen Spion und Verräter. Voller Vertrauen hatte David in größter Not auf Gott geschaut und den Riesen der Philister besiegt. Im Glauben war er in Gottes Namen vorangegangen. Doch als Gehetzter und Verfolgter verlor er vor lauter Not und Gefahr seinen himmlischen Vater aus den Augen. WABT 642 1 Doch diese Erfahrung war für ihn sehr lehrreich. Sie führte ihn dazu, seine eigene Schwäche und die Notwendigkeit einer beständigen Abhängigkeit von Gott zu erkennen. Wie wertvoll ist doch das wohltuende Wirken des Heiligen Geistes im Leben von bedrückten und verzweifelten Menschen. Er ermutigt die Verzagten, stärkt die Schwachen, erfüllt die angefochtenen Diener Gottes mit Mut und steht ihnen bei. Was haben wir doch für einen Gott, der mit den Irrenden gnädig umgeht und uns im Unglück oder in Zeiten großer Sorge seine Geduld und sein Mitgefühl zeigt. WABT 642 2 Jedes Versagen der Kinder Gottes ist auf ihren Mangel an Glauben zurückzuführen. Wenn Schatten die Seele verdunkeln und wir uns nach Licht und Führung sehnen, müssen wir nach oben schauen, denn jenseits der Finsternis ist Licht. David hätte nicht einen Augenblick lang Gott misstrauen sollen. Er hatte allen Grund, ihm zu vertrauen: Er war der Gesalbte des Herrn, und in jeder Gefahr hatten ihn Gottes Engel beschützt. Ihm wurde Mut verliehen, um Großartiges zu vollbringen. Wenn er nun in der schwierigen Situation, in die er geraten war, seine Gedanken auf Gottes Allmacht und Majestät gerichtet hätte, würde er selbst im Schatten des Todes inneren Frieden gefunden haben. Voller Zuversicht hätte er Gottes Verheißung an sich erfahren können: "Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Gnade wird nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, spricht der Herr, dein Erbarmer." (Jesaja 54,10 Elb.) Zuflucht In Der Höhle Bei Adullam WABT 642 3 David suchte in den Bergen Judas Schutz vor Sauls Nachstellungen. Es gelang ihm, in die Höhle bei Adullam zu fliehen, die mit einer kleinen Streitmacht gegen ein großes Heer verteidigt werden konnte. "Als seine Brüder und alle, die zum Haus seines Vaters gehörten, davon erfuhren, schlossen sie sich ihm schon bald an." (1. Samuel 22,1 NLB) Davids Familie fühlte sich nicht sicher, da sie wusste, dass sich Sauls unvernünftige Verdächtigungen wegen ihrer Verwandtschaft mit David auch gegen sie richten konnten. Sie hatte nun erfahren, was allmählich in ganz Israel bekannt geworden war, dass Gott David zum künftigen Herrscher seines Volkes auserwählt hatte. Obwohl er zurzeit nur als Flüchtling in einer abgelegenen Höhle lebte, fühlte sie sich bei ihm vor der irrsinnigen Wut des eifersüchtigen Königs sicherer als irgendwo anders. WABT 643 1 In der Höhle von Adullam war die ganze Familie in Liebe und Eintracht beisammen. Isais Sohn konnte musizieren und zum Harfenspiel singen: "Siehe, wie fein und lieblich ist's, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!" (Psalm 133,1) Das Misstrauen seiner eigenen Brüder war für ihn eine bittere Erfahrung. Doch die Zwietracht wich dem Frieden, was das Herz des Vertriebenen erfreute. Hier dichtete David den 57. Psalm. WABT 643 2 Wenig später stießen noch weitere Männer, die den Forderungen des Königs entgehen wollten, zu Davids Schar. Viele hatten längst das Vertrauen in den Herrscher Israels verloren, weil sie sahen, dass er nicht mehr unter der Leitung des Geistes Gottes stand. "Und noch weitere kamen: Männer, die in Not waren, sich verschuldet hatten oder verbittert waren. Schließlich war David der Anführer von etwa 400 Mann." (1. Samuel 22,2 NLB) David hatte hier ein eigenes kleines Reich, in dem Ordnung und Disziplin herrschten. Aber selbst in diesem Schlupfwinkel der Berge konnte er sich nicht sicher fühlen. Ständig erhielt er Hinweise darauf, dass der König seine mörderischen Absichten noch nicht aufgegeben hatte. WABT 643 3 Für seine Eltern fand er eine Zufluchtsstätte beim König von Moab. Er selbst aber floh in die Wälder von Jaar-Heret, denn ein Prophet des Herrn hatte ihn gewarnt. Die Erfahrungen, die David machen musste, waren für ihn keineswegs unnötig oder wertlos. Gott nahm ihn in die Schule der Selbstdisziplin, damit er sowohl ein tüchtiger Heerführer als auch ein gerechter, gütiger König werden konnte. Samt seiner Flüchtlingsschar wurde er darauf vorbereitet, Sauls Aufgabe zu übernehmen, der aufgrund seines mörderischen Zorns und seiner blinden Unvernunft völlig unfähig geworden war, diese auszuführen. WABT 643 4 Niemand kann Gottes Rat abweisen und dann immer noch jene Ruhe und Weisheit bewahren, die ihn zu gerechtem und umsichtigem Handeln befähigt. Keine Form der Unvernunft hat hoffnungslosere und schrecklichere Folgen als jene, die nur menschlicher Weisheit folgt und sich nicht von Gottes Weisheit leiten lässt. WABT 643 5 Saul hatte Vorbereitungen getroffen, um David in der Höhle Adullam einzuschließen und ihn gefangen zu nehmen. Als entdeckt wurde, dass David diesen Zufluchtsort verlassen hatte, wurde der König sehr wütend. Davids Flucht war ihm ein Rätsel. Er konnte sich das nur so erklären, dass es in seinem Lager Verräter gab, die den Sohn Isais über seinen Aufenthaltsort und sein Vorhaben informiert hatten. Sauls Rache An Ahimelech Und Der Priesterstadt Nob WABT 644 1 Seinen Ratgebern gegenüber versicherte er, es sei eine Verschwörung gegen ihn im Gange. Durch das Angebot reicher Geschenke und Ehrenstellungen bestach er sie, ihm zu verraten, wer von seinen Leuten mit David befreundet sei. Doeg, der Edomiter, wurde zum Zuträger. Getrieben von Ehrgeiz und Habgier und voller Hass gegen den Hohenpriester, der seine Sünden gerügt hatte, berichtete er von Davids Besuch bei Ahimelech und stellte die Sache in einem solchen Licht dar, dass sich der Zorn Sauls gegen den Mann Gottes richtete. Die Worte dieser bösen Zunge - "von der Hölle entzündet" (Jakobus 3,6c) - stachelten im König die schlimmsten Leidenschaften an. Wutentbrannt entschied Saul, die ganze Familie des Priesters müsse sterben. Und der schreckliche Befehl wurde ausgeführt. Nicht nur Ahimelech, sondern auch alle Mitglieder der Familie seines Vaters - "85 Priester, die alle noch ihren leinenen Priesterschurz trugen" (1. Samuel 22,18 NLB) - kamen auf Sauls Anweisung durch Doegs Mörderhand ums Leben. WABT 644 2 "Dann zog er nach Nob, in die Stadt der Priester, und tötete alles Lebende - Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder, Esel und Schafe." (1. Samuel 22,19 NLB) Zu all dem wurde Saul unter der Herrschaft Satans fähig. Als ihm Gott befohlen hatte, die Amalekiter zu vernichten, weil das Maß ihrer Schuld voll geworden war (vgl. 1. Mose 15,16), hielt er sich selbst für zu barmherzig, um das göttliche Urteil zu vollstrecken und verschonte das, was dem Untergang geweiht war. Doch nun konnte er ohne einen Befehl Gottes unter der Leitung Satans die Priester des Herrn töten und Verderben über die Bewohner von Nob bringen. Derart verdorben wird das menschliche Herz, wenn es die Führung Gottes zurückweist. WABT 644 3 Diese Untat erregte in ganz Israel Entsetzen. Der von ihnen selbst erwählte König hatte dieses Verbrechen begangen! Er hatte damit nicht anders gehandelt als die Herrscher anderer Völker, die Gott nicht ehrten. Die Bundeslade war zwar in ihrer Mitte, aber ihre Priester, die sie nach dem Willen Gottes befragen konnten, waren mit dem Schwert erschlagen. Was würde als Nächstes kommen? ------------------------Kapitel 65 - Davids Grossmut Gegenüber Saul WABT 645 0 1. Samuel 22,20 bis 28,2. WABT 645 1 Dem entsetzlichen Blutbad Sauls in Nob unter den Priestern des Herrn "entkam ein Sohn Ahimelechs, des Sohnes Ahitubs, mit Namen Abja- tar, und floh zu David. Abjatar berichtete David, dass Saul die Priester des Herrn umgebracht habe. Da sagte David zu Abjatar: Ich wusste schon an jenem Tag, weil der Edomiter Doeg dort war, dass er es Saul sicher berichten würde. Ich bin schuldig am Tod aller aus dem Haus deines Vaters. Bleibe bei mir, fürchte dich nicht! Denn wer nach meinem Leben trachtet, trachtet auch nach deinem. Bei mir bist du in Sicherheit" (1. Samuel 22,20-23 Elb.). WABT 645 2 Noch immer vom König gejagt, fand David nirgends Ruhe oder Sicherheit. Als sie nach Keila kamen, bewahrte seine mutige Schar die Stadt vor der Eroberung durch die Philister, doch nicht einmal unter diesen Menschen, für deren Befreiung sie sich eingesetzt hatten, waren sie sicher. Deshalb zogen sie sich aus Keila in die Wüste Sif zurück. Jonatans Unerwarteter Besuch WABT 645 3 Da es zu jener Zeit wenig Erfreuliches in Davids Leben gab, freute er sich umso mehr über einen unerwarteten Besuch von Jonathan, der seinen Zufluchtsort erfahren hatte. Kostbar war den beiden Freunden die kurze Zeit, die sie miteinander verbringen konnten. Sie berichteten einander von ihren vielfältigen Erlebnissen, und Jonatan forderte David auf: "Hab keine Angst! Mein Vater wird dich nicht in seine Gewalt bringen. Du wirst König über Israel werden, und ich werde der zweite Mann nach dir sein. Das weiß auch mein Vater ganz genau." Während sie sich über die wunderbare Führung Gottes im Leben von David unterhielten, gewann der verfolgte Flüchtling neue Zuversicht. "Die beiden schlossen einen Freundschaftsbund und riefen den Herrn als Zeugen dafür an. Dann kehrte Jonatan nach Hause zurück, während David in Horescha blieb." (1. Samuel 23,17.18 GNB) WABT 646 1 Nach Jonatans Besuch sang David Loblieder und spielte dazu auf seiner Harfe, was ihm neuen Mut gab: WABT 646 2 "Ich traue auf den Herrn. Wie sagt ihr denn zu mir: WABT 646 3 Flieh wie ein Vogel auf die Berge! Denn siehe, die Gottlosen spannen den Bogen und legen ihre Pfeile auf die Sehnen, damit heimlich zu schießen auf die Frommen. Ja, sie reißen die Grundfesten um; was kann da der Gerechte ausrichten? Der Herr ist in seinem heiligen Tempel, des Herrn Thron ist im Himmel. Seine Augen sehen herab, seine Blicke prüfen die Menschenkinder. Der Herr prüft den Gerechten und den Gottlosen; wer Unrecht liebt, den hasst seine Seele." (Psalm 11,1-5) WABT 646 4 Einige Bewohner der Einöde von Sif, in deren unwirtliches Gebiet David von Keila aus gezogen war, gingen zu Saul in Gibea und berichteten ihm, dass sie wüssten, wo sich David verborgen halte. Sie seien bereit, den König zu seinem Versteck zu führen. Aber David, der vor ihrer Absicht gewarnt worden war, verließ seinen Aufenthaltsort und suchte Zuflucht in den Bergen zwischen Maon und dem Toten Meer. David Verschont Saul In Einer Höhle WABT 646 5 Wieder wurde Saul gemeldet: "›David ist jetzt in der Wüste En-Gedi.‹ Saul wählte 3000 der besten Krieger Israels aus und machte sich in der Nähe der Steinbockfelsen auf die Suche nach David und seinen Männern." (1. Samuel 24,2.3 NLB) David hatte nur 600 Mann bei sich, während Saul mit einem Heer von 3000 Kämpfern gegen ihn anrückte. In einer abgelegenen Höhle warteten David und seine Männer auf Gottes Weisung, was nun geschehen sollte. Als Saul den Bergpfad hinauf eilte, musste er kurz austreten. Dazu ging er ausgerechnet in jene Höhle, in der sich David mit seiner Schar versteckt hielt. Als Davids Leute das sahen, drängten sie ihren Anführer, Saul zu töten. Dass der König in ihrer Gewalt war, deuteten sie als klaren Beweis dafür, dass Gott selbst ihnen den Feind in die Hände gegeben hatte, um ihn umzubringen. David stand in der Versuchung, ihre Sicht der Dinge zu übernehmen, doch die Stimme seines Gewissens meldete sich und er sprach: "Der Herr bewahre mich davor, dass ich dem Gesalbten des Herrn etwas antue. Denn er ist ja der Gesalbte des Herrn." (1. Samuel 24,7 NLB) WABT 647 1 Davids Männer waren noch immer nicht gewillt, Saul unbehelligt ziehen zu lassen. Sie erinnerten ihren Befehlshaber an die Worte Gottes: "›Ich werde dir deinen Feind in deine Hand geben, sodass du mit ihm tun kannst, was du willst.‹ David schlich sich nach vorne und schnitt heimlich einen Zipfel von Sauls Gewand ab." (1. Samuel 24,5 NLB) Doch selbst darüber machte er sich anschließend ein Gewissen, weil er das Gewand des Königs beschädigt hatte. WABT 647 2 Saul erhob sich und verließ die Höhle, um die Suche fortzusetzen. Da hörte er eine Stimme, die ihn erschrecken ließ: "Mein Herr und König!" (1. Samuel 24,9) Er wandte sich um, um zu sehen, wer ihm zurief. Und siehe da, es war der Mann, den er schon so lange in seine Gewalt zu bringen versucht hatte, um ihn zu töten. David verbeugte sich tief vor dem König und anerkannte ihn damit als seinen Herrn. Dann redete er Saul mit den Worten an: "Warum hörst du auf Leute, die sagen, David wolle dir schaden? Heute kannst du mit eigenen Augen sehen, dass es nicht wahr ist. Denn der Herr hatte dich hinten in der Höhle in meine Hand gegeben, und ein paar meiner Männer verlangten von mir, dass ich dich töte. Doch ich habe dich verschont. Ich habe gesagt: ›Niemals werde ich ihm, meinem Herrn, etwas antun, denn er ist der Gesalbte des Herrn.‹ Sieh, mein Vater, was ich in der Hand halte. Es ist ein Zipfel deines Gewandes! Ich habe es abgeschnitten, aber ich habe dich nicht getötet. Das zeigt, dass ich dir nicht schaden will und dass ich nicht an dir schuldig geworden bin. Aber du jagst mich und willst mich töten." (1. Samuel 24,10-12 NLB) WABT 647 3 Als Saul diese Worte hörte, fühlte er sich gedemütigt, und musste zugeben, dass David recht hatte. Er war tief bewegt, als er erkannte, dass er ganz in der Gewalt dessen gewesen war, den er töten wollte. David stand im Bewusstsein seiner Unschuld vor ihm. Tief betroffen rief Saul aus: "Bist du es wirklich, mein Sohn David?" Und er begann zu weinen. "Dann sagte er zu David: ›Du bist gerechter als ich, denn du hast mir Böses mit Gutem vergolten. Ja, du hast mir heute bewiesen, wie gut du mit mir umgehst. Der Herr hat mich dir ausgeliefert, und du hättest mich töten können, aber du hast es nicht getan. Wer würde schon seinen Feind entkommen lassen, wenn er ihn in seiner Gewalt hat? Was du heute für mich getan hast, dafür soll der Herr dich belohnen. Ich weiß genau, dass du König werden wirst, und deine Herrschaft über Israel wird Bestand haben." (1. Samuel 24,17-21 NLB) Nun schloss David mit Saul einen Bund, in dem er ihm versicherte, dass er - sollte er König werde - Sauls Haus wohlwollend behandeln und seinen Namen nicht auslöschen werde. Sauls Reue Bleibt Unglaubwürdig WABT 648 1 Da David Sauls Verhalten aus der Vergangenheit kannte, konnte er den Zusicherungen des Königs nicht trauen und auch nicht hoffen, dass dessen reuige Gesinnung lange anhalten würde. Während Saul nach Hause zurückkehrte, blieb David lieber in den schützenden Bergen. WABT 648 2 Die Feindschaft gegen die Diener Gottes mag bei Menschen, die der Macht Satans nachgegeben haben, vorübergehend von Versöhnlichkeit und Wohlwollen abgelöst werden, aber dieser Wandel ist nicht immer von Dauer. Wenn böswillige Menschen sich daran beteiligt haben, den Dienern des Herrn mit Worten und Taten übel zuzusetzen, kommen sie doch manchmal zu der inneren Überzeugung, falsch gehandelt zu haben. Der Geist Gottes ringt mit ihnen, und sie demütigen ihr Herz vor dem Herrn und vor denen, deren Einfluss sie zu vernichten gesucht haben. Sie mögen ihr Verhalten ihnen gegenüber ändern. Doch sobald sie den Einflüsterungen des Bösen erneut die Tür öffnen, leben die früheren Zweifel wieder auf, die alte Feindschaft erwacht, und sie machen wieder dasselbe, was sie bereut und zeitweilig unterlassen haben. Erneut verleumden, beschuldigen und verurteilen sie gerade diejenigen aufs Härteste, denen sie zuvor noch demütigst ihre Schuld eingestanden hatten. Solche Menschen kann Satan, nachdem sie einen derartigen Weg eingeschlagenen haben, mit weit größerer Macht benutzen, als zuvor, weil sie wider besseres Wissen gesündigt haben. Samuels Tod WABT 648 3 "Um diese Zeit starb Samuel. Ganz Israel versammelte sich und hielt die Totenklage für ihn. Dann bestatteten sie ihn in seinem Heimatort Rama." (1. Samuel 25,1a GNB) Samuels Tod wurde in ganz Israel als unersetzlicher Verlust empfunden. Mit ihm war ein großer, gütiger Prophet und hervorragender Richter dahingegangen. Die Trauer des Volkes war tief und aufrichtig. Von Jugend an hatte Samuel Israel mit lauterem Herzen gedient. Obwohl Saul der anerkannte König gewesen war, hatte Samuel einen weitaus größeren Einfluss ausgeübt, weil er ein Leben der Treue, des Gehorsams und der Hingabe geführt hatte. Wir lesen, dass er Israel "sein Leben lang" richtete (1. Samuel 7,15). WABT 648 4 Als die Israeliten das Leben Sauls mit demjenigen von Samuel verglichen, erkannten sie, wie unklug es gewesen war, sich einen König zu wünschen, nur um den Nachbarvölkern gleich zu sein. Viele beobachteten den Zustand der Gesellschaft mit großer Sorge, da sich Gottlosigkeit und Unglaube immer mehr verbreiteten. Das Beispiel ihres Herrschers übte einen weitreichenden Einfluss aus, und die Israeliten hatten allen Grund, darüber zu klagen, dass Samuel, der Prophet des Herrn, nun gestorben war. WABT 649 1 Israel hatte den Gründer und Leiter seiner heiligen Schulen verloren, aber darüber hinaus auch den Mann, zu dem jeder mit seinen großen Sorgen gehen konnte. Sie hatten den verloren, der stets vor Gott für das Wohl des Volkes eingetreten war. Samuels Fürbitte hatte ihnen ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, denn "das Gebet eines gerechten Menschen hat große Macht" (Jakobus 5,16b NLB). Jetzt hatte das Volk allgemein das Empfinden, von Gott verlassen zu sein. Der König schien dem Wahnsinn nahe, das Recht wurde gebeugt und die Ordnung wich dem Chaos. WABT 649 2 Ausgerechnet jetzt, wo das Volk von inneren Streitigkeiten zerrissen war und der besonnene, von Gott geleitete Rat Samuels besonders nötig gewesen wäre, legte Gott seinen betagten Diener zur Ruhe. Mit bitteren Gedanken standen die Israeliten vor seinem schlichten Ruheplatz und erinnerten sich an ihre Torheit, ihn als ihren Regenten abgelehnt zu haben. Seine Gemeinschaft mit dem Himmel war so eng gewesen, dass der Eindruck entstand, er würde ganz Israel mit dem Thron Jahwes verbinden. Samuel hatte sie gelehrt, Gott zu lieben und ihm zu gehorchen. Nun, da er tot war, sahen sie sich einem König ausgeliefert, der mit Satan verbunden war und das Volk von Gott und dem Himmel wegführen würde. WABT 649 3 David konnte an Samuels Begräbnis nicht teilnehmen, aber er trauerte so tief und aufrichtig um ihn wie ein treuer Sohn um einen liebevollen Vater. Er wusste, dass mit Samuels Tod ein weiteres Hindernis für Sauls Untaten gefallen war. Daher fühlte er sich nun noch stärker bedroht als zu Lebzeiten des Propheten. Während Sauls Aufmerksamkeit von der Totenklage für Samuel in Anspruch genommen war, nutzte David die Gelegenheit, um einen noch sichereren Ort zu suchen, deshalb floh er in die Wildnis von Paran. Dort verfasste er Psalm 120 und 121. Als er in dieser verlassenen Einöde darüber nachdachte, dass der Prophet gestorben und der König sein Feind war, dichtete er: WABT 649 4 "Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!" (Psalm 121,2-4.7-8) Davids Begegnung Mit Nabals Frau WABT 650 1 Während sich David und seine Männer in der Wildnis von Paran aufhielten, beschützten sie die Herden eines reichen Mannes namens Nabal vor räuberischen Überfällen. Nabal verfügte in jener Gegend über ausgedehnte Besitztümer und war ein Nachkomme Kalebs. Von seinem Charakter her war er derb und knauserig. WABT 650 2 Es war die Zeit der Schafschur, eine Zeit besonderer Gastfreundschaft. David benötigte für seine Leute dringend Nahrung. Darum sandte er, wie es der damaligen Sitte entsprach, zehn junge Männer zu Nabal und trug ihnen auf, ihm die Grüße ihres Herrn auszurichten. Sie sollten sagen: "Friede sei mit dir und deinem Haus und mit allem, was du hast! Ich habe gehört, dass du Schafschur hast. Nun, deine Hirten sind mit uns zusammen gewesen. Wir haben ihnen nichts zuleide getan, und sie haben nichts vermisst, solange sie in Karmel33 gewesen sind. Frage deine Leute danach, die werden es dir sagen. Und lass meine Leute Gnade finden vor deinen Augen, denn wir sind an einem Festtag gekommen. Gib deinen Knechten und deinem Sohn David, was du zur Hand hast." (1. Samuel 25,6-8) WABT 650 3 David und seine Männer hatten Nabals Hirten und Herden wie eine Schutzmauer umgeben. Nun baten sie diesen reichen Mann, ihnen für die ihm geleisteten wertvollen Dienste etwas von seinem Überfluss für ihren Lebensunterhalt abzugeben. David hätte sich mit seinen Kriegern an den Herden schadlos halten können, doch sie verhielten sich anständig. Nabal hingegen nahm davon keine Notiz. Die Antwort, die er David geben ließ, war für seinen Charakter bezeichnend: "Wer ist David? Und wer ist der Sohn Isais? Es gibt jetzt viele Knechte, die ihren Herren davongelaufen sind. Sollte ich mein Brot und mein Wasser und mein Fleisch, das ich für meine Scherer geschlachtet habe, nehmen und Leuten geben, von denen ich nicht weiß, wo sie her sind?" (1. Samuel 25,10.11) WABT 650 4 Als die jungen Leute mit leeren Händen zurückkamen und David Bericht erstatteten, war er entrüstet. David befahl seinen Männern, sich für eine Konfrontation zu rüsten. Er war entschlossen, den Mann zu bestrafen, der ihm das vorenthalten hatte, was ihm zustand. Darüber hinaus hatte er ihn noch beleidigt. Dieses unbesonnenen Vorgehen passte eher zu Sauls als zu Davids Wesen, doch der Sohn Isais würde durch Zeiten der Not noch viel Geduld lernen müssen. WABT 650 5 Nachdem Davids Boten abgewiesen worden waren, eilte einer von Nabals Knechten zu dessen Frau Abigail und berichtete ihr den Vorfall: "David hat Boten aus der Wüste geschickt, die unseren Herrn grüßen sollten, aber er hat sie beschimpft. Dabei waren die Männer sehr gut zu uns und haben uns nie etwas getan. Während der ganzen Zeit, in der wir auf den Feldern umherzogen, wurde uns nie etwas gestohlen. Tag und Nacht waren sie für uns und die Schafe wie eine schützende Mauer, solange wir die Herden in ihrer Nähe weideten. Überleg doch, was du tun kannst, denn unser Herr und sein ganzes Haus stürzen sonst ins Unglück." (1. Samuel 25,14-17 NLB) WABT 651 1 Ohne ihrem Mann etwas zu sagen oder mit ihm über ihre Absicht zu sprechen, machte Abigail einen reichlichen Vorrat an Lebensmitteln zurecht und schickte ihn, auf mehrere Esel geladen, unter der Obhut von Knechten voraus. Dann machte sie sich selbst auf, um Davids Schar zu begegnen. Sie fand sie im Schutz eines Hügels. "Als Abigail David sah, stieg sie rasch von ihrem Esel und verbeugte sich tief vor ihm. Sie warf sich ihm zu Füßen und sagte: ›Mich trifft alle Schuld in dieser Sache, mein Herr. Bitte, lass mich mit dir reden und hör dir an, was ich zu sagen habe.‹" (1. Samuel 25,23.24 NLB) Abigail redete David mit so viel Ehrerbietung an, als spräche sie zu einem gekrönten Monarchen. Nabal hatte höhnisch gerufen: "Wer ist David?", Abigail hingegen nannte ihn "mein Herr". Mit freundlichen Worten versuchte sie, seine Verbitterung zu besänftigen und ihren Mann zu entschuldigen. Ohne viel Aufhebens zu machen und frei von aller Überheblichkeit, aber erfüllt von Gottes Weisheit und Liebe zeigte Abigail große Loyalität gegenüber ihrer Familie. Sie machte David klar, dass das unfreundliche Verhalten ihres Mannes keinesfalls als vorsätzliche persönliche Beleidigung aufzufassen sei, sondern lediglich als Gefühlsausbruch eines unzufriedenen und eigennützigen Menschen. WABT 651 2 "Nun, mein Herr, so wahr der Herr lebt und du selbst auch, der Herr hat dich vom Mord abgehalten und dich daran gehindert, dich selbst zu rächen. So sollen alle deine Feinde und alle, die dir schaden wollen, bestraft werden wie Nabal." (1. Samuel 25,26 NLB) Abigail rühmte sich nicht, David durch ihre Argumentation von seinem übereilten Vorhaben abgebracht zu haben, sondern gab Gott die Ehre und lobte ihn. Dann bot sie Davids Leuten ihre reichlichen Vorräte als Friedensgabe an und entschuldigte sich erneut, als ob sie selbst den Unwillen des Anführers heraufbeschworen hätte. WABT 651 3 "Vergib deiner Magd die Anmaßung!", bat sie. "Der Herr wird meinem Herrn ein beständiges Haus bauen, denn du führst des Herrn Kriege. Es möge nichts Böses an dir gefunden werden dein Leben lang." (1. Samuel 25,28) Abigail wies David indirekt auf den Weg hin, den er gehen sollte: Er solle die Kriege des Herrn führen und sich nicht für persönlich erlittenes Unrecht zu rächen suchen, selbst wenn er als Verräter verfolgt würde. Sie fuhr fort: "Selbst wenn du verfolgt wirst und dich jemand umbringen will, wird der Herr, dein Gott, sich um dich sorgen und dein Leben beschützen! ... Wenn der Herr alle seine Zusagen erfüllt und dich zum Herrscher über Israel gemacht hat, wird dein Gewissen unbelastet sein, weil du nicht sinnlos Blut vergossen und dich eigenmächtig gerächt hast. Und wenn der Herr dies alles für dich getan hat, dann denke an mich!" (1. Samuel 25,29-31 NLB) WABT 652 1 So konnte nur jemand sprechen, der an der Weisheit des Himmels Anteil hatte. Dem Duft einer Blüte gleich, der natürlich und unbewusst ausströmt, zeigte sich Abigails Glaube in ihrem Antlitz, ihren Worten und Taten. In ihr wohnte der Geist des Sohnes Gottes. Ihre Rede war mit Anmut gewürzt, voller Güte und Friedfertigkeit, und zeugte von einem himmlischen Einfluss. In David kamen nun freundlichere Empfindungen auf, und er erschrak beim Gedanken an die Folgen, die sein vorschnelles Handeln hätte haben können. "Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen." (Matthäus 5,9 Hfa) Gäbe es doch mehr solche Frauen wie diese Israelitin, die aufgebrachte Gefühle besänftigen, voreilige Entschlüsse verhindern und großes Unheil mit ruhigen, gezielten und weisen Worten verhüten! WABT 652 2 Ein geheiligtes christliches Leben verbreitet immer Licht, Trost und Frieden. Es ist von Lauterkeit, Taktgefühl, Einfachheit und Hilfsbereitschaft geprägt. Es wird von jener selbstlosen Liebe geleitet, die den Einfluss des Menschen heiligt. Jeder Mensch, der ein von Christus erfülltes Leben führt, hinterlässt leuchtende Spuren, wo auch immer er hingeht. Abigail zeigte Weisheit, als sie tadelte und guten Rat erteilte. Unter der Macht ihres Einflusses und ihrer Vernunft schwand Davids Wut. Er sah ein, dass er im Begriff gewesen war, etwas Törichtes zu tun, und dass er seine Selbstbeherrschung verloren hatte. WABT 652 3 Demütig nahm er die Zurechtweisung an und handelte damit nach seinen eigenen Worten: "Nur wer das Rechte tut, darf mich strafen. Wenn er mich in Güte zurechtweist, dann ist das eine Wohltat, gegen die ich mich nicht sträube." (Psalm 141,5 GNB) Er dankte Abigail und segnete sie, weil sie ihn recht beraten hatte. Viele halten es schon für lobenswert, Vorwürfe hinzunehmen, ohne ungeduldig zu werden. Aber nur wenige vermögen Tadel mit echtem Dank wegzustecken und jene gar zu segnen, die sie vor dem Weg des Unrechts bewahren wollen. WABT 652 4 Als Abigail heimkehrte, fand sie Nabal und seine Gäste bei einem großen Fest, das zu einem Trinkgelage ausgeartet war. Darum berichtete sie ihrem Mann erst am nächsten Morgen von der Unterredung mit David. Nabal war im Grunde genommen ein Feigling und als er sah, dass ihm seine Torheit ganz unverhofft beinahe das Leben gekostet hätte, war er wie gelähmt. Die Angst, dass David weiterhin auf Rache aus sein könnte, erfüllte ihn mit solchem Entsetzen, dass er völlig hilf- und gefühllos niedersank. Nach zehn Tagen starb er. Das Leben, das Gott ihm geschenkt hatte, war für seine Umgebung nur ein Fluch gewesen. Mitten in seinem Jubeln und Feiern hatte Gott ihn angesprochen, so wie den reichen Bauern im Gleichnis von Jesus: "Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern." (Lukas 12,20) WABT 653 1 Nach diesen Ereignissen heiratete David Abigail. Zwar hatte er bereits eine Frau, aber die Sitten der Völker seiner Zeit hatten sein Urteilsvermögen getrübt und beeinflussten sein Handeln. Selbst bedeutende und gute Menschen sind auf Abwege geraten, wenn sie den Gepflogenheiten der Welt folgten. David bekam die bitteren Konsequenzen der Heirat mehrerer Frauen sein Leben lang schmerzlich zu spüren. David Verschont Saul Ein Zweites Mal WABT 653 2 Nach Samuels Tod wurde David für einige Monate in Ruhe gelassen. Erneut zog er sich in die Einsamkeit ins Gebiet der Sifiter zurück. Aber sie waren ihm feindlich gesinnt. In der Hoffnung, sich die Gunst des Königs zu sichern, verrieten sie Saul Davids Versteck. Diese Nachricht rief die teuflische Leidenschaft Sauls wieder wach, die in seiner Seele schlummerte. Erneut bot er seine bewaffneten Männer auf und und führte sie hinaus, um David zu verfolgen. Doch freundlich gesinnte Späher meldeten David, dass Saul ihm schon wieder auf den Fersen sei. Mit einigen seiner Männer zog David aus, um den Standort seines Feindes ausfindig zu machen. Es war Nacht, als sie vorsichtig vorrückten und auf den Lagerplatz stießen. Sie sahen vor sich die Zelte des Königs und seines Gefolges. Niemand bemerkte sie, denn alles lag in tiefem Schlaf. Als David seine Gefolgsleute aufforderte, mit ihm mitten unter die Feinde zu gehen, und fragte: "Wer will mit mir hinab zu Saul ins Lager?", da antwortete Abischai sofort: "Ich will mit dir hinab." (1. Samuel 26,6) WABT 653 3 Im dunklen Schatten der Berge betraten David und sein Begleiter das feindliche Lager. Als sie sich über die genaue Anzahl ihrer Feinde Klarheit zu verschaffen suchten, stießen sie auf den schlafenden Saul. Sein Speer steckte in der Erde, ein Krug mit Wasser stand neben seinem Kopf. Neben ihm lag Abner, sein Feldhauptmann, und um sie her lagen die Krieger, in tiefen Schlaf versunken. Abischai hob seinen Spieß und flüsterte David zu: "›Heute hat Gott dir deinen Feind ausgeliefert! ... Lass mich ihn mit diesem Speer durchbohren. Ich spieße ihn an den Boden. Ein einziger Stoß genügt; ich werde nicht ein zweites Mal zustechen müssen!