Für die Gemeinde geschrieben -- Band 2

Kapitel 2

Fanatismus -- ein altes Problem

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Wenn die Grenzsteine versetzt werden

Zwei Dinge sind für die Gemeinde Jesu wichtig: Sie muß die Grundlagen ihres Glaubens kennen und darf ihre eigene Geschichte nicht vergessen. Es ist tragisch, daß so viele ihr Vertrauen kritiklos auf Menschen setzen, die mit neuen Theorien die Erfahrungen der Vergangenheit in Frage stellen und dabei sind, die Grundlagen unseres Glaubens zu zerstören. Wer sich von solchen Geistern so leicht beeinflussen läßt, muß sich fragen lassen, wem er nachfolgt und ob er gar nicht erkennt, wie weit er vom klaren Glaubenskurs abgewichen ist. Solchen Menschen rate ich, sich für die Wahrheit die Augen öffnen zu lassen: "... der feste Grund Gottes besteht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die Seinen". 2.Timotheus 2,19. Wir sollten die Glaubenserfahrungen der Vergangenheit niemals aus den Augen verlieren.

Menschen, die von sich behaupten, im Besitz der Wahrheit zu sein, vertreten plötzlich die merkwürdigsten Lehren. Beispielsweise behaupten manche, daß in Gottes neuer Welt weiterhin Kinder geboren werden. Ist das die Botschaft, die uns Gott für diese Zeit gegeben hat? Ich weiß nicht, woher sie diese "Weisheit" haben; denn der Herr hat darüber nie etwas offenbart. Über Dinge, die sich nicht biblisch belegen lassen und die mit unserer Erlösung nichts zu tun haben, sollte man besser nicht reden. Solche Gedanken sind nicht einmal der Erwähnung wert, ganz zu schweigen davon, daß man sie als eine wichtige Botschaft verkündigt.

Es ist an der Zeit, solche Auswüchse beim Namen zu nennen und ihnen wie in der Frühzeit der Adventbewegung in der Kraft des Geistes Gottes entgegenzutreten. Einige solcher Anschauungen sind zum Einfallstor für fanatische Strömungen geworden. Lehren, die sich schon in den Jahren um 1844 als Irrtum erwiesen hatten, werden wieder ausgegraben und selbst von solchen vertreten, die im Werk Gottes große Verantwortung tragen.

In New Hampshire, Vermont und an anderen Orten war es nötig, dem verführerischen Einfluß fanatischer Gruppen energisch entgegenzutreten. Unter dem Deckmantel der Heiligkeit wurden unbeschreibliche Sünden gepflegt, indem die sogenannte "freie geistige Liebe" verteidigt wurde. Solche Auswüchse zeigen, daß sich erfüllt, was die Schrift von der letzten Zeit sagt: Es werden "einige von dem Glauben abfallen und verführerischen Geistern und teuflischen Lehren anhängen." 1.Timotheus 4,1. The Southern Watchman, 5.April 1904.

Körperliche Phänomene sind keine Echtheitsgarantie

Wahrer Glaube muß sich nicht durch körperliche Phänomene beweisen. Solche Erscheinungen sind kein zwingender Hinweis darauf, daß Gottes Geist wirkt. Mit solchen Dingen hatten wir schon in den Jahren 1843 und 1844 zu tun, als Leute in die Versammlungen kamen, die in einen Zustand ekstatischer Zuckungen verfielen und alle für verloren hielten, die nicht die gleichen Erfahrungen machten wie sie. Der Herr schickte mich damals zu diesen Fanatikern ... Ich wurde gefragt, warum ich nicht diese Art von Frömmigkeit bejahte. Ich mußte ihnen antworten, daß ich offenbar einen anderen Führer hätte als sie. Mein Herr sei sanftmütig und demütig und bediene sich nicht solch prahlerischer Demonstrationen. Was in dieser Gruppe geschähe, käme nicht von Christus, sondern vom Teufel. Manuskript 97, 1909.