‹ Er wartete auf die Erlaubnis. Doch er hörte nur die geflüsterten Worte Davids: ›Nein! Töte ihn nicht. Denn wer kann ungestraft bleiben, wenn er den Gesalbten des Herrn angegriffen hat? So wahr der Herr lebt, eines Tages wird er Sauls Leben beenden: Entweder stirbt er eines natürlichen Todes oder er wird in der Schlacht fallen. Aber der Herr bewahre mich davor, seinem Gesalbten etwas anzutun! Doch nimm jetzt den Speer dort neben seinem Kopf und den Wasserkrug und dann weg von hier!‹ David nahm den Speer und den Wasserkrug neben Sauls Kopf an sich. Dann entkamen er und Abischai, ohne von jemandem gesehen zu werden und ohne auch nur jemanden aufzuwecken, denn der Herr hatte Sauls Männer in tiefen Schlaf fallen lassen." (1. Samuel 26,8-12 NLB) Es ist dem Herrn ein Leichtes, den Stärksten schwach zu machen, dem Weisesten die Umsicht zu nehmen und den Aufmerksamsten trotz all seines Geschicks zu verwirren. WABT 654 1 Als David in sicherer Entfernung des Lagers auf dem Gipfel eines Hügels stand, rief er Abner und den Leuten mit lauter Stimme zu: "Du bist doch ein Mann, nicht wahr, Abner ... Wo in ganz Israel gibt es einen, der so ist wie du? Warum hast du deinen Herrn, den König, nicht bewacht, als jemand aus dem Volk kam, um ihn zu töten? Das war wirklich nicht gut! So wahr der Herr lebt, ihr alle habt den Tod verdient, weil ihr euren Herrn, den Gesalbten des Herrn, nicht beschützt habt! Sieh dich um! Wo ist der Speer des Königs und wo der Wasserkrug, der sich neben seinem Kopf befand?" WABT 654 2 "Saul erkannte Davids Stimme und rief: ›Bist du es, mein Sohn David?‹ David antwortete: ›Ja, mein Herr und König. Warum verfolgst du mich? Was habe ich getan? Worin besteht mein Verbrechen? Doch nun hör mich an, mein Herr und König.‹" (1. Samuel 26,15-19 NLB) Wieder musste der König zugeben: "Ich habe gesündigt. Komm zurück nach Hause, mein Sohn. Ich will dir nie mehr etwas Böses antun, denn du hast heute mein Leben hoch geachtet. Ich war ein Narr und habe großes Unrecht begangen." "Hier ist der Speer des Königs", antwortete David. "Einer von den jungen Männern soll kommen und ihn holen." (1. Samuel 26,21.22 NLB) Obwohl Saul versprochen hatte: "Ich will dir nie mehr etwas Böses antun", begab sich David nicht in seinen Machtbereich. WABT 654 3 Dass David dem Leben seines Herrschers zum zweiten Mal solchen Respekt zollte, beeindruckte Saul noch tiefer und führte ihn zu einem noch demütigeren Schuldbekenntnis. Das ihm entgegengebrachte Wohlwollen erstaunte und überwältigte ihn. Als er von David schied, rief er aus: "Gesegnet seist du, mein Sohn David. In allem, was du tust, wirst du erfolgreich sein." (1. Samuel 26,25) Aber der Sohn Isais machte sich keine Hoffnung, dass dieser Gemütszustand des Königs lange anhalten würde. Davids Unweise Flucht Zu Den Philistern WABT 655 1 David hatte die Hoffnung auf eine Versöhnung mit Saul aufgegeben. Es schien unvermeidlich, dass er schließlich doch der Bosheit des Königs zum Opfer fallen würde, und so beschloss er, erneut im Land der Philister Zuflucht zu suchen. Mit seiner 600 Mann starken Truppe lief er zu Achisch, dem König von Gat, über. WABT 655 2 Ohne den Rat Gottes zu suchen, zog David die Schlussfolgerung, dass Saul seine mörderische Absicht eines Tages doch noch ausführen werde. Doch selbst als Saul Ränke schmiedete und seinen Mordplan zu verwirklichen suchte, war der Herr am Werk, um David das Königreich zu sichern. Gott führt seine Pläne aus, auch wenn sie dem menschlichen Auge geheimnisvoll verhüllt sind. Menschen können Gottes Wege nicht verstehen. Solange sie nur die äußere Erscheinungsform betrachten, deuten sie die von Gott zugelassenen Versuchungen, Prüfungen und Schicksalsschläge nur als Widrigkeiten, die sie zugrunde richten. So achtete auch David nur auf den äußeren Schein und nicht auf Gottes Verheißungen. Er bezweifelte, dass er jemals den Thron besteigen werde. Lang andauernde Anfechtungen hatten seinen Glauben zermürbt und seine Geduld erschöpft. WABT 655 3 Es war nicht der Herr, der David zu den Philistern, den erbittertsten Feinden Israels, sandte, um dort Schutz zu finden. Gerade sie zählten bis zuletzt zu Israels schlimmsten Gegnern. Und doch floh David in der Not zu ihnen, um sich von ihnen helfen zu lassen. Nachdem er alles Vertrauen zu Saul und denen, die ihm dienten, verloren hatte, lieferte er sich lieber der Gnade der Feinde seines Volkes aus. David war ein mutiger Feldherr und hatte sich als kluger, erfolgreicher Kriegsmann erwiesen. Aber indem er zu den Philistern ging, schadete er sich selbst. Gott hatte ihn dazu berufen, sein Banner im Land Juda aufzurichten. Es war ein Mangel an Glauben, der David dazu verleitete, den ihm zugewiesenen Platz ohne einen Befehl des Herrn zu verlassen. WABT 655 4 Durch Davids Unglauben wurde Gott entehrt. Die Philister hatten sich vor David mehr gefürchtet als vor Saul und dessen Streitkräften. Als sich David jetzt unter ihren Schutz stellte, machte er sie selbst auf die Schwäche seines eigenen Volkes aufmerksam. Damit bestärkte er diese erbarmungslosen Feinde nur noch, Israel zu unterdrücken. David war gesalbt worden, um Gottes Volk zu verteidigen. Der Herr will auf keinen Fall, dass seine Diener die Gottlosen ermutigen, indem sie ihnen die Schwächen seines Volkes enthüllen oder den Anschein erwecken, als sei ihnen dessen Wohl gleichgültig. Außerdem mussten Davids Brüder den Eindruck gewinnen, er sei zu den Heiden übergelaufen und diene nun deren Göttern. Er gab ihnen Anlass, seine Beweggründe falsch auszulegen. Viele wurden dazu verleitet, ein Vorurteil gegen ihn zu hegen. Er ließ sich zu dem verführen, wozu Satan ihn bringen wollte, denn als er bei den Philistern Zuflucht suchte, löste das bei den Feinden Gottes und seines Volkes großen Jubel aus. David gab seine Anbetung Jahwes nicht auf. Er beendete nicht seine Hingabe an die Sache Gottes, aber er vertraute nicht mehr darauf, dass Gott für seine eigene Sicherheit sorgen werde. Dies befleckte den aufrichtigen und treuen Charakter, den Gott von seinen Dienern erwartet. WABT 656 1 Der König der Philister nahm David sehr freundlich auf. Dieser wohlwollende Empfang war zum einen der Tatsache zu verdanken, dass der König ihn bewunderte, und zum anderen dem Umstand, dass es dessen Eitelkeit schmeichelte, weil ein Israelit bei ihm Schutz suchte. Im Herrschaftsgebiet des Königs Achisch fühlte sich David vor Verrat sicher. Deshalb brachte er seine Familie, seinen Haushalt und seinen ganzen Besitz mit dorthin. Das Gleiche taten seine Männer. Es schien, als wollte er sich auf Dauer im Land der Philister niederlassen. Achisch freute sich darüber und versprach, die israelitischen Flüchtlinge zu beschützen. Davids Feldzüge Von Ziklag Aus WABT 656 2 Als David um einen Wohnsitz auf dem Land bat, weit weg von der Hauptstadt, gab ihm der König den Ort Ziklag zum Besitz. David erkannte, dass der Einfluss der Götzendiener für ihn und seine Männer eine Gefahr darstellte. In einer Stadt, die ihnen allein überlassen blieb, konnten sie Gott freier anbeten als in Gat, wo heidnische Bräuche nur eine Quelle des Übels und des Ärgernisses waren. WABT 656 3 Solange David in dieser abgelegenen Gegend lebte, führte er Krieg gegen die Geschuriter, Girsiter und Amalekiter und ließ keinen am Leben, der Nachricht davon nach Gat hätte bringen können. Wenn er vom Kampf zurückkehrte, tat er Achisch gegenüber so, als hätte er gegen sein eigenes Volk, die Einwohner Judas gekämpft. Mit dieser Täuschung trug er dazu bei, die Hände der Philister zu stärken. Denn der König sagte: "Inzwischen muss das Volk Israel ihn hassen. Jetzt muss er hier bleiben und mir für immer dienen." (1. Samuel 27,12. NLB) David wusste, dass diese heidnischen Stämme nach Gottes Willen vernichtet werden sollten und er für diese Aufgabe auserwählt war. Doch solange er mit Täuschungsmanövern arbeitete, handelte er nicht nach Gottes Ratschluss. David Gerät In Eine Zwickmühle WABT 657 1 "Etwa um diese Zeit rüsteten die Philister zu einem neuen Krieg gegen Israel. König Achisch sagte zu David: "Ich erwarte, dass du und deine Männer mit mir in die Schlacht ziehen." (1. Samuel 28,1 NLB) David hatte nicht die Absicht, die Hand gegen sein eigenes Volk zu erheben. Aber er wusste auch nicht recht, wie er sich verhalten sollte, solange ihm nicht konkrete Umstände seine Pflicht deutlich machten. Darum antwortete er dem König ausweichend: "Du sollst erfahren, was dein Knecht tun wird." (1. Samuel 28,2a) Achisch verstand diese Worte als Beistandsverpflichtung für den bevorstehenden Krieg und gab David seinerseits das Versprechen, ihm unter großen Ehrungen die hohe Stellung eines Leibwächters an seinem Hof zu übertragen. WABT 657 2 Auch wenn Davids Glaube an Gottes Verheißungen ziemlich ins Wanken geraten war, erinnerte er sich immer noch daran, dass Samuel ihn zum König Israels gesalbt hatte. Er erinnerte sich an die Siege, die Gott ihm über seine Feinde geschenkt hatte, und dachte an Gottes große Gnade, die ihn vor Saul beschützt hatte. Er beschloss, dem König Israels gegenüber keinen Treuebruch zu begehen. Obwohl dieser ihm nach dem Leben trachtete, wollte er sich nicht mit seinen Streitkräften den Gegnern seines Volkes anschließen. ------------------------Kapitel 66 - Sauls Untergang WABT 658 0 1. Samuel 28 und 31. WABT 658 1 Wieder einmal kam es zum Krieg zwischen Israel und den Philistern. Als sie "herankamen und sich lagerten bei Schunem" (1. Samuel 28,4) am Nordrand der Ebene Jesreel, bezog Saul mit seinen Streitkräften nur wenige Kilometer davon entfernt sein Lager, und zwar am Fuß des Gebirges Gilboa, das am Südrand der Ebene liegt. Hier hatte Gideon mit nur 300 Mann das ganze Heer der Midianiter in die Flucht geschlagen. Aber die damaligen Befreier Israels waren von einem ganz anderen Geist beseelt, als derjenige, der nun das Herz des Königs bewegte. Gideon zog aus, stark im Glauben an den mächtigen Gott Jakobs. Saul hingegen fühlte sich hilflos und allein, weil Gott ihn verlassen hatte. Als er zum Heer der Philister hinübersah, "erschrak er und wurde ganz verzagt." (1. Samuel 28,5 GNB) WABT 658 2 Saul hatte erfahren, dass David mit seinen Leuten bei den Philistern lebte, und rechnete stark damit, dass Isais Sohn die Gelegenheit wahrnehmen werde, sich für das erlittene Unrecht zu rächen. Der König war in großer Sorge. Seine eigene unvernünftige Leidenschaft hatte ihn dazu angestachelt, den Erwählten Gottes vernichten zu wollen. Damit hatte er auch das ganze Volk in große Gefahr gebracht. Während seine ganze Aufmerksamkeit auf die Verfolgung Davids gerichtet war, hatte er die Verteidigung seines Reiches vernachlässigt. Diesen schutzlosen Zustand hatten die Philister ausgenützt und waren bis ins Herz des Landes vorgedrungen. Während Satan Saul dazu gedrängt hatte, David mit allen Kräften zu verfolgen und zu vernichten, hatte derselbe böse Geist die Philister angeregt, ihre Chance zu nutzen, um Saul zugrunde zu richten und das Volk Gottes zu unterwerfen. Wie oft bedient sich der Erzfeind bis heute noch derselben Methoden! Er bewegt ungeheiligte Menschen dazu, in der Gemeinde Eifersucht und Rivalität zu schüren und nutzt dann die Situation der Spaltung unter den Gläubigen aus, um sie durch seine Helfershelfer zugrunde zu richten. Gott Antwortet Saul Nicht Mehr WABT 658 3 Am nächsten Morgen sollte Saul zum Kampf gegen die Philister antreten. Immer dunkler zogen sich die Schatten des drohenden Untergangs über ihm zusammen. Ihn verlangte nach Hilfe und Weisung. Doch vergeblich suchte er Rat bei Gott. "Der Herr antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durch das Los ›Licht‹34 noch durch Propheten." (1. Samuel 28,6) Niemals hat der Herr einen Menschen abgewiesen, der aufrichtig und demütig zu ihm kam. Weshalb wies er Saul ohne Antwort ab? WABT 659 1 Der König hatte durch sein eigenes Verhalten die Gunst verwirkt, Gott auf irgendeine Weise zu befragen. Er hatte den Rat des Propheten Samuel verworfen, David, den Erwählten Gottes, in die Fremde getrieben und die Priester des Herrn erschlagen. Konnte er jetzt eine Antwort von Gott erwarten, nachdem er selbst alle Verbindungen, die der Himmel vorgesehen hatte, abgebrochen hatte? Er hatte durch seine Sünden den Geist der Gnade vertrieben - wie konnte er da eine Antwort vom Herrn durch Träume oder Offenbarungen erwarten? Saul wandte sich nicht in demütiger Reue zu Gott. Was er suchte, war nicht Vergebung seiner Sünden und Versöhnung mit Gott, sondern Errettung von seinen Feinden. Durch seine Halsstarrigkeit und Rebellion hatte er sich selbst von Gott getrennt. Eine Umkehr konnte es nur über den Weg der Reue und Bußfertigkeit geben. Aber in seiner Qual und Verzweiflung entschloss sich der stolze Monarch, Hilfe bei einer anderen Quelle zu suchen. WABT 659 2 "Sucht eine Frau, die die Geister der Toten herbeirufen kann. Ich will sie fragen, was ich tun soll." (1. Samuel 28,7 NLB) Saul wusste genau, was Totenbeschwörung bedeutete. Der Herr hatte sie ausdrücklich verboten. Allen, die diese unheilige Kunst ausübten, galt das Todesurteil (vgl. 3. Mose 20,6.27). Zu Samuels Lebzeiten hatte Saul befohlen, "alle Totenbeschwörer und Wahrsager im Land" auszurotten (1. Samuel 28,3b GNB). Doch in seiner großen Verzweiflung nahm er hastig Zuflucht zu jenem Orakel, das er früher als einen Gräuel verdammt hatte. WABT 659 3 Man berichtete dem König, dass eine Frau mit einem Wahrsagegeist heimlich in En-Dor lebe. Diese Frau hatte einen Bund mit Satan geschlossen und sich seiner Herrschaft ausgeliefert, um seine Absichten auszuführen. Im Gegenzug wirkte der Fürst des Bösen Wunder für sie und offenbarte ihr geheime Dinge. WABT 659 4 Verkleidet machte sich Saul mit nur zwei Begleitern nachts auf den Weg zum Schlupfwinkel der Geisterbeschwörerin. Was für ein erbärmlicher Anblick: der König Israels, ein Gefangener satanischer Willkür! Wie düster werden die eigenen Wege, wenn man sich dem heiligen Einfluss des Geistes Gottes beharrlich widersetzt! Gibt es eine Gebundenheit, die schrecklicher ist als diejenige, die einen Menschen unter die Kontrolle des schlimmsten aller Tyrannen zwingt, nämlich unter das eigene Ich? Nur unter den Bedingungen, dass er Gott vertraute und seinem Willen gehorchte, konnte Saul König von Israel sein. Hätte er sich während seiner ganzen Regierungszeit an diese Bedingungen gehalten, wäre sein Königtum erhalten geblieben, und Gott, der Allmächtige, wäre sein Führer und sein Schild gewesen. Er hatte Saul lange in Geduld getragen. Obgleich dessen Rebellion und Widerspenstigkeit die göttliche Stimme in seinem Innern fast zum Schweigen gebracht hatte, war immer noch Gelegenheit zur Umkehr. Als sich Saul aber in der Gefahr von Gott abwandte und Erleuchtung bei einer Verbündeten Satans suchte, hatte er das letzte Band zwischen sich und seinem Schöpfer durchtrennt. Damit unterstellte er sich völlig jener Teufelsmacht, die seit Jahren Gewalt über ihn ausübte und ihn an den Rand des Verderbens gebracht hatte. Saul Wendet Sich An Eine Geisterbeschwörerin WABT 660 1 Im Schutz der Dunkelheit durchquerten Saul und seine Begleiter die Ebene, stahlen sich am Heer der Philister vorbei, überquerten den Bergsattel und erreichten das abgelegene Heim der Hexe von En-Dor. Hier hatte sich diese Frau, die einen Wahrsagegeist hatte, schon lange verborgen gehalten, um heimlich ihre frevelhaften Beschwörungen fortzuführen. Trotz der Verkleidung erkannte sie sofort an der hohen Gestalt und der königlichen Haltung, dass sie keinen gewöhnlichen Krieger vor sich hatte. Sie vermutete, ihr Besucher könnte Saul sein. Die großen Geschenke bestärkten sie in ihrem Verdacht. Er bat sie: "Wahrsage mir, weil du Geister beschwören kannst, und hole mir herauf, wen ich dir nenne.‹ Die Frau sprach zu ihm: ›Siehe, du weißt doch selbst, was Saul getan hat, wie er die Geisterbeschwörer und Zeichendeuter ausgerottet hat im Lande; warum willst du mir denn eine Falle stellen, dass ich getötet werde?‹ Saul aber schwor ihr bei dem Herrn und sprach: ›So wahr der Herr lebt: Es soll dich in dieser Sache keine Schuld treffen.‹ Da sprach die Frau: ›Wen soll ich dir denn heraufholen?‹ Er sprach: ›Hol mir Samuel herauf!‹" (1. Samuel 28,8-11) WABT 660 2 Nachem sie ihre Beschwörungsformeln gemurmelt hatte, sagte sie: "›Ich sehe einen Geist aus der Erde heraufsteigen ... Es ist ein alter Mann ... er trägt einen Prophetenmantel.‹ Daran erkannte Saul, dass es Samuel war. Er warf sich vor ihm nieder, das Gesicht zur Erde." (1. Samuel 28,13.14 GNB) WABT 660 3 Es war aber nicht Gottes heiliger Prophet, der auf die Worte einer Geisterbeschwörerin hin erschien. Samuel befand sich nicht am Ort der bösen Geister. Diese übernatürliche Erscheinung wurde einzig und allein durch Satans Macht hervorgebracht. Er konnte genauso gut Samuels Gestalt annehmen wie die eines Engels des Lichtes, so wie er es tat, als er Christus in der Wüste versuchte. WABT 661 1 Die ersten Worte der Frau, die sie unter dem Bann ihrer Beschwörung an den König gerichtet hatte, waren: "Warum hast du mich hintergangen? Du bist ja Saul!" (1. Samuel 28,12 GNB) Also war die erste Tat dieses bösen Geistes, der den Propheten darstellte, ein geheimer Hinweis an diese böse Frau, dass sie getäuscht worden war. Die Botschaft des vorgeblichen Propheten an Saul hieß: "›Warum hast du meine Ruhe gestört und mich heraufkommen lassen?^ ... Saul antwortete: ›Ich bin in Todesängsten. Die Philister sind gegen mich aufmarschiert und Gott hat mich verlassen. Er gibt mir keine Antwort mehr, weder durch Propheten noch durch Träume. Darum habe ich dich rufen lassen. Sag mir, was ich tun soll!‹" (1. Samuel 28,15 GNB) WABT 661 2 Zu Lebzeiten Samuels hatte Saul den Rat des Propheten verschmäht und ihm seine Zurechtweisungen übel genommen. Aber nun, in der Stunde seiner Verzweiflung und seines Unheils, hielt er die Führung durch den Propheten für seine einzige Hoffnung. Um mit dem Gesandten des Himmels in Verbindung zu treten, suchte Saul vergeblich Hilfe bei der Botin der Hölle! Saul hatte sich vollständig der Macht Satans ausgeliefert, dessen einziges Vergnügen darin besteht, Elend und Zerstörung herbeizuführen. Er nutzte seinen Vorteil, um den unglücklichen König vollends zugrunde zu richten. Als Antwort auf Sauls angstvolle Bitte kam - angeblich aus Samuels Mund - die schreckliche Auskunft: "Wozu musst du mich noch fragen? Du siehst doch: Der Herr hat sich von dir abgewandt und ist dein Feind geworden. Er führt jetzt aus, was er durch mich angekündigt hat: Er nimmt dir das Königtum und gibt es David. Der Herr befahl dir, sein Vernichtungsurteil an den Amalekitern zu vollstrecken. Weil du ihm nicht gehorcht hast, verfährt er jetzt so mit dir. Er wird dich und das Heer Israels in die Hand der Philister geben." (1. Samuel 28,16-19 GNB) WABT 661 3 Während der ganzen Zeit seiner Rebellion, war Saul von Satan umschmeichelt und getäuscht worden. Es ist das Werk des Versuchers, die Sünde zu verharmlosen, Übertretungen angenehm und verlockend erscheinen zu lassen und den Verstand für die Warnungen und Drohungen Gottes blind zu machen. Mit seiner betörenden Macht hatte Satan Saul dazu gebracht, sich selbst - ungeachtet der Zurechtweisungen und Warnungen Samuels -, immer wieder zu rechtfertigen. Aber jetzt, in der äußersten Not, wandte sich Satan gegen ihn und hielt ihm das ungeheure Ausmaß seiner Sünde und die Aussichtslosigkeit auf Vergebung vor, um ihn zur Verzweiflung zu treiben. Nichts war geeigneter, um ihm den Mut zu rauben, sein Urteilsvermögen zu trüben und ihn in Verzweiflung und Selbstzerstörung zu stürzen. WABT 662 1 Saul war vor Müdigkeit und Hunger erschöpft, er hatte Angst, und sein Gewissen quälte ihn. Als er nun die furchtbare Ankündigung hörte, wankte er wie eine Eiche im Sturm und stürzte zu Boden. WABT 662 2 Die Geisterbeschwörerin erschrak. Der König Israels lag vor ihr wie ein Toter. Welche Folgen würde es für sie haben, sollte er in ihrem Versteck sterben? Sie flehte ihn an, aufzustehen und etwas zu essen. Sie drängte ihn, für die Erhaltung seines Lebens zu sorgen, nachdem sie seinem Wunsch nachgegeben und dadurch ihr eigenes Leben gefährdet hatte. Als seine Diener ihre Bitten unterstützten, gab Saul schließlich nach. Die Frau setzte ihm Fleisch von einem gemästeten Kalb und ungesäuertes Brot vor, das sie schnell zubereitet hatte. Was für ein Bild! In der verlassenen Höhle der Geisterbeschwörerin, in der kurz zuvor in Anwesenheit von Satans Boten schicksalshafte Worte über den von Gott gesalbten König Israels ausgesprochen worden waren, setzte sich Saul zum Essen nieder, um sich auf den todbringenden Kampf des folgenden Tages vorzubereiten. Das Ende Sauls Und Seiner Söhne WABT 662 3 Noch vor Tagesanbruch kehrte Saul mit seinen Begleitern ins israelitische Lager zurück, um sich für den Kampf bereit zu machen. Er hatte sich durch die Befragung des Geistes der Finsternis selbst zugrunde gerichtet. Von Verzweiflung niedergedrückt, war er nicht fähig, seinem Heer Mut zuzusprechen. Von der himmlischen Kraftquelle getrennt, konnte er die Gedanken der Israeliten nicht auf Gott als ihren Helfer lenken. Auf diese Weise bewirkte die Voraussage des Bösen ihre eigene Erfüllung. WABT 662 4 In der Ebene von Schunem und an den Hängen des Gebirges Gilboa stießen die Heere Israels und der Philister zu einer tödlichen Begegnung aufeinander. Obwohl ihm das schreckliche Erlebnis in der Höhle von En-Dor alle Hoffnung genommen hatte, kämpfte Saul mit dem Mut der Verzweiflung um seinen Thron und sein Reich. Doch es war vergeblich! "Die Männer Israels flohen vor den Philistern und blieben erschlagen liegen auf dem Gebirge Gilboa." (1. Samuel 31,1) Drei tapfere Söhne des Königs starben an seiner Seite. Bogenschützen drangen auf ihn ein. Er hatte seine Krieger um sich herum fallen und seine Söhne durchs Schwert sterben sehen. Selbst verwundet, konnte er weder kämpfen noch fliehen. Es gab kein Entrinnen mehr. Aber lebend wollte er den Philistern nicht in die Hände fallen. Darum befahl er seinem Waffenträger: "Zieh dein Schwert und erstich mich damit." (1. Samuel 31,4) Als sich der Mann weigerte, die Hand gegen den Gesalbten des Herrn zu erheben, stürzte sich Saul selbst in sein Schwert und starb von eigener Hand. WABT 663 1 So starb der erste König von Israel, belastet mit der Schuld eines Selbstmordes. Es war ein verfehltes Leben gewesen. Saul ging in Schande und Verzweiflung zugrunde, weil er seinen Eigensinn beharrlich dem Willen Gottes entgegengesetzt hatte. WABT 663 2 Die Nachricht von der Niederlage sprach sich schnell herum und verbreitete bei allen Israeliten Angst und Schrecken. Sie flohen aus den Städten, von denen die Philister unbehelligt Besitz ergriffen. Sauls Regierung, unabhängig von Gott geführt, hatte sein Volk an den Rand des Untergangs gebracht. WABT 663 3 Am Tag nach dem Gefecht suchten die Philister den Kampfplatz ab, beraubten die Erschlagenen und fanden die Leichname Sauls und seiner drei Söhne. Um ihren Triumph zu krönen, schlugen sie Saul den Kopf ab und zogen ihm die Rüstung aus. Dann schickten sie Kopf und Panzer, noch voller Blut, als Siegestrophäe in ihr Land "und ließen die Siegesnachricht in den Tempeln ihrer Götzen und beim ganzen Volk verkünden". Die Rüstung landete schließlich "im Tempel der Astarte" und das Haupt wurde im Dagon-Tempel aufgehängt (1. Samuel 31,9.10 NLB). Somit schrieben sie ihren Siegesruhm diesen falschen Göttern zu, und der Name Jahwes wurde entehrt. WABT 663 4 Die Leichname von Saul und seinen Söhnen wurden nach Bet-Schean geschleift, einer Stadt nicht weit von Gilboa entfernt, in der Nähe des Jordan. Hier wurden sie an Ketten aufgehängt, um sie den Raubvögeln zum Fraß zu überlassen. Aber tapfere Männer aus Jabesch in Gilead erinnerten sich an die Rettung ihrer Stadt durch Saul in seinen früheren, glücklicheren Jahren. Sie zeigten ihre Dankbarkeit dadurch, dass sie die Leichname des Königs und der Prinzen bargen und ihnen ein ehrenvolles Begräbnis gaben. In der Nacht setzten sie über den Jordan, "holten die Leichen Sauls und seiner Söhne von der Mauer herunter. Sie brachten sie nach Jabesch und verbrannten sie dort. Dann nahmen sie ihre Gebeine, begruben sie unter der Tamariske in Jabesch und fasteten sieben Tage lang." (1. Samuel 31,12.13 NLB) So wirkte die edle Tat nach, die 40 Jahre zuvor geschehen war. Liebevolle und barmherzige Hände bereiteten Saul und seinen Söhnen in jener dunklen Stunde der Niederlage und Schmach eine Ruhestätte. ------------------------Kapitel 67 - Zauberei Früher Und Heute WABT 664 1 Der biblische Bericht von Sauls Besuch bei der Totenbeschwörerin von En-Dor hat schon vielen Bibellesern Kopfzerbrechen bereitet. Manche vertreten die Meinung, an dem Gespräch mit Saul habe Samuel tatsächlich teilgenommen, doch die Bibel liefert selbst genügend Hinweise für eine gegenteilige Schlussfolgerung. Wenn Samuel im Himmel gewesen wäre, wie einige behaupten, müsste er entweder durch Gottes oder durch Satans Macht von dorther gerufen worden sein. Doch niemand wird auch nur einen Augenblick lang glauben, Satan habe die Macht, Gottes heiligen Propheten aus dem Himmel herabzurufen, um den Beschwörungen einer abgefallenen Frau Folge zu leisten. Wir können auch nicht schlussfolgern, dass Gott ihn in die Höhle der Hexe geschickt habe, denn er hatte es bereits abgelehnt, auf Sauls Fragen durch Träume, durch das Los "Licht" oder durch Propheten zu antworten (1. Samuel 28,6). Dies waren nämlich die von Gott selbst bestimmten Mittel der Verständigung. Diese hätte er sicher nicht übergangen, um die Botschaft durch Satans Werkzeug zu übermitteln. WABT 664 2 Die Botschaft selbst ist Beweis genug für ihre Herkunft. Ihr Zweck war nicht, Saul zur Umkehr zu bewegen, sondern ihn noch weiter ins Verderben zu stürzen; und das ist nie Gottes, sondern Satans Absicht. Weiter wird in der Heiligen Schrift Sauls Befragung einer Geisterbeschwörerin als einer der Gründe angeführt, weshalb Gott ihn verworfen und dem Untergang preisgegeben hat: "So starb Saul um seines Treubruchs willen, mit dem er sich an dem Herrn versündigt hatte, weil er das Wort des Herrn nicht hielt, auch weil er die Wahrsagerin befragt, den Herrn aber nicht befragt hatte. Darum ließ er ihn sterben und wandte das Königtum David, dem Sohn Isais, zu." (1. Chronik 10,13.14) Hier wird ausdrücklich festgestellt, dass Saul eine Wahrsagerin befragte und nicht Gott. Er sprach nicht mit Samuel, dem Propheten Gottes, sondern durch die Wahrsagerin mit Satan. Dieser konnte nicht den wirklichen Samuel hervorbringen, sondern täuschte in betrügerischer Absicht dessen Erscheinung lediglich vor. Die Grundlage Aller Geisterbeschwörung Und Des Heidnischen Götzendienstes WABT 665 1 Nahezu alle Formen von Magie und Hexenkunst im Altertum beruhten auf dem Glauben, man könne mit den Toten Verbindung aufnehmen. Diejenigen, die Totenbeschwörung betrieben, behaupteten, sie hätten Umgang mit den Geistern der Verstorbenen und erhielten durch sie Einblick in zukünftige Ereignisse. Auf diesen Brauch der Totenbefragung bezieht sich die Weissagung Jesajas: "Wenn sie aber zu euch sagen: Ihr müsst die Totengeister und Beschwörer befragen, die da flüstern und murmeln, so sprecht: Soll nicht ein Volk seinen Gott befragen? Oder soll man für Lebendige die Toten befragen?" (Jesaja 8,19) WABT 665 2 Genau dieser Glaube an eine Gemeinschaft mit den Toten bildete den Eckpfeiler des heidnischen Götzendienstes. Die Götzen seien zu Göttern erhobene Geister verstorbener Helden, glaubten die Heiden. Somit war ihre Religion eine Anbetung der Toten. Das geht klar aus der Heiligen Schrift hervor. Im Bericht über Israels Sünde bei Baal-Peor wird gesagt: "Und Israel blieb in Schittim. Und das Volk fing an, Unzucht zu treiben mit den Töchtern Moabs; und diese luden das Volk zu den Opfern ihrer Götter ein, und das Volk aß und warf sich nieder vor ihren Göttern. Und Israel hängte sich an den Baal-Peor." (4. Mose 25,1-3 Elb.) Der Psalmist lässt uns wissen, welcher Art von Göttern diese Opfer dargebracht wurden. Er bezieht sich dabei auf den erwähnten Abfall der Israeliten und schrieb: "Sie hängten sich an den Baal-Peor und aßen von den Opfern für die Toten." (Psalm 106,28) Damit sind Opfergaben gemeint, die den Toten dargebracht wurden. WABT 665 3 Die Vergöttlichung der Toten wie auch die vermeintliche Verbindung mit ihnen hat in fast allen heidnischen Religionen eine bedeutende Rolle gespielt. Man glaubte, die Götter bekundeten den Menschen ihren Willen und erteilten auf Befragen Rat. Dieser Art waren auch die berühmten Orakel der Griechen und Römer. WABT 665 4 Noch heute glaubt man an eine Gemeinschaft mit den Toten, sogar in bekennenden christlichen Ländern. Unter der Bezeichnung Spiritismus hat die Praxis der Befragung angeblicher Geister der Toten weite Verbreitung gefunden. Sie zielt darauf ab, sich die Gefühle jener nutzbar zu machen, die einen lieben Angehörigen ins Grab legen mussten. Zuweilen erscheinen den Trauernden Geistwesen in Gestalt der Verstorbenen, schildern Vorfälle, die im Zusammenhang mit deren Leben standen, und führen Handlungen aus, die jene zu Lebzeiten durchführten. Auf diese Weise verleiten sie die Menschen zum Glauben, ihre verstorbenen Verwandten oder Freunde seien Engel, die um sie schweben und mit ihnen in Verbindung treten. Diesen vorgeblichen Geistern der Verstorbenen wird eine gewisse abgöttische Verehrung entgegengebracht. Bei vielen hat ihr Wort größeres Gewicht als das Wort Gottes. WABT 666 1 Viele andere wiederum halten den Spiritismus für bloßen Schwindel. Die Erscheinungen, durch die er seinen Anspruch auf Übernatürlichkeit stützt, werden Betrügereien seitens des Mediums zugeschrieben. Sicher sind Tricks als echte Erscheinungen ausgegeben worden, aber es gibt auch deutliche Beweise für übernatürliche Kräfte. Und viele, die den Spiritismus als Ergebnis menschlicher Geschicklichkeit oder Täuschung abtun, werden, wenn sie dessen unerklärbare Bekundungen miterleben, dazu verführt, seine Behauptungen anzuerkennen. WABT 666 2 Die Grundlage des modernen Spiritismus wie auch der Formen der alten Magie und des Götzendienstes ist die Verbindung mit den Toten. Sie alle gründen sich auf jene erste Lüge, mit der Satan Eva im Garten Eden umgarnte: "Keineswegs werdet ihr sterben! Sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott." (1. Mose 3,4.5 Elb.) All das Erwähnte beruht auf dieser Unwahrheit und erhält sie aufrecht; es stammt alles vom "Vater der Lüge" (Johannes 8,44c). Gott Hat Jede Gemeinschaft Mit Den Toten Verboten WABT 666 3 Den Israeliten war ausdrücklich verboten worden, auf irgendeine Weise mit den Toten in Verbindung zu treten. Gott schob solchen Praktiken einen wirksamen Riegel, als er sagte: "Die Toten aber wissen gar nichts ... sie haben ewig keinen Anteil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht." (Prediger 9,5b.6b Elb.) "Denn des Menschen Geist muss davon, und er muss wieder zu Erde werden; dann sind verloren alle seine Pläne." (Psalm 146,4) "Wenn sich jemand zu den Geisterbeschwörern und Zeichendeutern wendet, dass er mit ihnen Abgötterei treibt, so will ich mein Antlitz gegen ihn kehren und will ihn aus seinem Volk ausrotten." (3. Mose 20,6) WABT 666 4 Die "Geister", die herbei beschworen werden, sind nicht die Geister oder Seelen der Toten, sondern böse Engel, Boten Satans. Der Götzendienst im Altertum, der - wie wir gesehen haben - sowohl den Totenkult als auch den vorgeblichen Umgang mit den Toten umfasste, wird von der Bibel mit der Anbetung böser Geister gleichgesetzt. Der Apostel Paulus warnte die Christen davor, in irgendwelcher Form am Götzendienst ihrer heidnischen Nachbarn teilzunehmen: "Was die Götzenverehrer opfern, das opfern sie nicht Gott, sondern den Dämonen. Ich möchte aber nicht, dass ihr euch mit Dämonen verbindet." (1. Korinther 10,20 GNB) Der Psalmist sagt von Israel: "Sie opferten ihre Söhne und ihre Töchter den bösen Geistern und vergossen unschuldig Blut, das Blut ihrer Söhne und Töchter, die sie opferten den Götzen Kanaans, sodass das Land mit Blutschuld befleckt war." (Psalm 106,37.38) Mit ihrer vermeintlichen Totenverehrung beteten sie also in Wirklichkeit Dämonen an. Der Moderne Spiritismus WABT 667 1 Der moderne Spiritismus beruht auf der gleichen Grundlage und ist lediglich eine Wiederbelebung der Geisterbeschwörung und der Dämonenverehrung in neuer Form, die Gott von alters her verurteilt und verboten hat. In der Bibel wird vorausgesagt, "dass in den letzten Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden und verführerischen Geistern und teuflischen Lehren anhängen" werden (1. Timotheus 4,1). In seinem zweiten Brief an die Thessalonicher weist Paulus auf das besondere Wirken Satans im Spiritismus hin als ein Geschehen, das unmittelbar vor der Wiederkunft von Christus stattfindet: "Der Böse aber wird in der Macht des Satans auftreten mit großer Kraft und lügenhaften Zeichen und Wundern." (2. Thessalonicher 2,9) WABT 667 2 Petrus beschrieb die Gefahren, denen die Gemeinde in den letzten Tagen ausgesetzt sein wird, mit den Worten: "Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch sein werden falsche Lehrer, die verderbliche Irrlehren einführen und verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat ... Und viele werden ihnen folgen in ihren Ausschweifungen." (2. Petrus 2,1.2) Hier hat der Apostel eines der deutlichen Merkmale spiritistischer Lehrer genannt: Sie weigern sich, Jesus Christus als den Sohn Gottes anzuerkennen. Johannes schrieb: "Wer ist der Lügner? Der, der verneint, dass in Jesus der Sohn Gottes erschienen ist. Das ist der Antichrist; er verneint mit dem Sohn auch den Vater. Wer den Sohn leugnet, hat auch keine Verbindung mit dem Vater." (1. Johannes 2,22.23a GNB) Indem der Spiritismus Christus nicht anerkennt, verleugnet er sowohl den Vater als auch den Sohn, und das bezeichnet die Bibel als ein Kennzeichen des Antichristen. Wahrsagerei - Ein Gefährlicher Irrweg WABT 667 3 Mit der Voraussage von Sauls Untergang durch die Totenbeschwörerin von En-Dor beabsichtigte Satan, die Israeliten zu verführen. Er hoffte, dass sie Vertrauen zur Wahrsagerin gewinnen und sie weiterhin um Rat fragen würden. So würden sie von Gott als ihrem Ratgeber abgelenkt werden und hätten sich unter Satans Führung begeben. Das Lockmittel, mit dem der Spiritismus die Massen anzieht, ist seine vorgebliche Macht, den Schleier der Zukunft beiseitezuziehen und den Menschen zu offenbaren, was Gott verborgen hält. Gott hat uns in seinem Wort die großen Ereignisse der Zukunft dargelegt - all das, was zu wissen für uns wesentlich ist - und uns eine sichere Wegweisung für unsere Schritte inmitten all ihrer Gefahren gegeben. Satans Absicht hingegen ist es, das Gottvertrauen der Menschen zu zerstören, sie mit ihren Lebensbedingungen unzufrieden zu machen, sie nach Erkenntnissen suchen zu lassen, die Gott in seiner Weisheit vor ihnen verborgen hält, und das zu verachten, was der Herr in seinem heiligen Wort offenbart hat. WABT 668 1 Viele werden unruhig, wenn sie nicht absehen können, wie sich bestimmte Angelegenheiten entwickeln werden. Ungewissheit können sie nicht ertragen, und in ihrer Ungeduld wollen sie nicht auf Gottes Hilfe warten. Die Angst vor möglichem Unglück nimmt sie gefangen. Sie lassen ihren Gefühlen der Auflehnung freien Lauf, wenden sich in leidenschaftlichem Kummer hierhin und dorthin und suchen nach Einblick in Dinge, die Gott nicht offenbart hat. Wenn sie Gott vertrauen und unter Gebet wachen würden, würden sie göttlichen Trost erhalten. Die Müden und Beladenen fänden Ruhe für ihre Seelen, wenn sie zu Jesus gingen (vgl. Matthäus 11,28.29b)! Aber wer die Mittel vernachlässigt, die ihm Gott zum Trost bestimmt hat, und bei anderen Quellen Zuflucht sucht in der Hoffnung, dort zu erfahren, was Gott ihm vorenthält, begeht denselben Fehler wie Saul und gewinnt lediglich ein Wissen über das Böse. WABT 668 2 Solche Wege gefallen Gott nicht, das hat er unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Diese Ungeduld, den Schleier von der Zukunft wegreißen zu wollen, offenbart einen Mangel an Glauben und macht uns den Einflüsterungen des Erzbetrügers zugänglich. Satan verleitet Menschen dazu, sich Rat bei Wahrsagern zu holen. Durch die Enthüllung verborgener Dinge aus der Vergangenheit weckt er Vertrauen in seine vermeintliche Fähigkeit, Zukünftiges vorherzusagen. Aus Erfahrung, die er durch lange Zeitalter gewonnen hat, kann er von der Ursache auf die Wirkung schließen und somit manche Ereignisse im Leben eines Menschen bis zu einem gewissen Genauigkeitsgrad vorhersagen. Auf diese Weise gelingt es ihm, bedauernswerte, irregeleitete Menschen zu täuschen, sie in seinen Bann zu ziehen und nach Belieben gefangen zu halten. WABT 668 3 Gott warnt uns durch seinen Propheten: "Und wenn sie zu euch sagen: Befragt die Totengeister und die Wahrsagegeister, die da flüstern und murmeln, so antwortet: Soll nicht ein Volk seinen Gott befragen? Soll es etwa für die Lebenden die Toten befragen? Hin zur Weisung und zur Offenbarung! Wenn sie nicht nach diesem Wort sprechen, dann gibt es für sie keine Morgenröte. Man wird darin umherziehen ... Und man wird sich nach oben wenden und wird zur Erde blicken: Und siehe, da ist Not und Finsternis, bedrängendes Dunkel, und in dichte Finsternis ist man hineingestoßen." (Jesaja 8,19-22 Elb.) WABT 669 1 Sollen diejenigen, die einen heiligen Gott haben, dessen Wissen und Macht unendlich ist, zu Wahrsagern und ähnlichen Leuten gehen, deren Kenntnisse aus der Vertrautheit mit dem Feind unseres Herrn stammen? Gott selbst ist das Licht seines Volkes. Er wünscht, dass Christen den Blick gläubig auf die großartigen Dinge richten, die der menschlichen Sicht verhüllt sind. Die "Sonne der Gerechtigkeit" (Maleachi 3,20b) sendet helle Strahlen in ihre Herzen. Sie haben Licht vom Thron Gottes und darum kein Verlangen, sich von der Quelle des Lichtes ab- und den Boten Satans zuzuwenden. Die Folgen Des Einflusses Der Dämonen WABT 669 2 Obwohl die dämonische Botschaft an Saul eine Verurteilung der Sünde und eine Strafankündigung enthielt, zielte sie nicht darauf ab, ihn zu bessern, sondern ihn in die Verzweiflung und den Ruin zu treiben. Viel häufiger allerdings dient es den Absichten des Versuchers, die Menschen durch Schmeichelei ins Verderben zu locken. Die Lehren der dämonischen Götter förderten im Altertum die abscheulichste Freizügigkeit. Die Gebote Gottes, die Sünde verurteilen und Gerechtigkeit fordern, wurden beiseitegesetzt. Die Wahrheit wurde geringgeschätzt. Die Unzucht wurde nicht nur geduldet, sondern man ermutigte dazu. Der Spiritismus verkündet, es gebe keinen Tod, keine Sünde, kein Gericht Gottes, keine Vergeltung, die Menschen seien nichtgefallene Halbgötter und die Lust sei das oberste Gesetz. Der Mensch sei nur sich selbst verantwortlich. Die Schranken, die Gott errichtet hat, um Wahrheit, sittliche Reinheit und Ehrfurcht zu schützen, werden niedergerissen, und viele Menschen fühlen sich in ihren Sünden bestärkt. Weisen solche Lehren nicht auf einen Ursprung hin, der dem der alten Verehrung von Dämonen entspricht? WABT 669 3 An den Gräueln der Kanaaniter zeigte der Herr dem Volk Israel, wohin die Verbindung mit bösen Geistern führt: Diese Völker kannten keine natürliche Zuneigung, waren Götzendiener, Ehebrecher, Mörder, abscheulich in ihrem lasterhaften Denken und in ihren abstoßenden Gewohnheiten. Menschen kennen sich oft selbst nicht, denn "Nichts ist so abgründig wie das menschliche Herz" (Jeremia 17,9a GNB). Aber Gott kennt die Neigungen der gefallenen menschlichen Natur. Damals wie heute war Satan stets darauf bedacht, Bedingungen zu schaffen, welche die Auflehnung gegen Gott begünstigen, wodurch sich das Volk Israel in Gottes Augen genauso verabscheuenswür- dig machte wie die Kanaaniter. Der Widersacher ist stets hellwach, wenn es gilt, Kanäle für den ungehinderten Fluss des Bösen in uns zu öffnen, denn er wünscht sich unser Verderben und unsere Verdammnis vor Gott. WABT 670 1 Satan war entschlossen, das Land Kanaan in seinem Machtbereich zu halten. Als es der Wohnsitz der Israeliten wurde, denen Gottes Gebote als Gesetz des Landes galten, richtete Satan seinen abgrundtiefen, grausamen Hass gegen Israel und plante dessen Vernichtung. WABT 670 2 Als Folge des Wirkens der Dämonen wurden fremde Götter eingeführt, und wegen dieser Sünde wurde das auserwählte Volk schließlich aus dem Land der Verheißung vertrieben und zerstreut. Satan ist bestrebt, diese Geschichte in unseren Tagen zu wiederholen. Gott führt sein Volk von den Gräueln der Welt weg, damit es sein Gesetz hält. Gerade deswegen kennt der Zorn des "Verklägers unserer Brüder" keine Grenzen. "Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen und hat große Wut, da er weiß, dass er nur eine kurze Zeit hat." (Offenbarung 12,10.12 Elb.) Das Land der Verheißung, das neue Kanaan, liegt vor uns. Satan ist fest entschlossen, Gottes Volk zu verderben und ihm sein Erbe streitig zu machen. Die Mahnung "Seid wachsam und betet, sonst wird euch die Versuchung überwältigen" (Markus 14,38 GNB) war niemals zeitgemäßer als heute. WABT 670 3 Das Wort des Herrn an das alte Volk Israel gilt auch für sein Volk in unserer Zeit: "Wendet euch nicht an Wahrsager und an Leute, die die Geister der Toten befragen. Wer das tut, macht sich unrein" (3. Mose 19,31 GNB) und "ist dem Herrn ein Gräuel." (5. Mose 18,12) ------------------------Kapitel 68 - David Unter Den Philistern WABT 671 0 1. Samuel 29 bis 30 und 2. Samuel 1. WABT 671 1 David und seine Männer hatten sich an der Schlacht zwischen Saul und den Philistern nicht beteiligt, obwohl sie mit ihnen bis zum Kriegsschauplatz marschiert waren. Als die beiden Heere Vorbereitungen trafen, sich zum Kampf aufzustellen, geriet David in große Verlegenheit. Bei den Philistern erwartete man, dass er auf ihrer Seite kämpfen werde. Falls er während der Schlacht die ihm zugewiesene Stellung verlassen und sich zurückziehen sollte, würde er nicht nur als Feigling dastehen, sondern auch als einer, der sich undankbar und verräterisch gegenüber Achisch zeigte, obwohl ihn dieser beschützt und ihm sein Vertrauen geschenkt hatte. Ein solches Verhalten würde Schande über seinen Namen bringen und ihn dem Zorn von Feinden aussetzen, die er mehr fürchten müsste als Saul. David konnte jedoch auch nicht zustimmen, gegen Israel zu kämpfen. Täte er dies, würde er zum Verräter an seinem Heimatland - zu einem Feind Gottes und seines Volkes. Das würde ihm für immer den Zugang zum Thron Israels versperren. Und sollte Saul im Kampf fallen, würde sein Tod David angelastet werden. WABT 671 2 David erkannte, dass er einen Irrweg eingeschlagen hatte. Es wäre für ihn weit besser gewesen, in Gottes Festung in den Bergen Zuflucht zu suchen statt bei den erklärten Feinden Jahwes und seines Volkes. In seiner großen Barmherzigkeit aber bestrafte der Herr diesen Irrtum seines Dieners nicht dadurch, dass er ihn in seinem Kummer und seiner Ratlosigkeit sich selbst überließ. Obwohl David sich von der göttlichen Kraftquelle entfernt hatte, vom Weg entschiedener Redlichkeit abgekommen und gestrauchelt war, blieb es sein Herzenswunsch, Gott treu zu sein. Während Satan und sein Heer die Feinde Gottes und Israels in ihren Plänen gegen einen König unterstützten, der sich von Gott abgewandt hatte, waren Engel des Herrn am Werk, um David aus der Gefahr, in die er geraten war, zu retten. Himmlische Boten bewogen die Philisterfürsten, die Beteiligung Davids und seiner Leute am bevorstehenden Kampf abzulehnen. David Wird Von Den Philistern Weggeschickt WABT 672 1 Sie bedrängten Achisch: "Was sollen diese Hebräer?" Aber er mochte sich nicht von einem solch wichtigen Verbündeten trennen und antwortete: "Das ist David, der früher König Saul von Israel diente. Er ist schon lange bei mir, und ich habe nichts Verdächtiges an ihm gefunden, seit er zu mir übergelaufen ist." (1. Samuel 29,3 NLB) WABT 672 2 Die Fürsten jedoch reagierten ungehalten und bestanden auf ihrer Forderung: "Schick ihn zurück. Er soll wieder an den Ort zurückkehren, den du ihm zugewiesen hast! ... Er kann nicht mit uns in die Schlacht ziehen. Was, wenn er sich gegen uns wendet? Gibt es eine bessere Möglichkeit für ihn, sich mit seinem Herrn zu versöhnen als mit den Köpfen unserer Männer? Ist das nicht derselbe David, von dem die Frauen Israels bei ihren Tänzen gesungen haben: ›Saul hat Tausende getötet, aber David Zehntausende?‹" (1. Samuel 29,4.5 NLB) Die Philisterfürsten erinnerten sich noch sehr gut an den Triumph Israels, als ihr berühmter Vorkämpfer erschlagen wurde. Sie glaubten nicht, dass David gegen sein eigenes Volk kämpfen würde. Und wenn er sich in der Hitze des Gefechts auf dessen Seite schlüge, könnte er den Philistern mehr schaden als Sauls ganzes Heer. WABT 672 3 So gab Achisch schließlich gezwungenermaßen nach. Er rief David zu sich und sagte ihm: "So wahr der Herr lebt ... ich halte dich für ehrlich. Mir wäre es recht, du würdest mit uns in die Schlacht ziehen, denn bis jetzt habe ich nichts an dir auszusetzen gehabt. Aber die anderen Herrscher der Philister trauen dir nicht. Verärgere sie nicht, sondern kehr wieder um und zieh in Frieden heim." (1. Samuel 29,6.7 NLB) WABT 672 4 Vorsichtig, um seine wahren Gefühle nicht zu verraten, entgegnete David: "Habe ich je etwas Anstößiges getan, seit ich in deinen Diensten stehe? Warum kann ich nicht gegen die Feinde meines Herrn, des Königs, kämpfen?" (1. Samuel 29,8 NLB) WABT 672 5 Die Erwiderung von Achisch muss in David ein Gefühl der Scham und Reue ausgelöst haben, als ihm klar wurde, wie sehr die Täuschungen, zu denen er sich hergegeben hatte, eines Dieners Jahwes unwürdig waren. "In meinen Augen bist du so gut wie ein Engel Gottes", erwiderte der König, "aber die Heerführer der Philister wollen nicht, dass du mit in die Schlacht ziehst. Steh morgen früh auf und verlasse das Lager mit deinen Männern, die einst Saul, deinem Herrn, dienten, und zieht fort, sobald es hell wird." (1. Samuel 29,9.10 NLB) Auf diese Weise wurde David aus der misslichen Lage befreit, in die er geraten war. Die Rache Der Amalekiter In Ziklag WABT 673 1 Nach dreitägigem Marsch erreichte David mit seinen 600 Männern Ziklag, ihr Zuhause im Land der Philister. Doch ihren Blicken bot sich ein trostloses Bild! Die Abwesenheit Davids und seiner Streitmacht hatten die Amalekiter dazu genutzt, sich für seine Überfälle auf ihr Gebiet zu rächen. Sie hatten die Stadt, die unbewacht zurückgelassen worden war, überfallen, geplündert, niedergebrannt und alle Frauen und Kinder als Gefangene mitgenommen, dazu reiche Beute gemacht. WABT 673 2 Stumm vor Entsetzen und Bestürzung starrten David und seine Männer nur kurz auf die geschwärzten, rauchenden Ruinen. Als diese von Kämpfen gezeichneten Krieger ihr Elend in seinem ganzen Ausmaß erfassten, erhoben sie "ihre Stimme und weinten, bis sie nicht mehr weinen konnten." (1. Samuel 30,4) WABT 673 3 Einmal mehr wurde David für seinen Kleinglauben bestraft, der ihn veranlasst hatte, sich bei den Philistern niederzulassen. Nun erhielt er die Gelegenheit zu erkennen, wie wenig Sicherheit unter jenen Menschen zu finden war, die Gott und seinem Volk feindlich gegenüber standen. Davids Anhänger machten ihn für dieses Unglück verantwortlich. Er hatte durch seine Angriffe auf die Amalekiter deren Rachsucht herausgefordert und dennoch die Stadt unbewacht gelassen, weil er sich inmitten seiner Feinde allzu sehr in Sicherheit gewiegt hatte. Seine Krieger waren rasend vor Wut und Schmerz und zu jeder Verzweiflungstat bereit. Sie drohten sogar, ihren Anführer zu steinigen. WABT 673 4 Es schien, als hätte David jede menschliche Unterstützung verloren. Alles, was ihm auf Erden lieb war, war ihm entrissen worden. Saul hatte ihn aus seiner Heimat vertrieben; die Philister hatten ihn gezwungen, das Feldlager zu verlassen; die Amalekiter hatten die Stadt geplündert; seine Frauen und Kinder waren gefangen genommen worden; seine vertrauten Kameraden hatten sich gegen ihn verschworen und drohten ihm sogar mit dem Tod. In dieser Stunde äußerster Not ließ David seine Gedanken nicht mehr bei den schmerzlichen Umständen verweilen, sondern wandte sich ernstlich an Gott um Hilfe. Er "stärkte sich in dem Herrn." (1. Samuel 30,6c) Er blickte zurück auf sein bisheriges bewegtes Leben. In welcher Lage hatte der Herr ihn je im Stich gelassen? Er wurde gestärkt, als er sich die vielen Beweise der Gunst Gottes ins Gedächtnis rief. Davids Anhänger hingegen machten sich ihr Elend durch ihre Unzufriedenheit und Ungeduld doppelt schwer, aber der Mann Gottes, der noch mehr Grund zur Trauer hatte, hielt sich tapfer aufrecht. "Wenn ich mich fürchte, so hoffe ich auf dich" (Psalm 56,4), betete er in seinem Herzen. Auch wenn ihm seine schwierige Lage ausweglos schien - Gott kannte die Lösung und würde ihm zeigen, wie er handeln sollte. WABT 674 1 David ließ den Hohenpriester Abjatar, den Sohn Ahimelechs, rufen und befragte durch ihn "den Herrn: ›Soll ich diese Räuberbande verfolgen? Werde ich sie einholen?‹ Er erhielt die Antwort: ›Verfolge sie! Du wirst sie einholen und die Gefangenen retten.‹" (1. Samuel 30,8 GNB) Die Befreiung Der Gefangenen Familien WABT 674 2 Als die Männer diese Worte hörten, legte sich die aus ihrem Schmerz und ihrer Wut erwachsene Empörung. Sogleich nahm David mit seinen Männern die Verfolgung seiner Feinde auf. Sie marschierten so schnell, dass am Bach Besor, der bei Gaza ins Mittelmeer mündet, 200 von ihnen vor Erschöpfung zurückbleiben mussten. Mit den übrigen 400 aber stürmte David zielstrebig weiter. WABT 674 3 Bei ihrem weiteren Vorrücken stießen sie auf einen ägyptischen Sklaven, der allem Anschein nach vor Erschöpfung und Hunger im Sterben lag. Nachdem sie ihm zu essen und trinken gegeben hatten, erholte er sich. Nun erfuhren sie von ihm, dass ihn sein grausamer Herr, einer der eingefallenen Amalekiter, dem Tod überlassen habe. Er berichtete vom Überfall und der Plünderung. Nachdem er sich das Versprechen hatte geben lassen, weder getötet noch seinem Herrn ausgeliefert zu werden, willigte er ein, Davids Truppe zum Lager ihrer Feinde zu führen. WABT 674 4 Als sie das Lager erblickten, staunten sie nicht schlecht über das ausgelassene Fest, das da im Gange war. Das Heer der Amalekiter feierte ausgelassen seinen Sieg. "Die Amalekiter hatten sich über die ganze Gegend zerstreut und aßen und tranken und feierten vor Freude über die reiche Beute, die sie bei den Philistern und im Gebiet von Juda gemacht hatten." (1. Samuel 30,16 NLB) Sofort gab David seinen Männern den Befehl zum Angriff. Diese stürzten sich wütend auf ihre Feinde. Die Amalekiter waren völlig überrascht und es entstand ein großes Durcheinander. Der Kampf dauerte die ganze Nacht hindurch und ging noch am darauffolgenden Tag weiter, bis fast das gesamte feindliche Heer aufgerieben war. Nur 400 Männern gelang es, auf Kamelen zu entkommen. Das Wort des Herrn hatte sich erfüllt. "David bekam alles zurück, was die Amalekiter ihm genommen hatten, auch seine beiden Frauen. Nicht das Geringste fehlte, keiner von den Söhnen oder Töchtern, auch nichts von der Beute, die sie mitgenommen hatten. David brachte alles zurück." (1. Samuel 30,18.19 NLB) WABT 675 1 Als David in das Land der Amalekiter eingedrungen war, hatte er alle Bewohner, die ihm in die Hände fielen, mit dem Schwert getötet. Wären die Amalekiter nicht durch Gottes Macht zurückgehalten worden, hätten sie Vergeltung geübt und alle Einwohner von Ziklag getötet. Sie hatten sich jedoch entschieden, die Unterworfenen zu verschonen. Damit beabsichtigten sie, ihren Siegesruhm zu vermehren, indem sie eine große Zahl an Kriegsgefangenen heimbrachten, die sie anschließend als Sklaven verkaufen wollten. Ohne es zu wissen, hatten sie damit Gottes Absicht erfüllt. Nachdem sie den Gefangenen nichts zuleide getan hatten, konnten diese ihren Ehemännern und Vätern wieder zurückgegeben werden. WABT 675 2 Alle irdischen Mächte unterliegen der Herrschaft des ewigen Gottes. Zum gewaltigsten Machthaber und grausamsten Unterdrücker sagt er: "Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter." (Hiob 38,11) Gott übt beständig seine Macht aus, um den Handlangern des Bösen entgegenzuarbeiten. Er wirkt allezeit an den Menschen - nicht, um sie zu vernichten, sondern um sie zu bessern und zu bewahren. Die Verteilung Der Beute WABT 675 3 Mit großer Freude traten die Sieger den Heimweg an. Als sie ihre Kameraden erreichten, die auf dem Hinweg zurückgeblieben waren, verlangten die selbstsüchtigen und rücksichtslosen unter den 400 Männern, dass jene, die nicht an der Schlacht teilgenommen hatten, keinen Anteil an der Beute erhalten sollten. Sie sollten sich doch damit zufriedengeben, dass sie ihre Frauen und Kinder zurückerhalten hatten. Aber mit einer solchen Regelung war David nicht einverstanden. "Nein, meine Brüder! Geht nicht so mit dem um, was der Herr uns geschenkt hat ...", sagte er. "Jeder bekommt den gleichen Anteil - diejenigen, die in die Schlacht zogen, bekommen genauso viel wie diejenigen, die das Lager mit dem Gepäck bewachten. Alles soll miteinander geteilt werden." (1. Samuel 30,23.24 NLB) So wurde es dann auch gemacht. Später wurde es in Israel zum Gesetz erhoben, dass alle, die ehrenhaft an einem Feldzug teilnahmen, genauso an der Beute beteiligt sein sollten wie die eigentlichen Kämpfer. WABT 675 4 David und seine Truppe hatten nicht nur die gesamte Kriegsbeute, die aus Ziklag entwendet worden war, zurückgewonnen, sondern auch viele Schafe und Rinder der Amalekiter mitgenommen. Man nannte sie "Davids Beute". Im Anschluss an seine Rückkehr nach Ziklag sandte er davon Geschenke an die Ältesten seines Stammes Juda. Er berücksichtigte dabei aber auch alle, die ihm und seinen Begleitern behilflich gewesen waren, als er noch unter Lebensgefahr von einem Ort zum anderen fliehen musste. So drückte er seine dankbare Anerkennung für ihre Freundlichkeit und ihr Mitgefühl aus, was dem verfolgten Flüchtling so kostbar gewesen war. Die Nachricht Von Sauls Und Jonatans Tod WABT 676 1 Drei Tage waren vergangen, seit David und seine Krieger nach Ziklag zurückgekehrt waren. Während sie am Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser arbeiteten und unruhig auf Nachricht von der Schlacht zwischen Israel und den Philistern warteten, kam plötzlich ein Bote in die Stadt. "Er hatte seine Kleider zerrissen und sich Erde auf den Kopf gestreut." (2. Samuel 1,2 NLB) Man brachte ihn sofort zu David, vor dem er sich ehrfurchtsvoll verneigte. Damit brachte er zum Ausdruck, dass er ihn als einen mächtigen Fürsten anerkannte, dessen Gunst er begehrte. David fragte ungeduldig, wie die Schlacht verlaufen sei. Daraufhin berichtete der Flüchtling von Sauls Niederlage und Ende und auch von Jonatans Tod. Er ging aber über eine einfache Darstellung der Tatsachen hinaus. Offensichtlich setzte er voraus, dass David gegen seinen unbarmherzigen Verfolger feindselige Gefühle hegte, und hoffte, als der geehrt zu werden, der den König getötet hatte. Mit prahlerischer Miene erzählte er weiter, wie er den König von Israel verwundet aufgefunden habe, wie dieser durch seine Feinde hart bedrängt worden sei und wie er Saul auf dessen eigene Bitte getötet habe. Den Stirnreif und die goldenen Armspangen hatte er David mitgebracht. Zuversichtlich erwartete er, dass diese Nachricht mit Freude aufgenommen und er für seine Tat reich belohnt werde. WABT 676 2 Stattdessen "zerrissen David und seine Männer ihre Kleider. Sie klagten und weinten und fasteten bis zum Abend um Saul und seinen Sohn Jona- tan und um das Heer des Herrn und die Männer Israels, weil so viele in der Schlacht umgekommen waren." (2. Samuel 1,11.12 NLB) WABT 676 3 Als sich David von dieser schrecklichen Nachricht etwas erholt hatte, erinnerte er sich an den fremden Boten und an das Verbrechen, dessen dieser sich nach eigener Aussage schuldig gemacht hatte. Er rief den jungen Mann zu sich und fragte ihn: "Woher kommst du?‹ Dieser antwortete: ›Ich bin der Sohn eines Fremden, eines Amalekiters, der in deinem Land lebt.‹ ›Hattest du denn keine Scheu, den Gesalbten des Herrn zu töten?