Der Anspruch, heilig und versiegelt zu sein

Im Jahre 1850 besuchten mein Mann und ich Vermont, Kanada, New Hampshire und Maine. Die Versammlungen fanden in Privathäusern statt. Zu jener Zeit war es überaus schwer, den Zugang zu Ungläubigen zu finden. Die enttäuschte Wiederkunftserwartung von 1844 hatte viele verwirrt und für Gottes Wort unempfänglich gemacht. Manche wollten zu diesem Thema nichts mehr hören und hatten völlig mit dem Glauben gebrochen. Aber nicht alle gingen so weit. Es gab auch Menschen, die froh waren zu hören, daß unser Verständnis des prophetischen Wortes auf sicherem, biblischem Grund steht. Als sie erkannten, welche Erklärung es für die so bittere Enttäuschung gab, dankten sie Gott für seine Führung und wurden wieder froh und ihres Glaubens gewiß. Das weckte allerdings den erbitterten Widerstand derjenigen, die völlig mit den Erfahrungen der Vergangenheit gebrochen hatten.

Während dieser Reise stießen wir auf besorgniserregende Erscheinungen. So behauptete eine andere Gruppe, vollkommen geheiligt zu sein. Sie gaben vor, versiegelt und so heilig zu sein, daß sie nicht mehr sündigen könnten. Sie verstiegen sich sogar dazu, ihre Gedanken mit Gottes Gedanken gleichzusetzen. Viele unkritische Gläubige ließen sich von der angeblichen Frömmigkeit dieser Fanatiker täuschen. Satan hatte ganze Arbeit geleistet. Die Leute hatten zwar biblische Glaubenslehren wie die Sabbatwahrheit angenommen, waren aber dessen ungeachtet auf den Weg des Irrtums geraten. So, wie sich diese Gruppe darbot, war sie eher geeignet, Menschen abzuschrecken, als sie für die Wahrheit zu gewinnen. Diese Leute erhoben Forderungen und legten anderen Lasten auf, die Christus nie zu tragen befohlen hat.

Sie behaupteten, Kranke heilen und Wunder vollbringen zu können, aber ihre Kraft kam nicht von Gott, sondern war satanischen Ursprungs. Ihre Frömmigkeit täuschte, denn in Wirklichkeit waren sie rücksichtslos, diktatorisch und hartherzig im Umgang mit anderen. Der Herr benutzte uns damals, um diesen Fanatikern entgegenzutreten und den nach Wahrheit suchenden Gläubigen die Augen für das wahre Wesen dieser Menschen zu öffnen. Gott schenkte es, daß in die Herzen derjenigen, die sich von dieser Gruppe lösten, wieder Friede und Freude einkehrten. Sie lobten Gott, der ihnen gezeigt hatte, welcher Unterschied zwischen der Frucht des Geistes Gottes und den verführerischen Irrlehren Satans besteht. So begann die Wahrheit mitten im Schmutz des Irrtums wieder zu glänzen wie reines Gold. The Review and Herald, 20. November 1883.

Gottes heiliges Werk darf nicht beeinträchtigt werden

Mein Auftrag ist es, die Gemeinde, besonders aber diejenigen, die sich der Verkündigung des Evangeliums zur Verfügung stellen, davor zu warnen, Gottes Werk durch eigenwillige Schriftauslegungen in Mißkredit zu bringen. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, wie sehr menschliche Spekulationen Gottes Botschaft für diese Welt hindern können.

Immer wieder wurde ich in der Vergangenheit gebeten, meine Stimme gegen derartige trügerische Lehrmeinungen zu erheben. Meine Botschaft war immer die gleiche: Predigt Gottes Wort einfach und in Demut. Bringt den Menschen die Wahrheit unverfälscht und klar. Verschließt euch dem Fanatismus in jeder Form, denn er bewirkt nichts anderes als Verwirrung, macht mutlos und schadet der Gemeinde ...

Immer, wenn man mich bat, fanatischen Tendenzen entgegenzutreten, erhielt ich die klare Anweisung, solche Einflüsse entschieden abzuweisen.

In manchen Fällen handelte es sich um Praktiken, die Menschen ausgeklügelt hatten, um Gottes Willen zu erfahren. Gott zeigte mir damals, daß man der Täuschung Tor und Tür öffnet, wenn man sich auf solche Dinge einläßt. Sie entsprechen nicht dem Willen Gottes, sondern spielen nur dem Satan in die Hände. Es gab immer wieder Zeiten, in denen Gläubige sich in ihrem Handeln stark von sogenannten Zeichen abhängig machten. Das nahm in manchen Fällen solch absurde Formen an, daß beispielsweise Männer behaupteten, Gott habe sie wissen lassen, daß sie ihren Ehepartner wechseln sollten. Auf diese Weise wurde unter frommem Vorzeichen Ehebruch in die Gemeinde eingeschleust.

Solche Erscheinungen, mit denen wir in der Anfangszeit unserer Bewegung zu tun hatten, werden auch in der Zeit kurz vor dem Ende der Welt auftreten. Dann wird es ebenfalls gelten, sich allein auf Gottes Kraft zu stützen und sich an seinem Wort zu orientieren. Lest das vierte und fünfte Kapitel des Matthäusevangeliums. Studiert besonders die Botschaften aus Matthäus 4,8-10 und Matthäus 5,13. Macht euch klar, wie Jesus der Versuchung entgegentrat. Nur so wird es möglich sein, daß Gottes Wort in unserem Leben Gestalt gewinnt. Brief 36, 1911.

Angemessenes Verhalten

Nachdem die im Jahre 1844 erwartete Wiederkunft Christi ausgeblieben war, machten sich in den Reihen der Adventisten Resignation auf der einen und Fanatismus auf der anderen Seite breit. Gott gab warnende Botschaften, um diesen Übeln begegnen zu können. In einigen Fällen ging es um den allzu vertrauten Umgang zwischen den Geschlechtern. Ich mußte diesen Gläubigen Gottes heilige Ordnung in Erinnerung bringen, die nicht nur einen unbefangenen, sondern vor allem einen korrekten und sauberen Umgang miteinander verlangt. Mehrfach mußte ich Männer und Frauen tadeln, die von sich behaupteten, in enger Beziehung zu Gott zu stehen, deren Gedanken aber gleichzeitig fragwürdige und unsaubere Wege gingen. Der Erfolg meiner Bemühungen war gering, denn Gottes Weisungen gerade auf diesem Gebiet wurden abgelehnt und verächtlich gemacht ...

Solche Gefahren gab es natürlich nicht nur in der Vergangenheit. Gerade Menschen, die Gottes Botschaft zu tragen haben, sind ständig starken Versuchungen ausgesetzt, die sie vom Weg der Wahrheit abbringen und ihren Glauben unwirksam machen möchten ...

Wer im Dienst für Christus steht, muß in den zwischenmenschlichen Beziehungen alles unterlassen, was ihn in Versuchung führen könnte. Unser Wirken soll Gott ehren und mit seinem Willen übereinstimmen. Mancher vorgebliche Verkündiger des Evangeliums hat die göttliche Wahrheit mit seinen eigenen Vorstellungen vermischt. Aber Maßstab kann nicht das sein, was Menschen denken, sondern wir haben uns an dem zu orientieren, der die Wahrheit ist: Jesus Christus. Wenn wir an ihn glauben und ihn im Herzen haben, werden wir uns nicht zu zweifelhaften und ungeheiligten Handlungen hinreißen lassen. Wenn jemand von sich behauptet, er predige die Wahrheit, aber in der Gegenwart unverheirateter oder verheirateter junger Frauen einen gar zu vertraulichen Ton anschlägt oder sie gar berührt, dann nehmt euch vor ihm in acht. Geht davon aus, daß Gottes Grundsätze sein Inneres kaum berührt haben. Solche Menschen können nicht wirklich für Christus arbeiten, weil ihnen die echte Hingabe fehlt. Bevor der Herr sie gebrauchen kann, müssen sie sich grundlegend bekehren.

Wahrheit, die von Gott kommt, läßt uns den gebührenden Abstand halten, heiligt unsere Beziehungen und reinigt unser Denken und Tun. Sie zielt hin auf ein ungetrübtes Verhältnis zu Christus und hilft uns, selbst den "Anschein des Bösen" zu vermeiden -- wie es der Apostel Paulus von den Gläubigen forderte. The Review and Herald, 10. November 1885.