‹, fragte David." (2. Samuel 1,13.14 NLB) Zweimal hatte David Saul in seiner Gewalt gehabt. Aber als man ihn gedrängt hatte, den König zu töten, hatte er es jedes Mal abgelehnt, seine Hand gegen den zu erheben, der auf Gottes Befehl zum Herrscher über Israel gesalbt worden war. Dieser Amalekiter jedoch scheute sich nicht, damit zu prahlen, er habe Israels König umgebracht! Er hatte sich damit selbst eines todeswürdigen Verbrechens bezichtigt, wofür die Strafe unverzüglich vollstreckt wurde. David sagte: "Dein Blut finde keinen Rächer! Du hast dir selbst das Urteil gesprochen, als du sagtest: ›Ich habe den gesalbten König des Herrn getötet.‹" (2. Samuel 1,16 GNB) WABT 677 1 Davids Trauer über Sauls Tod war aufrichtig und tief und bezeugte den Großmut eines edlen Charakters. Er frohlockte nicht über den Fall seines Feindes. Obwohl derjenige, der ihm den Zugang zum Thron Israels versperrt hatte, nun beseitigt war, freute er sich nicht darüber. Der Tod hatte die Erinnerung an Sauls Misstrauen und Grausamkeit ausgelöscht. David dachte nun nur an das, was edel und königlich an ihm gewesen war. Sauls Name war eng verknüpft mit dem Jonatans, dessen Freundschaft so echt und selbstlos gewesen war. WABT 677 2 Das Lied, mit dem David seinen Gefühlen Ausdruck verlieh, wurde ein Schatz für Israel und für das Volk Gottes aller späteren Zeiten: WABT 677 3 Erschlagen liegen sie auf deinen Bergen, die Besten, die du hattest, Israel, dein Ruhm und Stolz, gefallen sind sie - tot! Sprecht nicht davon in Gat und Aschkelon, verschweigt es auf den Gassen dieser Städte! Sonst freuen sich die Frauen der Philister, die Töchter dieser Unbeschnittenen jubeln. Ihr Höhen von Gilboa, seid verflucht! Nie sollen Tau und Regen auf euch fallen, nie sollen Felder voller Frucht euch zieren, weil dort die Schilde unserer Helden liegen, Sauls Schild im Staub, entweiht für alle Zeit! Der Pfeil vom Bogen Jonatans traf stets sein Ziel, und nie zog Saul sein Schwert vergeblich, in Scharen sanken ihre Feinde nieder. Geliebt und hoch geachtet waren sie, im Leben unzertrennlich, Saul und Jonatan -- nun sind sie auch im Tode noch vereint! Sie waren schneller als der schnelle Adler, den Löwen übertrafen sie an Kraft. Ihr Frauen Israels, auf, klagt um Saul! Er war es, der euch Purpurkleider gab und euch mit goldenem Schmuck so reich beschenkte. Die Tapfersten sind tot, im Kampf erschlagen! Auch Jonatan liegt tot dort oben auf den Bergen! Mein Bruder Jonatan, mein bester Freund, voll Schmerz und Trauer weine ich um dich; denn deine Freundschaft hat mir mehr bedeutet, als Frauenliebe je bedeuten kann! Die besten Krieger tot, im Kampf erschlagen, für immer sind die Tapfersten dahin!" (2. Samuel 1,19-27 GNB) ------------------------Kapitel 69 -- Davids Thronbesteigung WABT 679 0 2. Samuel 2,1 bis 5,5. WABT 679 1 Mit Sauls Tod wurde die Gefahr, die David zum Flüchtling gemacht hatte, beseitigt. Nun war der Weg frei für die Rückkehr in sein eigenes Land. Als die Tage der Trauer um Saul und Jonatan vorüber waren, "fragte David den Herrn: ›Soll ich in eine der Städte Judas zurückgehen?‹ Und der Herr antwortete: ›Ja.‹ Daraufhin fragte David: ›Wohin soll ich gehen?‹ Und der Herr antwortete: ›Nach Hebron.‹" (2. Samuel 2,1 NLB) WABT 679 2 Hebron lag gut 30 Kilometer nordöstlich von Ziklag, auf halbem Weg zur späteren Residenzstadt Jerusalem. Hebron hatte ursprünglich Kirjat-Arba geheißen - die Stadt Arbas, des Vaters von Anak. Später nannte man es Mamre, wo die Grabstätte der Patriarchen lag, die "Höhle von Machpela." (vgl. 1. Mose 25,9.10; 23,8.9) Hebron hatte zum Besitz Kalebs gehört und war jetzt der Hauptort des Stammes Juda. Es lag in einem Tal und war von fruchtbarem Hügelland umgeben. Die schönsten Weinberge Palästinas und zahlreiche Olivenhaine und Obstgärten säumten seine Grenzen. David Wird König Über Juda WABT 679 3 Sogleich bereiteten sich David und seine Gefolgsleute vor, der Anweisung zu gehorchen, die Gott ihnen erteilt hatte. Bald waren die 600 bewaffneten Männer mit ihren Frauen, Kindern und Herden auf dem Weg nach Hebron. Als die Karawane in die Stadt einzog, warteten die Einwohner Judas bereits darauf, David als den künftigen König Israels willkommen zu heißen. Sofort wurden Vorbereitungen zu seiner Krönung getroffen, und sie "salbten dort David zum König über das Haus Juda." (2. Samuel 2,4) Es wurde aber nichts unternommen, um seine Herrschaft durch Gewalt auf die anderen Stämme auszudehnen. WABT 679 4 Eine der ersten Amtshandlungen des neu gekrönten Monarchen bestand darin, seine Hochachtung vor dem Andenken Sauls und Jonatans zum Ausdruck zu bringen. Als David von der mutigen Tat der Männer von Jabesch in Gilead erfuhr, wie sie die Leichname der Gefallenen geborgen und ihnen ein ehrenvolles Begräbnis bereitet hatten, "ließ er ihnen durch Boten ausrichten: ›Der Herr segne euch für eure Liebe zu eurem Herrn, dafür, dass ihr ihn begraben habt. Der Herr erweise euch Liebe und Treue! Und auch ich will euch belohnen für das, was ihr getan habt.‹" (2. Samuel 2,5.6 NLB) Er gab seine Thronbesteigung über Juda bekannt und bat um die Untertanentreue derer, die ihre Treue zu Saul bekundet hatten. WABT 680 1 Die Philister unternahmen nichts dagegen, dass David zum König von Juda ausgerufen worden war. In seinem Exil hatten sie sich mit ihm angefreundet, um Sauls Königtum zu untergraben und zu schwächen. Nun hofften sie, dass sich dank ihrer bisherigen Freundlichkeit gegenüber David dessen Machtzuwachs zu ihrem Vorteil auswirken werde. Ein Rivalisierender König Wird Eingesetzt WABT 680 2 Davids Herrschaft blieb allerdings nicht von Schwierigkeiten verschont. Mit seiner Krönung begann ein dunkles Kapitel von Verschwörung und Rebellion, obwohl mit David kein Verräter auf den Thron kam. Gott selbst hatte ihn zum König Israels erwählt, und es bestand kein Anlass zu Misstrauen oder Widerstand. Doch kaum hatten die Männer von Juda seine Autorität anerkannt, wurde durch die Einflussnahme Abners, Sauls Sohn Isch-Boschet zum Gegenkönig in Israel ausgerufen. WABT 680 3 Isch-Boschet war nur ein schwacher und unfähiger Vertreter der Familie Sauls, während sich David hervorragend dazu eignete, die Verantwortung für das Königreich zu tragen. Abner, der Hauptverantwortliche für den Aufstieg Isch-Boschets zu königlicher Macht, war Oberbefehlshaber in Sauls Heer gewesen und jetzt der angesehenste Mann in Israel. Abner wusste, dass David von Gott für den Thron Israels bestimmt worden war. Aber nachdem er ihn so lange gejagt und verfolgt hatte, wollte er Isais Sohn nicht als Nachfolger in dem Reich sehen, das bisher von Saul regiert worden war. WABT 680 4 Die Umstände, in die Abner geriet, brachten seinen wahren Charakter zum Vorschein und offenbarten seinen Ehrgeiz und seine Gewissenlosigkeit. Er war mit Saul eng vertraut gewesen und von dessen Geist so stark beeinflusst worden, dass auch er den Mann verachtete, den Gott zum Herrscher über Israel erwählt hatte. Sein Hass war noch größer geworden, als ihn David scharf rügte, nachdem er eines Nachts Sauls Wasserkrug und Speer geraubt hatte, während Abner im Lager schlief. Er erinnerte sich daran, wie David ihm vor dem König und dem Volk Israel zugerufen hatte: "Du bist doch ein Mann, nicht wahr, Abner? ... Wo in ganz Israel gibt es einen, der so ist wie du? Warum hast du deinen Herrn, den König, nicht bewacht, als jemand aus dem Volk kam, um ihn zu töten? Das war wirklich nicht gut! So wahr der Herr lebt, ihr alle habt den Tod verdient, weil ihr euren Herrn, den Gesalbten des Herrn, nicht beschützt habt!" (1. Samuel 26,15.16 NLB) Diesen Tadel hatte er nicht vergessen, und nun war er entschlossen, seine Rachegedanken in die Tat umzusetzen und Israel zu spalten, um selbst erhöht zu werden. Abner benutzte den Vertreter des bisherigen Königshauses, um seine eigennützigen und ehrgeizigen Pläne voranzutreiben. Er wusste, dass das Volk Jonatan liebte und dessen Andenken hochhielt und das Heer die ersten erfolgreichen Feldzüge Sauls nicht vergessen hatte. Mit einer Entschiedenheit, die einer besseren Sache wert gewesen wäre, machte sich dieser rebellische Anführer daran, seine Pläne zu verwirklichen. WABT 681 1 Mahanajim lag jenseits des Jordan und wurde zur königlichen Hauptstadt gewählt, weil man an diesem Ort vor möglichen Angriffen durch David oder die Philister am sichersten war. Hier fand Isch-Boschets Krönung statt. Zunächst erhielt seine Regierung die Anerkennung der Stämme östlich des Jordan und dehnte sich schließlich über ganz Israel aus - ausgenommen Juda. WABT 681 2 Zwei Jahre lang genoss Sauls Sohn die Ehre eines Königs in seiner abgelegenen Residenz. Doch Abner wollte seine Macht über ganz Israel ausdehnen und bereitete einen Angriffskrieg vor. "Das war der Anfang eines langen Krieges zwischen den Anhängern Sauls und den Anhängern Davids. Mit der Zeit wurde David immer mächtiger, während das Königshaus Sauls immer schwächer wurde." (2. Samuel 3,1 NLB) Abners Überlaufen Und Ermordung WABT 681 3 Schließlich wurde diese Königsherrschaft, die auf bösen Absichten und Ehrgeiz aufgebaut war, durch Verrat gestürzt. Abner überwarf sich mit dem schwachen und unfähigen Isch-Boschet und lief mit dem Angebot zu David über, ihm alle Stämme Israels zuzuführen. Der König nahm den Vorschlag an und verabschiedete Abner in Ehren, damit dieser sein Vorhaben ausführen konnte. Die freundliche Aufnahme dieses tüchtigen und berühmten Kriegsmannes erregte jedoch die Eifersucht Joabs, des Oberbefehlshabers der Streitmacht Davids. Zwischen den beiden herrschte eine blutige Fehde, denn im Krieg zwischen Israel und Juda hatte Abner Asael, den Bruder Jo- abs, erschlagen. Nun sah Joab die Gelegenheit, den Tod seines Bruders zu rächen und sich selbst eines möglichen Nebenbuhlers zu entledigen. Auf niederträchtige Weise lauerte er Abner auf und ermordete ihn. WABT 682 1 Als David von diesem heimtückischen Übergriff hörte, rief er aus: "Ich schwöre beim Herrn, dass mich und mein Königtum keine Schuld trifft an diesem Verbrechen gegen Abner, den Sohn Ners. Joab und seine Familie tragen dafür die Verantwortung." (2. Samuel 3,28.29 NLB) Im Hinblick auf den noch unsicheren Zustand des Königreichs und die Machtstellung der Mörder - denn Joabs Bruder Abischai hatte mit ihm gemeinsame Sache gemacht - konnte David das Verbrechen nicht mit einer gerechten Strafe ahnden. Er äußerte jedoch öffentlich seine Abscheu über die blutige Tat. Abner wurde mit öffentlichen Ehren bestattet. Dem Heer mit Joab an der Spitze wurde befohlen, in zerrissenen Gewändern und in Sackleinen an der Trauerfeier teilzunehmen. Der König selbst bekundete seine Trauer, indem er am Beerdigungstag fastete. Er führte den Trauerzug hinter der Bahre an. Am Grab hielt er eine Totenklage, die mit den Mördern scharf ins Gericht ging: "Musste Abner sterben, wie ein Gottloser stirbt? Deine Hände waren nicht gebunden, deine Füße nicht in Ketten gelegt. Nein, du wurdest ermordet, bist Verbrechern in die Hände gefallen." (2. Samuel 3,33.34 NLB) WABT 682 2 Durch seine großmütige Anerkennung des Mannes, der sein erbittertster Feind gewesen war, gewann David das Vertrauen und die Bewunderung von ganz Israel. "Das machte beim Volk großen Eindruck. Es gefiel ihnen, wie überhaupt alles, was der König tat. Und so wusste jedermann in ganz Israel, dass David keine Schuld an Abners Tod traf." (2. Samuel 3,36.37 NLB) Im engsten Kreis seiner vertrauten Ratgeber und seines Gefolges sprach der König über dieses Verbrechen. Im Bewusstsein seiner eigenen Unfähigkeit, die Mörder so zu bestrafen, wie er es gewünscht hätte, überließ er sie dem Urteil Gottes: "Wisst ihr denn nicht, dass heute in Israel ein großer und bedeutender Mann gefallen ist? Und obwohl ich zum König gesalbt bin, bin ich noch zu schwach und diese beiden Söhne der Zeruja, Joab und Abischai, sind zu stark für mich. Deshalb soll der Herr diese Männer für ihre bösen Taten bestrafen." (2. Samuel 3,38.39 NLB) WABT 682 3 Abner war mit seinem Angebot und seinen Darlegungen David gegenüber zwar ehrlich gewesen, doch seine Beweggründe waren niederträchtig und selbstsüchtig. Beharrlich hatte er sich dem von Gott berufenen König widersetzt, weil er hoffte, selber geehrt zu werden. Groll, gekränkter Stolz und Leidenschaft brachten ihn soweit, die Sache, der er so lange gedient hatte, aufzugeben. Indem er zu David überlief, hoffte er, die höchste Ehrenstellung in dessen Dienst zu erlangen. Wäre ihm sein Vorhaben gelungen, hätten seine Fähigkeiten und sein Ehrgeiz, sein großer Einfluss und sein Mangel an Frömmigkeit den Thron Davids, den Frieden im Reich und das Wohlergehen der Nation gefährdet. Das Ende Von Isch-Boschet WABT 683 1 "Als Isch-Boschet, der Sohn Sauls, hörte, dass Abner in Hebron getötet worden war, verlor er allen Mut, und alle in Israel waren bestürzt." (2. Samuel 4,1 NLB) Es war offensichtlich, dass Isch-Boschets Königsherrschaft nicht länger Bestand haben konnte. Ein weiterer Verrat vollendete wenig später den Zusammenbruch seiner schwindenden Macht: Isch-Boschet wurde von zwei seiner Hauptleute heimtückisch ermordet. Sie schlugen ihm den Kopf ab und eilten damit zum König von Juda, denn sie erwarteten, sich damit bei ihm beliebt zu machen. WABT 683 2 Mit dem blutigen Zeugnis ihres Verbrechens traten sie vor David und sagten: "Das ist der Kopf von Isch-Boschet, dem Sohn deines Feindes Saul, der dich töten wollte. Heute hat der Herr dich an Saul und seiner ganzen Familie gerächt!" (2. Samuel 4,8 NLB) Aber David, den Gott selbst auf den Thron Israels erhoben und von seinen Feinden errettet hatte, lehnte Verrat als Mittel zur Festigung seiner Macht ab. Er erzählte diesen Mördern vom schlimmen Ende jenes Mannes, der sich gerühmt hatte, Saul erschlagen zu haben, und sagte dann zu ihnen: "Welchen Lohn soll ich da gottlosen Männern geben, die einen unschuldigen Mann in seinem eigenen Haus, ja in seinem Bett, getötet haben? Sollte ich dafür nicht euer Leben fordern und euch töten las- sen?‹ David beauftragte seine Diener; die töteten sie ... Den Kopf Isch-Bo- schets nahmen sie und begruben ihn in Abners Grab in Hebron." (2. Samuel 4,11.12 NLB) David Wird König Über Ganz Israel WABT 683 3 Nach Isch-Boschets Tod kam unter den führenden Männern Israels allgemein der Wunsch auf, dass David der König aller Stämme werden sollte. "Danach zogen alle Stämme Israels nach Hebron zu David und sagten: ›Wir alle gehören zu deinem Volk. Schon lange, selbst als Saul noch unser König war, hast du das Heer Israels im Kampf angeführt. Und der Herr hat dir zugesagt: Du wirst wie ein Hirte mein Volk Israel führen und wirst der Anführer Israels sein.‹ Und so schloss König David bei Hebron vor dem Herrn einen Bund mit den Ältesten Israels. Und sie salbten ihn zum König über Israel" (2. Samuel 5,1-3 NLB) So wurde ihm durch Gottes Vorsehung der Weg zum Thron geebnet. Ihm war es nicht darauf angekommen, seinen persönlichen Ehrgeiz zu befriedigen, denn er hatte die Würde nicht begehrt, die er erlangt hatte. WABT 683 4 Mehr als 8000 Nachkommen Aarons und der Leviten machten David ihre Aufwartung. Der Sinneswandel im Volk war deutlich und maßgeblich. Der Machtwechsel ging ruhig und würdevoll vonstatten, wie es dem bedeutungsvollen Geschehen angemessen war. Nahezu eine halbe Million Menschen, Sauls frühere Untertanen, drängten sich in und um Hebron. Die Hügel und Täler wimmelten vor Menschen. Die Stunde der Krönung war gekommen. Der Mann, der von Sauls Königshof vertrieben worden war und in die Berge und in Felshöhlen hatte fliehen müssen, um sein Leben zu retten, sollte nun die höchste Ehre empfangen, die Menschen verliehen werden kann. Priester und Älteste in den Gewändern ihres heiligen Amtes, Offiziere und Soldaten mit glänzenden Speeren und Helmen, aber auch Fremde aus fernen Ländern wurden Zeugen der Krönung des erwählten Königs. David wurde das königliche Gewand angelegt. Der Hohepriester bestrich seine Stirn mit heiligem Öl. Die frühere Salbung durch Samuel war ein prophetischer Hinweis auf die Geschehnisse bei seiner Amtseinsetzung gewesen. Nun war es also so weit: David wurde feierlich zu seinem Amt als Gottes Statthalter eingesegnet. Man reichte ihm das Zepter. Die Bekräftigung seiner rechtmäßigen Herrschaft wurde schriftlich niedergelegt und das Volk leistete den Treueid. Dann wurde ihm die Krone auf das Haupt gesetzt. Damit erreichte die Krönungsfeier ihren Abschluss. Israel besaß jetzt einen König, den Gott erwählt hatte. David, der geduldig auf den Herrn gewartet hatte, durfte die Erfüllung dessen erleben, was Gott verheißen hatte. "David wurde immer mächtiger, und der Herr, der Gott der Heerscharen, war mit ihm." (2. Samuel 5,10 Elb.) ------------------------Kapitel 70 - Davids Herrschaft WABT 685 0 2. Samuel 5,6 bis 7,29 und 9,1 bis 10,19. WABT 685 1 Sobald David den Thron Israels bestiegen hatte, begann er, Ausschau zu halten nach einem besser geeigneten Platz für die Hauptstadt seines Reiches. Er entschied sich für einen Ort gut 30 Kilometer nördlich von Hebron als künftigen Regierungssitz seines Reiches. Ehe das Heer Israels von Josua über den Jordan geführt worden war, hatte diese Stadt Salem geheißen. In seiner Nähe hatte Abraham Gott seine Treue bewiesen. 800 Jahre vor Davids Krönung hatte hier Melchisedek, der Priester des Allerhöchsten, gewirkt. Von schützenden Hügeln umgeben, lag die Stadt erhöht in der Mitte des Landes an der Grenze zwischen Benjamin und Juda. In ihrer unmittelbaren Nähe hatte sich Ephraim angesiedelt, und auch für die anderen Stämme war sie leicht erreichbar. WABT 685 2 Um sich diesen Platz zu sichern, mussten die Israeliten einen Überrest der Kanaaniter vertreiben, der auf den Bergen Zion und Morija eine befestigte Stellung innehatte. Diese Festung hieß Jebus, und ihre Einwohner kannte man unter dem Namen Jebusiter. Jahrhundertelang hatte Jebus für uneinnehmbar gegolten. Doch nun wurde es von den Israeliten, die unter Joabs Kommando standen, belagert und erobert. Zur Belohnung für seine Tapferkeit wurde er zum Oberbefehlshaber der israelitischen Arme befördert. Jebus wurde nun die Landeshauptstadt, und an die Stelle des heidnischen Namens trat der Name Jerusalem. WABT 685 3 Hiram, der König der reichen Stadt Tyrus am Mittelmeer, war an einem Bündnis mit dem König von Israel interessiert und half David deshalb bei der Errichtung eines Palastes in Jerusalem. Aus Tyrus kamen Gesandte, begleitet von Baumeistern, Arbeitern und langen Karawanen mit kostbaren Hölzern, Zedern und anderen wertvollen Baustoffen. WABT 685 4 Die wachsende Stärke Israels durch die Vereinigung der Stämme unter David, die Einnahme der Festung Jebus und das Bündnis mit dem König von Tyrus erregten die Feindschaft der Philister. Erneut fielen diese mit einer starken Streitmacht ins Land ein und bezogen in der Ebene Refaim unweit von Jerusalem Stellung. David zog sich mit seinen Männern in die Feste Zion zurück und wartete auf göttliche Weisung. "Da fragte David den Herrn: ›Soll ich hinausgehen und mit den Philistern kämpfen? Wirst du sie in meine Hand geben?‹ Und der Herr antwortete: ›Ja, geh hinaus. Ich sorge dafür, dass du sie besiegen wirst.‹" (2. Samuel 5,19 NLB) WABT 686 1 Sogleich rückte David gegen die Feinde aus, schlug und vernichtete sie und nahm ihnen die Götterbilder weg, die sie zur Sicherung ihres Sieges mitgebracht hatten. Erbittert über ihre demütigende Niederlage, sammelten die Philister eine noch größere Streitmacht, kehrten zu erneutem Kampf zurück und "schlugen ihr Lager wieder im Tal Refaim auf" (2. Samuel 5,22 NLB). Erneut wandte sich David an den Herrn, und der große "Ich bin" (2. Mose 3,14 Elb.) übernahm die Führung des israelitischen Heeres. WABT 686 2 Er unterwies David mit den Worten: "Greif sie nicht von vorn an ... sondern umgehe sie und falle ihnen beim Baka-Wald in den Rücken. Sobald du in den Wipfeln der Baka-Bäume ein Geräusch hörst, das wie Schritte klingt, dann greif an! Das wird das Zeichen sein, dass der Herr vor dir hergezogen ist, um das Heer der Philister zu schlagen." (2. Samuel 5,23.24 NLB) Wäre David wie einst Saul eigene Wege gegangen, wäre ihm der Erfolg versagt geblieben. Aber er handelte so, wie der Herr es ihm befohlen hatte, "und besiegte das Heer der Philister von Gibeon bis nach Geser. Auf diese Weise breitete sich Davids Ruhm aus, und der Herr sorgte dafür, dass alle Völker sich vor ihm fürchteten." (1. Chronik 14,16.17 NLB) Die Bundeslade Soll Nach Jerusalem Gebracht Werden WABT 686 3 Nachdem Davids Thron nun gefestigt und von Angriffen äußerer Feinde frei geworden war, machte er sich an die Ausführung eines lang gehegten Planes: die Lade Gottes nach Jerusalem zu bringen. Seit vielen Jahren stand sie in Kirjat-Jearim, etwa 15 Kilometer entfernt, doch nun schien es angebracht, die Hauptstadt des Landes mit dem Zeichen der Gegenwart Gottes zu ehren. WABT 686 4 David bot dazu 30.000 führende Männer Israels auf, denn er wollte, dass dieses Ereignis zu einem Anlass großer Freude und einer eindrücklichen Kundgebung wurde. Frohgemut folgte das Volk seinem Ruf. Der Hohepriester mit seinen Brüdern im heiligen Dienst, die Fürsten und die Stammesoberhäupter versammelten sich in Kirjat-Jearim. David war von heiligem Eifer ergriffen. Die Lade wurde aus Abinadabs Haus herausgetragen und auf einen neuen, von Ochsen gezogenen Wagen gestellt, den zwei Söhne Abinadabs begleiteten. WABT 686 5 Israels Männer folgten mit Jubelrufen und Freudengesängen und eine große Menge stimmte in die von Instrumenten begleitete Melodie mit ein. "David und das ganze Volk Israel tanzten begeistert vor dem Herrn; sie sangen und spielten auf Zithern, Harfen, Tamburinen, Rasseln und Zimbeln." (2. Samuel 6,5 NLB). Schon lange hatte Israel keine solch triumphale Kundgebung mehr erlebt. Feierlich und fröhlich zugleich zog die lange Prozession über Hügel und Täler der heiligen Stadt entgegen. Ein Schrecklicher Zwischenfall WABT 687 1 Aber "bei dem Dreschplatz, der einem Mann namens Nachon gehörte, brachen die Rinder plötzlich aus, und der Wagen drohte umzustürzen. Schnell streckte Usa seine Hand aus und hielt die Bundeslade fest. Da wurde der Herr sehr zornig über ihn, weil er es gewagt hatte, die Bundeslade zu berühren, und er ließ Usa auf der Stelle tot zu Boden fallen." (2. Samuel 6,6.7 Hfa) Plötzliches Entsetzen überfiel die frohe Menge. David war bestürzt und sehr beunruhigt. Innerlich stellte er Gottes Gerechtigkeit in Frage: Er hatte doch die Lade als Sinnbild der göttlichen Gegenwart ehren wollen. Warum nur war dieses schreckliche Gericht über sie gekommen, das ihre Freude in Trauer und Klage verwandelte? David hatte das Empfinden, es sei gefährlich, die Lade in seiner Nähe zu haben. Er beschloss, sie dort zu lassen, wo sie gerade war. Im Haus des Gatiters Obed-Edom fand man einen Platz für sie. WABT 687 2 Usas Schicksal war Gottes Urteil über die Verletzung eines ausdrücklichen Gebotes. Der Herr hatte durch Mose genaue Anweisungen für den Transport der Lade gegeben. Niemand außer den Priestern, den Nachkommen Aarons, durfte sie berühren oder auch nur anschauen, wenn sie unbedeckt war. Gott hatte gesagt: Dann "sollen die Kehatiter kommen, um sie zu tragen. Doch sie dürfen die heiligen Gegenstände selbst nicht berühren, sonst sterben sie." (4. Mose 4,15 NLB) Erst wenn die Priester die Lade bedeckt hatten, sollten die Kehatiter sie an den Stangen anheben, die in Ringen an den beiden Längsseiten der Bundeslade steckten und niemals entfernt wurden. Den Gersonitern und Meraritern, die für die Vorhänge, Bretter und Pfeiler des Heiligtums verantwortlich waren, hatte Mose Wagen und Rinder zur Beförderung der ihnen anvertrauten Gegenstände gegeben. "Den Kehatitern dagegen gab er keinen Wagen und keine Rinder, weil ihre Männer die heiligen Gegenstände des Zeltes Gottes auf ihren Schultern tragen sollten." (4. Mose 7,9 NLB) Die Art, wie man die Bundeslade von Kirjat-Jearim holte, war somit eine offenkundige und unentschuldbare Missachtung der Anweisungen des Herrn gewesen. WABT 687 3 David hatte sich mit dem Volk versammelt, um ein heiliges Werk auszuführen, und alle waren mit frohem, willigem Herzen dabei gewesen. Doch der Herr konnte ihren Dienst nicht annehmen, weil er nicht seinen Anweisungen entsprechend durchgeführt wurde. Die Philister hatten in Unkenntnis des Gesetzes Gottes die Bundeslade auf einen Wagen gestellt, als sie diese nach Israel zurücksandten, und der Herr nahm ihr Bemühen an. Die Israeliten hingegen besaßen über all diese Dinge eine klare Anweisung Gottes. Durch die Vernachlässigung dieser Vorschriften war Gott entehrt worden. WABT 688 1 Auf Usa lag eine größere Schuld - die der Vermessenheit. Die Übertretung des Gesetzes Gottes hatte sein Empfinden für dessen Heiligkeit abgestumpft. Belastet mit Sünden, die er nicht bekannt hatte, und in vollem Bewusstsein des göttlichen Verbots, wagte er es, das Symbol der Gegenwart Gottes zu berühren. Gott kann keinen teilweisen Gehorsam und keine laxe Behandlung seiner Gebote hinnehmen. Durch das Strafgericht über Usa wollte er dem ganzen Volk deutlich vor Augen führen, wie wichtig es ist, seine Forderungen genau zu beachten. So konnte der Tod dieses einen Mannes das Volk zur Reue führen und dadurch Tausende vor Strafgerichten bewahren. WABT 688 2 Als David angesichts des plötzlichen Todes von Usa bewusst wurde, dass auch er sein Herz nicht ungeteilt Gott geweiht hatte, begann er sich vor der Bundeslade zu fürchten. Er hatte Angst, das Gericht könnte wegen seiner eigenen Sünden auch über ihn kommen. Obed-Edom dagegen empfing das heilige Symbol - einerseits mit Bangen, andererseits mit Freude - als eine Zusage der Gunst Gottes für die Gehorsamen. Ganz Israel richtete nun seine Aufmerksamkeit darauf, wie es dem Gatiter und seiner Familie ergehen würde. "Und der Herr segnete ihn und sein ganzes Haus." (2. Samuel 6,11) WABT 688 3 Die göttliche Zurechtweisung verfehlte ihre Wirkung auf David nicht. Mehr als zuvor erkannte er die Heiligkeit des göttlichen Gesetzes und die Notwendigkeit eines unbedingten Gehorsams. Die Gunst, die Gott dem Haus Obed-Edoms erwies, ließ David wieder hoffen, dass die Bundeslade auch ihm und seinem Volk Segen bringen werde. Ein Zweiter Versuch WABT 688 4 Nach drei Monaten entschloss sich David, einen erneuten Versuch zu wagen, die Bundeslade nach Jerusalem zu überführen. Dieses Mal achtete er sorgfältig darauf, Gottes Anweisungen in allen Einzelheiten zu befolgen. Erneut bot er die leitenden Männer des Volkes auf. Eine unübersehbare Menschenmenge versammelte sich an Obed-Edoms Wohnort. Mit ehrfurchtsvoller Sorgfalt hoben die von Gott bestimmten Männer die Lade auf ihre Schultern. Die Volksmenge schloss sich an, und mit zitterndem Herzen setzte sich die riesige Schar in Bewegung. Nach sechs Schritten gebot ein Trompetensignal Halt. David befahl, "einen Stier und ein fettes Kalb" zu opfern (2. Samuel 6,13). Nun trat Freude an die Stelle von Bangen und Entsetzen. David hatte die königlichen Gewänder abgelegt und einen einfachen leinenen Schurz umgetan, wie ihn die Priester trugen. Mit dieser Handlung wollte er nicht zum Ausdruck bringen, dass er nun beabsichtigte, priesterliche Aufgaben zu übernehmen. Solch ein Schurz wurde manchmal auch von Personen getragen, die keine Priester waren. Bei diesem heiligen Dienst wollte er aber vor Gott seinen Untertanen gleichgestellt sein. An diesem Tag sollte Jahwe angebetet werden. Ihm allein gebührte die Ehre. WABT 689 1 Erneut setzte sich der lange Zug in Bewegung. Der Klang der Harfen, Hörner, Trompeten und Zimbeln stieg zum Himmel empor und vermischte sich mit dem Gesang vieler Stimmen. "David tanzte mit aller Macht vor dem Herrn" (2. Samuel 6,14) und bewegte sich in seiner Freude im Takt der Musik. WABT 689 2 Davids Tanz in ehrfürchtiger Freude vor Gott ist von leichtlebigen Menschen benutzt worden, um die heutigen modernen Tänze zu rechtfertigen. Doch für eine solche Argumentation bietet er keine Grundlage. Heutzutage steht das Tanzen in einem Zusammenhang mit Vergnügen und nächtlicher Feier. Gesundheit und Anstand werden der Freude geopfert. Die Besucher von Tanzveranstaltungen denken nicht an Gott und seine Verehrung. Bei ihren Zusammenkünften würde ein Gebet oder ein Loblied als fehl am Platz empfunden werden. Dieser Umstand sollte ausschlaggebend sein. Vergnügungen, die dazu angetan sind, die Liebe zu geistlichen Dingen zu schmälern und die Freude am Dienst für Gott zu verringern, sollten von Christen nicht aufgesucht werden. Die Musik und der Tanz in freudigem Gotteslob bei der Überführung der Bundeslade hatten nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Ausschweifungen der heutigen Tänze. Erstere lenkten die Gedanken auf Gott und erhoben seinen heiligen Namen. Das andere ist ein Mittel Satans, um die Menschen Gott vergessen zu lassen und ihn zu entehren. Der Einzug In Jerusalem WABT 689 3 Der prächtige Festzug folgte der Bundeslade, dem geweihten Symbol ihres unsichtbaren Königs, und näherte sich der Hauptstadt. Dann wurden die Wächter auf der Mauer mit lautem Gesang aufgefordert, die Tore der heiligen Stadt zu öffnen. WABT 689 4 "Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!" WABT 689 5 Eine Gruppe von Sängern und Spielern fragte zurück: WABT 689 6 "Wer ist der König der Ehre?" WABT 689 7 Eine andere gab die Antwort: WABT 690 1 "Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit." WABT 690 2 Daraufhin fielen Hunderte in den Siegeschor ein: WABT 690 3 "Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!" WABT 690 4 Wiederum ertönte die freudige Frage: WABT 690 5 "Wer ist der König der Ehre?" WABT 690 6 Und wie "eine Stimme großer Wasser" (Offenbarung 19,6) antwortete die begeisterte Menge: WABT 690 7 "Es ist der Herr Zebaoth; er ist der König der Ehre." (Psalm 24,7-10) WABT 690 8 Dann wurden die Tore weit geöffnet, die Prozession zog ein, und in andächtiger Ehrfurcht setzte man die Bundeslade in dem Zelt ab, das zu ihrer Aufnahme bereitstand. Vor der heiligen Anlage waren Opferaltäre aufgerichtet. Der Rauch von Dank- und Brandopfern und die Weihrauchwolken stiegen zugleich mit den Lob- und Bittgesängen Israels zum Himmel empor. Der Gottesdienst endete mit dem Segen, den der König selbst über sein Volk sprach. Danach ließ David mit königlicher Freigebigkeit Speisen und Getränke zur Stärkung an die Teilnehmer verteilen. WABT 690 9 Vertreter aller Stämme hatten an diesem Gottesdienst, dem heiligsten Ereignis in der bisherigen Regierungszeit Davids, teilgenommen. Gottes Geist hatte auf David geruht. Als nun die letzten Strahlen der untergehenden Sonne das heilige Zelt in erhabenen Lichtglanz hüllten, richtete sich sein Herz in Dankbarkeit zu Gott empor, weil nun die Bundeslade, das gesegnete Zeichen der göttlichen Gegenwart, dem Thron Israels so nahe war. Michals Verachtung WABT 690 10 In Gedanken versunken kehrte David in seinen Palast zurück, "um seine Familie zu begrüßen" (2. Samuel 6,20 NLB). Aber dort war jemand, der das freudige Geschehen mit ganz anderen Augen betrachtet hatte als David. "Als die Bundeslade in die Davidstadt getragen wurde, stand Davids Frau Michal, die Tochter Sauls, am Fenster. Sie fand es unpassend, dass David als König vor dem Herrn her tanzte und hüpfte, und sie verachtete ihn in ihrem Herzen." (2. Samuel 6,16 GNB) Sie war so aufgebracht, dass sie es kaum erwarten konnte, bis David den Palast betrat. Sie ging ihm entgegen und erwiderte seinen freundlichen Gruß mit einer Flut von kränkenden Worten. Beißend scharf war die Ironie ihrer Rede: "Heute hat der König von Israel aber Ehre eingelegt! Vor den Frauen seiner Diener hat er sich schamlos entblößt, wie es nur das niedrigste Gesindel tut!" (2. Samuel 6,20 GNB) WABT 691 1 David empfand, dass Michal damit den Dienst für Gott verachtet und entehrt hatte. Deshalb antwortete er ernst: "Zur Ehre des Herrn habe ich es getan! Er hat mich deinem Vater und allen seinen Nachkommen vorgezogen und mich zum Anführer seines Volkes Israel gemacht. Deshalb will ich auch künftig zu seiner Ehre tanzen und springen und mich noch tiefer erniedrigen als diesmal. Ich will mich selbst für gering halten; aber die Frauen, die mich nach deiner Meinung verachten müssen, die werden es verstehen und mir Ehre erweisen." (2. Samuel 6,21.22 GNB) Dem Tadel Davids fügte der Herr den seinen hinzu: "Michal aber, die Tochter Sauls, blieb ihr Leben lang kinderlos" (2. Samuel 6,23 GNB) - wegen ihres Stolzes und ihres Hochmuts. WABT 691 2 Die Feierlichkeiten bei der Überführung der Bundeslade hatten bei den Israeliten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie weckten ein stärkeres Interesse am Heiligtumsdienst und belebten den Eifer der Menschen für Jahwe aufs Neue. David versuchte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, diesen Eindruck noch zu vertiefen. Gesänge wurden zu einem regelmäßigen Bestandteil gottesdienstlicher Anbetung. David verfasste Psalmen, nicht nur zum Gebrauch durch die Priester beim Heiligtumsdienst, sondern auch für das Volk, wenn es zu den jährlichen Festen zum nationalen Altar nach Jerusalem unterwegs war. Der auf diese Weise ausgeübte Einfluss war weitreichend und führte dazu, dass das Volk vom Götzendienst frei wurde. Viele der umliegenden Völker, die das Wohlergehen des Landes beobachteten, wurden veranlasst, wohlwollend über Israels Gott zu denken, der so große Dinge für sein Volk getan hatte. Der Plan Zum Bau Eines Tempels WABT 691 3 Das heilige Zelt, das Mose errichtet hatte, stand mit allem, was zum Heiligtumsdienst gehörte - mit Ausnahme der Bundeslade - noch immer in Gi- bea. David beabsichtigte, Jerusalem zum religiösen Mittelpunkt der Nation zu machen. Da er für sich einen Palast gebaut hatte, empfand er es als unangemessen, dass die Lade Gottes in einem Zelt stand. Deshalb beschloss er, für sie einen Tempel zu errichten, dessen Großartigkeit zum Ausdruck bringen sollte, wie sehr Israel die Ehre der ständigen Gegenwart seines Königs Jahwe zu würdigen wusste. Als er mit dem Propheten Nathan über seine Absicht sprach, erhielt er die ermutigende Antwort: "Mach dich nur ans Werk und führe aus, was du im Herzen bewegst! Der Herr wird dir beistehen." (2. Samuel 7,3 NLB) WABT 692 1 Aber noch in derselben Nacht erhielt Nathan vom Herrn eine Botschaft für den König. David wurde das Vorrecht verwehrt, dem Herrn ein Haus zu bauen, doch ihm persönlich, seinen Nachkommen und dem Reich Israel wurde Gottes Gunst zugesichert: "So spricht der Herr, der Allmächtige: Ich habe dich zum Herrscher über mein Volk Israel gemacht, als du noch draußen auf dem Feld die Schafe gehütet hast. Ich bin mit dir gewesen, was immer du unternommen hast, und habe alle deine Feinde vernichtet. Und ich habe deinen Namen berühmt gemacht; er gehört zu den Namen der Großen auf Erden. Meinem Volk Israel werde ich eine Heimat geben, einen sicheren Ort, an dem ihm nichts geschieht. Es wird sein Land sein, in dem feindliche Völker es nicht mehr unterdrücken dürfen." (2. Samuel 7,8-10 NLB) WABT 692 2 David hatte gewünscht, Gott ein Haus bauen zu dürfen, und nun erhielt er seinerseits die Verheißung: "Und nun kündigt der Herr dir an, dass er dir ein Haus bauen wird. Denn wenn du stirbst, werde ich einen deiner Nachkommen als deinen Nachfolger einsetzen ... Er wird dann für mich, für meinen Namen, ein Haus bauen. Und ich werde seiner Herrschaft für immer Bestand geben." (2. Samuel 7,11-13 NLB) WABT 692 3 Als Begründung, warum David den Tempel nicht bauen sollte, wurde ihm gesagt: "Du hast in den großen Schlachten, in denen du gekämpft hast, viel Leben vernichtet. Weil du so viel Blut vor mir vergossen hast, sollst du es nicht sein, der ein Haus zu Ehren meines Namens baut. Doch du wirst einen Sohn haben, der wird in Ruhe und Frieden leben. Ich will dafür sorgen, dass er Ruhe vor allen seinen Feinden hat. Er soll Salomo35 heißen. Und während seiner Herrschaft will ich Israel Ruhe und Frieden schenken. Er ist es, der ein Haus zu Ehren meines Namens bauen wird." (1. Chronik 22,8-10 NLB) WABT 692 4 Obwohl ihm sein Herzenswunsch verwehrt wurde, nahm David die Nachricht dankbar entgegen. "Wer bin ich, Gott, mein Herr", rief er aus, "und was ist meine Familie, dass du mich so weit gebracht hast? Und jetzt, Gott, mein Herr, gibst du mir und meinen Nachkommen zu allem anderen auch noch eine Zusage, die bis in die ferne Zukunft reicht." (2. Samuel 7,18.19 NLB) David erneuerte daraufhin seinen Bund mit Gott. WABT 692 5 Er wusste, dass es für ihn eine Ehre gewesen wäre und seiner Herrschaft Ruhm eingebracht hätte, wenn er sein Vorhaben hätte ausführen können. Aber er war bereit, seinen Willen dem Willen Gottes unterzuordnen. Eine solche dankbare Bereitschaft zum Verzicht ist selbst unter Christen eine Seltenheit. Wie oft klammern sich Menschen, die ihr bestes Lebensalter bereits überschritten haben, an die Hoffnung, noch etwas Großartiges zu erreichen? Sie hängen mit ihrem ganzen Herzen daran, obwohl sie gar nicht mehr in der Lage sind, es umzusetzen. Gott kann durch gewisse Umstände genauso zu ihnen sprechen, wie er es bei David durch seinen Propheten tat, und ihnen klar machen, dass die Aufgabe, die sie sich so sehr wünschen, nicht für sie bestimmt ist. Ihr Auftrag besteht vielmehr darin, einem anderen den Weg dafür zu ebnen. Anstatt sich dankbar der göttlichen Leitung zu unterstellen, ziehen sich viele zurück, als ob man sie gering geachtet und abgewiesen hätte. Nachdem sie diese eine Sache, die sie so gerne ausführen wollten, nicht tun können, fühlen sie keine Bereitschaft mehr, überhaupt etwas zu tun. Viele halten krampfhaft an Verantwortungen fest, die zu tragen sie nicht in der Lage sind. Vergeblich versuchen sie eine Aufgabe zu erfüllen, der sie gar nicht gewachsen sind, versäumen dabei aber das, was sie durchaus tun könnten. Durch diesen Mangel an Zusammenarbeit wird ihretwegen ein größeres Werk behindert oder vereitelt. David Erfüllt Sein Versprechen WABT 693 1 In seinem Bund mit Jonatan hatte David versprochen, er werde dem Haus Sauls Wohlwollen erweisen, sobald er Ruhe vor seinen Feinden habe. David erinnerte sich in seinem Wohlstand an diesen Bund und ließ nachforschen: "Ist noch irgendjemand aus Sauls Familie am Leben? Ich will ihnen Gutes tun, wie ich es Jonatan versprochen habe." (2. Samuel 9,1 NLB) Man berichtete ihm von Mefi-Boschet, einem Sohn Jonatans, der von Kind auf gelähmt war. Nach Sauls Niederlage durch die Philister bei Jesreel hatte die Amme das Kind auf der Flucht fallen lassen, woraufhin es lebenslang an den Füßen lahmte. WABT 693 2 David ließ den jungen Mann an seinen Hof rufen und empfing ihn sehr freundlich. Er gab ihm den privaten Besitz seines Großvaters Saul zum Unterhalt seiner Familie zurück. Ihn selbst aber lud er als ständigen Gast des Königs ein. Dieser saß nun täglich an der königlichen Tafel. Durch Berichte, die Davids Feinde in Umlauf gebracht hatten, hegte Mefi-Boschet ihm gegenüber großes Misstrauen und er betrachtete in als einen Thronräuber. Aber als der Monarch ihn so höflich und großzügig aufnahm und ihn weiterhin so freundlich behandelte, gewann der das Herz des jungen Mannes. Schon bald hing Mefi-Boschet sehr an David und empfand, dass er - wie schon sein Vater Jonathan - dieselben Interessen verfolgte, wie der von Gott erwählte König. Erneut Kriege Gegen Die Nachbarn WABT 693 3 Nachdem Davids Herrschaft gefestigt war, erfreute sich die Nation Israel einer langen Friedenszeit. Als die Nachbarvölker die Einheit und Stärke des Königreichs wahrnahmen, hielten sie es schon bald für vernünftig, von offenen Feindseligkeiten abzusehen. Und David, der mit der Organisation und dem Aufbau seines Reiches beschäftigt war, verzichtete auf Angriffskriege. Schließlich aber zog er gegen die alten Feinde Israels, die Philister und die Moabiter, in den Krieg, überwand beide und machte sie tributpflichtig. WABT 694 1 Danach bildete sich gegen Davids Königreich eine riesige Koalition der umliegenden Völker, was die größten Kriege und Siege seiner Regierungszeit und seinen umfangreichsten Machtzuwachs zur Folge hatte. Dieses feindliche Bündnis, das aus Eifersucht auf Davids zunehmende Macht entstand, war von ihm in keiner Weise herausgefordert worden. Folgende Umstände führten dazu. WABT 694 2 Die Nachricht vom Tod des Ammoniter-Königs Nahasch gelangte nach Jerusalem. Dieser Monarch hatte David Gutes erwiesen, als dieser vor Sauls Zorn auf der Flucht war. Um seine Dankbarkeit für die ihm damals in der Not erwiesene Hilfe auszudrücken, schickte David Gesandte mit einem Beileidsschreiben zu Hanun, dem Sohn und Nachfolger des Königs, und ließ ihm sagen: "Ich will Hanun, dem Sohn des Nahasch, Freundschaft erweisen, wie sein Vater mir Freundschaft erwiesen hat." (2. Samuel 10,2) WABT 694 3 Aber seine höfliche Geste wurde missdeutet. Die Ammoniter hassten den wahren Gott und waren erbitterte Feinde Israels. Das scheinbare Wohlwollen, das Nahasch David erwiesen hatte, war damals der Feindschaft gegen Saul, den König Israels, entsprungen. Die Ratgeber Hanuns legten nun Davids Botschaft ganz falsch aus. Es "sagten die führenden Männer des Landes zu Hanun, ihrem Herrn: ›Glaubst du wirklich, David schickt diese Männer, um deinen Vater zu ehren und dir sein Beileid zu übermitteln? Nein, David hat sie zu dir geschickt, damit sie die Stadt auskundschaften, sodass er kommen und sie erobern kann.‹" (2. Samuel 10,3 NLB) Ein halbes Jahrhundert zuvor hatten nämlich die Ratgeber des ammonitischen Königs Nahasch diesen dazu bewegt, den Einwohnern der israelitischen Stadt Jabesch in Gilead, die unter dem Druck der ammonitischen Belagerung um einen Friedensvertrag baten, eine ganz grausame Bedingung zu stellen. Nahasch hatte das Recht gefordert, allen das rechte Auge auszustechen (vgl. 1. Samuel 11,1.2). Die Ammoniter erinnerten sich noch gut daran, wie Saul als König Israels ihren grausamen Plan zunichte machte und die Stadt befreite, deren Einwohner sie hatten demütigen und verstümmeln wollen. Dieser Hass auf Israel trieb sie noch immer an. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass Davids Botschaft einer edlen Gesinnung entsprang. Wenn Satan den Verstand der Menschen beherrscht, erweckt er Neid und Argwohn, wodurch auch die allerbesten Absichten missdeutet werden. Hanun hörte auf seine Berater, betrachtete Davids Gesandte als Spione und überhäufte sie mit Spott und Hohn. WABT 695 1 Die Ammoniter erhielten die Möglichkeit, die üblen Absichten ihres Herzens ungehindert zum Ausdruck zu bringen, damit David ihren wirklichen Charakter erkennen konnte. Es war nicht Gottes Wille, dass Israel ein Bündnis mit diesem heimtückischen heidnischen Volk einging. WABT 695 2 So wie heute war auch im Altertum ein Gesandter unantastbar. Nach allgemein gültigem Völkerrecht war er vor persönlicher Verletzung oder Kränkung geschützt. Da er als Vertreter seines Herrschers galt, rief jede ihm zugefügte Demütigung unverzüglich nach Vergeltung. Die Ammoniter waren sich bewusst, dass die Beleidigung Israels nicht ungerächt bleiben würde. Sie rüsteten deshalb zum Krieg. "Die Ammoniter erkannten, dass sie David ernsthaft verärgert hatten. Deshalb schickten Hanun und die Ammoniter 1.000 Talente [Zentner] Silber nach Mesopotamien, zu den Aramäern nach Maacha und nach Zoba, um Streitwagen und Reiter anzuwerben. Sie erwarben 32.000 Streitwagen und sicherten sich die Unterstützung des Königs von Maacha und seines Heeres. ... Auch die Ammoniter kamen aus ihren Städten und sammelten sich zum Kampf." (1. Chronik 19,6.7 NLB) WABT 695 3 Es war in der Tat ein furchterregendes Bündnis. Die Völker der Länder zwischen Euphrat und Mittelmeer hatten sich mit den Ammonitern zusammengetan. Der Norden und der Osten Kanaans waren von bewaffneten Feinden eingekreist, die gemeinsam das Königreich Israel vernichten wollten. WABT 695 4 Die Israeliten warteten den Angriff auf ihr Land nicht ab. Ihre Streitkräfte überquerten unter Joabs Führung den Jordan und rückten gegen die Hauptstadt der Ammoniter vor. Ehe aber der Heerführer Israels seine Leute ins Gefecht führte, ermutigte er sie zum Kampf. An seinen Bruder Abischai gewandt, der eine andere Abteilung anführte, sagte er: "Sei mutig! Lass uns tapfer für unser Volk und die Städte unseres Gottes kämpfen. Der Wille des Herrn geschehe." (1. Chronik 19,13 NLB) Schon bei der ersten Schlacht besiegten sie die vereinigten Streitkräfte der Feinde. Trotzdem sahen diese den Krieg nicht als beendet an und setzten ihn im darauffolgenden Jahr fort. Diesmal bedrohte der König von Syrien Israel mit einem riesigen Heer. David erkannte, wie viel vom Ausgang dieses Kampfes abhing, und übernahm selbst den Oberbefehl. Durch Gottes Hilfe fügte er dem Gegner eine solch vernichtende Niederlage zu, dass die Syrer zwischen Libanon und Euphrat fortan nicht nur auf Krieg verzichteten, sondern auch Israel tributpflichtig wurden. Gegen die Ammoniter kämpfte David mit aller Kraft weiter, bis auch deren Festungen fielen und das ganze Land unter Israels Herrschaft geriet. WABT 696 1 Die Gefahren, durch die dem Reich Israel die völlige Vernichtung gedroht hatte, erwiesen sich letztendlich durch Gottes Vorsehung als Mittel zum Aufstieg zu noch nie dagewesener Größe. In Erinnerung an diese außergewöhnliche Befreiung sang David: WABT 696 2 "Der Herr lebt! Gelobt sei mein Fels! Der Gott meines Heils sei hoch erhoben, der Gott, der mir Vergeltung schafft und zwingt die Völker unter mich, der mich errettet von meinen Feinden. Du erhöhst mich über die, die sich gegen mich erheben; du hilfst mir von den Frevlern. Darum will ich dir danken, Herr, unter den Heiden und deinem Namen lobsingen, der seinem König großes Heil gibt und Gnade erweist seinem Gesalbten, David, und seinem Hause ewiglich." (Psalm 18,47-51) WABT 696 3 In allen seinen Gesängen prägte David dem Volk ein, dass Jahwe Israels Stärke und Retter ist: WABT 696 4 "Einem König hilft nicht seine große Macht; ein Held kann sich nicht retten durch seine große Kraft. Rosse helfen auch nicht; da wäre man betrogen; und ihre große Stärke errettet nicht." (Psalm 33,16.17) WABT 696 5 "Du bist es, mein König und mein Gott, der du Jakob Hilfe verheißest. Durch dich wollen wir unsere Feinde zu Boden stoßen, in deinem Namen niedertreten, die sich gegen uns erheben. Denn ich verlasse mich nicht auf meinen Bogen, und mein Schwert kann mir nicht helfen; sondern du hilfst uns von unseren Feinden und machst zuschanden, die uns hassen." (Psalm 44,5-8) WABT 696 6 "Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber denken an den Namen des Herrn, unseres Gottes." (Psalm 20,8) WABT 697 1 Das Königreich Israel hatte nun in vollem Umfang die Erfüllung der Verheißung empfangen, die Gott Abraham gegeben und später Mose gegenüber wiederholt hatte: "Deinen Nachkommen will ich dies Land geben, von dem Strom Ägyptens an bis an den großen Strom Euphrat." (1. Mose 15,18) Israel war zu einer mächtigen Nation herangewachsen, von den Nachbarvölkern geachtet und gefürchtet. In seinem eigenen Reich war Davids Macht sehr groß geworden. Wie nur wenige Herrscher vor oder nach ihm erfreute er sich der Zuneigung und Treue seines Volkes. Er hatte Gott geehrt, nun ehrte Gott ihn. WABT 697 2 Aber mitten im Wohlstand lauerte Gefahr. Zur Zeit seines größten Triumphes nach außen hin geriet David in die schlimmste Gefahr und erlebte seine bitterste Niederlage. ------------------------Kapitel 71 - Davids Ehebruch Und Mord WABT 698 0 2. Samuel 11,1 bis 12,25 und Psalm 51. WABT 698 1 Die Bibel lobt Menschen relativ selten. Selbst bei den vortrefflichsten Männern, die je gelebt haben, wird der Aufzählung ihrer Tugenden nur wenig Raum gegeben. Dieses Schweigen ist kein Zufall sondern hat einen bestimmten Grund. Alle guten Eigenschaften, die ein Mensch besitzt, sind Gaben Gottes. Seine guten Taten werden durch die Gnade Gottes in Christus vollbracht. Da die Menschen alles Gott verdanken, gebührt ihm allein die Ehre für all das, was sie sind oder tun. Sie sind nur Werkzeuge in seiner Hand. Darüber hinaus lehrt die biblische Geschichte, dass es gefährlich ist, Menschen zu rühmen oder zu erheben. Denn wenn jemand seine völlige Abhängigkeit von Gott aus den Augen verliert und auf seine eigene Stärke vertraut, kommt er unweigerlich zu Fall. Der Mensch hat mit Feinden zu kämpfen, die stärker sind als er. "Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel." (Epheser 6,12) Es ist uns nicht möglich, in einer solchen Auseinandersetzung durch eigene Kraft zu bestehen. Alles, was unsere Gedanken von Gott ablenkt, alles was uns zur Selbsterhöhung führt oder dazu verleitet, dass wir uns auf uns selbst verlassen, bereitet den Weg zu unserem sicheren Niedergang. Durch die gesamte Bibel hindurch werden wir nachdrücklich dazu aufgefordert, nicht auf menschliches Können zu bauen, sondern auf Gottes Macht zu vertrauen. Der Weg Zu Davids Fall WABT 698 2 Selbstvertrauen und Selbsterhöhung bereiteten den Weg für Davids Fall. Schmeicheleien und die heimliche Verlockung von Macht und Luxus blieben nicht ohne Wirkung auf ihn. Auch die Beziehungen zu den benachbarten Völkern übten einen Einfluss zum Bösen aus. Nach dem Gewohnheitsrecht der orientalischen Herrscher blieben Verbrechen, die bei Untertanen nicht geduldet wurden, beim König ungestraft. Der Monarch war nicht verpflichtet, die gleiche Selbstbeherrschung zu üben wie die Untertanen. All dies trug dazu bei, Davids Empfinden für die außerordentliche Verwerflichkeit der Sünde zu schwächen. Und statt sich in Demut auf die Macht Jahwes zu verlassen, begann er, seiner eigenen Weisheit und Macht zu vertrauen. Sobald es aber Satan gelingt, den Menschen von Gott - seiner einzigen Kraftquelle - zu trennen, wird er versuchen, die sinnlichen Begierden in dessen gefallener Natur zu wecken. Der Feind geht nicht unvermittelt vor, er beginnt vorsichtig und ohne großes Aufsehen. Heimlich und schleichend untergräbt er das Fundament unserer Grundsätze. Das beginnt bei scheinbar unbedeutenden Dingen: Man vernachlässigt die Treue gegenüber Gott, verlässt sich nicht mehr ganz auf ihn und neigt immer mehr dazu, den Gewohnheiten und Gepflogenheiten der Welt zu folgen. WABT 699 1 Noch bevor der Krieg gegen die Ammoniter beendet war, kehrte David nach Jerusalem zurück, nachdem er das Heereskommando an Joab abgegeben hatte. Die Syrer hatten sich den Israeliten bereits unterworfen, und die vollständige Niederlage der Ammoniter schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. David war umgeben von den Früchten seiner Siege und den Ehrungen für seine kluge und umsichtige Herrschaft. Jetzt, als er sich wohlfühlte und nicht wachsam war, ergriff der Versucher die Gelegenheit, sein Denken zu beeinflussen. Die Tatsache, dass Gott zu David eine so enge Beziehung aufgebaut und ihm solch große Gunst erwiesen hatte, hätte für David Anreiz genug sein sollen, seinen Charakter rein zu erhalten. Als David nun behaglich und selbstsicher lebte, ließ er Gottes Hand los, gab Satan nach und befleckte seine Seele mit Schuld. 36Er, der vom Himmel zum Führer des Volkes bestimmt und dazu erwählt worden war, Gottes Gesetz auszuführen, trat nun dessen Gebote mit Füßen. Er, den die Übeltäter hätten fürchten müssen, bestärkte sie nun durch sein eigenes Verhalten. Dem Ehebruch Folgt Ein Mord WABT 699 2 Inmitten der Gefahren seiner früheren Lebensjahre konnte David im Bewusstsein seiner Lauterkeit sein Schicksal Gott anvertrauen. Die Hand des Herrn hatte ihn sicher vor den zahllosen Fallstricken bewahrt, die ihm gelegt worden waren. Nun aber, schuldbeladen und unbußfertig, suchte er nicht nach Hilfe und Weisung von oben, sondern versuchte vielmehr, sich selbst aus den Komplikationen herauszuwinden, in die ihn die Sünde des Ehebruchs verstrickt hatte. Batseba, deren Schönheit dem König zum schrecklichen Verhängnis geworden war, war die Frau des Hetiters Uria, eines der tapfersten und treuesten Offiziere Davids. Niemand konnte die Folgen absehen, sollte Davids Vergehen bekannt werden. Nach dem Gesetz Gottes stand auf Ehebruch die Todesstrafe. Und der stolze Krieger, dem solch ein Unrecht angetan worden war, hätte sich selbst rächen können, indem er den König tötete oder das Volk zu einem Aufruhr anstiftete. WABT 700 1 Doch alle Bemühungen Davids, seine Schuld zu verheimlichen, erwiesen sich als vergeblich. 37 Er hatte sich selbst betrogen und der Macht Satans ausgeliefert. Gefahr umlauerte ihn und Schande, bitterer als der Tod, stand ihm bevor. Er sah nur noch einen Ausweg. In seiner Verzweiflung ließ er sich dazu verleiten, dem Ehebruch noch den Mord an Uria hinzuzufügen. Derjenige, der schon Sauls Vernichtung herbeigeführt hatte, versuchte nun, auch David in den Untergang zu reißen. Obwohl die Versuchungen unterschiedlicher Art waren, führten beide zur Übertretung des Gesetzes Gottes. Würde Uria im Kampf durch Feindeshand fallen - so Davids Überlegung -, könnte man dem König keine Schuld an dessen Tod anlasten. Batseba wäre frei und könnte Davids Frau werden. Der Verdacht wäre ausgeräumt. Seine Ehre wäre gerettet. WABT 700 2 Uria wurde zum Überbringer seines eigenen Todesurteils gemacht. Ein persönlicher Brief des Königs an Joab enthielt den Befehl: "Schick Uria in die vordersten Reihen, wo der Kampf am heftigsten ist. Dann zieht euch von ihm zurück, sodass er getötet wird." (2. Samuel 11,15 NLB) Joab, der schon mit der Schuld eines leichtfertigen Mordes beladen war, zögerte nicht, dieser Anweisung des Königs zu gehorchen. Uria fiel durch das Schwert der Ammoniter. WABT 700 3 Nur wenige Monarchen können eine vergleichbare königliche Laufbahn vorweisen, wie David bis zu diesem Zeitpunkt. Die Heilige Schrift sagt über ihn: "Er schaffte Recht und Gerechtigkeit seinem ganzen Volk." (2. Samuel 8,15) Seine Redlichkeit hatte ihm das Vertrauen und die Treue der Nation verschafft. Als er aber von Gott abwich und sich Satans Einfluss überließ, wurde er zeitweilig dessen Werkzeug. Da er nach wie vor die Position und Vollmacht besaß, die Gott ihm gegeben hatte, gefährdete er das Leben jener, die sich seinem Befehl gehorsam unterstellten. Joab, der dem König mehr ergeben war als Gott, übertrat Gottes Gesetz, weil der König es befahl. WABT 700 4 David hatte seine Macht von Gott empfangen, doch sollte er sie nur in Übereinstimmung mit dem göttlichen Gesetz ausüben. Als er etwas anordnete, was dem Gesetz Gottes widersprach, wurde der Gehorsam zur Sünde. "Alle Regierungen haben ihre Vollmacht von Gott" (Römer 13,1b NLB), wir dürfen ihnen jedoch nicht gehorchen, wenn sie von Gottes Gesetz abweichen. In seinem Brief an die Korinther legte der Apostel Paulus den Grundsatz dar, der unser Leben bestimmen sollte: "Folgt meinem Beispiel, so wie ich dem Vorbild folge, das Christus uns gegeben hat." (1. Korinther 11,1 Hfa) WABT 701 1 Joab schickte David eine Meldung über die Ausführung seines Befehls, die so sorgfältig abgefasst war, dass weder der König noch er damit in Verbindung gebracht werden konnten. Joab trug dem Boten auf: "Wenn du dem König den Verlauf der Schlacht berichtet hast und er dann zornig wird ... dann sage ihm einfach: ›Auch dein Diener, der Hetiter Uria, wurde getötet.‹ Der Bote ging nach Jerusalem und berichtete David alles, was Joab ihm aufgetragen hatte." (2. Samuel 11,19-22 NLB) WABT 701 2 Der König antwortete: "Richte Joab aus: ›Lass dich nicht entmutigen! Das Schwert tötet mal den einen, mal den anderen. Kämpfe entschlossen weiter gegen die Stadt und zerstöre sie!‹ So sollst du ihm Mut machen." (2. Samuel 11,25 NLB) David Holt Batseba Zu Sich WABT 701 3 Batseba hielt die übliche Trauerzeit für ihren Mann ein. Nach deren Ablauf "schickte David nach ihr und ließ sie in den Palast bringen. Sie wurde seine Frau." (2. Samuel 11,27 NLB) Einst hatte es ihm sein feines Gewissen und sein hohes Ehrgefühl auch nicht unter Lebensgefahr erlaubt, seine Hand gegen Saul, den Gesalbten des Herrn, zu erheben. Doch nun war er so tief gefallen, dass er einem seiner treuesten und tapfersten Soldaten Unrecht zufügen und ihn sogar ermorden konnte, in der Hoffnung, den Lohn seiner Sünde ungestört genießen zu können. Oh, "wie ist das Gold so ganz dunkel und das feine Gold so hässlich geworden!" (Klagelieder 4,1) WABT 701 4 Von Anfang an hat Satan den Menschen vor Augen gemalt, was sie durch die Übertretung der Gebote angeblich gewinnen könnten. So hat er Engel verführt, Adam und Eva zur Sünde verleitet und so bringt er auch heute noch unzählige Menschen vom Gehorsam Gott gegenüber ab. Der Pfad der Übertretung wird dem Menschen als begehrenswert vorgestellt, "aber zuletzt bringt er ihn zum Tode." (Sprüche 14,12) Glücklich der Mensch, der, nachdem er sich einmal auf diesen Pfad gewagt und erlebt hat, wie bitter die Früchte der Sünde schmecken, sich rechtzeitig von ihr abwendet. Gott ließ es in seiner Gnade nicht zu, dass David - durch den betrügerischen Lohn der Sünde verlockt - völlig ins Verderben geriet. Gottes Eingreifen Durch Einen Propheten WABT 702 1 Auch wegen des Volkes Israel war ein Eingreifen Gottes notwendig. Im Lauf der Zeit wurde Davids Sünde mit Batseba bekannt. Es tauchte der Verdacht auf, dass er Urias Tod geplant hatte. Darunter litt die Ehre des Herrn, denn er hatte David bevorzugt und erhöht. Dessen Sünde stellte nun den Charakter Gottes falsch dar und brachte Schande über seinen Namen. Dies führte dazu, dass der Maßstab der Frömmigkeit in Israel gesenkt wurde und bei vielen die Abscheu vor der Sünde nachließ, während jene, die Gott nicht liebten und verehrten, in ihren Übertretungen ermutigt wurden. WABT 702 2 Der Prophet Nathan erhielt von Gott den Auftrag, David zurechtzuweisen. Sie war hart und schrecklich. Nur wenige Herrscher hätten einen solchen Tadel hingenommen, ohne den Überbringer töten zu lassen. Unerschrocken überbrachte Natan das göttliche Urteil. Er tat dies jedoch mit solch himmlischer Weisheit, dass er das Mitgefühl des Königs weckte, sein Gewissen wach rief und ihn dazu brachte, sich mit eigenen Worten das Todesurteil zu sprechen. Er rief David als den von Gott über sein Volk gesetzten Hüter des Rechts an und legte ihm einen Fall von Unrecht und Unterdrückung vor, der Wiedergutmachung verlangte. WABT 702 3 "In einer Stadt lebten zwei Männer. Der eine war reich, der andere arm. Der Reiche besaß viele Schafe und Rinder. Der Arme hatte nichts außer einem kleinen Lamm, das er gekauft hatte. Er zog es zusammen mit seinen Kindern auf. Es aß vom Teller des Mannes, trank aus seinem Becher und schlief in seinen Armen. Er behandelte es wie eine Tochter. Eines Tages kam ein Gast in das Haus des reichen Mannes. Doch statt ein Lamm oder ein Rind aus seiner eigenen Herde für den Gast zu schlachten, nahm er das Lamm des Armen, schlachtete es und setzte es seinem Gast vor." (2. Samuel 12,1-4 NLB) WABT 702 4 Der König geriet in Zorn und rief aus: "So wahr der Herr lebt ... wer so etwas tut, verdient den Tod! Er muss dem Armen vier Lämmer für das eine geben, das er ihm, ohne auch nur das geringste Mitleid zu zeigen, geraubt hat." (2. Samuel 12,5.6. NLB) WABT 702 5 Nathan richtete seinen Blick auf den König. Dann hob er die rechte Hand zum Himmel und erklärte feierlich: "Du bist dieser Mann!" Nachdem er ihn erinnert hatte, dass Gott ihn zum König gemacht hatte, fuhr er fort: "Warum hast du meine Gebote missachtet und getan, was mir missfällt?" (2. Samuel 12,7.9 GNB) WABT 702 6 Wie David mögen Schuldiggewordene versuchen, ihre Sünde vor den Menschen zu verheimlichen. Sie mögen danach streben, die böse Tat für immer vor dem Blick oder dem Wissen anderer zu verbergen. Doch "alles ist nackt und bloß vor den Augen Gottes, dem wir für alles Rechenschaft ablegen müssen." (Hebräer 4,13b NLB) "Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird." (Matthäus 10,26) WABT 703 1 Nathan erklärte: "Du bist dieser Mann! So spricht der Herr, der Gott Israels: ›Ich habe dich zum König über Israel gesalbt und vor den Anschlägen Sauls gerettet. ... Warum also hast du das Wort des Herrn missachtet und etwas so Schreckliches getan? Denn du hast den Hetiter Uria durch die Am- moniter ermorden lassen und seine Frau gestohlen. Von jetzt an wird das Schwert eine ständige Bedrohung für deine Familie sein ... Ich werde deine eigene Familie gegen dich aufbringen. Ich werde deine Frauen einem anderen Mann geben ... Du hast es im Geheimen getan, ich werde es dir öffentlich, vor den Augen ganz Israels, antun.‹" (2. Samuel 12,7.9-12 NLB) WABT 703 2 Die Zurechtweisung des Propheten berührte Davids Herz und sein Gewissen erwachte. Jetzt erkannte er seine Schuld in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit. Er beugte sich in tiefer Reue vor Gott und sagte mit bebenden Lippen: "Ich habe gesündigt gegen den Herrn." (2. Samuel 12,13) Jedes Unrecht, das anderen zugefügt wird, reicht über den Verletzen hinaus bis zu Gott. David hatte sich gegen Uria und gegen Batseba schwer versündigt. Er war sich dessen nun schmerzlich bewusst. Aber unendlich größer war seine Sünde gegen Gott. Das Gezeugte Kind Stirbt WABT 703 3 Obwohl sich niemand in Israel gefunden hätte, um am Gesalbten des Herrn das Todesurteil zu vollstrecken, zitterte David davor, dass ihn ein plötzliches Strafgericht Gottes hinwegraffen könnte, ohne dass seine Schuld vergeben wäre. Aber durch den Propheten erhielt er die Botschaft: "Der Herr hat dir vergeben und du musst wegen dieser Sünde nicht sterben." (2. Samuel 12,13 NLB) Doch die Gerechtigkeit musste aufrechterhalten werden. Das Todesurteil für David wurde auf das Kind seiner Sünde übertragen. 38Der König erhielt dadurch Gelegenheit zur Buße. Für ihn allerdings waren das Leiden und Sterben des Kindes als Teil seiner Bestrafung viel härter, als es der eigene Tod hätte sein können. Der Prophet erklärte: "Weil du den Feinden des Herrn durch diese Sache Anlass zur Lästerung gegeben hast, muss auch der Sohn, der dir geboren ist, sterben." (2. Samuel 12,14 Elb.) WABT 703 4 Als das Kind erkrankte, bat David mit Fasten und in tiefer Demut um dessen Leben. Er legte seine königlichen Gewänder und seinen Stirnreif ab und bat, Nacht für Nacht auf dem Boden liegend, in herzzerreißender Trauer für das unschuldige Wesen, das um seiner Sünde willen litt. "Die vertrautesten unter seinen Hofleuten gingen zu ihm und wollten ihn aufheben und ins Bett bringen, aber er ließ es nicht zu." (2. Samuel 12,17 GNB) Oft hatte der Allbarmherzige, der immer zur Vergebung bereit ist, Urteile, die er bereits über Menschen oder Städte ausgesprochen hatte, aufgrund von Demut und Reue abgewendet und einen Friedensboten gesandt. Durch diesen Gedanken ermutigt, hielt David an seinem Flehen fest, solange das Kind noch lebte. Als er erfuhr, dass es gestorben war, beugte er sich still dem Urteil Gottes. Der erste Vergeltungsschlag, den er selbst als gerecht bezeichnet hatte, hatte ihn getroffen. Aber David vertraute auf Gottes Gnade und blieb nicht ohne Trost. Warum Berichtet Die Bibel Von Sünden? WABT 704 1 Viele haben sich beim Lesen der Geschichte von Davids Fall gefragt: Warum ist dieser Bericht veröffentlicht worden? Weshalb hat Gott es für gut befunden, diesen dunklen Abschnitt im Leben eines vom Himmel in so hohem Maß geehrten Menschen vor aller Welt offenzulegen? In seinem Tadel an David erklärte der Prophet zu dessen Sünde, er habe "den Feinden des Herrn durch diese Sache Anlass zur Lästerung gegeben." (2. Samuel 12,14 Elb.) Durch alle nachfolgenden Generationen haben Ungläubige auf diesen dunklen Punkt in Davids Charakter hingewiesen und triumphierend gespottet: "Und dies soll der Mann nach Gottes Herzen sein!" (vgl. 1. Samuel 13,14). Dadurch geriet der Glaube in Verruf, Gott und sein Wort wurden verunglimpft, Menschen verhärteten sich im Unglauben, und viele haben seither unter einem religiösen Deckmantel umso leichtfertiger gesündigt. WABT 704 2 Doch in Davids Lebensbeschreibung wird Sünde nicht gutgeheißen. Als er nach Gottes Rat lebte, wurde er "ein Mann nach dem Herzen Gottes" genannt. Als er sündigte, traf dies auf ihn nicht mehr zu, bis er reuevoll wieder zum Herrn zurückkehrte. Gottes Wort sagt unmissverständlich: "Dem Herrn missfiel, was David getan hatte." (2. Samuel 11,27b) Und durch den Propheten ließ der Herr David ausrichten: "Warum also hast du das Wort des Herrn missachtet und etwas so Schreckliches getan? ... Von jetzt an wird das Schwert eine ständige Bedrohung für deine Familie sein, denn du hast mich missachtet ..." (2. Samuel 12,9.10 NLB) Obwohl David seine Sünde bereute, Vergebung erlangte und vom Herrn wieder angenommen wurde, erntete er doch die unheilvollen Früchte der von ihm selbst ausgestreuten Saat. Die Gerichte über ihn und sein Haus bezeugen Gottes Abscheu vor der Sünde. WABT 705 1 Bisher hatte Gottes Vorsehung David vor allen Anschlägen seiner Feinde geschützt und Saul in die Schranken gewiesen. Aber Davids Übertretung hatte seine Beziehung zu Gott verändert. Der Herr konnte auf keinen Fall Bosheit billigen. Er konnte seine Macht nicht einsetzen, um David vor den Folgen seiner Sünde zu bewahren, so wie er ihn vor Sauls Feindschaft bewahrt hatte. WABT 705 2 In David selbst ging eine große Veränderung vor. Als ihm seine Sünde bewusst wurde, und er ihre weitreichenden Folgen sah, brach ihm das Herz. Er fühlte sich in den Augen seiner Untertanen gedemütigt. Sein Einfluss war geschwächt. Bis dahin hatte man seinen Wohlstand seinem gewissenhaften Gehorsam gegenüber den Geboten des Herrn zugeschrieben. Weil nun seine Untergebenen von seiner Sünde wussten, würden sie dazu verleitet werden, noch unbekümmerter zu sündigen. Seine Autorität in seiner eigenen Familie, sein Anspruch auf Respekt und Gehorsam seitens seiner Söhne war geschwächt. Das Bewusstsein seiner Schuld ließ ihn schweigen, wo er die Sünde hätte verurteilen müssen, und schwächte ihn derart, dass er in seinem eigenen Haus das Recht nicht mehr durchsetzen konnte. Sein schlechtes Beispiel wirkte sich auf seine Söhne aus, und Gott griff nicht ein, um die Folgen abzuwenden. Er ließ den Dingen ihren natürlichen Lauf und auf diese Weise wurde David hart bestraft. WABT 705 3 Nach seinem Fall lebte David ein ganzes Jahr lang in vermeintlicher Sicherheit. Es gab keinen äußerlichen Beweis für Gottes Missfallen. Doch das göttliche Urteil hing über ihm. Rasch und gewiss näherte sich der Tag des Gerichts und der Vergeltung, den keine Reue aufhalten konnte - Seelenqualen und Schmach, die sein ganzes irdisches Leben verdüstern würden. Jene, die auf das Beispiel Davids als Entschuldigung für ihre eigene Schuld verweisen, sollten aus dem biblischen Bericht lernen, dass der Weg der Übertretung hart ist. Auch wenn sie sich wie David von ihrem bösen Lebenswandel abwenden, werden sie feststellen, dass die Folgen der Sünde schon in diesem Leben bitter und schwer zu tragen sind. WABT 705 4 Gott wollte, dass die Geschichte von Davids Fall als warnendes Beispiel dafür dient, dass sich selbst jene, die er reichlich gesegnet und begünstigt hat, nicht sicher fühlen sollten und Wachsamkeit und Gebet nicht vernachlässigen dürfen. Damit hat sie sich als lehrreiches Beispiel für jene Menschen erwiesen, die sich demütig darum bemüht haben, das zu beherzigen, was Gott damit sagen wollte. Von Generation zu Generation sind sich dadurch Tausende ihrer Gefährdung durch die Macht des Versuchers bewusst geworden. Der Fall Davids - eines durch den Herrn so hoch geehrten Menschen - hat sie selbstkritisch werden lassen. Sie haben erkannt, dass allein Gottes Macht sie durch den Glauben bewahren kann. Im Bewusstsein, dass ihre Sicherheit und Stärke in Gott liegt, sind sie davor zurückgeschreckt, auch nur einen Fuß auf Satans Territorium zu setzen. Davids Psalmen Über Seine Schuld Und Reue WABT 706 1 Schon bevor das göttliche Urteil über David ausgesprochen wurde, hatte er die erste Frucht der Übertretung geerntet. Sein Gewissen fand keine Ruhe. Die Seelenangst, die er damals durchlitt, beschrieb er im 32. Psalm. Dort erklärt er: WABT 706 2 "Freuen dürfen sich alle, denen Gott ihr Unrecht vergeben und ihre Verfehlungen zugedeckt hat! Freuen dürfen sich alle, denen der Herr die Schuld nicht anrechnet und deren Gewissen nicht mehr belastet ist! Herr, erst wollte ich meine Schuld verschweigen; doch davon wurde ich so krank, dass ich von früh bis spät nur stöhnen konnte. Ich spürte deine Hand bei Tag und Nacht; sie drückte mich zu Boden, ließ meine Lebenskraft entschwinden wie in der schlimmsten Sommerdürre." (Psalm 32,1-4 GNB) WABT 706 3 Im 51. Psalm brachte David seine Schuld und Reue zum Ausdruck, nachdem Gott ihn durch den Propheten Nathan gerügt hatte (vgl. Vers 1): WABT 706 4 "Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit. Wasche mich rein von meiner Missetat und reinige mich von meiner Sünde; denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir. ... Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde; wasche mich, dass ich schneeweiß werde. Lass mich hören Freude und Wonne, dass die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast. Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden und tilge alle meine Missetat. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus. Ich will die Übertreter deine Wege lehren, dass sich die Sünder zu dir bekehren. Errette mich von Blutschuld, Gott, der du mein Gott und Heiland bist, dass meine Zunge deine Gerechtigkeit rühme. Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige." (Psalm 51,3-5.9-17) WABT 707 1 Mit diesen Worten schildert der König von Israel in einem geistlichen Lied seine Erfahrung mit der Sünde, seine Reue und seine Hoffnung auf die Vergebung durch Gottes Gnade. Dieser Psalm sollte in den öffentlichen Versammlungen seines Volkes in Gegenwart seines Hofstaates - der Priester und Richter, der Fürsten und Kriegsleute - gesungen werden. Er sollte die Kenntnis seiner Schuld bis in die letzte Generation bewahren. Anstatt zu versuchen, seine Schuld zu verbergen, wünschte er, dass andere aus der traurigen Geschichte seines Falls ihre Lehren ziehen. WABT 707 2 Davids Reue war aufrichtig und tief. Er versuchte nicht, sein Verbrechen zu beschönigen. Sein Gebet entsprang auch nicht dem Wunsch, den angedrohten Strafgerichten zu entgehen. Aber er sah die Ungeheuerlichkeit seiner Missetat gegenüber Gott. Er erkannte die Befleckung seiner Seele. Er verabscheute seine Sünde. Nicht nur um Vergebung betete er, sondern auch um die Reinheit des Herzens. David gab nicht aus Verzweiflung das Ringen auf. In den Verheißungen Gottes für reuige Sünder sah er den Beweis für seine Vergebung und Annahme. WABT 707 3 "Mit Schlachtopfern bist du nicht zufrieden, sonst hätte ich sie dir gebracht, und auch Brandopfer würdest du nicht annehmen. Das Opfer, das dir gefällt, ist ein zerbrochener Geist. Ein zerknirschtes, reumütiges Herz wirst du, Gott, nicht ablehnen." (Psalm 51,18.19 NLB) WABT 707 4 Obwohl David gefallen war, richtete ihn der Herr wieder auf. Jetzt befand er sich in größerer Übereinstimmung mit Gott als vor seinem Fall. Er empfand auch mehr Mitgefühl für seine Mitmenschen. WABT 707 5 In der Freude über seine Befreiung sang er: WABT 707 6 "Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht. Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde. ... Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten, dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann." (Psalm 32,5-7) WABT 708 1 Viele haben Gott als ungerecht bezeichnet, weil er David, dessen Schuld doch so groß war, verschont hat, während er Saul verwarf, dessen Sünde aus ihrer Sicht viel geringer war. Aber David demütigte sich und bekannte seine Sünde, während Saul Zurechtweisungen ablehnte und sein Herz in Unbußfertigkeit verhärtete. WABT 708 2 Dieser Abschnitt aus Davids Lebensgeschichte ist für alle, die ihre Sünden bereuen, von großer Bedeutung. Wir erhalten damit eine der eindrucksvollsten Schilderungen von den Kämpfen und Versuchungen eines Menschen sowie von echter Reue gegenüber Gott und vom Glauben an die Erlösung durch unseren Herrn Jesus Christus. Davids Erfahrung hat sich zu allen Zeiten für Menschen, die in Sünde gefallen waren und sich unter der Last ihrer Schuld quälten, als eine Quelle der Ermutigung erwiesen. Tausende Kinder Gottes, die zur Sünde verleitet wurden und der Verzweiflung nahe waren, erinnerten sich daran, wie Gott Davids aufrichtiges Reuebekenntnis annahm, obwohl dieser für seine Übertretungen leiden musste. Das ermutigte auch sie zur Reue und motivierte sie, erneut den Geboten Gottes zu folgen. WABT 708 3 Wer sich von Gott zurechtweisen lässt und sich durch Reue und Bekenntnis demütigt, wie es David tat, darf gewiss sein, dass es für ihn Hoffnung gibt. Wer Gottes Verheißungen im Vertrauen annimmt, wird Vergebung finden. Niemals wird der Herr auch nur einen einzigen aufrichtig bereuenden Menschen verwerfen. Er hat dazu aufgefordert: "Man müsste meinen Schutz ergreifen, Frieden mit mir machen, Frieden machen mit mir." (Jesaja 27,5 Elb.) "Der Gottlose soll seinen Weg verlassen und der Übeltäter von seinen Plänen absehen! Stattdessen soll er zum Herrn umkehren, damit er sich seiner erbarmt. Ja, bekehrt euch zu unserem Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung." (Jesaja 55,7 NLB) ------------------------Kapitel 72 - Absaloms Aufstand Gegen David WABT 709 0 2. Samuel 13,1 bis 19,9. WABT 709 1 Der Übeltäter solle die Schuld "vierfach bezahlen" - das war Davids Urteil gewesen, das er unwissentlich über sich aussprach, als er die Geschichte des Propheten Nathan gehört hatte (2. Samuel 12,6). Und nach seinem eigenen Urteil sollte er gerichtet werden. Vier seiner Söhne mussten sterben. Der Verlust eines jeden von ihnen war eine Folge der väterlichen Sünde. Amnons Schandtat Und Absaloms Rache WABT 709 2 Amnon verliebte sich in seine Halbschwester Tamar. Schließlich "überwältigte und vergewaltigte" er sie (2. Samuel 13,14b NLB). Dieses schändliche Verbrechen seines Erstgeborenen ließ David jedoch ungestraft und ungerügt durchgehen. Das Gesetz verbot Blutschande und verlangte die Todesstrafe für Ehebrecher (vgl. 3. Mose 18,9; 20,17). Amnons ungeheuerlicher Frevel ließ ihn also doppelt schuldig werden. Aber David, der sich wegen seiner eigenen Sünde selbst verdammte, brachte es nicht fertig, den Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen. WABT 709 3 Zwei volle Jahre lang verheimlichte Absalom, der von Kind auf der Beschützer seiner so übel behandelten Schwester war, seine Racheabsichten, aber nur um am Ende umso sicherer zuzuschlagen. Auf einem Fest der Königssöhne ließ er den betrunkenen, blutschänderischen Amnon erschlagen (vgl. 2. Samuel 13,28.29). WABT 709 4 Damit war David von einem zweiten Strafgericht heimgesucht worden. Man überbrachte ihm die furchtbare Nachricht, "Absalom habe alle Söhne des Königs erschlagen, dass nicht einer von ihnen übrig geblieben sei. Da stand der König auf und zerriss seine Kleider und legte sich auf die Erde, und alle seine Großen, die um ihn standen, zerrissen ihre Kleider." (2. Samuel 13,30.31) Als die anderen Söhne des Königs bestürzt nach Jerusalem zurückkehrten, berichteten sie ihrem Vater die Wahrheit: Nur Amnon war ermordet worden. Und sie "weinten und klagten. Auch der König und seine Diener brachen in Tränen aus." (2. Samuel 13,36 NLB) Absalom floh zu König Talmai von Geschur, dem Vater seiner Mutter (vgl. 2. Samuel 3,3). WABT 710 1 Wie den anderen Söhnen Davids war auch Amnon gestattet worden, seinen selbstsüchtigen Neigungen nachzugeben. Amnon hatte sich jeden Wunsch seines Herzens erfüllt, ungeachtet der Forderungen Gottes. Trotz seiner großen Sünde hatte Gott viel Geduld mit ihm. Zwei Jahre lang wurde ihm Gelegenheit zur Reue gewährt, doch er lebte weiter in Sünde, und schuldbeladen ereilte ihn der Tod. Nun wartet das schreckliche Urteil des jüngsten Gerichts auf ihn. WABT 710 2 David hatte es versäumt, Amnons Frevel zu bestrafen. Wegen dieser Pflichtvergessenheit des königlichen Vaters und der Unbußfertigkeit des Sohnes ließ der Herr den Dingen ihren natürlichen Lauf und hielt Absalom nicht zurück. Wenn Eltern oder Herrscher ihre Pflicht versäumen, die Bosheit zu bestrafen, wird sich Gott selbst der Sache annehmen. Er zieht seine bändigende Macht nach und nach von den Werkzeugen des Bösen zurück, sodass im Zuge der folgenden Ereignisse Sünde mit Sünde bestraft wird. Joab Erwirkt Absaloms Rückkehr WABT 710 3 Davids ungerechtfertigte Nachsicht gegenüber Amnon hatte noch weitere böse Folgen, denn damit begann die Entfremdung zwischen Absalom und seinem Vater. Als Absalom nach Geschur geflohen war, realisierte David, dass das Verbrechen seines Sohnes auf irgendeine Weise bestraft werden müsste, und so verweigerte er ihm das Recht auf eine Rückkehr. Doch dies führte dazu, dass die heillose Verstrickung, in die der König geraten war, eher schlimmer als besser wurde. Absalom - tatkräftig, ehrgeizig, rücksichtslos und durch sein Exil von der Teilhabe an den Regierungsangelegenheiten ausgeschlossen - machte sich bald daran, gefährliche Ränke zu schmieden. WABT 710 4 Nach zwei Jahren beschloss Joab, eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn herbeizuführen. In dieser Absicht sicherte er sich die Hilfe einer Frau aus Tekoa, die für ihre Weisheit bekannt war. Joab wies sie an, sich bei David als Witwe auszugeben, deren zwei Söhne ihr einziger Trost und ihre Stütze gewesen waren. Im Streit habe der eine den anderen erschlagen, und nun forderten alle Verwandten, der Überlebende solle dem Bluträcher ausgeliefert werden. "Sie wollen", sagte die Mutter, "mir also den letzten Sohn und Erben nehmen, sodass der Name meines Mannes und seine Familie vom Angesicht der Erde verschwinden werden." (2. Samuel 14,7 NLB) Diese Bitte berührte das Herz des Königs und er versprach der Frau, ihrem Sohn königlichen Schutz zu gewähren. WABT 711 1 Nachdem sie ihm wiederholt Zusagen für die Sicherheit des jungen Mannes abgerungen hatte, bat sie den König um Verzeihung und erklärte, dass er als jemand gesprochen habe, der selbst schuldig sei, weil er seinen verbannten Sohn nicht nach Hause zurückhole. "Wir alle müssen irgendwann sterben", sagte sie, "unser Leben ist wie Wasser, das auf dem Boden verschüttet wurde und nicht wieder eingesammelt werden kann. Aber Gott löscht das Leben nicht aus, sondern versucht den Verbannten heimzuholen, damit er nicht weiter von ihm verstoßen bleibt!" (2. Samuel 14,14 NLB) Diese feinfühlige und ergreifende Darstellung der Liebe Gottes zum Sünder - die sogar vom rauen Krieger Joab stammte - ist ein bemerkenswerter Beweis dafür, wie vertraut die Israeliten mit den großen Wahrheiten der Erlösung waren. Dem König wurde erneut bewusst, wie nötig er Gottes Barmherzigkeit hatte. Er konnte dem Aufruf nicht widerstehen. Joab erhielt den Auftrag: "So geh hin und bringe meinen Sohn Absalom zurück." (2. Samuel 14,21) WABT 711 2 Absalom durfte zwar nach Jerusalem zurückkehren, aber nicht am Königshof oder vor seinem Vater erscheinen. Allmählich begann David, die üblen Folgen seiner Nachsichtigkeit gegenüber seinen Kindern zu erkennen. So sehr er diesen hübschen, begabten Sohn liebte, hielt er es um Absaloms und des Volkes willen doch für notwendig, deutlich zu zeigen, wie verabscheuungswürdig seine Freveltat war. Zwei Jahre lang lebte Absalom in seinem eigenen Haus, aber vom Königshof verbannt. Seine Schwester Tamar wohnte bei ihm. Ihre Anwesenheit hielt die Erinnerung an das nicht wiedergutzumachende Unrecht, das sie erlitten hatte, wach. Absalom Macht Sich Beim Volk Beliebt WABT 711 3 In der öffentlichen Einschätzung galt der Prinz nicht als Übeltäter, sondern als Held. Diesen Vorteil nutzte er aus, um die Herzen des Volkes für sich zu gewinnen. Aufgrund seiner persönlichen Erscheinung gewann er schnell die Bewunderung aller, die ihm begegneten. "Kein Mann in Israel war so schön und so bewundert wie Absalom. Er war vom Scheitel bis zur Sohle vollkommen." (2. Samuel 14,25 NLB) Es war nicht klug vom König, einen Mann wie Absalom - ehrgeizig, ungestüm und leidenschaftlich - zwei Jahre lang über vermeintliche Missstände nachgrübeln zu lassen (vgl. 2. Samuel 15,2-4). Und dass David ihm zwar erlaubt hatte, nach Jerusalem zurückzukehren, ohne ihm jedoch zu erlauben, in seine Gegenwart zu treten, trug Absalom das Mitgefühl des Volkes ein. WABT 712 1 Die ständige Erinnerung an seine eigene Übertretung des Gesetzes Gottes schien David moralisch zu lähmen. Vor seiner großen Sünde war er mutig und entschlossen gewesen; aber nun war er schwach und unentschlossen. Sein Einfluss beim Volk hatte nachgelassen. All dies begünstigte die Absichten seines missratenen Sohnes. WABT 712 2 Absalom verdankte es dem Einfluss Joabs, dass er schließlich wieder in der Gegenwart seines Vaters erscheinen durfte. Aber obwohl eine äußerliche Versöhnung zustande kam, hielt Absalom an seinen ehrgeizigen Plänen fest. Er nahm einen beinahe königlichen Status an, indem er Wagen und Pferde benutzte und sich mit einer Leibwache von 50 Männern umgab. Während der König immer mehr das Alleinsein und die Zurückgezogenheit suchte, warb Absalom eifrig um die öffentliche Gunst. WABT 712 3 Davids Teilnahmslosigkeit und Unentschlossenheit übertrug sich auf seine Untergebenen. Die Rechtspflege wurde nur nachlässig gehandhabt. Urteile wurden verschleppt. Geschickt nutzte Absalom jeden Anlass der Unzufriedenheit zu seinem Vorteil. Tag für Tag konnte man ihn in vornehmer Haltung am Stadttor sitzen sehen, wo eine Schar von Bittstellern darauf wartete, ihre Nöte dem König vorzutragen, damit er Abhilfe schaffe. WABT 712 4 Absalom mischte sich unter sie, hörte sich ihre Beschwerden an und brachte sein Mitgefühl für ihre Sorgen und sein Bedauern über die unbefriedigende Arbeit der Regierung zum Ausdruck. Hatte er sich die Geschichte eines Israeliten angehört, erwiderte er: "Du bist wirklich im Recht. Aber beim König ist niemand, der sich damit befassen wird." Und er fügte hinzu: "Ich wünschte, ich wäre der Richter in diesem Land. Dann könnten die Leute mit ihren Streitfällen zu mir kommen, und ich würde ihnen Gerechtigkeit verschaffen!" Und wenn sich die Menschen vor ihm verneigen wollten, ließ Absalom es nicht zu, sondern umarmte und küsste sie." (2. Samuel 15,3-5 NLB) Absaloms Vorbereitungen Zum Aufstand WABT 712 5 Durch solch listige Anspielungen schürte der Prinz eine rasch um sich greifende Unzufriedenheit mit der Regierung. Das Lob für Absalom breitete sich aus. Allgemein sah man in ihm den Erben des Königreiches. Stolz schaute das Volk auf ihn, denn man hielt ihn dieses hohen Amtes für würdig. So wurde der Wunsch nach seiner Thronübernahme geweckt. "Auf diese Weise stahl er dem König die Herzen der Männer Israels." (2. Samuel 15,6 GNB) Aber David - geblendet durch die Zuneigung zu seinem Sohn - ahnte nichts. Den fürstlichen Aufwand, den Absalom betrieb, fasste David so auf, als sollte damit seinem Hof Ehre erwiesen werden und als Ausdruck der Freude über die Aussöhnung. WABT 713 1 Als das Volk auf die kommenden Ereignisse innerlich vorbereitet war, sandte Absalom heimlich ausgesuchte Männer zu den Stämmen, um die Vorkehrungen für einen Aufstand zu koordinieren. Vorerst aber sollten seine verräterischen Pläne unter dem Deckmantel religiöser Hingabe verborgen bleiben. Er wolle in Hebron ein Gelübde einlösen, das er vor langer Zeit im Exil abgelegt habe. Zum König sagte er: "Ich möchte nach Hebron gehen, um das Gelübde zu erfüllen, das ich dem Herrn gegeben habe. Als ich noch in Ge- schur in Syrien war, habe ich, dein ergebener Diener, dem Herrn versprochen: ›Wenn du mich nach Jerusalem zurückbringst, will ich dir ein Dankopfer dar- bringen.‹" (2. Samuel 15,7.8 GNB) Erfreut über diesen Beweis der Frömmigkeit seines Sohnes entließ ihn der liebevolle Vater mit seinem Segen. Damit war die Verschwörung ausgereift. Dieser krönende Akt der Scheinheiligkeit sollte nicht nur den König täuschen, sondern auch das Vertrauen des Volkes zu Absalom sichern, um es auf diese Weise zum Aufstand gegen den König zu führen, den doch Gott eingesetzt hatte. WABT 713 2 Absalom brach nach Hebron auf. "Zweihundert Bürger aus Jerusalem begleiteten Absalom nach Hebron; sie waren als Festgäste eingeladen und gingen ahnungslos mit. Von Absaloms Plan wussten sie nichts." (2. Samuel 15,11 GNB) Diese Männer begleiteten Absalom und dachten nicht im Entferntesten daran, dass sie ihre Liebe zum Königssohn in einen Aufstand gegen den Vater hineinziehen würde. Unmittelbar nach der Ankunft in Hebron rief Absalom Ahitofel zu sich, einen der wichtigsten Ratgeber Davids. Er stand im Ruf großer Weisheit und sein Urteil hielt man für so weise und verlässlich, wie das eines Orakels. Ahitofel schloss sich den Verschwörern an. Mit seiner Unterstützung schien Absaloms Erfolg gesichert zu sein, zumal nun viele einflussreiche Männer aus allen Teilen des Landes zu ihm überliefen. Als die Posaune ertönte und den Aufstand bekannt machte, verbreiteten Agenten des Königssohnes im ganzen Land die Nachricht, Absalom sei König geworden. Daraufhin scharte sich eine große Volksmenge um ihn. Davids Reaktion Auf Den Aufstand WABT 713 3 Unterdessen drang die Schreckensnachricht bis zum König nach Jerusalem. David schreckte plötzlich auf und sah, dass in nächster Nähe seines Thrones ein Aufstand ausgebrochen war. Sein eigener Sohn, den er so geliebt und dem er vertraut hatte, trachtete danach, ihm die Krone zu entreißen und wollte ihm zweifellos auch das Leben nehmen. In dieser großen Gefahr schüttelte David die Schwermut ab, die ihn so lange bedrückt hatte. Mit dem Eifer seiner früheren Jahre bereitete er sich vor, dieser schrecklichen Notlage zu begegnen. Bei Hebron, nur gut 30 Kilometer entfernt, hatte Absalom seine Streitmacht gesammelt. Bald würden die Rebellen vor den Toren Jerusalems stehen. WABT 714 1 Von seinem Palast aus blickte David auf seine Hauptstadt. "Schön ragt empor der Berg Zion, daran sich freut die ganze Welt ... die Stadt des großen Königs." (Psalm 48,3) Ihn schauderte beim Gedanken, dass sie Gemetzel und Verwüstung erleben sollte. War es richtig, dass er alle königstreuen Untertanen zu Hilfe rief, um mit ihnen seine Hauptstadt zu verteidigen? Durfte er in Jerusalem ein Blutbad zulassen? Er entschied: Die erwählte Stadt sollte die Schrecken eines Krieges nicht erleben. Er wollte Jerusalem verlassen, um dann die Treue seines Volkes auf die Probe zu stellen. Die Israeliten erhielten so die Gelegenheit, sich zu seiner Unterstützung zu sammeln. In dieser schweren Krise war er es Gott und seinem Volk schuldig, die ihm vom Himmel verliehene Autorität aufrechtzuerhalten. Den Ausgang des Kampfes überließ er Gott. Davids Auszug Aus Jerusalem WABT 714 2 Gedemütigt und schmerzerfüllt schritt David durch das Tor hinaus aus der Stadt Jerusalem. Die Auflehnung seines geliebten Sohnes hatte ihn vom Thron, aus seinem Palast und aus der Nähe der Lade Gottes vertrieben. In einem langen, traurigen Zug schloss sich ihm das Volk an wie zu einem Begräbnis. Davids Leibwache, die Kreter und Pleter, und 600 Gatiter unter dem Befehl Ittais begleiteten den König. In der ihm eigenen Selbstlosigkeit wollte David diese Fremden, die einst Schutz bei ihm gesucht hatten, nicht mit in sein Unglück hineinziehen. Er war überrascht, dass sie seinetwegen zu diesem Opfer bereit waren. Darum sagte der König zu Ittai: "Warum kommst du mit uns? Kehr um und bleib bei König Absalom, denn du bist Gast in Israel, ein Fremder in der Verbannung. Du bist erst gestern gekommen und jetzt sollst du mit uns flüchten? Ich weiß ja nicht einmal, wo ich hingehen werde. Kehr um und geh mit deinen Landsleuten zurück. Der Herr sei mit seiner Liebe und Treue bei dir." (2. Samuel 15,19.20 NLB) WABT 714 3 Ittai antwortete: "So wahr der Herr lebt und so wahr mein Herr und König lebt, ich werde mit dir gehen, wohin du auch gehst, auch wenn es mich das Leben kosten sollte." (2. Samuel 15,21 NLB) Diese Männer hatten sich vom Heidentum zur Anbetung Jahwes bekehrt, und in edler Gesinnung blieben sie jetzt ihrem Gott und ihrem König treu. In seiner scheinbar ausweglosen Lage nahm David ihre Ergebenheit dankbar an. Sie zogen über den Bach Kid- ron der Wüste entgegen. WABT 715 1 Noch einmal hielt der Zug an. Eine Gruppe Männer in heiligen Gewändern näherte sich ihnen. "Auch Zadok war mit den Leviten bei ihm, die die Bundeslade Gottes trugen." (2. Samuel 15,24 NLB) Davids Begleiter sahen dies als gutes Vorzeichen an. Die Anwesenheit dieser heiligen Lade war für sie ein Unterpfand ihrer Errettung und des letztendlichen Sieges. Sie würde dem Volk Mut machen, sich dem König anzuschließen. Ihr Fehlen in Jerusalem hingegen müsste Absaloms Anhänger erschrecken. WABT 715 2 Der Anblick der Bundeslade ließ für einen kurzen Augenblick Davids Herz vor Freude und Hoffnung höher schlagen. Aber bald bewegten ihn andere Gedanken. Als berufener Herrscher über Gottes Erbe trug er eine heilige Verantwortung. Nicht persönlicher Vorteil, sondern Gottes Ehre und das Wohl seines Volkes mussten bei Israels König an erster Stelle stehen. Gott, der zwischen den Cherubim der Bundeslade weilte, hatte von Jerusalem gesagt: "Dies ist die Stätte meiner Ruhe." (Psalm 132,14) Ohne göttliche Ermächtigung hatten weder Priester noch der König das Recht, das Zeichen seiner Gegenwart von dort zu entfernen. David war sich bewusst, dass sein Herz und Leben mit Gottes Geboten in Übereinstimmung sein mussten, sonst würde die Lade eher Unheil als Glück bringen. Noch immer stand ihm seine große Sünde vor Augen. Und er erkannte in dieser Verschwörung das gerechte Gericht Gottes. Das Schwert, das nicht mehr von seinem Haus ablassen sollte, war blank gezogen. Er kannte den Ausgang des Kampfes nicht. Ihm stand es aber nicht zu, die heiligen Gesetzestafeln, die den Willen des göttlichen Herrschers verkörperten, aus der Hauptstadt wegzubringen, denn sie waren die Verfassung des Reiches und die Grundlage für dessen Wohlergehen. Deshalb gebot er Zadok: "Bring die Lade wieder in die Stadt! Wenn der Herr mit mir Erbarmen hat, bringt er mich eines Tages zurück und lässt mich die Lade und den Ort, an dem sie steht, wiedersehen. Wenn er aber sagt: ›Ich habe kein Gefallen mehr an dir‹, dann soll er mit mir machen, was er für richtig hält." (2. Samuel 15,25.26 GNB) WABT 715 3 Weiter sagte David: "Bist du nicht der Seher?" (2. Samuel 15,27a Elb. Anm.) - also ein von Gott berufener Lehrer des Volkes. "Kehr du in Frieden in die Stadt zurück mit deinem Sohn Ahimaaz und Abjatar mit seinem Sohn Jonatan. Ich werde an den Furten des Jordan Halt machen und dort auf Nachricht von euch warten." (2. Samuel 15,27.28 NLB) In der Stadt könnten ihm die Priester gute Dienste leisten, wenn sie die Bewegungen und Absichten der Rebellen beobachteten und durch ihre Söhne Ahimaaz und Jonatan dem König heimlich davon Bericht geben würden. WABT 716 1 Als die Priester nach Jerusalem umkehrten, schien sich auf die im Auszug begriffene Menge ein tiefer Schatten zu legen. Ihr König war ein Flüchtling, sie selbst waren Vertriebene und sogar die Lade Gottes hatte sie verlassen. Dunkel und unheilvoll lag die Zukunft vor ihnen. "David stieg den Ölberg hinauf. Er ging barfuß, hatte sein Gesicht verhüllt und weinte. Auch alle, die ihn begleiteten, verhüllten ihr Gesicht und weinten. Unterwegs wurde David gemeldet: "Auch Ahitofel steht auf der Seite der Verschwörer um Absalom!" (2. Samuel 15,30.31a GNB) Erneut musste David in diesem Unglück die Folgen seiner Sünde erkennen. Das Überlaufen Ahitofels, dieses außergewöhnlich fähigen und klugen politischen Kopfes, war die Rache für die Schmach, die seiner Familie durch das Unrecht an Batseba, seiner Enkelin, zugefügt worden war. WABT 716 2 "Da sagte David: ›Mach doch, Herr, den Rat Ahitofels zur Torheit!‹" (2. Samuel 15,31b Elb.) Als er auf der Anhöhe des Ölbergs angekommen war, beugte er sich nieder zum Gebet, brachte seine Seelenlast vor Gott und flehte demütig um göttliches Erbarmen. Seine Bitten schienen augenblicklich erhört zu werden, denn der Arkiter Huschai, ein kluger und fähiger Ratgeber, der sich als aufrichtiger Freund Davids bewährt hatte, kam jetzt mit zerrissenen Kleidern und Erde auf dem Haupt zu ihm, um das Los des entthronten, flüchtigen Königs zu teilen. Wie durch göttliche Erleuchtung erkannte David, dass er gerade diesen treuen, redlichen Mann in der Hauptstadt brauchte, um die Anliegen des Königs in den Ratsversammlungen zu unterstützen. Auf Davids Bitte hin ging Huschai nach Jerusalem zurück, um Absalom seine Dienste anzubieten und Ahitofels listige Ratschläge zu vereiteln. Ungerechtfertigte Beschuldigungen WABT 716 3 Mit diesem Lichtblick in der Dunkelheit setzten der König und seine Begleiter ihren Weg fort, den Osthang des Ölbergs hinunter, durch felsige, trostlose Einöden und Bergschluchten auf dem steinigen, abschüssigen Weg zum Jordan hin. "Als König David an Bahurim vorüberzog, kam aus dem Dorf ein Mann heraus und verfluchte sie. Es war Schimi, der Sohn Geras, aus der Sippe Sauls. Er bewarf David und seine Leute mit Steinen, obwohl alle Krieger den König umgaben. ›Fort mit dir, du Mörder, du Übeltäter!‹, schrie er fluchend. ›Der Herr bestraft dich dafür, dass du Saul und seine Familie ermordet hast. Du hast ihm den Thron gestohlen und jetzt hat der Herr ihn deinem Sohn Absalom gegeben. Nun trifft dich das Unglück, und du hast es verdient, du Mörder!‹" (2. Samuel 16,5-8 NLB) WABT 717 1 Solange es David gut gegangen war, hatte Schimi weder durch Worte noch durch Taten zu erkennen gegeben, dass er kein ergebener Untertan war. Als sich aber der König im Elend befand, offenbarte dieser Benjaminit seine wahre Gesinnung. Während David den Thron innehatte, zollte er ihm die nötige Ehre, aber in seiner Erniedrigung fluchte er ihm. Er war falsch und egoistisch und unterstellte anderen seine Charaktereigenschaften. Von Satan beeinflusst ließ er seinen Hass nun an demjenigen aus, den Gott heimgesucht hatte. Der Geist, der einen veranlasst, über jemand im Elend zu triumphieren, ihn zu verunglimpfen oder zu kränken, ist der Geist Satans. WABT 717 2 Schimis Anschuldigungen gegen David waren völlig unberechtigt, und dadurch verleumdete er ihn böswillig und grundlos. David hatte weder Saul noch dessen Familie Unrecht getan. Als Saul völlig in seiner Gewalt war und er ihn hätte töten können, hatte er nur einen Zipfel von seinem Umhang abgeschnitten - und selbst dabei hatte er sich vorgeworfen, dem Gesalbten des Herrn gegenüber respektlos gehandelt zu haben. WABT 717 3 Sogar als David von Saul wie ein wildes Tier gejagt wurde, hatte er seine Achtung vor dem menschlichen Leben eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Während er sich in der Höhle Adullam verborgen hielt, wanderten eines Tages seine Gedanken zurück in die unbekümmerte Freiheit seiner Jugendjahre, und er rief aus: "Wer will mir Wasser zu trinken holen aus dem Brunnen am Tor in Bethlehem?" (2. Samuel 23,15) Bethlehem war zu jener Zeit in den Händen der Philister. Drei seiner Krieger durchbrachen daraufhin die Lagerwache, um ihrem Herrn Wasser aus Bethlehem zu bringen. David wollte es aber nicht trinken. "Der Herr bewahre mich davor, es zu trinken", rief er. "Dieses Wasser ist so kostbar wie das Blut dieser Männer, die dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben." (2. Samuel 23,17 NLB) Ehrerbietig goss er das Wasser aus als Opfergabe für Gott. David war ein Mann des Krieges gewesen, der über weite Strecken seines Lebens von Gewalt umgeben war. Aber nicht viele, die durch solch traumatische Situationen gegangen sind, wurden von dem verhärtenden und demoralisierenden Einfluss dieser Erlebnisse so wenig beeinträchtigt, wie David. WABT 717 4 Davids Neffe Abischai, einer seiner tapfersten Hauptleute, konnte Schi- mis Schmähworte nicht mehr länger mit anhören. "Warum darf dieser tote Hund meinen Herrn, den König, verfluchen?", rief er empört. "Lass mich ihm den Kopf abschlagen!" (2. Samuel 16,9 NLB) Aber der König verbot es ihm mit den Worten: "Mein eigener Sohn will mich töten, hätte da nicht dieser Mann aus dem Stamm Benjamin sehr viel mehr Grund dazu? Deshalb lasst ihn in Ruhe, er soll mich verfluchen, denn der Herr hat es ihm aufgetragen. Vielleicht wird der Herr ja mein Elend sehen und wird mich segnen, statt die Flüche wahr werden zu lassen." (2. Samuel 16,11.12 NLB) Die Wahren Ursachen Des Geschehens WABT 718 1 Sein Gewissen hielt David bittere und demütigende Wahrheiten vor. Während sich seine treuen Untertanen über die plötzliche Wende des königlichen Geschicks wunderten, war sie für ihn kein Geheimnis. Schon so oft hatte er eine Vorahnung auf eine solche Stunde gehabt. Dabei hatte er sich immer gefragt, weshalb Gott mit seinen Sünden so lange Geduld hatte und die verdiente Strafe hinauszögerte. Nun befand er sich auf dieser eiligen, kummervollen Flucht, barfuß und in Sackleinen statt in Königsgewänder gekleidet. Während die lauten Klagerufe seiner Begleiter von den Hügeln widerhallten, dachte er an seine geliebte Hauptstadt, an jenen Ort, an dem er seine Sünde begangen hatte. Doch er erinnerte sich an die Güte und Langmut Gottes und blieb nicht gänzlich ohne Hoffnung. Er glaubte, dass der Herr auch weiter mit ihm barmherzig umgehen werde. WABT 718 2 Schon mancher Übeltäter hat seine Sünde mit dem Hinweis auf Davids Fall zu entschuldigen versucht. Aber wie wenige gibt es, die Davids Reue und Demut aufbringen! Wie wenige würden Tadel und Vergeltung mit so viel Geduld und Stärke tragen wie er! Er hatte seine Sünde bekannt und sich danach jahrelang bemüht, als treuer Diener Gottes seine Pflicht zu tun. Er hatte am Aufbau des Reiches gearbeitet, das unter seiner Herrschaft stark geworden und zu nie gekanntem Wohlstand gekommen war. Er hatte reichlich Baumaterial zur Errichtung des Hauses Gottes zusammengetragen. Sollte nun seine ganze Lebensarbeit vergebens gewesen sein? Sollten die Früchte jahrelanger hingebungsvoller Mühe, das durch Geistesgröße, Hingabe und Staatskunst aufgebaute Werk, in die Hände seines unbesonnenen, verräterischen Sohnes übergehen, der weder Gottes Ehre noch Israels Wohl beachtete? Es wäre ganz natürlich gewesen, wenn David in diesem großen Elend gegen Gott gemurrt hätte. WABT 718 3 Aber er sah die Ursache seiner Schwierigkeiten in seinen eigenen Verfehlungen. Die Worte des Propheten Micha atmen den Geist, der Davids Herz bewegte: "Ist um mich herum auch alles dunkel, ist doch der Herr selbst mein Licht. Ich habe gesündigt und muss nun den Zorn des Herrn ertragen, bis er meine Sache in die Hand nimmt und mir zu meinem Recht verhilft." (Micha 7,8.9 NLB) Und der Herr verließ David nicht. Eines der edelsten Kapitel seines Lebens wurde geschrieben: David erwies sich unter schrecklichem Unrecht und unter Beleidigungen dennoch demütig, selbstlos, großzügig und nachgiebig. Niemals war Israels Herrscher in den Augen des Himmels so wahrhaft groß wie in der Stunde seiner tiefsten äußerlichen Demütigung. WABT 718 4 Hätte Gott David für seine Sünde ungestraft und in Frieden und Wohlergehen auf dem Thron belassen, obwohl er doch die göttlichen Grundsätze verletzt hatte, könnten Skeptiker und Ungläubige seine Geschichte - nicht ganz zu Unrecht - für ihre Kritik am biblischen Glauben heranziehen. Aber in der Erfahrung, durch die er David gehen ließ, zeigt der Herr, dass er Unrecht weder dulden noch entschuldigen kann. Und Davids Geschichte lässt uns auch die großen Ziele erkennen, die Gott in seinem Umgang mit der Sünde verfolgt. Sie ermöglicht es uns, selbst durch die dunkelsten Gerichte hindurch zu verfolgen, wie Gott mit seinen barmherzigen und wohltätigen Plänen ans Ziel gelangt. Gott ließ David die Zuchtrute spüren, aber er vernichtete ihn nicht. Der Schmelzofen soll läutern, aber nicht verzehren. Der Herr sagt: "Wenn sie meine Ordnungen entheiligen und meine Gebote nicht halten, so will ich ihre Sünde mit der Rute heimsuchen und ihre Missetat mit Plagen; aber meine Gnade will ich nicht von ihm wenden und meine Treue nicht brechen." (Psalm 89,32-34) Absalom In Jerusalem Und Ahitofels Ratschläge WABT 719 1 Bald, nachdem David Jerusalem verlassen hatte, zog Absalom mit seinem Heer ein und nahm die Festung Israels kampflos in Besitz. Einer der Ersten, die den frisch gekrönten Monarchen begrüßten, war Huschai. Der Königssohn war überrascht und erfreut darüber, dass sich ihm der alte Freund und Ratgeber seines Vaters anschloss. Absalom war sich seines Erfolges sicher. Bis jetzt waren ihm seine Pläne geglückt. Im Wunsch, seinen Thron zu festigen und das Vertrauen des Volkes zu gewinnen, hieß er Huschai an seinem Hof willkommen. WABT 719 2 Absalom war nun von einer großen Streitmacht umgeben, aber das waren zumeist unausgebildete Männer, die bis dahin noch keinen Kampf erlebt hatten. Ahitofel wusste sehr wohl, dass Davids Lage keineswegs hoffnungslos war, denn noch war ihm ein großer Teil des Volkes treu ergeben. Er war umgeben von bewährten Kriegern, die fest zu ihrem König hielten, und fähige, erfahrene Feldherren befehligten sein Heer. Ahitofel war sich auch darüber im Klaren, dass nach dem ersten Sturm der Begeisterung zugunsten des neuen Königs irgendwann ein Rückschlag erfolgen werde. Sollte der Aufstand fehlschlagen, könnte sich Absalom wieder mit seinem Vater versöhnen. Ahitofel selbst, der oberste Berater Absaloms, würde dann als Hauptschuldiger des Aufstandes dastehen und ihn würde die härteste Strafe treffen. Um ein Zurückweichen Absaloms unmöglich zu machen, legte er ihm etwas nahe, was in den Augen des ganzen Volkes eine Versöhnung ausschließen musste. Dieser durchtriebene, charakterlose Staatsmann drängte Absalom mit teuflischer List, dem Verbrechen der Rebellion noch das der Blutschande hinzuzufügen. Vor aller Augen sollte er die Nebenfrauen seines Vaters zu sich nehmen, wie das bei Völkern des Orients Sitte war, und damit verdeutlichen, dass er dessen Thron bestiegen hatte. Und Absalom folgte dem niederträchtigen Vorschlag. Auf diese Weise erfüllte sich das Wort Gottes durch den Propheten an David: "So spricht der Herr: ›Aus deiner eigenen Familie lasse ich Unglück über dich kommen. Du wirst mit ansehen müssen, wie ich dir deine Frauen wegnehme und sie einem anderen gebe ... Was du heimlich getan hast, will ich im Licht des Tages geschehen lassen und ganz Israel wird es sehen." (2. Samuel 12,11.12 GNB) Nicht dass Gott diese gottlosen Taten veranlasst hätte, aber wegen Davids Sünde setzte er seine Macht nicht ein, um sie zu verhindern. WABT 720 1 Ahitofel hatte großes Ansehen wegen seiner Klugheit genossen, aber was ihm völlig fehlte, war die Erleuchtung, die von Gott kommt. "Die Ehrfurcht vor dem Herrn ist der Anfang der Weisheit." (Sprüche 9,10a NLB) Ahitofel besaß diese Erfurcht jedoch nicht, wie sonst hätte er den Erfolg des Verrats auf einem Verbrechen der Blutschande aufbauen können? Menschen, die im Herzen verdorben sind, planen Böses, als ob es keine göttliche Vorsehung gäbe, die ihre Absichten durchkreuzen kann. "Der Herr im Himmel lacht, er spottet nur über sie." (Psalm 2,4 GNB) Er sagt: "Wenn ihr meine Ratschläge von euch weist und auf keine von meinen Warnungen hört, dann müsst ihr die Folgen tragen und auslöffeln, was ihr euch eingebrockt habt. Alle, die sich nichts sagen lassen, gehen an ihrer Halsstarrigkeit zugrunde, und die Sorglosen und Selbstsicheren bringt ihr Eigensinn ums Leben." (Sprüche 1,30-32 GNB) WABT 720 2 Nachdem sein Plan zum Schutz der eigenen Sicherheit erfolgreich war, drängte Ahitofel Absalom zu sofortigem Handeln gegen David. "Ich will mir 12000 Mann auswählen", sagte er zu ihm, "und mit ihnen noch in dieser Nacht hinter David herjagen. Dann bekomme ich ihn zu fassen, solange er noch erschöpft und entmutigt ist. Wenn ich ihn in diesem Zustand überfalle, werden alle seine Leute davonlaufen und ich kann ihn töten, ohne weiteres Blut zu vergießen. Ich werde dir dann alle seine Leute zuführen." (2. Samuel 17,1-3 GNB) Absaloms Ratgeber hießen diesen Plan gut. Hätte man ihn befolgt, wäre David bestimmt getötet worden, es sei denn, der Herr hätte unmittelbar zu seiner Rettung eingegriffen. Aber eine höhere Weisheit als die des berühmten Ahitofel lenkte die Ereignisse. "Der Herr aber hatte ... angeordnet ... den guten Rat Ahitofels zunichtezumachen, damit der Herr das Unheil über Absalom brächte." (2. Samuel 17,14b Elb.) Huschai Macht Ahitofels Rat Zunichte WABT 721 1 Huschai war zur Beratung nicht hinzugezogen worden. Unaufgefordert wollte er sich nicht selbst aufdrängen, um nicht in Spionageverdacht zu geraten. Doch nachdem die Versammlung auseinandergegangen war, legte ihm Absalom selbst, der eine hohe Meinung vom Urteil des väterlichen Ratgebers hatte, Ahitofels Plan vor. Huschai erkannte, dass David verloren wäre, wenn der vorgeschlagene Plan ausgeführt werden würde. Darum sagte er: "Diesmal hat Ahitofel dir keinen guten Rat gegeben. Du kennst deinen Vater und seine Leute; sie sind geübte Kämpfer. Im Augenblick sind sie wahrscheinlich gereizt wie eine Bärin, der man ihre Jungen weggenommen hat. Und bedenke, dass dein Vater ein Krieger ist. Er wird die Nacht nicht bei seinen Leuten verbringen. Wahrscheinlich hat er sich bereits in einem Erdloch oder irgendwo anders versteckt." (2. Samuel 17,7-9 NLB) Huschai argumentierte: Falls Absaloms Streitmacht David sofort verfolge, würden sie ihn nicht gefangen nehmen können; und sollten seine Leute einen Rückschlag erleiden, würde sie das eher entmutigen und Absaloms Sache schaden. "Denn jeder in Israel weiß, was für ein mächtiger Mann dein Vater ist, und wie mutig seine Krieger sind." (2. Samuel 17,10 NLB) Dann schlug er ihm einen Plan vor, der dem eitlen, selbstsüchtigen Wesen Absaloms mit seinem Hang zur Machtdarstellung gefiel: "Ich schlage vor, du versammelst das ganze israelitische Heer, von Dan bis Beerscheba, das so zahllos ist wie der Sand am Meer. Du selbst musst die Truppen aber in den Kampf führen. Wenn wir dann David irgendwo finden, werden wir über ihn herfallen, wie der Tau auf den Boden fällt, sodass von ihm und seinen Männern keiner am Leben bleibt. Und wenn er sich in irgendeine Stadt flüchtet, dann sollen alle Männer Israels Seile um die Stadt legen und wir schleifen sie bis ins nächste Tal, sodass kein Stein auf dem anderen bleibt." (2. Samuel 17,11-13 NLB) WABT 721 2 "Da sagten Absalom und alle Männer Israels: ›Der Rat des Arkiters Huschai ist besser als der von Ahitofel.‹" (2. Samuel 17,14 NLB) Aber einer ließ sich nicht täuschen: Ahitofel sah klar, worauf dieser verhängnisvolle Fehler Absaloms hinauslief, und erkannte, dass die Sache des Rebellen verloren war. Und er wusste: Welches Schicksal Absalom auch treffen mochte - für ihn, der ein Ratgeber bei seinem schlimmsten Verbrechen gewesen war, gab es keine Hoffnung. Ahitofel hatte Absalom zum Aufstand ermutigt. Um seinen Vater zu entehren, hatte er Absalom zu einer Tat von abscheulichster Bosheit geraten. Er hatte vorgeschlagen, David zu töten und sogar die Ausführung vorbereitet. Er hatte sich selbst die letzte Möglichkeit zur Versöhnung mit König David genommen. Und nun bevorzugte sogar Absalom den Rat eines anderen! Eifersüchtig, zornig und verzweifelt zog Ahitofel "zurück in seine Heimatstadt, brachte seine Angelegenheiten in Ordnung und erhängte sich." (2. Samuel 17,23 NLB) Das war das Ergebnis der Weisheit eines Mannes, der bei all seiner Begabung Gott nicht zu seinem Ratgeber gemacht hatte. Satan verführt Menschen mit schmeichelhaften Versprechungen, doch schließlich wird jeder erfahren: "Der Lohn der Sünde ist der Tod." (Römer 6,23 Elb.) David Zieht Sich Über Den Jordan Zurück WABT 722 1 Da sich Huschai nicht sicher war, ob der wankelmütige König seinen Rat befolgen werde, verlor er keine Zeit und forderte David unverzüglich auf, über den Jordan zu fliehen. Den obersten Priestern, die mit Hilfe ihrer Söhne diese Nachricht übermitteln sollten, ließ er sagen: "So und so hat Ahitofel Absalom und den Ältesten in Israel geraten, ich aber habe so und so geraten ... Lasst David sagen: Bleibe nicht über Nacht an den Furten der Wüste, sondern geh gleich hinüber, damit der König nicht vernichtet werde und das ganze Volk, das bei ihm ist." (2. Samuel 17,15.16) WABT 722 2 Die jungen Männer wurden zwar verdächtigt und verfolgt, aber es gelang ihnen, ihren gefährlichen Auftrag zu erfüllen. David, der nach dem ersten Tag seiner Flucht von Anstrengung und Kummer erschöpft war, erfuhr die Nachricht, dass er noch in der Nacht über den Jordan ziehen müsse, weil sein Sohn ihm nach dem Leben trachtete. WABT 722 3 Welche Gefühle mögen den Vater und König, dem so schweres Unrecht zugefügt wurde, in dieser schrecklichen Gefahr bewegt haben? Er, ein "tapferer Mann und tüchtig zum Kampf" (1. Samuel 16,18), ein König, dessen Wort Gesetz war, verraten von seinem Sohn, den er so geliebt hatte, dem er nachgegeben und dem er unklugerweise vertraut hatte, fühlte sich auch von seinen Untertanen, die ihm durch die starken Bande von Ehre und Treue verpflichtet waren, beleidigt und im Stich gelassen. Mit was für Worten hat David seinen Empfindungen Ausdruck verliehen? In der dunkelsten Stunde der Heimsuchung setzte er sein Vertrauen auf Gott und sprach: WABT 722 4 "Ach, Herr, wie sind meiner Feinde so viel und erheben sich so viele gegen mich! Viele sagen von mir: Er hat keine Hilfe bei Gott. Aber du, Herr, bist der Schild für mich, du bist meine Ehre und hebst mein Haupt empor. Ich rufe mit meiner Stimme zum Herrn, so erhört er mich von seinem heiligen Berge. WABT 723 1 Ich liege und schlafe und erwache; denn der Herr hält mich. Ich fürchte mich nicht vor vielen Tausenden, die sich ringsum wider mich legen ... Bei dem Herrn findet man Hilfe. Dein Segen komme über dein Volk!" (Psalm 3,2-7.9) WABT 723 2 In der Dunkelheit der Nacht setzten David und alle, die bei ihm waren - Krieger und Staatsmänner, Alte und Junge, Frauen und Kinder - über den tiefen, reißenden Fluss. "Bei Tagesanbruch waren alle auf der anderen Seite." (2. Samuel 17,22 NLB) WABT 723 3 David und seine Streitkräfte zogen sich nach Mahanajim zurück, der ehemaligen Residenz Isch-Boschets. Es war eine stark befestigte Stadt, umgeben von gebirgiger Landschaft, die in Kriegszeiten ein guter Rückzugsort war. Das ganze Gebiet war gut mit Vorräten versorgt und die Bevölkerung David gegenüber freundlich gesinnt. Hier schlossen sich ihm noch viele an, während wohlhabende Stammesangehörige reichlich für Nahrung und andere benötigte Güter sorgten. Die Niederschlagung Des Aufstands WABT 723 4 Huschais Rat hatte seinen Zweck erfüllt und David die Möglichkeit zum Entkommen geboten, aber der unbesonnene und ungestüme Königssohn ließ sich nicht lange zurückhalten und brach bald zur Verfolgung seines Vaters auf. "Absalom überquerte inzwischen mit dem gesamten israelitischen Heer den Jordan." (2. Samuel 17,24 NLB) Er ernannte Amasa, den Sohn von Davids Schwester Abigal (vgl. 1. Chronik 2,16), zum Oberbefehlshaber seiner Truppen. Zwar verfügte er über ein großes Heer, aber es war zu undiszipliniert und schlecht geschult, um sich mit den erprobten Kriegern seines Vaters messen zu können. WABT 723 5 David teilte seine Streitmacht in drei Abteilungen ein und unterstellte je eine dem Befehl von Joab, Abischai und Ittai, dem Gatiter. Zunächst war es seine Absicht gewesen, selbst das Heer ins Feld zu führen, aber dagegen wandten sich seine Offiziere, Ratgeber und das Volk ganz entschieden. "Du darfst nicht mitkommen", sagten sie. "Wenn wir umkehren und fliehen müssen - selbst wenn die Hälfte von uns stirbt -, werden Absaloms Truppen nichts darauf geben. Du bedeutest ihnen so viel wie 10.000 von uns, und es ist besser, du bleibst hier in der Stadt und schickst uns Hilfe, wenn wir sie benötigen. ›Wenn ihr das für das Beste haltet, will ich es tun‹, stimmte der König schließlich zu." (2. Samuel 18,3.4 NLB) WABT 724 1 Von den Stadtmauern aus konnte man die langen Reihen der Rebellenarmee gut überblicken. Eine riesige Menge begleitete den Thronräuber. Im Vergleich dazu wirkte Davids Truppe wie eine Handvoll Leute. Beim Anblick der gegnerischen Streitkräfte dachte der König aber nicht in erster Linie an die Krone und das Königreich, auch nicht an sein eigenes Leben, das vom Ausgang der Schlacht abhing. Das Herz des Vaters hing voll Liebe und Mitleid an seinem rebellischen Sohn. Als die Truppen durch die Stadttore hinauszogen, ermutigte David seine treuen Krieger, im Vertrauen auf den Gott Israels auszuziehen, der ihnen den Sieg verleihen werde. Aber selbst dabei konnte er seine Liebe zu Absalom nicht unterdrücken. Als Joab, der die erste Heeresgruppe befehligte, an seinem König vorbeimarschierte, neigte dieser Sieger in 100 Schlachten sein stolzes Haupt, um die letzte Anweisung des Monarchen zu hören, der ihm mit bebender Stimme sagte: "Verfahrt mir schonend mit meinem Sohn Absalom!" Abischai und Ittai erhielten denselben Auftrag: "Verfahrt mir schonend mit meinem Sohn Absalom!" Und das ganze Kriegsvolk hörte es." (2. Samuel 18,5a) Diese Besorgtheit des Königs, die anscheinend ausdrückte, dass ihm Absalom teurer war als das Königreich, sogar wichtiger als seine ihm treu gebliebenen Untertanen, steigerte noch die Entrüstung der Krieger gegen den aufrührerischen Sohn. WABT 724 2 Ein Wald in der Nähe des Jordan wurde zum Kampfplatz, in dem die große Anzahl der Krieger für Absalom nur nachteilig war. In den Dickichten und Sümpfen des Waldes geriet diese disziplinlose Truppe in Verwirrung und war nicht mehr zu führen. "Die israelitischen Truppen wurden von Davids Männern zurückgeschlagen und erlitten eine schwere Niederlage: An jenem Tag fielen 20.000 Mann." (2. Samuel 18,7 NLB) WABT 724 3 Als Absalom erkannte, dass der Kampf verloren war, wandte er sich zur Flucht. Da verfing sich sein Haupt in den verästelten Zweigen eines Baumes. Das Maultier lief unter ihm weg, und er blieb als hilflose Beute seiner Feinde am Baum hängen. In dieser Verfassung fand ihn ein Krieger, der ihn jedoch aus Angst vor dem Unwillen des Königs verschonte, jedoch Joab berichtete, was er gesehen hatte. Joab wurde durch keine Bedenken zurückgehalten. Er war mit Absalom befreundet gewesen und hatte zweimal dessen Aussöhnung mit David zuwege gebracht. Sein Vertrauen war schmählich missbraucht worden. Ohne die Vorteile, die Absalom durch Joabs Vermittlung erlangt hatte, hätte dieser Aufstand mit all seinen Schrecken niemals stattfinden können. Nun lag es in Joabs Hand, den Anstifter all dieses Unheils auf einen Schlag zu vernichten. "Da nahm Joab drei Stäbe [Pfeile] in seine Hand und stieß sie Absalom ins Herz ... Und sie nahmen Absalom und warfen ihn im Wald in eine große Grube und legten einen sehr großen Haufen Steine auf ihn." (2. Samuel 18,14-17) WABT 725 1 Auf diese Weise kamen die beiden Anstifter der Rebellion in Israel ums Leben. Ahitofel hatte Selbstmord verübt. Der Königssohn Absalom, dessen strahlende Schönheit einmal Israels Stolz gewesen war, war in der Kraft seiner Jugend dahingerafft worden. Seinen Leichnam hatte man in eine Grube geworfen und zum Zeichen ewiger Schande mit einem Steinhaufen bedeckt. Schon zu seinen Lebzeiten hatte sich Absalom im Königstal ein kostspieliges Grabmal errichten lassen, doch das einzige Denkmal, das die Stelle seines Grabes anzeigte, war jener Steinhaufen in der Wildnis. Davids Trauer Über Den Tod Absaloms WABT 725 2 Nachdem der Anführer des Aufstands umgekommen war, ließ Joab sein Heer durch Posaunenschall von der Verfolgung der fliehenden Feinde zurückhalten und sandte sofort Boten mit der Nachricht zum König. WABT 725 3 Der Wächter auf der Stadtmauer hielt Ausschau in Richtung des Schlachtfeldes und entdeckte einen einzelnen Läufer. Bald darauf tauchte ein zweiter auf. Als der erste näher kam, meldete der Wächter dem König, der am Tor wartete: "›Der erste Mann scheint Ahimaaz, der Sohn des Zadok, zu sein. Ich erkenne ihn an der Art, wie er läuft‹ ... ›Er ist ein guter Mann und kommt mit guten Nachrichten‹, antwortete der König. Da rief Ahimaaz dem König zu: ›Sieg!‹ Er warf sich vor dem König zu Boden und sagte: ›Gepriesen sei der Herr, dein Gott, der die Aufrührer, die es wagten, sich gegen meinen Herrn, den König, zu erheben, in deine Hand gegeben hat.‹" Auf die ungeduldige Frage des Königs: "Was ist mit meinem Jungen, mit Absalom?" gab Ahimaaz eine ausweichende Antwort (2. Samuel 18,27-29 NLB). WABT 725 4 Der zweite Bote erschien und rief: "Ich habe gute Nachrichten für meinen Herrn, den König. Der Herr hat dir heute den Sieg gegeben über alle, die sich gegen dich erhoben haben." Wieder kam von den Lippen des Vaters die eindringliche Frage: "Was ist mit meinem Jungen, mit Absalom?" Unfähig, die schlimme Nachricht zu verheimlichen, antwortete der Bote: "So wie ihm sollte es allen deinen Feinden ergehen, allen, die dir Böses wollen und sich gegen dich erheben!" (2. Samuel 18,31.32 NLB) Das genügte. David fragte nicht weiter. Gebeugten Hauptes "erbebte der König und ging hinauf in das Obergemach des Tores und weinte, und im Gehen rief er: Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!" (2. Samuel 19,1) WABT 726 1 Als sich die siegreich heimkehrenden Truppen der Stadt näherten, widerhallten die Hügel von ihrem Triumphgeschrei. Aber am Tor erstarb der Jubel auf ihren Lippen. Die Banner in ihren Händen senkten sich, und mit niedergeschlagenen Blicken kamen sie eher wie Besiegte als wie Sieger daher. Denn der König erwartete sie nicht zur Begrüßung. Vielmehr hörte man aus dem Raum über dem Tor seine wehklagende Stimme: "Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!" WABT 726 2 "Als die Truppen vom Kummer des Königs um seinen Sohn hörten, verkehrte sich ihre Freude über den Sieg in tiefe Trauer. Sie schlichen an jenem Tag in die Stadt zurück, als ob sie sich schämten und in der Schlacht geflohen wären." (2. Samuel 19,3.4 NLB) WABT 726 3 Joab aber war entrüstet. Gott hatte ihnen allen Grund zu Jubel und Freude geschenkt. Die gefährlichste Rebellion, die es je in Israel gegeben hatte, war niedergeschlagen worden. Und da wurde dieser große Sieg um jenes Mannes willen in Trauer verwandelt, dessen Verbrechen das Blut Tausender tapferer Männer gekostet hatte. Der derbe, raue Feldhauptmann drang zum König vor und sagte kühn: "Wir haben heute dein Leben und das Leben deiner Söhne, Töchter gerettet und du beschämst uns durch dein Verhalten. Du scheinst diejenigen zu lieben, die dich hassen, und die zu hassen, die dich lieben. Heute hast du deutlich gezeigt, dass dir deine Heerführer und Krieger nichts bedeuten. Seit heute weiß ich: Wenn Absalom am Leben und wir alle tot wären, wärst du zufrieden. Jetzt geh hinaus und gratuliere dem Heer, denn ich schwöre beim Herrn, wenn du es nicht tust, wird nicht ein einziger Mann heute Nacht hier bleiben. Das wäre schlimmer für dich als alles, was du bisher erleben musstest." (2. Samuel 19,6-8 NLB) WABT 726 4 So hart und sogar grausam der Vorwurf für den tief bekümmerten König war - David grollte deswegen nicht. Er sah ein, dass sein Feldherr Recht hatte, und ging zum Tor hinunter. Dort grüßte er seine tapferen Krieger, als sie an ihm vorbeimarschierten, mit Worten des Lobes und der Anerkennung. ------------------------Kapitel 73 - Davids Letzte Lebensjahre WABT 727 0 2. Samuel 19,10 bis 20,22; 1. Chronik 21 und 28 bis 29; 1. Könige 1,1 bis 2,12. WABT 727 1 Der Sieg über Absalom brachte dem Königreich nicht sofort Frieden. An der Revolte hatte sich ein so großer Teil der Nation beteiligt, dass David nicht ohne eine Aufforderung seitens der Stämme in seine Hauptstadt zurückkehren und seine Stellung als König wieder einnehmen wollte. In den Wirren nach Absaloms Niederlage fand man nicht zu einem raschen Entschluss, den König zurückzurufen. Und als der Stamm Juda endlich Bestrebungen zeigte, David in sein Amt zurückzuführen, weckte das die Eifersucht der anderen Stämme. Die Folge war eine Gegenrevolte. Diese wurde allerdings rasch niedergeschlagen. Danach kehrte in Israel wieder Friede ein. WABT 727 2 Die Geschichte Davids liefert uns einen der eindrucksvollsten Berichte darüber, welche Gefahren dem Menschen durch Macht, Reichtum und weltliche Ehre drohen, alles Dinge, nach denen die meisten eifrig streben. Nur wenige sind wie David durch Erfahrungen gegangen, die sie besser darauf vorbereitet hätten, eine solche Prüfung zu bestehen. Als Hirte lernte er schon früh bescheiden zu sein, geduldig an der Arbeit zu bleiben und liebevoll für seine Herden zu sorgen. Die Verbundenheit mit der Natur in der Einsamkeit der Berge brachte seine Begabung für Musik und Dichtung zur Entfaltung und lenkte seine Gedanken auf den Schöpfer. Das lange Leben in der Wildnis war lehrreich und förderte seinen Mut, seine Kraft, seine Geduld und sein Vertrauen auf Gott. Die Vorsehung des Herrn bereitete ihn dadurch auf den Thron Israels vor. David hatte wertvolle Erfahrungen mit der Liebe Gottes gemacht und war in reichem Maß mit dessen Geist ausgestattet worden. Am Beispiel Sauls hatte er die Wertlosigkeit rein menschlicher Klugheit erkannt. Und doch schwächten Erfolg und weltliche Ehren seinen Charakter so stark, dass ihn der große Versucher wiederholt überwinden konnte. Eine Verkehrte Volkszählung WABT 728 1 Der Umgang mit heidnischen Völkern entfachte den Wunsch, deren nationalen Bräuchen zu folgen und weckte das Verlangen nach weltlicher Größe. Israel sollte eigentlich seine Ehre darin sehen, Gottes Volk zu sein. Doch mit wachsendem Stolz und Selbstbewusstsein gaben sich die Israeliten mit dieser Vorzugsstellung nicht zufrieden. Ihnen lag eher an einer angesehenen Stellung unter den Nationen. Diese Gesinnung würde unweigerlich Versuchungen mit sich bringen. Um Gebiete fremder Völker erobern zu können, beschloss David, sein Heer zu vergrößern, indem er von allen Männern geeigneten Alters den Wehrdienst forderte. Dies wiederum machte eine Volkszählung nötig. Der eigentliche Antrieb zu dieser Maßnahme des Königs waren Stolz und Ehrgeiz. Die Volkszählung würde zeigen, wie schwach das Reich bei Davids Thronbesteigung gewesen und wie stark es unter seiner Regierung gediehen war. Dies würde das bereits überhöhte Selbstvertrauen des Königs und seines Volkes noch weiter steigern. Die Heilige Schrift sagt: "Satan erhob sich gegen Israel und brachte David dazu, eine Volkszählung anzuordnen." (1. Chronik 21,1 NLB) Israel hatte seinen Wohlstand unter David dem Segen Gottes zu verdanken und nicht der Tüchtigkeit seines Königs oder der Stärke seiner Armee. Doch die Aufrüstung der königlichen Armee würde bei den umliegenden Nationen den Eindruck erwecken, dass Israel auf sein Heer und nicht auf die Macht Jahwes vertraute. WABT 728 2 Obwohl die Israeliten auf ihre nationale Größe stolz waren, sahen sie Davids Plan, den Wehrdienst in so starkem Maß auszuweiten, keineswegs gern. Die beabsichtigte Registrierung verursachte viel Unzufriedenheit. Infolgedessen hielt man es für nötig, sie dieses Mal durch Armeeoffiziere vorzunehmen und nicht durch Priester und Richter, die zu früheren Zeiten solche Volkszählungen durchgeführt hatten. Der Zweck des Unternehmens stand im krassen Widerspruch zu den Grundsätzen einer Theokratie (Gottesherrschaft). Selbst Joab, der sich bislang als skrupellos erwiesen hatte, erhob Einwände: "›Der Herr lasse das Volk noch hundertmal zahlreicher werden, als es jetzt schon ist! Sie alle, mein Herr und König, sind schon jetzt deine treuen Untertanen. Also warum, mein Herr, verlangst du so etwas? Warum soll Israel schuldig werden?‹ Doch der König bestand gegenüber Joab darauf, die Volkszählung durchzuführen. Darum zog dieser durch das ganze Land Israel. Dann kehrte er nach Jerusalem zurück." (1. Chronik 21,3-5 NLB) WABT 728 3 Die Zählung war noch nicht beendet, als David bereits seine Sünde einsah. Er bekannte sich vor Gott schuldig: "Ich habe schwer gesündigt, dass ich das getan habe. Nun aber nimm weg die Schuld deines Knechts; denn ich habe sehr töricht getan." (1. Chronik 21,8) Am nächsten Morgen überbrachte der Prophet Gad David eine Botschaft: "So spricht der Herr: ›Du kannst dich entscheiden zwischen drei Jahren Hungersnot, drei Monaten Flucht vor deinen Feinden, die dich schließlich zum Kampf fordern werden, oder drei Tagen, in denen eine schwere Plage, das Schwert des Herrn, in Israel wütet und der Engel des Herrn das ganze Land verwüstete Überleg es dir und lass mich wissen, welche Antwort ich dem geben soll, der mich gesandt hat." (1. Chronik 21,11.12 NLB) WABT 729 1 Der König antwortete ihm: "Das macht mir Angst! ... Doch lieber möchte ich in die Hände des Herrn fallen, denn seine Barmherzigkeit ist groß. Lass mich nur nicht in die Hände von Menschen fallen!" (1. Chronik 21,13 NLB) Gottes Strafe Für David Und Das Volk WABT 729 2 Das Land wurde von einer Seuche heimgesucht, die 70.000 Menschen in Israel dahinraffte. Es war kurz bevor die Plage die Hauptstadt erreichte: "Als David seine Augen erhob, sah er den Engel des Herrn zwischen der Erde und dem Himmel stehen, sein Schwert gezückt in seiner Hand, ausgestreckt über Jerusalem. Da fielen David und die Ältesten, in Sacktuch gehüllt, auf ihr Angesicht." (1. Chronik 21,16 Elb.) David legte vor Gott Fürbitte für Israel ein: "Ich habe die Volkszählung befohlen. Ich allein also habe gesündigt und Unrecht getan! Diese Leute aber - was haben sie getan? Herr, mein Gott, dein Zorn soll mich und meine Familie treffen, aber verschone dein Volk.". (1. Chronik 21,17 NLB) WABT 729 3 Die Zählung hatte bei den Israeliten Unzufriedenheit erzeugt. Aber hatten sie nicht dieselben Sünden gehegt, die David zu seiner Tat antrieben? Wie der Herr durch Absaloms Sünde das Gericht über David brachte, so bestrafte er durch das Unrecht des Königs Israels Sünden. WABT 729 4 Vor den Toren Jerusalems hatte der Engel, der Verderben brachte, innegehalten. Er verweilte auf dem Berg Morija, "auf dem Dreschplatz des Jebusi- ters Arauna." (1. Chronik 21,15c GNB) Auf Geheiß des Propheten Gad ging David auf den Hügel, "baute . dort einen Altar für den Herrn, opferte darauf Brandopfer und Mahlopfer und rief zum Herrn. Und der Herr antwortete ihm durch Feuer, das vom Himmel fiel und das Brandopfer auf dem Altar verzehrte." (1. Chronik 21,26 GNB) "Und der Herr hörte auf die Bitten, die der König für sein Land vorbrachte, und machte der Seuche, die in Israel wütete, ein Ende." (2. Samuel 24,25b GNB) WABT 729 5 Der Platz, auf dem der Altar errichtet wurde und der fortan für immer als heiliger Boden gelten sollte, wurde von Arauna dem König als Geschenk angeboten, doch das lehnte dieser ab: "Nein, ich möchte dir auf jeden Fall den rechtmäßigen Preis dafür zahlen. Ich will nicht dein Eigentum nehmen und dem Herrn geben und Opfer darbringen, die mich nichts gekostet haben." Und David gab Arauna 600 Goldschekel39 als Preis für die Tenne. (1. Chronik 21,24.25 NLB) Dieser denkwürdige Ort, an dem Abraham einen Altar gebaut hatte, um seinen Sohn zu opfern, wurde durch diese große Befreiung erneut geweiht. Später wurde er als Grundstück für den Bau des salomonischen Tempels ausgewählt. Adonijas Verschwörung WABT 730 1 Auf Davids letzte Lebenszeit sollte noch ein weiterer Schatten fallen. Er war nun 70 Jahre alt geworden. Die Beschwerlichkeiten und Entbehrungen seines früheren Wanderlebens, seine zahlreichen Kriege, sowie die Sorgen und Nöte der späteren Jahre hatten seine Lebenskräfte aufgezehrt. Obwohl sein Geist noch wach und lebendig war, machten sich doch Altersschwäche und ein Wunsch nach Zurückgezogenheit bemerkbar. Dies führte erneut dazu, dass er nicht immer sofort die Bedeutung dessen erfassen konnte, was im Königreich vor sich ging. Erneut keimte in nächster Nähe des Throns eine Rebellion. Und wieder zeigten sich die Folgen von Davids väterlicher Nachsicht. Diesmal strebte Adonija nach dem Thron, "ein sehr gut aussehender Mann" von Statur und im Auftreten, aber charakterlos und leichtsinnig. Schon in der Jugend durfte er sich fast alles erlauben: "Noch nie in seinem Leben war er von seinem Vater ermahnt worden; der König hatte ihn nie gefragt: ›Warum tust du das?‹" (1. Könige 1,6 NLB) Jetzt lehnte sich Adonija gegen die Autorität Gottes auf, weil Salomo zu Davids Nachfolger bestimmt worden war (vgl. 1. Chronik 28,5-7). Aufgrund seiner natürlichen Anlagen und seiner geistlichen Haltung eignete sich Salomo besser für das Herrscheramt in Israel als sein älterer Bruder. Obwohl Gott seine Entscheidung deutlich kundgetan hatte, gelang es Adonija, Anhänger um sich zu scharen. Joab, obschon vieler Freveltaten schuldig, war dem Thron bis dahin treu gewesen. Doch nun schloss er sich der Verschwörung gegen Salomo an und mit ihm auch der Hohepriester Abjatar. WABT 730 2 Die Rebellion war herangereift. Die Verschwörer hatten sich zu einem großen Fest vor den Toren der Stadt versammelt, um Adonija zum König auszurufen. Aber ehe es so weit kam, wurden ihre Pläne durch das schnelle Handeln einiger Getreuer durchkreuzt, allen voran der Hohepriester Zadok, der Prophet Nathan und Batseba, die Mutter Salomos. Sie klärten den König über die Lage auf und erinnerten ihn daran, dass Salomo nach göttlicher Anweisung sein Thronfolger werden sollte. Daraufhin dankte David unverzüglich zu dessen Gunsten ab, und unmittelbar darauf wurde Salomo gesalbt und zum König ausgerufen. Damit war die Verschwörung niedergeschlagen. Die Anführer mussten mit der Todesstrafe rechnen. Abjatars Leben wurde mit Rücksicht auf sein Amt und seine frühere Treue zu David verschont, aber er wurde seines Amtes als Hoherpriester enthoben, das auf Zadoks Linie überging. Auch Joab und Adonija blieben vorläufig unbehelligt, aber nach Davids Tod büßten sie für ihr Verbrechen (vgl. 1. Könige 2,23-35). Mit der Hinrichtung von Davids Sohn war das vierfache Strafgericht vollendet, das die Abscheu Gottes vor der Sünde des Vaters zum Ausdruck brachte. Davids Letzte Ansprache WABT 731 1 Schon seit Beginn seiner Regierungszeit hatte der Bau eines Tempels für Gott zu Davids Lieblingsplänen gehört. Obwohl es ihm nicht erlaubt worden war, dieses Vorhaben auszuführen, bewies er diesbezüglich nicht weniger Eifer und Ernsthaftigkeit. Er beschaffte große Mengen wertvoller Materialien - Gold, Silber, Onyx und verschiedene anders getönte Steine, Marmor und die kostbarsten Hölzer. Nun mussten all diese wertvollen Schätze, die er gesammelt hatte, anderen anvertraut werden, denn andere Hände sollten das Haus für die Bundeslade - das Sinnbild der Gegenwart Gottes - bauen. WABT 731 2 Im Bewusstsein, dass sich sein Leben dem Ende zuneigte, rief der König die Fürsten Israels samt Vertretern aus allen Teilen des Königreiches zu sich, um ihnen sein Vermächtnis anzuvertrauen. Er wollte ihnen seinen letzten Willen kundtun und sich ihrer Mitarbeit und Unterstützung bei der bevorstehenden großen Aufgabe versichern. In Anbetracht seiner körperlichen Schwäche hatte niemand erwartet, dass er dieser Übergabe persönlich beiwohnen würde. Aber der Geist Gottes kam über ihn, und mit ungewöhnlicher Leidenschaft und Kraft konnte er seine letzte Ansprache an sein Volk halten. Er erzählte von seinem sehnlichen Wunsch, den Tempel selbst bauen zu dürfen, und von der Anweisung des Herrn, diese Aufgabe seinem Sohn Salomo zu überlassen. Gott hatte ihm versichert: "Dein Sohn Salomo soll mein Haus und seine Vorhöfe bauen, denn ich habe ihn zu meinem Sohn erwählt, und ich will sein Vater sein. Und wenn er weiterhin meinen Geboten und Vorschriften gehorcht, wie er es bis jetzt tut, werde ich seinem Königtum für immer Bestand geben. Deshalb", sagte David, "bitte ich euch nun vor ganz Israel, der Gemeinde des Herrn, und vor Gott, der uns hört: Achtet sorgfältig darauf, die Gebote des Herrn, eures Gottes, einzuhalten, damit dieses gute Land in eurem Besitz bleibt und ihr es euren Kindern für alle Zeiten weitervererben könnt." (1. Chronik 28,6-8 NLB) WABT 732 1 David hatte aus eigener Erfahrung gelernt, wie beschwerlich der Weg für den ist, der von Gott abweicht. Er hatte die Verurteilung zu spüren bekommen, die der Verletzung des Gesetzes folgt, und die Früchte der Übertretung geerntet. Das größte Anliegen seines Herzens war, dass die Leiter Israels Gott treu bleiben und dass Salomo dem Gesetz Gottes gehorcht und die Sünden seines Vaters meidet, die dessen Autorität geschwächt, sein Leben verbittert und Gott entehrt hatten. David wusste, dass Herzensdemut, beständiges Gottvertrauen und unablässige Wachsamkeit nötig sein würden, um den Versuchungen widerstehen zu können, denen Salomo in seinem hohen Amt sicher ausgesetzt sein würde. Denn gerade führende Persönlichkeiten sind ein besonderes Ziel für Satans Angriffe. An seinen Sohn gewandt, der bereits als Thronfolger bestätigt war, sagte David: "Und du, mein Sohn Salomo, lerne den Gott deines Vaters kennen. Diene ihm von ganzem Herzen und von ganzer Seele. Denn der Herr sieht ins Herz der Menschen und versteht es; er kennt jeden unserer Gedanken. Wenn du ihn suchst, wirst du ihn finden. Wenn du ihn aber verlässt, wird er dich für immer verstoßen. Mach dir bewusst, dass der Herr dich erwählt hat, ihm ein Haus, ein Heiligtum, zu bauen. Sei stark und mach dich an die Arbeit!" (1. Chronik 28,9.10 NLB) WABT 732 2 David gab Salomo genaue Anweisungen für den Tempelbau, mit Entwürfen eines jeden Teiles und aller Geräte zum Dienst, so wie es ihm der Geist Gottes offenbart hatte. Salomo war noch jung und schreckte vor der großen Verantwortung zurück, die mit dem Bau des Tempels und mit der Regierung des Volkes Gottes auf ihn zukommen würde. David aber ermutigte seinen Sohn: "Sei stark und tapfer und mach dich an die Arbeit! Hab keine Angst und verlier niemals den Mut! Denn Gott, der Herr, mein Gott, ist mit dir. Er wird dich nicht verlassen oder fallen lassen. Er wird dir zur Seite stehen, bis der Bau des Hauses des Herrn vollendet ist." (1. Chronik 28,20 NLB) Die Vielen Gaben Für Den Tempelbau WABT 732 3 Noch einmal wandte sich David an die Versammlung: "Mein Sohn Salomo, der Einzige, den Gott erwählt hat, ist noch jung und zart; das Werk aber ist groß, denn nicht für einen Menschen ist dieser Palast, sondern für Gott den Herrn. Und mit all meiner Kraft habe ich für das Haus meines Gottes bereitgestellt ..." (1. Chronik 29,1.2 Elb.) Dann zählte er all das bereits gesammelte Material auf. Darüber hinaus sagte er: "Weil mir der Tempel meines Gottes am Herzen liegt, spende ich darüber hinaus aus meinem eigenen Besitz noch 3000 Zentner reines Gold aus Ofir und 7000 Zentner reines Silber. Mit einem Teil davon sollen die Innenwände verkleidet werden; das Übrige ist für die goldenen und silbernen Gegenstände und alle sonstigen Arbeiten der Künstler bestimmt." "Wer ist bereit", fragte er die Versammelten schließlich, die ihre freiwilligen Gaben gebracht hatten, "dem Herrn heute eine Gabe zu bringen?" (1. Chronik 29,3-5 GNB) WABT 733 1 Bereitwillig antworteten die Anwesenden. "Da bewiesen die Sippenoberhäupter, die Oberhäupter der Stämme, die Obersten und Hauptleute und die Beamten des Königs ihre Opferbereitschaft und spendeten für den Tempelbau 5000 Zentner Gold, dazu 10.000 Goldmünzen, 10.000 Zentner Silber, 18.000 Zentner Bronze und 100.000 Zentner Eisen. Wer Edelsteine besaß, stiftete sie für den Tempelschatz, der von Jehiel, einem Nachkommen Ger- schons, verwaltet wurde. Das ganze Volk freute sich über die Opferbereitschaft, weil diese reichen Gaben freiwillig und mit ungeteiltem Herzen für den Herrn gespendet worden waren. Auch König David freute sich sehr darüber." (1. Chronik 29,6-9 GNB) WABT 733 2 "Darauf pries David vor der ganzen Versammlung den Herrn und betete: ›Gepriesen seist du, Herr, du Gott unseres Stammvaters Israel, vom Anfang der Zeiten bis in alle Zukunft! Dir, Herr, gehören Größe und Kraft, Ehre und Hoheit und Pracht! Alles im Himmel und auf der Erde ist dein Eigentum; dir gehört alle Herrschaft, du bist hoch erhoben als das Haupt über alles! Du teilst Reichtum und Ansehen aus und gibst Kraft und Stärke dem, den du groß und mächtig machen willst. Du bist der Herr über alles! Darum wollen wir dir, unserem Gott, danken und deinen herrlichen Namen rühmen. Ich bin nichts, Herr, und auch mein Volk ist nichts; aus eigenem Vermögen wären wir gar nicht in der Lage, dir solche Gaben zu bringen. Alles kommt von dir, auch diese Gaben haben wir erst von dir empfangen. Es geht uns nicht anders als allen unseren Vorfahren: Wir wohnen nur wie Gäste oder Fremde in diesem Land, das du uns gegeben hast, denn unser Leben auf der Erde ist vergänglich wie ein Schatten, ohne Hoffnung auf Dauer. Herr, unser Gott! Der ganze Reichtum, den wir jetzt zusammengebracht haben, um für dich, für deinen heiligen Namen, ein Haus zu bauen, kommt aus deiner Hand und darum gehört auch alles dir! Mein Gott, ich weiß, dass du den Menschen ins Herz siehst, und du freust dich, wenn sie aufrichtig sind. Ich habe dies alles mit aufrichtigem Herzen gegeben und ich habe voller Freude gesehen, welche Opferbereitschaft auch dein Volk hier bewiesen hat. Herr, du Gott unserer Vorfahren Abraham, Isaak und Israel! Erhalte deinem Volk für immer diese Gesinnung, dass es von Herzen dir zugewandt bleibt! Hilf auch meinem Sohn Salomo, dass er mit ungeteiltem Herzen deine Gebote, Weisungen und Vorschriften befolgt und alles tut, um den Tempelbau auszuführen, den ich vorbereitet habe.‹ WABT 734 1 Dann forderte David die ganze Versammlung auf: ›Preist den Herrn, euren Gott!‹ Da priesen alle den Herrn, den Gott ihrer Vorfahren. Vor dem Herrn und dem König warfen sie sich auf die Knie und beugten sich mit der Stirn zur Erde nieder." (1. Chronik 29,10-20 GNB) WABT 734 2 Es war dem König ein Herzensanliegen gewesen, das kostbare Material zum Bau und zur Ausschmückung des Tempels zusammenzutragen. Er hatte die wunderbaren Loblieder komponiert, die später in den Vorhöfen erklingen sollten. Nun wurde sein Herz fröhlich in Gott, als Israels Stammeshäupter und Fürsten seinen Aufruf so großherzig beantworteten und ihre Hilfe für die wichtige Aufgabe, die ihnen bevorstand, anboten. Über ihren Dienst hinaus waren sie gewillt, noch mehr zu tun. Sie vermehrten die Gaben Davids, indem sie etwas aus ihrem eigenen Besitz in das Schatzhaus gaben. David hatte beim Zusammentragen des Baumaterials für Gottes Haus stark seine eigene Unwürdigkeit empfunden. Der Treuebeweis seiner Edelleute, der in ihrer spontanen Reaktion zum Ausdruck kam, ihre Schätze mit willigem Herzen Jahwe zu weihen und sich selbst in seinen Dienst zu stellten, erfüllte ihn mit Freude. Es war jedoch Gott allein, der seinem Volk diese Bereitschaft geschenkt hatte. Ihm, und nicht den Menschen, gebührte die Ehre. Er hatte ihnen die Reichtümer der Erde geschenkt, und sein Geist hatte sie willig werden lassen, ihre Kostbarkeiten für den Tempelbau einzubringen. Alles kam vom Herrn. Hätte seine Liebe nicht ihre Herzen bewegt, wären die Bemühungen des Königs vergeblich gewesen, und der Tempel wäre nie gebaut worden. WABT 734 3 Alles, was der Mensch aus Gottes Fülle empfängt, bleibt Eigentum des Herrn. Was immer Gott an wertvollen und schönen Dingen auf Erden zur Verfügung gestellt hat, hat er in die Hände der Menschen gelegt, um sie zu prüfen - um der Tiefe ihrer Liebe zu ihm und ihrer Wertschätzung für seine Gnade Ausdruck zu verleihen. Ob es nun materielle oder intellektuelle Schätze sind - sie sollen als bereitwilliges Opfer Jesus zu Füßen gelegt werden, und der Geber soll wie David sagen: "Von dir ist alles gekommen, und von deiner Hand haben wir es dir gegeben." (1. Chronik 29,14) Davids Letzte Worte WABT 734 4 Als David erkannte, dass sein Tod nahte, spürte er immer noch die Verantwortung für Salomo und das Reich Israel, dessen Wohlergehen so sehr von der Treue seines Königs abhing. Da gebot er seinem Sohn Salomo und sprach: "Meine Zeit ist abgelaufen. Nun kommt es darauf an, dass du deinen Mann stehst! Achte stets darauf, dass du so lebst, wie der Herr, dein Gott, es haben will. Befolge alle seine Gebote und Anweisungen ... Dann wirst du Erfolg haben in allem, was du planst und unternimmst. Dann wird auch der Herr sein Versprechen halten, das er mir gegeben hat. Er sagte ja zu mir: ›Wenn deine Nachkommen mir treu bleiben und meine Gebote mit ganzem Herzen befolgen, dann wird auf dem Thron Israels stets einer aus der Familie Davids sitzen.‹" (1. Könige 2,1-4 GNB) WABT 735 1 Davids "letzte Worte" sind uns in Form eines Liedes überliefert worden. Es ist ein Lied des Vertrauens, der höchsten Grundsatztreue und des unerschütterlichen Glaubens: WABT 735 2 "Es spricht David, der Sohn Isais, es spricht der Mann, der hocherhoben ist, der Gesalbte des Gottes Jakobs, der Liebling der Lieder Israels: Der Geist des Herrn hat durch mich geredet . Wer gerecht herrscht unter den Menschen, wer herrscht in der Furcht Gottes, der ist wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, am Morgen ohne Wolken. Und wie das Gras nach dem Regen aus der Erde bricht, so ist mein Haus fest bei Gott; denn er hat mir einen ewigen Bund gesetzt, in allem wohl geordnet und gesichert. All mein Heil und all mein Begehren wird er gedeihen lassen." (2. Samuel 23,1-5) WABT 735 3 David war tief gefallen, aber tief war auch seine Reue, innig seine Liebe und stark sein Glaube. Ihm war viel vergeben worden, deshalb liebte er viel (vgl. Lukas 7,47). WABT 735 4 Davids Psalmen enthalten das gesamte Spektrum menschlicher Erfahrung, von den Tiefen des Schuldbewusstseins und der Selbstverurteilung bis zum höchsten Glauben und dem ehrwürdigsten Umgang mit Gott. Seine Lebensgeschichte zeigt, dass Sünde nur Schande und Elend bringt, aber Gottes Liebe und Barmherzigkeit ins Innerste des Herzens vorzudringen vermag, dass der Glaube den schuldbewussten Menschen aufrichtet und ihn in die Familie der Gotteskinder aufnimmt. Von allen Zusicherungen, die Gottes Wort enthält, ist dies eines der stärksten Zeugnisse für die Treue, die Gerechtigkeit und den Gnadenbund Gottes. WABT 736 1 Der Mensch "verschwindet wie ein Schatten und hat keinen Bestand", "aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich" (Hiob 14,2b NLB; Jesaja 40,8). "Die Güte Gottes bleibt für immer bestehen; bis in die fernste Zukunft gilt sie denen, die ihn ehren. Er hält auch noch zu ihren Kindern und Enkeln, wenn sie nur seinem Bund treu bleiben und nach seinen Geboten leben." (Psalm 103,17.18 GNB) "Alles, was Gott tut, das besteht für ewig." (Prediger 3,14) Gottes Verheissungen Für David Und Sein Haus WABT 736 2 Herrlich sind die Verheißungen, die David und seinem Haus gegeben wurden, die bis in die Ewigkeit reichen und ihre vollständige Erfüllung in Christus finden. Der Herr erklärte: "Ich habe David, meinem Knecht, geschworen ... Meine Hand soll ihn erhalten, und mein Arm soll ihn stärken ... Meine Treue und Gnade soll bei ihm sein, und sein Haupt soll erhöht sein in meinem Namen. Seine Hand lass ich herrschen über das Meer und seine Rechte über die Ströme. Er wird mich nennen: Du bist mein Vater, mein Gott und Hort, der mir hilft. Und ich will ihn zum erstgeborenen Sohn machen, zum Höchsten unter den Königen auf Erden. Ich will ihm ewiglich bewahren meine Gnade, und mein Bund soll ihm festbleiben. Ich will ihm ewiglich Nachkommen geben und seinen Thron erhalten, solange der Himmel währt." (Psalm 89,4.22.25-30) WABT 736 3 "Er soll den Elenden im Volk Recht schaffen und den Armen helfen und die Bedränger zermalmen. Er soll leben, solange die Sonne scheint und solange der Mond währt, von Geschlecht zu Geschlecht. . Zu seinen Zeiten soll blühen die Gerechtigkeit und großer Friede sein, bis der Mond nicht mehr ist. Er soll herrschen von einem Meer bis ans andere, und von dem Strom [Euphrat] bis zu den Enden der Erde. ... Sein Name bleibe ewiglich; solange die Sonne währt, blühe sein Name. Und durch ihn sollen gesegnet sein alle Völker, und sie werden ihn preisen." (Psalm 72,4.5.7.8.17; vgl. Jesaja 61,1; Jeremia 23,5) WABT 736 4 "Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt seinen Namen: Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Fürst des Friedens." (Jesaja 9,5 Elb.) "Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben." (Lukas 1,32.33; vgl. Jesaja 9,6)